unterwegs20/2010

Page 1

12. September 2010 ISSN 1436-607X

Magazin der Evangelisch-methodistischen Kirche

19/2010

Keine Gewalt: Warum Jugendliche zuschlagen und wie Sie Ihre Kinder schützen können Lebendig n

Gemeinde im geheimnis­ vollen Erzgebirge. Seite 11

Natürlich n

Warum Kinder in den Ferien faul sein dürfen. Seite 12

Blühend n

Was Kirchen bei einer Gartenschau bieten. Seite 15


2 ::: Vorweg

Der Prozess um den Tod von ­Dominik Brunner an der S-Bahn Haltestelle in Solln hat bundesweit Menschen erschüttert. Wie kann es geschehen, dass Jugendliche einen Menschen schlagen und treten, der schon am Boden liegt? Was für eine erschreckende Explosion von Gewalt! Gewalt fängt schon in der Sprache an. Das derzeit gängige Schimpfwort unter Jugendlichen »Ey, ich mach dich zum Opfer« spricht für sich. Vor einem Opfer hat man keinen Respekt, ein Opfer ist ganz unten in der Hierarchie. Mit alledem beschäftigt sich dieses »unterwegs«-Heft. Lars Weinknecht zeigt in seiner Andacht, warum: Die Bibel selbst hat die Wirklichkeit nie ausgeblendet. Menschen haben Gott ihre Angst vor Gewalt geklagt und haben bei ihm Schutz gesucht. Gewalt ist ein Thema in unserer Gesellschaft geworden, deswegen soll es auch Thema in »unterwegs« sein. Was aber bringt Jugendliche dazu, exzessiv Gewalt anzuwenden? Der Artikel von Ellen Nieswiodek-Martin klärt hier auf. Ihr Fazit: Es gibt keine einfachen Antworten. Deswegen stellen viele Eltern die Frage, wie kann ich mein Kind schützen? Die Antwort von Matthias Huber, der Kurse zur Gewaltvorbeugung anbietet, hat mich verblüfft: »Das Wichtigste ist ein gutes Vertrauensverhältnis zwischen Eltern und Kind.« Nur wenn ein Kind über seine Probleme sprechen könne, ist Hilfe überhaupt möglich. Da bin ich mitten in meinem Alltag angekommen. Und da kann ich was tun. Ihr Michael Putzke

So erreichen Sie uns: Redaktion »unterwegs« Telefon 069 242521-150 E-Mail: unterwegs@emk.de Aboservice: 0711 83000-0

kurz gesagt Methodisten spenden gern. ­Pakistans ausländische Das geht aus dem Jahresbe­Fluthelfer. Am 25. August richt 2009 des Hilfswerks fanden Soldaten im Swat»Brot für die Welt« hervor. Tal die Leichen von drei Demnach wurden in der Mitarbeitern einer EmK im vergangenen Jahr ­christlichen Organisation. rund 1,4 Millionen Euro für Nach Angaben des christli»Brot für die Welt« gespenchen Informationsdienstes det. Damit nimmt die EmK Compass Direct waren die den zehnten Platz unter den Helfer mit einem Fahrzeug22 Landes- und zehn Freikonvoi unterwegs, als sie kirchen ein, die sich an der von den Taliban überfallen Spendenaktion beteiligten. wurden. Dabei seien minAn der Spitze liegen die destens fünf Helfer verletzt bayerische und die würtund drei weitere verschleppt tembergische Landeskirche worden. mit 8,2 beziehungsweise 7,4 Millionen Euro. Insgesamt »Gemeinsam beten und bekam »Brot für die Welt« dienen« – unter diesem rund 55 Millionen Euro. Motto wird die 165. Internationale Gebetswoche der 40 Tage Erzwingungshaft Evangelischen Allianz stehen, muss ein russlanddeutscher die vom 9. bis 16. ­Januar Christ aus Ostwestfalen 2011 stattfindet. In mehr als verbüßen, weil er vier seiner 25 Ländern werden in dieser zwölf Kinder nicht an schuZeit Christen zum Gebet lischen Veranstaltungen teil­zusammenkommen. In nehmen ließ. Wie der Verein Deutschland erwartet die »Schulunterricht zu Hause« Evangelische Allianz mitteilte, hatten der Vater 350.000 Personen aus und seine Ehefrau eines ih­Landes- und Freikirchen an rer Kinder nicht zum Sexurund 1.100 Orten. alkundeunterricht der katholischen Liborius-Grund­ Eine eigene Kirche haben schule geschickt. Zudem konservative Lutheraner in nahmen drei weitere nicht Nordamerika gegründet. an Theaterveranstaltungen Damit protestieren sie ­gegen der Schule teil. Aus Sicht den ihrer Meinung nach der Eltern unterlaufen die ­falschen Weg, den die Evandort vermittelten Inhalte gelisch-Lutherische Kirche ­ihrer Vorstellung von reliin Amerika (ELCA) eingegiöser Erziehung. Nachdem schlagen hat. Streitpunkt ist der Mann das ihm auferlegvor allem die ­Zulassung hote Bußgeld von 1.090 Euro mosexueller Geistlicher zum nicht gezahlt hatte, wurde ­Bischofsamt. Zur Gründung er in die Justizvollzugsander »Nordamerikanischen stalt Hamm gebracht. Lutherischen Kirche« (NALC) kamen rund 1.100 Ihre Drohung wahrgemacht Mitglieder. Die ELCA hat haben Mitglieder der etwa 4,5 Millionen Mitglie­radikal-islamischen Taliban: der in 10.300 Gemeinden. Sie ermordeten im Norden epd/idea/kie


Hilfe gegen Gewalt ::: 3

Gefahren erkennen, »Nein« sagen, sich schützen Gewaltvorbeugung wird in Schulen und in Sportvereinen eingeübt. Warum nicht in einer ­Kirchengemeinde? Die Gemeinde der Pauluskirche in Kassel hat Gewaltprävention in die Ferienspiele eingebaut. Kinder lernen in Rollenspielen Gefahren erkennen, laut schreien und dass Weglaufen nicht feige ist. Ein Erfahrungsbericht von Michael Putzke.

A

Foto: Volker Kiemle

rne sieht den Mann auf sich zukommen. Er spürt die Gefahr. Er schreit »Stooopp!« und hält die Hände schützend vor Gesicht und Brust. Kommt der Mann weiter bedrohlich auf ihn zu, wird er einen Schritt zurückweichen, um nicht gegriffen oder geschlagen zu werden. Der Mann aber kommt näher und packt den Arm des Elfjährigen. »Lassen Sie mich looos!«, schreit Arne ihm mit Aufbietung aller Kräfte ins Gesicht und tritt ihm mit voller Wucht gegen das Schienbein. Der Angreifer stöhnt. Arne reißt seinen Arm aus den Händen des Mannes und flieht. Er rennt in die nahe gelegene Bäckerei – seine Notinsel – und bittet um Hilfe. »Rufen Sie die Polizei! Ein Mann hat mich angegriffen.« Rollenspiele wie diese sind ein wichtiger Bestandteil der Gewaltvorbeugung. Immer wieder werden bedrohliche Situationen durchgespielt, bis die Kinder instinktiv und schnell handeln, um sich zu schützen. Sie lernen, Gefahren zu erkennen und ihren Gefühlen zu trauen.

An Bibelgeschichten »Nein« sagen lernen In den Ferienspielen für Grundschulkinder in der Kasseler Pauluskirche haben wir Gewaltvorbeugung »zum Reinschnuppern« angeboten. Wir banden sie in das Thema des Ferienprogramms ein, das eine Woche von Montag bis Freitag vormittags die Kirche füllte. Einmal war der Aufhänger die Geschichte von David und Goliath: Wie kann sich ein kleiner Hirtenjunge gegen den überlegenen Philister durchsetzen? Jetzt planen wir Ferienspiele in den Herbstferien mit der Geschichte des Josef. Hier knüpfen wir an die versuchte Verführung des Josef durch Potiphar an. Wie Josef sollen die Kinder lernen, dem eigenen Gefühl zu trauen und Grenzen ziehen zu können.

Gewalt ist für die meisten Menschen eine Ausnahmesituation. Ich persönlich wurde erzogen, auf Gewalt zu verzichten und Konflikte im Gespräch zu lösen. Meine Erfahrung ist allerdings, dass sich andere nicht daran halten. Sie überschreiten mit Gewalt Grenzen anderer. Die Suche nach Kompromissen hat keinen Platz. Zögern wird als Schwäche angesehen. Schweigen gilt als Zustimmung. Eskaliert ein Konflikt, bleibt meist nicht viel Zeit zum Überlegen. In der Konfrontation ist man auf Instinkte und Reflexe zurückgeworfen. Dann ist es wichtig, diese trainiert zu haben. Kinder sollen lernen, laut und deutlich ihre Stimme einzusetzen. Ein schüchternes »Nein« einer Sechsjährigen wird von einem Erwachsenen, der sie bedroht, nicht ernst genommen. Für viele Kinder, vor allem für Mädchen, kostet es Überwindung, laut zu schreien. Im Konfliktfall aber kann lautes Schreien schützen. Zwar sind Kinder im Grundschulalter Erwachsenen körperlich unterlegen, aber wehrlos sind sie nicht. Ein Täter ist darauf bedacht, kein Aufsehen zu erregen. »Haben Sie schon mal versucht, ein sechsjähriges Kind, das um sich schlägt, tobt und wie am Spieß schreit, festzuhalten und irgendwohin zu tragen?«, fragt die Trainerin für Gewaltvorbeugung, Annemarie Besold. »Ein Täter wird sich genau überlegen, ob er dieses Risiko eingehen wird.« mip


4 ::: Hilfe gegen Gewalt

So können sich Kinder vor Gewalt schützen Gewalt ist alltäglich geworden. Auch Kinder und Jugendliche sind davon betroffen – als Täter o­ der als Opfer. Viele Eltern fragen sich: »Wie kann ich mein Kind schützen?« Kurse zur Gewaltvorbeugung bieten hier eine Hilfe. Michael Putzke hat mit Matthias Huber gesprochen, der als Lehrer und ­Kampfsportler den Kurs »Nicht mit mir! – Starke Kinder schützen sich« mitentwickelt hat. Welcher Art von Gewalt sehen sich Kinder heute – »dass Jugendliche gewalttätiger als früher geworden auch im Vergleich zu früher – ausgesetzt? sind«, zu pauschal. Es haben sich einfach die Qualität Matthias Huber: Mit dieser Frage setzt sich eine Vielund die Gewaltformen geändert. zahl von Experten auseinander. Leider kommen sie nicht auf ein einheitliches Gesamtbild. Was auf alle Wie beeinflussen Videospiele die Gewaltbereitschaft? Fälle festzustellen ist, dass die Medien heutzutage viel- Matthias Huber: Ich glaube, die Spiele alleine sind mehr über Jugendgewalt berichten und man somit nicht dafür verantwortlich. Jugendgewalt hat eine deutlich sensibler geworden ist. Weiter haben sich die Vielzahl an Ursachen, und nur wenn mehrere zeitGewaltformen stark verändert. So haben sich neue gleich die Entwicklung eines Kindes beeinflussen, beFormen wie das »Cyber-Mobbing« steht eine Gefahr. Die Gefahr in im Internet entwickelt. Was sich Spielen sehe ich eher in zu frü»Die Kinder sollen Gefahren den deutlich verändert hat, ist die Härhem Konsum. Also wenn Kinder und Gewaltsituationen te der Gewalt. Leider gibt es imComputerspiele spielen, die jumer mehr Fälle, bei denen von den Inhalte haben, früh erkennen und diese gendgefährdende Opfern nicht mehr abgelassen und diese noch nicht reflektieren umgehen können.« wird. Selbst auf Personen, die am können. Das gleiche Problem sehe Boden liegen, wird weiter eingeich aber auch bei Filmen und Bütreten. Die Entwicklung ist erschreckend. chern, die für Kinder und Jugendliche nicht freigegeben sind. Hier sollten Eltern einfach darauf achten, Warum werden Jugendliche gewalttätig? was die Kinder konsumieren und ihrer elterlichen FürMatthias Huber: Das hängt meiner Meinung nach sorge nachkommen. von einer Vielzahl an Einflüssen in der Jugend und Kindheit ab. Ursachen liegen in der elterlichen Erzie- Was können Eltern konkret tun, damit Kinder nicht hung mit Gewalt, im sozialen Umfeld, in der eigenen zu Gewaltopfern werden? Gewalterfahrung als Kind oder Jugendlicher, in den Matthias Huber: Das Wichtigste ist ein gutes VertrauCliquen Gleichaltriger, in den schlechten Zukunftspers­ ensverhältnis zwischen Eltern und Kind. Nur wenn ein pektiven vieler Jugendlicher, im Konsum von Filmen Kind über seine Probleme sprechen kann, ist Hilfe überund Spielen, die für Kinder und Jugendliche nicht zu- haupt möglich. Vorsorglich sollte man natürlich das gelassen sind, im Konsum von Alkohol und Drogen Kind über Gewalt, Gefahren und Handlungsalternatiund so weiter. Meiner Meinung nach ist die Aussage, ven aufklären. Die Eltern sollten sich für die Interessen ihres Kindes interessieren. Dies bedeutet auch, gemeinsam im Internet zu surfen und dem Kind den Umgang Zur Person mit den neuen Medien zu lehren, und vieles mehr. Matthias Huber (32) ist Lehrer für Sport und Wirtschaft. Als Mitglied im Arbeitskreis Gewaltprävention des Deutschen Ju-Jutsu-Verbands entwickelte er den Kurs »Nicht-mit-mir!« mit. Als Kampf­ sportler war er fünffacher Deutscher Meister und Weltmeister (2006) in Ju-Jutsu. Er lebt in Heidelberg. www.nicht-mit-mir.org

Sie haben einen Kurs zur Gewaltvorbeugung ­entwickelt. Was können Kinder in so einem ­»Nicht-mit-mir-Kurs« lernen? Matthias Huber: »Nicht mit mir! – Starke Kinder schützen sich« ist ein Gewaltvorbeugungs-Kurs des deutschen Ju-Jutsu-Verbandes. Die Kinder sollen Gefahren und Gewaltsituationen früh erkennen und diese


Hilfe gegen Gewalt ::: 5

durch spezifische Verhaltensweisen umgehen können. Die Kinder erlernen dabei anhand des so genannten »Ampel-Prinzips«, Gefahren zu vermeiden, sich selbst zu behaupten und sich im Notfall bei körperlichen Angriffen durch Ju-Jutsu-Techniken zu wehren. Wichtiger Bestandteil ist dabei auch der Bereich helfen und Hilfe holen, ohne sich selbst in Gefahr zu bringen und die Zivilcourage zu fördern. Alle Verhaltensweisen und Handlungsalternativen werden in Übungsformen oder Rollenspielen mit den Kindern gemeinsam erarbeitet und aktiv erprobt.

mik einzusetzen. Außerdem ist es ein Anliegen des Kurses, den Kindern beizubringen, einen Konflikt durch Selbstbehauptung zu entschärfen. Daneben wird den Kindern erklärt, wie wichtig es ist, Konflikte öffentlich zu machen und die Umgebung als Zufluchtsorte zu nutzen und sich dort Hilfe zu holen. Ein weiteres wichtiges Anliegen ist es, die Zivilcourage bei Kindern zu fördern, ohne dass sich die Kinder dabei in Gefahr bringen müssen. Wenn es jedoch zu Handgreiflichkeiten kommen sollte, kommt die Selbstverteidigung zum Tragen.

Wie sieht dieses »Ampelprinzip« aus? Matthias Huber: Grün steht für Gewaltvorbeugung, gelb für Selbstbehauptung und rot für Selbstverteidigung. In der Gewaltvorbeugung, das heißt in der Verhinderung der Entstehung von Gewalt, sollen die Kinder über Gewalt informiert und aufgeklärt werden. In dem Kurs werden unterschiedliche Gewaltarten besprochen und die Kinder über die Entstehung von Gewalt aufgeklärt. Ebenfalls werden unter anderem beispielhafte Situationen besprochen oder in Rollenspielen durchgespielt. Im Zuge dessen wird ihnen vermittelt, wie Gefahren erkannt und vermieden werden können, um unversehrt aus einem Konflikt zu gehen. Ebenfalls können gewaltvorbeugende Verhaltensbeispiele gegeben und geübt werden und zugleich die sozialen Kompetenzen der Kinder – etwa helfen und helfen lassen – erweitert werden.

Kann sich ein Kind wirklich gegen einen Erwachsenen oder einen stärkeren Jugendlichen wehren? Matthias Huber: Ein Kind kann auf alle Fälle durch einen Kurs Gefahren früher erkennen und vermeiden, sich selbst behaupten und lautstark um Hilfe schreien und somit versuchen, dem Täter die Anonymität zu nehmen. Kommt keine Hilfe, so hat ein Kind die Möglichkeit, sich mit einer Grifflösetechnik loszureißen. Dass ein Kind im Kampf gegen einen Erwachsenen gewinnt, ist sehr unwahrscheinlich.

Wie lernen Kinder, sich selbst zu behaupten? Matthias Huber: Im Selbstbehauptungstraining lernen

die Kinder ihre Stärken zu erkennen und diese zu nutzen. Zudem lernen sie vermehrt, ihre Stimme gezielt und ihre Körpersprache mit bewusster Gestik und Mi-

Foto: pixelio/christiaane

Haben Sie die Kurse ausgewertet? Konnten sich die Kinder dauerhaft besser schützen? Matthias Huber: Ja, wir haben im Rahmen einer Magisterarbeit die »Nicht-Mit-Mir-«Kurse mit erfreulichem Ergebnis ausgewertet. Die Ergebnisse des digitalen Videofragebogens zeigen, dass Kinder für Gefahrensituationen durch den Besuch des Kurses sensibilisiert wurden und gelernt haben, wie wichtig es ist, sich Hilfe von weiteren Personen zu holen. In allen drei Bereichen Gewaltvorbeugung, Selbstbehauptung und Selbstverteidigung konnte nachgewiesen werden, dass sich die Handlungsalternativen verbessert haben.


6 ::: Hilfe gegen Gewalt

Die Scouts gegen Gewalt V

or allem wenn Jungs zusammen sind, bleiben Rangeleien oder Raufereien oft nicht aus. Damit das Zusammenleben trotzdem gewaltlos funktioniert, haben sich etwa die methodistischen Pfadfinder, die »Wesley-Scouts«, Regeln gegeben, die bereits bei den Ursachen von Gewalt ansetzen. »Gewalt ist deshalb in unseren Regeln ausdrücklich gar nicht genannt«, erklärt Pastor Steffen Klug, Beauftragter für die Arbeit mit den Wesley-Scouts in der EmK auf Zentralkonferenz-Ebene.

Die sieben Regeln lauten im Einzelnen: 1. Die Wesley-Scouts lernen Gott kennen und lernen, sich an Jesus zu orientieren. 2. Die Wesley-Scouts helfen und packen mit an. 3. Die Wesley-Scouts sind ehrlich und bereit, ihre Meinung zu vertreten. 4. Die Wesley-Scouts suchen das Beste für Mensch und Natur.

5. Die Wesley-Scouts sind ritterlich, auf ihr Wort kann man sich verlassen. 6. Die Wesley-Scouts sind genügsam und teilen, was sie haben. 7. Die Wesley-Scouts halten mit anderen zusammen und können sich in der Gruppe einfügen. Der Hinweis auf Jesus in Regel eins schließe dessen Gewaltlosigkeit schon ein, erklärt Klug. Auch Regel drei verlange, dass man mit seiner Meinung nicht erst warten soll, bis etwas – mit Gewalt – »überkocht«. Die Forderung nach Genügsamkeit (Regel sechs) schließlich ziele gegen Gewalt, die dem Neid erwachsen könne. Auch das »Wesley-Scouts«-Versprechen: »Es ist mein Ziel, Gott, meine Mitmenschen und mich selbst zu achten. Deshalb möchte ich nach den sieben Regeln leben«, sei ein Aufruf zur Gewaltlosigkeit. »So ist die ganze Pfadfinderei von Gewaltlosigkeit geprägt«, betont Klug. www.Wesley-Scouts.de

Buchtipps zum Thema Jugendgewalt Dave Grossmann / Gloria DeGAEtano

Reinhart Lempp

Wer hat unseren Kindern das Töten beigebracht?

Nebenrealitäten –

Ein Aufruf gegen Gewalt in Fernsehen, ­ Film und Videospielen. Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 2002, 14,90 Euro. ISBN: 978-3-7725-2225-3

Jugendgewalt aus Zukunftsangst. Verlag für Polizeiwissenschaft, Frankfurt am Main 2. Auflage 2010, 24,90 Euro. ISBN: 978-3-8667-6077-6

Beate Krafft-Schöning / Rainer Richard

Marcus Lüpke / Ulf Neumann (HG)

Nur ein Mausklick bis zum Grauen ...

Gewaltprävention 2.0 –

Jugend und Medien. Vistas Verlag, Berlin 2007, 12 Euro. ISBN: 978-3-8915-8451-4

Digitale Herausforderungen. Schüren Verlag, Marburg 2010, 16,90 Euro. ISBN: 978-3-89472-227-2

Michael Korn / Annemarie Besold / Matthias Huber

Schütz Dich vor Gewalt –

Frank J. Robertz / Ruben Wickenhäuser

Das offizielle Begleitbuch zur Aktion »Nicht mit mir!«

Kriegerträume –

Pietsch Verlag, Stuttgart 2009, 14,95 Euro. ISBN: 978-3-613-50595-7

Warum unsere Kinder zu Gewalttätern werden.

Peter Langman

Amok im Kopf – Warum Schüler töten. Beltz-Verlag, Weinheim 2009, 19,95 Euro. ISBN: 978-3-4078-5887-0

Herbig Verlag, München 2010, 19,95 Euro. ISBN: 978-3-7766-2647-6


foto: York schön

Rette mich vor meinen Feinden; bei dir bin ich in Sicherheit. Hilf mir, nach deinem Willen zu leben. Psalm 143, 9+10

Wort auf den Weg ::: 7

»Ey, du betrügst!«

E

y, du betrügst, du Hund! Ich mach dich zum Opfer!«, drohte ein Jugendlicher einem anderen, während wir in der Jugendstunde Karten spielten. Ich unterbrach ihn: »Was soll das? Weißt du überhaupt, was das bedeutet – jemanden zum Opfer machen?« »Ey, der soll Respekt haben. Auf der Straße spricht man halt so! Man muss sich durchsetzen!« Ich will gerade zu einer Erwiderung ansetzen, da fährt er fort: »Da hilft Jesus nicht und auch nicht die Geschichten aus der Bibel, die ihr immer erzählt. So mit Liebe und Heilung, hilft alles nicht, wenn es abgeht! Musst gar nicht damit anfangen!« Die anschließende Diskussion über Sprache, über Gewalt, gelebt und erfahren, hat mich ratlos gemacht. Ich ging mit vielen Fragen aus dieser Jugendstunde: Wie können Jugendliche der Spirale von physischer und psychischer Gewalt entkommen? Dieser Jugendliche steht für viele, die unter schwierigen Umständen in ihr Leben starten. Er wird kaum gefördert. Die Beziehungen in seinem Leben sind schwierig. Es sind schwierige Familienverhältnisse, in denen er aufwächst. Von außen betrachtet stehen ihm nicht viele Möglichkeiten offen, und die Erwartungen an sein Leben sind gering. Auch das ist Gewalt, wenn schon eine positive Lebenswendung schwer vorstellbar ist. Etwas geschieht an ihm. Er reagiert nach seinen Möglichkeiten. In seinem Leben geht was ab! Er sagt es selbst: »Man muss sich durchsetzen! Da hilft Jesus nicht und auch nicht die Geschichten aus der Bibel, die ihr immer erzählt. Hilft alles nicht, wenn es abgeht!« Ich frage mich, wie kann die Liebe Gottes für ihn erfahrbar werden?

Gott die Gewalt klagen Die Antwort liegt in der Lebensnähe der Bibel. Sie weiß, was diesem und vielen anderen Jugendlichen geschieht. Israels Erfahrungen von Unterdrückung und Befreiung, der Bericht über die Wüstenwanderung und die blutige Landnahme, die beißende Gesellschaftskri-

tik der Propheten und viele andere Geschichten geben eine Ahnung davon, wie es manchem in großer Not schwergefallen sein muss, an Gottes Verheißungen festzuhalten. Immer wieder werden Gewalt, Not, die Frage nach Gerechtigkeit und Gefährdung des Lebens thematisiert. Die Menschen der Bibel haben Gewalt nicht nur erduldet – sie haben sich in den Psalmen als Klage, Loben und Bitten mit Gott und ihrer Not auseinandergesetzt.

Jesus setzt sich der Gewalt aus In Jesu Leben und Sterben ist Glauben und Hoffnung an die Welt begründet. Er setzt sich Gewalt, Not, Ungerechtigkeit und Gefährdung des Lebens aus. Sein Weg ist kein stilles hinnehmendes Dulden, auch wenn er nicht zurückschlägt. In seinem Leben finden wir die Freiheit zu lieben, anstatt zu erdulden oder zornig zu sein. Jesus lässt sich das Gesetz seines Handelns nicht durch die Aktionen anderer aufzwingen! Die Auseinandersetzung mit dem Glauben gibt Worte, um Schweres auszusprechen: »Wenn es abgeht, hilft mir keiner, da muss ich mir selber helfen. Da hilft mir auch kein Jesus! Gott hilft mir nicht, obwohl ihr gesagt habt, er ist da!« Hier hat ein Jugendlicher Worte für seine Erfahrungen gefunden, seine Lebensumstände benannt und nicht mehr unter den Teppich gekehrt! Wir beschließen die Gruppenstunde in »unserem Kreis«. Wir reichen uns zum Beten die Hände. Wer nichts sagen will, der drückt seinem Nachbarn die Hand und übergibt so das Wort. Es wird eine sehr schnelle Runde, bis eine leise Stimme die Stille durchbricht: »Gott, ey, trotz allem habe ich Freunde, die mir helfen wollen und mich lieb haben! ... Danke.«

Lars Weinknecht ist Pastor und Leiter des Kinder- und Jugendwerkes der Norddeutschen Jährlichen Konferenz. Er lebt in Berlin.


unterwegsinfo

14

Rückblick auf die Hilfe nach dem Krieg

Foto: Privat

die methodistischen Kirchen der USA ihre Hilfe mit der Forderung der Einbeziehung ihrer deutschen Schwesterkirchen.

Die Europäische Historische ­Kommission unter Leitung von Dr. Ulrike Schuler (vordere Reihe 9.v.l.). Gastgeberin war Dr. Judit Lakatos.

In Budapest traf sich vom 10. bis 15. August die vierte Konferenz der Europäischen Historischen Kommission der EmK. Im Blick der 80 Teilnehmer war die Geschichte des Methodismus in Europa in den zwanzig Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg.

K

affeetassen als Symbol für das »dritte Sakrament« der skandinavischen Kirchen, damals gefüllt mit Ersatzkaffee, zeigte eine Ausstellung über die Hilfsprogramme der Methodistenkirchen für Gemeinden im kriegszerstörten Europa. Weiter waren zu sehen offizielle Dokumente über die Beschlagnahmung von kirchlichen Gebäuden in osteuropäischen Staaten und ein Aufruf zur Sammlung

kurz &bündig Als Seniorensekretär der SJK wurde Erwin Ziegenheim am 23. Juni im Bildungs- und ­Begegnungszentrum Stuttgart verabschiedet. Er hatte diese ­Beauftragung elf Jahre lang inne, acht Jahre war er gleichzeitig Sekretär in der Zentralkonferenz. Erwin Ziegenheim bekam eine Schatzkiste überreicht,

des »Bruderpfennigs«. Unbegreiflich erscheint aus heutiger Sicht das Elend der Flüchtlinge, der zerstörten Städte und eben auch kirchlicher Einrichtungen, der verstreuten und auch vernichteten Gemeinden. Beeindruckend war zu hören, dass schon während des Krieges Hilfsprogramme in den USA, Schweden und der Schweiz geplant wurden und unmittelbar nach Kriegsende anliefen. Sie kamen über den Nationalen Rat der Kirchen der USA allen Ländern zugute, die vom Krieg betroffen waren, in Osteuropa bis zur kommunistischen Machtübernahme. Für methodistische Kirchen in Deutschland bedeutete die internationale Hilfe auch eine ökumenische Aufwertung, verbanden doch

gefüllt mit vielen guten ­Wünschen von Personen aus der Seniorenarbeit. Die Kiste symbolisierte auch den »Schatz«, mit dem Erwin Ziegenheim die ­Arbeit mit Senioren in der EmK bereichert hat. Fünf Kennzeichen fruchtbarer Gemeinden brachten auf dem 12. Europäischen Laien­seminar in Velletri bei Rom 51 Delegierte aus 15 Ländern vom 31. Juli bis

Eindrucksvoller Berichte Eindrucksvoll waren Länderberichte mit Einzelschicksalen: In der norwegischen Stadt Trondheim existierte in der EmK etwa eine »Untergrundsynagoge«. In Jugoslawien wurde die kirchliche Arbeit durch Frauen, »Kirchenschwestern« genannt, wie Paula Mojzes aufrechterhalten, lange bevor die Ordination von Frauen spruchreif wurde. Unterdrückung, Inhaftierungen und massive Behinderung der kirchlichen Arbeit waren in Osteuropa an der Tagesordnung. Auch das gemeinsame Singen prägte die Tagung. Das neu entstandene Liederbuch »Singing Grace« (Von der Gnade singen) mit 46 Liedern übersetzt in insgesamt 26 Sprachen, bringt den Reichtum gesungener methodistischer Theologie zur Geltung. Gottesdienste mit Bischof Dr. Patrick Streiff (Schweiz) und Bischöfin Rosemarie Wenner (Deutschland) führten die Teilnehmenden auch geistlich zusammen. Ulrich Ziegler www.gcah.org

6. August zusammen. Die ­Bischöfe Robert Schnase (USA) und Christian Alsted (Dänemark) hielten Bibelarbeiten. Italienische Referenten berichteten von der Praxis »radikaler Gastfreundschaft« angesichts der Immigration. Risikobereite Mission leben Gemeinden in Osteuropa, die mit geringen ­finanziellen Mitteln Kindern, Senioren und Benachteiligten helfen.


unterwegs info ::: 15

Atem holen im Kirchenpavillon Auf der Landesgartenschau in Villingen-Schwenningen präsentieren sich fünf Kirchen mit einem gemeinsamen Pavillon unter dem Motto »Alles hat seine Zeit« bis zum 10. Oktober. ina verschwindet im leuchtend bunten Tipi. Ihr Bruder Max zieht seine Kreise im Labyrinth des Lebens. Der Vater nimmt sich eine Auszeit unter dem Dach des Kirchenpavillons. »Alles hat seine Zeit«: Unter diesem Motto steht der Pavillon, den die fünf in der Schwarzwaldstadt beheimateten Kirchen (zwei katholische Bistümer, die badische und württembergische evangelische Landeskirche und die EmK) gemeinsam errichtet haben. Dessen Dach ist einem Uhrwerk nachempfunden und weist damit auf die Geschichte der Uhrmacherstadt hin – und auf das Werden und Sein. »Das ist mit der schönste Pavillon überhaupt«, sagt Dieter Frauenheim, Pressesprecher der Gartenschau. Nina kommt aus dem Tipi. Drinnen hat sie gemalt, eine willkommene Abwechslung nach dem langen Marsch über das Gartenschaugelände. Max steuert die Kirchenglocke an, die an einem Gestell neben dem Pavillon steht. Nina verschwindet derweil im »Geburtskanal«, einem aus Weiden gebauten Tunnel.

Briefe von Charles Wesley waren das Thema der CharlesWesley-Society, die vom 18. bis 20. Juli im Nazarene Theological College in Manchester ­tagte. Nächstes Jahr soll eine Sammlung seiner Briefe als Buch erscheinen. Charles ­Wesley schrieb viel spontaner als sein Bruder John, sodass mit den Briefen ein neuer Blick auf das Verhältnis der beiden Brüder zueinander möglich

Foto: Silke Porath

N

Im Kirchenpavillon steht jeden Tag für eine Viertelstunde die Zeit still. »Atempause« heißt die Andacht um 15 Uhr. Hier ist Zeit für Stille und Gebet, ehe es wieder hinausgeht in den bunten Garten des Lebens. Die Kirchen haben einen sich wiederholenden Kalender erstellt, in dem zum Beispiel Vorträge, Diskussionen und Musik die Wochenthemen Geburt, Kindheit, Jugend, Erwachsenenalter und Bruchstellen des Lebens, Alter, Sterben, Tod und Auferstehung in allen Facetten beleuchten. Mitten hinein ins Leben führt das Labyrinth am Kirchenpavillon. Kinder rennen auf den gemalten Wegen so schnell wie möglich ans Ziel. Eine junge Frau bleibt nach-

denklich in der Mitte stehen. Sie geht zum runden Becken, in dem auf Holzschiffchen rote Kerzen schwimmen. Nina und Max beugen sich über das Wasser. Ihre Gesichter spiegeln sich im Becken. Rund 220.000 Euro hat der Pavillon gekostet, finanziert aus kirchlichen Mitteln und Spenden. Höhepunkte bei der Kirche auf der Landesgartenschau sind Gottesdienste mit den vier Bischöfen der Landeskirchen und Diözesen sowie der Bischöfin der Evangelisch-methodistischen Kirche. Jeden Sonntag findet im Kirchenpavillon um 10.15 Uhr ein Ökumenischer Gottesdienst statt. Silke Porath www.lgs-vs.de

wird, zu den verschiedenen Mitgliedern der Familie, aber auch zu den mit den Brüdern arbeitenden Laienpredigern.

park. Die Erlöserkirche ­München unterhält mit etwa 120 Mitarbeitenden eine ­missionarisch und diakonisch akzentuierte Gemeindearbeit. Geplant ist ein Gemeindezentrum mit Gottesdienstraum, Gemeindesaal und einem ­Kinder- und ­Jugendbereich. Spätestens im Sommer 2013 will die Gemeinde in ihr neues Domizil einziehen. www.erloeserkirchemuenchen.de

Neubau in München geplant: Die Erlöserkirche München hat im Stadtteil Moosach einen Bauplatz gekauft. Er liegt drei Minuten vom größten Einkaufszentrum in München ­entfernt und grenzt an einen öffentlichen Spiel- und Freizeit-


16 ::: unterwegs info

persönlich Au fgeno mmen Annaberg-Buchholz ::: am 6. April Hilmar Frank Fischer (35) und am 29. August Reiner Ott. Bookholzberg ::: am 22. August Amehna Hajhossinali (19). Bodelshausen ::: am 18. Juli Martin Vöhringer (40) und Andrea Vöhringer (44). Stuttgart-Zuffenhausen ::: am 4. Juli Heidrun Finkbeiner (24).

W ir gratul ieren Auerbach ::: Rita und Friedmar Dietrich zur goldenen Hochzeit. Chemnitz-Friedenskirche ::: Renate und Harald Windsheimer zur goldenen Hochzeit. Eberswalde ::: Sieglinde und Manfred Fürst zur goldenen Hochzeit. Leipzig-Kreuzkirche ::: Ruth und Eberhard Fischer zur ­goldenen Hochzeit. Loffenau ::: Elfriede und Werner Merkle zur goldenen Hochzeit. Pliezhausen ::: Gisela und Ernst Gaubatz zur goldenen Hochzeit. Schwenningen ::: Christa und Bruno Kutzner zur goldenen Hochzeit.

Heimgegangen Aue ::: Marianne Windisch ­geborene Opp am 18. August, 86 Jahre. Backnang ::: Regina Ziegler ­geborene Bender am 17. August, 53 Jahre und Klara Beerwart ­geborene Dorn verwitwete Bertsch am 21. August, 94 Jahre. Balingen ::: Emmi Krause am 31. Juli, 90 Jahre. Bielefeld ::: Marie-Luise ­Kühnling geborene Lagemann am 20. August, 83 Jahre. Bockau/Albernau ::: Hanni Reinhold am 25. August, 85 Jahre.

Bremen-Vegesack ::: Diedrich ­Severs am 25. August, 91 Jahre. Crailsheim ::: Hilde Sessler geborene Heigold am 15. August, 88 Jahre. Dittersdorf ::: Walter Müller am 5. August, 77 Jahre. Oldenburg ::: Hans Meyer am 18. August, 85 Jahre Schönheide ::: Werner Fröhlich am 19. August, 79 Jahre und Elfriede Fröhlich geborene Metzner, am 19. August, 75 Jahre. Waiblingen ::: Brunhilde Illi geborene Haigis am 20. August, 93 Jahre. Wuppertal-Barmen ::: Dorothea Achinger am 30. August, 72 Jahre.

wowannwas Rundf unk

Schwarzenberg ::: Trödelmarkt, 12. September, Versöhnungskirche, Lutherstraße 8a. Informationen unter Telefon 03774 24300. Nürnberg ::: »Das Kreuz mit dem Kreuz – Rückenschmerzen psychosomatisch verstehen und behandeln«, mit Dr. Bernd ­Deininger, Chefarzt der Psychosomatischen Tagesklinik Martha-­Maria, 15. September, 17 Uhr, Eben-Ezer-Kirche Nürnberg (Stadenstraße 68). Informationen unter E-Mail: oeffentlichkeitsarbeit@martha-maria.de Schwarzenshof ::: 25 Jahre Rüstzeitheim Schwarzenshof, 18. September, 11 Uhr Einweihung des Backhauses; 14 Uhr, Festgottesdienst mit Bischöfin Rosemarie Wenner; 16 Uhr Podiumsgespräch; 18 Uhr Musikalischer Abendausklang mit dem Allianzorchester Dorfchemnitz und dem Jugendchor der OJK

»CHORnBlume«; Kinderprogramm mit den Wesley-Scouts. 19. September, 10 Uhr ­Gottesdienst im Backhaus mit Teilnehmern der Singwoche. ­Informationen unter Telefon 03672 48010, E-Mail: ­schwarzenshof@t-online.de, www.schwarzenshof.de Wuppertal-Barmen ::: Nachbarschaftsfest mit der Heilsarmee, 18. September, 14.30 Uhr, ­Gemeindezentrum EmK (Eintracht­straße 45). Informationen unter Telefon 0178 3258118, E-Mail: daniele.baglio@emk.de. Zschorlau ::: Regionales ­Frauentreffen, Leitung: ­Annemarie Meyer, Dorothea Föllner, 25. September, EmK Zschorlau. Informationen unter Telefon 03771 458386; E-Mail: Bula101@gmx.de

im Internet radio m kompakt: Podcast-­ Magazin – engagiert. radio m im Gespräch: PodcastGespräche über den Glauben. radio m Themen: Berichte und ­Reportagen. radio m ­Andachten: ­Kostenlos zu abonnieren: www.radio-m.de radio m bei Klassik Radio (bundesweit) Andachten »Carpe diem«: 20. bis 25.9. | kurz nach 6 Uhr: mit Anja Kieser; Sonntagsmagazin »Klassik und ­Kirche«: sonntags | 7–8 Uhr: mit Kerstin Vogel. Radio AREF – ­sonnund feiertags von 10-12 Uhr. www.aref.de und UKW 92,9 MHz (Großraum Nürnberg) ERF Jeden Donnerstag, 20 Uhr, Bilanz, mit Horst ­Marquardt.

Foto: katja hoyer/Pixelio

Termine


EMK-DiaKoniE: Wir MElDEn uns zu Wor t

unterwegs info ::: Helfen und Heilen

19 17

Gesundheit und und Pflege vernetzen

Liebe Leserinnen, liebe Leser, das Gesundheitswesen steht vor immer neuen Herausforderungen, der demographische Wandel stellt in diesem Zusammenhang nur eine der zahlreichen sich vollziehenden Veränderungen dar. Aus diesem Grund möchten wir Sie in der vorliegenden Ausgabe mit dem Konzept der Versorgungsketten vertraut machen. Eine enge Kooperation, eine bessere Abstimmung und eine gezielte Vernetzung der einzelnen Dienstleister bewirken einen Paradigmenwechsel, hin zu einem patientenorientierten Denken und Handeln. Wie sich solche Versorgungsketten im alltäglichen Krankenhausgeschehen umsetzen lassen, können Sie auf den nächsten Seiten nachlesen. Herzlichst, Ihr Pastor Norbert Böhringer (Theologischer Geschäftsführer Agaplesion Bethesda Krankenhaus Wuppertal und Geschäftsführer im Bethanien-Bethesda Verbund) Frank Eibisch, Bethanien Chemnitz

Netzwerke von Dienstleistern in Deutschland werden die Menschen dank der guten medizinischen Versorgung immer älter. Ein alltägliches Problem für viele ältere Menschen ist die Mobilität. ob es um das Pflegen von sozialen Kontakten geht oder um die Erledigung von Einkäufen, nicht immer ist eine straßenbahn- oder Bushaltestelle in der nähe. Deshalb nutzen viele senioren den Privatwagen, solange es geht. Es gibt immer mehr selbstbewusste ältere Menschen, die immer ein selbstbestimmtes leben geführt haben und ungern Hilfe in anspruch nehmen. aber viele Menschen wissen gar nicht, welche Hilfen es für sie in der nachbarschaft gibt. so entstand der Gedanke, dass sich das seniorenamt der stadt nürnberg und die ehrenamtlichen und professionellen anbieter von seniorenhilfe an einen

runden tisch setzen, um die vorhandenen ressourcen und Kräfte zu bündeln, die angebote miteinander abzustimmen und gemeinsam bedarfsgerechte neue angebote zu entwickeln. als Ergebnis wurde ein seniorennetzwerk für die stadtteile st. Jobst und Erlenstegen ins leben gerufen. Eine stadtanalyse ergab im Frühjahr 2009, dass 29,6 Prozent der Bevölkerung in den stadtteilen st. Jobst und Erlenstegen 60 Jahre und älter sind. Dann wurde ein Flyer entwickelt, der breit gestreut die ältere Bevölkerung auf die vorhandenen ehrenamtlichen und professionellen angebote in den stadtteilen st. Jobst und Erlenstegen aufmerksam machte, denn viele älter gewordene Menschen wissen nicht, an wen sie sich in ihrem stadtteil in einer notsituation wenden können. Gleichzeitig wurde zu einem »Herbst-

fest« unter dem thema »Miteinander älter werden« eingeladen, bei dem sich die einzelnen anbieter mit ständen vorstellten und bei Kaffee und Kuchen den persönlichen Kontakt zu den senioren der stadtteile suchten. auch das Diakoniewerk Martha-Maria präsentierte sich mit der Geriatrischen abteilung des Krankenhauses, dem seniorenzentrum mit tagespflege und Betreutem Wohnen, der seelsorge und der Eben-Ezer-Gemeinde auf dem Herbstfest. Mehr als 250 seniorinnen und senioren folgten der Einladung und füllten das Haus bis zum letzten sitzplatz. „Hier sieht man mal alles auf einem Haufen!“, beschrieb eine Besucherin den aha-Effekt. Hartmut Hofses Pastor im Diakoniewerk Martha-Maria Nürnberg


20

Helfen und Heilen

EMK-DiaKoniE: Wir MElDEn uns zu Wor t

Die Geburt eines Kindes kann für viele, vor allem junge Mütter, neben großer Freude eine immense Belastung darstellen, besonders wenn die familiäre unterstützung in der direkten umgebung fehlt und die Frauen zusätzlich mit sprachschwierigkeiten, gesundheitlichen Problemen oder Geldsorgen zu kämpfen haben. Überforderung und soziale isolation sind, wie die Mitarbeiter von »startklar« häufig genug beobachten mussten, in vielen Fällen die Folge einer solchen situation. aus diesem Grund richtet sich das bereits im september 2007 initiierte Projekt der Diakonie Wuppertal und des agaplesion Bethesda Krankenhauses Wuppertal an die Eltern der rund 800 Kinder, die jedes Jahr in der Bethesda-Geburtshilfe zur Welt kommen. Kathleen Franzke, eine Mitarbeiterin der initiative, besucht täglich die Geburtshilfe-station, um die jungen Mütter und Väter über die bestehenden angebote zu informieren und die Möglichkeiten der unterstützung aufzuzeigen. im persönlichen Kontakt erfahren die Eltern auf eigenen Wunsch hin Beratung im Hinblick auf alle erdenklichen Fragen, die das thema Fa-

milie betreffen können. Das leitbild der initiative ist von dem Gedanken geprägt, dass jede Mutter, durch welche äußeren umstände auch immer, in eine situation geraten kann, in der sie dringend rat und unterstützung benötigt. »Hilfe ab der ersten stunde« lautet in diesem Fall die Devise, denn nur auf diese art und Weise können schwerwiegende Probleme, wie zum Beispiel spätere Vernachlässigung, verhindert werden. so unterschiedlich wie die lebenssituationen und schwierigkeiten der jungen Mütter und Väter, so vielfältig gestaltet sich auch das spektrum der angebote von »startklar«: Ganz gleich, ob es sich dabei um die unterstützung bei der suche nach einer Hebamme, die Vermittlung bei schwierigkeiten mit der arge, die eventuell gewünschte Kontaktaufnahme mit dem Jugendamt oder die Hilfe bei der Betreuung älterer Kinder während eines Krankenhausaufenthaltes der Mutter handelt. neben diesen individuellen Hilfestellungen für junge Familien ermöglichen unterschiedliche Gruppenangebote, so beispielsweise das »Café startKlar«, den regen austausch mit

Für einen guten start ins leben

anderen Eltern, den aufbau und die Pflege sozialer netzwerke sowie die Gelegenheit von weiteren angeboten zu erfahren und an diesen zu partizipieren. Während die Eltern im rahmen dieser Gruppe ein Mal wöchentlich eine breitgefächerte, themenspezifische Beratung in anspruch nehmen können, werden die Kinder in den räumen der Diakonie professionell betreut. »Den Erfolg unseres Projekts macht vor allem das niedrigschwellige angebot aus. Es ist für viele Familien sehr wichtig zu wissen, dass sie jederzeit die Möglichkeit haben, Hilfe anzunehmen«, fasst Kathleen Franzke ihre persönlichen Eindrücke zusammen. Das interdisziplinäre team des Projekts pflegt eine engmaschige Kooperation mit weiteren Einrichtungen, um das netz der Hilfsleistung für junge Mütter so dicht wie nur irgend möglich zu stricken. ziel der initiative ist es aus diesem Grund, ein kombiniertes Beratungsund unterstützungsangebot, »Frühe Hilfen« genannt, als standard für alle Familien in Wuppertal zu verankern, damit einem guten start der jungen Familien in das gemeinsame leben nichts mehr im Wege steht. Sonja Mengering


EMK-DiaKoniE: Wir MElDEn uns zu Wor t

Helfen und Heilen

Drei starke Partner: Das Pflegenetz Chemnitz Das Pflegenetz in Chemnitz ist eine Kooperation von zwei starken diakonischen Einrichtungen und einem bewährten Partner der ambulanten rehabilitation in Chemnitz. Das Pflegenetz Chemnitz bietet folgende leistungen für Patienten, die sich innerhalb der o.g. Einrichtungen befinden, an: • Koordination der verschiedenen Behandlungsphasen. • angebot eines persönlich abgestimmten medizinischen und pflegerischen Gesamtkonzeptes unter Einbeziehung der sozialen und psychischen lebenssituation. • Persönliche Beratung, die den medizinischen und pflegerischen Bereich umfasst. um die Patienten in den verschiedenen Phasen der Behandlung ihrer Krankheit bestmöglich zu unterstützen, arbeiten die zeisigwaldkliniken Bethanien Chemnitz eng mit der stadtmission Chemnitz e. V. und der aDMEDia reha GmbH zusammen. Wenn der Patient es wünscht, können schon im Krankenhaus die notwendi-

gen schritte für die zeit danach eingeleitet werden. Der sozialdienst und die Überleitungsschwester der stadtmission Chemnitz kommen zu den Patienten ans Bett, um Pflegemaßnahmen mit ihnen abzustimmen und es kann durch die unterstützung der diakonischen Einrichtungen der stadtmission Chemnitz ein auf die Patienten persönlich abgestimmtes Gesamtkonzept angeboten werden, in dem die soziale und psychische lebenssituation berücksichtigt ist. Die stadtmission Chemnitz ist träger von vier altenheimen sowie zwei sozialstationen in Chemnitz und Kemtau, die die häusliche Krankenpflege ebenso übernehmen wie die hauswirtschaftliche Versorgung. Mit der Mobilen Behindertenhilfe bietet die stadtmission zudem einen Behindertenfahrdienst und eine individuelle schwerstbehindertenbetreuung in ihrem eigenen Wohnraum an. Darüber hinaus können selbstverständlich alle weiteren angebote der stadtmission genutzt werden, wie Betreutes Wohnen, die Hausnotrufzentrale, Essen auf rädern, telefonseelsorge, lebens- und suchtberatung.

Mit aDMEDia haben die zeisigwaldkliniken Bethanien Chemnitz einen erfahrenen Partner für die verschiedenen ambulanten therapiemöglichkeiten nach der Entlassung, vor allem im Bereich der ambulanten rehabilitation. Physiotherapie und Ergotherapie runden das ambulante angebot ab. Des Weiteren können zahlreiche Präventionsmöglichkeiten wie aqua-Fitness, nordic-Walking, rückenschule, Ernährungsberatung, Entspannungs- sowie Herz-Kreislauf-training zur sportlichen Bewegung und aktiven Entspannung genutzt werden. Eine Vielzahl dieser Kurse wird von den meisten Kostenträgern mit bezuschusst. Herzgruppen bieten ihnen die Möglichkeit, in einem geschützten rahmen sport zu treiben und wichtige schritte auf dem Weg zur rehabilitation zu gehen. alle Einrichtungen haben sich mit einem Kooperationsvertrag bereits 2005 zur zusammenarbeit verständigt, damit den Patienten der drei Einrichtungen ein umfassendes netzwerk für die Betreuung und Versorgung zur Verfügung steht. Frank Eibisch

21


22

Helfen und Heilen

EMK-DiaKoniE: Wir MElDEn uns zu Wor t

Brückenschlag Können die seelsorgerinnen und seelsorger eine neue Brücke zwischen den Einrichtungen der Diakoniewerke und den benachbarten Gemeinden schlagen? Wie können die Gemeinden eine Brücke in die Einrichtungen schlagen? Es gibt positive Beispiele, aber es gibt auch noch viel Entwicklungspotential.

1. Kirche am Krankenhaus in Bethanien Hamburg gibt es im Diakoniewerk eine Gemeinde mit Gottesdiensten und abendgottesdiensten, einem schwesternchor, Bibelstunden, Konzerten, Festen und Kleingruppen. alle zwei Wochen wird durch die Krankenhausseelsorge ein »Patientengruß« verfasst und durch schwestern im Krankenhaus verteilt. Die Patienten werden so regelmäßig zu den Veranstaltungen eingeladen. Hier kommt also die Kirche – mindestens eine Gemeinde – dem Krankenhaus ganz nahe.

2. Gemeindegottesdienst in der Altenpflegeeinrichtung in Bethanien Heidelberg wird jährlich ein Gottesdienst der nachbargemeinden im Krankenhaus oder in einer der altenpflegeeinrichtungen gehalten, für den die Krankenhausseelsorgerin verantwortlich ist. im Gottesdienst wirken Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Einrichtungen mit. anschließend gibt es aktuelle informationen über die Veränderungen und Planungen im Krankenhaus und in den altenpflegeeinrichtungen. Beim gemeinsamen Mittagessen werden Kontakte geknüpft oder gepflegt.

Drei positive Beispiele von vielen. aber es gibt noch viel Entwicklungspotential. Die Bemühung um ein stärkeres Miteinander wäre für beide seiten ein Gewinn.

3. Mitarbeit im Krankenhaus oft sind es die seelsorgerinnen und seelsorger, die Gruppen oder Einzelne aus den Gemeinden zum Dienst in die Einrichtungen einladen. Chöre oder Musikgruppen gestalten die Festzeiten des Kirchenjahres mit. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus den Gemeinden kommen regelmäßig als Grüne Damen und Herren ins Haus. sie backen gemeinsam Kuchen und regen zu aktivitäten an. Einzelne ehrenamtliche Mitarbeitende haben sich zu seelsorgehelferinnen und -helfern ausbilden lassen und kommen regelmäßig zu Besuchsdiensten. Karsten W. Mohr

Bei Krankheit rundum informiert: Das Bethesda-Programm Ein Krankenhausaufenthalt ist für die meisten Menschen glücklicherweise kein alltägliches Ereignis und wirft bei den Betroffenen im Vorfeld viele unterschiedliche Fragen auf. Dabei geht es nicht nur um wertvolle informationen zur besten Behandlungsmethode sowie Wissenswertes zu allgemeinen medizinischen themen, sondern auch die verschiedenen Möglichkeiten der nachsorge sind in diesem zusammenhang von Belang. um Patienten, Besucher und interessenten auf ihrem Weg zu beraten und zu unterstützen, hat das agaplesion

Bethesda Krankenhaus Wuppertal bereits im Jahr 2000 als erste Einrichtung im Bergischen land das »Bethesda-Programm« ins leben gerufen: Das Bethesda-Programm soll sowohl umfassend und verständlich über alle Hintergründe einer Erkrankung und die in Frage kommenden Behandlungsmöglichkeiten aufklären, als auch im rahmen verschiedener BethesdaFit-Veranstaltungen und reha-sportKurse die ehemaligen Patienten nach dem Krankenhausaufenthalt nicht alleine mit ihren sorgen zurücklassen. in diesem Jahr feiert das BethesdaProgramm ein besonderes Jubiläum: seit nunmehr zehn Jahren strömen jährlich etwa 1500 Besucher in die Cafeteria oder die Kapelle des Wuppertaler Krankenhauses, um von diesem in der stadt damals einmaligen

angebot zu profitieren. Ganz gleich, ob es dabei um Hüft- und Kniegelenkschmerzen im alter, Geburtsvorbereitung, lungensport oder das vieldiskutierte thema Patientenverfügung geht, die Experten des agaplesion Bethesda Krankenhauses Wuppertal stehen den zuhörern rede und antwort. Erst wenn auch die letzte Frage gestellt und beantwortet ist, »wird das licht gelöscht«. Denn der intensive Dialog im rahmen von Vorträgen unterstützt Betroffene bei der Entscheidung für eine bestimmte therapiemöglichkeit und das vielfältige sport- und rehaangebot begleitet die ehemaligen Patienten auf ihrem weiteren Weg. Ein unverwechselbares Konzept, das seit der initiierung mit sicherheit nicht nur in Wuppertal auf reges interesse gestoßen ist. Sonja Mengering

iMPrEssuM FÜr DiEsE EinHEFtunG Herausgeber: Evangelisch-methodistische Diakoniewerke (EmD) • Redaktion für diese Ausgabe: sonja Mengering, aGaPlEsion Bethesda Krankenhaus Wuppertal/stabsstelle Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Kontakt: Bethesda Krankenhaus Wuppertal gemeinnützige GmbH, Hainstraße 35, 42109 Wuppertal, telefon 0202 2902977, E-Mail: sonja.mengering@bethesda-wuppertal.de • Fotos: fotolia/aGaPlEsion


Meine Meinung ::: 21

Für Sie gelesen Widerwort Tilman Jens: Vatermord. Wider einen Generalverdacht Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2010, fest gebunden mit Schutzumschlag, 17,95 Euro. ISBN: 978-3-579-06870-1 Als Tilman Jens vor gut einem Jahr sein Buch »Demenz« über die Krankheit seines berühmten Vaters Walter Jens veröffentlicht hatte, löste dies in den deutschen Feuilletons einen Sturm aus. »Abrechnung mit dem Vater«, »Böser Abschied von einem bösen Vater«, titelten sie. Vorgeworfen wurde ihm auch, er habe seinen Vater »lebendig begraben«. Das konnte der so heftig Gescholtene nicht auf sich beruhen lassen. Aber er unternahm keine juristischen Schritte, sondern verwendete das Mittel, das ihm als Journalisten am ehesten zu Gebote steht: das Wort. Sein Buch greift die Anschuldigungen auf und entlarvt sie nach meiner Überzeugung weitgehend als heuchlerisches Unterfangen. Jens holt dabei weit aus. Er macht sich auf eine Spurensuche zum Thema Vatermord und Ödipus-Komplex. Sie führt ihn in die Mythologien und Dramen der Antike, auch ins Alte Testament, dann in die Literatur der Neuzeit – auch in das berühmter Persönlichkeiten. Das ist spannend und lehrreich auch über den hier im Mittelpunkt stehenden Fall hinaus. Natürlich hat das Buch auch selbstrechtfertigenden Charakter. Aber es ist viel mehr als das und ein Lehrstück darüber, was geschehen kann, wenn jemand öffentlich ein Tabu bricht. Es hat meines Erachtens gezeigt, dass unsere Gesellschaft offenbar Tabubrüche braucht, um offen und ehrlich mit den Menschen und dem, was ihnen im Leben widerfahren kann, umgehen zu können. Hartmut Handt

Religionen Mircea Eliade/Ioan P. Culianu: Handbuch der Religionen Verlag der Weltreligionen, Berlin 2010, 432 Seiten, Paperback, 16 Euro. ISBN: 978-3-458-72014-0 Das Buch stellt auf meist knappe Weise die einzelnen Religionen, zum Teil auch in ihrer Entwicklung und Veränderung, dar. Die Darstellungen sind sehr unterschiedlich lang und reichen von drei bis 25 Seiten (Christentum). Hilfreich sind die Literaturhinweise – weit überwiegend auf deutschsprachige Bücher, leider allerdings nur bis zum Erscheinungsjahr 1990. Ein sehr umfangreiches Personen- und Sachregister und ein ausführliches Inhaltsverzeichnis erhöhen die praktische Verwendbarkeit des Buches. Ein besonderes Interesse der Verfasser besteht darin, die »Systeme« der einzelnen Religionen aufzuspüren. Herausgekommen ist ein Handbuch, das gut lesbar in die religiösen Vorstellungswelten der Menschen von frühester Zeit bis heute einführt und dabei den Blick über die Weltreligionen hinaus auch auf Naturreligionen und religiöse Kulte aller Zeiten und Erdteile ausweitet. Hartmut Handt

Sarrazin und wir Migranten, früher auch »Ausländer« genannt, sind in der Schule schlechter, haben mehr und dümmere Kinder und wollen sich nicht in die deutsche Gesellschaft integrieren. In Kürze könnte man so die Thesen, die der Bundesbankvorstand Thilo Sarrazin in jüngster Zeit verbreitet hat, zusammenfassen. Die Entrüstung war groß: Talkrunden wurden zusammengetrommelt, die Medien stürzten sich auf jeden, der einen Satz dazu sagen sollte oder wollte. Es war wie so oft in unserer ­Mediengesellschaft: Die Debatte war kurz, aber hoch emotional. Und wirkunglos. Das ist traurig und hilft niemanden – außer vielleicht dem Absatz des Buches von Thilo Sarrazin. Aber Krawall machen ist in. Auch deshalb werden moderate Stimmen nicht ­gehört. Dabei gibt es sie – etwa das »Gemeinsame Wort der Kirchen zu den Herausforderungen durch Migration und Flucht« aus dem Jahr 1997. Dort heißt es: »In der Kirche kann es keine ›Ausländer‹ geben, denn alle sind eins in Christus.« Nur auf dieser Grundlage können, ja sollten wir darüber diskutieren, wie Integration in Deutschland gelingen kann. Aufgeregte ­öffentliche Diskussionen helfen da nicht, ­nötig ist der Dialog von Mensch zu Mensch. Warum sprechen wir ausländische Mitbürger nicht einfach an, wenn wir Fragen an sie ­haben? Was hält uns davon ab, in Vereinen und Initiativen vor Ort mit Menschen aus ­anderen Ländern und Kulturen zusammen­ zukommen? Warum sind unsere Kirchen für Christen aus anderen Kulturen und Ländern oft nicht anziehend? Integration ist natürlich eine Aufgabe derer, die in unser Land kommen. Aber wer fordert, muss auch fördern.

Volker Kiemle ist Redaktionsleiter des »unterwegs«. Er lebt mit seiner Familie in Stuttgart.


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.