Frankfurter Allgemeine Zeitung (August 2020)

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Reiseblatt

FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUN G

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Es werde Licht

Mit einer GlĂźhbirne begann einst der Aufstieg Eindhovens zur Hightech- und Kreativstadt. Nun trotzt sie mit ihrem unerschĂźtterlichen Innovationsgeist der Corona-Krise.

Foto Rob Kieffer

Von Rob Kieffer

Angriff der Marsmännchen: Das Evoluon von Philips hatte seinen Auftritt in etlichen Science-Fiction-Filmen zweifelhafter Qualität.

reich vom schmerzlichen Philips-RĂźckzug und vom desastrĂśsen Bankrott des Lastwagenherstellers DAF erholte. Eindhoven ist die untypischste Stadt der Niederlande und wird gemeinsam mit Rotterdam der Kategorie „New Dutch“ zugeordnet. Hier hält man vergebens Ausschau nach heimeliger Postkartenkulisse, nach romantischen Grachten, Giebelhäusern aus dem Goldenen Zeitalter, WindmĂźhlen und Tulpenfeldern. Der Wildwuchs aus alten Industriehallen mit PlattenbauCharme und experimentierfreudiger Architektur hat ein fast schon anarchisches Stadtbild entstehen lassen, Ăźber das der „Lonely Planet“ lästerte, es sehe aus wie Nordsee Amsterdam

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kkumulatoren, Chemikalien, Glaskolben, Messgeräte mit eisernen Zeigern fĂźllen die backsteinerne, schummrig erleuchtete Werkstatt. Auf dem groben hĂślzernen Arbeitstisch liegen Rollen mit Kohlefäden und Miniaturschraubenzieher. Hier sieht es aus wie in Doktor Frankensteins Labor, doch wir stehen im Philips-Museum der niederländischen Stadt Eindhoven, in dem die TĂźftlerstube von Gerard Philips nachgebaut worden ist. Im Jahr 1891 entwickelte er eine auf dem Prinzip magnetischer Induktion basierende GlĂźhbirne, die Licht in Abermillionen von Haushalten auf der ganzen Welt und sogar in den Zarenpalast brachte. Wie ein Kronjuwel wird hinter Panzerglas ein Originalexemplar dieses LeuchtkĂśrpers aus Pioniertagen aufbewahrt. Die neuartige GlĂźhbirne mit einer damals sensationellen Leuchtdauer von sechzigtausend Stunden machte aus dem kleinen Familienunternehmen namens N.V. Philips Gloeilampenfabrieken, dessen erster Sitz eine alte Weberei war, einen Weltkonzern. Eine bunte Galerie von Exponaten veranschaulicht die Erfolgsgeschichte von Philips: Radios, Plattenspieler, RĂśntgengeräte, Trockenrasierer, Faxgeräte, Fernsehkameras und Toaster. Den Vibrator, mit dem Philips 2009 floppte, zeigt man lieber nicht im Museum. Stolz werden hingegen Erfindungen ausgestellt, die Geschichte schrieben. Zu sehen ist der Kurzwellensender, Ăźber den am 1. Juni 1927 die Stimme von KĂśnigin Wilhelmina erstmals live in den niederländischen Kolonien in SĂźdostasien zu hĂśren war. Ein weiĂ&#x;er Handschuh ist mit GlĂźhbirnchen bestickt, die wie Diamanten funkeln – das glitzernde Requisit wurde auf Wunsch von Michael Jackson speziell fĂźr dessen MoonwalkTanzperformance angefertigt. Ăœberhaupt hat Philips Pop- und Rockgeschichte geschrieben. In einer schlaflosen, hĂśchstwahrscheinlich durchkifften Nacht nahm Keith Richards 1965 mit einem PhilipsKassettenrekorder die ersten Takte der Stones-Hymne „Satisfaction“ auf. Philips grĂźndete legendäre Labels, die Donna Summer, Roger Daltrey, Genesis, die Bee Gees oder die Dire Straits lancierten. Revolutionär war die Umstellung von der Vinylplatte auf die CD, die Philips im Schulterschluss mit Sony von 1982 an in Serie herstellte. Gern erzählt man im PhilipsMuseum, dass der ZwĂślf-ZentimeterDurchmesser der schillernden Scheiben dem Format eines Heineken-Bierdeckels angepasst war, die japanischen Partner aber auf einer anderen Version beharrten: Sony-Manager Norio Ohga soll verlangt haben, dass Beethovens neunte Sinfonie komplett auf eine CD-Seite passen mĂźsse. Eindhoven ist Philips, und Philips ist Eindhoven, obwohl das Unternehmen in den neunziger Jahren seine Produktion nach Amsterdam verlagerte und nur die Forschungsabteilungen in der Lichterstadt belieĂ&#x;. Noch immer ist das Stadtbild von den wohnblockgroĂ&#x;en Industrieanlagen geprägt, in denen nun Innovationszentren, Start-ups, Coworking-BĂźros, Modelabels, Designerschmieden, vegane Restaurants, Fitnessstudios und Biomärkte eingezogen sind. Auf den Industriebrachen zwischen den Philips-Relikten errichtet die Crème de la Crème der Architektenzunft neue, kĂźhne Bauten, die von Fakultäten der Technischen Universität, Wissenschaftslaboren und Hightech-Firmen belegt werden. Viele der Unternehmen sind aus dem PhilipsErbe hervorgegangen und Weltspitze in ihrem Segment. Eindhoven, das in Europa fĂźhrend in der Anmeldung von Patenten ist, wurde aus gutem Grund vom „Forbes Magazine“ zur innovativsten Stadt der Welt gekĂźrt. Krisenerprobt, flexibel, experimentierfreudig und nicht darauf aus, Touristenmassen anzuziehen, sondern kluge KĂśpfe, kĂśnnte das niederländische Silicon Valley sich rasch aus der Corona-Krise herausmanĂśvrieren. Ein „Wunder von Eindhoven“ hat schlieĂ&#x;lich schon einmal stattgefunden, als sich die Stadt in Brabant erfolg-

DONNERS TAG, 20. AUGUS T 2020 ¡ N R. 193 ¡ S EITE R 3

Piet-Hein-Eek-Ateliers STRIJP-S STRIJP-S Active-Esports Arena De Blob Bahnhof Evoluon Marktplatz Philips-Stadion Stadtbrauerei Philips-Lichtturm Eindhoven Philips-Museum Van Abbemuseum PhoodRestaurant 1,5 km

Eindhoven

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„Minsk on a bad hair day“. Die Einwohner quittieren solche Frotzeleien mit Humor, sagen sie doch selbst von ihrer Stadt, sie sei wie eine SchĂźlerin, die nicht die SchĂśnste, aber die Aufregendste ihrer Klasse ist. Das kurioseste Relikt aus der Ă„ra, als der Philips-Clan städtebaulich das Sagen hatte, sieht wie eine mehrere Häuser hohe fliegende Untertasse aus. Das Evoluon diente zwischen 1966 und 1989 als Wissenschaftsmuseum und ist heute ein Konferenzzentrum. Die kolossale Spannbetonkonstruktion mit der Science-Fiction-Ausstrahlung war ein beliebter Drehort fĂźr B-Movies, in denen Marsmännchen die Erde Ăźberfallen. Die Idee zur Erschaffung des Evoluon hatte Frederik Philips, ein Patron alter Schule, der wegen seiner sozialen Ader bei den Angestellten sehr beliebt war. „Frits“, wie ihn alle kumpelhaft nannten, war auch ein groĂ&#x;er Anhänger des aus einem Werksverein hervorgegangenen FuĂ&#x;ballclubs PSV Eindhoven. Im Philips-Stadion mit seinen verschwenderischen Flutlichtern, der Heimspielstätte des PSV, bleibt ein Sitzplatz an der SĂźdtribĂźne immer als Gedenken an Frits Philips frei. Vielleicht war die Philanthropie des charismatischen Konzernchefs, der hundert Jahre alt wurde, einem klassenkämpferischen Vorfahren in seinem Stammbaum geschuldet. Karl Marx war ein Cousin der PhilipsGrĂźnderväter und wurde bei den Verwandten in Eindhoven bittend vorstellig, wenn im Londoner Exil das Haushaltsgeld wieder einmal knapp wurde und seine verzweifelnde Frau Jenny meinte, er

solle doch lieber Kapital beschaffen, als Ăźber das Kapital zu schreiben. Ein weiterer Blickfang aus industriellen Goldgräberzeiten steht mitten in der Innenstadt, dort, wo ein riesiges unterirdisches Fahrradparkhaus ganze Pulks von robusten Hollandrädern verschluckt. Wie ein weiĂ&#x;er Wolkenkratzer ragt der eckige Philips-Lichtturm empor, in dem die Lebensdauer von GlĂźhbirnen und die Reichweite von Scheinwerfern getestet wurden und der Tag und Nacht das ganze Viertel in glamourĂśses Hollywood-Licht tauchte. Als grĂśĂ&#x;ter denkbarer Kontrast kauert gleich nebenan die von Massimiliano Fuksas erschaffene Konstruktion De Blob, ein fulminantes Eingangstor zu einem Shoppingcenter. Das versponnene Bauwerk ähnelt einem gewaltigen Panzertier mit Schuppen aus Glas. Die Dellen in den gewĂślbten Seitenfronten, die nach einem Malheur bei den Bauarbeiten aussehen, sind allerdings ein Gag des Architekten. Als „verbotene Stadt“, zu der nur Philips-Arbeiter Zutritt hatten, galt einst das Areal Strijp-S, das so groĂ&#x; wie mehrere Flughafenterminals ist. Anstatt die Werkhallen nach dem Weggang von Philips abzureiĂ&#x;en, richtete man dort Lofts, Restaurants und Boutiquen ein. Das Angebot ist kunterbunt, und man wundert sich Ăźber Qualität und Originalität, die sich hinter dem sprĂśden Waschbeton verbergen. Jeffrey Claassen von den Intelligentia Taste Rooms etwa freut sich, dass er zum besten Eiscrememacher der Niederlande gekĂźrt wurde. „In diesem Krisenjahr war die Auszeichnung eine groĂ&#x;e Ermunterung“, sagt

er und preist seine asiatisch geprägten Eiskreationen, in denen Ingwer, Limonen, Chili, Zimt, Ananas oder Pfeffer verarbeitet werden. Nicht weniger ausgefallen ist das pinkfarbene Interieur seines Eis- und Teesalons. Mit Grinsekatzen aus Plßsch, Hasenfiguren, die Taschenuhren aus dem Jackett ziehen, und roten Rosen der bÜsen HerzkÜnigin hat er eine Alice-im-Wunderland-Welt geschaffen.

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m von dieser Märchenwelt in die galaktische Sphäre virtueller Realität zu gelangen, fĂźr deren Entwicklung Eindhoven ebenfalls bekannt ist, braucht man nur einige Werktore weiterzugehen. In der Active Esports Arena wird man mit Sensoren beklebt, bekommt Knie- und Armschoner Ăźbergezogen und eine klobige VR-Brille aufgesetzt. Gewandet wie ein Star-Wars-Krieger, muss man dann in einer schwindlig machenden 3D-Welt hĂźpfend, fuchtelnd und kickend schweiĂ&#x;treibende Sportaufgaben lĂśsen. Das Zwillingsgelände von Strijp-S, das Strijp-R, wird ganz von einem Star der niederländischen Designszene okkupiert. Piet Hein Eek fĂźhrt uns durch seine von groĂ&#x;en Fenstern erhellten Ateliers, in denen Dutzende von Mitarbeitern aus Altholz, gebrauchten Paletten und Fabrikschrott DesignmĂśbel und Accessoires schreinern, nieten und schweiĂ&#x;en. Die BĂźcherregale, Esstische und Doppelbetten, aber auch Gartenhäuschen und Go-Karts sind alles Unikate und kĂśnnen viele tausend Euro kos-

ten, Echtheitszertifikat inklusive. Besucher sind in den Ausstellungsräumen, der Kunstgalerie und dem mit Secondhand-Requisiten mĂśblierten Restaurant willkommen. „Eindhoven ist visionär, inspirierend und bietet Designern ungeahnte ArbeitsmĂśglichkeiten“, sagt der MĂśbelbauer, der selbst Absolvent der renommierten Design Academy von Eindhoven ist. Das neueste Projekt von Piet Hein Eek ist ein Hotel, in dem jedes der dreizehn Zimmer von einem anderen KĂźnstler gestaltet wird. Die Werke des Spaniers Arsenio RodrĂ­guez stehen schon bereit. Um auf die Meeresverschmutzung hinzuweisen, hat er an Stränden angeschwemmten PlastikmĂźll gesammelt, um daraus bizarre Masken zu basteln. Die Arbeiten an dem unorthodoxen Hotel haben sich durch den Lockdown verzĂśgert, doch Eek hofft, dass es zur ErĂśffnung der Dutch Design Week im Oktober fertig sein wird. Während die meisten groĂ&#x;en europäischen Kulturveranstaltungen wegen der Pandemie abgesagt wurden, hält Eindhoven trotzig an seiner Design-Woche fest, auch wenn sie wegen der Besuchergrenzen in abgespeckter Form ausgetragen wird. Und das feenhafte Lichtkunstfestival Glow im November wollen die Eindhovener sich genauso wenig entgehen lassen. Auch Sabine Feron und Tim Elfring, Betreiber des neuen Restaurants „Phood“, haben sich nicht vom Corona-Grusel entmutigen lassen. „Die Einladungen zur ErĂśffnung Ende März waren schon gedruckt, aber dann machte die Krise uns einen Strich durch die Rechnung“, sagt Sabine Feron. Mit dreimonatiger Verspätung konnten sie dann in den Stallungen einer frĂźheren Molkerei die ersten Gäste empfangen. Vieles, was auf den Tisch kommt, stammt aus den Urban-Farming-Anlagen in den Kellern. Farbige LED-RĂśhren, die natĂźrliche Sonnenstrahlung simulieren, beleuchten Shiitake-Pilze, Kresse, SalatkĂśpfe und Wasabi, die mit Kaffeesatz und Bioabfällen gedĂźngt werden. In groĂ&#x;en Aquarien drehen fette Kois ihre Runden, deren Ausscheidungen ebenfalls als natĂźrlicher DĂźnger benutzt werden. Vieles, was man in anderen Städten als Ăśkologische, nachhaltige, von der Pandemie ausgelĂśste Revolutionen feiert, wird in Eindhoven schon seit langem erprobt. Als hätte man im Van Abbemuseum schon geahnt, dass einmal ein Virus die Welt lahmlegen wĂźrde, lauert gleich am Eingang eine gigantische, zum Monster mutierte Zecke. Die Skulptur „The Tick“ wurde 2018 von der schwedischen KĂźnstlerin Josefin Arnell entworfen und soll ein Horrorszenario versinnbildlichen, in dem Zecken die ganze Menschheit infizieren. Zum GlĂźck geht es dann weniger dramatisch weiter. Gezeigt werden Werke von Picasso, Kandinsky, Rodin und Warhol, zudem beherbergt das Museum eine der grĂśĂ&#x;ten Sammlungen mit Arbeiten des avantgardistischen russischen Malers und Grafikers El Lissitzky. Der Zigarrenfabrikant Henri van Abbe hatte 1934 den Grundstein zum Museum gelegt, indem er der Stadt seine Kunstsammlung schenkte. Ehe Philips der Stadt zu Wohlstand verhalf, war Eindhoven ein wichtiger Umschlagplatz fĂźr Tabak und StreichhĂślzer. Die Kontore befanden sich am alten Marktplatz, dessen Bistroterrassen während der Ausgangsbeschränkungen menschenleer waren, aber jetzt wieder beliebte Treffpunkte sind. Man sitzt plaudernd beim Starkbier aus der Stadsbrouwerij oder bei einem Glas LuckyBastard-Rum aus der lokalen Bottle Distillery. Eine Skulptur von Frits Philips hat alles im Blick. Der schlaksigen Bronzefigur im langen Mantel, einem Dorfschullehrer aus frĂźheren Zeiten ähnelnd, hatten Scherzbolde während des Corona-Notstands eine blaue Mund-und-Nasen-Maske Ăźbers lächelnde Gesicht mit den hervorstehenden Schneidezähnen gezogen. Die hat man ihm jetzt abgenommen, und es scheint, als wĂźrde sich der Patriarch darĂźber freuen, dass endlich wieder Licht ist in seiner Stadt. Information online unter www.thisiseindhoven.com; www.holland.com/de.

Fortsetzung von Seite 1

Legendenwirtschaft in Weihenstephan feln, wer das Denken der Kirche in Jahrhunderten verkennt. Der Blick in den ausgeweideten Bibliothekssaal des Domkapitels spricht Bände – fehlende Bände. Haben wir es also bei Freising-Weihenstephan mit einer geteilten Stadt, einer Parallelwelt zu tun? „So weit wĂźrde ich nicht gehen“, sagt Thomas Becker. Die Welten begegneten sich schon, die Kommunalpolitik sei rĂźhrig, die Kirche freilich lasse es an Präsenz fehlen. Der Nährberg als Innovationstreiber, der Lehrberg als Verwalter eines groĂ&#x;en Erbes im DornrĂśs-

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mangelt nicht an Herrlichkeiten. Im Jahr 1803 der Aderlass der Säkularisation, das Erzbistum wird aufgehoben, der Dom geschlossen, das Altarbild von Rubens kassiert die kurfĂźrstliche Galerie in SchleiĂ&#x;heim. Später wandert es in die Alte Pinakothek, und es hält sich die Legende, deren RaumhĂśhe habe sich an der GrĂśĂ&#x;e der konfiszierten Altarbilder orientiert. Beutekunst? „Die staatlichen Inspektoren haben während der Säkularisation in Freising besonders grĂźndlich auf- und abgeräumt“, sagt Christoph KĂźrzeder, der Leiter des DiĂśzesanmuseums. Ein Direktor derzeit ohne Land, der es sich an wechselnden Ausstellungsorten in einer Zwangspause eingerichtet hat. Denn das Museum auf dem Domberg ist seit sieben Jahren „vorĂźbergehend geschlossen“; die WiedererĂśffnung nach der Generalsanierung ist fĂźr Pfingsten 2022 geplant. Bis dahin wird die Bauzeit jene des Berliner Flughafens Ăźbertroffen haben. Im Verlauf der Säkularisation und der folgenden nationalen Sammlungseuphorie des neunzehnten Jahrhunderts hätten staatliche Beamte zahlreiche kirchliche Kunstgegenstände fĂźr die Ăśffentlichen Sammlungen beansprucht. „Deshalb gibt es da bis heute eine historische rechtliche Grauzone“, so KĂźrzeder. Und die Kirche hätte ihrerseits zu spät mit der Inventarisierung der Bestände begonnen. Dass damals Wunden gerissen wurden, die bis heute nicht vernarbt sind, mag nur bezwei-

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schen Kirche. Auch in der Regierungspartei nimmt man den Mann ernst. Vielleicht, weil er es als Wissenschaftler mit der Erfindung und Bewirtschaftung von Legenden nicht so hat. Weil er weiĂ&#x;, wie zäh sie sich halten, wie eng die Provinz sein kann, auch in einer Stadt wie Freising. So sei der Stadtteil Neustift, einst Heimat eines Prämonstratenser-Klosters, bis heute eine Welt fĂźr sich, die ZuzĂźgler nicht schätze. „Wer nicht von dort ist, kommt nie dort an“, sagt Aris. Eine Universitätskollegin hat es versucht, vergeblich. In gewisser Weise gilt das auch fĂźr den Domberg, der sich der Welt gegenĂźber abgeschottet hat. Einen Eindruck, wie weltlich lebhaft es hier im Spätmittelalter zuging, vermittelt der historische Krimi „Der Richter der letzten Dinge“ von Luis Vandiemen. Ein Pseudonym, wie Aris verrät, der Autor ist ein MĂźnchner Historiker mit kanadischen Wurzeln. Seit Juli gibt es wieder FĂźhrungen durch den aufs Jahr 700 zurĂźckgehenden Mariendom, allerdings nicht im gewohnten Umfang. 1159 zum ersten Mal ganz abgebrannt, wurde der Bau durch eine dreischiffige Basilika ersetzt, in der Spätgotik umfrisiert, Mitte des siebzehnten Jahrhunderts im rĂśmischen Stil neu gestaltet, hundert Jahre später von den GebrĂźdern Asam 1724 barockisiert – und zwar mit einer LichtfĂźhrung, die Hollywood beeindrucken wĂźrde. Die Bestiensäule in der Krypta, das romanische Domportal, es

feld

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chenschlaf? Ein neuer Schub, jenseits von renovierten Gebäuden, eine RĂźckkehr ins Zentrum der Gelehrsamkeit ist nicht in Sicht. Ebenso wenig eine Wiederkehr der Zeiten, als die Kirche Eliten anzog. Den Job machen Naturwissenschaftler, Ă–konomen und Wissenschaftsmanager in der Nachfolge des langjährigen TU-Präsidenten Wolfgang Herrmann, der maĂ&#x;geblich fĂźr den Ausbau des Weihenstephaner Campus verantwortlich war. Aber vielleicht gewinnen diese säkularen Nachfahren der MĂśnche mit ihrem Missionseifer, der sie noch in Kleinstädten Universitätsableger grĂźnden lässt, eine Wette auf die Zukunft – die Aussaat von Bildung kĂśnnte dem Land dienlich sein. Wer weiĂ&#x;, was aus der „irren Marke“ wird, wenn der Bierkonsum weiter dramatisch nachlässt. WomĂśglich hat längst die Entstehung einer neuen Marke begonnen, die mit Nachhaltigkeit zu tun hat, mit Tierwohl und Prävention. Mit gesunden Lebensmitteln. Dem Ziel, sich als Land selbst versorgen zu kĂśnnen. Dass sie das RĂźstzeug fĂźr fortgesetzten Wandel mitbringt, hat diese alte, junge Stadt bewiesen. Information: Touristinformation Freising, Rindermarkt 20, 85354 Freising, Telefon: 0 81 61/5 44 41 11, https://tourismus.freising.de. Bisher erschienen: Gotha (4. Juni); Ravensburg (11. Juni); Bad Schwartau (18. Juni); Solingen (2. Juli); Wartburg/Eisenach (30. Juli).

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