Sommer VIAE 2016

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EISACKTAL – TAL DER WEGE

Top bewirtet am Berg Qualität und Regionalität in ausgezeichneten Hütten

Weißweinregion ­Eisacktal Von Trockenmauern und nachhaltigem Anbau

Wege zum inneren Gleichgewicht „Südtirol Balance“ führt hin zum Wohlgefühl


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Hallo, kleines Murmeltier!

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Die „Big Five“

Inhalt 04 Auf dem Weg zum Gleichgewicht Bewegen und sich bewegen lassen – die Initiativen von „Südtirol Balance“ im Eisacktal weisen viele Wege hin zum Wohlgefühl 08 Top bewirtet am Berg „TOP-Hütten“ punkten mit Authentizität, Qualität und Regionalität 11 Wandern mit den Dolomiten im Blick Der Dolorama-Weg führt in vier Etappen von der Rodenecker-Lüsner Alm rund um den Ploseberg und über das Villnösser Tal nach Lajen 12 Speisen wie im Himmelreich Die vielseitige Krapfentradition des Eisacktals 14 Hallo, kleines Murmeltier! Die BergerlebnisWelt Ratschings-Jaufen und ihre zahlreichen Attraktionen 16 Zeitmaschine Dolomit Zu Fuß durch 250 Millionen Jahre: der Dolomieu­weg zwischen ­Gossensass und Sterzing 20 Zwei Pfeile für den Frieden Burg Reifenstein bei Freienfeld, eine der besterhaltenen mittelalterlichen Burganlagen Südtirols 22 Krafttest für mein E-Bike E-Bike-Tour im Ridnauntal 24 Sieben Kräuter in der Not Die ­Blumenprozession im Wallfahrtsort Maria Trens in Freienfeld 26 Der Herr der Schafe Portrait des Schafzüchters Reinhold Eisendle aus dem Pflerschtal

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28 Tanz unter dem Turm Sterzing, eine der schönsten und lebenswertesten Kleinstädte Italiens 30 Ein magischer Platz! Die Fane Alm im hinteren Valler Tal wird als Filmkulisse entdeckt 32 Von kleinen Rittern und Burgfräuleins Kinderführung in der mittelalterlichen Burg Rodenegg 34 Das Winzer-Nordlicht Der Santerhof bei Mühlbach – die nördlichste Weinkellerei Italiens 36 Geheimnisse aus dem Apfelparadies Auf den Spuren des Südtiroler Apfels auf dem Apfelhochplateau ­Natz-Schabs 38 Die „Big Five“ Fünf Berggipfel in der Ski- & Almenregion Gitschberg Jochtal, die durch ihre Ausblicke überzeugen 40 Die Heinzelmännchen der Wege Zwei ehrenamtliche „Wege-Heinzelmännchen“ auf einer Tour in die Pfunderer Berge 43 Die drei heiligen Jungfrauen von Meransen Sagenwanderung auf den Spuren von Aubet, Cubet und Quere 44 Auf Solimans Spuren Brixens Vergangenheit zum Leben erweckt 48 Brixen, Sportstadt der Superlative Ein Überblick über die herausragenden Sportevents in Brixen und Umgebung


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Renaissance der Künstlerstadt

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WeinLesen im Kloster Neustift

50 WeinLesen im Kloster Neustift Wein und zeitgenössische Literatur beim Literaturfestival „WeinLesen“ 52 Wasser, Quell des Lebens Wasser erleben in und rund um Brixen 54 Leidenschaft aus Fels und Stein Über die Herausforderungen des Kletterns im Freien 56 Der Griablsteig auf der Lüsner Alm Geheimtipp Lüsner Alm – Wanderung vom Herolerhof zur ­Kreuz­wiesen­alm 58 Auf der Suche nach Woodys Eulen Auf dem Erlebnisberg Plose mit eigenem „Forscherrucksack“ die Natur erleben 59 Sich an den Berg herantasten Reinhold Messner über die Villnösser Geisler, „die schönsten Felsen des UNESCO Welterbes Dolomiten“ 62 Ritterliche Eisacktaler Walther von der Vogelweide und Oswald von Wolkenstein, die bekannten Poeten und ­Minnesänger

70 Qualität des Augenblicks Alltag und Hektik hinter sich lassen auf der Villanderer Alm, dem geographischen Mittelpunkt Südtirols 72 Brauchtum mit Knalleffekt Über den außergewöhnlichen Brauch des „Goaßlschnöllens“ 75 Fünfmal mehr ­Abwechslung Fünf Persönlichkeiten über die Skigebiete des Eisacktals 77 Winter mal anders Lokale Persönlichkeiten über den Reiz der „alternativen“ Wintersportarten 80 Schon erlebt? Attraktionen im Eisacktal 82 Eisacktal – Tal der Wege 83 Info Wissenswertes über Anreise, Klima und Verkehrsverbindungen

64 Renaissance der Künstlerstadt Klausen im Wandel der Zeit 66 Wie der Boden, so der Wein Internationale Bestnoten für mineralische Weißweine des Eisacktals 68 Qualität aus Überzeugung Obstanbau und Tierhaltung im Einklang mit der Natur

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Text: Doris Brunner Fotos: Helmuth Rier

Auf dem Weg zum Gleichgewicht

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AKTIV

Im Frühjahr erwacht die Natur aus ihrem Winter­ schlaf. Das ist die ideale Zeit, gemeinsam mit ihr das Leben neu zu spüren. Bewegen und sich bewegen lassen – die Initiativen von „Südtirol Balance“ im Eisacktal weisen viele Wege hin zum Wohlgefühl.

Die Joggingschuhe anziehen und eine Runde laufen. Zum gesunden Apfel greifen anstatt zum Fertiggericht aus dem Tiefkühlfach. Bei einem Spaziergang die Wunder der Natur bestaunen anstatt Zeit mit den neuesten facebook-Posts auf dem Smartphone zu verbringen. Eigentlich wissen wir, was unser Wohlbefinden steigert und uns hilft, gesund zu bleiben, aber viel zu selten setzen wir es in die Tat um. Die Initiativen von „Südtirol Balance 2016“ in verschiedenen Orten im Eisacktal, von der meditativen Wanderung bis hin zum gesunden Lauftraining, bieten vielfältige Inspirationen für Körper und Geist: Von Anfang Mai bis Ende Juni führen sie die Teilnehmer einen Schritt näher hin zum inneren Gleichgewicht. viae 2016 | 5


SÜDTIROL BALANCE ZEIT FÜR DEINEN WEG IM EISACKTAL ANFANG MAI BIS ENDE JUNI 2016 Geführte Wanderungen, Führungen und gemeinsame Unter­ nehmungen in verschiedenen Ortschaften im Eisacktal führen die Besucher einen Schritt näher zu ihrem Gleichgewicht. Die speziell ausgearbeiteten und buchbaren Balance-Pakete werden dabei von den Gastbetrieben mit stimmigen Zusatzleistungen er­ gänzt – vom vitalen Frühstücksbuffet bis hin zur entspannenden Massage oder einem Wohlfühl-Heubad. Das vollständige Balance-­ Programm unter dem Motto „Gesunde Bewegung“ findet sich unter www.eisacktal.com/suedtirol-balance 6 | viae 2016

Aber es geht bei „Südtirol Balance“ nicht nur darum, sich für einige Stunden entspannt wohlzufühlen. Vielmehr liegt der Fokus darauf, wie man dieses Wohlbehagen in den Alltag retten kann und sich damit vorbeugend gesund hält. Im Eisacktal, dem Tal der Wege, setzt man dabei auf die gesunde Bewegung: Diese hat nichts mit sportlichen Extremleistungen zu tun, sondern mit einem bewussten Bewegen in und mit der Natur, ganz ohne Fitnessgeräte oder Leistungsgedanken. Experten wie ausgebildete Entspannungs- und Kneipptrainer, Kräuterpädagogen und Natur- und Landschaftsführer laden ein, hautnah zu erfahren, wie sich Körper und Geist in Einklang bringen lassen: beispielsweise bei Sonnenaufgangswanderungen auf der Villanderer Alm oberhalb von Klausen, beim Wandern mit Atemübungen auf dem Gitschberg in der Ski- & Almenregion Gitschberg Jochtal und in Ratschings oder beim Wandeln auf Kneipps Spuren in Barbian oberhalb von Klausen. Wie nebenbei vermitteln die Referenten bei all diesen Initiativen ihr Wissen und Können und geben den Teilnehmern viele praktische Tipps mit auf den Weg, die sich danach auch selbständig durchführen lassen. Die Kunst der Balance – sie will eben regelmäßig geübt werden. Viele wissenschaftliche Studien belegen, dass selbst gemütliches Bewegen viele positive Auswirkungen hat: Der Körper baut Stresshormone ab, das Immunsystem wird gestärkt. Und wenn der Kreislauf warmläuft, schüttet auch das Gehirn Wohlfühlbotenstoffe wie Serotonin und Dopamin aus. „Beim Wandern muss ich nicht nachdenken, wie ich meinen Fuß nach vorne setze. Diese Bewegung ist automatisiert, deshalb kann ich mich auf andere Sachen konzentrieren – es beginnt eine kreative Phase, in der sich Lösungswege aufzeigen. Dann


Gesunde Bewegung hat nichts mit sportlichen Extremleistungen zu tun, sondern mit bewusstem Bewegen in und mit der Natur

BALANCE IM SPITZENSPORT: EISACKTALER ATHLETEN UND IHRE KRAFTQUELLEN Im Eisacktal leben und trainieren zahl­ reiche Spitzenathleten wie die Biathle­ tin Karin Oberhofer, die Leichtathletin Silvia Weissteiner oder der Moun­ tainbiker Gerhard Kerschbaumer. Wie halten sie sich fit – körperlich wie geis­ tig? Wie nutzen sie ihre Heimat, das Eisacktal, als Ort zum Trainieren, aber auch zum Erholen und Entspannen? Bei einer moderierten Diskussion er­ zählen Eisacktaler Spitzensportler von ihren ganz persönlichen Kraftquellen und Erfolgsgeheimnissen; bei gesun­ den Südtiroler Köstlichkeiten lässt sich das Gespräch im Anschluss vertiefen. Termin: Freitag, 13.05.2016, ab 19 Uhr im Castaneum in Feldthurns.

spüre ich: Jetzt fließt es“, erläutert der Bergführer und Psychologe Pauli Trenkwalder, der im Rahmen von „Südtirol Balance“ zu einer wandernden Reflexion auf den Rosskopf bei Sterzing einlädt. Viele Möglichkeiten, einen Schritt nach dem anderen zu setzen, bietet sich auch in Lajen am Eingang des Grödner Tales: In 5.000 Schritten wandert man hier von Kraftplatz zu Kraftplatz, beispielsweise auf den Hausberg Raschötz mit seinem Muttergottessitz, auf dem Maria den Ausblick auf die wunderbare Landschaft rundum genossen haben soll. Die Mystik und Energie dieser besonderen Orte, die bereits in der Steinzeit besiedelt waren, sind auch heute noch spürbar.

„Die Ruhe im Außen erzeugt Ruhe im Inneren“ Jedoch nicht nur Bewegung, auch Ruhemomente helfen uns, loszulassen und neue Kraft zu tanken: „Stille und Ruhe führen dazu, dass man sich selbst achtsamer wahrnimmt: Die Ruhe im Außen macht es einfach, Ruhe im Inneren zu erzeugen“, erläutert der Naturlehrer und Freigeist Stefan Braito, der im Dolomitental Villnöss mit den Besuchern unter anderem entlang der Kraftadern in St. Magdalena wandert. Fürs Innehalten und Krafttanken erbaut ist auch das Kloster Säben oberhalb von Klausen: Im Klostergarten lädt die Entspannungstrainerin Monika Engl zur meditativen Ruhepause ein. Als Gegenpol für stressige Momente können auch Kräuter genutzt werden – das weiß man im Eisacktal seit Jahrhunderten. Welche Heilkräuter sich dafür besonders eignen, wie man sie anwendet und wo sie wachsen, erfährt man bei geführten Kräuterwanderungen unter anderem im Jaufental in Ratschings, auf der Rodenecker-Lüsner

Alm in der Ski- & Almenregion Gitschberg Jochtal, in Lüsen oder rund um Brixen, Neustift und Vahrn. Wussten Sie, dass die Meisterwurz als „Ginseng der Alpen“ bekannt ist? Falls nicht – die angehende Heilkräuter-Expertin Veronika Trenkwalder gräbt auf dem Sterzinger Hausberg Rosskopf mit allen Gesundheitsbewussten nach dieser besonderen Heilpflanze. Nach einer anderen Quelle der Heilkraft muss man hingegen gar nicht lange suchen: Das Lebenselixier Wasser sprudelt im Eisacktal aus vielerlei Quellen. Zahlreiche uralte Heilquellen und Wasserheiligtümer finden sich entlang der Wege: die „heiligen Quellen“ von Bad Froi oberhalb von Gufidaun oder das Quellenheiligtum Dreikirchen oberhalb von Barbian, drei ineinander verschachtelte Kirchen mit mystischer Aura. Sie lassen sich bei einer gemütlichen Wanderung alleine oder im Rahmen einer Balance-Initiative erkunden. Ebenso wie die zahlreichen Kneipp-Anlagen wie beim Nixenteich am Barbianer Wasserfall oberhalb von Klausen, der Kneippparcours im Altfasstal bei Meransen oder am Moaßl-Wasserfall im Pfitscher Hochtal bei Sterzing, zu dem die ausgebildete Bioenergetikerin Martina Saxl bei einer Meditationswanderung hinführt. Wassertreten und Armguss – der Pfarrer Kneipp wusste eben bereits vor Jahrhunderten, was uns gesund erhält. Und so führt uns der Weg hin zur Balance auch zur Kuranstalt Dr. von Guggenberg in Brixen, die seit 125 Jahren den Weg zum inneren Gleichgewicht weist. Eines haben alle Balance-Initiativen gemeinsam: Sie beginnen immer mit dem ersten Schritt.

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GENUSS Text: Doris Brunner Fotos: Hannes Niederkofler, Thomas Grüner

Top bewirtet am Berg Almhütten, Berggasthäuser und Schutzhütten des Eisacktals haben sich ihren ursprünglichen Charme erhalten. Sie punkten mit Authentizität, Qualität und Regionalität – und wurden als „TOP-Hütten“ ausgezeichnet. Was sie so besonders macht.

Eine urige schindelbedeckte Holzhütte. Perfekte Speckknödel mit Krautsalat. Ein freundlicher Wirt, der einem die Berggipfel rundum erklärt. So wollen wir eine Alm vorfinden. Und genau so findet man viele Almhütten, Berggasthäuser und Schutzhütten im Eisacktal auch vor! Zufall ist das keiner. Das Eisacktal war schon immer ein Tal der Gastfreundschaft, denn schließlich sind hier seit jeher Menschen durchgereist. Seit Generationen wird diese Gastlichkeit gelebt, im Tal wie am Berg. Die zumeist familien­ geführten, kleinstrukturierten Gastbetriebe sind für die Wirte mehr als ein bloßes Geschäft – sie sind ein Ort, in den viel Herz und Leidenschaft hineingesteckt wird. Und in dem der Kunde immer noch König ist – oder eben Bergfreund.

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Das Eigene, das Unverwechselbare steht bei den Hüttenbetreibern in der Höhe im Vordergrund: Tradition und Kultur werden hier hochgehalten, und das macht sich nicht nur auf dem Teller bemerkbar. Die typischen Südtiroler Gerichte – auf der Speisekarte sind sie allesamt aufgelistet: Speckknödel und Hirtenmaccheroni, Gulasch und Frittatensuppe, Apfelstrudel und Kaiserschmarrn – natürlich selbstgemacht und frisch zubereitet mit saisonalen Produkten aus der Region. Statt Pommes frites setzt so mancher Hüttenwirt lieber auf Röstkartoffel, und anstelle des Softdrinks kommt selbstgemachter Himbeersaft ins Glas. Manche Almhütte verfügt über eine eigene Käserei, und dass dann neben dem eigenen Almkäse auch frische Buttermilch oder Joghurt mit Waldfrüchten serviert wird, versteht sich von selbst.

Gelebte Leidenschaft Tradition bedeutet aber nicht, dass man sich dem Neuen verschließt: Vegetarisch oder vegane Gerichte sind auch am Berg kein Fremdwort. Und die Köche zeigen sich selbst in 10 | viae 2016

der kleinsten Küche experimentierfreudig und bestücken die Schlutzkrapfen, diese halbmondförmigen Eisacktaler Teigtaschen, anstelle des üblichen Spinats schon mal mit kreativen Füllungen aus Pfifferlingen oder Pilzen. Diese gelebte Leidenschaft für Authentizität und Regionalität ist zumeist auf dem ersten Blick sichtbar: Ortstypische Baumaterialien wie Holz oder Stein, die traditionellen Geranien als Blumenschmuck, Hinweisschilder aus Holz, Zäune in traditioneller Machart anstelle des Maschendrahtzauns und perfekt instandgehaltene Wege – alles wichtige Bestandteile der Eisacktaler Kulturlandschaft, die von den Sennern und Hüttenwirten gepflegt und gewartet werden. Und auch die zumeist getäfelten Gaststuben sind mit vielen liebevollen Details geschmückt. Praktische Plastiktischdecken oder Kunstblumen? Fehlanzeige, zum Glück. Dabei muss nicht jede Alm ein Schindeldach oder verwitterte Holzfassaden haben: Neu erbaute Hütten greifen zwar die bäuerliche Almarchitektur auf, interpretieren

diese aber auf neue Weise. Diese Sensibilität für ihr Umfeld beweisen die Eisacktaler Alm- und Hüttenwirte aber auch in Sachen Umweltschutz. Hier ist man schließlich der Natur wesentlich ausgesetzter als im Tal, man spürt sie intensiver und ist ihr im Guten wie im Schlechten ausgeliefert. Nachhaltiges Denken muss oben am Berg nicht gelehrt werden, es ergibt sich von selbst.

AUTHENTIZITÄT UND QUALITÄT AM BERG Hohe Qualitätsstandards, die überprüft werden, Regionalität und Authentizität: Diese Voraussetzungen müssen Almhütten, Berggasthäuser und Schutzhütten mitbringen, um als TOP-Hütten ausgezeichnet zu werden. Im ersten Jahr dieser Initiativen erfül­ len bereits über 40 Betriebe im Eisacktal die dafür notwendigen ­Qualitätsstandards – Tendenz steigend. Wo sich die „TOP-Hütten“ des Eisacktals befinden und wie man sie am besten erreicht, ­findet sich auf der Webseite www.eisacktal.com.


AKTIV Text: Doris Brunner Fotos: Stefan Gasser

Wandern mit den Dolomiten im Blick Der Dolorama-Weg führt in vier Etappen von der ­Rodenecker-Lüsner Alm rund um den Ploseberg über den Naturpark Puez-Geisler nach Lajen. Immer im Blick: die schönsten Gipfel der Dolomiten, UNESCO Welterbe. Von der blütenreichen Almenlandschaft der Rodenecker-Lüsner Alm nähert man sich den schroffen Felsformationen der Aferer und Villnösser Geisler, um dann über Weiden und Wiesen nach Lajen südlich von Klausen am Eingang ins Grödner Tal hinabzusteigen: Der 52 Kilometer lange Dolomiten-Panoramaweg beginnt sanft und führt dann durch die abwechslungsreichen Naturlandschaften des Eisacktals. Als markante Wegweiser am Horizont: die bizarren Felsformationen der Dolomiten. Zunächst der eindrucksvolle Peitlerkofel im Talschluss von Lüsen, beim Gömajoch im Naturpark Puez-Geisler treten die Villnösser Geisler ins Bild, und im Bereich der Raschötz unterhalb der Geislergruppe erweitert sich das Blickfeld hin zum Lang- und Plattkofel und dem Schlern. Der Dolorama-Weg verläuft fast zur Gänze auf Forst- und Wanderwegen, nur ein einziges Mal wird er von einer asphaltierten Passstraße gequert. Entlang des Weges laden Rastplätze und Aussichtsplätze zum Pausieren ein, beispielsweise am

Start: Parkplatz Zumis-Rodeneck

Rodenecker-Lüsner Alm

Brixen

Maurerberghütte

Plose

Würzjoch Gömajoch

Klausen

Villnöss-Schlüterhütte

Naturpark Puez-Geisler

Ziel: Lajen

Raschötz

prähistorischen Siedlungsplatz in Astmoos auf der Lüsner Alm oder beim geologischen Aufschluss am Würzjoch, der hunderte Millionen Jahre Erdgeschichte lebendig wer-

1. Tag: Rodeneck-Maurerberghütte 2. Tag: Maurerberghütte-Schlüterhütte 3. Tag: Schlüterhütte-Raschötz 4. Tag: Raschötz-Lajen

den lässt. Wer die Viertages-Tour in Teilabschnitten begehen möchte: Zahlreiche Zu- und Abstiege verkürzen den Gesamtweg. Diese sind – wie auch der Start- und Zielort

– mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar, sodass das Auto in der Garage bleiben kann. www.eisacktal.com

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Text: Barbara Felizetti Sorg Foto: Buch „100 Südtiroler Krapfen“ (Raetia Verlag)

Speisen wie im Himmelreich Sonnenverwöhnte Almen, schroffe Berggipfel. Fruchtbare Obstwiesen, karge Weiden. Anregendes Stadtleben, unendliche Ruhe auf dem Land. Das Eisacktal ist vielfältig und voller spannender Gegensätze. Doch eines haben alle Orte gemeinsam: Überall werden zu besonderen Anlässen köstliche Krapfen kredenzt.

„Früher, als ich noch ein kleines Mädchen war, da waren Krapfen schon etwas ganz Besonderes“, erzählt Rosa Wurzer aus Ridnaun, während sie einen großen Teigklumpen mit dem Nudelholz dünn ausrollt. „Nur dreimal im Jahr kamen sie auf den Tisch.“ Zu Weihnachten, zur Fasnacht und am Kirchtag – vielleicht auch noch zu einer Hochzeit – wurde schon am Vortag der Teig geknetet, mit einem Gemisch aus Äpfeln, Topfen und Mohn gefüllt und schließlich in heißem Öl gebacken. „Wenn der Duft von frischen Krapfen durch das Haus strömte, dann wussten schon die Kleinsten, dass ein großer Festtag bevorstand“, erinnert sich die 87-jährige Wurzerbäuerin. Warum die Fülle im Hochtal von Ridnaun auf über 1.300 m Meereshöhe gerade aus Äpfeln und Mohn besteht, kann auch sie sich nicht erklären, wächst das beliebte Obst in dieser Höhe doch nicht mehr.

Krapfen in allen Formen Ob rund, eckig oder halbkreisförmig, ob süß oder pikant – Krapfen werden allerorts im Eisacktal zubereitet. Während der Teig meist aus Roggen- oder Weizenmehl angerührt wird, macht neben der Form auch die Fülle den großen Unterschied. Vielerorts werden die Krapfen süß mit Birnen, Äpfeln oder einem Topfen-Früchte-Gemisch gefüllt serviert, wie etwa die Wipptaler Krapfen aus der Umgebung von Sterzing; gerne wird auch Zwetschgen- oder Preiselbeermarmelade gewählt. Besonders zur Törggelezeit im Herbst wird besonders im südlichen Teil des Eisacktales rund um Brixen und Klausen auch zu einer Nuss- oder Kastanienfülle gegriffen. Die pikante Variante kennt Füllungen aus Kartoffeln, Kraut, Spinat oder Mangold – bei den grünen Krapfen, die etwa in Feldthurns auf den Tisch kommen, verrät die durchscheinende Farbe bereits vor dem ersten Bissen den Inhalt. Gänzlich ohne Inhalt werden hingegen die „Roggenen Struzen“ in Rodeneck genossen, genauso wie die „Valler Struzen“ in Vals, die aus Sauerteig gemacht werden. In der Brixner Gegend 12 | viae 2016

Rosa Wurzer, Bäuerin aus Ridnaun

wurden einst am Heiligen Abend Krapfen sogar mit Honig gefüllt; wohl nicht zu Unrecht trugen sie den klingenden Namen „Himmelreich“. Frau Rosa hat inzwischen reichlich Öl in einer großen Pfanne erhitzt. Langsam lässt sie einen Krapfen nach dem anderen hineingleiten. „Das Öl muss richtig heiß sein, sonst werden die Krapfen zu fettig“, erklärt sie, „dann wäre die ganze Arbeit umsonst gewesen.“ Während sie am Herd steht, erzählt sie von früher, von ihren Eltern, ihrer arbeitsreichen Kindheit auf dem Hof. So manche Anekdote lässt sie immer wieder herzhaft lachen. Die Arbeit in der Küche geht ihr trotz ihres Alters immer noch leicht von der Hand. Wieviele Krapfen sie in ihrem langen Leben wohl gebacken hat? Allein heute sind es jedenfalls fast 100 Stück. „Wenn morgen zum Geburtstag meines Sohnes alle meine Kinder, Schwiegerund Enkelkinder zu Besuch kommen, ist ganz schön was los“, lacht sie, „da dürfen nicht zu wenig Krapfen auf dem Tisch stehen.“ Besondere Anlässe verlangen eben nach wie vor nach besonderen Speisen.

BUCHTIPP 100 Südtiroler Krapfen Bäuerinnen verraten ihre Rezepte Euro 14,90 112 Seiten ISBN: 978-88-7283-441-1 Edition Raetia


n. lt stelle ung: und ka hüssel it n e e r e h c b u is c Z S m in eine mit Öl Butter chen Zutaten nder gut ver­ ckt li e a t s Die re d alles mitein ten und zuged e n n m u e k d n h e c s Au geb dur . Kurz lassen. mischen inuten rasten Rolle formen, , e n M ca. 30 ca. 6 cm dick diese zu ovale r e d Teig ein schneiden un en. Etwas Ma es lk tt ab a la e w b s k c u ig ü e a t S ttern alen T gut v lä o B s e n d e itte dünn ppen, in die M menkla ett melade igblatt zusam . In heißem F e T ln . e , n d n e a e ack abr geb herausb en und zudrück schwimmend n ) hellbrau melade

GENUSS

n e Krapfe ipp: Süß T t p e z Re

Unser : Zutaten 0–35 Stück): .3 a c ( Butter Teig lassene r e z g 100 l 2 EL Ö genmehl og 250 g R enmehl eiz W g 250 1 Ei Milch ½ Tasse lz 1 TL Sa ste Mar Fülle: (eher fe e d la e Marm Backen öl zum Erdnuss

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Text: Barbara Felizetti Sorg Fotos: Alex Filz

Hallo, kleines Murmeltier! Wo wohnen die Murmeltiere? Woher kommt das Wasser? Sind Ameisen wirklich so fleißig? Auf diese und noch viel mehr Fragen gibt die BergerlebnisWelt ­Ratschings-Jaufen kleinen und großen Naturentdeckern Antwort.

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AKTIV Am kinderwagentauglichen Rundweg der BergerlebnisWelt warten 15 spannende Kinderattraktionen auf kleine und große ­Naturentdecker

„Mama, fahren wir jetzt bis zum Himmel hinauf?“ Meine Tochter Miriam schmiegt sich eng an mich und blickt erwartungsvoll nach oben. Die Himmelfahrt kann ein durchaus reizvoller Gedanke sein, doch ich winke lachend ab. „Nein, mein Schatz. Wir steigen schon vorher aus. Wir wollen doch das Murmeltier besuchen.“ – „Oh ja!“, ruft da mein Sohn Raphael begeistert, „und die Riesenrutsche! Auf die freue ich mich schon lange.“ Die Fahrt mit der Gondel dauert nur wenige Minuten. Die komfortable Panorama-Kabinenbahn befördert uns schwungvoll bis zur Bergstation des Wander- und Skigebiets Ratschings-Jaufen auf 1.800 Meter Meereshöhe. „Puh, da ist uns aber ein schweißtreibender Aufstieg erspart geblieben!“, denke ich mir, während wir unsere Rucksäcke anschnallen und rausspringen. „Wo wollen wir zuerst hin?“, möchte ich wissen. „Zur Rutsche auf dem Waldspielplatz!“, ruft Raphael aufgeregt. „Nein, zur Murmeltierhöhle“, protestiert seine Schwester. Papa zieht ein Faltblatt aus dem Rucksack und breitet es auf der Wiese vor uns aus. „Schaut mal!“, fordert er die beiden abenteuerlustigen Wanderer auf, „ein Rundweg führt durch die gesamte BergerlebnisWelt. Wenn wir diesem folgen, verpassen wir garantiert nichts.“ Nach einer kurzen Diskussion machen wir uns auf den Weg.

Baumskulpturen und Naturbilder Während die Kinder erwartungsvoll vorauslaufen, lassen wir unseren Blick über die beeindruckende Bergwelt von Ratschings schweifen. Was für ein herrliches Panorama, und die angenehm frische Luft! Das tut gut! Während wir noch unseren Gedanken nachhängen, winken uns Miriam und Raphael bereits vom Riesen-Pinguin-Klettergerüst herab zu: „Mama, Papa, seht mal!“, ruft unsere Große aufgeregt, „da hinten wohnt das Murmeltier.“ Und tatsächlich, ein riesiger Murmeltierbau lädt uns in die unterirdische Welt der scheuen Alpenbewohner ein. Als wir wieder ans Tageslicht kommen, müssen wir erst einmal kurz blinzeln, und schon geht es im Sauseschritt weiter. Wir bewundern fasziniert eigenartige Baumskulpturen und Naturbilder aus Wurzeln, Moos und Reisig, informieren uns über die Herkunft des Wassers und erkunden die Welt der emsigen Ameisen – und vom Streichelzoo mit seinen wolligen Schafen und meckernden Ziegen können wir uns schon gar nicht mehr trennen. „Ach, ist der kleine Esel süß“, schwärmt Miriam, „am liebsten würde ich ihn mit nach Hause nehmen.“ Dass er sich dann doch lieber das saftige Almgras schmecken lässt als bei uns zu Hause im Flur zu stehen, überzeugt am Ende aber auch sie. Etwas wehmütig verabschiedet sie sich von dem strubbeligen Langohr. viae 2016 | 15


Ausblick aus luftiger Höhe

DIE BERGERLEBNISWELT ERWANDERN Die BergerlebnisWelt Ratschings-Jaufen hält für wanderlustige Natur­ freunde zahlreiche Attraktionen bereit; in den Almhütten des weitläu­ figen Wandergebiets gibt es mit regionalen Spezialitäten die richtige Stärkung. Der erlebnisreiche Rundwanderweg beginnt direkt an der Bergstation der Panorama-Kabinenbahn und ist besonders für Familien mit Kindern geeignet. Er ist auch mit Kinderwagen befahrbar. » Die Begehung der BergerlebnisWelt ­Ratschings-Jaufen (reine Gehzeit: 45 min.) ist kostenlos. » Die Kabinenbahn fährt von Mitte Juni bis Anfang Oktober täglich von 8.30 bis 17 Uhr. www.ratschings-jaufen.it 16 | viae 2016

Überwältigt von so vielen Eindrücken wird es dann doch Zeit für eine kurze Rast. „Mein Bauch knurrt wie ein hungriger Bär“, bemerkt Raphael. Ein leckerer Kaiserschmarrn mit Preiselbeermarmelade, den wir in einer urigen Almhütte genießen, ist jetzt genau das Richtige, denn schließlich brauchen wir noch ein paar Kraftreserven, um wie vier flinke Eichhörnchen den hohen Aussichtsturm zu erklimmen. „Wow!“ – wir sind einfach nur überwältigt von dem herrlichen Ausblick, der sich uns hier oben eröffnet. Mächtige Gipfel, schroffe Felswände, dichte Wälder, satte Almwiesen – Natur, so weit das Auge reicht. Doch plötzlich bekommt es unser Kleiner eilig: Zwischen den Baumwipfeln hat er seine langersehnte Riesenrutsche erspäht. Da gibt’s natürlich kein Halten mehr. Und es dauert nicht lange, da saust er wie der Wind über die lange Rutsche. „Gleich noch mal!“, ruft er fröhlich. Seine Schwester lässt sich nicht zweimal bitten: Rauf, runter, rauf, runter – ich staune, über wieviel Energie die beiden noch verfügen. Auf dem Waldspielplatz lassen wir diesen aufregenden Tag ausklingen. Während die Kinder an einem kleinen Bachlauf mit Piratengeheul Tannenzapfen auf Bootsfahrt schicken und beim Seilklettern ihre Geschicklichkeit beweisen, machen wir es uns auf einer großen Sonnenliege gemütlich und genießen die Zeit. Als wir am späten Nachmittag mit der Gondel wieder zu Tal schweben, muss ich unwillkürlich schmunzeln. „Naja, im Himmel waren wir heute zwar nicht“, denke ich im Stillen, „aber doch in einem kleinen Paradies.“


AKTIV Text: Renate Breitenberger Fotos: Oskar Zingerle

Zeitmaschine Dolomit Als das Pflerschtal noch am Äquator lag, bildeten die ­Dolomiten ein riesiges Korallen­riff im Urmeer. Was heute, 250 Millionen ­Jahre später, davon übrig geblieben ist, offenbart der Dolomieu­weg zwischen Ladurns bei Gossensass und Rosskopf bei Sterzing.

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Trägt der Tribulaun einen Hut, wird das Wetter gut. Trägt er einen Säbel, wird’s Wetter miserabel. Wir haben Glück. Auf dem 3.097 Meter hohen Gipfel aus Dolomitgestein vor uns hockt eine dicke Wolke. Vormittagssonne wärmt unsere Rücken, als wir an der Talstation Ladurns aus dem Linienbus steigen und nach acht Minuten Sesselliftfahrt an der Bergstation die Schautafel studieren. Hier führt er vorbei, der Weg, der nach dem Wissenschaftler Deodat de Dolomieu benannt ist. Der Franzose hatte im Pflerschtal um 1790 ein dem Kalk verblüffend ähnliches Mineral entdeckt. Es sollte den Namen Dolomit erhalten. Unsere Bergschuhe werden gleich auf vor über 250 Millionen Jahren geborenem Gestein wandern – und damit über eine Zeit, als im Pflerschtal Reptilien und Amphibien lebten, bevor das Klima kippte und sie ausrottete.

Wunderwelt Natur Forstinspektor Franz Sigmund und der Direktor des Tourismus­ vereins Sterzing, Josef Turin, sind den Dolomieuweg von Berufs wegen und in ihrer Freizeit schon oft gegangen. Und trotzdem: Jedes Mal entdecken sie Neues. Sonne blinzelt durch Lärchen und moosbewachsene Wurzelstöcke. Hier verblühte Goldruten, dort behaarte Alpenrosen, Disteln, Pestwurz und Glockenblumen. Die Schwarz- und Himbeeren schmecken lecker, Zeisige zwitschern, über uns kreist ein Habicht. Karstige Bächlein kreuzen den armbreiten Weg, versickern irgendwo, um anderswo wieder aufzutauchen. Bis zu 40 Meter hoch ragen hier die Nadelbäume, Triebe wachsen jedes Jahr einen halben Meter. Die Stämme verraten noch mehr: Gelb-schwarze Markierungen kennzeichnen Besitzgrenzen, Baumpilze bestätigen gute Luft, und die Wolfsflechte – im Mittelalter zur Vergiftung von Wölfen eingesetzt – ist eine der wenigen Pflanzen, die die Eiszeit überlebt haben. Dass abgestorbene Äste herumliegen, ist gewollt. „Wo Holz verrotten darf, schließt die Natur ihren Kreislauf“, sagt Franz. Wir haben es nicht eilig. Auf bebilderten Tafeln lesen wir über Ross- und Riesenameisen und Spechte, deren Schnäbel auf Äste und Baumrinden trommeln, wir bewundern die Weißwandspitze aus dunklem Gneis mit heller Dolomitenmütze. Sitzend auf einer Holzbank erzählt Franz, dass sich die Forstarbeiter bei sengender Hitze zwei Sommer lang mit Pickel und Schaufel den Weg durch den zähen Latschendschungel gebahnt haben. Latschen sind ein Erosionsschutz, aus ihren Nadeln lässt sich Öl gewinnen. Im Winter, wenn sich Schnee vom störrischen Geäst löst, werden sie aber zur 18 | viae 2016


tickenden Zeitbombe: Schon oft sind hier Lawinen abgegangen. Ihre Kraft zeigt die Natur auch am Schleyergraben, wo öfters Muren abgingen, oder an abgebrannten Lärchen. Nicht umsonst stehen am Weg zwei Blockhäuschen, sollte ein Wanderer von Blitz und Donner überrascht werden.

Zu Fuß durch 250 Millionen Jahre Immer wieder gibt der Wald einen Blick zum Horizont frei: Portjoch mit Kriegsbunkern, unter uns die einstige Seitenmoräne Pflersch, neben uns Felsblöcke, von der Natur zu einer weißen steinernen Stadt aufgetürmt. Weitblick auf Gossensaß. Als vor uns grasende Kühe und das Almdorf Vallming mit den drei Sennereien Walterkaser, Baronkaser und Jörgnerkaser auftauchen, knurren unsere Mägen nach Butter und Graukäse. Nach einem Kaffee wandern wir über einen Forstweg und Steig zur moorigen Kastelllacke, wo Grasfrösche, Schilf und Augentierchen leben, vorbei an einem Bergkräutergarten, frei laufenden Lamas und einem Tipizelt. 250 Millionen Jahre liegen hinter uns, als wir in die Rosskopf-Gondel steigen und die Sicht auf den Sterzinger Talkessel, Ratschings und die Berge der Dolomiten genießen. Ob die Wolke am Tribulaun inzwischen aufgestanden ist?

DOLOMIEU-WEG (6-ALMEN-WEG ROSSKOPF/LADURNS) » Höhenunterschied: 500 m » Schwierigkeitsgrad: nicht schwierig, nicht kinderwagengeeignet » Gehzeit: Ladurns-Rosskopf-Ochsenhütte (15 km): ca. fünfeinhalb Stunden Ladurns-Rosskopf (7,5 km): ca. zweieinhalb Stunden Wanderung in beiden Richtungen möglich » Besonderheiten: 20 Schautafeln über Flora, Fauna, Geologie und ­Geschichte » Einkehrmöglichkeiten: Ochsenhütte, Allrissalm, Ladurner Hütte, ­Vallmingalm, Sterzingerhaus, Bergstation Rosskopf, Kuhalm, Ochsenalm » Öffnungszeiten Seilbahn Ladurns: 9-17.30 Uhr, vom 1. bis 17. Juli und 1. bis 18. September mittwochs, freitags, samstags, sonntags, 18. Juli bis 31. August täglich » Öffnungszeiten Seilbahn Rosskopf: 26.05. bis 09.10., 15. und 16.10., 22. und 23.10. täglich 8.30-17 Uhr, vom 02.07. bis 04.09. täglich 8.30-17.30 Uhr, s­ onntags bis 18 Uhr » Fahrplanauskunft: www.sii.bz.it www.rosskopf-ladurns.it viae 2016 | 19


Text: Barbara Felizetti Sorg Fotos: Marco Santini, Klaus Peterlin

Zwei Pfeile für den Frieden 1

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1 Im dicht gemalten Rankenwerk des grünen Saals tummeln sich Bogenschützen und Heilige, Knaben und Narren 2 Hinter dem prachtvoll geschnitzten Holzgitter verbirgt sich eine eine kleine Kapelle 3 Zu besichtigen sind insgesamt zehn Räume, allesamt noch in einem ausgezeichneten Z ­ ustand, da die Burg Reifenstein in ihrer Geschichte ­niemals erobert oder zerstört wurde.

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KULTUR

Südlich von Sterzing bei Freienfeld erhebt sich auf einem Hügel Burg Reifenstein, eine der besterhaltenen mittelalterlichen Burganlagen Südtirols. Ihren Besuchern erzählt sie hautnah von längst vergangenen Zeiten.

„Mein Liebster!“, sprach einst die Herrin von Burg Reifenstein zu ihrem Gemahl, „so kann es nicht mehr weitergehen. Ständig bist du mit dem Herrn von Burg Sprechenstein im Streit. Sogar das arme Volk leidet unter euren Zwistigkeiten. Geh und bereite dieser Fehde endlich ein Ende!“ So vereinbarten die beiden verfeindeten Burgherren einen Zweikampf. Jeder begab sich auf seinen Bergfried, spannte seinen Bogen und schoss seinen besten Pfeil auf den Gegner. Doch – welch ein Wunder – die beiden Pfeile trafen sich genau auf halber Strecke hoch über dem Sterzinger Moos und fielen hinab in die Sümpfe. Was für ein Zeichen hatte der Himmel da gesandt! Von nun an lebten die beiden Burgherren in Eintracht, und auch die Herrin von Burg Reifenstein blickte zufrieden aus ihrer Kemenate. Ob sich diese Geschichte wirklich so ereignet hat? Wer weiß das schon so genau. Bei einem Besuch auf Burg Reifenstein scheint die längst vergangene Welt der Ritter jedenfalls greifbar nahe. Bereits aus der Ferne fällt der Blick unwillkürlich auf die mächtige Ringmauer mit den alten Schießscharten und dem Fallgitter, die einst unliebsame Eindringlinge von der Burg fernhielten. Vom Bergfried aus – der Turm stammt noch aus dem 12. Jahrhundert – konnte das gesamte Sterzinger Becken überblickt werden. Mit Sicherheit hat auch die weitläufige Sumpflandschaft des Sterzinger Mooses dazu beigetragen, dass die Burganlage in ihrer langen Geschichte niemals erobert und zerstört wurde. Doch was sich damals wohl in der schaurigen Folterkammer alles zugetragen hat? Angenehmere Gedanken kommen im Grünen Saal auf, der sich im spätgotischen Haupttrakt der Burg befindet. Sein Name kommt nicht von ungefähr, sind doch die Wände genauso wie die Balkendecke und der Windfang ganz in Grün gehalten. In einem dichten gemalten Rankenwerk tummeln sich Bogenschützen und Heilige, Knaben und Narren verstecken sich zwischen Blättern und Früchten. Eine kleine Kapelle im Erker an der Ostseite wird von einem prachtvoll geschnitzten Holzgitter vom übrigen Raum abgetrennt. Durch bestens erhaltene Butzenscheiben fällt der Blick auf die nahegelegene St.-Zeno-Kapelle aus dem 14. Jahrhundert, zu deren Füßen bajuwarische Baumsärge aus dem Frühmittelalter gefunden wurden, weiter auf Sterzing, Stilfes und Trens – und auf Burg Sprechenstein auf der gegenüberliegenden Talseite, die einst den Stoff für eine spannende Geschichte lieferte. Das Happy End ist ja bekannt.

BURG REIFENSTEIN Burg Reifenstein wurde um 1100 erstmals schriftlich erwähnt. Von den Bischöfen von Brixen erbaut, um den strategisch wichtigen Verkehrsweg über den Brenner zu kontrollieren, ging sie Anfang des 13. Jahrhunderts an die Grafen von Tirol über. Seit 1813 befindet sich die Burg im Besitz der Innsbrucker Linie der Grafen von Thurn und Taxis. Die Burg kann von Anfang April bis Anfang November im Rahmen einer Führung besichtigt werden. Führungen finden täglich (außer samstags) um 10.30 Uhr sowie um 14 und 15 Uhr statt (mindestens vier Personen), vom 20. Juli bis 5. September zusätzlich um 16 Uhr. Führungen für Grup­ pen ab 15 Personen auf Anfrage. Informationen unter der Rufnummer +39 339 2643752 (8-10.30 Uhr, 16-20 Uhr). www.sterzing.com / Kultur & Events viae 2016 | 21


Text: Karl Polig Foto: thinkstockphoto.com, provinz.bz.it/geobrowser

Krafttest für mein E-Bike „Wie bitte? Du auf einem E-Bike?“ Ich kann das Kopfschütteln meines Freundes sogar verstehen, als er mich mit einem ­akkuunterstützten Mountainbike ertappt, denn schließlich galt für mich bisher das Prinzip „Ohne Schweiß kein Preis“. 22 | viae 2016


AKTIV BergbauWelt ­Ridnaun-Schneeberg

Maiern

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RIDNAUNTAL

Sterzing

START

Schloss Wolfsthurn Mareit Gasteig

Stange

Berichte darüber, dass mit einem E-Bike auch anspruchsvolle Touren fast mühelos zu schaffen seien, klangen für mich wie aus dem Märchen und mussten deshalb ein für allemal auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft werden. Den Bike-Verleih verlasse ich mit einem Top-Gerät und den nötigen technischen Anleitungen vom Chef persönlich. Auf meinem Bike durchquere ich das malerische Fuggerstädtchen Sterzing und nehme den Radweg nach Mareit in der Gemeinde Ratschings. Eine dünne Jacke für die Abfahrt, eine Trinkflasche und ein paar Energie-Riegel habe ich in meinen kleinen Rucksack gepackt. Wer weiß, ob der Akku wirklich hält, was der Verkäufer verspricht. Mit dem Antrieb im Eco-Modus geht es gemächlich den Mareiter Bach entlang. Ein leichtes Pedalieren genügt, den Rest schafft der

Akku – ein ganz neues Fahrgefühl! Im grünen Fischteich zu meiner Rechten spiegelt sich das Dörfchen Telfes mit dem hübschen Zwiebelturm. Ich rolle genüsslich taleinwärts. Am Horizont glänzen gletscherbedeckte Dreitausender. Nach etwa sechs Kilometern endet der Radweg in Mareit. Markant ins Auge fallen hier der spitze Kirchturm und das prächtige Barockschloss Wolfsthurn, das so viele Fenster hat wie das Jahr Tage. Das hier untergebrachte Landesmuseum für Jagd und Fischerei besuche ich ein anderes Mal.

Krafttest im Tour-Modus Ich folge der schmalen Straße zu den Weilern Vögls und Wetzl; die Steigung nimmt ordentlich zu. „Endlich ein Krafttest für mein E-Bike“, denke ich und schalte vom Eco- auf den Tour-Modus. Fast mühelos gewinne

ich an Höhe. Wie Schwalbennester kleben alte Bauernhäuser an den Hängen. Rote Geranien schmücken die weißgekalkten Fensterlaibungen. Beim letzten Hof auf knapp 1.400 Metern Meereshöhe endet die Asphaltstraße. Auf einem Schotterweg folge ich dem Wegweiser nach Ridnaun. Ich staune, wie gut mein E-Bike arbeitet. Im Handling bemerke ich kaum einen Unterschied zu meinem gewohnten Bergflitzer. Ich fühle mich noch topfit – und der Akku hat noch nicht einmal die Hälfte der gespeicherten Energie verbraucht. Bald wird der Weg zum schmalen Pfad, und die Grashänge zu meiner Linken fallen steil in die Achenrainschlucht ab. Sicherheitshalber steige ich aus dem Sattel. Nach einer kurzen Schiebepassage öffnet sich vor mir das weite Ridnaun­tal. Vorbei an Wegkreuzen und schmucken Gehöften geht es

weiter bis zum Talschluss. Bei der BergbauWelt Ridnaun-Schneeberg, wo der Besucher tief in die jahrhundertealte Bergbautätigkeit eintauchen kann, wechsle ich die Talseite und zweige auf die „Obere Erzstraße“ ab. Da der Genuss bekanntlich erst zum Schluss kommt, lasse ich es bei der finalen Abfahrt auf der Landesstraße ordentlich krachen und komme sogar in Versuchung, den Helm abzunehmen und den Fahrtwind durchs Haar pfeifen zu lassen. Doch ich widerstehe dem Leichtsinn und genieße die pfeilschnelle Fahrt in vollen Zügen. Einen Preis habe ich zwar nicht bekommen, weder mit noch ohne Schweiß. Das E-Bike jedenfalls hat meinen Test mit Auszeichnung bestanden. www.ratschings.info

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Text: Barbara Felizetti Sorg Fotos: Andreas Tauber

Am 15. August, dem Fest Mariä Himmelfahrt, beginnt traditionell die Kräuter­ sammelzeit. Leuchtend bunte Blumen und wohlriechende Kräuter werden an diesem Tag auch im Wallfahrtsort Maria Trens in Freienfeld bei einer ­Blumenprozession zur Weihe in die Pfarrkirche gebracht, damit sie das ganze Jahr über ihre ­schützende und heilende Wirkung entfalten.

Als am dritten Tage nach dem Begräbnis der Gottesmutter Maria die Apostel ihr Grab besuchten, war dieses in wohlriechenden Duft gehüllt. Das verlassene Grab war gefüllt mit Rosen und Lilien, und rings um die Grabstätte standen die liebsten Heilkräuter der Heiligen in voller Blüte. Diese Legende wirkt bis heute im Brauch der Kräuterweihe nach. Den Kräutern, die jährlich am 15. August zur Weihe in die Kirche getragen werden, werden allerlei Wirkungen nachgesagt, gar eine hauseigene Kräuterapotheke kann mit ihnen ausgestattet werden. Vor Blitzschlag sollen sie schützen und Krankheiten vertreiben, Unheil abwenden und das Vieh im Stall gesund erhalten. Sogar für Eheglück und Kindersegen 24 | viae 2016

wirken sie förderlich. Das ganze Jahr über wird mit ihnen geräuchert, vor allem in den Rauchnächten oder nach dem Tod eines Familienangehörigen. Dieser Tag, an dem in der katholischen Kirche das Fest Mariä Himmelfahrt – die Aufnahme Mariens in den Himmel – begangen wird, bildet denn auch den Auftakt zur wichtigsten Kräutersammelzeit des Jahres. Bis zum 8. September (Mariä Geburt) entwickeln Kräuter nämlich ihre ganz besondere Heilkraft.

Die Magie im Kräutersträußchen Sieben Kräuter sollen es auf jeden Fall sein, die von den Frauen nicht nur im Wallfahrtsort Maria Trens südlich von Sterzing fein säuberlich zu Kräuterbuschen gebunden wer-

den. Neben Wermut, Kamille und Johanniskraut galten auch Salbei, Spitzwegerich und Arnika sowie eine Königskerze in der Mitte – sie wird sinnigerweise auch als Muttergotteskerze bezeichnet – ursprünglich als die sieben Hauptkräuter. Es ist eine magische, auch heilige Zahl. Sie steht nicht nur für die sieben Schmerzen Mariens, sondern auch für das Menschliche, das Geist (Zahl 3) und Körper (Zahl 4) in sich vereint. In anderen Regionen werden auch Sträuße aus neun, zwölf oder gar 77 Kräutern gebunden, immer liegt ihnen jedoch eine magische Zahl zugrunde. In der katholischen Kirche gibt es eine Vielzahl von Prozessionen, bei denen die Gläubigen singend und betend durch das Dorf zie-


TRADITION In der katholischen Kirche gibt es eine Vielzahl von ­Prozessionen, bei denen die Gläubigen singend und ­betend durch das Dorf ziehen

hen, etwa am Palmsonntag oder an Fronleichnam, die Fenster an den Häusern werden dabei traditionell mit Ziertüchern geschmückt. In Maria Trens werden am 15. August unter den Klängen der Musikkapelle, begleitet von Fahnen und Bannern, wohlriechende Kräuter und Blumen bis zur Pfarrkirche getragen, die seit Jahrhunderten Wallfahrer aus aller Herren Länder aufnimmt. Das ganze Dorf ist an diesem „Hochunserfrauentag“, an dem hier auch das Kirchenpatrozinium gefeiert wird, auf den Beinen. Nach der Weihe werden vor der Kirche Kräuter und Blumen feilgeboten, denn schließlich brauchen auch alle Nicht-Kräutergärten-Besitzer in jeder Notlage sieben Kräuter.

WALLFAHRTSKIRCHE MARIA TRENS Für eine geführte Besichtigung der Wallfahrtskirche Maria Trens wen­ den Sie sich an Helene ­Benedikter, Gasthof „Post“ in Maria Trens, Tel. +39 0472 647124. viae 2016 | 25


Text: Renate Breitenberger Fotos: Oskar Zingerle

Der Herr der Schafe Reinhold Eisendle ist braunhaarig, blau­äugig und alles andere als weltfremd. Auf dem Steinmessner­hof in Stein im Pflerschtal verarbeitet der 38-jährige Schafzüchter täglich 50 Liter Milch zu Joghurt, Frisch- und Schnitt­ käse. An seiner Seite: Freund Michael, Mutter ­Annemarie, 40 ostfriesische Milchschafe – und Hirtenhündin Cindy.

Schwarzer Kaffee dampft aus der Frühstückstasse. Reinhold Eisendle nimmt einen kräftigen Schluck, bevor er in die grünen Stallstiefel steigt. „Um fünf aufstehen ist verdammt früh“, raunt er augenzwinkernd. Zehn Minuten später hängen die ersten beiden Schafe an der Melkmaschine und kauen Kraftfutter, während bei Radiomusik Milch in die Kanne fließt. Es ist inzwischen sechs Uhr, als hinterm Tribulaun die Sonne aufgeht. Morgendämmerung am Steinmessnerhof in Stein, dem 1.450 Meter hoch gelegenen Weiler am Gletscherfuß des Feuersteinferners im Pflerschtal. Stille weit und breit, ringsum Haselgebüsch, Fichten, eine Handvoll Bauernhöfe, alte Steinmauern und Mähwiesen. Reinhold hat hier als Bub oft Berg- und Juraschafe gehütet. „Bääääh“, ruft Schmuse, als sie aus dem Pferch ins Freie trabt. „Die Schmuse meckert immer“, schmunzelt Reinhold, während er die Herde über die „Hölle“, die Schlucht des Talbaches, auf die Weide treibt. 26 | viae 2016

Auf die Alm führt Reinhold seine 40 Milchschafe nie. „Ostfriesen brauchen den Menschen. Ein Monat ohne ihn, und sie werden wild wie Gämsen.“

„Kauft euch mehr Kühe“ Als sein Vater vor fünf Jahren bei der Holzarbeit sein Leben verlor, war klar, dass Reinhold, Einzelkind, den Hof übernimmt. „Kauft euch mehr Kühe“, riet ihm ein Bekannter. Reinhold kaufte Schafe, weil sie die steilen Wiesen nicht zertrampeln wie Rinder. Und weil er ihre Milch zu Joghurt, Frisch- und Schnittkäse verarbeiten wollte. Anfangs tat er es für sich, heute für seine Kundschaft. Die Waren verkauft er freitags auf dem Bauernmarkt am Stadtplatz in Sterzing. Schaf ist nicht jedermanns Sache. „Vielleicht“, sagt Reinhold, „hat das mit früher zu tun.“ Bei den Vorfahren landete meist ein altes Schaf im Suppentopf, und das ganze Haus roch danach. Die Nase rümpft auch, wer noch nie Schafmilchjoghurt probiert hat – um einen Löffel später

den sahnig-cremigen Geschmack zu rühmen. Reinhold nennt es den „Wow-Effekt“. Vor 2.600 Jahren banden sich Thraker, die Ureinwohner der Balkanhalbinsel, schafmilchgefüllte Lammfellsäcke um den Bauch, damit Körpertemperatur und Mikroflora die Milch in leicht verdauliches Joghurt verwandeln. Reinhold erwärmt die Milch seiner Schafe in einem Edelstahltopf, fügt Milch­bakterien hinzu und füllt das Joghurt in Bechern ab. Die Käselaibe legt er zur Reifung vakuumverpackt in den Kühlschrank. „An einem Camembert möchte ich mich irgendwann einmal versuchen. Aber mit Weißschimmel muss man vorsichtig sein, sonst sitzt er überall“, sagt er, bevor er in die Käsekammer verschwindet.


„Ostfriesen brauchen den Menschen. Ein Monat ohne ihn, und sie werden wild wie Gämsen“

Zwei Stunden später bellt Cindy. Zeit, die Schafe zu holen. „Morgens wird aufgefahren, nachmittags abgefahren“, schmunzelt Reinhold, als er sich auf den Weg macht. Als sie die Weide erreichen, wird Cindy ungeduldig. „Walk on“, sagt eine Männerstimme, und die Border-Collie-Hündin bäumt sich vor einem Schaf auf. Ein Hirtenhund, der Englisch versteht? „Mittlerweile auch Pflerer Dialekt“, lacht Michael. Auch Reinholds Freund teilt die Liebe zu den Schafen. Jedes Jahr wäscht er an die 100 Kilogramm geschorene Wolle, trocknet, verspinnt und färbt sie, webt Teppiche und Decken, strickt Westen und Socken. Wer will, dem hilft er, Wolle und Teppiche herzustellen, die meisten verlieren aber schnell die Lust. Allein für ein Paar Socken braucht es 50 Stunden Geduld.

GENUSS

Reinhold Eisendle:

Es ist acht, als am Feuersteingletscher die Sonne untergeht. In der Holzstube des Steinmessnerhofes brennt Licht. Feierabend! Morgen steht den ganzen Tag Heuarbeit an. Reinhold wird das Joghurt nachts abfüllen müssen. Dafür gibt’s übermorgen zum Aufstehen eine extragroße Tasse Kaffee.

BAUERNMARKT Jeden Freitag von Mai bis Oktober von 9 bis 13 Uhr bieten Direktver­ markter am Stadtplatz in Sterzing regionale und saisonale Produkte an, darunter Obst, Gemüse, Fisch, Fleisch, Eier, Brot, Honig, Marme­ laden, Spirituosen und Säfte.

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HIGHLIGHTVERANSTALTUNGEN IN STERZING » Laternenpartys – Sa. u. So., 23. u. 24.07. & jeden ­Mittwoch von 27.07. bis 24.08.2016 ab 19 Uhr » Knödelfest – So., 11.09.2016 » Sterzinger Joghurttage – 10.07. bis 07.08.2016 » Roter Teppich – jeden Samstag vom 17.09. bis 08.10.2016 » Sterzinger Osterspiele – 05.03. bis 28.03.2016 » Blues Days – 02.05. bis 08.05.2016 » Orfeo Music Festival – 04.07. bis 16.07.2016 www.sterzing.com / Kultur & Events 28 | viae 2016


Tanz unter dem Turm

KULTUR

Text: Susanne Strickner Fotos: Klaus Peterlin

Sterzing zählt zu den schönsten und lebenswertesten Kleinstädten Italiens und kann sich deshalb mit der Auszeichnung „Borghi più belli d’Italia“ rühmen. Die einmalige historische Kulisse bildet den idealen Rahmen für zahlreiche originelle Events. Unzählige Lämpchen an den Zinnen der historischen Häuserfassaden erhellen die Nacht und setzen den majestätischen Zwölferturm in Szene. Das 46 Meter hohe Wahrzeichen von Sterzing überwacht das Geschehen auf dem Stadtplatz und unterteilt das Zentrum in Altstadt und Neustadt. „Bis ins 20. Jahrhundert hat ein Stadtwächter im Turm gewohnt, der die Stunden ausrief und die Stadtbevölkerung vor Feuer, Überschwemmungen und Krieg warnte“, erzählt ein Sterzinger, der mit seiner Familie auf der Laternenparty am Tisch neben uns Platz genommen hat. Seit nunmehr 20 Jahren wird von Mitte Juli bis Mitte August immer mittwochabends und an einem Wochenende in der Sterzinger Fußgängerzone im Schein der Laternen gefeiert, gegessen, verkostet und getanzt. Ein süßer Duft lockt uns an den Stand der Bäuerinnen. An den herrlichen Sterzinger Krapfen, Strauben und Schokofrüchten kommen wir einfach nicht vorbei... Eine Bäuerin erzählt uns vom Bauernmarkt, der von Mai bis Oktober jeden Freitagvormittag am Stadtplatz veranstaltet wird. Dieser diente früher als bau­ freier Platz zur besseren Verteidigung der Neustadt. Die Gebäude an der Ostseite des Platzes beherbergten das alte Rathaus und Lagerhal-

len („Ballhaus“) für Waren auf dem Durchzug. Nordseitig schließen sich das alte Hospiz und die von außen unscheinbare Heiliggeist-Kirche, auch Spitalkirche genannt, an, deren Innenraum mit bedeutenden spätgotischen Fresken des Meisters Johannes von Bruneck aus dem 15. Jahrhundert ausgestattet ist.

Feiern in einer der schönsten Einkaufs­ straßen Auch eine Joghurtverkostung am Stand nebenan lassen wir uns nicht entgehen. Im Juli bis Anfang August finden nämlich die Ster­ zinger Joghurttage statt, mit einem reichhaltigen Programm und zahlreichen Events rund um das berühmte „Sterzinger Joghurt“, einer der führenden Joghurtmarken in Italien. Auf unserem Weg durch die historische Fußgängerzone bewundern wir die stolzen Fassaden der Bürgerhäuser mit ihren mit Blumen geschmückten Erkern. Uns fallen die alten, noch vielfach gut erhaltenen Gasthausschilder auf, auch wenn gar manche ehemalige Gaststube heute zu einem charmanten Geschäft umfunktioniert worden ist. Nicht umsonst zählt die Sterzinger Fußgängerzone zu den schönsten Einkaufsstraßen im ganzen Alpenraum und ist Schauplatz für viele Veranstaltungen. So bieten beim traditionellen Knödelfest im September die Sterzinger Gastwirte an

einer über 400 m langen Tischreihe durch die Alt- und Neustadt rund 70 leckere Knödelgerichte an. An vier Samstagen im Herbst wird das Einkaufen zum besonderen Schauspiel: Ein roter Teppich wird durch die gesamte Innenstadt ausgelegt und führt von Geschäft zu Geschäft. Wir gehen vorbei am spätgotischen Rathaus, vor dem uns eine imposante Statue des Wasserheiligen Johannes Nepomuk aus weißem Marmor begrüßt. Der prachtvolle Rathaussaal, in dem heute noch regelmäßig Gemeinderatssitzungen abgehalten werden, ist auch Bühne für kulturelle Veranstaltungen, so etwa bei den alljährlichen Sterzinger Osterspielen, einem Zyklus von Konzerten und Theaterstücken in Anlehnung an die frühneuzeitliche Blütezeit weltlicher und geistlicher Spiele in Sterzing vor rund 500 Jahren, erinnernd an den Universalkünstler Vigil Raber. Es wird langsam spät unter den Laternen in der Sterzinger Innenstadt. Das Stadtfest neigt sich für heute dem Ende zu, der historische Stadtkern aber wappnet sich bereits für den nächsten Tanz unter dem Zwölferturm.

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Text : Doris Brunner Fotos: Frieder Blickle, Oskar Zingerle, Florian Mohn

„Ein magischer Platz!“ Die idyllische Fane Alm im hinteren Valler Tal zieht jährlich ­unzählige Einheimische und Urlaubsgäste an. Letzthin wurde das Almendorf auch als Filmkulisse entdeckt; eine gute Gelegenheit, um ein bisschen Hollywood-Luft zu schnuppern. Die Fane Alm in den Pfunderer Bergen in der Ski- & Almenregion Gitschberg Jochtal ist nicht nur ein beliebtes Ausflugsziel, sondern auch ein gefragter Drehort. Das idyllische Almendorf oberhalb von Vals diente bereits als Kulisse für eine Folge der bekannten deutschen ZDF-Fernseh-Serie „Der Bergdoktor“, und im Sommer 2015 filmte hier ein ganz besonderer Künstler: der amerikanische Drehbuchautor, Regisseur und Filmproduzent Barry Morrow. Für „Rain Man“ mit Tom Cruise und Dustin Hoffman in den Hauptrollen erhielt er 1989 den Oscar für das beste Drehbuch, für den Fernsehfilm „Bill“ über seine Freundschaft mit dem geistig beeinträchtigen Bill Sackter den Emmy Award, den bedeutendsten amerikanischen Fernsehpreis. Ein unkonventionelles Gespräch über Hollywood und Almen, Kindheitserinnerungen und Kühe. 30 | viae 2016

Barry Morrow

VIAE: Herr Morrow, von Hollywood auf die Fane Alm – wie groß war der Kulturschock? BARRY MORROW: Ach, wissen Sie, Hollywood und das Filmbusiness halte ich von meinem Privatleben fern. Meine Frau und ich sind kein typisches Hollywood-Paar; wir versuchen, so normal wie möglich zu leben. Wir meiden den Trubel. Von der Fane Alm war ich als Romantiker von Anfang an restlos begeistert: Es ist ein magischer Platz! Ich kenne keinen anderen Ort wie diesen.


KULTUR Wie eignete sich die Fane Alm als Filmkulisse? Ganz hervorragend! Bei den Drehs in Hollywood ist man gezwungen, für alles eine künstliche Kulisse aufzubauen. Und hier steht mit der Fane Alm bereits ein perfektes Bühnenbild! Das ganze Filmteam hat sich sofort in diese Landschaft verliebt – und in das Essen, den Wein und die Menschen im Eisacktal. Man fühlt sich hier sogleich willkommen! Was finden Sie in Südtirol und im Eisacktal besonders spannend? Diese ganz besondere Kombination von österreichischer und italienischer Kultur ergibt ein sehr faszinierendes und einzigartiges Zusammenspiel. Manchmal weiß ich gar nicht, wo ich mich hier eigentlich befinde: einerseits mitten in den Bergen, und doch schwingt etwas Meer mit. Was war denn Ihr erster Gedanke, als Sie hier inmitten von Almen, Bergen und Kühen gelandet sind? Meine Eltern waren Farmer in Minnesota, ich bin jedoch in der Stadt aufgewachsen. Das ganze Leben lang erzählten mir Mutter und Vater von ihrem Leben auf der Farm. Als ich hier in Vals eines Morgens aufwachte und die Kühe muhen hörte, war ich sehr bewegt – es hat mich an diese Erzählungen aus der Kindheit erinnert. Ich komme sicher hierher zurück, zum Skifahren oder Wandern.

„Smitten!“ ist eine romantische Komödie, die 2016 in die Kinos kommen wird und unter anderem in Vals gedreht wird. Die Vorlage für Ihr Drehbuch stammt auch aus Südtirol... Stimmt – vor zirka 15 Jahren war ich als Gast nach Südtirol gekommen und stieß auf die Geschichte einer jungen Frau aus dem Grödner Tal, die nur eine Nacht mit ihrer großen Liebe verbringen konnte. Der Mann verstarb im Ersten Weltkrieg, doch in dieser einen Liebesnacht entstand ein Kind. Rund um diese Lebensbiografie erfand ich eine neue Geschichte, die besser als die Realität ist und die nun das Drehbuch für „Smitten!“ bildet. Sie wurden mit einem Oscar und einem Emmy Award ausgezeichnet. Während andere ihr Leben lang auf diese berühmten Statuetten hinarbeiten, haben Sie sie verschenkt. Warum? Diese Auszeichnungen bedeuten anderen mehr als mir. Sicher, nach dem Oscar für „Rain Man“ standen mir alle Türen offen, und ich hätte ein megareicher, berühmter Superstar werden können. Aber ich sehe alle Tage, was dies mit den Leuten macht. Und ich wollte mich nicht so verlieren. Mit meiner Familie, meinen Freunden und dem Geschichten-Erzählen führe ich das beste Leben, das ich mir vorstellen kann. Ich tue, was ich liebe – und das macht mich glücklich. Außerdem: Es zählt nur der Weg, der vor einem liegt. viae 2016 | 31


Text: Doris Brunner Fotos: Marco Santini, Oskar Zingerle

Von kleinen Rittern und Burgfräuleins Wie lebten einst die Ritter in ihren Burgen? Wie schwer ist ein Ritterhelm? Und wozu braucht es eigentlich Pechnasen? Bei der Kinderführung auf Burg Rodenegg bei Rodeneck erwacht das Leben in einer mittelalterlichen Burg auf anschauliche Weise.

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Trippel, trippel, trappel ... aufgeregt laufen mehrere Kinder auf der mächtigen Zugbrücke vor der Burg Rodenegg vor und zurück. Sie warten, mit Schirmmütze auf dem Kopf, bis sich das hölzerne Tor der mittelalterlichen Burg quietschend öffnet und die Kinderführung beginnt. Ausgestopfte Fuchs-, Bären- und Luchsköpfe hängen als Jagdtrophäen über den großen Torbogen. Und ein eiserner Seilzug. „Was glaubt ihr, wofür man diesen benötigte?“, fragt die Führerin Pia, die die Kinderschar nun in ihre Obhut genommen hat. Und erzählt sogleich von den 35 bis 45 Kilogramm schweren Rüstungen, mit denen sich die Ritter nicht selbständig vom Pferd hieven konnten. Da musste dann schon der Seilzug ran. Im Waffensaal erleben die Kinder dann selbst, wie viel allein ein Ritterhelm wiegt. „Der ist ja


KULTUR Die Familie der Grafen von Wolkenstein gaben der Burg Rodenegg im 16. Jahrhundert seine heutige Gestalt. Die alten Gemäuer und mittelalterliche Relikte beflügeln die Phantasie der kleinen Entdecker.

tonnenschwer!“, ruft ein kleines Mädchen, das sich wagemutig den Helm übergestülpt hat. Mit der Lanze in der Hand sieht es selbst aus wie ein kleiner Ritter.

Hexenmeistern und ­Rittern auf der Spur Burg Rodenegg bei Rodeneck ist eine Ritterburg wie aus dem Bilderbuch. Staunend blicken die Kinder durch die in den Boden eingefügte Glaswand: Sieben Meter tiefer verbirgt sich ein Verlies – da möchte keiner eingesperrt werden. In das „Lauterfresser-Loch“ trauen sich die allermeisten dann doch hinein. In dieser engen Kammer wurde der angebliche Hexenmeister Mathias Pergher gefangen gehalten, „der Lauterfresser genannt wurde, weil er am liebsten Flüssiges, also Lauteres wie Suppe, gegessen hat. Wahrscheinlich, weil er keine gesunden Zähne hatte“, erzählt Pia. Und dass Mathias Pergher wohl gar kein Hexer gewesen ist, sondern ein Mensch, der für die damalige Zeit, in der nicht jedes Kind in die Schule gehen durfte, einfach zu viel wusste. Aufmerksames Zuhören und staunende Augen auch bei den ältesten profanen Wandmalereien im deutschsprachigen Raum, den Iwein-Fresken. Wie das? Pia erzählt mitreißend von den Abenteuern des

Ritters Iwein, der wagemutig in die Welt auszog. Ob der Waldmensch, der ihm begegnete, gut oder böse gewesen sein mag? Die Meinung ist gespalten. Aber so einen Ring, der einen unsichtbar macht, der wäre schon praktisch ... – klar, dass den jeder gerne hätte! Vielleicht wünscht ihn sich ja eines der Kinder bei der Wasserzisterne nebenan, die das Regenwasser sammelte – das einzige Wasser, das damals zum Waschen, Trinken oder Kochen verfügbar war. Bis zum leisen „Blobb!“ des tröpfelnden Wassers darf jedes Kind die Augen schließen und sich etwas wünschen – „aber nicht verraten, was!“ In den vielen Winkeln und Kammern der Burg Rodenegg gibt es noch unzählige Zeugen des Mittelalters aufzuspüren: Die Kochutensilien in der verrauchten Ritterküche, die Lanzen im Waffensaal oder die Pechnasen über den Torbogen – kleine Öffnungen in der Verteidigungsmauer, durch denen heißes Pech, siedendes Öl oder kochendes Wasser über die Angreifer ausgeschüttet werden konnte. Geschwind vergeht die Zeit, und zum Abschluss gibt die gute Schlosshexe noch einen Zaubertrank mit – für all die anderen Abenteuer, die noch auf die Kleinen warten.

BURG RODENEGG BEI RODENECK Die bewegte Geschichte der uneinnehmbaren Festung über der Rienzschlucht bei Rodeneck macht den Besuch zu einem Abenteuer für die ganze Familie. In der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts als Wehrburg erbaut, gab die Familie der Grafen von Wolkenstein der Burg im 16. Jahrhundert seine heutige Gestalt. Ritterliche Geschichten und die Atmosphäre des alten Gemäuers schüren die Phantasie der kleinen Entdecker. Und die Erzählungen über den berüchtigten Hexenmeister Mathias Pergher lassen auch so manchem Erwachsenen einen Schauer über den Rücken laufen. Besonderen Eindruck beim Rundgang durch die Anlage hinterlässt der ausdrucksstarke Freskenzyklus zum Iwein-Epos des Hartmann von Aue. Öffnungszeiten: 1. Mai bis 1. November, täglich außer Samstag Die Besichtigung ist nur mit einer Führung möglich (11.30 Uhr und 14.30 Uhr sowie von 15. Juli bis 31. August auch um 15.30 Uhr); ab 15. Oktober nur mehr eine Führung um 14.30 Uhr. Gruppen ab 15 Personen nur nach Voranmeldung. Kinderführung: jeden Montag um 15 Uhr, für Kinder ab 5 Jahren. Informationen im Informationsbüro Rodeneck, Tel. +39 0472 454 044 und Mobil +39 328 165 13 32 viae 2016 | 33


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GENUSS

Text: Marlene Kranebitter Fotos: Oskar Zingerle

Das Winzer-Nordlicht Einige hundert Meter nordöstlich des Marktfleckens Mühlbach in der Ski- & Almenregion Gitschberg Jochtal liegt der fast 500 Jahre alte Santerhof, bewirtet von Willi Gasser und seiner Familie. Den „Santer Willi“ zeichnet eine innige Beziehung zur Landwirtschaft aus – und die Tatsache, dass es sich bei dem Hof um die nördlichste Weinkellerei Italiens handelt.

Bewirtschaftet wird der Hof von Willi Gasser, einem innovativen, unkonventionellen und, wenn es um seine Erzeugnisse geht, etwas eigenbrötlerischen Bauern. In erster Linie sind dies Weintrauben und Äpfel. Willi Gasser lässt sich gerne auf Neues ein, manchmal gegen sämtliche Trends und allen Unkenrufen zum Trotz. Am Santerhof gedeihen zum Beispiel – entgegen der Entwicklung zur Vereinheitlichung – über 40 verschiedene Apfelsorten, darunter fast vergessene wie die Stoanpeppelen und die Gravensteiner. Geschätzt werden diese Sorten beispielsweise von Menschen, die aufgrund von Allergien oder sonstigen Erkrankungen die heute gängigen eingekreuzten Apfelsorten schlecht vertragen können. Vor knapp zwei Jahrzehnten hat sich Gasser auch an den Weinanbau gewagt, in einer Gegend, die von ihrer Lage und Ausrichtung nicht mehr unbedingt an typisches Weinland erinnert. Die Reben des Santerhofs befinden sich von Mühlbach nordostwärts bis hinauf zur Mühlbacher Klause. Kaum jemand hätte geglaubt, dass nördlich von Neustift noch gute klimatische Bedingungen für den Weinanbau vorherrschen. Willi Gasser hat es versucht – mit Erfolg: „Heute sind wir die nördlichste Weinkellerei Italiens“, sagt er nicht ohne Stolz. Dabei hat er sich nicht für eine klassische, erprobte Rebsorte entschieden, sondern setzte aufgrund seiner inneren Überzeugung für eine nachhaltige Ökologie auf pilzwiderstandsfähige (Piwi-) Reben, wie „Marechal Foch“, Solaris oder Regent. Diese Pflanzen verfügen über einen eigenen Abwehrstoff zur Bekämpfung von Rebkrankheiten. Das so genannte Resveratrol schützt außerdem vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Preisgekrönte Tropfen Piwi-Weine sind übrigens auf keinen Bio- oder sonst irgendeinen Bonus angewiesen, sondern können geschmacklich durchaus mit „herkömmlichen“ Weinen mithalten. Bei Blindverkostungen des Südtiroler Piwi-Bauern-Vereins erreichten die Santer-Weine schon mehrmals Top-Platzierungen. Mit seinem Rotwein „Rubus“ und dem

Weißwein „Primus“ gewann Willi Gasser beide Verkostungen des Jahres 2014. Unter den rund 20 Kandidaten wird übrigens immer auch ein gängiger Nicht-Piwi-Wein als „Pirat“ eingeschleust, um den direkten und unvoreingenommenen Vergleich mit einem „gewöhnlichen“ Wein zu haben. „Einen namhaften Südtiroler Lagrein hinter sich gelassen zu haben, erfüllt einen schon auch mit Genugtuung“, kommentiert Gasser. Bei seinen individuell gestalteten Führungen durch die Weinberge rund um die alten, liebevoll restaurierten Gemäuer der geschichtsträchtigen Zollstation Mühlbacher Klause versucht Willi Gasser auf die von der Natur ausgehende Energie aufmerksam zu machen. Bei seinen Entscheidungen lässt er sich neben seinem außerordentlichen Fachwissen oft auch vom Bauchgefühl leiten – und der Erfolg gibt ihm recht. Es zahlt sich eben aus, Geduld zu haben, und es lohnt sich, mit dem weitgehenden Verzicht auf Pflanzenschutzmitteln und einer naturnahen Wirtschaftsweise einen etwas anderen Weg zu gehen. Weine, Äpfel und Apfelsäfte vom Santerbauern sind direkt im Hofladen erhältlich. Da der Laden keine fixen Öffnungszeigen hat, wird eine telefonische Voranmeldung empfohlen. www.santerhof.eu viae 2016 | 35


Text: Doris Brunner Fotos: Hannes Niederkofler, Oskar Zingerle

Geheimnisse aus dem Apfelparadies 36 | viae 2016


GENUSS

Warum Rosensträucher in den Apfelgärten vom Apfelhochplateau Natz-Schabs angepflanzt ­werden – und warum der Apfelkern die Fruchtform beeinflusst. Allerlei Wissenswertes rund um den Apfel und dessen Anbau im Eisacktal.

Inmitten der Apfelgärten auf dem Apfelhochplateau Natz-Schabs leuchten gelbe Rosenblüten. „Nein, die sind nicht nur zur Zierde da“, schmunzelt Matthias Überbacher, Apfelexperte und selbst Apfelbauer. Viel mehr als ein Blickfang ist der Rosenstrauch ein ökologisches Frühwarnsystem: Droht ein Läusebefall, so siedeln sich die kleinen Tierchen zuerst auf den Rosen an. Der Apfelbauer kann also frühzeitig eingreifen und die „Übersiedlung“ der ungeliebten Mitbewohner auf die Apfelbäume verhindern. Im Apfelanbau steckt viel Wissen und viel Arbeit. Dies wird bei der geführten Apfelwanderung durch die Apfelgärten in Natz-Schabs klar. 900.000 Apfelbäume wachsen auf dem Apfelhochplateau. Im Frühjahr tauchen sie die Landschaft in ein Blütenmeer – aber nicht aus jeder Blüte wird ein Apfel. „Nur zehn Prozent der Blüten reifen zu Äpfeln heran. Der Rest wird ausgedünnt, im Sommer werden die überzähligen oder beschädigten Früchte von Hand entfernt. So können sich die verbleibenden Äpfel optimal entwickeln. Trägt ein Apfelbaum zu viele Früchte, legt er im nächsten Jahr eine Pause ein“, erläutert Matthias. Aber wozu dienen die roten Spaghetti-Fäden, die um die Zweige gewickelt sind? „Das sind Pheromon-Fallen! Durch die freigesetzten Lockstoffe werden männliche Schädlinge orientierungslos und finden nicht mehr zu den Weibchen. Mit dieser Verwirrmethode verhindert man deren Ausbreitung “, erzählt der Apfelexperte diese ökologische Variante des Pflanzenschutzes.

Pflegeintensives Obst Bevor die Äpfel im Herbst geerntet werden können, gibt es das ganze Jahr über viel zu tun: Im Winter stutzt der Apfelbauer die Bäume zurecht. Oben schmal, unten ausladend – wie einen Christbaum. Droht in der Blütezeit im April ein Kälteschock, müssen die empfindlichen Blüten geschützt werden. Durch die Frostberegnung bildet sich um die Blüten eine Schutzschicht aus Eis, „und die Gefrierwärme bewahrt dann die Blüten vor Unterkühlung“. Zu stark wachsende Triebe werden beschnitten und nach unten gebunden. Aber auch der Boden will gepflegt sein, sodass er locker und gut durchlüftet die perfekten Wachstumsbedingungen bietet. Weiter oben, auf den Zweigen, fällt ein grüner Apfel in unglücklicher Gestalt ins Auge. Mit einem Taschenmesser ist das Geheimnis schnell geklärt: Der Apfel ist nicht gleichmäßig rund gewachsen, weil sich auf einer Seite keine

Apfelexperte Matthias Überbacher: „Trägt ein Apfelbaum zu viele Früchte, legt er im nächsten Jahr eine Pause ein“

Apfelkerne befinden. „Je größer der Apfel, umso mehr Kerne im Gehäuse“, verrät der Apfelexperte. Gibt es eigentlich auch Apfel­trends? Klar – rote Äpfel sind im Kommen! Die sehen nicht nur schön aus, sondern sind genauso gesund wie die anderen Apfelsorten aus NatzSchabs, vom süßen goldgelben Golden Delicious bis hin zum knackig grünen Granny Smith: Das Südtiroler Qualitätsprodukt enthält kaum Fette, dafür aber viele gesundheitsfördernde Inhaltsstoffe wie Vitamin C, Mineralien und leicht verdaulichen Fruchtzucker. Viele weitere Infos über den Apfel erhält man bei einer Wanderung auf dem abwechslungsreichen Apfelweg in Natz-Schabs. Dieser 7,5 km lange Themenweg führt über die Apfelgärten und Föhrenwälder von Natz nach Raas und wieder zurück zum Ausgangspunkt; auf zahlreichen Informationstafeln liest man viel Wissenswertes über den Apfelanbau in Natz-Schabs und das Apfelland Südtirol. Wer sich ebenso für den rund um Neustift angebauten Wein interessiert, verlängert die Wanderung und wandert auf dem Eisacktaler Weinund Apfelweg weiter nach Kloster Neustift und über die Kranebitter Weinhänge bei Brixen zurück auf das Apfelhochplateau Natz-Schabs.

AUF DEN SPUREN DES SÜDTIROLER APFELS AUF DEM APFELHOCHPLATEAU NATZ-SCHABS Bei der geführten Wanderung durch die Apfelgärten auf dem Apfel­ hochplateau Natz-Schabs erläutert ein Experte viel Wissenswertes über Anbau, Lagerung und Verarbeitung der Frucht. Den Ab­ schluss bildet eine Apfelverkostung. Die geführte Apfelwanderung findet von Mitte April bis Mitte Oktober statt und ist kostenlos. Nähere Infos: www.natz-schabs.info viae 2016 | 37


Text: Veronika Kerschbaumer Fotos: Stefan Gasser, Oskar Zingerle

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AKTIV

Weite Hochalmen und bizarre Bergfelsen – so kennt man Südtirols Bergwelt. Die Ski- & Almenregion Gitschberg Jochtal rückt fünf Berggipfel in den Mittel­punkt, die durch ihre Ausblicke überzeugen. Die „Big Five“ sind vier Gipfel in den Pfunderer Bergen und einer auf der Rodenecker-Lüsner Alm, in hochalpinem Gelände und für bergaffine Wanderer durchaus zu bewältigen.

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Text + Fotos: Oskar Zingerle

Die Heinzelm채nnchen der Wege

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AKTIV

Wer die Natur im Eisacktal erkundet, benutzt sie ganz selbstverständlich, von der Talsohle bis hinauf auf die höchsten Gipfel: Wege, Wege, Wege. Doch damit es sich unbeschwert wandern lässt, müssen die Wege laufend markiert und instandgehalten werden. Im Eisacktal erledigen hunderte „Wege-Heinzelmännchen“ diese Aufgabe – ehrenamtlich! Zwei von ihnen haben wir auf einer Tour in die Pfunderer Berge begleitet.

Es ist einer der letzten warmen Spätsommertage in diesem Jahr. Raimund Seebacher, pensionierter Verwaltungsangestellter, frönt einer seiner liebsten Ruhestandsbeschäftigungen: unterwegs sein in der freien Natur – in den markanten Pfunderer Bergen seiner Heimatgemeinde Vintl der Ski- & Almenregion Gitschberg Jochtal. „Ich verbinde heute wieder mal das Angenehme mit dem Nützlichen“, erklärt Raimund, während er achteckige Holzpfosten, verschiedene Schilder und Werkzeuge in den Kofferraum seines Autos packt. Seit einigen Monaten werden in der Gemeinde Vintl sämtliche Hinweisschilder auf dem Wegenetz erneuert, und Raimund ist einer jener Menschen, die dafür ihre Zeit ehrenamtlich zur Verfügung stellen. Der Großteil des Wegenetzes in Südtirol wird nämlich vom Alpenverein (AVS) instandgehalten, dem Raimund angehört. „Bei 200 Kilometern Wanderwegen und 800 Markierungspunkten allein in der Gemeinde Vintl wäre eine bezahlte Instandhaltung gar nicht möglich“, sagt Raimund. Noch ein kurzer Check, ob alle Utensilien komplett sind, und auf geht’s Richtung Weitental, wo wir Robert Huber, einen weiteren Wege-Heinzelmann, auflesen.

„Wasser ist das größte Problem“ Rund ein Drittel der Wege, vor allem jene in tieferen Lagen, werden vom örtlichen Tourismusverein instandgehalten, der Rest vom Alpenverein. Erkennbar ist die Aufteilung an den auf den Hinweisschildern vermerkten Kürzeln „TV“ oder „AVS“. Die Wegebetreiber sorgen nicht nur für die ordentliche Ausschilderung, sondern auch für einen guten Zustand der Wege selbst. „Wasser ist das größte Problem“, sagt Raimund, „es spült die Wege aus, legt Steine frei, und es entstehen tiefe Rinnen.“ Um das zu vermeiden, leitet man insbesondere in tieferen Lagen das Regenwasser mit so genannten „Auskehren“ vom Weg ab. Diese Regenrinnen müssen immer wieder von Sand und Steinen befreit werden. Aber auch sonst gibt es die ganze Wandersaison über viel zu tun auf den Wegen: Steine oder umgestürzte Bäume entfernen, Sträucher stutzen, nachrutschendes Erdreich beseitigen und, und, und. Seit einigen Jahren versucht der Alpenverein in den Orten, die Instandhaltung über Patenschaften zu regeln. Freiwillige „Paten“ übernehmen einen oder mehrere viae 2016 | 41


Wege und kümmern sich um deren Zustand und Markierung. Das Wegemarkierungssystem wurde vor einigen Jahren südtirolweit vereinheitlicht, um den bis dahin angewachsenen Schilderwald im Sinne einer besseren Übersicht auszulichten. Bei der Erstellung des Markierungsreglements hielt man sich an einen Grundsatzbeschluss des „Club Arc Alpin“ (Zusammenschluss der Alpenvereine im Alpenraum), der unter anderem die Pfeilform der Wegweiser und die gut sichtbare rotweiß-rote Markierungsfarbe vorgibt. Jeder Markierungspfosten in Südtirol ist GPS-mäßig exakt erfasst. „Ihre Position ist meist eine Frage des gesunden Hausverstandes. Sehr wohl aber ist geregelt, dass am Wegbeginn, an unübersichtlichen Stellen und an Kreuzungen ein Hinweisschild stehen muss, um jeden Zweifel am richtigen Wegverlauf auszuschließen“, erklärt Raimund. Die Schilder sind allesamt aus Lärchenholz gefertigt. „Metall wäre natürlich sehr viel weniger wartungsintensiv, aber man hat sich letztlich aus ästhetischen Gründen doch für Holz entschieden – und weil man der Meinung war, dass dies ökologisch richtig ist“, berichtet Robert. Die 42 | viae 2016

eingefrästen Lettern sind mit witterungsbeständiger Farbe ausgemalt und geben Wegnummer, Ziel und Gehzeit an.

Analoge Helfer Inzwischen sind wir auf der Oberen Engbergalm angekommen. Raimund und Robert laden sich die restlichen Schilder, Pfosten und Werkzeuge auf den Rücken und treten den Marsch auf die 2.600 Meter hohe Gliederscharte an. Auf dem Weg treffen wir immer wieder auf Wanderer ... man grüßt sich freundlich, und über 2.000 Metern Meereshöhe ist man grundsätzlich per „Du“. Es sind Fernwanderer auf der 550 Kilometer langen Route München-Venedig, auf der wir uns gerade befinden. Die Wanderer kommen vom Pfitscher Tal herauf und haben knapp die Hälfte ihrer meist 28-tägigen alpenquerenden Tour vom Marienplatz in München bis zum Markusplatz in Venedig hinter sich. Nach einer halben Stunde erreichen wir die Kreuzung unserer Route mit dem Pfunderer Höhenweg, dem 70 Kilometer langen Sechs-TageMarsch von Sterzing nach Pfalzen. Hier steht ein beschädigter Wegweiser-Pfosten, der ausgetauscht

werden muss. Metallenes Hämmern stört kurz die beschauliche Stille; der in den Boden eingeschlagene Profilsockel der Wegweiser ist nämlich aus verzinktem Stahl. Der Pfosten wird in das Profil eingeschraubt, danach die Schilder angebracht. Nach weiteren 30 Minuten Aufstieg erreichen wir die Gliederscharte, genießen kurz das atemberaubende Panorama auf die gegenüberliegenden Gipfel des Hochferner und Hochfeiler mit ihrer imposanten Gletscherzunge. Genug des Vergnügens – die Arbeit wartet! Zwei Schilder müssen angebracht und der leicht schief stehende Pfosten aufgerichtet werden. Ein paar Fernwanderer aus Bayern beobachten Raimund und Robert bei ihrer Arbeit und bedanken sich sehr aufrichtig bei ihnen für ihre wertvolle Arbeit: „Trotz GPS am Handgelenk: Auf ‚analoge’ Wegweiser verlassen wir uns immer noch am liebsten.“

INFOS Wandertipps in den Pfunderer Bergen: www.gitschberg-jochtal.com / Sommerurlaub / Wandern


AKTIV Text: Doris Brunner Foto: Oskar Zingerle

Die drei heiligen Jungfrauen von Meransen In Meransen verehren die Menschen die drei heiligen Jungfrauen Aubet, Cubet und Quere. Was es mit den drei Frauen auf sich hat – und wo man ihren Spuren heute begegnet ... „Der Hunnenkönig Attila wütete in Europa mit Feuer und Schwert. Er vernichtete schonungslos alles, was ihm nicht huldigte. In großer Gefahr schwebten dabei drei Jungfrauen, doch ein guter Geist begünstigte ihre Flucht. Sie irrten lange im wüsten Land herum, ertrugen Hunger und Durst. Mitten auf dem Berge, der von Mühlbach nach Meransen aufsteigt, sanken sie schlussendlich zu Boden. Da sprudelte plötzlich eine frische Quelle aus dem Felsen; der Kirschbaum, unter dem sie ruhten, neigte die fruchtbeladenen Äste, und kühler Schatten labte die frommen Dulderinnen. Diese Stelle, jetzt noch Jungfrauenrast genannt, bezeichnet eine kleine Kapelle. Viele Wunder geschahen am Orte, wo sie lebten.“

Sagenumrankte ­Jungfrauenrast Spaziert man heute über den Lindenweg, einen mit Granitblöcken ge-

pflasterten Pfad von Mühlbach nach Meransen, gelangt man zu jenem Ort, an dem die drei heiligen Jungfrauen Aubet, Cubet und Quere der Legende nach auf ihrer Flucht gestärkt wurden – der erwähnten Jungfrauenrast. Die sagenhafte Quelle befindet sich noch hier, der Kirschbaum nicht mehr. Seit Jahrhunderten werden die drei Heiligen in Meransen verehrt: In der Wallfahrtskirche im Dorfzentrum, die ihnen sowie dem heiligen Jakobus geweiht ist, befinden sich auf einem Seitenaltar drei vergoldete Holzfiguren, daneben ein Schrein mit Votivgaben. Hierher pilgerten früher die Eisacktaler Bauern, teilweise barfuß, um in Trockenzeiten um Regen für ihre ausgedörrten Felder zu bitten. Aber nicht nur: Im Deckenfresko der Hauptkuppel hat der Tiroler Barockmaler Johann Mitterwurzer die drei Heiligen als Patroninnen für alle Lebensnöte abgebildet. Mitte September feiert man auch heute noch

in Meransen das Patrozinium, das Fest der heiligen drei Jungfrauen, mit einer Prozession, die früher durch die abgeernteten Äcker führte. Und die Frauen erhofften sich von ihnen reichen Kindersegen. In der Ski- & Almenregion Gitschberg Jochtal stößt man immer wieder auf die Spuren von Aubet, Cubet und Quere. Ihre Namen finden sich auf einigen Grabsteinen im Meransner Friedhof ebenso wie auf Häuserfassaden. Oder wenige Kilometer weiter, an der eindrucksvollen Mühlbacher Klause, sind sie auf einem Bildstock auf ihrer Flucht vor Attila dargestellt. Viel Spannendes über die drei Heiligen sowie über weitere Legenden und Sagen des Gebietes erfährt man zudem bei der geführten Wanderung „Meronsa/Meransner Sagenwege“, einem Angebot der kostenlosen Gästekarte Almencard.

AUF ENTDECKUNGSREISE IN DER SKI- & ­ALMENREGION ­GITSCHBERG JOCHTAL Mit den Gästekarten Almencard und Almencard PLUS lässt sich die Ski- & Almenregion Gitschberg Jochtal und das Eisacktal kostenlos erkunden: ein umfangreiches Wander- und Kulturpro­ gramm, die Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln und Vergünstigungen bei verschiedenen Bonuspartnern sind darin enthalten. Die Almencard ist von Ende Mai bis Mitte Oktober, die Almencard PLUS vom 1. Mai bis 30. November gültig; sie werden an die Gäste der Partner­ betriebe kostenlos vergeben. www.gitschberg-jochtal.com viae 2016 | 43


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KULTUR Text: Veronika Kerschbaumer Fotos: Oskar Zingerle, Alex Filz

Auf Solimans Spuren Die historische Altstadt von Brixen w체sste bestimmt viele Geschichten zu erz채hlen: vom mittelalterlichen Treiben, als in den Laubeng채ngen gehandelt und gefeilscht wurde, oder von einem exotischen Gast, der anno 1551 zwei Wochen lang in Brixen verweilte. viae 2016 | 45


Im Brixner Domkreuzgang verewigte Meister Leonhard ein seltsam anmutendes Elefantenwesen. Da er noch nie einen Elefanten gesehen hatte, musste er sich auf einige spärliche Erzählungen stützen.

Im 16. Jahrhundert, in einer Epoche, in der Kunstkammern modern wurden und ganz Europa Riesen, Zwerge und unbekannte Tiere mit Neugier, Lust und Grausen bewunderte, war ein Elefant als Geschenk unter der damaligen Polit-Spitze gerade noch skurril genug. So kam es, dass Maximilian, der älteste Sohn von Kaiser Ferdinand, späterer Kaiser Maximilian II. des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation und Erzherzog zu Österreich, vom portugiesischen König mit einem Elefanten beschenkt wurde. Auf seiner Reise vom fernen Indien über Portugal und Genua bis nach Brixen hat der Hofelefant Soliman viele Spuren hinterlassen. In Brixen verweilte er sogar zwei Wochen und lockte unzählige Neugierige und Schaulustige an. „Genächtigt“ hat Soliman in einem Stall der damaligen Herberge „Zum Hohen Feld“. Nach der Abreise des großen Grauen ließ Andre Posch, der damalige Wirt des Hauses, das Tier auf die Westseite des Hauses pinseln. Ab 1578 wurde der Gasthof unter dem Besitzer Peter Oberpurgsainer erstmals als

SOLIMANS TRAUM Von Ende November bis Anfang Jänner wecken im Rahmen des Weihnachtsmarktes Brixen ani­ mierte Videoprojektionen mit modernster Mapping-Technik und umrahmt von zauberhafter Musik die wundervollen Fassaden im Innenhof der Brixner Hofburg zu neuem Leben. Das einzigartige multimediale Licht- und Musik­ spektakel der Lichtkünstler „Spec­ taculaires - Allumeurs d‘images“ entführt die Zuschauer in die bun­ te und fantasievolle Traumwelt des Elefanten Soliman. www.brixen.org/soliman 46 | viae 2016

„Hauss am Hellephandt“ bekannt, dem heutigen „Hotel Elephant“ im Norden von Brixen – mit nach wie vor demselben Fresko auf der Außenmauer.

Elefanten in Brixen Für einen jedoch kam der Elefant 89 Jahre zu spät nach Brixen: Wäre Soliman bereits um 1470 durch die ehemalige Bischofsstadt getrampelt, würde nun kein mausgraues, langbeiniges Rindertier mit grazilem Hals, Flatterohren und Schmollmund von der dritten Arkade im Brixner Domkreuzgang blicken. Die Fresken an den 15 Arkaden des Kreuzganges sind vorwiegend im Mittelalter entstanden und dienten als Bibel für das Volk: Szenen aus der Heiligen Schrift wurden hier für die schreib- und leseunkundige Bevölkerung bildlich dargestellt. Meister Leonhard von Brixen bekam 1470 den Auftrag, den in der Bibel beschriebenen Kampf des jüdischen Hohepriesters Eleasar gegen die Syrer, die mit Kriegselefanten gegen Israel anstürmten, darzustellen. Doch Leonhard hatte noch nie zuvor einen Elefanten gesehen, und Beschreibungen des Rüsseltiers waren rar. Auch im Kirchlein St. Nikolaus im Weiler Klerant am Ploseberg oberhalb von Brixen ziert eine ähnlich fantasievolle Elefantengestalt zur selben Bibelgeschichte eine Wand. In diesem Fall hat Meister Leonhard jedoch die Flatterohren durch spitze Pferdeohren ersetzt und den Elefanten in einen metallenen Panzer gehüllt. Bei einem Spaziergang durch den Alten Friedhof, der bis 1793 Stadtfriedhof von Brixen war und den Brixner Dom als ranghöchste Kirche Südtirols und Gotteshaus der Kirchenfürsten von der bürgernahen Pfarrkirche St. Michael mit ihrem weißen Turm trennt, sind ebenfalls


elefantöse Spuren zu finden: Mit viel Fantasie ist auf einer Grabplatte unter den Arkaden ein Elefant zu erkennen, der einer Legende nach einmal im Jahr vom Stein herabsteigt, um durch Brixen zu wandeln. Laut Karl Gruber, emeritierter Professor für Christliche Kunst und Denkmalpflege aus Brixen, sind Legenden wie diese jedoch mit Vorsicht zu genießen: „Auf dem Grabstein ist ein Fantasiewappen der Renaissance abgebildet, und der Elefant war als exotisches Tier eine sehr dankbare Figur. Damals wurden Wappen oft konstruiert, um sich mehr Bedeutung zuzuschreiben.“

Die Vergangenheit zum Leben erwecken Die Verzweiflung, mit der Meister Leonhard und die Maler seiner Werkstatt im 15. Jahrhundert nach Elefantenbildern gesucht hatten, kann man heutzutage bloß erahnen. Obwohl, manchmal kann es durchaus vorkommen, dass man in Brixen von einem verzagten Gesellen aus Meister Leon-

hards Werkstatt gebeten wird, einen Elefanten zu beschreiben. Deshalb wird nicht gleich das Elefantenwesen im Kreuzgang oder im Kirchlein St. Nikolaus umgemalt, sondern es handelt sich hierbei vielmehr um eine Erlebnisführung, bei der ab Mai 2016 erstmals der kulturhistorische Schatz der Stadt auf eine neue Art und Weise beleuchtet wird. Dabei geht es in Begleitung von einem Erlebnisführer, der die Geschichte von Brixen, der ältesten Stadt Tirols, erzählt, von einem Schauplatz zum nächsten. An verschiedenen Sehenswürdigkeiten der Stadt berichten historische Figuren in zeitgemäß historischen Kleidern aus ihrem Leben und entführen die Teilnehmer der Erlebnisführungen so in verschiedene vergangene Epochen: So hadert am Sonnentor ein Wächter aus dem Jahr 1179 damit, der Gruppe Zugang zur Stadt zu gewähren, oder man trifft in der Hofburg auf Maria, eine Magd des Bischofs, die sich wegen des Bauernaufstandes von 1552 sorgt.

Der Brixner Dombezirk ist eine der wichtigsten Sehenswürdigkeiten der ehemaligen Bischofsstadt.

ERLEBNISFÜHRUNGEN IN BRIXEN Ab Mai 2016 kann man Brixen bei zwei theatra­ lischen Erlebnisführungen aus einem anderen Blickwinkel kennenlernen: Entweder man wandelt durch Brixen auf den Spuren des Elefanten, oder man lernt die Bischofstadt von ihrer dunklen Seite ­kennen. Beide Führungen dauern rund 90 Minuten. „Auf den Spuren des Elefanten“, samstags, 10 Uhr „Hexen, Henker und Halunken“, dienstags, 21 Uhr Informationen beim Tourismusbüro Brixen, Tel. +39 0472 836 401, www.brixen.org viae 2016 | 47


Text: Doris Brunner Foto: Tourismusverein Brixen

In Brixen trifft sich die Sportelite, um Höchstleistungen zu erbringen und die eigenen Grenzen auszutesten. Ein Überblick der herausragenden Sportevents in Brixen und Umgebung – zum Anfeuern, Applaudieren... oder zum Mitmachen!

Börz-Plose Bike Day 1.500 Höhenmeter, 51 Kilometer 26. Juni 2016 von St. Andrä oberhalb von Brixen über Palmschoß zum Würzjoch

Giro d’Italia 3.383 km 24. Mai 2016, Etappenstart in Brixen Der Giro d’Italia gilt als eines der wichtigsten Radsport-Etappenrennen der Welt. Brixen wird dabei eine besondere Ehre zuteil: Die 16. Etappe des Giro d’Italia startet vom Brixner Domplatz und führt dann nach Bozen und über den Mendelpass nach Andalo in der Nachbarprovinz Trient. www.giroditalia.it www.gazzetta.it/giroditalia/2016/it/tappa/16 48 | viae 2016

Der „Börz-Plose Bike Day“ ist der Radtag für sportliche Biker, ganz ohne Wettkampfstress. Der landschaftlich schöne und großteils autofreie Rundkurs von etwa 51 Kilometern und 1.500 Höhenmetern startet in St. Andrä oberhalb von Brixen und führt über Palmschoß auf das 1.650 Meter hohe Würzjoch, weiter über Lüsen zurück nach St. Andrä. Die Radrunde kann aber auch von St. Peter in Villnöss oder von Antermoia im Gadertal angegangen werden. Jeder Radfahrer startet, wo und wann er möchte – lediglich das Fahren im Gegenuhrzeigersinn wird empfohlen. Der Name „Börz“ ist die ladinische Bezeichnung für das Würzjoch, das das Gadertal mit dem Eisacktal verbindet. Die Teilnahme am „Börz-Plose Bike Day“ ist kostenlos. www.boerz-plose-bike.org

TourTransalp powered by Sigma – Etappenziel Brixen 897 km, 19.446 Hm, 22 Pässe Etappe 1 von Imst (A) nach Brixen: 153,61 km, 2.786 Hm, 2 Pässe 26.-27. Juni 2016 Die TOUR Transalp powered by Sigma 2016 ist das bekannteste und spektakulärste Rennrad-Highlight für Jedermann in Europa. Ein Etappenrennen für Zweierteams führt quer über die Alpen und Dolomiten. Mehr als 1.200 Teilnehmer können sich wieder auf eine anspruchsvolle und aufregende Streckenführung von Imst in Nordtirol (A) nach Riva del Garda freuen. Die erste Etappe führt direkt nach Brixen, wo am Sonntag, 26. Juni die Teilnehmer am Domplatz gebührend empfangen werden. Von Brixen aus begibt sich das Feld am Montag Früh dann weiter nach St.Vigil. Auf dieser Etappe geht es ins Herz der Dolomiten auf eine atemberaubende „Sellaronda“. www.tour-transalp.de


AKTIV

Gore-Tex® TransAlpine Run 15.000 Höhenmeter, 250 Kilometer 10. September 2016 Zieleinlauf und Abschlussveranstaltung am Brixner Domplatz Der Gore-Tex® TransAlpine-Run zählt zu den wichtigsten Trailrunning-Events der Welt. In sieben Tagen überqueren 300 Zweier-Teams aus der ganzen Welt von Oberstdorf in Bayern den Alpenhauptkamm und legen täglich über 30 Kilometer und zirka 2.000 Höhenmeter zurück. Nach sieben intensiven Tagen legen die Läufer am 10. September den Endspurt über das Latzfonser Kreuz und den Radlsee nach Brixen ein und passieren die Ziellinie am Brixner Domplatz. www.transalpine-run.com

MountainBIKE-Testival Brixen Salomon AlpenX100 Brixen Dolomiten Marathon 2.450 Höhenmeter, 42,195 Kilometer 1.-2. Juli 2016

10.218 Höhenmeter, 160 Kilometer 5.-7. August 2016 Zieleinlauf am Brixner Domplatz

Der „Brixen Dolomiten Marathon“ am 2. Juli führt vom Brixner Domplatz (Startschuss um 7:30 Uhr) über 42,195 Kilometer auf Wald- und Wiesenwegen zum Gipfel des Hausberges Plose. Mit 2.450 Höhenmetern in den Beinen freuen sich die Teilnehmer, die einzeln oder in Zweierund Viererstaffeln antreten, nicht nur über ihre sportliche Leistung, sondern auch über das beeindruckende Bergpanorama. Tags zuvor, am 1. Juli nachmittags, geht es etwas weniger anstrengend im Laufschritt voran: Kinder und Frauen laufen für einen guten Zweck. www.brixenmarathon.com

Die Hardcore-Alpenüberquerung für Trailrunner: Ohne Pause geht es nonstop von Seefeld in Nordtirol (A) über die Alpen bis nach Brixen, auf einer der landschaftlich schönsten alpinen Routen durch Österreich nach Südtirol. Die ersten 100-Meilen-Läufer werden am Samstag, 6. August, um etwa 18 Uhr in Brixen erwartet; am Sonntag, 7. August, gegen 22 Uhr erreichen die letzten Teilnehmer die Ziellinie. Bereits ab Samstagmittag, 6. August, laufen jene Läufer in Brixen ein, die die kürzeren Strecken ab Steinach oder Gossensass bewältigt haben. www.alpenx100.com

50 Aussteller, unzählige Testtouren und Rahmenprogramm 22.-25. September 2016 Altstadt Brixen Testen, touren und genießen: Das Mountain­BIKETestival Brixen ist das Highlight der Bikesaison im Eisacktal, an dem sich Bike-Profis und begeisterte Biker aus dem In- und Ausland treffen. Auf den schönsten Trails auf der Plose und im Eisacktal werden die brandaktuellen Bikes und E-Mountainbikes namhafter Hersteller dem Härtetest unterzogen. Auf Südtirols größter Bike-Expo mit rund 50 Ausstellern auf und um den Brixner Domplatz lassen sich die neuesten Trends rund ums Bike begutachten und ausprobieren. Ein vielfältiges Rahmenprogramm und zahlreiche geführte Touren mit lokalen Bikeguides werden ebenfallsgeboten. www.mountainbike-testival.de viae 2016 | 49


Text: Doris Brunner Fotos: Alex Filz, Kloster Neustift

WeinLesen im Kloster Neustift Was haben Wein, Literatur und Kloster miteinander zu tun? Im Augustiner Chorherrenstift Kloster Neustift bei Brixen gehen sie unzählige Verbindungen ein – und das seit der Gründung des Klosters im 12. Jahrhundert. Neu verwoben werden Wein und zeitgenössische Literatur auch beim Literaturfestival „WeinLesen“ im Juni 2016 mit ­international renommierten Autoren und Winzern aus dem Eisacktal.

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9.-12. Juni 2016, Kloster Neustift Lesungen, Autorengespräche, Weinpräsentationen, Winzer­ lesungen, Führungen mit international renommierten Autoren wie Uwe Timm, ­Lukas Bärfuß, Sabine Gruber, Nora Gomringer, Ilja Trojanow u.a. Die Veranstaltung richtet sich an Literatur- und Weinlieb­haber, die das interessante Zusammenspiel von Texten und Weinen an einem ­besonderen Ort erleben möchten. Weitere Infos unter www.weinlesen.it Das Kloster Neustift kann mittels einer Stiftsführung erkundet werden, auch Weinverkostungen sind auf Anfrage für Gruppen möglich. Infos und Reservierungen unter Tel. +39 0472 836 189, www.kloster-neustift.it

Hartmann, Propst des Augustiner Chorherrenstiftes Klosterneuburg bei Wien, wurde im Jahr 1140 zum Bischof von Brixen gewählt und gründete daraufhin das Augustiner Chorherrenstift Neustift, wenige Kilometer von der damaligen Bischofsstadt Brixen entfernt. Tatkräftige Unterstützung erhielt er durch Reginbert, dem Burggrafen von Säben, und dessen Gemahlin Christina: Beide statteten das Kloster großzügig mit Höfen und Grundstücken aus – darunter ausgedehnte Weinberge. Zahlreiche andere Wohltäter folgten diesem Beispiel, sodass das Kloster mit seinem Weinanbau schon bald über eine solide wirtschaftliche Basis verfügte. Heute gedeihen an den geschützten Hängen rund um die Klosteranlage in Neustift die charakteristischen weißen Traubensorten des Eisacktals wie Sylvaner, Müller-Thurgau, Kerner, Gewürztraminer und Veltliner. Die Rotweine wie Lagrein, Vernatsch, Blauburgunder oder Rosenmuskateller wachsen hingegen in den südlichen Stiftsbesitzungen rund um Bozen. In der Stiftskellerei Neustift, eine der ältesten aktiven Weinkellereien der Welt, keltert man den Eisacktaler Weißen zu vielfach prämierten Weinen: Auch 2015 erhielt die Stiftskellerei für ihren „Eisacktaler Riesling Praepositus 2013“ die heiß begehrten „Drei Gläser“ des Gambero Rosso, dem wichtigsten Weinführer für italienische Weine.

KULTUR

INTERNATIONALES LITERATURFESTIVAL „WEINLESEN“

Zentrum der Wissenschaft und Bildung Aber nicht nur der Wein, auch Kultur und Bildung prägen seit jeher das Kloster. Die stiftsinterne Schule, urkundlich belegt seit der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts, etablierte sich in der Neuzeit zu einem Zentrum der Wissenschaft und der Bildung. In der klösterlichen Schreibstube fertigte man in monatelanger Arbeit beeindruckende liturgische Handschriften an, angereichert mit wunderbaren Buchmalereien. Der um 1770 errichtete Bibliothekssaal im Rokokostil, der bei Führungen besichtigt werden kann, erweist sich als kulturelles Juwel: Über 20.000 kostbare Bände füllen die Regale des prächtigen Raumes. Das Kloster entwickelte sich zu einem der wichtigsten spirituellen und kulturellen Knotenpunkte, mit Strahlkraft weit über Tirol hinaus. Sowohl die Schule samt angeschlossenem Schülerheim wie auch das Bildungshaus Kloster Neustift sind heute anerkannte Bildungsstätten, die junge und ältere Menschen für das Leben rüsten – mit Kooperationen über die Landesgrenzen hinaus. Denn obwohl das Augustinerkloster einen eigenen Kosmos darstellt, ist es seit jeher bestens vernetzt, sucht den Austausch und scheut sich nicht vor Innovationen. So werden nun auch Kultur und Wein, die zwei tragenden Säulen des Klosters, auf zeitgemäße Weise miteinander verwoben werden: Das internationale Literaturfestival „WeinLesen“, das von der Südtiroler Autorin Sabine Gruber und von Michael Stiller kuratiert wird, verbindet die traditionsreiche Weinkultur mit hochwertiger zeitgenössischer Literatur. International anerkannte Autoren unter anderem aus der Schweiz, Deutschland, Österreich und Georgien lesen im Laufe des viertägigen Festivalprogramms im Juni 2016 aus ihren Büchern vor und treffen dabei auf zehn Südtiroler Winzer, die ihre Weine präsentieren und zur Verkostung einladen. Das Publikum erlebt somit die Begegnung der Weinkultur mit der Literatur, die unter anderem folgende Gemeinsamkeit aufweisen: Beide benötigen viel Sorgfalt und Zeit in der Herstellung. viae 2016 | 51


Text: Veronika Kerschbaumer Fotos: Thomas Grüner, Tourismusverein Lüsen

Wasser, Quell des Lebens Brixen hat seit jeher ein besonders Verhältnis zum Element Wasser: In der ehemaligen Bischofsstadt treffen zwei der größten Flüsse Südtirols, Eisack und Rienz, aufeinander, am Ploseberg entspringt bestes Mineralwasser. Ende des 19. Jahrhunderts waren die im Kurhaus Dr. von Guggenberg angebotenen Kneipp-Anwendungen Initialzündung für die touristische Entwicklung der Stadt. Bis heute kann man Wasser und seine belebende Wirkung in und rund um Brixen aktiv erleben.

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Hosenbeine hochgekrempelt, und ab im Storchenschritt durchs kalte Wasser! Was der bayerische Priester Sebastian Kneipp im 19. Jahrhundert aus Intuition heraus gemacht hat, hilft auch heute – und das nicht nur bei müden Füßen. Als Kneipp an Tuberkulose erkrankt war, verschaffte er sich Heilung durch Bäder in der Donau. Später entwickelte er aus dieser Erfahrung sein weltbekanntes Gesundheitskonzept. Ziele der Kneipp-Anwendungen sind einerseits Vorbeugung und Stärkung des Immunsystems, andererseits stabilisieren und harmonisieren die Wasseranwendungen Wärmehaushalt, Atmung, Kreislauf, Stoffwechsel, Verdauung und das Nervensystem. Sebastian Kneipp selbst sagte über die Wasseranwendungen: „Sie zielen darauf ab, die Wurzeln der Krankheiten auszuheben, die Krankheitsstoffe im Blute aufzulösen, das Aufgelöste auszuscheiden und das so gereinigte Blut wieder in die richtige Zirkulation zu bringen.“ Schenkelguss, Wassertreten und ansteigendes Fußbad haben auch in Brixen Spuren hinterlassen, denn die kneipp’schen Anwendungen haben Brixen den ersten Touristenschwall beschert: Otto von Guggenberg, gebürtiger Brixner, errichtete 1890 in seiner Heimatstadt die erste Kneippanstalt Österreichs – damals gehörte Südtirol noch zum Königreich Österreich-Ungarn. Kneippen, unter diesem Namen ist das Wassertreten bekannt, kann man auch heute rund um Brixen. Einzigartig ist der Kneippgarten am


AKTIV WoodyWalk auf dem Ploseberg: Auf 2.000 Metern und mit Blick auf die Aferer und Villnösser Geisler wecken frische Gebirgsluft und eiskaltes Bergwasser neue Lebensgeister. Anschließend bringt der mit Stein, Sand, Holz und Almgras bestückte Barfußweg die Durchblutung ins Wallen.

Kneippen und mehr Eine ganz besondere Kneippanlage wartet bei Vahrn mitten im kühlen Wald darauf, entdeckt zu werden. Vom Parkplatz hinter der Dorfkirche aus schlängelt sich ein Pfad durch den Wald, vorbei an einem uralten Kastanienbaum, zur Kneippanlage am Schalderer Bach. Doch Wasser ist nicht nur zum Kneippen da... Im Lüsner Tal befindet sich eine wahre Perle, was den Badespaß an-

belangt: der Naturbadeteich Lüsen. Das frische Quellwasser wird übrigens ganz natürlich über Schilf gereinigt, denn Binsen, Schilf, Wasseriris und Seggen reinigen das Wasser an Ort und Stelle. Nitrat und Phosphat wird nämlich im sumpfigen Gelände verarbeitet und somit den Krankheitskeimen die Lebensgrundlage entzogen. Ein weiteres Natur- und Badejuwel ist nördlich von Vahrn bei Brixen zu finden. Am Nordufer des Vahrner Sees liegt ein frei zugänglicher Badeplatz, das Südufer ist hingegen seit 1977 ein geschütztes Biotop, in dem man verschiedene Libellenarten in ihrem natürlichen Lebensraum beobachten kann. Von seiner ungestümen Seite zeigt sich das Wasser beim Canyoning oder beim Hydrospeed. Beide Fun-Aktivitäten werden in Brixen von einer Organisation angeboten. Beim Canyoning gilt es – ausgerüstet mit Neoprenanzug, speziellem Klettergurt und Helm – die durch die Urgewalt des Wassers geformten Schluchten vom Puntleider See bis nach Grasstein nördlich von ­Franzensfeste oder von Tschötsch bis in die Mahr im Süden von Brixen zu bezwingen. Waghalsige Sprünge in natürlich ausgespülte Becken, kühne Abseilmanöver, bei denen einem die Gischt ins Gesicht spritzt, oder spaßige Rutschpartien – Canyoning ist definitiv eine außergewöhnliche Art, um mit dem Element Wasser in Berührung zu kommen. Wasser hautnah erleben und gleichzeitig Brixen aus einer etwas anderen Perspektive kennenlernen kann man beim so genannten Hydrospeed: Im Neoprenanzug und mit Flossen, Helm und einer speziellen floßartigen Schwimmhilfe ausgerüstet, schwimmt man mit der Strömung den Eisack entlang. Die nasse Reise geht vorbei an den historischen Häuserfronten der Brixner Altstadt bis in den Ortsteil Albeins im Süden der Stadt.

Der Naturbadeteich Lüsen wird aus frischem Quellwasser gespeist

WASSER ERLEBEN RUND UM BRIXEN KNEIPPEN: Die Kneippanlage am Ploseberg erreicht man ausgehend von der Bergstation der Plose-Kabinenbahn nach einer rund 40-minütigen Wanderung entlang des WoodyWalks. Die Plose Kabinenbahn ist vom 26. Mai bis 16. Oktober in Betrieb. In der Vor- und Nachsaison fährt die Kabinenbahn werktags von 9 bis 12 Uhr und von 13 bis 18 Uhr, an den Wo­ chenenden und Feiertagen durchgehend von 9 bis 18 Uhr. Vom 2. Juli bis 11. September ist die Kabinenbahn auch werktags durchgehend von 9 bis 18 Uhr in Betrieb. www.plose.org Die Kneippanlage in Vahrn erreicht man in wenigen Gehmi­ nuten vom Lidl-Parkplatz (unterhalb der Pfarrkirche). Die land­ schaftlich überaus schön und ruhig gelegene Anlage bietet ein Erlebnis für Körper und Geist. www.brixen.org BADETEICHE: Der Naturbadeteich Lüsen ist je nach Witterung von Mitte Mai bis Mitte September täglich von 10 bis 19 Uhr geöffnet. Anfahrt mit dem Auto über Brixen oder mit den öffentlichen Verkehrsmitteln im Stundentakt. www.luesen.com Der Vahrner See liegt nördlich von Vahrn bei Brixen. Den See erreicht man nach einer knapp zehnminütigen Wanderung vom ausgeschilderten Parkplatz aus. www.brixen.org CANYONING & HYDROSPEED: Canyoning ist möglich ab Mai jeden Dienstag und Samstag um 9 und 13 Uhr. Die Touren dauern rund vier Stunden. Hydrospeed auf Anfrage. Infos und Anmeldung: www.outdorcenterplose.org viae 2016 | 53


Text: Veronika Kerschbaumer Fotos: vertical-life.info

„Leidenschaft aus Fels und Stein“ Unnahbar wirken die nackten Felswände für jene, die nicht klettern. Matthias Polig aus Ratschings, 32 Jahre jung, ist mit dem Skisport aufgewachsen, hat aber mit 18 Jahren in der Kletterwand seine wahre Leidenschaft entdeckt und prompt das Klettern zum Beruf gemacht: Seit drei Jahren führt er mit zwei Partnern ein Unternehmen, das gedruckte Kletterführer herausgibt und den Klettersport ins App-Zeitalter geführt hat.

selbst. Einziger Gegner ist bei dieser Sportart der eigene Kopf; man kämpft nicht gegen einen Gegner oder die Zeit. Ich habe bald angefangen, viel zu trainieren, und habe selbst neue Routen erschlossen und gebohrt.

Matthias Polig

VIAE: Herr Polig, das erste Mal Hand an den Fels gelegt haben Sie mit 18 Jahren. Inzwischen dreht sich bei Ihnen beruflich wie privat alles ums Klettern. Wie hat sich diese brennende Leidenschaft entwickelt? MATTHIAS POLIG: Klettern hat mich von Anfang an gefesselt, denn man steht nur im Wettkampf mit sich 54 | viae 2016

Südtirol ist als Wiege des Alpinismus bekannt für seine guten Felsen. Lässt das Eisacktal die Herzen von Klette­ rern höher schlagen? Auf alle Fälle! Am Fuße des Peitlerkofels im Plosegebiet gibt es einen tollen Klettergarten, der leichte, aber auch richtig schwere Routen zu bieten hat. Im Villnösser Tal unterhalb des Schotterfeldes der Furchetta-Nordwand der Geislergruppe liegt der Klettergarten „Zanser Alm“ mit rund 50 Routen, und auch in Franzensfeste kann man klettern. Der

älteste Klettergarten im Eisacktal befindet sich südlich von Brixen in der Mahr, und erst vor kurzem ist in Spiluck in Schalders bei Vahrn ein neues Kletter- und Bouldergebiet entstanden. Im gesamten Eisacktal gibt es sehr viele interessante Klettergärten mit einer großen Tradition – und eingebettet in einer wundervollen Landschaft! Deshalb ist die Kletterszene hier auch so groß. Bei Regenwetter oder im Herbst und Winter trifft man sich in Brixen in der Kletterhalle „Vertikale“, um ein paar Seillängen zu klettern. Worin unterscheidet sich das Klettern in der Halle vom Klettern am Fels? Beim Klettern am Fels muss man sich neben den Anforderungen, die die Route an einen stellt, auch


AKTIV

Climber Patxi Usobiaga am Würzjoch, am Fuße des Peitlerkofels, Route Sultans of Surg (8a)

KLETTERN IM EISACKTAL Franzensfeste nördlich von Brixen: Rund 15 Minuten Gehzeit zum Klettergarten „Hohe ­Festung“ mit 30 Routen, Schwierigkeit von 3 bis 6c Spiluck in Schalders bei Vahrn: Klettergarten „Waldkofel“ mit atemberaubender Aussicht auf die Dolomiten, Schwierigkeit der 15 Routen von 6a+ bis 7c; Bouldern auf etwa 70 Routen Mahr südlich von Brixen: Ältester Klettergarten im ­Eisacktal mit 50 Routen, Schwierigkeit von 4 bis 8b Würzjoch im Plosegebiet: Klettern am Fuß des Peitlerkofels auf 39 Routen, Schwierigkeit von 3 bis 8b

Gedanken zu Wetter, Temperatur, möglichen Gefahren wie Steinschlag oder das jeweilige Gelände an sich machen. In der Kletterhalle ist das Gesamterlebnis stark auf den sportlichen Aspekt reduziert. Was geht Ihnen beim Klettern durch den Kopf? Nichts! Ich kann in der Wand total abschalten. Ich denke weder an die Arbeit noch an sonst was, sondern nur an die Bewegung und an den nächsten Zug. Ich bin einfach im Flow und vergesse alles andere, was um mich herum geschieht. Beim Klettern legt man sein Leben in die Hände des Kletterpartners, der mit dem Sichern betraut ist. Was ist das für ein Gefühl?

Um am Limit klettern zu können, spielt Vertrauen eine sehr große Rolle. Sollte man stürzen, muss der Partner schließlich den Sturz abfangen. Du denkst beim Sichern oder Klettern aber nicht ständig darüber nach, weil es einfach eine normale Situation ist. Ist Klettern gefährlich? Wenn man die Grundregeln befolgt, ist es nicht gefährlich. Aber konzentriert und aufmerksam muss man schon sein. Man darf sich auch nicht überschätzen. In der Natur kommen noch andere Gefahrenquellen mit ins Spiel, die nur schwer einzuschätzen sind, wie zum Beispiel Steinschlag oder plötzliche Wetterumschwünge. Die Natur kann man eben nicht als Gefahren­quelle ausschalten.

Zanser Alm im Villnösser Tal: Klettergarten am Fuße der Furchetta-Nordwand der Geislergruppe (UNESCO Welt­erbe) mit 52 Routen, Schwierigkeit von 3 bis 8a Reifenstein südwestlich von Sterzing: Idealer Klettergarten für Anfänger mit 8 Routen, Schwierigkeit von 3 bis 5c Sprechenstein südöstlich von Sterzing: 25 Kletter­ routen führen empor bis knapp unter die Burg Sprechenstein, Schwierigkeit von 5a bis 8a+ Kluener Kofl südöstlich von Sterzing: 9 Routen für Kletternovizen, Schwierigkeit von 5b bis 6b Flading im Ratschingstal: Sonniger Klettergarten mit 25 relativ kurzen Routen im hintersten Ratschingstal, Schwierigkeit 4 bis 7a+ Kletterhalle Vertikale: Insgesamt 2.000 m2 Kletterflä­ che, davon 400 m2 zum Bouldern; 195 Kletterrouten in den ­Schwierigkeitsgraden 3a bis 8b+ und rund 162 Boulder Öffnungszeiten: Mo-Fr 12-22.30 Uhr, Sa 10-22.30 Uhr, Sonn- und Feiertage 10-20.30 Uhr www.vertikale.it Informationen zum Klettern: www.eisacktal.com / Klettergärten viae 2016 | 55


Text: Willy Vontavon Fotos: Alex Filz

Der Griablsteig auf der Lüsner Alm Die Lüsner Alm ist ein Geheimtipp der besonderen Art. Heute wandern wir vom Herolerhof über den Griablsteig zur Kreuzwiesenalm nach Flitt.

GEFÜHRTE WANDERUNGEN IN LÜSEN In Lüsen werden täglich geführte Wanderungen angeboten: » Dienstags: Kräuterwanderung über die Lüsner Alm » Mittwochs (Juli und August): Kulturwanderung durch Lüsen Dorf und das Kaserbachtal » Donnerstags: Auf den Spuren des Bauerndoktors Ragginer » Donnerstags: Höfewanderung zum Löchlerhof » Donnerstags: Zirmkieferwanderung am Talschluss » Donnerstags (Juli und August): Kinderkletterkurse ab 7 Jahre » Freitags (Mai bis Oktober): Wald, Getreide und Ziegen Anmeldungen beim Tourismusverein Lüsen, Tel. +39 0472 413750 – www.luesen.com 56 | viae 2016

Unser Wandertag auf der Lüsner Alm beginnt ... in Brixen! Von hier aus startet um 9.18 Uhr am Busbahnhof der Bus Nr. 325, der bereits 25 Minuten später in Lüsen Dorf ankommt. Ein schneller Macchiato geht sich aus, aber dann müssen wir rasch in den Bus 326 umsteigen, der uns über eine Bergstraße zum knapp 700 Meter höher gelegenen Herolerhof bringt. Jetzt sind wir bereits auf 1.650 Meter Meereshöhe, und beim Aussteigen aus dem Bus eröffnet sich uns ein Panorama, das uns neugierig macht: Unter uns liegt, eingebettet in einem homogenen Talkessel, das Dorf Lüsen mit seiner prägnanten Kirche und dem fast angrenzenden Naturbadeteich, auf allen Seiten umgeben von bewaldeten Bergen. Unser Ziel ist die Kreuzwiesenalm, wo wir zu Mittag essen wollen. Im Grunde haben wir mit Hilfe der Öffis fast die Höhe der Alm erreicht – uns fehlen nur noch etwa 400

Höhenmeter, die sich auf die noch zu bewältigenden etwa sechs Kilometer in einem sanften Auf und Ab gleichmäßig aufteilen. Vom Herolerhof starten wir durch Fichtenwälder in Richtung Tulper Gampis und Starkenfeld. Jetzt im Frühling werden die Gampiswiesen von den rosaroten Blüten des Schlangen-Knöterichs geprägt. Einige hundert Meter nach einer Aussichtsplattform, deren Liege mit herrlichem Panoramablick über Gargitt und dem Halbrund der Lüsner Alm bis zum 2.875 Meter hohen Peitlerkofel uns eigentlich bereits zur ersten Rast einladen würde, verlassen wir den klassischen Lüsner-Alm-Weg und biegen rechts ab in den Griablsteig – dort, wo sich links vom Weg das GraMoos auszubreiten beginnt, ein unter Landschaftsschutz stehendes eingezäuntes Moorgebiet, das nicht betreten werden darf und ein natürliches Wasserrückhaltebecken für Lüsen bildet.


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Griablsteig

GRIABLSTEIG Tourenlänge: 6,5 km Höhenleistung Aufstieg: 410 m Gehzeit: ca. 2 Stunden

Außergewöhnliche Vegetation Der recht unbekannte Griablsteig ist durch sein Spiel zwischen Licht und Wald und durch seine Vegetation ein außergewöhnlicher Geheimtipp: Bis auf eine kurze steile Stelle, die uns dann doch einige Minuten lang ein paar Schnaufer kostet, schmiegt er sich dem Waldrand entlang sanft ins Gelände. Direkt an den zu querenden Bachläufen findet sich die Brunnenkresse, in den Wiesen der Meisterwurz und der Echte Wundklee, den die Senner früher als natürliches Mittel zur Wundheilung genommen haben – für Mensch und Tier. Die Leute am Berg sind nach wie vor davon überzeugt, dass diese Mittel besser und nachhaltiger wirken als die

Chemie aus der Apotheke. Zu Recht, wahrscheinlich. Von der Plasell-Alm kommen wir zum Glibiser Plun und von hier aus durch einen Zirbelkieferwald zur Kreuzwiesenalm. Weniger als zwei Stunden sind wir nun unterwegs, aber irgendwie freuen sich unsere Beine nun doch auf den Übergang in sitzende Körperstellung. Die Kreuzwiesenalm hat eine lange Tradition: Sie wurde 1933 erbaut und war lange Zeit als einzige bewirtschaftete Almhütte der immerhin mehr als 20 Kilometer langen Lüsner Alm ein beliebter Treffpunkt der Lüsner, Rodenecker und Gadertaler. Die Alm wird von der Familie Hinteregger geführt; Wirtssohn Hannes zeigt uns vor dem Mittagessen seine große Leidenschaft: eine Almkäserei, in der

unter anderem „Graukas“, „Ziggokas“ und „Lissna Almkas“ hergestellt wird – die Milch kommt von den 17 Kühen, die hier gemeinsam mit Familie Hinteregger ihre Sommerfrische verbringen dürfen.

Hauseigener Käse Von der Qualität der hauseigenen Käsesorten lassen wir uns auf der Wiesenterrasse der Kreuzwiesenalm gern überzeugen: Wir bestellen eine Käseplatte mit Salat und lassen uns, auch wenn es in dieser Kombination nicht auf der Karte steht, zwei Knödel dazugeben. Mit Blick auf den Peitlerkofel und auf die Aferer Geisler, die am Horizont einen felsigen Kontrast zum davor liegenden bewaldeten Maurerberg und zur Plosegruppe bilden, genießen wir den Augenblick.

Jetzt geht’s bergab! Wir wandern nun in Richtung Flitt, wo uns der Bus erwartet, der uns wieder nach Lüsen und Brixen bringen wird. Von der Kreuzwiesenalm geht es über den Schmalzhaussteig durch einen Zirbenwald in Richtung Schwaigerboden. Von hier aus überblicken wir die Gesamtheit unserer heutigen „Leistung“: In der Ferne sehen wir den Herolerhof, von dem wir zu Fuß gestartet waren, und den Griablsteig. Der Abstieg bis Flitt geht zügig; hier erwartet uns um 15.40 Uhr der Bus, der uns in nur zehn Minuten nach Lüsen Dorf zurückbringen wird. Eine Abkühlung im Lüsner Naturbadeteich, den wir vorhin von oben betrachtet haben, wäre jetzt noch die Krönung. Warum eigentlich nicht? Der letzte Bus nach Brixen startet erst um 18.20 Uhr ...

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Text: Willy Vontavon Foto: Thomas Grüner

Auf der Suche nach Woodys Eulen Auf dem Erlebnis-Berg Plose bei Brixen haben sich acht Eulen versteckt. Forschertrupps sind im ­Auftrag von Woody bereits unterwegs – mit gutem Schuhwerk und einem Rucksack, der alles ­beinhaltet, was ein Forscher eben so braucht. Der Auftrag ist, nein, kein Problem für uns, eher eine ... Herausforderung! Acht Eulen haben sich auf dem Wanderweg „Woody Walk“ auf der Plose versteckt, und Woody, das sympathische Wappentier der Plose, will von uns, dass wir eine Eule nach der anderen aufspüren. An der Bergstation der Umlaufbahn hat Woody uns dazu einen Forscherrucksack überreicht, von dem er behauptet, dass er alles beinhaltet, was ein Forscher in der Natur eben braucht, um überlebenswichtige Fragen zu beantworten. Zum Beispiel ein Messband, mit dem wir ... ermessen können, wie viele Zentimeter Umfang der dickste Baum auf der Plose hat. Oder eine Becherlupe, mit der wir Insekten einfangen und danach ... ja, unter die Lupe nehmen können. Und ein Fernglas, mit dem wir ... in die Ferne schweifen können, auch wenn das Gute hier auf der Plose so nah ist. Das hilft uns aber irgendwie gar nicht, denn noch haben wir keine Ahnung, wie wir auf die Spur der acht Eulen kommen sollen. Erschwerend kommt dazu, dass Eulen ja eigentlich nachtaktiv sind, und jetzt herrscht strahlender Sonnenschein hier auf der Plose. Da! Ein Eulenruf! Oder war es nur irgendwo jemand, der uns von unserer wichtigen Aufgabe ablenken will und die Hände so zusammengelegt hat, dass beim Reinpusten ein Eulenruf herauskommt? „Ich hab’s“, ruft mein Forscherfreund, „46°41‘03.2“N 11°43‘17.4“E – stell dir vor, jemand hat mir die Koordinaten in die Tasche gesteckt, ohne dass ich es bemerkt hätte!“ Die Koordinaten! Und eine Karte ist auch noch dabei!! Mit Hilfe von Papis Smartphone oder einem GPS Gerät, das im Infoshop an der Bergstation zum Verleih bereit steht, ist es jetzt ein Kinderspiel, die acht Eulen zu finden. Lass uns aufbrechen – mir nach! Ich weiß jetzt, wo die erste Eule sich versteckt hat. 58 | viae 2016

EIN RUCKSACK FÜR KLEINE FORSCHER Die Plose, der 2.500 Meter hohe Hausberg von Brixen, hat sich in den letzten Jahren immer mehr zum gern erlebten Wanderpa­ radies entwickelt: Bequem erreichbar über die Umlaufbahn St. Andrä-Kreuztal, präsentiert sich der Berg mit unzähligen Attrak­ tionen, die vor allem von Familien „erwandert“ werden. An der Bergstation gibt es für junge Forscher für 27,50 Euro einen eige­ nen Forscherrucksack (50 Euro für zwei Rucksäcke) mit nützlichen Utensilien, die eine Wanderung über den zwei Kilometer langen „Woody Walk“ zum spannenden Erlebnis werden lassen. Ins Tal geht es dann über eine neun Kilometer lange Talstrecke mit den dreirädrigen Mountaincarts. www.plose.org Die Umlaufbahn St. Andrä-Plose ist für den Sommerbetrieb vom 26.05. bis zum 16.10.2016 geöffnet (9 bis 12 und 13 bis 18 Uhr, Samstag und Sonntag durchgehend von 9 bis 18 Uhr). Gäste von Brixen und seinen Feriendörfern, die in einem BrixenCard-Partner­ betrieb nächtigen, erhalten die BrixenCard, mit der die Plose-Bahn täglich einmal (Berg- und Talfahrt) kostenfrei benutzt werden kann. Die BrixenCard gilt u.a. auch für alle öffentlichen Verkehrsmittel des Südtiroler Verkehrsverbundes und für über 86 Südtiroler Museen sowie – außer an Sonn- und Feiertagen – für Südtirols größtes Spaßbad Acquarena im Zentrum von Brixen und für das gesamte Kulturprogramm des Tourismusvereins Brixen mit Führun­ gen und geführten Wanderungen. www.brixencard.org


AKTIV Text: Willy Vontavon Fotos: Oskar Zingerle, Alex Filz

„Sich an den Berg herantasten“ Reinhold Messner wohnt heute im Vinschgau, aber seine Heimat ist das Villnösstal. Auf Gschnagenhardt, einer Almlandschaft im hintersten Villnöss direkt unter den Villnösser Geislern, besitzt er immer noch eine kleine Almhütte. Der bekannteste Bergsteiger der Welt erklärt, warum die Villnösser Geisler die schönsten Felsen des UNESCO Welterbes Dolomiten sind – und wie man sich an sie herantasten sollte: langsam, Schritt für Schritt.

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Reinhold Messner

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VIAE: Herr Messner, Sie bezeich­ nen die Villnösser Geisler als Ihre „Heimatberge“. REINHOLD MESSNER: Das ist so. Jeder Alpinist hat eine Wurzel, irgendwo kommt er her. Die Kletterer unserer Generation kommen ja nicht aus der Kletterhalle, wie es heute oft ist, sondern aus einem Felsgebiet, das real existiert. Auf Geisler, Peitler und Puez habe ich als Kind das Klettern tastend erlernt. Mit fünf Jahren bin ich gemeinsam mit meinen Eltern auf den Sass Rigais gestiegen; dort, wo sich heute der ausgebaute Klettergarten Zanser Alm befindet, haben wir die Grundbegriffe des Kletterns spielend erlernt. Eigentlich hebt mich das heute von anderen Alpinisten ab: In den Villnösser Bergen habe ich den Instinkt gelernt, der mir schon

viele Male das Leben gerettet hat. Dieser Instinkt ist in meiner Kindheit langsam gewachsen – in diesem brüchigen Fels, der zu Vorsicht mahnt und in dem ich als Halbwüchsiger viele neue Routen entdeckt habe. Sie sind in St. Peter Villnöss aufge­ wachsen und haben den Sommer meist auf Gschnagenhardt verbracht. Welche Beziehung haben Sie heute zu dieser Alm? Nun, Gschnagenhardt ist immer noch sehr schön, auch wenn es dort inzwischen etwas belebter ist als früher: Zu unserer Zeit kamen im Monat vielleicht zwei oder drei Leute auf die Alm. Die Villnösser verwalten den hinteren Teil des Tales sehr gut: Es gibt Almhütten mit jeweils unterschiedlichen Cha-

rakteren und unverwechselbarer Gastronomie, zudem großartige Wandermöglichkeiten. Ich würde mir etwas mehr Hotelbetten im Tal wünschen; Villnöss würde dies vertragen und hätte dadurch etwas mehr Wertschöpfung. Sie gelten als bekanntester Berg­ steiger der Welt. Welche Tipps wür­ den Sie einem Gast geben, der Lust verspürt, die Berge zu entdecken? Er sollte die Dolomiten langsam verinnerlichen. Dann sollte er „Maß nehmen“: Das Villnösser Tal ist ja ein Wanderparadies. Am Sonnenhang kann man von Bauernhof zu Bauernhof wandern, danach geht es auf die Alm. Der Wanderer merkt dann Schritt für Schritt, wie sein Körper


reagiert, zum Beispiel in Form eines Muskelkaters. Er sollte langsam in die Berge „hineinriechen“; nachdem er einige Urlaube hier verbracht hat, ist er vielleicht auch mal in der Lage, einen Sass Rigais zu besteigen, eine Furchetta oder die Große Fermeda der Geislergruppe. Auf jeden Fall sollte er eine möglichst langsame Entwicklung zulassen und spüren lernen, wo seine Grenzen sind. Sie haben immer dafür geworben, dass die Leute am Berg vorsichtig sein sollen ... Wir alle wollen ja nicht unser Leben riskieren. Wenn jemand zu viel riskiert, hat er normalerweise keine Ahnung davon, was er eigentlich tut. Nur wenn ich mich ganz langsam an den Berg herantaste, zunächst als Wanderer auf dem einfachen Bergsteig, lerne ich Schritt für Schritt, mit diesem semi-wilden Habitat zurechtzukommen. Früher haben die Leute dies als Kinder gelernt, weil sie in den Tälern aufgewachsen sind – Fremde kamen ja noch keine. Als Kinder wurden sie in diese Welt Schritt für Schritt hineingeführt – von den Wiesen in die Wälder, immer höher auf die Almen, bis zum Fuß der Berge. Weiter sind sie in der Regel vernünftigerweise nicht gegangen, und weiter muss man auch nicht unbedingt gehen, wenn man hier eine Grenze spürt. Im Grunde sind Sie ja ein Parado­ xon: Sie warnen vor den Gefahren und waren gleichzeitig ein ziemlich extremer Grenzgänger. Ja, aber ich hatte auch große Erfahrung, das darf man in diesem Zusammenhang nicht vergessen. Ich

habe 3.500 Klettertouren gemacht und mehr als 100 Expeditionen. Auch ich habe als Bub in vielen kleinen Schritten gelernt, und mit 25 Jahren habe ich dann eben etwas größere Schritte gewagt. Deshalb warne ich immer wieder vor Siebenmeilenschritten am Berg.

Oder die Geisler samt Johanneskapel­ le, besser bekannt als Ranui-Kirche. Oh ja! Das Motiv mit St. Magdalena und dem Bauernhof, der Kirche, meinem ehemaligen Haus und dem Pfarrmessner-Haus ist ebenso einmalig. Dieses Bild geht seit Jahren um die Welt.

Auf Gschnagenhardt fasziniert mich immer die Kombination an Farben: Im Sommer das satte Grün der Wiesen, im Winter das unendliche Weiß des Schnees, und als Konstante die grau­ en Berge und der tiefblaue Himmel. Sie haben recht, Gschnagenhardt ist in der Tat etwas ganz Besonderes, weil von dieser Position aus die Villnösser Geisler harmonisch ausschauen; von Glatsch sind sie ja etwas „gedreht“. Außerdem befindet sich zwischen Gschnagenhardt und den Geislern eine „Delle“, ein kleines Tal. Damit schaue ich ganz anders auf die Berge als wenn die Alm als Wiese ansteigend bis zum Fuß der Berge ginge – dieses kleine Tal ist für die Faszination der Alm extrem wichtig. Ein drittes Element ist das Licht: Grad im Herbst, wenn die Farben am stärksten sind, habe ich hier ein Abendlicht, das jeden Maler oder auch jeden Fotografen geradezu herausfordert, diese Faszination festzuhalten. Es gibt kaum eine schönere Dolomitengruppe als Gschagenhardt mit den Geislern, auch nicht die Drei Zinnen, die viel düsterer sind. Die Zinnen sind vielleicht berühmter, aber die Villnösser Geisler sind schöner. Wenn Sie in Japan oder Amerika einen Kalender mit den Dolomiten finden, dann sind dort meist die Villnösser Geisler abgebildet.

Mit Verlaub: Das alles klingt wie eine Liebeserklärung an ihre alte Heimat. Ja, ich bin auch immer gern in Villnöss gewesen. Als einziger von neun Geschwistern bin ich bis zum 40. Lebensjahr dort geblieben. Wenn ich seinerzeit einen Bauernhof bekommen hätte, würde ich vielleicht auch heute noch im Villnösstal wohnen. Damals hat es aber keinen gegeben, und das ist auch nicht schlimm. Auf Gschnagenhardt habe ich heute noch eine kleine Hütte, eine alte schöne Hütte aus Holz. Ich habe derzeit auch ein größeres Spielfilmprojekt, das zu 70 Prozent in Villnöss angesiedelt ist – eine Familiensaga vom 19. Jahrhundert bis heute. Aber ... das ist noch nicht spruchreif.

VILLNÖSSER ALM Die Almlandschaft Gschnagen­ hardt im hintersten Villnösstal am Fuße der Villnösser Geisler ist nur zu Fuß erreichbar. Die Wanderung dauert etwa eineinhalb Stunden. Ausgangspunkt ist entweder St. Johann, wo das Ranui-Kirchlein steht, oder der Parkplatz Zans im Villnösser Talschluss. www.villnoess.com viae 2016 | 61


Text: Doris Brunner Foto: Gustavo Alabiso

Ritterliche Eisacktaler Hätten Sie gedacht, dass das Eisacktal ­ eine Wiege des Minnesangs ist? Zwei der ­bekanntesten Poeten und ­Minnesänger aus dem Mittelalter – nämlich Walther von der Vogelweide und Oswald von Wolkenstein – sind eng mit dem Tal der Wege verbunden. Ein Kurzporträt der beiden ­Weltenbummler und ihre Spuren im Lande.

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KULTUR

Walther von der Vogelweide – der erste Liedermacher (ca. 1170-1230) Er gilt als der bedeutendste deutschsprachige Poet und Minnesänger des Mittelalters. Im 19. Jahrhundert vermutete man den Vogelweiderhof in Lajen als seinen Geburtsort; viele Gelehrte, Schriftsteller und später Künstler kamen daraufhin nach Klausen, es entwickelte sich die „Klausner Künstlerkolonie“. Als fahrender Sänger zog er von Fürstenhof zu Fürstenhof, wo er seine Kunst zum Besten gab. Er hinterließ über 100 Sangsprüche, 70 Minnelieder und politische Lieder, in denen er sich kein Blatt vor den Mund nahm. Das Dorf Lajen trägt einen Singvogel im Käfig als Verweis auf seinen angeblichen Bürger im Gemeindewappen. Auf den Spuren von Walter von der Vogelweide im ­Eisacktal: » Rundweg „Walther von der Vogelweide“ in Lajen Von Lajen aus führt der 7,4 Kilometer lange Rundweg bis zum Vogelweider Hof und über die Törggelehöfe zurück nach Lajen. In Planung sind Stationen entlang des Weges mit allerlei Wissenswertem über das Leben und Werk des berühmten Dichters.

» Vogelweiderhof in Ried/Lajen Das traditionelle Bauernhaus gilt als einer der möglichen Geburtsorte des bekannten Minnesängers. Besichtigung nach Voranmeldung. » 6. Walther-von-der-Vogelweide-Wandertag am 17. Juli 2016, Lajen, Start von 8 bis 11 Uhr Gemeinschaftlicher Wandertag auf den Spuren des Minnesängers über zwei „Wanderwege des Internationalen Volksportverbands IVV“: - Rundwanderweg „Walter von der Vogelweide“ (7,2 km) mit 2 Kontrollpunkten, u. a. am Geburtshaus des Minnesängers, das zur Besichtigung offen steht. - Rundweg „Raschötz“ (23,5 km, über den Poststeig oder Troi Pajan zum Gipfelkreuz und der Hl.-Kreuz-Kapelle auf der Raschötz nach Lajen; Einkehrmöglichkeiten am Weg) mit 3 Kontrollpunkten. Ein Dorffest in Lajen lädt abschließend zur Stärkung mit kulinarischen Köstlichkeiten und musikalischer Unterhaltung ein. www.lajen.info

Oswald von Wolkenstein – der erste Europäer (um 1377-1445) Sänger, Dichter, Komponist, Minnesänger sowie Politiker von überregionaler Bedeutung. Er wuchs auf der Trostburg bei Waidbruck auf, von wo er in die Welt zog. Sein Werk umfasst über 100 Lieder. Besonders bekannt sind seine autobiografischen Lieder, in denen er seine Abenteuer wirkungsvoll darzustellen wusste. Als Berater und Begleiter von herrschenden Adeligen bereiste er Europa, Afrika sowie Asien und sprach mehrere Sprachen – weshalb er auch als „erster Europäer“ bezeichnet wird. Oswald von Wolkenstein war hochgebildet – und streitlustig. Seine Grabstätte wurde 1973 im Kloster Neustift entdeckt. Seine Nachfahren bilden die Familie Wolkenstein-Rodenegg, die das Schloss Rodenegg bei Rodeneck besitzt. Auf den Spuren von Oswald von Wolkenstein im Eisacktal: » Trostburg in Waidbruck: Eine der beeindruckendsten Schlossanlagen Südtirols und Sitz der Herren von Wolkenstein. Hier hat Oswald von Wolkenstein bis zu einem Alter von 10 Jahren gelebt. Geöffnet von Ostern bis Ende Oktober, Führungen: www.burgeninstitut.com » Gedenkstein im Alten Friedhof in Brixen Bevor Oswald von Wolkenstein im Jahre 1408 zur Pilgerfahrt nach Jerusalem aufbrach, gab er einen Gedenkstein in Auftrag – für den Fall, dass er nicht mehr nach Hause zurückkehren sollte. Der Gedenkstein ist an der Westfassade des Alten Friedhofes in Brixen, zwischen Pfarrkirche und Dom gelegen, zu finden. viae 2016 | 63


Text: Willy Vontavon Fotos: Oskar Zingerle, Martin Sagmeister

Renaissance der Künstlerstadt In den letzten vier Jahrzehnten vor dem Ersten Weltkrieg war Klausen das Mekka vieler Künstler, die hier Freiluftateliers betrieben. Klausen will nun mit spannenden Kunstaktionen an diese glanzvolle Zeit anknüpfen. Einer Renaissance der Künstlerkolonie stünde nichts im Wege. 64 | viae 2016


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KULTUR

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Es war in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, als die vermeintliche Entdeckung der Geburtsstätte des Minnesängers Walther von der Vogelweide im fünf Kilometer von Klausen entfernten Lajener Ried dazu führte, dass Klausen zur Stadt der Künstler wurde: Für Kunstschaffende aus ganz Europa und sogar aus Übersee war Klausen fast über Nacht zum begehrten Urlaubs- und Wohnort geworden. Künstler trafen in den heimeligen Gassen auf Gleichgesinnte aus aller Welt, die sich gegenseitig kreativ befruchteten; die Stadt und ihre wunderbaren versteckten Winkel wurden zu einzigartigen Freilichtateliers mit internationalem Flair, in denen im Laufe der Jahrzehnte von rund 300 Malern und Zeichnern unzählige Kunstwerke geschaffen wurden. Der deutsche Maler Alexander Koester (1864-1932) zog beispielsweise im Jahr 1896 mit seiner Familie nach Klausen. Koester kannte Klausen seit 1891, als er bei einem Studienaufenthalt die Tochter des damaligen Lammwirtes Georg Kantioler kennen und lieben gelernt hatte. In Klausen errichtete er eine Villa mit Atelier, in der eine Vielzahl an Landschaftsbildern entstanden. Die Villa im Jugendstil wird heute privat genutzt. An Koester und seine „Entenbilder“ erinnert ein Denkmal im Park an der Bahnhofstraße, das vom Südtiroler Künstler Martin Rainer geschaffen wurde. Der Erste Weltkrieg bildete eine Zäsur in der Entwicklung der Künstlerstadt, und wieder lässt sich am Beispiel Koester das Schicksal

der Stadt am besten beschreiben: Nachdem Klausen 1915 zu Kriegsgebiet erklärt wurde, zog er nach Dießen am Ammersee. Die Künstler verließen in großer Zahl ihren Lieblingsplatz und zogen weg. Nun will Klausen an die glanzvollen Jahrzehnte anknüpfen – und hat dafür die besten Voraussetzungen, denn an der Schönheit und Ursprünglichkeit der mittelalterlichen Gassen und Häuser mit ihren zinnengekrönten Fassaden hat sich nicht sehr viel geändert: Betritt man das eine oder andere Wirtshaus in Klausen, zum Beispiel den Gasthof zur Vogelweide, so spürt man förmlich, wie sich hier vor 150 Jahren unter den Künstlern angeregte Diskussionen gebildet haben.

Moderne Kunst im mittel­alterlichen Klausen Moderne Kunstaktionen beleben inzwischen die Gassen – und irritieren hin und wieder Einheimische und Gäste. Im vergangenen Jahr durchzogen plötzlich bunte Farbspuren die Wege: Die Innsbrucker Künstlerin Ursula Schachenhofer hat im Sommer mit einer lecken Farbflasche dokumentiert, welche Wege sie durch Klausen genommen hat. Nach einigen Tagen waren die Gassen voller bunter Flecken. Die wasserlösliche Kunst Schachenhofers war vergänglich, aber im Bewusstsein der Bevölkerung bleibt die Aktion erhalten. „Kunst darf polarisieren und provozieren“, erklärt Andy von Lutz, einer der Initiatoren der Gruppe „Kunst Bodennah“,

1 Bereits seit der Mitte des 19. Jahrhunderts ist Klausen beliebte Schaffensstätte von Künstler aus der ganzen Welt 2 Heute will die Kunststadt Klausen an die glanzvollen Jahrzehnte anknüpfen – und hat dafür die besten Voraussetzungen 3 Kunstbodennah.it Karin Pertoll – Die Welt war gelb und rot und blau… – 2014

die mit „Klausen Vollpension“ die wohl spannendste Aktion erfand: Zeitgleich werden drei Künstler in wechselnden leerstehenden privaten oder öffentlichen Räumlichkeiten untergebracht, erhalten das Atelier, Kost und Logis kostenfrei. Im Gegenzug dazu wird vor Ort ein bleibendes Werk geschaffen, das die Stadt Klausen behalten darf. Die bisher eingeladenen Künstler entsprechen dem Ziel einer Renaissance der Künstlerkolonie: Sie stammten unter anderem aus Georgien, Österreich, Italien und Litauen. Über die aktuellen Initiativen kann man sich im Internet informieren: www.kunstbodennah. it. „Wir sind bestrebt, Besucher zu überraschen, sie zu provozieren und zum Denken anzuregen“, sagt Andy von Lutz. Besuche in den verschiedenen Ateliers sind nicht nur erlaubt, sondern erwünscht.

Das ist nur der Anfang: Klausen hat ein lebendiges Vereinswesen im Kulturbereich, das den Erlebniswert des Städtchens auch durch viele kleine Veranstaltungen steigert. Auf ausgewählten Kulturgütern kann man über einen QR-Code am Smartphone die wichtigsten Infos zur Geschichte und Architektur des jeweiligen Gebäudes abrufen. Die von Klausen ausgehenden Kurzwanderungen – zum Beispiel zum Kloster Säben, das majestätisch und weitum sichtbar über der Stadt thront – gestalten sich wie eine Reise in die Vergangenheit. Seit kurzem ist Klausen auch Mitglied von Euro-Art, einer Vereinigung der europäischen Künstlerkolonien. Albrecht Dürer hätte seine Freude an dieser Entwicklung: Der deutsche Maler machte 1494 während seiner Italienreise in Klausen Halt und war vom Städtchen so begeistert, dass er es spontan portraitierte. viae 2016 | 65


Text: Doris Brunner Fotos: Oskar Zingerle

Wie der Boden, so der Wein Die mineralischen Weißweine des Eisacktals erhalten jährlich internationale Bestnoten. Welche Rolle das Bodengestein dabei spielt, warum der Charakter des Weins eng mit dem Anbaugebiet zusammenhängt – und warum die Trockenmauern in den Weingärten nicht nur die Landschaft im Eisacktal prägen.

Vom Talboden bis auf 950 Höhenmetern schmiegen sich die Weingärten an die Hänge des Eisacktals von Neustift bei Brixen bis rund um Klausen und prägen das Landschaftsbild seit Jahrhunderten. Während andernorts der Weinbau zurückgeht, blüht er im Eisacktal vermehrt wieder auf: Jedes Jahr werden neue Weingärten angepflanzt; die derzeitige Anbaufläche von 300 Hektar vergrößert sich jährlich 66 | viae 2016

Das Eisacktaler Klima mit seinen heißen Sommertagen und kühlen Nächten macht gemeinsam mit schottrig-steinigen Böden die Besonderheit der hier angebauten Weißweine aus

um zirka sieben bis acht Hektar. „Viele junge Winzer widmen sich mit Begeisterung und Kreativität dem Weinbau und führen die Familientradition weiter – auch weil sich dank der Qualitätsweine die Arbeit der Weinbauern im Eisacktal glücklicherweise finanziell rechnet“, freut sich Thomas Dorfmann, seit 25 Jahren Kellermeister der Eisacktaler Kellerei in Klausen. Über 130 Weinbauern aus Klausen und Umgebung bringen ihre Trauben in die Eisacktaler Kellerei, wo sie zu prämierten Weinen wie den „Eisacktaler Müller Thurgau Aristos“ oder den „Sabiona Sylvaner“ veredelt werden. Die Weißweine aus dem Eisacktal begeistern insbesondere wegen ihrer fruchtigen Note, ihrer Eleganz und Mineralität. Doch warum sind diese Weine so besonders? Und wie beeinflusst das Terroir, also der Standort, den Charakter des Weins? Im Eisacktal bestimmt neben dem Klima, geprägt von heißen Sommertagen und kühlen Nächten, insbesondere die Bodenbeschaffenheit und das Gestein die Persönlichkeit der Weine: „Typisch für das Eisacktal sind flachgründige, gut durchlüftete und schottrig-steinige Böden: Die Reben müssen in diesem kargen Untergrund tiefe Wurzeln schlagen und ziehen sich die jeweiligen Mineralstoffe entsprechend tief aus dem Boden herauf“, erläutert Thomas Dorfmann. Das jeweilige


GENUSS Gestein prägt dabei die Mineralität des Bodens, die sich wiederum im Weinaroma niederschlägt: Rund um Neustift verleiht der Granit dem Wein seine besondere ­Mineralität, und wenige Kilometer weiter gegen Süden ist es der Quarzphyllit, ein leicht verwitterndes Schiefergestein. Rund um Klausen prägt der Diorit, auch Klausenit genannt, den Charakter des Weins, und im unteren Eisacktal trifft man auf vulkanische Porphyr-Formationen. Entsprechend der geologischen und mineralogischen Bodenbeschaffenheit werden auch verschiedene Rebsorten angepflanzt. „So findet man in den Weinbergen des nördlichen Eisacktales vorwiegend Müller Thurgau, Kerner und Riesling, im mittleren Talabschnitt Sylvaner, Ruländer, Gewürztraminer und Veltliner und im südlichen Eisacktal die Sorten Sauvignon, Chardonnay, Weißburgunder, Blauburgunder und Vernatsch“, erläutert Kellermeister Dorfmann.

Wenn man zu später Stunde in einen Weinberg hineingeht, merkt man deutlich den Temperaturunterschied“, schildert Dorfmann. Wandert man aufmerksam auf dem Weinwanderweg Klausen durch die Weingärten des Gebiets, sieht oder hört man noch eine weitere Funktion der Natursteinmauern: Sie sind wichtige Biotope für wärmeliebende Pflanzen und Tiere. Und so sieht man auf den Steinen schon mal eine Smaragdeidechse, die sich sonnt – oder man hört nur noch das Rascheln, wenn sie schnell in den Fugen der Natursteinmauer Zuflucht sucht.

Mauern für guten Wein Unterbrochen sind die Rebenreihen von Natursteinmauern, die wie ein steinernes Band die Weingärten durchziehen, teils schnurgerade, teils sanft geschwungen – ein von Hand geschaffenes Mauerwerk, das zumeist ohne Mörtel oder Beton geschaffen wird, weshalb es bisweilen auch als Trockenmauer bezeichnet wird. Ein traditionelles Kunsthandwerk, das erlernt sein will: Werden die Steine nicht ordnungsgemäß aufeinandergeschichtet, überlebt die Mauer den ersten starken Regen nicht. „Diese Natursteinmauern sind sowohl für das Landschaftsbild als auch für den Weinbau immens wichtig“, erläutert Thomas Dorfmann. In den steilen Hängen des Eisacktals dienen sie zum Aufbau von Terrassen und vergrößern somit die zum Weinanbau nutzbare Fläche – die zudem durch die Steilheit ideal von der Sonne beschienen wird. Weiters vermindern Trockenmauern die Erosion: Der Regen versickert hinter der Mauer langsam im Boden, das Wurzelwerk nimmt das Bodenwasser allmählich auf, und somit wird weniger Erde von der Oberfläche weggeschwemmt. Die Natursteinmauern sind jedoch auch so etwas wie eine Klimaanlage für die Weingärten: Die Steine speichern tagsüber die Sonnenwärme und strahlen diese in der Nacht an die bodennahe Luftschicht ab. „Die nächtliche Auskühlung wird dadurch abgemildert.

WEINKULTUR RUND UM KLAUSEN ERLEBEN Bei einer fachkundigen Führung in der Eisacktaler Kellerei in Klau­ sen lernen Sie die Geheimnisse um Weinbau, Vergärung, Kelte­ rung und Lagerung kennen. Der Ausstellungsparcours präsentiert einen gerafften Überblick über die Entwicklung des Weinbaus im Zeichen von Tradition und Qualität. Auf Anfrage werden Führun­ gen und Weinverkostungen angeboten. www.eisacktalerkellerei.it Bei den Eisacktaler Weißweintagen „Sabiona16“ am 27. und 28. Mai 2016 wird die Verkostung von Eisacktaler Weißweinen in den Gassen von Klausen zum Rundumerlebnis. Infos unter www.klausen.it / Weingenuss & Weinkultur Der Weinwanderweg Klausen gibt anhand von Schautafeln Ein­ blick in die Geschichte des Weinbaus und das besondere Terroir. Vom Schwimmbad Klausen führt der 5,5 km lange Rundweg durch die malerischen Weinberge rund um Klausen. Geführte Wanderun­ gen im Mai und Juni jeweils freitags um 10 Uhr. www.klausen.it viae 2016 | 67


Barbianer Zwetschke Seit dem späten Mittelalter wird die Barbianer Zwetschke, deren Ahnen aus Kleinasien stammen, südlich von Klausen an den Barbianer Hängen kultiviert. Bis ins 20. Jahrhundert hinein war sie ein wichtiges Exportgut des Südlichen Eisacktals. Noch heute wird die vitamin- und mineralstoffreiche Steinfrucht, deren hoher Kaliumgehalt die Nierentätigkeit und den Stoffwechsel anregt, hier auf vielen Bauernhöfen angebaut und weiterverarbeitet. Für das intensive Aroma der Pflaumen sorgen die hohen Temperatur­ unterschiede zwischen Tag und Nacht, die vielen Sonnenstunden machen sie unwiderstehlich süß. Die Barbianer Zwetschke ist aus der regionalen Küche nicht wegzudenken: Sie wird zu Marmelade oder Schnaps verarbeitet und findet Verwendung in Brot, Risotto oder anderen Köstlichkeiten. Besonders beliebt sind die Süßspeisen, allen voran Zwetschkenknödel und Zwetschkenstrudel. Während der Zwetschkensaison dreht sich in Barbian jedes Jahr alles um die lila Frucht, und im September kochen lokale Gastwirte und Bäuerinnen bei den Barbianer Zwetschkenwochen, der Zwetschken-Meile und dem Zwetschkenfest Zwetschkengerichte. In Barbian gibt es sogar einen Zwetschken-Wanderweg. 68 | viae 2016

Kastanie Bis ins 19. Jahrhundert bildeten die Kastanienbäume, die das Landschaftsbild um Klausen und Brixen prägen, als „Brotbaum für Arme“ die Nahrungsgrundlage der Bergbauern für die Wintermonate. Heute werden „Keschtn“ über Feuer gebraten und beim Törggelen, einem uralten Eisacktaler Brauch im Herbst rund um die Verkostung des neuen Weines und traditioneller Kost in alten Bauernstuben, serviert. Die Früchte bilden aber auch die Grundlage für traditionelle Gerichte und raffinierte Kreationen wie Kastanien-Cremesuppe, Kastanien-Ratatouille oder Kastanienbier. Hochleben lassen die Eisacktaler Gastwirte die gesunde, vitaminreiche und kalorienarme Frucht von Mitte Oktober bis Anfang November bei den Eisacktaler Kastanienwochen. In Feldthurns finden zur Törggelezeit außerdem seit 20 Jahren die Keschtniglwochen statt, bei der Spezialitäten von der Kastanie, aus der bäuerlichen Küche und dem Weinkeller geboten werden. Durch die Kastanienhaine im Eisacktal wandern kann man übrigens auf dem 63 Kilometer langen Keschtnweg, der vom Kloster Neusift bei Brixen durch das Mittelgebirge oberhalb von Klausen bis zur Burg Runkelstein bei Bozen führt.


GENUSS

Im Eisacktal lässt man Altbewährtes wieder aufleben und bleibt seinen Traditionen und Wurzeln treu. Aus Überzeugung erfolgen deshalb Anbau und Tierhaltung im Einklang mit der Natur und mit Augenmerk auf die Nachhaltigkeit – ganz nach dem Motto „Qualität statt Masse“.

Villnösser Brillenschaf Das Villnösser Brillenschaf mit seiner typischen Zeichnung um Augen und Ohren ist seit dem 18. Jahrhundert in Südtirol beheimatet. Als Woll- und Fleischlieferant hatte es bis in den 2. Weltkrieg eine große Bedeutung. Seit einigen Jahren erlebt die älteste Schafrasse Südtirols einen Aufschwung: Neu entdeckt wurde nicht nur die Wolle als reines Naturprodukt, sondern auch das im Geschmack milde und feinfaserige Fleisch. Dieses ist auf den Speisekarten renommierter Eisacktaler Restaurants zu finden oder wird zu Salami, Schinken oder Kaminwurzen verarbeitet. Lammfleisch enthält neben hochwertigem Eiweiß, Vitaminen und Mineralstoffen ein ausgewogenes Verhältnis an gesättigten und ungesättigten Fettsäuren. Anerkennung wird dem Villnösser Brillenschaf mit der Auszeichnung „Presidio Slow Food“ gezollt. Im Villnösser Tal finden jedes Jahr im Oktober die Villnösser Lammwochen und so genannte „Lammwanderungen“ statt, bei denen die Teilnehmer Produkte aus der heimischen Landwirtschaft kennenlernen können.

Graues Geisler-Rind Auf den Wiesen der Wörndleloch-Alm auf der Villnösser Alm weidet das Graue Geisler-Rind. Die Idee, diese aussterbende Rinderrasse wiederzubeleben, kam einigen Villnösser Bauern im Frühjahr 2013. Das oberste Ziel, das sich die Viehzüchter seitdem gesteckt haben, ist die Produktion von hochwertigem Fleisch aus der Heimat: Die Landwirtschaft in Villnöss soll dadurch alternativ bleiben, und in den Gastronomiebetrieben des Eisacktals können Gäste und Einheimische hochwertiges und unbelastetes Fleisch genießen. Ganz nebenbei fördern die Landwirte durch die innovative Haltung des Grauen Geisler-Rindes die naturnahe, tiergerechte Viehwirtschaft – und sie erhalten die Bewirtschaftung von kleinstrukturierten Höfen und Almen. viae 2016 | 69


Text: Veronika Kerschbaumer Foto: Oskar Zingerle

Qualität des Augenblicks

SONNENAUFGANGS- WANDERUNG AUF DER VILLANDERER ALM Die Geburt eines Tages erleben kann man bei einer Sonnenauf­ gangswanderung auf der Villanderer Alm mit Monika Engl. Wenn die Sonne ihre ersten wärmenden Strahlen verschenkt, hält die Natur und man selbst einen Moment inne, um den neuen Tag andächtig zu empfangen. Beim anschließenden Kneippen werden neue Lebensgeis­ ter geweckt. Immer dienstags von 29. Mai bis 26. Juni im Rahmen der Veranstal­ tungsreihe Südtirol Balance – Zeit für Deinen Weg im Eisacktal. Infos: www.klausen.it. 70 | viae 2016


Mit geschlossenen Augen der Natur lauschen oder ganz bewusst die Schönheit einer Blume wahrnehmen. Was man dazu braucht? Zeit natürlich – und einen Menschen, der einem erst zeigt, was es alles zu bestaunen gibt. Monika Engl ist so jemand. Die quirlige Frau ist Lebensberaterin, Wanderführerin und Kneipp-Gesundheitstrainerin. Ihre Lebensenergie schöpft sie unter anderem aus Qigong.

„Indem wir die Natur bewusst mit unseren Sinnen wahrnehmen, finden wir zu uns selbst“, erklärt Monika Engl, während sie sich ihrer Schuhe und Socken entledigt. „Erst wenn wir barfuß gehen, nehmen wir etwa den Boden und die Erde richtig wahr“, verrät sie – und geht genüsslich lächelnd über die Wiesen der Villanderer Alm. Das Kitzeln der Grashalme auf den nackten Fußsohlen ist bereits ein kleiner Schritt auf dem Weg zur eigenen Mitte. Auf der Villanderer Alm, von wo aus sich ein grandioser Blick auf die Dolomiten bietet, ist praktischerweise noch ein anderer Mittelpunkt zum Greifen nah – jener von Südtirol. Der geographische Mittelpunkt Südtirols befindet sich bei den Wasserlöchern „Königslacken“ nahe dem Totenkirchlein auf der Villanderer Alm. Die Natur und sich selbst intensiv erleben kann man auch bei einer Sonnenaufgangswanderung. Ein Streifzug durch die Natur im Dunkeln ist ein kleines Abenteuer: Durch die eingeschränkte Sicht wird die Umgebung aus einem ungewohnten Blickwinkel wahrgenommen. Wer seinen inneren Schweinehund überwindet und sich in der Dunkelheit auf den Weg macht, wird reich belohnt: „Die Übergangszeiten von Nacht und Tag in der Natur zu erleben ist etwas ganz Besonderes“, erklärt Engl. In den schwarzen Stunden der Nacht ruhe die Natur, und wenn die Sonne langsam ihre wärmenden Strahlen über die Berggipfel reckt, hauche sie dem neuen Tag Leben ein. „Kurz vor Sonnenaufgang, bevor der neue Tag geboren wird, scheint die Natur noch kurz innezuhalten“, beschreibt Monika Engl die Magie dieses Augenblicks. Reingewaschen wirkt die Luft am Morgen, Geräusche wie das bunte Vogelgezwitscher werden bewusst wahrgenommen, da diese frisch aus der Nacht geschlüpft sind. „Das Besondere an der Natur ist, dass sie nur eine Zeitqualität kennt, und zwar das Jetzt“, verrät Monika Engl, und macht sich für eine Qigong-Übung bereit. Bevor sie mit den fließenden Bewegungen beginnt, fährt sie fort: „Wir kennen drei Zeitqualitäten: die Vergangenheit, die Zukunft und das Jetzt. Der einzelne Augenblick geht meist unter, aber genau auf den kommt es eigentlich an, denn jeder Augenblick ist einzigartig, und jeder hat seine eigene und ganz besondere Qualität.“ Im Sog der Aktivitäten gerät man allzu schnell auf Abwege, man kommt aus dem inneren Gleichgewicht: „Eine kleine Auszeit wirkt dann wie Balsam für unsere Seele.“ Laut Monika Engl reicht oft bewusstes Atmen aus, um kurzfristig zu entspannen. Mit leicht gespreizten Beinen steht sie da, sie breitet ihre Arme aus und atmet tief ein. „Luft ist das wichtigste Element, denn wir brauchen sie zum Leben“, sinniert sie. „Luft füllt jeden Raum aus, aber trotzdem nehmen wir sie kaum wahr.“ Und dann fließen ihre Bewegungen im Rhythmus von Qigong, und es scheint so, als würden sich die Bergspitzen der am Morgen sehr nah scheinenden Villnösser Geisler den fließenden Bewegungen anpassen wollen.

AKTIV

Während die Natur der Zeit die kalte Schulter zeigt, zwängt der Mensch seinen Tag in ein enges Zeitraster, in dem die Uhr den Takt vorgibt. Da tut es gut, einmal Alltag und Hektik hinter sich zu lassen und in der Natur auf die Suche nach seiner eigenen Mitte zu gehen. Die Villanderer Alm oberhalb von Klausen eignet sich dazu besonders gut, denn geographisch bildet sie die Mitte von Südtirol.

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Text + Fotos: Oskar Zingerle

Brauchtum mit Knall­effekt Alexander Delueg aus Villnöss ist einer von 600 Südtiroler „Goaßlschnöllern“. Was es mit dem außergewöhnlichen Brauch auf sich hat, erzählt er uns im Interview.

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TRADITION viae 2016 | 73


Schon öfters schmerzhafte Erfahrungen damit gemacht? Ich könnte mich jedenfalls nicht daran erinnern. Kinder erlernen das Krachen meist problemlos. Anders ist das bei den Erwachsenen – und hat man den „Schmåtz“, ein meist rotes Seidenflorettband am vorderen Ende der Goaßl, einmal um die Ohren bekommen, nimmt man sie nicht so schnell wieder in die Hand. Worin besteht die Kunst beim Goaßlschnölln? Es ist alles eine Frage der Technik, und zwar von der Hüfte aufwärts. Beide Beine stehen stabil am Boden. Der Oberkörper dreht sich bis zum Anschlag in eine Richtung. Im Zurückdrehen bekommt die Goaßl eine Peitschenbewegung. Am vorderen Ende der Goaßl beschleunigt diese Bewegung der „Schmåtz“ auf Überschallgeschwindigkeit, und es entsteht der typische Knall.

Das rhythmische Goaßlschnöllen in Gruppen ist die Königsdisziplin

VIAE: Herr Delueg, welchen Ursprung hat das Goaßlschnölln? ALEXANDER DELUEG: Nun, zunächst hatten die Goaßln (= Peitschen) den praktischen Nutzen, Vieh zu jagen oder zu treiben. Aber irgendwann hat man auch erkannt, dass sich das laute Krachen (= Schnölln) zum Kommunizieren über weitere Entfernungen eignet. Man kann also sagen, es ist eine primitive Form des Telefonierens. Hirten, Senner und Sennerinnen haben sich durch das Knallen der Goaßln verständigt, wenn sie keinen Sichtkontakt hatten. Man hat sich vorher auf eine Art Morsesprache verständigt: Ein Knall bedeutete zum Beispiel „Essen gehen“, zwei Knalle „Es ist etwas passiert“ und so weiter.

Zu welchen Anlässen kann man das Goaßlschnölln erleben? In den Berggemeinden und -dörfern sowie auf den Almen wird bei jedem bodenständigen Fest gekracht, bei Almabtrieben, Almfesten, Umzügen, Hochzeiten oder ähnlichen Anlässen. Am eindrucksvollsten ist es im gebirgigen, felsigen Gelände, wo der Hall lange „kriechen“ kann und die Berghänge das Echo oft erst Sekunden später zurückwerfen. Mit etwas Glück erlebt man das rhythmische Goaßlschnölln in Gruppen, sozusagen die Königsdisziplin. Schnöller, die etwas auf sich halten, haben ihre Goaßl immer im Rucksack, und so kann es passieren, dass es auf der Alm mal spontan von irgendwo her kracht. Hört das ein anderer Schnöller, wird selbstverständlich geantwortet. Die Goaßl wird also doch noch als Kommunikationsmittel verwendet… (schmunzelt) Stimmt, aber mein Smartphone lass’ ich deswegen trotzdem nicht zu Hause.

Heute benutzt man dazu ein Smartphone ... ... sofern man in den Bergen Netzempfang hat. Spaß beiseite: Natürlich hat die Goaßl ihren ursprünglichen Zweck verloren, aber der Brauch ist geblieben und hat in den letzten 15 Jahren eine Renaissance erlebt. Gerade in vielen Berggemeinden wie bei uns im Villnösser Tal hat sich das Goaßlschnölln wieder zu einem Volkssport entwickelt und erfreut sich auch bei Kindern großer Beliebtheit. Wie sind Sie zum Goaßlschnölln gekommen? Als Bub war ich mit meinen Geschwistern im Sommer beim Großvater auf der Alm. Als Hüter-Bub hat man sehr bald Kontakt mit der Goaßl, und der Reiz, dieses Instrument zu beherrschen und weithin hörbaren Lärm von sich geben zu können, ist naturgegeben. 74 | viae 2016

Alexander Delueg

INFO Informationen zu traditionellen Veranstaltungen und Festen im Eisacktal: www.eisacktal.com / Alle Veranstaltungen


Fünfmal mehr ­Abwechslung

AKTIV

Text: Oskar Zingerle, Foto: Thomas Grüner

Egal, ob man sich lieber zwei Bretter oder eines unter die Füße schnallt, ob man ­lieber ­einen flachen oder einem anspruchsvolleren Hang hinabcarven möchte: die fünf ­Skigebiete des Eisacktals bieten viel Abwechslung auf bestens präparierten Pisten. Was für die einzelnen Gebiete spricht, haben fünf Persönlichkeiten für uns auf den Punkt gebracht.

Ladurns-Gossensass www.rosskopf-ladurns.it

Patrick Staudacher, Super-G-Weltmeister aus Ladurns

Weil ich hier zuhause bin, habe ich natürlich eine ganz besondere Verbindung zum Skigebiet Ladurns-Gossensass. Ich habe hier Skifahren gelernt, und der Grundstein für meine spätere Karriere wurde hier gelegt. Heute kann ich vor allem Familien das Skigebiet wärmstens empfehlen. Mit nur zwei Aufstiegsanlagen erreicht man acht Pisten unterschiedlicher Schwierigkeitsgrade. Dadurch ist das Gebiet sehr übersichtlich, und für Familien bedeutet dies beispielsweise, dass man die Kinder nicht bei jeder Abfahrt begleiten muss. Während sich der Nachwuchs auf den Pisten austobt, können die Eltern eine Pause in einer der Skihütten einlegen, sich drinnen aufwärmen oder draußen die Sonne genießen. Bedingt durch seine geographische Lage ist Ladurns sehr schneesicher. Und in Ladurns kann man nicht nur Skifahren: Eine Schlittenfahrt mit gemütlichem Abendessen auf der „Allriss Alm“ macht genauso viel Spaß wie eine Abfahrt auf zwei Brettern! viae 2016 | 75


Plose-Brixen www.plose.org

Philipp Burger, Frontmann der Band Frei.Wild

Phantastisches Panorama, Steilhänge und unendliche Weiten, dazwischen unsere kleine Alm und irgendwo ich, der mit der Plose mehr als nur wunderschönste Kindheitserinnerungen und atemberaubende Sonnenuntergänge verbindet. Für mich ist die Plose nicht nur Hausberg, nicht nur wunderbarstes Skivergnügen, mehr als nur beste Kulinarik. Dieser Berg steht für eine unglaublich tolle Natur. Irgendwo ist sie sogar auch ein Ort der Freundschaft für mich. Die Plose war schon immer, und so bleibt sie auch, mein großer Berg, der über Brixen, nein, über das ganze Eisacktal wacht. Er ist Sport, Musik, er ist Landwirtschaft, er ist Tourismus und Handwerk zugleich. Dieser Berg ist ein Garant für so ziemlich alles, was mein Leben zu genau dem macht, was es ist: Die Plose ist Heimat für mich.

Ratschings-Jaufen www.ratschings-jaufen.it

Als leidenschaftlicher Skifahrer bin ich sehr gerne auf anspruchsvollen Pisten unterwegs, von denen es in Rat­ schings-Jaufen gar einige gibt. Ein ganz persönliches Erlebnis verknüpfe ich mit dem Skigebiet, weil ich hier mein einziges Skirennen gewonnen habe. Ich schätze sehr die ausgezeichneten Verhältnisse, die man hier vorfindet. Als eines der ersten Skigebiete öffnet Ratschings-Jaufen immer seine Pisten, und zwar bei besten Verhältnissen. Es gibt eine Reihe vorzüglicher Skihütten, in die ich immer gerne einkehre. Wie es in Südtirol üblich ist, wird man freundlich und gut bewirtet. Als Familienvater bin ich aber nicht nur ein reiner Genussskifahrer, sondern fahre mit meinem Nachwuchs auch viel auf den leichteren Hängen. So ist das Skigebiet Ratschings-Jaufen mittlerweile zum Lieblingsskigebiet für meine ganze Familie geworden.

Peter Girtler, 2-Sterne-Koch, Gourmetstube Einhorn in Mauls bei Sterzing

Gitschberg-Jochtal www.gitschberg-jochtal.com

Alexander Prosch, von 2010 bis 2014 Trainer der italienischen Riesentorlauf-­HerrenWeltcup-Gruppe

Mit zweieinhalb Jahren brachte mich mein Vater zum ersten mal auf den Gitschberg zum Skifahren, und seitdem hat der Berg mich verzaubert. Auch jetzt noch, obwohl ich berufsbedingt jährlich über 60 verschiedene Winter­ sportgebiete in ganz Europa bereise, lässt mich die Magie Gitschberg-Jochtals nicht los. Der von Früh bis Spät sonnenbestrahlte Gitschberg, die traumhaft präparierten Pisten im Jochtal, die vielen Skihütten, auf denen man vorzüglich bewirtet wird … es gibt unzählige Gründe, warum Gitschberg Jochtal so liebenswert ist. Kinder und Anfänger finden hier ebenso ideale Hänge wie fortgeschrittene Genussskifahrer. Empfehlen kann ich auch die atemberaubende Aussicht: die Drei Zinnen im Osten, der Schlern im Süden und die Sarntaler Alpen im Westen … das ist Skigenuss in Vollendung!

Rosskopf-Sterzing www.rosskopf-ladurns.it

Ich besuche Sterzing und seine Umgebung und das Skigebiet Rosskopf-Sterzing seit über zehn Jahren. Dank der guten Anbindung an die Autobahn ist die Region sehr gut erreichbar. Den Genuss des Skifahrens lernte ich hier kennen, abseits überfüllter Pisten. Durch die modernen Aufstiegsanlagen kann man die Winterbergwelt ohne lange Wartezeiten erleben. Einige meiner Freunde haben sich für das Schlittenfahren begeistert und am Ross­ kopf so manche nächtliche Abfahrt auf den sicheren Rodelbahnen gewagt. Das Skigebiet bietet die Möglichkeit ausgedehnter Schneeschuhwanderungen, und in den zahlreichen Hütten wird man hervorragend bewirtet. In entspannter Atmosphäre genießt man gesunde und traditionelle Südtiroler Gerichte, von denen hier noch viele angeboten werden.

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Pierguido Soprani, ehemaliger Staatsanwalt der Republik Italien


Winter mal anders

AKTIV

Text: Oskar Zingerle Fotos: Alex Filz, Thilo Brunner, thinkstockphoto.com

Im Eisacktal kann man den Winter auch abseits der Skipisten in freier Natur aktiv erleben. Verschiedene Hochalmen wie die Villanderer Alm oder die Rodenecker-Lüsner Alm, idyllische Seitentäler wie das Villnösser Tal, das Ridnaun- oder das Pflerschtal sowie verschneite Bergwelten wie etwa jene der Pfunderer Berge laden ein zum Winterwandern mit oder ohne Schneeschuhen, zum Langlaufen, Schlittenfahren oder zum Skitouren-Gehen. Was den Reiz dieser „alternativen“ Wintersportarten ausmacht, schildern einige Persönlichkeiten aufgrund ihrer eigenen Erfahrungen.

Winterwandern Mein Beruf als Profi-Snowboarder ist unglaublich spannend, mitunter auch anstrengend und stressig. Deshalb genieße ich die Auszeiten bei mir zuhause in Villnöss sehr. Beim Wandern in der freien Natur kann ich sehr gut abschalten. Im Winter bin ich am liebsten auf dem Adolf-Munkel-Weg am Fuße der Villnösser Geisler unterwegs. Hier finde ich Ruhe und kann Kraft tanken für die nächsten Rennen. Herr­ lich frische und saubere Luft, der Schnee knarzt bei jedem Schritt unter den Schuhen ... ein unbeschreiblich schönes Gefühl. Je nach Zeitverfügbarkeit und Ausdauer kann man man kürzere oder längere Strecken des Weges gehen und ist zwischen eineinhalb und drei Stunden unterwegs in herrlicher Naturlandschaft auf der Villnösser Alm. Sehr zu empfehlen ist eine Einkehr in eine der auch im Winter bewirtschafteten Hütten oder Gaststätten. Man wird hier vorzüglich bedient und genießt leckere sowie abwechslungsreiche Gerichte.

Roland Fischnaller, Profi-Snowboarder aus Villnöss

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Skitouren Langlaufen

Raimund Seebacher, Bergfex aus Vintl

Schon vor über 40 Jahren zog es Naturliebhaber im Winter in die Pfunderer Berge, natürlich mit Tourenskiern, denn die Liftanlagen kamen erst später. Auch mich zog es hinauf. Der Panoramablick etwa vom Gipfel des Gitschbergs, der staubende Pulverschnee und die tief verschneiten Wälder weckten bei mir schon in jungen Jahren die Leidenschaft für das Tourengehen. Es ist für mich die schönste Form des Bergsteigens: Körper und Geist werden gefordert. Du erlebst die Natur hautnah und spürst deine eigenen Grenzen. In der Ski- und Almenregion Gitschberg Jochtal gibt es eine große Auswahl an Touren aller Schwierigkeitsgrade. Wer genügend Erfahrung im Tourengehen hat oder sich führen lässt, kann sich an dieses exklu­ sive Schneevergnügen heranwagen und etwa die Plattspitze in Vals (2.669 m) oder den Hochwart (3.068 m) in Pfunders besteigen. Hohen Erlebniswert bietet auch der ausgeschilderte „Skigitschtreck“ auf den Top-Aussichtsberg der Ferienregion. 78 | viae 2016

Karin Oberhofer, Profi-Biathletin aus Ridnaun

Langlaufen ist wohl eine der idealen Sportarten, um die winterliche Natur zu genießen und gleichzeitig seiner Gesundheit Gutes zu tun. Gerade in Ridnaun bietet der weitläufige und sehr sonnige Talschluss, eingebettet zwischen den Berghängen, eine einzigartige Kulisse. Die Langlaufloipe verläuft durch das ganze Tal, und somit kann man die schöne Winterlandschaft in vollen Zügen genießen. Das Gelände ist relativ flach mit einigen Anstiegen, die man aber auch auslassen kann, und somit ist die Loipe sowohl für ambitionierte Sportler wie für gemütliche Genießer geeignet. Für meine sportliche Aktivität liebe ich es, vormittags auf der oberen Loipe zu trainieren und nachmittags auf der Talloipe auszulaufen. Arbeiten könnte kaum schöner sein, denn solche optimalen Bedingungen findet man sonst nirgends. Urlaubsgästen kann ich übrigens eine Teilnahme am Gäste-Biathlon empfehlen, eine besondere Herausforderung mit Spaßfaktor.


Rodeln

Schneeschuhwandern

Hermann Goller, Gastwirt aus St. Andrä

Matthias Hofer, Berg- und Skiführer aus Villanders

Spuren Ihrer Schneeschuhe und Spuren von Eichhörnchen, Gämsen, Hirschen und Rehen, die auf Nahrungssuche sind: Beim Schnee­ schuhwandern erlebt man den Winter von seiner ruhigen Seite. Abseits von Skipisten und Menschenmassen findet man beim Schnee­ schuhwandern auf den Almen Ruhe, unberührte Schneelandschaften und – mit einem Blick zurück – die eigenen Spuren im Schnee. Diese Leidenschaft für die Bewegung in der unberührten Natur habe ich zu meinem Beruf gemacht. Bei den von mir geführten Schnee­ schuhwanderungen auf der Villanderer Alm verlassen wir weitgehend präparierte Wege und erreichen über manch selten begangenen Weg die jeweiligen Ziele. Belohnt werden wir dabei mit einem 360°-Pano­ ramablick im Herzen Südtirols. Die Ziele auf der Villanderer Alm sind das Rittner Horn, der Gasteiger Sattel, Rittner Bildstock, Villanderer Berg, Toten-Kirchl, Guflreiteck oder Jocherer Berg.

Auch wenn ich während der Wintermonate sehr beschäftigt bin, neh­ me ich mir so oft es geht die Zeit, auf der nahegelegenen Rodelpiste „RudiRun“ von der Plose herunter zu rodeln. Das Rodeln ist neben dem Skifahren zu einer beliebten Freizeitbeschäftigung für mich und meine Familie geworden. Wir haben dabei gemeinsam einen Riesenspaß; die unterschiedlichen Fahrkenntnisse spielen kaum eine Rolle. Das Rodeln ist gerade deshalb auch für Familien mit kleinen Kindern ein besonderes Vergnügen. An die 50 Rodelbahnen gibt es mittlerweile im Eisacktal; da ist für jeden das Richtige dabei. Die Rodelbahn „RudiRun“ auf der Plose zählt mit ihren 10,5 Kilometern zu einer der längsten Bahnen Italiens. Gerade diese Länge macht sie auch etwas anspruchsvoll. Dafür ist der Start bequem per Gondel zu erreichen. Das Eisacktal ist also für Rodelfreunde wahrlich ein Paradies.

INFOS www.eisacktal.com/ Aktivitäten / Skifahren & Bewegung im Schnee viae 2016 | 79


Schon erlebt? Gilfenklamm Unaufhaltsam hat sich am Eingang des Ratschingstales der Ratschinger Bach über Jahre seinen Weg durch Marmorgestein gebahnt, bis die Gilfen­ klamm entstanden ist. Über Stege und Hängebrücken zieht sich ein Wanderweg am tosenden Wasser entlang durch die einzige Marmorschlucht Europas. www.ratschings.info

Die Fuggerstadt Sterzing wurde verdient als eine der „Borghi più belli d’Italia“ – eine der schönsten Altstädte Italiens – ausgezeichnet. Durch die Alt- und Neustadt, die vom Zwölferturm als Sterzinger Wahrzeichen getrennt wird, zieht sich eine von prächtigen Bürgerhäusern mit Erkerfassaden und Zinnendächern flankierte Einkaufsstraße. www.sterzing.com

Augustiner Chor­­­herren­stift Neustift

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Die Anfänge des Schlosses Wolfs­ thurn, das in Mareit in Ratschings auf einem Hügel thront, liegen im Dunkeln. Im 18. Jahrhundert wurde die Burg zum einzigen Barockschloss Südtirols umgebaut, und heute befinden sich hinter den 365 Fenstern des Hauses original eingerichtete Prunkräume und das Landesmuseum für Jagd und Fischerei. www.wolfsthurn.it

Burg Rodenegg

Sterzing

Schloss Wolfsthurn

Die 1142 gegründete Klosteranlage mit ihrer spätbarocken Stiftskirche, dem gotischen Kreuzgang, dem Wunderbrunnen, der Bibliothek mit einzigartigen Handschriften und der historischen Pinakothek gilt als größte Klosteranlage Tirols. Bekannt ist das Kloster Neustift auch für seine Weißweine aus der eigenen Stiftskellerei. www.kloster-neustift.it

In Rodeneck steht seit 1140 die stärkste und größte Wehrburg ihrer Zeit im Lande. Mit dem im 13. Jahrhundert gefertigten Freskenzyklus zum Iwein-Epos von Hartmann von Aue wurde hier die wohl älteste profane Wandmalerei im deutschsprachigen Raum entdeckt. Heute noch ist die Burg Roden­egg im Besitz von Nachkommen von Oswald von Wolkenstein. www.gitschberg-jochtal.com

Rodenecker-Lüsner Alm und Peitlerkofel Mit ihren 20 Quadratkilometern ist die Rodenecker-Lüsner Alm die längste Hochalm Südtirols und eines der größten Hochplateaus Europas. Von den Almwiesen, durch die sich unzählige Wanderwege schlängeln, hat man den 2.875 Meter hohen Peitlerkofel – den nordwestlichen Eckpfeiler der Dolomiten – ständig im Blick. www.gitschberg-jochtal.com


Fane Alm Die Fane Alm am Ende des Valler Tals ist ein wahres Kleinod: Auf 1.730 Metern spaziert man durch ein Almdorf mit einer 1898 erbauten Bergkapelle und mehreren bewirtschafteten Hütten in traditioneller Holzbauweise mit Schindeldächern. In der Almkäserei der Fane Alm wird frisch gemolkene Milch verarbeitet. www.gitschberg-jochtal.com

Brixen In Brixen, mit über 1.100 Jahren die älteste Stadt Tirols, wird der Bogen zwischen Kunst, Kultur, Sport und Lebenslust gespannt. Besonders beeindruckend der Dom mit seinen zwei Fassadentürmen, der romanische Kreuzgang mit edelsten Werken der spätgotischen Wandmalerei, die Hofburg, einstige Residenz der Fürstbischöfe mit Diözesanmuseum und Krippensammlung und die Laubengassen mit Geschäften und Cafès. www.brixen.org

Klausen mit Kloster Säben Es ist kein Wunder, dass Klausen seit jeher große Künstler und Dichter fasziniert, denn die mittelalterlichen engen Gässchen und schmalen Bürgerhäuser der Altstadt mit dem alles überblickenden Kloster Säben am Säbener Berg strahlen ein besonderes Flair aus. Deshalb ist Klausen auch eine der „Borghi più belli d’Italia“, eine der schönsten Altstädte Italiens. www.klausen.it

Festung Franzensfeste Die 1833 unter Kaiser Ferdinand I. erbaute Festung ­Franzensfeste beheimatet neben einer Dauerausstellung zu ihrer eigenen Geschichte Sonderausstellungen, in denen Kunst, Moderne und Geschichte verschmelzen. In der Festung ist auch der BBT-Infopoint untergebracht, in dem sich alles rund um die größte Baustelle Europas dreht. www.festung-franzensfeste.it www.bbtinfo.eu

Dreikirchen Dort, wo im Weiler Dreikirchen oberhalb von Barbian ein heidnisches Quellheiligtum und ein Kraftplatz liegt, wurden zwischen dem 13. und 16. Jahrhundert drei ineinander verschachtelte Kirchlein erbaut und mit Fresken und gotischen Flügelaltären ausgestattet. In Dreikirchen hat bereits so manche Berühmtheit – so auch Sigmund Freud – die Sommerfrische genossen. www.klausen.it

UNESCO Welterbe Geisler Seit 2009 zählt der Naturpark Puez-Geisler im Dolomitental Villnöss und damit auch die Felsspitzen der Geisler zum UNESCO Welterbe der Natur. Vor diesem imposanten Panorama steht in Villnöss das Kirchlein St. Johann in Ranui, das mit seinem Zwiebeltürmchen ein bekanntes Fotomotiv ist. www.villnoess.info viae 2016 | 81


Eisacktal – Tal der Wege BRENNER

Sterzing und seine Ferientäler www.sterzing.com www.ratschings.info www.gossensass.org

Ski- & Almenregion Gitschberg Jochtal www.gitschberg-jochtal.com

STERZING

Apfelhochplateau Natz-Schabs www.natz-schabs.info

Brixen und seine Feriendörfer www.brixen.org www.luesen.com

ck

BRIXEN

Eisa

Klausen und die Eisacktaler Dolomiten www.klausen.it

Rienz

Villnösser Tal

KLAUSEN

Lajen www.lajen.info

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BOZEN

www.villnoess.info


Info

Über 300 Sonnentage im Jahr Mit dem Flugzeug Die nächstgelegensten Flughäfen befinden sich in Innsbruck (ca. 85 km), Bozen (ca. 40 km) und Verona Villafranca (ca.190 km). Mit verschiedenen Bustransfers von München, Innsbruck, Mailand Malpensa, Bergamo, Verona und Venedig ist Südtirol problemlos und kostengünstig zu erreichen. www.eisacktal.com

Anreise mit dem Auto Von Norden kommend gelangen Sie auf der Brennerautobahn über Innsbruck und den Brennerpass (Autobahnausfahrten Brenner, Sterzing, Brixen-Nord/Pustertal, Brixen Süd und Klausen) direkt in die Urlaubsregion ­Eisacktal. Mit dem Zug Haltepunkte für sämtliche IC- undEC-Züge sind die Bahnhöfe Brenner, Franzensfeste und Brixen, die Regionalzüge halten zusätzlich in den Bahnhöfen von Sterzing, Klausen und Waidbruck. www.bahn.de, www.rail.ch, www.oebb.at und www.trenitalia.it Von den Bahnhöfen bringen Sie – je nach Zielort – stündlich oder mehrmals am Tag verkehrende Zubringerdienste an Ihren Urlaubsort. www.sii.bz.it Km-Entfernung und Zeitangaben für Bahnreisende bis/ab Brixen » Innsbruck 85 km ca. 1,5 h » Salzburg 270 km ca. 4,0 h » Wien 570 km ca. 6,5 h » München 245 km ca. 3,5 h » Stuttgart 450 km ca. 5,5 h » Dresden 800 km ca. 11,0 h » Brüssel 1050 km ca. 13,0 h » Zürich 360 km ca 4,0 h

Temperaturen* MONAT MIN. Januar -3,8 Februar -1,4 März 2,9 Aprile 7,0 Mai 10,8 Juni 14,0 Juli 15,9 August 15,4 September 12,2 Oktober 6,7 November 1,1 Dezember -2,9 * Angaben in °C

Mobilcard Mit der Mobilcard Südtirol besteht die Möglichkeit, mit den Verkehrsmitteln des Verkehrsverbundes sowie einigen Seil­ bahnen ganz Südtirol zu durchreisen und zu entdecken. Die Mobilcard ist in verschiedenen Tourismusvereinen im Eisacktal erhältlich. www.mobilcard.info

Timmelsjoch

Reschenpass

STERZING SS12

Herausgeber Eisacktal Marketing Großer Graben 26A, 39042 Brixen Tel. +39 0472 802 232, info@eisacktal.com www.eisacktal.com

BRUNECK

SS40

CH

SCHLANDERS Taufers i. M.

KLAUSEN

LIENZ

SS51

Kreuzbergpass

MEBO

N 10

SS244

SS38

SS38

km 0

SS49

BRIXEN MERAN

SS12

Für den Inhalt verantwortlich Willy Vontavon (willy.vontavon@brixmedia.it)

A

SS621

Jaufenpass

BOZEN

Impressum viae – Eisacktal Tal der Wege Eintragung am Landesgericht Bozen Nr. 02/2002 vom 30.01.2002

SALZBURG WIEN

Brennerpass

Stilfserjoch

Kontakt Eisacktal Marketing Großer Graben 26A I-39042 Brixen (BZ) - SÜDTIROL Tel. +39 0472 802 232 Fax +39 0472 801 315 info@eisacktal.com www.eisacktal.com

MAX. 5,5 9,1 14,5 18,6 23,0 26,7 29,0 28,4 24,4 18,2 10,8 5,9

HAMBURG BERLIN FRANKFURT MÜNCHEN KUFSTEIN INNSBRUCK

STUTTGART

KEMPTEN ZÜRICH BREGENZ LANDECK

20

TRIENT VERONA MAILAND VENEDIG MODENA ROM

Auflage 5.000 deutsch- und 2.000 italienischsprachige Ausgaben Redaktion Brixmedia GmbH Übersetzungen Uta Radakovich Konzeption, Design und Fotoredaktion Brixmedia GmbH (www.brixmedia.it)

A22

Sellajoch

CORTINA VENEZIA

Karerpass

Autobahnausfahrt

Titelbild Helmuth Rier Druck Artprint GmbH, Brixen

www.fsc.org


Wann hattest du das letzte Mal freie Fahrt?

Eine Reise nach S端dtirol ist immer der Anfang von etwas Besonderem. Ob Entspannung oder Inspiration, hier findet jeder seinen ganz eigenen Weg Urlaub zu machen. www.suedtirol.info


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