klettern in arco

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COLLANA LUOGHI VERTICALI

EDIZIONI VERSANTE SUD


Erste Ausgabe Mai 2010 ISBN 978-88-96634-08-0 Copyright © 2010 VERSANTE SUD S.r.l. Milano via Longhi, 10, tel. 027490163 www.versantesud.it Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung, der elektronischen Speicherung, der Vervielfältigung und der teilweisen oder gänzlichen Bearbeitung.

Umschlag

Angelika Rainer, Io Dio, 7c, Bassilandia (foto Marco Spataro)

Texte

Antonella Cicogna, Mario Manica, Davide Negretti

Skizzen und Landkarten

Chiara Benedetto. Ortsrecherchen: Davide Negretti

Symbole

Iacopo Leardini

übersetzung

Gerd Zimmermann

Druck

Monotipia Cremonese (CR)

HINWEIS Klettern ist ein potenziell gefährlicher Sport und geschieht immer auf eigene Gefahr. Alle Hinweise in diesem Führer beruhen auf Informationen, die zum Zeitpunkt der Drucklegung aktuell waren. Es wird empfohlen, sich vor der Begehung einer Route über den aktuellen Stand zu informieren.


Antonella Cicogna Mario Manica Davide Negretti

Klettern in

ARCO 106 Vorschl채ge Sarcatal Trient Rovereto Judikarien

EDIZIONI VERSANTE SUD


Einführung

Die neue Ausgabe: 106 Gebiete mit mehr als 3700 Seillängen. Überhänge, Dächer, Platten und senkrechte Wände. Ein Fest für alle Kletterer.

Mit den Gedanken sind wir schon in der Wand. Die Hände umfassen nicht das Lenkrad, sondern sind auf dem Weg ins Chalkbag…. ja, gleich werden sie Fels berühren. ARCO heißt das Zauberwort und zieht uns unwiderstehlich an! Aus welchem Teil der Welt wir auch kommen: “Arco” klingt in jeder Sprache gleich. An diesem Ort können wir fast das ganze Jahr über klettern, die Felswände liegen aufgereiht wie Juwelen vor uns. In Arco findet jährlich der spannende ROCKMASTER-Kletterwettkampf mit den besten Kletterern der Welt statt. Wer Material braucht, findet hier alles. Und ein Tipp für Schleckermäuler: Wer gerne Eis isst, wird sich hier fast wie Paradies fühlen! Aber Arco ist auch ein Ort des Aufbruchs, ein Fenster in die Welt der Vertikalen…! In der Gunst der Kletterer liegen die Gebiete von Nago und Massone zwar immer noch ganz vorne. In den vergangenen fünfzehn Jahren ist das gesamte Sarcatal aber aus seinem Dornröschenschlaf erwacht. Es ist unglaublich, wie viele Felswände mittlerweile uns Kletterern dort zur Verfügung stehen. Kurze Routen, lange Routen - alles, was das Herz begehrt. Und immer noch werden neue Routen eingebohrt, neue Klettergärten erschlossen. Auch die Nachbartäler profitieren mittlerweile von dieser Entwicklung. Und so ist es dringend erforderlich, dass wir nach fünf Jahren eine Neuausgabe unseres ersten Kletterführers präsentieren. Mit den 25 neuen Klettergebieten beinhaltet dieser Führer jetzt etwa 3700 Seillängen. Wir hätten nicht gedacht, dass so viel Arbeit auf uns wartet. Bei mehr als 95 Prozent der “alten” Gebiete war es unumgänglich, sie auf den neuesten Stand zu bringen. In fünf Jahren kann wirklich viel passieren: Neue Felswände werden eingebohrt, neue Routen kommen hinzu, Klettergärten werden saniert oder auch komplett ausgenagelt. Manche der Gebiete finden immer mehr Zuspruch und sind fast überlaufen. Andere

hingegen fristen ein Schattendasein oder werden ganz einfach geschlossen. Wir mussten erkennen, dass es viel einfacher ist, auf der Basis des alten Kletterführers einen neuen zu schreiben, anstatt die eine oder andere neue Route einzufügen, nach ihrem Namen, der Schwierigkeit und dem Erschließer zu suchen….. Davide war unsere größte Hilfe, denn er wohnt mittlerweile im Sarcatal. Er hatte immer die neuesten Informationen über neue Routen und laufende Erschließungs- oder Sanierungsarbeiten. Auch die Last-Minute-Aktualisierungen kurz vor Drucklegung stammen von ihm. Die geographische Ausweitung dieses Kletterführers hin bis ins nahe Etschtal bzw. nach Rovereto stellt für uns eine unumgängliche Notwendigkeit dar. Aus Rovereto stammen viele in der ganzen Welt bekannte Bergsteiger. Dort stieß der Klettersport schon immer auf fruchtbaren Boden und so ist es nicht verwunderlich, dass kurz vor Drucklegung der in der Nähe dieser Stadt liegende Klettergarten von San Colombano noch für diesen Führer berücksichtigt werden musste. Stefano Ghidini hat dort eine große Zahl an 8b-Routen eingebohrt und als erster rotpunkt geklettert. Unserer Meinung nach liegt die Veröffentlichung absolut im Interesse der starken Kletterer, zudem weist dieses Gebiet noch viel Erschließungspotenzial auf. Durch eine größere Besucherzahl könnte sich die Gemeinde möglicherweise auch dazu bereit erklären, die Öffnungszeiten der Einsiedelei zu erweitern und somit auch für uns Kletterer einen größeren Zeitrahmen zu schaffen. Trotz dieser überaus positiven Entwicklung gibt es aber auch einen kleinen Wermutstropfen: Mittlerweile werden Klettergebiete auch wieder geschlossen. Diese Tatsache hat zum größten Teil mit der Lage dieser Orte zu tun, denn sie liegen auf Privatgelände. Dies ist z.B. beim Klettergebiet Laghel der Fall, das seit nahezu zwei Jahren nicht mehr zugänglich ist. Wir würden uns wünschen, dass die Gemeinde Arco mit den Besitzern eine Einigung erzielen kann. Laghel ist nämlich leicht zu Fuß von Arco aus erreichbar und zugleich eindeutig eine der schönsten Felswände im ganzen Gebiet! Es wird gemunkelt, dass auch Nomesino im Val di Gresta dieses Schicksal blühen könnte. Hoffen wir alle, dass dem nicht so sein wird!


Der Fall von Pannone liegt etwas anders: Dieses Klettergebiet wurde aufgrund von Sicherheitsbedenken von der Gemeindeverwaltung geschlossen. Eine 100prozentige Sicherheit kann es bei Klettergärten aber nie geben und eine Schließung ist leider der einfachste Weg, sich der Verantwortung zu entziehen. Wie dem auch sei: Auch diese schöne Felswand wird für uns Kletterer vorerst einmal verboten bleiben. Vermutlich sind unschönes Betragen und mangelnder Respekt nicht die einzigen Gründe, weshalb ein Klettergebiet geschlossen wird. Klar ist aber auch, dass sie eine große Rolle spielen können. Es liegt also an uns, ob solche Schließungen künftig vermieden werden können, unabhängig davon, ob die Felswand auf privatem oder öffentlichem Gelände liegt. Das gleiche gilt für die Parkmöglichen, die oft genug eingeschränkt sind oder manchmal erst gar nicht existieren. Wir sollten immer darauf achten, dass niemand behindert wird. Auch wenn wir mal ein bisschen länger laufen müssen: Weniger Störungen und Ärger sind für alle Beteiligten doch wünschens-

wert, oder nicht? Die Anzahl der Routen im neuen Arco-Führer hat sich deutlich erhöht. Diese Tatsache haben wir einigen wenigen Kletterern zu verdanken, die sich leidenschaftlich um die Erschließung, Sanierung und Instandhaltung der Klettergärten bemühen. Unser Wunsch ist nach wie vor derselbe: Dieses Buch soll zu eurem (Kletter-)Vergnügen beitragen! Damit ihr, noch zu Hause oder nach der Rückkehr, an die schönen Felswände im Sarcatal denkt und von neuen Taten und Projekten träumt. Antonella Cicogna, Mario Manica, Davide Negretti

DANKSAGUNGEN Diesen Kletterführer möchten wir vor allem zwei unserer Freunde widmen, die unterschiedlicher nicht sein könnten und sich mit Leidenschaft und viel Mühe um die Erschließung der Klettergärten im Sarcatal verdient gemacht haben. Danilo Bonvecchio (Professor für Philosophie und Bergführer) und Fabio Leoni (Kletterer, Bergsteiger und Inhaber der Vertical Sport-Geschäfte) haben im Laufe der Jahre etwa die Hälfte der bestehenden Klettergärten bzw. hunderte von Routen eingebohrt. Dazu zählen nicht nur die vielen Sanierungen, sondern auch die Entdeckung und Neuerschließung ganzer Felswände. Oft (und gerne) bezahlten sie das gesamte Material aus eigener Tasche. Ohne diese beiden “Verrückten” gäbe es viele fantastische Routen überhaupt nicht und genauso wenig könntet ihr diesen Kletterführer in der Hand halten. Ein besonderes Dankeschön geht auch an die über siebzig nachfolgend aufgeführten Freunde – allesamt Kletterer, Erschließer, den Bergen auf andere Art leidenschaftlich verbundene Personen oder Organisationen. Sie stellten uns ihr Wissen über die Felswände und ihre Zeit gerne zur Verfügung oder bereicherten mit weiteren Informationen oder Fotos dieses Buch.

Andreas Bindhammer, Edy Boldrin, Danilo Bonvecchio, Mirko Bosetti, Cristian Brenna, Tiziano Buccella, Michele Cagol, Luciano Calderan, Paolo Calzà, Roberto Capucciati, Franco Cavallaro, Lino Celva, Oswald Celva, Eugenio Cigalotti, Marco Curti, Carletto Dalbosco, Gianguido Dalfovo, Alberto Damioli, Anderson De Morais, Daniela Izzo, Marta Dionisi, Sandro Donati, Simone Elmi, Simonetta Facchini (APT Comano), Donato Falcone, Massimo Faletti, Nicolas Favresse, Ivan Feller, Michele Feller, Diego Filippi, Rudi Filippi, Roland Galvagni, Lorenzo Garavaglia, Michele Ghezzi, Stefano Ghidini, Mauro Girardi, Luca Giupponi, Armando Grisenti, Cristoforo Groaz, Guardia di Finanza Soccorso Alpino Tione, Rolando Larcher, Giovanni Leonardi, Fabio Leoni, Damiano Levati, Daniele Lira, Paolo Malesardi, Sabrina Malfer, Devid Mambrini, Giuseppe Mantovani, Loris Manzana, Remo Marchi, Silvano Matassoni, Ilaria Mattevi, Sauro Merighi, Marco Molinari, Andrea Mutti, Giorgio Nicolodi, Luca Ondertoller, Luca Onorevoli, Elio Orlandi, Davide Ortolani, Andrea Pandini, Alberto Postinghel, Giorgio Potrich, Bruno Quaresima, Angelika Rainer, Florian Riegler, Massimiliano Santi, Franco Scandolari, Marco Scolaris, Gianni Scrinzi, Marco Spataro, Nicola Tarolli, Maja Vidmar, Ulla Walder, Andrea Zanetti, Maurizio Zanolla.

Fabrizio Agosti, Fabio Albertoni, Renzo Angelini, Simone Banal, Mauro Bertolasi, Fabio Bertoni, Mauro Bianchi,

Alle Gebiete in diesem Kletterführer werden mit Einwilligung der Entdecker, Erschließer oder Sanierer aufgeführt.


Informationen

ALLGEMEINE INFORMATIONEN Dieser Kletterführer behandelt die Gebiete im Sarcatal, in den Judikarischen Tälern sowie bei Rovereto und Trento.

Das Sarcatal Es ist wohl nichts Neues: Dieses Tal ist einzigartig. Wegen des milden Klimas am Gardasee können wir hier 360 Tage im Jahr klettern. Und Mountainbiker genauso wie Wanderer finden hier beinahe paradiesische Möglichkeiten. Die Skifahrer, Snowboarder und Tourengeher trifft man am Monte Bondone, Monte Stivo oder den Dolomiten. Viele weitere Outdoorsportarten lassen sich in dieser Region bestens praktizieren, so zum Beispiel Gleitschirmfliegen, Base Jumping, Canyoning oder Windsurfing. Wie beinahe überall hat der Mensch natürlich auch in diesem schönen Tal seine Spuren hinterlassen bzw. es verändert - die vielen Paläste, Schlösser, Parkanlagen und Gärten laden zur Besichtigung oder zu einem Aufenthalt ein. Dem stehen die von der Natur geschaffenen Orte gleich wohl in nichts nach. So zeugen die durch die Eiszeit entstandenen Seen, die hier in großer Zahl zu finden sind, von der immensen Gewalt der Natur. Weitere Phänomene sind z.B. die Gletschermühlen oder die Felsstürze bei Dro oder Pietramurata, die zu den größten im gesamten Alpenraum zählen (187 Mio. Kubikmeter). Durch diese beinahe wilde Landschaft mit den unzähligen Felswänden fließt der Fluss namens Sarca, der in der Schlucht von Limarò seinen Ursprung hat. Auch die größte Doline des gesamten Alpenraums liegt in dieser Region, nämlich im Hochtal von Laghel, das mit seinen Olivenhainen, Pinienwäldchen und Weinbergen sicherlich einmalig ist. Mitten in diesem Tal entsteht nach langen Regenfällen ein See, der immer wieder auftaucht und verschwindet und der vermutlich von einer unterirdischen Quelle gespeist wird. Mensch und Natur bilden hier ein gemeinsames Ganzes und sind eng miteinander verbunden. In der weiten Ebene, die sich bis zum Ufer des Gardasees erstreckt, können Wein, Äpfel, Pflaumen und Kiwifrüchte angebaut werden. Auf den Terrassenhängen mit den wunderschönen Trockenmauern, die von einer alten und ursprünglichen

Kultur Zeugnis geben, werden Olivenbäume kultiviert. Aber auch in diesem Tal haben Industrialisierung und Handel ihre Spuren hinterlassen und das Gesicht der Landschaft verändert. Es ist schön zu wissen, dass etwas abseits der Verkehrsströme nach wie vor ein langsamerer Rhythmus zu spüren ist und es dem Besucher leicht fällt, Arbeitsstress und großstädtische Hektik zu vergessen. Wenn uns die Sonnenstrahlen erwärmen und die Blumen und Sträucher ihre Düfte verbreiten, dann kommen wir uns vor wie in einem Traum. Und noch bei der Abreise freuen wir uns auf schon auf das Wiedersehen. Die Judikarischen Täler Die in diesem Kletterführer beschriebenen Gebiete liegen in den äußeren und zentralen Judikarischen Tälern. Die Felsqualität steht der im Sarcatal keineswegs nach. Ein Vorteil liegt in der höheren Lage und im Sommer ist es hier meist angenehmer und kühler. Landschaftlich bieten diese Täler eine große Abwechslung und auch Nichtkletterer bekommen hier einiges geboten. Die Thermen von Comano waren schon zu römischer Zeit wegen ihrer Heilkräfte bekannt. Im Schloss von Stenico ist heute ein Kunstmuseum beheimatet. Im kleinen Dorf Iron wütete im Jahre 1630 die Pest. Seitdem blieb der Ort ohne Einwohner und hat deshalb seine mittelalterliche Ursprünglichkeit bewahren können. Die Judikarischen Täler sind Teil des Naturparks Adamello. Trento und Rovereto In beiden Städten ist die Altstadt mit den Museen eine absolute Sehenswürdigkeit. Weitere Informationen erhaltet ihr auf den Internetseiten der jeweiligen Fremdenverkehrsämter (s. Kapitel „Informationen“)


AUSGANGSPUNKTE UND ANFAHRTSWEGE Je nach Gebiet geben wir einen gemeinsamen Ausgangspunkt zu den einzelnen Klettergebieten an, von dem aus die Entfernung berechnet wird. Stand der Informationen ist Dezember 2009, wir können deshalb nicht die absolute Aktualität garantieren. Der Auswahl der Parkmöglichkeiten liegt unser Bestreben zugrunde, Privatbesitz und Durchfahrtsmöglichkeiten so gut wie möglich zu respektieren. Sarcatal Arco (bzw. der große Parkplatz an der Brücke über die Sarca) ist zentraler Ausgangspunkt zu den verschiedenen Klettergebieten. Von der Autobahn A22, Ausfahrt Rovereto Sud, folgt man den Wegweisern Lago di Garda bzw. Arco (ca. 22km). Von der Autobahn A22, Ausfahrt Trento Centro, folgt man den Wegweisern SS (Strada Statale) 45bis bzw. Gardesana Arco-Riva (ca. 35 km) Rovereto und Umgebung Ausgangspunkt ist hier die Autobahnausfahrt der A22, Rovereto Sud Trento und Umgebung Ausgangspunkt ist hier die Autobahnausfahrt der A22, Trento Centro Die Judikarischen Täler Ausgangspunkt für die meisten Klettergärten ist der Ort Sarche (an der Abzweigung nach Madonna di Campiglio). Hierher entweder von Trento Sud, dann Richtung Arco oder über Nago/Arco und dann in Richtung Trento. Ausgangspunkt für die Klettergärten von Nembia, Lago Nembia, Molveno, Spormaggiore und Vigo di Ton ist die Autobahnausfahrt der A22, San Michele-Mezzocorona.


Historische hinweise

ANMERKUNGEN ZUR ALPINGESCHICHTE En kurzer Überblick über das Sportklettern im Sarcatal 1972. Colodri-Ostwand: Ein erster revolutionäre Schritt Schon in den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts waren die Felswände des Monte Casale, Dain und Brento das Ziel vieler Alpinisten. Und auch in den darauffolgenden Jahrzehnten ging diese Erkundung weiter. Im Jahr 1972 begannen dann Kletterer aus Arco (U. u. M. Ischia, G. Emanuelli sowie F. Calzà) mit der Erschließung von Routen an der Ostwand des Colodri. Ihre erste Linie nannten sie Umberta Bertamini. Weitere Routen sollten schnell folgen und sind mittlerweile alpine Klassiker: Barbara, Katia, Agostina, Sommadossi, Renata Rossi. An dieser Erschließung waren namhafte italienische Alpinisten beteiligt: die Brüder Ischia, Giuliano Stenghel, Franco Monte, Maurizio Giordani, Roberto Bassi, Luigi Giacomelli, Franco Zenatti, Giovanni Groaz… 1982. Die Revolution: Der erste Bohrhaken Die dreihundert Meter hohe, rotgraue Kalkwand der Colodri-Ostwand war Schauplatz einer revolutionären klettertechnischen Entwicklung im Sarcatal. Im Jahr 1982 wurden nämlich die ersten Bohrhaken verwendet. Die Erstbegeher der Routen Renata Rossi und White Crack bohrten die Linie Specchio delle mie brame (6b+) ein, die erste Route im Sarcatal, die wirklich als Sportkletterroute bezeichnet werden kann. Es war damals keineswegs ersichtlich, dass mit dieser Aktion quasi der Startschuss für eines der interessantesten Klettergebiete weltweit gegeben wurde. 1982-1984. Der Weitblick von Heinz Mariacher Jahrzehntelang war Klettern gleichbedeutend mit langen, alpinen Routen. Heinz Mariacher hatte schon viele schwierige Routen in der Marmolada erstbegangen, oft zusammen mit seiner Lebensgefährtin Luisa Iovane. Sie hatte schon im Karwendel schwierigste Routen geklettert und konnte auch einige Solobegehungen in den Dolomiten aufweisen. Mariacher erkannte als einer der Ersten, dass auch kleine Wände einen 10

Spielplatz für schwierige und lohnende Klettereien boten. Denn auch in kurzen Routen gab es viel zu lernen und der Adrenalinausstoß war gewiss nicht geringer. Im Sarcatal stieß er auf fruchtbaren Boden: Hier gab es eine Unzahl von plattigen Wänden, in denen Routen erschlossen werden konnten. In den Jahren 1982 bis 1984 entstanden an den hohen Wänden im Sarcatal natürlich weiterhin viele neue Alpinrouten. Jetzt aber gerieten auch die kleineren Felswände bei Arco in den Fokus der Erschließer. Der Sportklettergedanke hielt nun seinen Einzug und die Pioniere hießen Mariacher, Iovane, Zanolla (Manolo), Bassi, Leviti und (etwas später) Pederiva . Zu den ersten Routen zählten Nuovi Orizzonti (6b) oder auch Honky Tonky (6b); diese Linien hatten bald Kultstatus und sind immer noch eine Herausforderung. In diesen Jahren wurden zudem komplette Klettergebiete erschlossen: Nuovi Orizzonti, San Paolo, Swing Area, Spiaggia delle Lucertole oder Marmitte dei Giganti. Eine eigene Schwierigkeitsskala: MaMaBa Der Anspruch an das Klettern war ab diesem Zeitpunkt im Wandel begriffen: Eine Route sollte ohne Hilfsmittel und Rastpunkte durchstiegen werden. Im Falle eines Sturzes begann man wieder am Einstieg (für die damaligen Alpinisten undenkbar). Manolo, Mariacher und Bassi (MaMaBa) setzten sich diese Hürden selbst und kletterten Linien, die heute noch als Maßstab gelten und uns den Schweiß auf die Stirn treiben: Super Swing (7b+) mit 25 Metern absoluter Reibungskletterei; Tom Tom Club (7b) mit der schwierigen Reibungspassage in der zweiten Länge; La signora degli appigli (7c) mit der nach wie vor harten Einzelstelle, ein Meisterwerk von Manolo. Auch Dracurella (7a,7c+), Nisida (7c) oder die kleingriffige Route Tom e Jerry (7c, Rotpunkt Iovane 1985) gehören in diese Kategorie. 1985. Überhang und Bohrmaschine Immer mehr Kletterer wurden nun auf die Felswände und Routen im Sarcatal aufmerksam. Die schon damals international bekannten Kletterer Güllich, Remy, Moffat, Fawcett oder Edlinger eröffneten und kletterten neue Linien. Und das Schwierigkeitsniveau stieg natürlich an. Ende 1984 entdeckte Roberto Basso die Felswän-


de in der Sarcaschlucht und bohrte den Klettergarten ‘Nuovi Orizzonti’ ein. Der Zustrom der Kletterer in dieses Gebiet wurde, auch dank der Erschließungsarbeiten von D. Depretto, immer größer. Wenige Jahre darauf wurde das Gebiet leider schon wieder geschlossen, weil es auf Privatgelände lag. Ein neuer Stern war aber schon “geboren”: Massone sollte sich ab Jahresende 1985 zum absoluten Highlight entwickeln. Die Erschließer waren Groaz, Zampiccoli und Depretto. Das Jahr 1985 bedeutete einen weiteren Meilenstein in der Entwicklung des Sportkletterns im Sarcatal. Mit der Bohrmaschine konnten nun auch die Überhänge gut abgesichert werden. Das war eine große Herausforderung für gute Kletterer wie z.B. Larcher, Bonvecchio, Mabboni, Manica…. und natürlich dem weithin bekannten Roberto Bassi. Der italienische Topklettererer galt damals als König der Reibungskletterei. Nach dem “Ausstieg” von Mariacher und Co. kümmerte sich in steigendem Maße um die Erschließung und Sanierung der vielen Felswände des Sarcatals. 1986. Die ersten 8a/8a+ - Routen Im September diesen Jahres bohrte Rolando Larcher in den Klettergärten von San Paolo bzw. Eremo zwei sehr schwierige Routen ein, die er auch punkten konnte: Elefant Baby (8a) sowie Gravity Games (8a+). In beiden Routen hatte er für die Erstbegehung künstliche Griffe geschlagen (Gravity Games wird nach der Veränderung durch F. Legrand mit 8b/8b+ bewertet). Im Jahr darauf kletterte er die erste natürliche 8a-Linie am Passo San Giovanni: In Fafifurni sind Ausdauerkraft und Präzision an Minileisten gefordert. Die Antwort von R. Bassi ließ nicht lange auf sich warten: Ihm gelang Futura (8a+) in der Sarcaschlucht, eine Plattenroute mit Mikroleisten. 1987. Der erste ROCKMASTER - Wettbewerb Nachdem schon 1986 ein Kletterwettbewerb (Sport Roccia) in Arco stattgefunden hatte, konnte im Jahr darauf der Rockmaster-Wettkampf zum ersten Mal ausgerichtet werden. Die ersten Sieger waren die US-Amerikanerin Lynn Hill und der Deutsche Stefan Glowacz. Ende der 80er Jahre. Die ersten 8b/8b+ Routen Aber auch in den Nachbartälern herrschte kein

Stillstand: In Nomesino im Val di Gresta eröffneten Dossi und Dorigatti 1987 die Route Popeye. Mit ihren Ein- und Zweifingerlöchern und den abschüssigen Griffen stellte sie eine absolut neue Herausforderung dar. Auch die schwierige Linie Come sei cambiata Ugo (7c+, G. Manica) zählte sicherlich dazu. Im Jahr darauf erschloss R. Larcher einige weitere schöne Routen, darunter seine erste überhängende 8b (Energia=Mc2, abgewertet auf 8a/b). Zum Ende des Jahrzehnts fielen weitere Schwierigkeitsgrade: R. Bassi befreite Mujado (8b laut Erstbegeher, 8b+ laut Wiederholern), eine supertechnische, natürliche Plattenroute. Larcher wiederum gelang in Massone die Route Maratona (8b), die er selbst eingebohrt hatte. Die Entstehung von Nago Mittlerweile waren einige neue Klettergärten erschlossen worden: Santa Massenza oder San Siro beispielsweise. Oder auch Terlago, mit seinen fantastischen, senkrechten und kleingriffigen Platten. Hier sind Fingerkraft, Bewegungsgefühl und ein gutes Gedächtnis entscheidend für den Erfolg. Bei Nago hatten im Ersten Weltkrieg die Österreicher ihre Gräben ausgehoben, um sich gegen die auf der anderen Talseite stationierten Italiener zu schützen. An den Felswänden hier begann D. Depretto mit der Erschließung von Routen, unterstützt wurde er später von L. Coló. Durch ihre Arbeit und ihren Einsatz wurde Nago (neben Massone) zu einem der schönsten und bekanntesten Klettergärten im ganzen Sarcatal. Die 90er Jahre Anfang der Neunziger hatte das Sportklettern schon seinen festen Platz im Sarcatal gefunden, einen Grund für einen Kurswechsel gab es nicht. Arco war für Tausende von Kletterern aus der ganzen Welt zum Synonym für schöne Felsen und Routen geworden. Auch der Rockmaster-Kletterwettkampf hatte magnetische Wirkung, denn der jährlich stattfindende Event war mittlerweile etabliert. In Arco musste man gewesen sein, für Kletterer war das beinahe schon ein mythischer Ort. Die massiv gestiegenen Besucherzahlen veranlassten die Gemeinden, die Sanierung der am meisten besuchten Klettergärten zu finanzieren. Davon profitierten u.a. Massone, Nago, Spiaggia delle Lucertole, San Siro und Baone. 11


Rotpunkt 14

UNDERGROUND 9a Massone ST. ANGER 8c+/9a L’Eremo ZAUBER FEE 8c+ L’Eremo MANGUSTA 8c Nago X-LARGE 8c Massone THIN ICE 8c Terlago CLAUDIO CAFFÈ 8c Terra promessa REINI’S VIBES 8c Massone PATAGONIA 8b/c Coel dela Val dela porta ADIDAS 8b+ Coel dela Val dela porta HALEBOOP 8b+ Massone AEREODROMO 8b+ Terra promessa ATHENA 8b+ Massone LA PIETRA MURATA 8b+ Massone PKK 8b+ Bassilandia GRAVITY GAMES (von Larcher geänderte route) 8b/8b+ L’Eremo TAIFUN 8b/8b+ Massone MUJADO 8b/8b+ La gola FUEGO 8b Massone SUPER MARATONA 8b Massone MARATONA 8b Massone MIKE JORDAN 8b Massone TROPPO SCHWAR 8b Massone CAMPAÑERO 8b Bassilandia COL BLU 8b Climax AMEN 8b Coel dela Val dela porta L’ALVARON 8b Terlago L’ALLOCCO 8b Coltura MADAME DOC 8b La gola STRUDEL BOY 8b Nomesino SOUL MAN 8b Nomesino UCCEL DI BOSCO 8b Ranzo VIA TIPO GERARDO 8b Terra promessa MARCO GELATO 8b Terra promessa AL CHIARO DI LUNA 8b San Colombano PRIMA O POI 8b (L1+L2) San Colombano JENA 8b San Colombano CAMPESINOS 8b San Colombano TESTER PLUS 8b San Colombano LILLO 8b San Colombano FISCHIO CHE RISCHIO 8b San Colombano TROPPO BUONI CON LE DONNE 8b San Colombano

Manfred Stuffer Andreas Bindhammer Christian Bindhammer Rolando Larcher Stefan Fürst Nicolas Favresse François Legrand François Legrand Rolando Larcher Riccardo Scarian Heinrich Pfostl François Legrand François Legrand Reinhold Scherer Gianguido Dalfovo François Legrand Roberto Bassi Oswald Celva Rolando Larcher Rolando Larcher François Legrand Heinrich Pfostl Gianguido Dalfovo Andrea Stenico Rolando Larcher Gianluigi Dalfovo Rolando Larcher Cristian Giovannini Martin Elser Stefan Fürst Danilo Bonvecchio François Legrand Gerhard Hörhager Stefano Ghidini Stefano Ghidini Stefano Ghidini Stefano Ghidini Stefano Ghidini Stefano Ghidini Stefano Ghidini Stefano Ghidini


2 2

3

Sanderland

4 4

N45 55.248 E10 53.381

Tenno

6

02

SW

650

N45 55.248 E10 53.381 GPS - Daten parkplatz Meereshöhe

N45 56.690 E10 49.145

N45 56.690 E10 49.145 GPS - Daten felsmassiv

450

Wandausrichtung

Schönheit Wunderschön

Schön

Empfehlenswert

Qualität der Absicherung

Sehr schlecht Vorsicht Gut Ausgezeichnet

Besucherandrang

Schwach Mittel Stark Sehr stark

Bequemlichkeit

Unbequem so und so Bequem

Parkplätze

Nicht ausreichend Genügend Viele Sehr viele

Mittelmäßig

Legende

02

23 6c 7a 7b 7c 8a ?

Anfänger

Regensicher

Familienfreundlich 15


Arco

ARCO 3 Placche di Baone 4 Bus de la Stria 5 Padaro 6 Salt de la cavra 7 L’orto 8 Calvario 9 Laghel 10 Muro dell’asino 11 Red point wall 12 Monte Colt 13 La cantina del Bibo 14 Massone 15 Terra promessa

32 36 40 42 46 50 52 54 58 64 66 70 86

16 Grottosauro 90 17 Piccola Dallas 94 18 Sport Roccia 86 98 19 Massi di Prabi 100 20 San Paolo 104 21 Swing Area 108 22 Diamante del BA.RO. 110 23 Eremo 114 24 Ceniga 118 25 Ottava meraviglia 120 26 La fattoria degli struzzi 124 27 La pizzeria 126

Padaro

Sport Roccia Il Calvario

Massi di Prabi

Monte Colt

Ottava meraviglia Ceniga

Diamante/Eremo 30

San Paolo Swing Area


Ballino

27

Dro 26

Ceniga 24 25 11 13 23

Lago di Tenno

12

Padaro

21 20

6

5

7 8

Tenno

3

16 15

22 17 14

10 19 9 18

Massone

4

Varignano

ARCO

Bolognano

Varone

Santa Barbara Riva del Garda Nago

Biacesa

Lago di Garda

Pannone

Torbole Passo S. Giovanni Loppio

31


03

57 3a 3b 3c 4a 4b 4c 5a 5b 5c 6a ? 3 3 2 3

2

1

3 5

7

Placche di Baone

Arco

11

Placche di Baone N45 55.450 E10 52.283

17

S 170

Die Bewertung der Routen in Baone scheint auf den ersten Blick sehr streng. Aber der Schein trügt, denn zum Plattenklettern fehlt vielen Kletterern einfach nur die Gewohnheit! Hat man erst einmal ein paar Routen gemacht, ist das Vertrauen in das „Stehvermögen“ wieder da und man findet Spaß an dieser Art Kletterei. Dieses Gebiet ist wie geschaffen für Liebhaber von geneigten Plattenrouten. Die Hakenabstände in den Routen (Länge bis zu 100 Metern und Schwierigkeiten von 3 bis 6a) sind aber des Öfteren sehr weit und können auch mal bis zu 7 oder 8 Metern betragen: Ein Sturz des Vorsteigers ist also möglichst zu vermeiden. Im Sektor “Attimo Fuggente” findet ihr die leichteren Routen. In beiden Sektoren wird ein 60-Meter-Seil benötigt, der Abstieg erfolgt durch Abseilen. Bitte beachten: Die letzte Seillänge von Ondulina lohnt kaum, zudem setzt man mit diesem Ausstieg aus der Route die Kletterer am Wandfuß sehr stark möglichem Steinschlag aus! Das Klettergebiet liegt sehr sonnig inmitten von Olivenhainen und ist absolut familientauglich. Es gibt einen Picknickplatz, Fahrradständer, Abstellplätze und sanitäre Anlagen. Die Aussicht ist einzigartig: Der Talkessel von Arco wird überragt von der Burg von Arco, im Hintergrund liegen der Gardasee und die Gipfel des Monte Stivo und Altissimo. Lasst nichts im Auto zurück, Diebstähle sind hier nicht selten! Routen in diesem Klettergarten dürfen nur mit Zustimmung der Gemeindeverwaltung verändert oder erschlossen werden. Erschließer: Paolo Calzà, D. Depretto , R. Galvagni, C. Mattei u.a.

32

03

ANFAHRT/ZUSTIEG Von Arco 3,5km nach Chiarano Von der Brücke über die Sarca (1) fährt man Richtung Zentrum – Riva del Garda (2) und biegt am Ortsausgang von Arco nach rechts Richtung Chiarano ab (3). Am Krankenhaus vorbei, bei der Klinik Eremo nach rechts, immer Richtung Chiarano (4). Ab jetzt steht auch Padaro-S. Giovanni (oder Baone) angeschrieben. In Chiarano zweigt man sofort nach der Durchfahrt unter einem Gewölbebogen eines Hauses nach links ab (Via al Monte) und folgt der Beschilderung „Placche di Baone/falesie“ (5). Nun weiter durch die Olivenhaine bis zum Parkplatz unterhalb des Klettergebiets (6). Von hier in wenigen Minuten zu den Einstiegen. Achtung! Für Camper und Van empfiehlt es sich, noch im Dorf, gleich nach der Durchfahrt des Gewölbebogens, auf der rechten Seite zu parken. Die Via al Monte ist nämlich sehr eng! Zu Fuß dann auf dieser gepflasterten Straße weiter bis zum Parkplatz (15 Min).

ATTIMO FUGGENTE ONDULINA

1 N45 55.248 E10 53.381 2 N45 55.075 E10 52.930 3 N45 55.145 E10 52.859 4 N45 55.175 E10 52.246 5 N45 55.243 E10 52.247 6 N45 55.450 E10 52.283

Chiarano Laghel

Vigne

Riva del Garda

Arco


Sektor Attimo fuggente 1 OHNE NAMEN ? 100m Route ist verdreckt und uninteressant 2 VIA CIP 3b 110m Reibungskletterei, nicht lohnend, leicht dreckig. 3 VIA MAR 3b 110m Reibungskletterei, langer Hakenabstand. Im oberen Teil moosbedeckt 4 VIA 01/01/2000 3b 110m Lohnende und angenehme Reibungskletterei 5 VIA C.G. 3a 90m Schöne Kletterei auf kompakten Platten 6 VIA D.B. 3b 100m Schöne, abwechslungsreiche Plattenkletterei 7 VIA BOTTONI BIANCHI 3b 100m Flache Plattenkletterei. Im oberen Teil etwas Fußtechnik erforderlich, sehr schön 8 VIA PAOLO 3c 100m Einfache Reibungskletterei 9 OHNE NAMEN ? ? Zur Zeit noch Projekt, es fehlen die Standplätze SEKTOR ONDULINA 10 OHNE NAMEN 6a 25m Heikle Züge auf geneigter Platte 11 SOLARIUM 5b 25m Interessant, leicht abgespeckt. Im oberen Teil etwas grasbewachsen 12 OHNE NAMEN 5c 25m Platte, durchzogen von einer Reihe kleiner Dächer mit Untergriffen

PLACCHE DI BAONE ATTIMO FUGGENTE

3a ?

?

3a

3a 3b

3a

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Wie in vielen Klettergebieten, liegt die Erschließungs- und Sanierungsarbeit im Sarcatal in den Händen einiger Weniger, die sich mit viel Arbeitsaufwand und Leidenschaft darum kümmern. Sie investieren gerne ihre Zeit und meist bezahlen sie auch das dafür notwendige Material aus eigener Tasche. Und oft genug erhalten sie dafür nicht einmal die notwendige Anerkennung. Danilo Bonvecchio ist z.B. so einer. Und Fabio Leoni ebenfalls. Auch wenn Fabio sagt: „Ich erschließe leidenschaftlich gerne Routen, dafür erwarten will und kann ich nichts. Wenn überhaupt, wirkt sich das vielleicht ein bisschen im Verkauf in meinen Klettergeschäften aus.“ Die beiden Kletterer arbeiten oft genug zusammen: Über die Hälfte der Klettergärten im Sarcatal trägt ihre Handschrift. Als Local kennt Fabio natürlich viele Felswände und so sind auch die neuesten Entdeckungen Babilonia und Piccola Dallas Ergebnis seiner tatkräftigen Arbeit. Seine hier erlangten Fertigkeiten konnte er auch in vielen Felswänden auf der ganzen Welt unter Beweis stellen. Wie findest du eigentlich immer wieder neue Gebiete? Es passiert mir oft, dass ich beim Wandern auf Felswände stoße, die mir interessant erscheinen. Der Klettergarten Piccola Dallas ist ein gutes Beispiel dafür. Hier erschloss ich im Jahre 2007 insgesamt 27 Routen, an einer einzigen Felswand mit perfektem Gestein, die das ganze Jahr im Schatten und nur wenige Minuten von Arco entfernt liegt. Auch Bassilandia wurde komplett von mir eingebohrt. Ein kleines Juwel ist Babilonia, denn das Gebiet hat alles zu bieten: senkrechte und leicht überhängende Wände, technisch schwierige Kletterei. Hier wird viel Bewegungsgefühl und Fingerkraft gefordert. Ich habe aber auch Spaß daran, mal nur ganz kleine Wände, mit drei oder vier Routen, einzubohren. Die sind sicherlich für das breite Kletterpublikum uninteressant, haben aber ihre eigene Charakteristik und damit Faszination.

Tut bel

Fabio Leoni im Gespräch 202

Welches war dein erstes größeres Projekt? Giardino di Nato, entstanden vor 14 Jahren. Hier gingen wir zum ersten Mal sehr systematisch vor, indem wir alle Linien, die irgendwie möglich waren, einbohrten. So entstand ein Klettergarten mit einem großen Spektrum an Routen, wir erschlossen zudem


den Einstiegsbereich und den Zustieg. Ein richtig schöner Garten (‚Giardino’) war der Lohn dieser Mühen! Wann ist denn eine Route eigentlich schön? Fabio Leoni: Die Schönheit einer Route hat sehr viel mit der naturgegebenen Struktur zu tun, das heißt, wenn zum Beispiel die Griffe genau dort sind, wo du sie brauchst. Beim Einbohren suche ich genau danach, egal, ob die Route leicht oder schwer ist. Ich hätte gerne TITANIC in Nago eingebohrt, denn hier stimmt einfach alles, es ist eine perfekte Linie! Ich spreche von einer 7a-Route, die heutzutage schon mit relativ wenig Training geklettert werden kann. Schönheit hat meiner Meinung nach also nichts mit Schwierigkeit zu tun oder damit, ob ich selbst die neue Route klettern kann. Für die Projekte über 8a+ hole ich mir deshalb die Ratschläge besserer Kletterer ein, denn diese Schwierigkeit werde ich selbst nicht so schnell klettern können (das war z.B. bei Bassilandia der Fall). Ich denke, dass dadurch auch schwierigere Linien irgendwann geklettert werden können, ohne dass sie verändert werden müssten. Was sollte in einem Klettergarten nicht passieren? Oft werden Plättchen aus der Route entfernt oder die Umlenkkarabiner gestohlen. Das zeugt von wenig Respekt von Seiten der Kletterer gegenüber dem Erschließer. Und das ist wirklich nicht hinzunehmen! Auch mit der Wegwerfmentalität vieler Kletterer komme ich nicht klar. Viele Klettergärten liegen auf Privatgrund und wir Kletterer sind dafür verantwortlich, dass solche Orte sauber bleiben und wir uns nur auf den vorgesehenen Zustiegen bewegen. Sonst riskieren wir, dass das stille Einverständnis der Eigentümer zurück gezogen und der Klettergarten geschlossen wird. Es liegt also an uns, wie lange eine Felswand zugänglich bleibt! Gibt es den typischen „Arco-Kletterer“? Ich denke nein. Alles verändert sich schließlich. Viele Kletterer sind immer auf der Suche nach neuen Routen, weshalb z.B. auch Sanierungsarbeiten wirklich notwendig sind. Die TopKletterer wollen natürlich die schwierigsten Linien klettern. Aber mittlerweile ist das Verhältnis von schwierigsten Routen zur Anzahl sehr guter Kletterer sehr unbefriedigend, denn wir haben im Sarcatal noch zu wenige extrem schwere Linien. Schließlich und endlich wächst nach wie vor die Zahl der Besucher aus dem Ausland, vor allem aus den deutschsprachigen Ländern, aber auch aus Polen, Slowenien, der Tschechischen Republik und Großbritannien. Was könnten Kletterer im Sarcatal eigentlich vermissen? Die Nachfrage nach einfacheren Routen ist heutzutage sehr hoch. Ich schätze, dass über 60 Prozent der Kletterer sich in diesem Bereich bewegen. Die kompakten, senkrechten und kleingriffigen Wände im Sarcatal bieten aber nur eine eingeschränkte Möglichkeit, solche Routen zu erschließen. Einen Klettergarten mit fast ausschließlich leichten Routen gibt es hier deshalb nicht. Natürlich haben wir leichtere Sektoren, aber es müssten noch viel mehr sein. Das würde die Klettermöglichkeiten natürlich weit nach vorne bringen, ist aber nur mit einem riesigen Arbeitsaufwand, vor allem beim Ausputzen der Wände, machbar. In San Giovanni konnte dies immerhin schon einmal verwirklicht werden und deshalb ist dieses Gebiet vor allem für Einsteiger und Familien zu empfehlen. Arco konnte nur durch die Erschließer zu dem werden,

was es ist, aber ihre Arbeit bleibt sozusagen im Dunkeln…? Bei Einbohren denke ich nicht an möglichen Ruhm. Leidenschaft ist unser aller Antrieb. Es gefällt uns, die neuen Linien erst einmal für uns alleine zu haben und sie erst nach ein, zwei Jahren der Öffentlichkeit bekannt zu machen. Die Erschließer sind eigentlich die wahren Helden von Arco, denn nur durch sie wurde das Gebiet so groß und weltweit bekannt. Gäbe es hier nur Massone oder Nago, wären viele Kletterer längst schon zu anderen Orten abgewandert, zum Beispiel nach Finale. Der Bekanntheitsgrad von Arco hängt damit zusammen, dass immer wieder neue Routen entstehen, sehr viel saniert wird oder auch damit, dass die Kletterführer immer wieder aktualisiert werden… Diese riesige, gemeinsame Anstrengung vieler Privatpersonen oder auch Gemeindeverwaltungen trägt dann natürlich auch in wirtschaftlicher Hinsicht ihre Früchte. Wie hoch sind die Erschließungskosten? Das ist ein ziemlich teures Vergnügen. Wenn man pro Route etwas 15 Haken rechnet, liegen die Materialkosten inklusive Standplatz im Schnitt allein schon bei etwa 30 Euro. Und wie viele Routen gibt es wohl im ganzen Sarcatal? Privatleute werden wohl meist auf ihren Kosten sitzen bleiben, aber dennoch werden die meisten Routen von Privatpersonen eingebohrt oder saniert. Ich denke, dass wir über die schon bestehende Unterstützung durch die Gemeinden hinaus noch viel mehr gefördert werden sollten. Welche Eigenschaften hat ein guter Mit-Erschließer? Um ehrlich zu sein: Wer Routen einbohrt, will die Linie meist für sich selbst erschließen. Etwas Eifersucht ist da anfangs sicherlich dabei. Ich frage deshalb nicht gleich um Hilfe, wenn ich eine neue kleine Felswand finde. Bei großen ist das anders, denn ohne die Hilfe deiner Freunde kommst du da nicht weit. Danilo Bonvecchio hat mir persönlich am meisten geholfen. Er ist ein sehr, sehr guter Plattenkletterer und hat buchstäblich das halbe Sarcatal eingebohrt. Welche Materialien benutzt du? Wegen der Felsstruktur verwenden wir immer Bohrhaken mit verzinkten Plättchen und keine Klebehaken. Mit Inox-Haken hätten wir aber eine noch längere Lebensdauer und einen noch besseren Korrosionsschutz. An dieser Stelle möchte ich alle Kletterer bitten, Probleme mit Haken in den verschiedenen Kletterläden zu melden. Damit tragen sie ganz wesentlich zur Sicherheit bei, denn die Leute dort können und werden sich dann um Abhilfe bemühen. Nur in den von den Gemeindeverwaltungen überwachten Klettergärten besteht nämlich ein ausreichender Schutz durch regelmäßige Überprüfungen. Natürlich geben wir Erschließer unser Bestes, aber angesichts des riesigen Gebiets kann das nie genug sein. Welches ist dein Lieblingsgebiet? Bassilandia. Den ersten Baum dort habe ich gefällt… Wie kommst du auf die Routennamen? Manchmal durch Zufall, manchmal wegen der Felscharakteristik, manchmal wegen der Art der Kletterei. Bei Piccola Dallas zum Beispiel heißt die Route FATIMA wegen eines langen Hakenabstandes in einer Passage so: Die Schutzheiligen lassen grüßen…. Und in BRAVEHEART braucht man echt viel Mut – wer in Panik gerät, wird hier nichts holen!

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