Standortporträt Waldkirch

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Waldkirch


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Politik • Standort Waldkirch

Robert Bauer (li.) ist Vorstandschef von Sick, Daniel Keesman leitet August Faller

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Foto: Jigal Fichtner


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Waldkirch ohne Tunnelblick Die wichtigsten Manager der Stadt im Gespräch: Sick-Chef Robert Bauer und Daniel Keesman, geschäftsführender Gesellschafter von August Faller, sprechen über ihre Stadt. Es eint sie der Kampf gegen einen unmöglichen Plan aus dem Regierungspräsidium

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ie beiden Manager kennen sich. Daniel Keesman, Chef des Verpackungsmittel-Spezialisten August Faller, ist zu Fuß zum Spitzengesprach gekommen. Das Treffen im Hause des Sensorherstellers Sick ist nur wenige Schritte vom Faller-Werk entfernt. „Wir pflegen kurze Wege“, sagt Robert Bauer, Gastgeber und Vorstandschef von Waldkirchs größtem Arbeitgeber. Die beiden Top-Manager haben in diesen Tagen ähnliche Sorgen. Schrumpfende Umsätze, gelegentlich Kurzarbeit und noch etwas. Die ursprünglichen Pläne des Regierungspräsidiums, den Hugenwaldtunnel für eine Sanierung acht Monate voll zu sperren, haben Faller und Sick zu Brüdern im Kampfe gemacht. Bauer sieht sogar den Standort Waldkirch in Gefahr. Herr Bauer, Herr Keesman, wann werden ihre Unternehmen wieder wachsen? ➤ Daniel Keesman: Wir gehen davon aus, dass wir ausgehend vom Umsatz 2009 auch in 2010 noch ein Jahr der Stagnation haben werden und dann 2011 wieder leicht wachsen. Wir erwarten hier zweieinhalb bis drei Prozent. Falls die wirtschaftlichen Umstände sich bessern sollten, wovon man heute aber nicht sicher aus-

gehen kann, könnten wir auch stärker wachsen, da wir im Vergleich zu unseren Wettbewerbern sehr stark aufgestellt sind. ➤ Robert Bauer: In den Monatsscheiben wachsen wir bereits ­wieder. 2010 erwarten wir dann auch für das ganze Jahr wieder ein moderates Wachstum. Wann werden Sie denn wieder

Überkapazitäten. Auch die Nachfrage nach Arzneimitteln ist teilweise rückläufig. Spielt Ihnen da etwas wie die Schweinegrippe in die Hand oder ist das am Ende der Bilanz ein verschwindend geringer Aspekt? ➤ Keesman: Die Schweinegrippe spielt uns tatsächlich in die Hand. Im zweiten Quartal hatten wir

Bauer: „Wir werden erst 2012 wieder auf dem Niveau von 2008 zurück sein“ auf dem Niveau von 2007/08 ankommen? ➤ Bauer: Nach unserer mittelfristigen Planung sind wir in 2012 wieder auf diesem Niveau. Sick erwartet 2009 ein Umsatzminus von mehr als 20 Prozent. ➤ Bauer: Im Moment stehen wir bei minus 20 bis 22 Prozent. Und Faller? ➤ Keesman: Wir gehen von einem Minus von bis zu acht Prozent aus. Das heißt, wir geben das Wachstum, dass wir 2008 erreicht haben, wieder ab und fallen auf das Niveau von 2007 zurück. Auf dem Markt, auf dem Faller sich bewegt, gibt es deutliche

noch einen deutlichen Umsatzeinbruch und mussten auch im Sommer für einen Monat kurzarbeiten. Doch kaum hatten wir das organisiert, zogen die Aufträge wieder an. Das war die Schweinegrippe? ➤ Keesman: Richtig. Und von diesem sehr dynamischen Trend profitieren wir. Aber deswegen ist es auch nur ein kurzfristiger Effekt, weil viele Firmen jetzt Mittel zur Impfung oder Bekämpfung der Schweinegrippe herstellen. Sick hat sich früh und sehr offensiv zum Thema Kurzarbeit bekannt. Hat das Ihren Mitarbeitern Sicherheit gegeben? ➤ Bauer: Auf jeden Fall. Die

Kurzarbeit war das einzige Mittel um diese großen Schwankungen zu überbrücken und den Mitarbeitern eine Perspektive zu geben. Unsere Mitarbeiter haben da perfekt mitgespielt. Die Kurzarbeit wird bei uns so flexibel eingesetzt, dass der Kunde nie etwas davon merkt. ➤ Keesman: Für uns war Sick ein großes Vorbild, wie man in der Kommunikation mit dem Thema umgeht. Als es bei uns so weit war, haben wir dann auch den offensiven Weg gewählt. Sprechen wir über Waldkirch. Herr Bauer, wenn Sie im War of talents sind, misst Sick sich mit Siemens, Bosch oder Daimler. Wie holt man da die guten Ingenieure ins Elztal? ➤ Bauer: Durch die Marke Sick. Die Kandidaten müssen das Fachgebiet und die Marktplatzierung verstehen und für gut befinden. Dann hat der Standort im Südschwarzwald auch große Vorteile, in Verbindung mit der Natur und der Nähe zu Freiburg. ➤ Keesman: Wir haben nicht so einen hohen Bedarf an Hochqualifizierten, wir suchen eher Facharbeiter. Da geht das Einzugsgebiet aber auch bis Stuttgart, Karlsruhe und nach Basel. Da fällt der Wohnortwechsel nicht ganz so

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Politik • Standort Waldkirch

Robert Bauer, 49, ist seit drei Jahren Vorstandschef des wichtigsten Unternehmens in Waldkirch. Die Sick AG ist einer der bedeutendsten Hersteller von Sensoren. Das Unternehmen hat knapp 5000 Mitarbeiter und erlöste 2008 einen Umsatz von 737 Millionen Euro. Der promovierte Elektrophysiker Bauer ist seit 16 Jahren im Unternehmen und seit zehn ­Jahren im Vorstand. Er ist verheiratet und hat drei Kinder.

dramatisch aus. Als mittelständisches Familienunternehmen mit soliden Zahlen sind wir da für viele eine echte Alternative. Sie sind beide zugereist. Wie nehmen Sie den Standort wahr? ➤ Keesman: Südbaden und Waldkirch sind einfach von der Lebensqualität sehr attraktiv, gerade für junge Familien. Freiburg ist in der Nähe, die Infrastruktur stimmt. Und die Stadt bemüht sich um ihre Unternehmen. Hier wird versucht, die Standortqualität so zu verbessern, dass die Arbeitsplätze gehalten oder ausgebaut werden. Natürlich ist auch die Ausstrahlung einer Firma Sick ein Anreiz. Faller strukturiert gerade neu. Waldkirch wird bei Ihnen das Faltschachtelzentrum. Deswegen gab es auch Überlegungen für einen Neubau, was ist daraus geworden? ➤ Keesman: Wir haben durch den Erwerb des Unternehmens Göppert ja zwei Werke in Waldkirch. Das sind natürlich zusätzliche Kosten für Transport und Logistik. Deshalb gibt es schon seit Jahren Überlegungen, beide Werke in einem zusammenzufassen. Bedingt durch die neue Struktur ist unser Raumbedarf aber nicht mehr ganz so groß. Wir überlegen jetzt, das alte Göppert-Werk zu erweitern. Dazu würden wir aber Grundstücksanteile der Anrainer benötigen. Da suchen wir gerade eine Lösung. Die Alternative wäre ein Neubau auf der Gerbermatte. Aber natürlich würde die Stadt es lieber sehen, eine Industriebrache zu sanieren, als etwas auf der grünen Wiese zu machen. Das Land

Daniel Keesman, 47, ist seit einem Jahr geschäftsführender Gesellschafter des auf Pharma-Produkte spezialisierten Verpackungsmittelherstellers August Faller. Zuvor war er dort bereits zwei Jahre ­Geschäftsführer. Faller erlöste mit 820 Mitarbeitern zuletzt 93 Millionen Euro. Der promovierte Chemiker hat lange in den USA gearbeitet, ehe er über Heidelberg und Basel nach Waldkirch kam. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder.

hat ja das Ziel ausgegeben, eher alte Flächen zu nutzen. Wir wollen im nächsten halben Jahr eine Entscheidung. Kann Sick denn in Waldkirch noch erweitern? ➤ Bauer: Wir haben vor einem Jahr die Tennisplätze des TC RotWeiß gekauft. Seit zehn Jahren haben wir da zusammen mit der Stadt und dem Club eine Lösung gesucht. Dank des starken Engagements der Stadt hat das jetzt endlich geklappt. Heute steht auf un-

trag gegeben hat, geht davon aus, dass man den Rettungsstollen so erweitern könnte, dass der Verkehr zumindest einspurig durchfließen könnte. Das wäre etwas teurer, weshalb es beim Regierungspräsidium nicht so angenommen wurde. Dort hielt man lange an den ersten Plänen mit der Vollsperrung fest. Deswegen haben wir dagegen geklagt. „Wir“ heißt? ➤ Bauer: Gemeinsam abgesprochen haben wir einzeln geklagt.

Keesman: „Acht Monate Tunnelsperrung wären ein Super-Gau gewesen“ serem Grundstück ein Containerdorf. Sobald die wirtschaftlichen Verhältnisse es zulassen, werden wir dann auf dem ehemaligen Tennis-Grundstück bauen. Der genaue Zeitplan ist noch offen. Der Hugenwaldtunnel soll für zehn Wochen voll gesperrt werden. Was bedeutet das für sie? ➤ Bauer: Der erste Entwurf hatte noch eine Vollsperrung von acht Monaten vorgesehen. Das hätte zu einem totalen Verkehrschaos geführt. Der gesamte Verkehr hätte durch die verkehrsberuhigte Stadt Waldkirch gemusst. Der Stau wäre unendlich gewesen. Sick hat hier sein Euro-Logistikzentrum und beliefert ganz Europa innerhalb von 24 Stunden. Das muss im 15-Minuten-Takt abgewickelt werden, sonst werden die Anschlüsse nicht erreicht. ➤ Keesman: Ein alternatives Gutachten, das die Stadt in Auf-

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Die Stadt, die Firma Sick, die Firma Faller. ➤ Keesman: Wäre der Bau so durchgeführt worden, wäre das ein Super-Gau gewesen. Das sehr optimistische Gutachten für diesen Weg geht allein von einem Rückstau von drei bis vier Kilometern aus – in beide Richtungen. Faller produziert mit 17 000 Tonnen Karton. Der muss per Sattelzug rein und raus. Wenn die Lkw da stundenlang stehen, entsteht ein erheblicher wirtschaftlicher Schaden. Also haben wir uns mit allem was wir haben gewehrt. Wie kann dann eine solche Planung überhaupt entstehen? ➤ Bauer: Das ist eine gute Frage, die wir uns auch gestellt haben. Leider sitzt niemand am Tisch, der diese Frage beantworten kann. Jetzt reden wir also noch von zehn Wochen Vollsperrung. Eine erträgliche Lösung?

➤ Bauer: Wir sind froh über den Kurswechsel des Regierungspräsidiums. Dennoch sind zehn Wochen Vollsperrung eine erhebliche Belastung für unseren Warenverkehr. Herr Bauer, warum ist die Logistik denn so wichtig für Sie? ➤ Bauer: Sensorik lebt davon, dass der Kundenwunsch innerhalb von 24 Stunden erfüllt wird. Wir produzieren 5000 verschiedene Varianten und 60 000 Ausprägungen – da können wir nichts über Lagerhaltung machen. Wenn die Tunnelsperrung kommt, bleibt uns nur, die Produktion zu verlagern. Nach Ungarn oder Amerika. Weg von Waldkirch, weg aus BadenWürttemberg. Und welchen Vorteil bringt bei der Logistik der Standort Waldkirch? ➤ Bauer: Das ist die Nähe Richtung Süden, nach Frankreich und Italien. Und auch der Abstand zu den Flughäfen Frankfurt, Basel und Straßburg ist überschaubar. Ist es denn denkbar, dass die Unternehmen sich an der Finanzierung der teureren Lösung beteiligen? ➤ Bauer: Wir gehen davon aus, dass wir mit unserem Steueraufkommen schon genug bereitstellen. Immerhin reden wir hier vom Ausbau einer Bundesstraße. Das darf nicht an ein paar Millionen scheitern. Philipp Peters

www.august-faller.de www.sick.com www.stadt-waldkirch.de Foto: Jigal Fichtner


83 Fotos: Jigal Fichtner, Fischer

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Klecks mit Geschichte Waldkirch macht es vor: Aus zwei ehemaligen Textilfabriken in der Stadt sind moderne Gewerbeparks entstanden. Vor allem durch die Initiative der ansässigen Unternehmer

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er große Farbklecks mittem auf dem Fußboden des Büros stört Michael Ganter nicht. Und das obschon der geschäftsführende Gesellschafter des Ladenbauers Ganter Interior normalerweise sehr genau hinschaut. Doch den Klecks nimmt er hin. Im Gegenteil: Er soll da sein. „Wir wollten den Charakter und die Geschichte des Gebäudes respektieren und erhalten“, sagt Ganter beim Gang durch das alte Kraftwerk. Und eben an jener Stelle war mal eine Künstlerwerkstatt untergebracht. Vor einem guten Jahrzehnt hat Ganter das Gebäude gekauft, das Teil einer alten Spinnerei und Weberei im Stadtteil Kollnau war.

Heute ist daraus eine der prägnantesten Bauten der Stadt geworden. Drum herum ist ein vielfältiger Gewerbepark entstanden, in dem von der Werbeagentur bis zum Secondhand-Kaufhaus so ziemlich alles zu finden ist. Nur wenige hundert Meter Luftlinie entfernt gibt es ein ähnliches Projekt. Auch die Fabrik Sonntag ist eine ehemalige Textil­ fabrik, die ihre Blütezeit zu Beginn des 20. Jahrhunderts erlebte. Heute hat die Erbengemeinschaft das Areal am Rande Kollnaus in einen modernen Dienstleistungspark umgewandelt. Die alten Gebäude sind saniert und einige Neubauten hinzugekommen. Derzeit sind rund 30 Firmen auf

dem Gelände ansässig. Das Areal der ehemaligen, 1862 gegründeten Florettseidenspinnerei ist zu einem modernen Wirtschaftsstandort geworden. Waldkirch hat somit schon mal vorgemacht, was das Land jetzt von allen Städten und Gemeinde verlangt. Bevor auf grünen Wiesen am Reißbrett neue Gewerbesiedlungen entworfen werden, muss man erst mal mit dem Bestand arbeiten. „Es war immer das erklärte Ziel, die vorhandenen Gebäude und Potenziale so zu nutzen, dass ein Ort geschaffen wird, der die Chance bietet, Arbeit und Leben als sich ergänzenden Bereich zu begreifen“, heißt es in der Philoso-

phie der Fabrik Sonntag. Dass die ersten Altbauten saniert wurden, ist mittlerweile mehr als zwei Jahrzehnte her. Doch auch in den Neubauten, dem Gründerzentrum und dem städtischen Notariat, weht immer noch der Geist der Geschichte. Das gilt auch für das Kraftwerk, in dem Ganter sitzt. Streng genommen ist das Gebäude kein Kraftwerk und war auch nie eins. Es war vielmehr zentraler Sitz der Produktion der Kollnauer Spinnerei & Weberei (KSW). In seiner Klarheit und Größe ragt das historische Bauwerk deutlich aus dem Gesamt­areal heraus. Michael Ganter, dem auch die Immobilie gehört, war früher selbst mal Mieter in der Fabrik

Moderner Farbtupfer: das Gründerzentrum auf dem Areal der Fabrik Sonntag

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Foto: Jigal Fichtner


Sonntag. Doch jetzt ist sein Unternehmen der Struktur des Nachbarn entwachsen. Im Kraftwerk findet neben Ganter nur noch ein kleines Architekturbüro Unterschlupf. Den authentischen Industriecharakter des Kraftwerks hat Ganter beim Umbau erhalten. Der alte Steuerungsraum etwa, von dem der Schichtleiter auf die Fertigung hinabsah, ist heute ein Versammlungsraum. Philipp Peters

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