unterwegs 11/2010

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23. Mai 2010 ISSN 1436-607X

Magazin der Evangelisch-methodistischen Kirche

11/2010

Kirchentag in München:

Ein Fest der Ökumene Hereinspaziert n

Wie wir Kirche für andere sein können. Seite 3

Weg damit n

Das Geschäft mit unseren alten Kleidern. Seite 14

Neubeginn n

Die Evangelische Allianz nach 1945. Seite 24


2 ::: Vorweg

So erreichen Sie uns: Redaktion »unterwegs« Telefon 069 242521-150 E-Mail: unterwegs@emk.de Aboservice: 0711 83000-0

kurz gesagt

Einen neuen General­ Vor krankmachenden sekretär bekommt die Got tesbildern hat der ­Europäische Evangelische Tübinger Theologe HansAllianz. Der Niederländer Joachim Eckstein gewarnt. Niek M. Tramper Insbesondere die Vorstel­wurde am lung, bei genügend Gott­ 22. April bei der vertrauen würden Christen Jahres­konferenz in jedem Fall von Krankheiim ­türkischen ten geheilt oder mit Reich­Badeort ­Kusadasi tum und Wohlstand gesegzum Nachfolger von net, könne ­Gordon Showell-Rogers schwere see(London) gewählt, der nach lische Schäden elf Jahren im Amt zur Weltanrichten, weiten Evangelischen sagte Eckstein ­Allianz wechseln wird. bei einer Tagung in Tübingen. Ein solAlle monotheistischen ches Leistungsdenken sei Religionen beten zum der ­Bibel fremd. Die von Je­selben Gott. Das hat die sus Christus verkündigte Deutsch-Türkin Zülfiye Botschaft sei, dass Gott die Kaykin gesagt, die die erste Menschen »voraussetzungsmuslimische Milos, aber keineswegs folgennisterin in Nordlos« liebe. Ein gesunder rhein-Westfalen Glaube zeichne sich dadurch werden könnte. aus, dass er Kraft gebe, in »Ob ich Gott einem mit Jesus Christus oder Allah sage, verbundenen Leben auch ist einerlei«, sagte die Schwachheit, Krankheit und 41-Jährige. Ferner plädierte Sterben zu akzeptieren. Kaykin dafür, dass LehreUMNS/idea

Ti tel sei te: Ökumenischer K irchentag

13,4 Millionen Euro für rinnen an der Schule ein Haiti haben Mitglieder der Kopftuch tragen dürften, EmK gespendet. Davon wenn niemand daran An­gehen rund acht Millionen stoß nehme. Diese Regelung Euro in ein Hilfsprogramm gilt in Nordrhein-Westfalen für den Wiederaufbau. Das auch für Kruzifixe in den Projekt ist auf drei Jahre Klassenzimmern. angelegt und soll mindestens 30.000 Menschen hel- »Pro Christ« 2013 kommt fen. Die Arbeit wird in Portaus Stut tgart. Vom 3. au-Prince, ­Tabarre und bis 10. März 2013 sollen Croix-des-Bouqets begindie Abendprogramme von nen. Schwerpunktmäßig der baden-württembergigeht es darum, Wohnraum, schen Landeshauptstadt per Wasser und NahrungsmitSatellit an über 1.000 Orte tel bereitzustellen sowie übertragen werden. Wie bei Schulen wieder aufzubauen. sechs vorangegangenen Außerdem soll auch die Evangelisationen soll P ­ farrer psychologische Betreuung Ulrich Parzany (Kassel) der sichergestellt werden. Hauptredner sein.

Fotos: DE A / SPD / elk-wue.de

»Wenn die Kirche nicht dient, dient sie zu nichts.« Auf diese einfache Formel hat der französische Bischof Jacques Gaillot die Daseinsberechtigung der christlichen Kirchen gebracht. Das klingt selbstverständlich, ist es aber nicht: Auch in unserer eigenen Kirche stehen wir immer in der Gefahr, uns nur mit uns selbst zu beschäftigen. Die kommenden Jährlichen Konferenzen sind da wieder ein Prüfstein. Die Themen jedenfalls sind dazu geeignet, über den eigenen Tellerrand hinauszublicken (siehe »unterwegs« 10/2010). Dass diese Offenheit zum Wesen von Freikirchen gehört, hat der Zweite Ökumenische Kirchentag gezeigt: Erstmals waren Freikirchen im Präsidium vertreten, in der Vorbereitung und in den Gottesdiensten spielten Freikirchler tragende Rollen. Bischöfin Rosemarie Wenner hat beim Abschlussgottesdienst eine von drei Kurzpredigten gehalten, die EmK in München war Ort zahlreicher offizieller Veranstaltungen. Nicht zuletzt in der Gestaltung des EmK-Standes ist deutlich geworden, dass Methodisten sich von jeher als Brückenbauer zwischen den Konfessionen verstehen. Solche offiziellen Auftritte sind aber nicht möglich ohne die vielen Brückenbauer, die sich Tag für Tag in unseren Gemeinden für andere engagieren. Zwei ermutigende Projekte stellen wir in dieser Ausgabe vor. Denn sie füllen die Hoffnung, von der beim Kirchentag so viel die Rede war, mit Leben. Ihr Volker Kiemle


Kirche für alle ::: 3 Ökumenischer Kirchentag

Eine Partnerschaft mit und für die Menschen Als Kirche für die Menschen vor Ort hat die EmK-Gemeinde in Hamburg-Hamm 2008 das »WesleyCenter« gegründet. In unmittelbarer Nachbarschaft zur Christuskirche werden dort Menschen gestärkt und in schwierigen Lebensumständen begleitet. Die Gemeinde will das aber nicht alleine leisten, sondern in gleichberechtigter Partnerschaft mit den Bürgerinnen und Bürgern des Stadtteils.

Foto: Mat thias H. Gerwien

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on den rund 40 aktiven Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die alle ehrenamtlich arbeiten, haben rund zwei Drittel vor ihrem Engagement im WesleyCenter keinen Bezug zur Christuskirche gehabt. Im mittlerweile gegründeten Trägerverein sieht es unter den fast 30 Mitgliedern nicht anders aus – selbst im Vorstand hatten zwei von fünf Mitgliedern zuvor keinen Bezug zur Gemeinde. Verstärkung kommt zusätzlich von Kooperationspartnern wie der Hamburger Tafel, dem Freiwilligenzentrum Hamburg oder der Evangelischen Stiftung Alsterdorf. Ebenso wichtig und wertvoll ist die Begleitung der Arbeit durch die Schwesternschaft Bethanien fast von Anfang an. Konkreter Arbeitsschwerpunkt ist derzeit eine wöchentliche Ausgabestelle für Lebensmittel, wie sie zahlreiche Gemeinden anbieten. Etwa 60 Kunden erscheinen jeden Montag, rund 150 Kunden erscheinen mehr oder weniger regelmäßig. An eine vergleichbare Zielgruppe richtet sich auch der mehrmals jährlich stattfindende mehrteilige Kochkurs. Ein Pilotprojekt zum Thema Lebens-, Familien- und Partnerschaftsberatung hat das WesleyCenter in Zusammenarbeit mit der Evangelisch-freikirchlichen Beratungsstelle 2009 durchgeführt. Wenn im Herbst diesen Jahres die grundlegende Renovierung der Christuskirche abgeschlossen ist, wird aller Voraussicht nach in Trägerschaft des WesleyCenters dreimal wöchentlich ein Café geöffnet sein, in dem Menschen mit Behinderungen den laufenden Betrieb unter pädagogischer Anleitung übernehmen und so arbeitsmarktnahe Erfahrungen sammeln können. Dieses Projekt ist nur möglich durch die Zusammenarbeit mit der Evangelischen Stiftung Alsterdorf und ist eine Frucht des gemeindlichen Engagements in der Bürgerplattform ImPuls Mitte, die unter anderem vom internationalen Missionswerk der EmK finanziell unterstützt wird. Weitere Projekte des WesleyCenters sind in der Sondierung. Für die Gemeinde ist das WesleyCenter das Kernstück ihres missionarisch-diakonischen Engagements. Die Gemeinde stellt neben vielen Mitarbeiterinnen

und Mitarbeitern auch die Räumlichkeiten zur Verfügung. Sie hat das WesleyCenter konzipiert und stützt es seitdem. Die Gemeinde wird aber auch beschenkt durch die zahlreichen persönlichen Beziehungen zur Nachbarschaft, die ohne diese diakonische Arbeit nicht entstanden wären. Eine Reihe von Gemeindegruppen und -aktivitäten hat bereits durch das WesleyCenter Zugänge erleben dürfen, einschließlich des Gottesdienstes. Die Tür zur Gemeinde steht weit offen, aber sie zu durchschreiten, ist keine Bedingung, um gemeinsam gute Werke vollbringen zu können. »Das WesleyCenter wirbt um die freiwillige Mitarbeit von Personen gleich welcher religiösen Überzeugung, wenn sie sich mit den Zielen und Grundwerten der Initiative identifizieren können«, heißt es im Selbstverständnis des WesleyCenters – diese respektvolle Haltung ist für die Gemeinde kein Preis, sondern Gewinn. www.wesleycenter.de

Matthias H. Gerwien ist Unternehmensberater und Laienmitglied des Bezirks Hamburg-Hamm.

Baubeginn im Juni: Im neuen Vorbau der Christuskirche wird das »WesleyCenter« ein Café ­eröffnen.


Kirche für alle Kirchentag 4 ::: Ökumenischer

»Sauerteig Gottes« im ehemals sozialistischen Musterdorf Zu DDR-Zeiten wurde Trinwillershagen als sozialistisches Musterdorf gebaut – eine Kirche war nicht vorgesehen. Nach der Wende bat die bürgerliche Gemeinde die EmK um Unterstützung. Daraus ist 1995 der »Triner Familientreff PiTT« entstanden – als »Brückenkopf der Liebe Gottes«.

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Der Pavillon ist das Wahrzeichen der ­Gemeinde Trin. Heute beherbergt er den »PiTT«.

wischen Stralsund und Rostock befindet sich in Trinwillershagen der Triner Familientreff PiTT e.V. der Evangelisch-methodistischen Kirche. Trinwillershagen (Trin), ursprünglich ein kleines Dorf mit etwa 80 Einwohnern, wurde zu DDR-Zeiten ein sozialistisches »Muster-Dorf«. In dieser Zeit wuchs der Ort auf über 900 Einwohner. Eine Kirche gab es in Trin nicht und war nie vorgesehen. Wahrzeichen des Ortes ist der Pavillon, der 1959 errichtet wurde. Dieser Pavillon diente anfänglich als Pionierhaus, später als Café und Gaststätte. Nach der Wende wurden hier Discos veranstaltet. Im Frühjahr 1991 wurde der Pavillon geschlossen und zerfiel zunehmends. Just als sich die Wiepkenhäger EmK-Gemeinde (sechs Kilometer entfernt) über ihre soziale und missionarische Aufgabe Gedanken machte, bot die Kommune der EmK den Pavillon an. Die Gemeinde sollte dort etwas für die Jugend tun. Die EmK nutzte die Chance: Im Juli 1995 wurde der Pavillon mit Grundstück gekauft und zum Neuland-Missions-Projekt erklärt. Nach über zehn Jahren intensivster sozial-missionarischer Arbeit wurde deutlich, dass sich eine Gemeindegründung in einem atheistischen Umfeld nicht so schnell realisieren lässt. Der Neuland-Missions-Status wurde aufgegeben. Geblieben ist der PiTT als sozial-diakonisches Projekt und missionarische Herausforderung.

Was läuft im PiTT und wer wird erreicht? Zweimal, in den Ferien auch dreimal, finden von 15 bis 18 Uhr »Offene Zeiten« statt. Hier können Kinder, Jugendliche und Erwachsene kommen und verschiedene Angebote wie Musik, Spiele, Computer, Darts, Billard oder Tischtennis nutzen. Daneben gibt es inhaltlich ausgerichtete Angebote, mit denen wir Jesus Christus bekannt machen wollen. Dazu gehört der Kinderbibelclub, der Triner Teenie Treff, ein Frühstückstreffen für Mütter, ein Frauenkreis, zwei Hauskreise in Trin und unser PiTT-Gottesdienst für jung und alt. Daneben gibt es die Wesley-Scouts, ein Bandprojekt, den Töpferkreis für Erwachsene, Kreativnachmittage, Männerkreis und Tischtennisspiel. Mit all diesen Angeboten verfolgt die Gemeinde das Ziel, das Licht der Liebe Gottes durch uns leuchten zu lassen. Der PiTT soll ein Brückenkopf der Liebe Gottes der EmK Vorpommern in Trinwillershagen sein. Dabei verstehen wir uns als »Sauerteig Gottes«, der unter die Menschen gemengt werden will, um Menschen und Kommune positiv zu durchdringen. Ermutigende Erlebnisse in unserer PiTT-Arbeit hatte ich erst kürzlich wieder beim Kinderwochenende im PiTT. In der Auswertungsrunde konnten alle benennen, was für sie das Schönste am Wochenende war. Ein siebenjähriges Mädchen, das nicht zu einer Gemeinde gehört, sagte: »Für mich war die Kirche am schönsten« (sie meinte den Familiengottesdienst). Und ein Teeniemädchen, das aus einem nicht-christlichen Elternhaus stammt und zum ersten Mal als »Jungmitarbeiterin« beim Kinderwochenende dabei war, sagte: »Für mich war die Bibellese in der Mitarbeiterrunde am Samstag (um 7.15 Uhr!) das Beste!« Wenn Menschen in Trin Jesus und sein Wort als das Beste erfahren, dann geht für uns die Saat auf und wir können Gott nur danken.

Burkhard Hübner ist Pastor in den Bezirken Vorpommern und Neubrandenburg.

Foto: pr ivat


Ökumenischer Wort auf Kirchentag den Weg ::: 5

foto: York schön

Halleluja! Singet dem Herrn ein neues Lied; die Gemeinde der Heiligen soll ihn loben. Psalm 149,1

Die Gemeinde als Heimat

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hristian hat einen guten Job. Er liebt seine Frau und seine Kinder, auch wenn die Arbeit oft Vorrang vor der Familie hat. Christian hat Erfolg im Leben. Nur für Kirche und Gemeinde kann er sich nicht begeistern. Er meint, das sei etwas für Kinder, Frauen und alte Menschen. Er findet Kirche langweilig, nichtssagend, harmlos. Kirche hat mit seinem Leben einfach nichts zu tun. Haben Sie das auch schon gehört? Oder haben Sie ähnliche Gedanken gehabt? Ich kann Sie beruhigen: »Kirche der Alten« – das war einmal. Als Pastorin einer kleinen Gemeinde in einer norddeutschen Stadt erlebe ich es Sonntag für Sonntag, dass Menschen verschiedenen Alters gemeinsam Gottesdienst feiern. Es hat mich fasziniert zu erleben, wie ältere Menschen voller Begeisterung Lieder aus dem neuen Jugendliederbuch singen. Und die Jugendlichen freuen sich, dass ihre Musik akzeptiert wird. Was habe ich mir vorher für Gedanken gemacht, als unsere Jugendband zum ersten Mal im Gottesdienst auftrat und die gesamte Liedbegleitung übernahm! Ich hatte viele Bedenken – vor allem wegen der Lautstärke. Ich war mir auch nicht sicher, wie die Gemeinde die englisch gesungenen Lieder aufnehmen würde. Aber nach einer kurzen Einführung zum Inhalt der Lieder war das kein Problem mehr. Die Jugendband trat inzwischen sogar bei einem Seniorentreffen auf.

Kein Einzelfall Meine Gemeinde ist kein Einzelfall. Natürlich geht nicht immer alles glatt. Da gibt es kleine Kinder, die es noch nicht gelernt haben, stillzusitzen und »ruhig« zu sein. Aber wir wollten die Kinder doch im Gottesdienst haben – und nun stören sie? Kinder sind nicht die Gemeinde von morgen, sie sind Gemeinde von heute und gehören ebenso wie die Jugendlichen, die Älteren und die ganz Alten dazu. Und deshalb müssen auch sie ihren Platz im Gottesdienst und in unserer Kirche haben. Jesus hat gesagt: »Lasst die Kinder zu mir kommen, und haltet sie nicht zurück, denn für

Menschen wie sie ist Gottes neue Welt bestimmt« (Matthäus 19,14). Überhaupt war Jesus immer für die vom Leben benachteiligten Menschen da. Er redete mit Frauen, die damals nicht viel galten. Er setzte sich an einen Tisch mit Zolleinnehmern, die von den jüdischen Menschen verachtet wurden. Er heilte blinde, lahme und taube Menschen. Für ihn war jeder Mensch wertvoll. Jesus ist auch für die (scheinbar) starken Menschen da und kann deren Leben bereichern. Macht uns das nicht Mut? Vielleicht finden Sie ebenso eine Gemeinde, die Sie so annimmt, wie Sie sind, und in der Sie sich wohlfühlen?

Der Geist der Gemeinschaft Dieses Angenommensein und Wohlfühlen sind für mich ganz wichtig. Wenn ich das nicht spüren kann, dann wird die Gemeinde keine Heimat für mich sein. Wir wollen eine Heimat finden, einen Ort, an dem wir uns wohlfühlen, wo uns niemand komisch von der Seite anschaut, weil wir vielleicht anders sind als andere. »Kirche für Jung und Alt« entsteht nicht von alleine, aber wir können an dem Bau dieser Kirche mitwirken. Und je mehr wir uns mit »unserer« Kirche identifizieren, desto mehr wird es wirklich unsere Kirche werden. Ich erlebe es jede Woche, dass es funktionieren kann. Es ist dieser ganz besondere Geist, der uns Gemeinschaft ermöglicht, der Geist Gottes. So können wir – so, wie wir sind – mit unseren Sorgen und Prob­ lemen, mit unseren Nöten und mit unserer Unvollkommenheit in die Gemeinde kommen. Wir können uns gegenseitig tragen und ertragen in unseren Schwächen und Stärken. Niemand muss allein bleiben. So wird meine kleine Gemeinde für mich zu einer Art Großfamilie, in der ich mich geborgen fühle.

Beate Gläfke ist Lokalpastorin in Friedland und gehört zum Autoren-Team von »für heute«. www.impulse-fuer.heute.de


6 ::: Ökumenischer Kirchentag

Kirchentag: Aufbruch zur Ökumene

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in positives Fazit des Zweiten Ökumenischen Kirchentags (ÖKT) hat die Bischöfin der Evangelisch-methodistischen Kirche in Deutschland (EmK), Rosemarie Wenner, gezogen. »Die Freikirchen waren so präsent wie nie zuvor bei einem Kirchentag. Das ist wirklich ein Fortschritt.« Die Menschen seien sehr motiviert, das Interesse an den Veranstaltungen zur Ökumene sei groß gewesen. »Es ist keine euphorische Stimmung, aber es ist klar geworden, dass Christen sich zusammentun müssen, um etwas zu verändern«, erklärte sie nach dem Abschlussgottesdienst. Dort hatte Wenner vor rund 100.000 Besuchern über den Lobgesang der Maria (Lukas 1,48) gepredigt und dabei auch die vielen Missbrauchsfälle in kirchlichen Einrichtungen angesprochen. Auch ihnen hätten die Mächtigen in der Kirche oft angeraten, Unrecht zu dulden. »›Gott sieht dich!‹– Dieser Satz diente zur Beschwichtigung und Ruhigstellung. Frommer Trost hat Widerstand unterdrückt«, sagte Wenner. »Gott sei Dank brechen heute viele Opfer ihr Schweigen.« Weil

Gott den Menschen wahrnehme, »können wir zu Scheitern und Schuld stehen, auch in den Kirchen.« Beim Schlussgottesdienst appellierten die beiden Präsdenten Alois Glück und Ekhard Nagel an alle Christen, einen neuen Aufbruch zu wagen. »Die Ökumene in Deutschland lebt«, erklärte Glück unter dem Beifall der Teilnehmer. Sie sei »für viele Menschen zu einem selbstverständlichen Teil ihres Lebens geworden«. »Wir brauchen Ökumenische Kirchentage«, sagte Jörg Mathern, der Kontaktmann zwischen ÖKT und EmK. Beziehungen knüpfen, Netzwerke aufbauen, voneinander lernen – das sei für ihn das Wesen des Ökumenischen Kirchentags. »In Gesprächen habe ich neben dem Schmerz über unerfüllte und enttäuschte Erwartungen große Sehnsucht nach einer solchen Form gelebter Ökumene erlebt«, berichtet Mathern. Es sei gut, dass auch die EmK Akzente gesetzt habe. Mit dem Messestand unter dem Thema »Brücken bauen« sei deutlich geworden, dass die Methodisten von Anfang an ökumenische Brückenbauer gewesen seien.


Fotos: EPD(2)/ÖKumänischer K irchentg (2)/ Volker K iemle (2)

Ökumenischer Kirchentag ::: 7

40.000 im strömenden Regen Insgesamt haben nach offiziellen Angaben mehr als 250.000 Menschen den Kirchentag besucht, davon 130.000 Dauerteilnehmer. Ein Publikumsrenner war dabei das Konzert der »Wise Guys«, zu dem trotz strömenden Regens 40.000 Besucher auf die Theresienwiese kamen. Der früheren hannnoverschen Landesbischöfin Margot Käßmann jubelten rund 6.000 Besucher zu, ebensoviele zog der katholische Theologe Hans Küng an. Die Veranstaltungen zum Thema Missbrauch wurden von rund 7.500 Menschen besucht. Bischöfin Wenner begrüßte es, dass dieses Thema kurzfristig ins Programm genommen wurde. »Man hätte nicht darüber hinweggehen können«, erklärte sie. Allerdings könne der Kirchentag kein Forum für die Schicksale einzelner Missbrauchsopfer sein. Bei einer Diskussion hatten Opfervertreter versucht, den Jesuitenpater Klaus Mertes am Reden zu hindern. Mertes hatte im Januar Missbrauchfälle in Jesuitenkollegs öffentlich gemacht. Danach waren immer mehr Fälle bekannt geworden. Bilder und Meldungen unter www.emk.de

Foto-Impressionen vom Zweiten Ökumenischen Kirchentag Oben: 100.000 Menschen feierten beim Abschlussgottesdienst ein Fest der Ökumene. Bischöfin Rosemarie Wenner rief dazu auf, den Lobgesang der Maria heute neu zu hören. Untere Reihe (von links): Überall in der Stadt waren die Kirchentags-Teilnehmer an den orangefarbenen Schals zu erkennen. Rund 3.000 Einzelveranstaltungen lockten eine Viertelmillion Besucher an. Dabei gab es auch eine Gebrauchtkleider-Modenschau. Das Konzert der »Wise Guys« lockte trotz strömenden Regens 40.000 Besucher an. Die Brücke war das bestimmende Element des Messestands, mit dem sich die EmK vorstellte. Dabei konnten sich die Besucher selbst als Brücken­bauer betätigen und eine »LeonardoBrücke« zusammenbasteln.


10 ::: Ökumenischer Kirchentag

Migration verändert Freikirchen Migration verändert auch die Kirchen – vor allem die Freikirchen: Viele Einwanderer suchen in Deutschland Anschluss an Kirchen, die sie aus ihrer Heimat kennen. Wie das Freikirchen herausfordert, darum ging es bei Podiumsgesprächen in der Münchner EmK-Friedenskirche. Dabei wurden auch deutlich, dass die Integration russlanddeutscher Aussiedler als gelungenes Beispiel gelten kann.

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reikirchen wachsen – weltweit. Mit den Migranten kommen deshalb auch viele Methodisten, Baptisten, Pfingstler und andere nach Deutschland. »Freikirchen spiegeln die Migration wider«, erklärte Bischöfin Rosemarie Wenner beim Podium »Migration als Geschenk und Herausforderung für die Kirchen in Deutschland«. Sie betonte, Freikirchen und Gemeindebünde seien offen für diese Menschen und die Gemeinden, die sie gründen. Allerdings müssten die eingewanderten Christen die in Deutschland herrschende theologische Vielfalt anerkennen. Was nicht bedeutet, dass die Einwanderer sich nur anpassen müssen. »Integration in der Kirche heißt, sich in der Mitte zu treffen«, betonte Pastorin Carol Seckel, die Koordinatorin der fremdsprachigen EmKGemeinden in Deutschland. »Integration muss beiderseitig sein«, fügte Jost Stahlschmidt, Pastor vom Bund der Freien evangelischen Gemeinden, hinzu. Allerdings sei das nicht einfach. So gebe es zum Beispiel in Hamburg, wo er ein internationales Café geleitet habe, viele afrikanische Gemeinden, die nicht kooperieren wollten. Klar sei allerdings, dass man die Einwanderer in die Arbeit der hiesigen Gemeinden miteinbeziehen müsse. »Sonst gibt es keine Integration.« Dazu forderte der Missionswissenschaftler Michael Kißkalt »Brückenbauer«, die die Kulturen der Einwanderer und Deutschlands verbinden. Pastor Palmer Appiah-Gyan vom Bund freier Pfingstgemeinden – ein Drittel der Bund-Gemeinden sind nicht deutschsprachig – setzt dabei auf die nächste Generation. »Meine Generation wird sich nicht mehr voll integrieren.« Auch der aus Ghana stammende Pastor stellte klar: »Inte­gration bedeutet, mit uns zusammenzuarbeiten.« Die Einbeziehung russlanddeutscher Aussiedler beschäftigte verschiedene Kirchentage. Auf einem

früheren Christentreffen fand sich die entsprechende Interessenvertretung auch schon mal beim »Artenschutz« wieder. Auf dem zweiten Ökumenischen Kirchentag stehen sie unter der Überschrift »Zentrum Zukunft der Kirche vor Ort«. Edgar L. Born zeichnete diesen mühsamen Anlauf nach, als der Moderator in der EmK-Friedenskirche das »Podium Aussiedlerpastoral« eröffnete. Das Projekt stand unter dem provozierenden Titel »Integration war gestern – Menschen aus der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) in der Gemeinde«. Das Eingangsreferat verschärfte den Begriff. Integration ist demnach natürlich weiterhin eine wichtige Aufgabe der Gemeinden, der Interessenvertretungen der Zuwanderer als auch der kirchenleitenden Gremien. Die Podiumsteilnehmer waren Beispiele gelungener Integration: Ein Kirchenpräsident im Ruhestand, geboren im Baltikum, Beauftragter des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD); ein bischöflicher Visitator, Aussiedlerbeauftragter der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, 1980 ins Land seiner Ahnen gekommen; ein Steyeler Missionar auf den Philippinen, der sich von dort ins ehemalige Ostpreußen senden ließ sowie der Probst aus Kaliningrad. Die Dimensionen der Aufgabe Integration und der darin enthaltenen Chancen können folgende Zahlen aufzeigen: Um vier Millionen Spätaussiedler leben in Deutschland. Davon haben sich selbst die Hälfte bei ihrer Ankunft als evangelische Christen bezeichnet (ein Fünftel als katholisch). Die EKD beziffert deren Anteil an den hauptamtlichen Kirchenmusikern in ihren Reihen auf 15 Prozent und an den Küstern (kirchlichen Hausmeistern) auf 30 Prozent. Die Bereitschaft zur Mitarbeit ist unter den Zugewanderten überdurchschnittlich hoch. Volker Kiemle / Alfred Mignon

Diskutierten in der Münchner Friedenskirche (von links): Bischöfin Rosemarie Wenner, Pastor Frank Wegen, Pastor Gymafi Mensah, Profesor Michael Kißkalt, Pastorin Carol Seckel und Pastor Palmer Appiah-Gyan.


Ökumenischer Kirchentag ::: 11

Wer muss zuerst was tun? Das Verhältnis zwischen Muslimen und der deutschen Mehrheitsgesellschaft ist gespannt: In der Öffentlichkeit werden vor allem radikale Formen des Islam thematisiert, Vorurteile und gegenseitiges Misstrauen prägen die Debatten. Beim Ökumenischen Kirchentag wurde das schwierige Verhältnis im »Zentrum Muslime und Christen im Dialog« mit verschiedenen Veranstaltungen beleuchtet.

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Fotos: Volker K iemle (5) / Cl aus Kellner / Ökumenischer K irchentag

ie Stimmung gegenüber dem Islam ist gereizt.« Was der Trierer Jurist Gerhard Robbers vor Besuchern des Ökumenischen Kirchentags so lapidar feststellte, kann man täglich in Deutschland beobachten: Die Debatten – vom Kopftuch bis zum islamischen Religionsunterricht – sind selten sachlich. Muslime fühlen sich zu Unrecht verantwortlich gemacht für den weltweiten Islamismus. Islamische Hass-Prediger wettern gegen den westlichen Lebensstil, einige Moscheen werden vom Verfassungsschutz beobachtet. Die Vorurteile sind auf beiden Seiten groß. Folgerichtig widmete der Ökumumenische Kirchentag dem Thema ein eigenes »Zentrum Muslime und Christen im Dialog«. Dort gab es Dialogbibelarbeiten, theologische Gespräche, Konzerte und Podien. Dabei ging es um theologische, rechtliche und ethische Grundsatzfragen ebenso wie um ganz praktische Fragen des Zusammenlebens von Muslimen und Christen. In einer Diskussion über die rechtliche Stellung des Islam als Religionsgemeinschaft betonte Bundesinnenminister Thomas de Maizière, dass Muslime in Deutschland grundsätzlich willkommen seien. Allerdings könne der Islam aber nur willkommen geheißen werden, »wenn es eine deutliche Abgrenzung zum Islamismus gibt«. Diese Grenzlinie müssten die muslimischen Verbände selbst ziehen.

Es soll konkret werden De Maizière verteidigte auch die Zusammensetzung der Deutschen Islamkonferenz (DIK) – just einen Tag, nachdem der Zentralrat der Muslime seine Teilnahme abgesagt hatte. Damit fehlen zwei große Moslemverbände in der DIK; den Islamrat hatte der Minister bereits von einer Vollmitgliedschaft ausgeschlossen, weil gegen Funktionäre von »Milli Görüs«, dem Hauptmitglied des Islamrats, ermittelt wird. Es geht dabei unter anderem um Bildung einer kriminellen Vereinigung, Steuerhinterziehung und Geldwäsche. Mit diesen Vertretern wolle er sich »so nicht an einen Tisch setzen«, erklärte der Minister. Die DIK berücksichtige jetzt auch andere große Gruppen von Muslimen, wie etwa Bosnier und Marokkaner. Er erwarte von der Konferenz konkrete Antworten – etwa, wer Imame und islamische Religionslehrer ausbilden soll und welche theologischen

Kriterien dafür gelten sollen. Außerdem solle geklärt werden, ob und wo es Islamophobie in Deutschland gebe. Die Beobachtung einzelner islamischer Vereine sei dafür kein Indiz, betonte er. »Es wird nicht der Islam beobachtet, es werden verfassungsfeindliche Bestrebungen im Umfeld des Islam beobachtet.« Die Grenze sei allerdings nicht immer ganz klar. »Es kann aber keinen religiösen Bereich geben, der von der Beobachtung durch den Verfassungsschutz ausgenommen werden kann.«

»Islam ist demokratiefähig« Vor einem Generalverdacht gegen Muslime warnte Gerhard Robbers. Auch die beiden großen christlichen Kirchen in Deutschland hätten ihr Verhältnis zur Demokratie und zu den Menschenrechten erst in den letzten Jahrzehnten geklärt. Diese Klärung stehe im Islam noch aus. »Der Islam ist demokratiefähig wie die christlichen Kirchen; es wäre gut, wenn substanzielle Äußerungen dazu von muslimischer Seite erarbeitet würden.« Auch der Islamwissenschaftler Bülent Uçar forderte von den islamischen Verbänden klare Grundsatzpapiere zu gesellschaftlichen, politischen und religiösen Fragen – so wie bei den christlichen Kirchen. Zudem müssten sich die Verbände umstrukturieren und die Fernsteuerung aus dem Ausland abstellen. »Wie brauchen auf allen Ebenen mehr Transparenz«, erklärte Uçar. Volker Kiemle

Bundesinnenminister Thomas de Maizière


LEBENSZENTRUM EBHAUSEN

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Freunde! Seit fünf Jahren gibt es Hartz IV – Zeit also, auch im Lebenszentrum Ebhausen Bilanz zu ziehen. Rund 360 Hartz IV-Empfänger haben wir in diesen fünf Jahren aufgenommen, 95 Prozent unserer Bewohner sind Hartz IV-Empfänger. Vom Alltag dieser Menschen lesen Sie auf den nächsten Seiten. Die Berichte unserer Mitarbeiter und auch Bewohner sind nicht aus den Medien entnommen, sondern persönlich erlebt. Besonders wichtig ist mir, dass alle unse-

re aufgenommenen Patienten nach einer erfolgreichen Entwöhnungsbehandlung an erster Stelle Arbeit als ihr wichtigstes Ziel angeben. Danach kommen Wohnung, Freundin und Führerschein. Bei unseren langzeitarbeitslosen Bewohnern scheitert eine Vermittlung in Arbeit nicht an der Faulheit, sondern an fehlenden Arbeitsplätzen und körperlichen oder psychischen Beschwerden. Weil geeignete Arbeitsplätze fehlen, ist es so schwer, aus Hartz IV herauszufinden. Auch wenn im letzten Jahr die Arbeitsvermittlung für Lang-

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zeitarbeitslose (zwölf Personen) gering war, so haben wir in diesem Jahr mit der wirtschaftlichen Erholung mehr Hoffnung, dass unsere Bewohner ein versicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis finden. Aber auch wenn wir alle Maßnahmen und Fördermöglichkeiten ausschöpfen, sind wir auf Gottes Hilfe angewiesen und vertrauen darauf, dass Gott uns immer wieder neue Wege zeigt und Türen öffnet für unsere Bewohner. Mit herzlichen Grüßen Kurt Wegenast

Therapie im Schatten von Hartz IV

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enerell stimmen die Intention des Gesetzgebers, Leistungen für die Sicherung des Lebensunterhal­ tes, der Wohnmöglichkeit und Unter­ stützung der Arbeitsaufnahme zu ge­ währen, mit den Zielen unserer Be­ wohner überein. Die meisten haben das Ziel, Arbeit und Wohnung zu fin­ den, den Führerschein zurückzuerhal­ ten, Schulden zu regulieren und eine neue Partnerschaft einzugehen. Zu Therapiebeginn sind wir in der Regel in den ersten Tagen damit be­ schäftigt, Existenzsicherung zu be­ treiben, das heißt Geld für den alltäg­ lichen Lebensmitteleinkauf sicherzu­ stellen. Dann werden die vielseitigen Beantragungsformulare mit unserer Hilfe ausgefüllt und meist rechtzeitig von der Agentur für Arbeit beschie­ den, sprich das Geld zum Leben ist in der Regel am 1. des Monats auch da. Komplizierte Berechnungen führen je­ doch dazu, dass die Bescheide viel­ fach in Detailfragen fehlerhaft sind und daher von uns sorgfältig gelesen und überprüft werden müssen. Diese Fehler lassen sich leider nicht mehr durch einen Anruf bei der Arbeits­

agentur klären, sondern müs­ sen schriftlich als Wider­ spruch eingereicht werden und führen zu einer Flut von Aufhebungs­ oder Verände­ rungsbescheiden, obgleich es sich oftmals nur um einige weni­ ge nachgezahlte Euros handelt. Der aktuelle Satz für den Lebens­ unterhalt beläuft sich zurzeit auf 359 Euro. Ergänzend dazu erhalten Perso­ nen, die nach der Adaption im Ambu­ lant Betreuten Wohnen leben vom Landratsamt einen Zuschuss für die Mietkosten. Verspätete Zahlungsein­ gänge führen bei unseren Bewohnern häufig zu großer Verunsicherung, die wir in Einzel­ und Gruppengesprächen bzw. durch Kontaktaufnahme mit den zuständigen Leis­ tungsträgern aufzu­ Ein Bewohner fangen versuchen. beim Erstellen von Aktuell ist es be­ Bewerbungen sonders schwierig, nach der Adapti­ onsphase eine klei­ ne Wohnung zu ei­ nem akzeptierten (Hartz IV­taugli­

chen) Mietpreis zu finden. Die maximale Kaltmiete wäre in Ebhausen zur Zeit 216 Euro für einen auf 45 qm begrenzten Wohnraum, damit die Miete vom Amt übernommen wird. Die Miethöhe ist häufig ein strittiges Thema. Auf völliges Unverständnis stößt bei den Bewohnern die gesetzliche Regelung, nur die Kaltmiete und Heizung bei den Unterhaltskosten zu berücksichtigen. Sämtliche weiteren Mietnebenkosten (Warmwasser, Strom, Müll etc.) müs­ sen von den Lebenshaltungskosten abgezweigt und selbst an den Vermie­ ter bezahlt werden. Selbst wenn es einzelnen Bewoh­ nern gelingt, mit dem Hartz IV­Ein­

Gerhard Vogelgs


18 ::: Lebenszentrum Ebhausen

kommen einigermaßen auszukom­ men, so besteht doch eine sehr große Gefahr, daran zu verzweifeln oder sich mit diesem Arbeitslosengeld II einzu­ richten und ein gewisses Dasein als »Sozialrentner« zu fristen. Die Finanzkrise des letzten Jahres hat dazu beigetragen, dass einige Be­ wohner neu aufgenommene Arbeits­ plätze wieder verloren haben, Aus­ sichten auf eine Arbeitsaufnahme und die Hoffnung auf ein baldiges Ende der Arbeitslosigkeit völlig geschwun­ den sind. So hat manch ein Bewohner bis zu 150 gut aufgemachte Bewer­ bungsmappen verschickt und fast aus­ schließlich Absagen zurückerhalten. In vielen Gesprächen versuchen wir, Antriebslosigkeit zu verhindern, im­ mer wieder neu Mut zu machen und die Arbeitsmotivation zu erhalten. Besonders freuen wir uns dann mit Bewohnern, die ein versicherungs­ pflichtiges Arbeitsverhältnis bekom­ men haben und denen ein beruflicher Wiedereinstieg gelungen ist. Armin Rennung, Mitarbeiter im LZE Das Einkommen der Hartz IV-Empfänger verteilt sich auf folgende Ausgabenbereiche (in %): Ernährung Freizeit Bekleidung Einrichtung Wohnung Telefon Verkehr Gesundheit Beherbergung Sonstiges

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Nahrungsmittel, Getränke, Tabakwaren Freizeit, Unterhaltung, Kultur Bekleidung, Schuhe Einrichtungsgegenstände, Möbel, Haushaltsgeräte, Instandhaltung Wohnung, Strom Telekommunikation, Post Verkehr (Bus, Bahn etc.) Gesundheitspflege, Medikamente Beherbergungs­, Gaststättenleistungen Sonstige Waren und Dienstleistungen, insb. Kosten für Hygiene, Körperpflege

132,83 € 39,49 € 35,90 € 28,72 € 25,13 € 32,31 € 14,36 € 14,36 € 7,18 € 28,72 €

Hartz IV und seine Auswirkungen

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er Bezug von Hartz IV hat Auswir­ kungen. Im Blick auf Finanzen, Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, Selbstwertgefühl und Gesund­ heit wird das Alltagsleben drastisch eingeschränkt. Finanzen: Der ALG II­ oder Hartz IV­ Empfänger erhält monatlich zzt. 359 Euro. Je nach Miet­ spiegel des Wohnorts und Höhe der Miete kann der Eigenanteil an den Miet­ kosten bis zu 50 Euro be­ tragen. Im Schnitt bleiben etwa 11 Euro pro Tag für Essen, Hygieneartikel, Kleidung, Praxisge­ bühr etc. Bei Rauchern, was die Meis­ ten unserer Bewohner betrifft, gehen weitere 2 bis 4 Euro ab. Viele haben Schulden zu regulieren und müssen 20 bis 50 Euro monatlich dafür aufbrin­ gen. Telefon, Fahrtkosten, eine Tasse Kaffee und Kuchen, evtl. neue Schuhe werden damit zum absoluten Luxus, von Reparaturen und Anschaffungen (Staubsauger, Waschmaschine …) bzw. Geschenken zu Geburtstagen, Ausgaben für Hobby oder Urlaub ganz zu schwei­ gen. Nur wer gelernt hat, äußerst spar­ sam zu leben, kommt mit den täglichen etwa 11 Euro einigermaßen zurecht. Das hat Auswirkungen auf den Selbstwert. Das Selbstwertgefühl der Betroffenen wird stark von den finan­ ziellen Möglichkeiten geprägt. Wer sich z. B. kaum ein Getränk bei einer öffentlichen, selbst kostenlosen Ver­ anstaltung leisten kann, wird sich dort vermutlich nicht besonders wohlfüh­ len, geschweige denn sich als enga­ gierter Diskussionsteilnehmer zeigen. Eigene oder fremde Festlegungen wie: »Ich habe nichts, deshalb bin ich nichts«, werden somit immer wieder bestätigt. Nicht selten entwickeln sich daraus Einzelgänger mit hohen Rück­ zugstendenzen. Eine häufige Folge: Langeweile, Lustlosigkeit, hoher PC­ bzw. TV­Konsum, wenig Freizeitaktivi­ täten oder Unternehmungen mit an­ deren Menschen, kaum Anschluss bzw. Kontakt an gesellschaftlichem Leben (Verein, Kirche, Herkunftsfamilie …).

Wer von niemand »erwartet« wird, bei dem ist es auch egal, wann er auf­ steht. Die Gefahr dabei ist ein völliger Rhythmuswechsel. Der Tag wird zur Nacht und umgekehrt. Zum Selbst­ wertverlust gesellt sich Sinnverlust. Eine eigenartige Abwärtsspirale kommt in Gang. (Wenig Kon­ takt zu anderen Menschen, kaum oder keine Freunde, den Tag irgendwie »rum­ bringen«, keine Lust zum Kochen, ungesunde Er­ nährung, wenig Bewegung, gehäufte Krankheiten). Man kann sich gut vorstellen, dass die­ ses Selbstbild bei einem Bewerbungs­ gespräch eine entsprechende Wirkung hinterlässt. Um aus diesem Negativ­ kreislauf herauszukommen, braucht es neue Perspektiven, Hoffnung, Sinn. Zum Beispiel kann eine begonnene Partner­ oder Freundschaft zu einem tragfähigen Fundament werden. Die Beschäftigung mit einer guten Bio­ graphie kann neue Gedanken und In­ teressen wecken. Die Bereitschaft, sich sozial, politisch oder kirchlich zu engagieren, bewirkt neue Kontakte und Sinnhaftigkeit. Nicht zuletzt erle­ ben Menschen, die sich auf den christ­ lichen Glauben einlassen, was vor Jahrhunderten im untenstehenden irischen Segen zum Ausdruck kommt. Im LZE machen wir die Erfahrung, dass Menschen, die diese liebevolle, göttliche Zusage persönlich erleben, z. B. durch die konkrete Unterstützung einer christlichen Gemeinde, mit den harten Wirklichkeiten von Hartz IV besser zurechtkommen. Gerhardt Vogelgsang, Mitarbeiter im LZE »Du kannst deine Wege in Frieden gehen. Gott kennt dich mit Namen – nie wird er dich vergessen. Du kannst diesen Tag mit Güte rechnen – Gott vergibt dir deine Schuld. Nie will er dich enttäuschen. Du kannst deinen Wert an der Liebe erkennen. Gott gibt dir alles, was du zum Leben brauchst. So gehe in dem Segen deines Gottes. Dir ist vergeben! Du bist geliebt! Dein Leben ist wertvoll!«


Lebenszentrum Ebhausen ::: 19

Hartz IV und seine Chancen

Arbeitstraining Bewohner beim Computerkurs

N

eben all den problematischen Auswirkungen, die Hartz IV für die Bewohner des Lebenszent­ rums hat, gibt es durchaus auch posi­ tive Aspekte. Viele unserer Bewohner haben sich jahrelang weder um Versi­ cherungsschutz noch um ihre finanzi­ elle Absicherung bemüht. Für jeman­ den, der auf der Straße lebt, hat die tägliche Verpflegung Priorität, Kran­ kenkassenbeiträge oder die Beantra­ gung von Leistungen werden zur Ne­ bensache. Mit dem Erhalt von Hartz IV (Arbeitslosengeld II) ist der Empfän­ ger automatisch bei einer gesetzli­ chen Krankenkasse pflichtversichert. Auch kann er sich von der Zuzahlung bei Medikamenten, Kranken­ hausaufenthalten oder auch der Praxisgebühr befreien lassen, sofern die Belas­ tungsgrenze (zurzeit 43,08 Euro oder 86,16 Euro) über­ schritten wird. Zu unserer täglichen Ar­ beit gehört auch, einen Antrag auf Gebührenbefreiung bei der GEZ zu stellen, was Hartz IV­Empfängern zu­ steht und eine kleine Einsparung bedeutet. Nur wenige unserer Bewohner ha­ ben gelernt, Geld zu sparen und dieses den Monat überblickend planvoll ein­ zusetzen. Dies ist bei einer monatli­ chen zur Verfügung stehenden Summe von 359 Euro aber zwingend notwen­

dig. So passiert es häufig, dass in der Mitte eines Monats kein Geld mehr für Nahrungsmittel zur Verfügung steht. Hilfreich ist daher, dass die Mietkos­ ten – auch im Ambulant Betreuten Wohnen – vom Landratsamt übernom­ men und meist direkt an den Vermie­ ter gezahlt werden. Somit kann einem Wohnungsverlust wegen Mietrück­ ständen vorgebeugt werden. Im Unterschied zur Sozialhilfe sind Arbeitslosengeld­II­Empfänger an die Agentur für Arbeit angegliedert. Der gewünschte Effekt, die Arbeitslosen­ quote erheblich zu verringern, blieb aus. Im Lebenszentrum machen wir jedoch die Erfahrung, dass sich viele Bewohner eine sinnvolle tägli­ che Beschäftigung wünschen und durch die Anbindung an die Agentur für Arbeit berufliche Maßnahmen er­ halten können, welche zu­ mindest vorübergehend ei­ ne Tagesstruktur ermögli­ chen. So sind Bewerbertraining, Computerkurse, Praktika und 1,50 Eu­ ro­ Jobs für manchen Bewohner eine echte Chance, um sich weiterzubilden, den Staplerschein zu machen oder gar in eine Festanstellung übernommen zu werden. Hartz IV ist für die Betrof­ fenen eine enorme Herausforderung – aber es muss nicht zwingend eine Endstation sein. Sarah Mohrlok, Mitarbeiterin im LZE

Das Arbeitstraining stellt im Alltag des Lebenszentrums einen wichtigen Bestandteil dar. Tagesstruktur, (Wie­ der­)Erlernen von Arbeitsfähigkeiten und Vorbereitung für den ersten Ar­ beitsmarkt stehen hier an erster Stel­ le. Um auch zukünftig ein Angebot in diesem Umfang anbieten zu können, haben wir uns eine Schweiß­ und Ein­ schrumpfmaschine zugelegt, welche die eingegangene Ware verschweißt. Die wiederum geht dann über die Zulieferfirma direkt in den Handel. Rainer Keck, Mitarbeiter im LZE

Erfahrungen mit Hartz IV Meine Erfahrungen mit »Hartz IV­Emp­ fängern« beruhen auf meinem Freiwil­ ligen Sozialen Jahr im LZE. Die Betrof­ fenen sind in ihrem finanziellen Spielraum stark eingeschränkt und können an kostspieligeren Frei­ zeitaktivitäten wie Schwim­ men oder ins Kino gehen nicht oder nur sehr begrenzt teilnehmen, da sie sonst mit dem restlichen Geld nicht mehr über den Monat kommen. Ihnen fehlen also die 7 bis 10 Euro am Ende vom Monat spürbar. Auch habe ich bis jetzt nahezu noch niemanden kennen gelernt, der nicht arbeiten möchte. Manche unserer Bewohner ha­ ben nicht einmal genug Geld, um sich mit Grundnahrungsmitteln zu versorgen, weshalb ich denke, dass »ALG 2« zu wenig ist, um damit gesund leben zu können. Florian Mißler0 Freiwillig Sozialer Helfer im LZE0


20 ::: Lebenszentrum Ebhausen

Ein Bewohner berichtet: … Der Staat stellt jedem Obdachlosen und langjährigen Arbeitslosen 359 Euro für den Lebensunterhalt zur Verfügung. Das vom Staat an uns überwiesene Geld sollte uns etwa 30 Tage lang für den Einkauf aller nötigsten Lebensmittel und Utensilien ausreichen! Dabei ist es unwichtig, wie wir es hier versuchen zu rechnen – rein mathematisch ist es unmöglich, bei den hohen Preisen für Lebensmittel und Alltagsgegenständen, die wir jeden Tag in den Supermärkten bezahlen müssen, zu überleben. … An dieser Stelle würde ich persönlich ein halbes Jahr lang einem Politiker gerne zusehen, wie er mit diesem Geld zurecht kommt! Jeder von uns braucht Lebensmittel, Pflegemittel und Bekleidung, dafür gibt es aber keine Ausflüge wie in die Disco, ins Restaurant, ins Kino, keine sozialen Kontakte, etc., weil wir es uns nicht leisten können! ...

Am Sonntag, 4. Juli 2010, feiert das Lebenszentrum Ebhausen e. V. das Jahresfest

Herzliche Einladung an alle Ehemaligen, Spender, Freunde und alle Interessierten. Gottesdienst ist um 10.15 Uhr in der Evan­ gelisch­methodistischen Kirche in Nagold, Freudenstädter Straße 50. Die Predigt hält Pastor Dr. Jonathan Whitlock. 12 Uhr Mittagessen im Lebenszentrum Ebhausen e. V. 14 Uhr Nachmittagsprogramm, gestaltet durch Mitarbeiter und Bewohner

Ein ehemaliger Bewohner schreibt: Im Juni 2008 zur Adaption in Ebhausen angekommen, war ich trocken, aber immer noch arbeitslos. Da es immer wieder Monate gab, wo man jeden Euro mehrmals umdrehen musste, hoffte ich mit Hilfe des LZE Arbeit zu finden. Bereits nach vier Wochen begann ich ein Praktikum von drei Wochen in einer Metallfirma, was mit einem Einjahresvertrag belohnt wurde. Die Zeit verlief sehr positiv, bis die Wirtschaftskrise kam. Nach fünf Monaten Arbeit bekam ich meine Kündigung und war wieder bei null. Früher hätte ich in dieser Situation zur Flasche gegriffen, diesmal schrieb ich Bewerbungen. Es war sehr schwierig, da der Arbeitsmarkt nichts hatte. Die Umstellung vom monatlichen Verdienst zu Hartz IV war schwierig, da Wohnung, Zahnarzt usw. bezahlt werden mussten. Es ist eine Einstellungssache, ob man mit 359 Euro auskommt oder nicht. Meiner Hartnäckigkeit dem Arbeitsamt gegenüber war es zu verdanken, dass ich im Mai einen 1,25-Euro-Job bekam. Im Juni 2009 wurde ich von einem Bekannten in der EmK angesprochen, ob ich mir eine Arbeit in einer Mühle vorstellen könne. Am nächsten Tag sprach ich mit meinem Chef und dem Arbeitsamt und leitete alles in die Wege. Es folgten zweieinhalb Wochen Praktikum, danach wieder 1,25-EuroJob und die Vereinbarung, im September anfangen zu können. Es kam anders als erwartet, da ich bereits im August anfing und bis heute noch tätig bin – Festvertrag. Es lohnt sich, auch bei Rückschlägen weiter nach vorne zu schauen und alles Mögliche zu versuchen. Ich möchte auch allen von der EmK danken, die ich regelmäßig seit 2008 aufsuche, vielen Freunden, zwei Familien, und dem LZE, die mir immer zur Seite stehen.

Geburt Am 5. Januar 2010 haben Natascha und Jonny Ruck ihre Tochter Eva­Marie bekommen. Herr Ruck war 2004 im Lebenszentrum und wohnte im Anschluss bis 2007 in der Außen­ wohngruppe in Nagold. Am vergangenen Jahres­ fest berichtete Herr Ruck über seine langjährige Schuldenregulierung, die er 2009 schuldenfrei beendete. Wir freuen uns mit Familie Ruck über die Geburt ihrer Tochter und wünschen ihnen Gottes Segen.

IMPRESSUM FÜR DIESE EINHEFTUNG Herausgeber: Lebenszentrum Ebhausen e.V. • Verantwortlich: Pastor Kurt Wegenast Anschrift: Carl­Schickhardt­Straße 27, 72224 Ebhausen, Telefon (0 74 58) 99 92­0 Fax (0 74 58) 99 92­22, E­Mail: lebenszentrum@emk.de • Internet: www.emk.de/lebenszentrum Spendenkonto: Evangelische Kreditgenossenschaft Kassel (BLZ 520 604 10), Konto­Nr. 100 417 092 • Fotos: Lebenszentrum Ebhausen e.V.


unterwegsinfo

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Pliezhausen: Anna will’s wissen A nna will’s wissen – und du?« – so war die diesjährige Kinderwoche in Pliezhausen überschrieben. Rund 50 Mitarbeiter hatten das Programm für die Kinder vorbereitet. Beim gemeinsamen Teil nach den Workshops wurden einzelne Filmszenen von Anna gezeigt, die die Fragen aufrissen: Woher kommen wir Menschen, wie sieht mein Lebensweg in der Zukunft aus? Woher kommen Ungleichheit und Ungerechtigkeit? Wie umgehen mit Neid und Konkurrenz? Hans Martin Hoyer gab anhand biblischer Geschichten von der

­Schöpfung, von Adam und Eva, von Kain und Abel und vom Turmbau zu Babel darauf Antworten und begeisterte die Kinder. Am Samstag konnten sich alle Kinder in einer Spielstraße austoben und am Sonntag wurde in einem Familiengottesdienst noch einmal alles zusammengefasst. Dank des guten Wetters konnte die Kinderwoche größtenteils im Freien stattfinden und nach dem Gottesdienst mit einem gemeinsamen Grillmittag­ essen auf der Kirchenwiese erfolgreich beendet werden. Hilde Schwaiger

Fotos: Pr ivat

Informationswochenende an der THR Z ehn interessierte Personen hatten sich zu drei Tagen ­geballter Information und persönlichen Austausches am zweiten Maiwochenende bei der Hochschule der EmK (THR) angemeldet. Zum Auftakt sprach Rektor Jörg Barthel über die Fragen: Was ist Theologie? Warum und wozu studiert man Theologie? Die Gäste, die aus ganz unterschiedlichen Situationen nach

Reutlingen gekommen waren, nahmen die Anregungen in intensiven Gesprächen auf. Im Zentrum des Wochenendes standen dann acht Lehrveranstaltungen, in denen sich die Vielfalt theologischen Arbeitens zeigte. Jeder Gast konnte vier davon besuchen. Eine Einführung in die Studienorganisation fehlte

Der 6. Lauf für das Leben startet am 17. Juli startet im Pforzheimer Enzauenpark. In diesem Jahr werden Sponsorengelder für Hilfsprojekte ­unserer Kirche in Sierra Leone gesammelt. Die fünf veranstaltenden Gemeinden des Verbunds Enzkreis präsentierten Anfang Mai die Laufzeitung als neues zusätzliches Werbemittel. Im großen Zeitungsformat und mit einer Auflage von 15.000 soll sie der Werbung

für den Lauf noch einmal mehr Gewicht geben. Sie kann zum Auslegen und Weitergeben ­bestellt werden. www.lauf-fuer-das-leben.de

Der Bundesrat der WesleyScouts tagte in diesem Jahr in Eisenach. Rund 400 Menschen werden inzwischen durch die Arbeit der methodistischen Pfadfinder in den 18 aktiven »Stämmen« erreicht. Wesentlichen Anteil an diesem Erfolg

ebensowenig wie der Genuss eines städtischen Kulturangebotes. Den Abschluss bildete der Besuch des Gottesdienstes in der Reutlinger Erlöserkirche. Christof Voigt

kurz &bündig hatte in den vergangenen fünf Jahren der Initiator Pastor Steffen Klug, der sein Amt als Bundeswart jetzt abgegeben hat. Ihm folgt Andreas Heeß, der zusammen mit den Konferenzvertretern Regina Baumgärtel (SJK), Kathrin Mittwollen (NJK) und Christine Vogel (OJK) den Bundesrat bildet. www.wesleyscouts.de


22 ::: unterwegs info

persönlich Au fgeno mmen Berlin-Stadt ::: am 6. Dezember Annegret Schwotzer und Sibylle Weinknecht. Duisburg-Hamborn ::: am 29. November, Andreas Rüdig (42). Kassel ::: am 9. Mai Sabrina Holzhauer (19) und Ingrid Quer (69). Neuruppin ::: am 2. Mai Adolf Schlag (69) und Renate Stahl (69). Pfullingen ::: am 2. Mai Jan Krauß (29). Reutlingen-Betzingen ::: am 25. April Anne Mann (27).

W i r g r at u l ie ren Aalen ::: Johannes Blümel zum 101. Geburtstag Delmenhorst ::: Irmgard und Bernd Onnen zur goldenen Hochzeit. Geislingen/Steige ::: Gisela und Wolfgang Wegst zur goldenen Hochzeit. Göppingen ::: Helga und Günter Götze zur goldenen Hochzeit; Ernst Helzle zum 90. Geburtstag. Kassel ::: Gesine und Fritz Fuß zur goldenen Hochzeit; Lydia Kabisch zum 90. Geburtstag.

wowannwas Te r mine Stuttgart-Bad Cannstatt ::: Christuskirche (Mainstraße 69), 23. Mai, 10 Uhr, Frühstücksgottesdienst: Eine Feder auf dem Atem Gottes, Der Heilige Geist, Hildegard von Bingen und wir.

S eminar e Friedrichsdorf ::: »EmK, 29. Mai, 14 Uhr, »Sag mir, Schwester, woher du deine Kraft nimmst! Wenn Frauen die Bibel

Marbach am Neckar ::: Elsbeth Gahr zum 90. Geburtstag. Nürtingen ::: Katharina Batt zum 100. Geburtstag. Ostfildern-Nellingen ::: Maria und Rolf Maier zur ­goldenen Hochzeit. Schwarzenberg ::: Sieglinde und Manfred Fritzsch zur goldenen Hochzeit; Marianne und Kurt Prager zur goldenen Hochzeit. Ulm-Zionskirche ::: Erika Görlitz zum 90. Geburtstag. Winnenden ::: Christine und Walter Frick zur diamantenen Hochzeit. Wuppertal-Barmen ::: Hedwig Hinz zum 90. Geburtstag. Zschorlau ::: Marga Pretzsch zum 90. Geburtstag.

Heimgegangen Bielefeld ::: Gerhard Schwake am 24. April, 85 Jahre. Breitenbrunn ::: Fritz Weißbach 18. April, 73 Jahre. Bremen ::: Christa Heißenbüttel am 26. März, 81 Jahre; Gertrud Contzen am 24. April, 97 Jahre. Burkhardtsdorf ::: Ilse ­Drummer am 24. April, 96 Jahre.

lesen«, Begegnungstag der Region Hessen; Referentin Hannelore Knöller. Informationen und Anmeldung unter 069 309763.

Vor träge EmK Weltmission ::: Inke Johannsen und Edgar Lüken berichten über ihre Arbeit in Namibia und im südlichen Afrika: Westerstede ::: EmK (Norderstraße 4), 25. Mai, 19.30 Uhr, Gemeindeabend. Edewecht ::: EmK (Oldenburgerstraße 10), 26. Mai, 19 Uhr, Gemeindeabend.

Schwäbisch Hall ::: Helene Krämer am 26. April, 83 Jahre. Weinsberg ::: Robert Richter am 1. Mai, 64 Jahre.

Chemnitz-Friedenskirche ::: Ruth Petzold geborene Meier am 19. April, 90 Jahre; Pastor Günter Ringeis am 28. April, 82 Jahre. Ellefeld ::: Dora Gahler am 27. März, 87 Jahre. Freudenstadt ::: Martha Würfele geborene Bohnet am 16. April, 96 Jahre. Kassel ::: Martha Berger geborene Engelhardt am 27. März, 93 Jahre; Ruth Lenz geborene Werner am 21. April, 87 Jahre. München-Friedenskirche ::: Gotthold Böhm am 2. Mai, 79 Jahre. Nürnberg-Zionskirche ::: Gerda Wormsdorf am 13. April, 90 Jahre; Frieda Waldmann am 22. April, 97 Jahre. Oelsnitz ::: Ilse Gappel geborene Hertel am 13. April, 96 Jahre. Pforzheim ::: Siegfried Schölch am 11. April, 92 Jahre. Pfullingen ::: Wilfried Sontheimer am 19. April, 53 Jahre; Elsbeth Hipp am 29. April, 71 Jahre. Rodewisch ::: Gottlob Scheibner am 19. April, 95 Jahre. Ronshausen::: Hartmut ­Bettenhausen am 6. Mai, 68 Jahre.

Am 7. April verstarb in Stuttgart Hildegard Gähr, geborene Henke, im Alter von 97 Jahren. Sie wuchs in Degerloch bei Stuttgart auf. Nach der Trauung mit Pastor Willi Gähr im Jahr 1938 führte sie ihr gemeinsamer Weg zunächst nach Ulm und ein Jahr später dann in den damaligen Bezirk München-Augsburg. Von dort wurde Pastor Gähr 1940 zum Militärdienst eingezogen. Innerhalb von nur zwei Monaten wurden Hildegard Gähr 1944 gleich drei schwere Verluste zugefügt: Die Pastorenwohnung in München wurde ausgebombt. Hildegard Gähr kam mit ihrer dreijährigen Tochter in die Nähe von Ingolstadt, wo das erste und einzige Kind auf tragische Weise in einem Bach ertrank. Beim Versuch, diese Nachricht ihrem Mann mitzuteilen, musste ­Hildegard Gähr erfahren, dass dieser bereits einen Monat zuvor im Lazarett verstorben war. Diese schlimmen Ereignisse blieben zeitlebens eine offene Wunde bei Hildegard Gähr. Sie ­kehrte zurück ins Elternhaus nach

Oldenburg::: EmK (Ofener Straße 1), 27. Mai, 19.30 Uhr, Gemeindeabend. Velbert ::: Kreuzkirche (Hardenbergstraße 50), 28. Mai, 19 Uhr, Gemeindeabend »Feierabend« mit gemeinsamem Essen. Recklinghausen::: EmK (Limperstraße 34), 29. Mai, 19.30 Uhr, Gemeindeabend. Bochum ::: EmK (Alleestraße 48), 30. Mai, 11 Uhr, Gottesdienst. Claudia und Thomas Günther berichten von ihrer Arbeit in Cambine, Mosambik ::: Schönheide Fuchsstein ::: 24. Mai, 9 Uhr, Gottesdienst. Scheibenberg

::: Ev. Kirche, 14 Uhr, Gottesdienst zum Missionsfest. Kirchberg ::: EmK, 31. Mai, 19 Uhr, Missionsabend. Lobenstein ::: EmK, 1. Juni, 19 Uhr, Missionsabend. Reinsdorf ::: EmK, 2. Juni, 15 Uhr, Seniorenkreis. Zwickau ::: Friedenskirche, 3. Juni, 19 Uhr, Missionsabend. Albernau ::: EmK, 4. Juni, 15 Uhr, Missionsnachmittag. Schönheide ::: EmK, 6.Juni, 9 Uhr, Gottesdienst. Rodewisch ::: EmK, 7. Juni, 19 Uhr, Missionsabend. Dittersdorf ::: EmK, 8. Juni, 14.30 Uhr, Kreis 60+ & Einsiedlertreff. Drehbach ::: EmK, 8. Juni, 19.30 Uhr, Missionsabend.

N achrufe

Mehr : gs-Hinweise Veranstaltun ww. http://w gen.emk.de veranstaltun


unterwegs info ::: Meine Meinung ::: 23 23

Degerloch, fand Arbeit bei der Stadt Stuttgart und half tatkräftig, die Familie ihrer Schwester mit zu versorgen, die ebenfalls schon früh vestarb. Die letzten fünf Jahre verbrachte Hildegard Gähr im Seniorenzentrum Martha-Maria. Ihrer Gemeinde war Hildegard Gähr ein Leben lang in großer Treue verbunden. Hier hatte sie ihren Platz und fand die Kraft zum Glauben, Lieben und Hoffen – allem erlittenen Schmerz zum Trotz. Ihren persönlichen Halt fand sie in Worten wie dem 23. Psalm oder auch in Jesaja 49, 23: »Du wirst erfahren, dass ich der Herr bin, an dem nicht zuschanden werden, die auf mich harren.« Diese Verheißung hat sich für Hildegard Gähr erfüllt. Sie ist nicht irre geworden an ihrem Herrn, ihr Glaube hat sich bewährt. Helmut Rothfuß Am 29. April hat Gott Pastor i. R. Joachim Putzke heimgeholt und ihn vom Hoffen zum Schauen geführt. Am 27. Juni 1930 wurde er in Liegnitz/Schlesien geboren und verbrachte die meiste Zeit seiner Kindheit in Cranzahl im Erzgebirge, wo er auch den Beruf des Elektrome-

chanikers erlernte. Er stellte sich dem Ruf Gottes und der Kirche und wurde Pastor. Nach dem Studium in Frankfurt und in Bad Klosterlausnitz schickte ihn die Kirche für ­kurze Zeit nach Reichenbach, Oederan und Leipzig-Kreuzkirche. 1961 ging es für zehn Jahre nach ­Z schopau und danach für 13 Jahre in den Bezirk Niederdorf/Lößnitz. Ab 1984 bis zum Ruhestand 1993 versah er seinen Dienst in DresdenFriedenskirche. Von 1970 bis 1992 war er Konferenzschatzmeister. Bis in die letzten Tage tat er treu Dienst an der Orgel. Sein Dienst war verbunden mit seiner Frau Edith, die er 1959 heiratete. Drei Kinder wurden ihnen geschenkt. Schwer getroffen hat ihn, als seine Frau 1998 ins Koma fiel, aus dem sie bis heute nicht erwachte. Täglich hat er sie besucht. Sein Tod hinterlässt eine schmerzliche ­Lücke. Seine Art, mit Leid in der ­Familie umzugehen, das gelebte Gottvertrauen und seine Hoffnung sind uns ein bleibendes Zeugnis. Psalm 17,15 hatte er für die Trauerfeier ausgewählt: »Ich aber will schauen dein Antlitz in Gerechtigkeit, ich will satt werden, wenn ich erwache, an deinem Bilde«. Friedbert Fröhlich

Ru ndf u nk im Internet radio m kompakt: Podcast-­ Magazin – engagiert. radio m im Gespräch: PodcastGespräche über den Glauben. radio m Themen: Berichte und ­Reportagen. radio m ­Andachten: ­Kostenlos zu abonnieren: www.radio-m.de radio m bei Klassik Radio (bundesweit) Andachten »Carpe diem«: 31.5. bis 5.6. | kurz nach 6 Uhr: mit Anja Kieser;

Sonntagsmagazin »Klassik und ­Kirche«: sonntags | 7–8 Uhr: mit Kerstin Vogel.

Radio AREF – Christen ­machen Musik, sonn- und feiertags von 10-12 Uhr. www.aref.de und UKW 92,9 MHz (Großraum ­Nürnberg) ERF Jeden Donnerstag, 20 Uhr, Bilanz, mit Horst Marquardt.

Das Zauberwort Es gibt ein Zauberwort, das früher einmal eine Tugend benannte, das aber im Laufe der letzten Jahre in Misskredit geraten ist: Sparen. Genuss sofort, so heißt heute die Devise, und wenn das Portemonnaie das nicht hergibt, richtet es ein Kredit. Die Folge: Wer mehr ausgibt als er einnimmt, geht irgendwann pleite. Dann aber ist äußerste Sparsamkeit geboten – Verzicht, der weh tut. Das gilt nicht nur für Einzelne, sondern auch für Staaten. Griechenland ist ein Beispiel dafür. Aber nicht nur Griechenland ist davon betroffen, auch in unserem Land muss gespart werden. Die Schulden sind haarsträubend. Die Ausgabenpolitik lautet offensichtlich: Hier mal ein paar zig Milliarden, dort mal ein paar zig Milliarden. Es kann wohl noch eine gewisse Zeit so weitergehen. Wenn aber das griechische Desaster auf Dauer an uns vorübergehen soll, dann muss gespart werden. Wenn aber die öffentliche Hand wirklich anfängt zu sparen, geht das Geschrei los: Sparen ja, aber doch bitte nicht bei mir! Jede gesellschaftliche Gruppe hat ihre guten Argumente, warum gerade sie vom Spargebot ausgenommen sein muss. Am Ende redet jeder vom Sparen, aber keiner fängt damit an. Darum könnte es sein, dass irgendwann ein Verzicht nötig wird, der weh tut. Wir täten gut daran, unseren Zeitge­ nossen vorzuleben, dass es wichtigere Werte gibt als die bezahlbaren, den Glauben zum Beispiel. Dann fiele es vielen vielleicht leichter, dass der Staat auch bei ihnen spart.

Diederich Lüken ist Pastor im Bezirk Stuttgart-Bad Cannstatt.


Die Evangelische Allianz nach 1945 Kirchentag 24 ::: Ökumenischer

Der Weg zur Einheit in Gemeinschaft ist steinig Als die Evangelische Kirche in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg ihre Schuld bekannte, schwieg die Evangelische Allianz noch. Das Schweigen war ein Zeichen des schwierigen Verhältnisses der Allianz zum Nationalsozialismus. Erst im August 1946 formulierte die Leitung so etwas wie ein Schuldbekenntnis – aber gut versteckt, wie Karl Heinz Voigt herausgefunden hat.

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enige Monate nach dem Zweiten Weltkrieg kamen am 18./19. Oktober 1945 Vertreter der Ökumene nach Stuttgart. Sie gaben dem Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) die Gelegenheit, ein Schuldbekenntnis abzulegen. Ein Kernsatz der »Stuttgarter Erklärung« lautete: »Wir klagen uns an, dass wir nicht mutiger bekannt, nicht treuer gebetet, nicht fröhlicher geglaubt und nicht brennender geliebt haben.« Die Evangelische Allianz war zu dieser Zeit noch stumm. War es denn nach der EKD-Erklärung noch nötig, sich zu Wort zu melden?

Tiefpunkte der Allianz zwischen 1933 und 1945 Ein zentrales Anliegen der internationalen Allianz war immer der Kampf für die Religionsfreiheit. Die Londoner Allianzführer beobachteten Deutschland unter diesem Gesichtspunkt. Aber die Allianz schwieg. Anders die Bekennende Kirche. Ende Mai 1934 formulierte sie die Barmer Theologische Erklärung. Die Londoner Allianz nahm das genau wahr und gab im Oktober 1934 eine Erklärung zur Religionsfreiheit ab. Das zeigte sich in der Auswahl der Empfänger dieser Erklärung. Sie wurde über den deutschen Botschafter in London dem Berliner Außenministerium zugeleitet, gleichzeitig mit dem zum Reichsbischof gewählten, aber nicht akzeptierten Friedrich von Bodelschwingh (1877–1946) und Präses Karl Koch (1876–1951) von der Bekenntnissynode. Der Londoner Allianz-Exekutiv-Rat schloss die Allianz aus. Die »Judenfrage« – und die schweigende Allianz Als der Judenchrist Friedrich Weissler (1891–1937) im KZ Sachsenhausen ermordet wurde, protestierte auch die Londoner Allianz. Weissler war – entfernt aus dem Staatsdienst – Kanzleileiter der Bekennenden Kirche. Information Eine umfassendere Studie des Autors zur Evangelischen ­Allianz nach 1945 erscheint im Jahrbuch der ­Freikirchen-Forschung 2011. www.freikirchenforschung.de

Seit Jahrzehnten war im jährlichen Allianz-Gebetsprogramm an einem Abend die Fürbitte für die Judenmission eingeplant. Walter Michaelis, führender Kopf der deutschen Gemeinschaftsbewegung, hatte im Programm-Ausschuss seit 1925 mitgearbeitet. 1937 schied er aus, weil die Fürbitte für die Juden gegen seinen Willen gestrichen wurde. Verstärkt wurden die Vorbehalte gegen die deutsche Allianz in London, als die englische Presse über Bischof F. H. Otto Melle (Methodist) und Paul Schmidt (Baptist) an deren Teilnahme an der ökumenischen Konferenz von Oxford 1937 berichtete. Melle war zu der Zeit Vorsitzender des Blankenburger Komitees, dessen Wirken die Engländer sehr schätzten.

1946: Einhundert Jahre Evangelische Allianz In Berlin wurde vier Tage lang gefeiert. Am 2. September, dem Londoner Gründungstag, gab es einen gottesdienstlichen Empfang: Neben dem Vertreter der Militärregierung waren Gäste aus der Schweiz und aus Schweden ins kriegszerstörte Berlin gekommen, wo ausgemergelte Frauen Steine klopften und sie in Loren für 72 Pfennig in der Stunde wegschoben. Von London war nur ein Brief eingegangen. Der methodistische Allianz-Vorsitzende Superintendent Ernst Scholz hatte alles gut vorbereitet. Er erreichte, dass der Tagesspiegel schrieb: Die Gäste haben sich »zu Sprechern des Friedens und der Einigkeit des christlichen Glaubens über Grenzen hinweg« gemacht. Das klang damals anders als heute. Scholz sandte einen Bericht nach London und schrieb: »Über alle Barrieren von Rasse [!] und Nation hinweg fühlten wir die ›Gemeinschaft der Heiligen‹.« Was sich an Schuld angesammelt hatte, blieb unausgesprochen. In Nürnberg, der »Stadt der Reichsparteitage«, wurde 14 Tage später des Jubiläums im Rahmen einer Glaubenswoche gedacht. Die Redner, Prälat Theodor Schrenk aus Württemberg und Dozent Paulus Scharpff aus Frankfurt, wurden ausdrücklich gebeten, »in keinerlei Hinsicht die Schuldfrage oder politische Fragen zu berühren«. Willy Dietzel, ein zur Freien evangeli-


Ökumenischer Kirchentag ::: 25

Fotos: Archiv der Deutschen E vangel ischen All ianz/ Werner Bayer

schen Gemeinde gehörender Unternehmer, wusste um die ganze Problematik der Allianz. Die Westdeutsche Allianz hatte veranlasst, dass die Schuldfrage auf die Tagesordnung zur Neukonstituierung der Allianz kam. Im Westen haben sie sich – wenigstens im Vorstand – lebhaft und wie es scheint kontrovers anlässlich des historischen Gedenkens in Wermelskirchen mit der Schuldfrage befasst, nachdem der neu konstituierte Vorstand sich damit schwertat.

1946: Neuorganisation des Allianz-Vorstands Die erste Nachkriegssitzung konnte erst am 28. August 1946 in Bad Pyrmont mit fünf noch verbliebenen Vorstandsmitgliedern, zwei Blankenburger Komitee-Mitgliedern und zwei Gästen stattfinden. Die Vorsitzenden waren verstorben. Otto Dreibholz, ein alter Blankenburger, der wieder im Westen lebte, ergriff die Initiative. Pfarrer Walter Zilz wurde zum Vorsitzenden, der Nürnberger Willy Dietzel zum Schriftführer und Karl Fr. Dick, Direktor von Bethesda Wuppertal, zum Schriftführer gewählt. Während in Berlin die Gedenktage begannen, tat sich der neue Vorstand schwer, eine Erklärung abzugeben. Das Protokoll schweigt sich aus. Paul Schmidt, als Gast anwesend, regte an, »einige Bemerkungen über die eingehend besprochene Stellungnahme zur Lage« in ein geplantes »Flugblatt« »einzuflechten«. Die Formulierungen zeigen den sensiblen Umgang mit der eigenen Vergangenheit. Ein »Kleines Flugblatt« zum Jubiläum Während in Berlin die Allianztage stattfanden, beschloss in Bad Pyrmont der Allianz-Vorstand, als geschichtlichen Aufriss ein kleines Flugblatt heraus-

Impressionen von Konferenzen der Evangelischen Allianz in der traditionellen zugeben. Mitten im Text erschienen etwas verdeckt Halle in Bad »eingeflochten« Worte des Bekennens: »Wir bekennen, Bankenburg, dass das Zeugnis der evangelischen Allianz oft nicht Thüringen.

klar und geistesmächtig genug gewesen ist … Wir hätten Leucht- und Salzkraft des Evangeliums beweisen müssen.« Diese Sätze wurden weder im Allianzblatt, noch auf einem Gebetswochen-Programm noch sonst wo nachgedruckt. Das »Flugblatt« enthält keine namentliche Unterschrift. Es heißt lediglich »Der deutsche Zweig der Evangelischen Allianz«.

Londoner Schmerz Durch Probleme mit den Reisedokumenten reisten im Juni 1947 Bischof J. W. Ernst Sommer und bald nach ihm Walter Zilz als Vertreter der Allianz zu unterschiedlichen Zeiten nach London. Beide reisten, um den Kontakt zu erneuern. An den Treffen nahmen auch Vertreter judenchristlicher Organisationen teil. Zilz ging in seiner Rede auf die Schuldfrage nicht ein. Verschiedene Judenmissionen boten Hilfe für die Unterstützung von Juden in Deutschland an. Zilz ging darauf nicht ein. Es waren schwierige Begegnungen. Trotzdem wurde erreicht, dass der Allianz-Senior Martyn Gooch Deutschland im Jahr 1949 besuchte. Der Nationalsozialismus und der Krieg hatten tiefe Spuren hinterlassen. Die Aufgabe, der Einheit der Christenheit einen Weg zu bahnen, bleibt auch unter den schwierigsten gesellschaftlichen Bedingungen bestehen.

Karl Heinz Voigt ist Pastor und ein profunder Kenner der Kirchengeschichte. Er lebt im Ruhestand in Bremen, wo er noch vielfältig publiziert.


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