unterwegs 22/2010

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24. Oktober 2010 ISSN 1436-607X

Magazin der Evangelisch-methodistischen Kirche

22/2010

Märtyrer: Zeugen des Glaubens Fantasie in der Kirche Gräben in der Stadt n

Wie wir die göttliche Logik erkennen können. Seite 9

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Hintergründe zum Protest gegen »Stuttgart 21«. Seite 10

Bibel auf der Insel n

Was Robinson Crusoe mit Methodismus zu tun hat. Seite 20


2 ::: Vorweg

So erreichen Sie uns: Redaktion »unterwegs« Telefon 069 242521-150 E-Mail: unterwegs@emk.de Aboservice: 0711 83000-0

kurz gesagt Christliche Minderheiten ­Religiöse Empfindlichkeiten werden in den Katastrophendürften daher kein Grund gebieten Pakistans bei Hilfsfür ­Einschränkungen der und Aufbaumaßnahmen Medienfreiheit sein. Sensible ­benachteiligt. Das hat das ­Themen wie Zwangsverheichristliche Hilfswerk Open ratung, Burka, Ehrenmord Doors (Kelkheim bei Frankoder sexueller Missbrauch furt am Main) mitgeteilt. dürften nicht tabuisiert Partnerorganisationen in ­werden. Bielefeldt ist ­Pakistan hätten über 1.000 ­Professor für Menschen­ Meldungen dokumentiert, in rechte an der Universität denen Christen von BenachErlangen-­Nürnberg und teiligung bei der Verteilung als erster ­Europäer UN-­ von Hilfsgütern berichten. Sonderberichterstatter für Manche würden zum ÜberReligions­freiheit. tritt zum Islam aufgefordert, wenn sie Hilfe erhalten Pfarrer Volker Schulz ist ­wollten. zum Bischof der Brüder-­ Unität eingesegnet worden. Die Schuld der evangeliDer 52-Jährige ist Pfarrer schen Kirche gegenüber der Herrnhuter BrüderFrauen hat der bayerische gemeine in Basel. Er wuchs Landesbischof Johannes in Königs­feld (Schwarzwald) Friedrich bekannt. Viel zu auf und studierte in Bethel, lange habe sie Frauen den Berlin, Zürich und Heidelgleichberechtigten Zugang berg Theologie. Seinen zum Pfarramt verweigert, Pfarrdienst versieht er seit sagte er beim 75. Jubiläum 1983 in der Brüder-Unität. des bayerischen TheologinSeit 2005 ist Schulz nenkonvents in Nürnberg. ­Präsident der Herrnhuter Unzählige Frauen hätten ­M ission in der Schweiz. »bitter und erniedrigend Das Bischofsamt ist in der ­erfahren müssen, dass ihr ­Brüder-Unität ein seelsorgerZeugnis in der Kirche nichts liches Amt für die gesamte galt«. Das habe tiefe Wunden Kirche. Die äußere Leitung geschlagen. Die bayerische der Kirche gehört nicht zum Landeskirche führte 1975 Auftrag der Bischöfe. gegen erhebliche innerkirchliche Widerstände als eine Mit 35 Millionen Euro der letzten evangelischen ­unterstützt die Bundes­ Kirchen in Deutschland die regierung die Feiern zum Frauenordination ein. 500. ­Jubiläum der Reformation im Jahr 2017. Das erKritik von den Medien klärte Kulturstaatsminister ­müssen Religionsvertreter Bernd Neumann (CDU) aushalten. Das hat der Menkürzlich vor dem Kultur­ schenrechtsexperte Heiner ausschuss des Deutschen Bielefeldt (Erlangen) betont. Bundestags. Jährlich seien »Ohne Meinungsfreiheit gibt fünf Millionen Euro für es auch keine Religionsfreidie Luther­dekade in seinem heit«, sagte er bei einer Etat. ­Tagung in Nürnberg. epd / idea / B. Lassiwe

T itelfoto: Istockphoto

»Gott hat gewonnen!« Dieser Satz ging um die Welt, nachdem eine Rettungskapsel die ersten Bergleute in der chilenischen Atacama-Wüste aus einem eingestürzten Schacht herausgeholt hatte. 70 Tage waren sie in 700 Metern Tiefe eingeschlossen. Am 13. Oktober schafften die Bergungsmannschaften, was viele nicht für möglich gehalten ­hatten: Alle 33 Eingeschlossenen ­wurden wohlbehalten gerettet.
 Die Medien sparten nicht mit Schlagzeilen: »Das Wunder von Chile« oder »Gott ist ein Kumpel« war zu lesen. »Die Erde hat einen Sohn geboren«, sagte ein TV-Reporter vor Ort. Als »Symbol der Hoffung für die ganze Welt« wurde die Rettungsaktion gefeiert. Bilder von betenden Menschen gingen um die Welt.
 Zugegeben: Es fällt mir schwer, manchen Medien den plötzlichen Anfall von Religiosität abzunehmen. Das meiste ist einfach zu dick aufgetragen. Ich bin auch dagegen, religiöse Gefühle medial auszuschlachten. Aber ist es nicht tröstlich zu erleben, dass dort, wo Worte fehlen und das übliche Dauergeschwätz verstummt, Menschen Gott entdecken? Das macht mir Mut, auch in den weit weniger dramatischen Situationen meines Alltags fest mit Gottes Wirken zu rechnen. Wunder gibt es nämlich nicht nur in der Atacama-Wüste, sondern auch direkt vor meiner Haustür.

 Ihr Volker Kiemle
 Redaktionsleiter


Verfolgt um des Glaubens willen ::: 3

Bekehrt zum Gott der Liebe Sadegh Sepheri trat als junger Mann vom Islam zum Christentum über. Trotz vieler Widerstände hielt er daran fest und wurde sogar Generalsekretär der iranischen Bibelgesellschaft. Benjamin Lassiwe hat ihn getroffen.

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ine evangelische Kirchengemeinde, irgendwo in Berlin. 15 Männer und Frauen haben sich am Sonntagnachmittag zusammengefunden, singen persische Lieder, sprechen Gebete. Vor dem Altar steht ein älterer Mann mit Brille, ganz in Schwarz gekleidet. Es ist Sadegh Sepheri. Der ehemalige Generalsekretär der iranischen Bibelgesellschaft trat als junger Mann vom Islam zum Christentum über. »Schon an der muslimischen High-School interessierte ich mich für die Religion«, sagt Sepheri. Aber auf seine Fragen erhielt er nie befriedigende Antworten. Im Iran, noch zur Zeit des Schah-Regimes, machte er sich auf die religiöse Suche. »Ich habe Gottesdienste der Bahaii besucht, aber auch dort wurde ich nicht glücklich«, sagt Sepheri. Ein christlicher Arbeitskollege schenkte ihm ein Neues Testament. Über ihn lernte Sepheri einen Pastor aus Armenien kennen. »Der lud mich in eine Hausgemeinde ein.« Dort machte Sepheri eine Entdeckung: An der Wand hing ein Bilderrahmen, darin drei Worte: »Gott ist Liebe.« »Ich kannte mehr als 1.000 Namen Allahs aus dem Koran, aber dass Gott Liebe ist, habe ich dort nicht gelesen«, erinnert sich der Pfarrer.

Der Iraner begann, im Neuen Testament zu lesen. Regelmäßig besuchte er die Hausgemeinde und ließ sich schließlich taufen. Danach schloss er sich einer presbyterianischen Gemeinde an. »Die dortigen Menschen habe ich nach dem Gottesdienst oft nicht verstanden«, erzählt er. Nach einiger Zeit begann er, seinen Mitmenschen von seiner Taufe zu erzählen. »Mein Chef wurde wütend und beschimpfte mich«, sagt Sepheri. Auf Anweisung seines Chefs musste er abends in ein Haus kommen, in dem ein muslimischer Geistlicher lebte. »Ich sollte mit ihm sprechen und mich von ihm wieder zum Islam bekehren lassen«, sagt Sepheri. »Aber ich habe einen Fehler gemacht: Ich habe gegen den Koran argumentiert, anstatt die Vorzüge des Christentums hervorzuheben.« Sepheri schuf sich Feinde. Ein Killer wurde auf ihn angesetzt. »Ein Mitarbeiter auf dem Basar hat mich davor gewarnt«, sagt Sepheri. »Sonst wäre ich heute schon tot.« Sepheri behielt das Leben, verlor aber seine Arbeitsstelle. Als Traktatverteiler half er in der iranischen Bibelgesellschaft aus. Er besuchte die Bibelschule der presbyterianischen Gemeinde in Teheran. Nach verschiedenen Seelsorgetätigkeiten wurde er zum Pastor ordiniert und begann, als Generalsekretär der iranischen Bibelgesellschaft zu arbeiten. Dann kam die islamische Revolution. Immer wieder wurde der Pastor verhaftet. Schließlich legte man ihm ein vorgefertigtes Geständnis vor, wonach er Spion des Westens gewesen sei, und forderte ihn auf, dieses Papier binnen eines Monats zu unterschreiben. »Als Christ lüge ich nicht, und ich war kein Spion des Westens«, sagt Sepheri. 1989 verließ er den Iran, für immer. Heute ist Sepheri in ganz Europa aktiv. In Berlin und zahlreichen anderen Städten betreut er iranische Gemeinden. Waren es erst nur Flüchtlinge aus den christlichen Gemeinden Persiens, versammeln sich heute auch viele Muslime, die in Europa zum Glauben kamen, in den Gottesdiensten Sepheris. »Seit 1989 habe ich rund 450 Menschen getauft«, schätzt Sepheri.

Foto: Benjamin L assiwe

Benjamin Lassiwe ist freier Journalist und spezialisiert auf Themen rund um Kirche und Diakonie. Er lebt in Berlin.


8 ::: Verfolgt um des Glaubens willen

Der große kleine Unterschied Anhänger aller Religionen werden um ihres Glaubens willen ­verfolgt. Doch während im Islam und im Judentum alle ­gesetzestreuen Anhänger, die sterben, als Märtyrer gelten, hat sich im Christentum ein anderer Märtyrerbegriff durchgesetzt. Der Politikwissenschaftler und Theologe Hüseyin Cicek wirft im Gespräch mit Volker Kiemle einen Blick auf Unterschiede und ­Gemeinsamkeiten.

Und wie ist das im Christentum? Hüseyin Cicek: Ganz anders! Da haben wir Jesus Christus, den Gottessohn, der ein normschaffendes Vorbild für alle Christen ist. Diese »Imitatio Christi«, also die Aufforderung, Christus nachzufolgen, ist für das Christentum grundlegend. Und dazu gehört auch das Leiden, das Jesus Christus durchstehen musste.

Zur Person Dr. Hüseyin Cicek (32) wurde in der Türkei geboren und lebt seit Mitte der 1980er Jahre in Österreich. Ursprünglich ­Alevit, ist er heute römisch-katholischer Christ. Nach einer Ausbildung zum Maurer erlangte er auf dem zweiten Bildungs­weg die Hochschulreife und studierte Politikwissenschaften, katholische Theologie und Zeitgeschichte. Seine Doktorarbeit mit dem Titel »Kriteriologie und Signifikanz des christlichen, des muslimischen und des politischen Martyriums« wurde an der Universität Innsbruck angenommen.

Das ist ein ganz anderes Modell als im Judentum und im Islam! Die Propheten im Islam und Judentum – etwa Mohammed und Moses – sind gleichzeitig Heerführer und geistliche Führer. Das gibt es im Christentum nicht: Jesus ist ein spiritueller Führer und nimmt daher eine ganz andere Rolle ein. In der heutigen westlichen Welt bedeutet Martyrium meist nur, dass jemand gelitten hat. Das verkürzt den Begriff erheblich. Gibt das Martyrium der Religion Sinn? Hüseyin Cicek: In erster Linie ist es Gott, der seine Gesetze und Gebote den Menschen offenbart, auf den sich die Religion gründet! Das gilt für alle drei genannten Religionen. Der Mensch hat die Freiheit, sich an die Gebote zu halten oder nicht. Der Märtyrer ist aber einer, der unter allen Umständen – auch unter Lebensgefahr – an diesen Geboten festhält. Und genau aus diesem Grund haben etwa in der Zeit des Nationalsozialismus viele Menschen dem Regime den Gehorsam verweigert und wurden so zu Märtyrern. Auch im Islam gibt es Bewegungen des gewaltlosen Widerstands – etwa die Gruppe um den Inder »Khan Abdul Ghaffar Kahn«, dessen Gefährten ihr Zeugnis in ihrem gewaltlosen Widerstand gegen die Besatzungsmacht Großbritanniens unter Beweis gestellt haben. Braucht Gott Märtyrer? Hüseyin Cicek: Nein! Gottes Botschaft in Jesus war ja die, dass das Heil für alle Menschen gilt und nicht nur für die Juden. Insofern trat Jesus gegen die ungerechte Ausgrenzung ein, die das Judentum vorgenommen hat. Wenn nun Menschen in Anlehnung an Jesus gegen Ungerechtigkeit auftreten, dann kann ihnen das Martyrium von außen aufgezwungen werden.

Foto: Sar ahC. / pixelio.de

Was genau ist eigentlich ein Martyrium? Hüseyin Cicek: Martyrium wird heute meist gleichgesetzt mit »Leiden« und taucht daher inflationär auf – vor allem in den Medien. Wenn man aber zum Ursprung zurückgeht, so landet man beim jüdischen Begriff »Kiddush Hashem«, was so viel bedeutet wie »Heiligung des göttlichen Namens«. Das heißt, jede gläubige Jüdin und jeder gläubige Jude, die oder der nach den Geboten und Gesetzen des Judentums lebt, ist eine Zeugin beziehungsweise ein Zeuge des Judentums. Stirbt ein solcher Zeuge, wird er gleichzeitig zum Märtyrer. Das ist auch sehr wichtig für das Verständnis des muslimischen Märtyrerbegriffs. Dort heißt der entsprechende Begriff »Fi sabil Allah«, was so viel bedeutet wie »Auf dem Wege Gottes«. Auch hier gilt: Wer alle Gesetze und Gebote beachtet, ist ein Zeuge des Islam und wird, wenn er stirbt, zum Märtyrer.


Verfolgt um des Glaubens willen ::: 9

Die Vision vom Teilen Visionen bringen uns persönlich und als Kirche weiter. Aber wie können wir angesichts aktueller Sparzwänge Visionen überhaupt realisieren? Bischöfin Rosemarie Wenner ermutigt uns, hier nicht die menschliche, sondern die Logik der Bibel anzuwenden.

Foto: Cl aus Kellner / Medienwerk der EmK

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ie Historische Kommission der europäischen me prüfen, sehen wir uns zu logischen Berechnungen methodistischen Zentralkonferenzen lud im gezwungen. Woher nehmen wir die Mittel, um neue August zu einer Tagung nach Budapest ein (siehe Räume zu schaffen? Welche Menschen können wir auch »unterwegs« 19/2010). In den Vorträgen wurde die freistellen, damit sie ungewöhnliche Aufgaben im Zeit von 1945 bis 1965 beleuchtet. Pastor Dr. Johnston Namen der Evangelisch-methodistischen Kirche ausMcMaster aus Irland sprach über friedensbildende Pro- üben? Können wir uns noch visionäres Denken erlauzesse in Kirche und Gesellschaft. Seine einleitende ben angesichts unserer Sparzwänge? Bemerkung klingt in mir nach. Er sagte: »Logik hilft uns, Was in der Bibel vom Umgang mit materiellen Güvon A nach B zu kommen; Vorstellungskraft bringt uns tern steht, entspricht oftmals nicht der Logik, die die überall hin.« Dabei verwies er auf die Vision von Frieden meisten unserer Zeitgenossen anwenden. »Mein Geld und wirtschaftlicher Stabilität, die gehört mir«, so sind wir geprägt, und Charles de Gaulle und Konrad Adenwir wollen möglichst viel davon für Wenn Gott uns die auer entwickelt hatten, um die Ausuns auf die hohe Kante bringen. Jesus söhnung zwischen Deutschland und lädt jedoch ein, Besitz als von Gott anGnade des Gebens Frankreich voranzubringen. Gut zu sehen, das mit den schenkt, wird sein Reich vertrautes Bringt uns visionäres Denken wirkArmen geteilt werden soll. So sammelt unter uns wachsen. man sich unvergängliche Schätze im lich überall hin? Zwingen uns nicht früher oder später Sachzwänge zu logiHimmel. Paulus beschreibt in 2. Korinschen Schritten? Wir entwickeln Ideen, wie unsere ther 9 seine Vision von gegenseitiger Hilfe, die aus Kirche in Zukunft aussehen könnte: Bunter soll sie sein, freien Stücken geschieht: »Euer Überfluss diene ihrem vielfältiger. Wir träumen von neuen Orten und anderen Mangel!« So ermutigt er die Korinther, Geld für die Formen, um Menschen in Not zu dienen. Wir lassen Jerusalemer Urgemeinde zu spenden. uns inspirieren durch Erfahrungsberichte: In England Im Alten Testament ist davon die Rede, dass Gott mieteten Methodisten einen Laden und treffen sich dort der Zehnte gehört. Wir könnten die Abgabe des Zehnmit Arbeitslosen zum Brotbacken. Eine Kirche, die ten auch als geistliche Praxis verstehen, die uns vom nach einer Gemeindefusion leer stand, wurde zu einem Reich Gottes her denken lehrt. Bischof Robert Schnase Jugendtreff umgestaltet. schreibt in seinem Buch »Fruchtbare Gemeinden und Es wäre schön, wenn wir Ähnliches wagen könn- was sie auszeichnet«, Großzügigkeit sei ein Ausdruck ten. Solche Begegnungsstätten sind Orte, wo Brücken der Jüngerschaft. Ich ermutige uns, Zeit zu investieren, gebaut werden zwischen Menschen aus verschiedenen um die Vision des Teilens auszumalen. Wenn Gott uns sozialen Schichten und zwischen Frommen und Ent- die Gnade des Gebens schenkt, wird sein Reich unter kirchlichten. Wenn wir die Realisierung solcher Träu- uns und durch uns wachsen. Rosemarie Wenner


Zeitgeschehen um des Glaubens willen 10 ::: Verfolgt

Stuttgart 21: Warum das Bürgertum protestiert Es geht um mehr. Um mehr als Verkehrspolitik, um mehr als einen Bahnhof, um mehr als Bäume. In der Auseinandersetzung um das Bahnprojekt Stuttgart 21 zeigt sich eine Kluft, die die ganze Gesellschaft erfasst hat und spaltet. Seit am 30. September Wasserwerfer eingesetzt wurden, sind die Fronten zementiert. Alexander Schweda und Volker Kiemle beleuchten die Wurzeln des Konflikts.

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Gebete für den Wald Das und die Stellwände mit Plakaten und Zeitungsartikeln und die roten Kerzen um die Bäume herum zeigen, dass hier kein Feriencamp aufgebaut ist. An der so genannten Blutbuche findet jeden Mittwoch eine Andacht statt. Dort drängen sich jetzt 400 bis 500 Menschen, die ihre Ängste, ihre Sorgen und ihre Wut vor Gott ausdrücken wollen. Sie stehen im Kreis, beten, singen. Sie legen Blätter, Zweige und Gebete auf dem Altar ab und reden vom »Doktor Wald«, in dessen Nähe sie sich gesund fühlen. Sie schweigen und atmen tief die Luft ein. Es sind Mittvierziger im Sakko, junge Leute in Jeans und Anzugträger mit Designer-Brille. Sie könnten genauso gut im Sonntagmorgengottesdienst stehen. »Hilf uns aufeinander zuzugehen und das Gespräch zu suchen«, sagt eine Frau bei den Fürbitten.

Eine Art Klagemauer ist der Bauzaun am Nordflügel des Stuttgarter Hauptbahnhofs. Inzwischen hat sogar das städtische Archiv ­Interesse angemeldet.

Eine andere Frau erzählt von ihrem »Opa-Baum«, den sie jeden Tag umarme. »Und jetzt machen die da oben so eine Sauerei«, sagt sie und weint. Im Baum ströme Gottes Lebensblut, meint ein anderer. Nicht nur die Stimmung ist aufgeheizt. Auch die Sprache ist aufgeladen. Religiöse und militärische Bilder prägen die Ansprachen. Es herrscht eine Art Glaubenskrieg, gerade bei den Umweltschützern, die die Schöpfung glauben verteidigen zu müssen und manchmal Gott selbst angegriffen sehen. Hans-Hermann Böhm, Umweltbeauftragter der württembergischen evangelischen Landeskirche, würde diese »Überhöhung«, wie er es nennt, gerne wieder auf eine Vernunftebene bringen. »Im Alten Testament werden Gestirne entmythologisiert«, erzählt er. »Das würde ich hier auch anraten.« Seiner Meinung nach werden Register gezogen, die sonst nicht gezogen würden. »Ich halte es auch für schwierig, ein Monopol der Auslegung zu beanspruchen«, sagt Böhm. Das sei nicht protestantisch.

Religiös überhöhter Protest Die religiöse Überhöhung hat zugenommen, seit die Polizei Wasserwerfer und Pfefferspray eingesetzt hat. Die Bilder eines alten Mannes, der mit blutigen Augen von zwei Helfern aus der Gefahrenzone weggeführt

FotoS: E vangelisches GemeindeBl att / Volker K iemle

s ist wieder ruhiger geworden um den Stuttgarter Hauptbahnhof. An die vielen Polizisten und Bahn-Wachleute, die überall in kleinen Gruppen herumstehen, hat man sich genauso gewöhnt wie an die Polizeikonvois, die immer wieder ihr zuckend-blaues Licht auf die nächtliche Stadt werfen. Unweit des Bahnhofs, im Mittleren Schlossgarten, herrscht eine fast ausgelassene Stimmung. Dort, wo am 30. September der Staat mit Wasserwerfern und Pfefferspray seine Macht demonstriert hat, haben ein paar junge Menschen Zelte aufgeschlagen. Trommler, Gitarrenspieler und Jongleure zeigen ihre Kunst. Hier haben sich die Hartgesottenen unter den Demonstranten gegen das Bahnprojekt »Stuttgart 21« versammelt. Sie harren dort aus seit der Nacht vom 30. September auf den 1. Oktober, in der in Stuttgart eine neue Zeitrechnung begonnen hat. Mit der Fällung von 25 alten Bäumen bekräftigten die Deutsche Bahn und die badenwürttembergische Regierung ihren Willen, Stuttgart 21 zu realisieren. Jetzt tauchen Flutlichtstrahler die durch einen hohen Stahlzaun gesicherte Brache in gespenstisches Licht. 25 alte Bäume standen hier, gefällt am 1. Oktober 2010 zwischen 1 und 6 Uhr.


Verfolgt um des Glaubens willen ::: 11

wird, sind durchs Land gegangen. Seither sind die frei werdenden Flächen geschehen sollte. Das Projekt Fronten verhärtet – auf beiden Seiten. Auch der Ver- selbst stand nicht zur Debatte. Aber bis zum vergangesuch, mit Heiner Geißler einen Vermittler zu in- nen Frühjahr hatte niemand so recht geglaubt, dass es stallieren, wird von vielen Projektgegnern mit ge- tatsächlich etwas werden würde mit Stuttgart 21. mischten Gefühlen betrachtet. In der Sache, da sind Denn Bahn und Politik hatten jahrelang verhandelt, sich viele sicher, wird es keine Kompromisse geben. zuletzt hatte sich die Unterzeichnung der Verträge Denn der Ärger der Demonstranten geht tiefer. Viele immer wieder verzögert. fühlen sich auch durch die Worte getroffen, die sie sich Auch als im Februar die Finanzierung endlich per vergangenen Wochen von Politikern der Landesregie- Unterschrift geregelt und der erste Prellbock abgebaut rung anhören mussten. Von unduldsamen, wohl- wurde, empfanden viele Menschen das als eine rein standsverwöhnten Berufsdemonstransymbolische Aktion ohne großen ten sprechen Ministerpräsident Stefan Dennoch begannen schon daDie demonstrierenden Wert. Mappus und sein Justizminister Ulrich mals die wöchentlichen DemonstraGoll. Dabei kommt der Protest aus der Bürger fühlen sich von tionen. Sie bekamen immer mehr ZuMitte der Gesellschaft. Die Braven, lauf, zuletzt zählten die Veranstalter den Politikern Fleißigen, politisch eher Konservativen. bis zu 100.000 Teilnehmer. Diese Menverunglimpft. Darunter viele, die an Stuttgarts Halbgen halten die Polizei in Atem. Der höhenlagen und in den besseren StadtHauptbahnhof wird immer wieder zum teilen wohnen. Dort, wo Ruhe erste Bürgerpflicht und Hochsicherheitsgebäude. So sicher, sagen manchen habe Bürgerengagement selbstverständlich ist. Es sind die man sich in Stuttgart lange nicht mehr gefühlt. Leistungsträger, um die die Politik immer wirbt. Sie Die Macht der Ohnmacht fühlen sich nicht ernst genommen und verunglimpft. Für viele ist die massive Polizeipräsenz eher ein Zeichen Das konservative Bildungsbürgertum marschiert mit der Ohnmacht – auf allen Seiten. Sie setzen auch in den Da ist der Manager, Anfang 50, der seit mehr als 30 Vermittlungsversuch mit Heiner Geißler nicht viel Jahren die CDU gewählt hat und im kommenden Hoffnung. »Schon der Auftakt mit der Verwirrung um Frühjahr zum ersten Mal seine Stimme den Grünen den Baustopp war ja symptomatisch«, sagt Helmut geben wird. Oder die sichtlich gutsituierte Frau An- Rothfuß, leitender Pastor des Bezirks Stuttgart-Mitte. fang 60, die sich im Hospizverein engagiert und »Ich glaube nicht, dass eine Vermittlung in der Sache Stammgast im »Hospitalhof«, dem Haus der evan- überhaupt möglich ist – einen halben Bahnhof gibt es gelischen Erwachsenenbildung in Stuttgart, ist. Weiß- nicht.« Ohnehin sei der Protest »Ausdruck einer tiefen bärtige Männer mit hellen Augen, sportliche Berg- Vertrauenskrise in die Politik«. »Wie soll Geißler da steigertypen, Mütter mit ihren Kindern, Geschäfts- vermitteln?« Es könne in diesem Konflikt auch nicht leute im Anzug, junge Kerle in Strickjacken – die die Aufgabe der Kirche sein, sich auf die eine oder wöchentlichen Demonstrationen sind auch ein Spiegel andere Seite zu schlagen. Vielmehr sollte sie auf die des Bildungsbürgertums – konservativ wie progressiv. Formen der politischen Willensbildung und des sozialen Auch wenn viele erst jetzt protestieren: Der Wider- Umgangs Einfluss nehmen. »Da war mit dem Wasserstand ist so alt wie die Pläne. Am Anfang setzte die werfereinsatz am 30. September eindeutig eine Grenze Stadt auf Bürgerbeteiligung – was aber nur hieß, dass erreicht. Mit dieser Machtdemonstration hat sich die Bürger sich Gedanken machen sollten, was mit den meines Erachtens die Schwäche der Politik gezeigt.«

Religiös aufgeladen: Demonstranten haben für jeden ­gefällten Baum ein Kreuz in den Stuttgarter Schlossgarten gestellt.


Familie um des Glaubens willen 12 ::: Verfolgt

So kommen Paare wieder miteinander ins Gespräch Reden, reden, reden: Wenn die Kommunikation stimmt, dann hat die Liebe eine gute Chance, ­Bestand zu haben. Der Tübinger Psychologe, Paartherapeut und Autor Dirk Revenstorf und die ­Paarberaterin Nora Nägele erklären, wie es geht: Mit Ehrlichkeit, Vorausplanung – und der ­Gelegenheit, zu schweigen. Petra Plaum hat daraus fünf Schritte zusammengestellt, wie Ehepartner (wieder) ins Gespräch miteinander kommen.

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ach langer Funkstille habe ich meinem Mann einen offenen Brief geschrieben und ihm mitgeteilt, was ich vermisse und was ich an ihm mag«, erzählt Susanne Schmitz (alle Namen geändert). Sie ist seit 25 Jahren verheiratet. »Das war der Auftakt zu vielen Gesprächen und Unternehmungen.« Herbert Feyerabend, seit 40 Jahren verheiratet, sagt: »Als die Kinder größer waren, entdeckten wir gemeinsam neue Hobbys: Wir machten Tanzkurse, erschlossen uns Wanderwege, suchten uns einen Kegelverein. Jetzt geht uns der Redestoff nie aus.« Marianne Müller, ebenfalls seit 40 Jahren verheiratet, sagt: »Eine lange Ehe ist eben so: Mal möchte man den Partner auf den Mond schießen, dann wieder verliebt man sich neu. Mein Mann und ich streiten uns fast täglich, aber danach lachen wir immer zusammen.« Kommunikation in der Ehe will gelernt sein. Und es kann gelernt werden – auch in Kursen der kirchlichen Erwachsenenbildung. Außerdem gibt es viele Berater. Wie zum Beispiel Dirk Revenstorf, Professor für klinische Psychologie und Paartherapeut. Oder Nora Nägele, Coach für Berufs- und Partnerschaftsfragen.

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Der erste Schritt zur besseren ­Gesprächskultur: Unterschiede anerkennen

Beide Experten kritisieren, dass viele junge Menschen mit überzogenen Vorstellungen eine Beziehung beginnen: Wie im Liebesfilm oder Roman, so soll der oder die Richtige in jeder Hinsicht perfekt zum eigenen Wesen und den eigenen Interessen passen. Revenstorf warnt vor dieser Erwartungshaltung: »Eine Symbiose anzustreben, ist auf Dauer unrealistisch. Männer und Frauen stammen nun mal aus zwei Welten.« Paarcoach Nora Nägele betont, dass jeder besser daran tut, zu akzeptieren, dass Mann und Frau gleiche Gefühle unterschiedlich zeigen. Warum das also nicht anerkennen? Weshalb nicht ab und zu getrennt etwas unternehmen? »Wenn Frau-

en mit Frauen ausgehen und Männer mit Männern, kann jeder dort Weiblichkeit oder Männlichkeit tanken«, gibt Revenstorf zu bedenken. Das belebt auch die Ehe. Vorausgesetzt natürlich, unter Freundinnen und Kumpels wird nicht nur über die »zickigen Weiber« oder »faulen Kerle« hergezogen, sondern eine Partnerschaft grundsätzlich respektvoll behandelt.

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Der zweite Schritt: Die Liebessprache des anderen lernen

Nora Nägele verweist auf die Erkenntnisse ihres ­amerikanischen Kollegen Gary Chapman: »Chapman zählt fünf Sprachen der Liebe auf«, sagt sie: n Lob und Anerkennung n Zeit nur zu zweit n Geschenke n Hilfsbereitschaft n Zärtlichkeit. Sprechen zwei Menschen unterschiedliche Liebessprachen, belastet das die Kommunikation. Auch zwischen Mutter und Kind oder Freunden. Ein typisches Missverständnis zwischen Eheleuten: Der Mann zeigt seine Liebe durch Hilfsbereitschaft, die Frau träumt von Geschenken. Wenn keiner sich bemüht, die gute Absicht hinter dem Handeln des Partners zu sehen, fühlen sich beide zu kurz gekommen. Paartherapeuten können da Dolmetscher sein, zwischen Frau und Mann vermitteln. »Aber auch, wenn nur ein Partner kommt und sich ändert, entsteht ein neues Klima in der Beziehung«, sagt Nora Nägele.

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Der dritte Schritt: Regelmäßig Gelegenheit zum Reden herstellen

Viele Paare verlernen irgendwann, richtig miteinander zu reden. Jahrelang stehen Beruf und/oder Kinder im Mittelpunkt, fürs gemütliche Ausgehen zu zweit


Gemeindeporträt ::: 15

Beeindruckender Reichtum an Gaben Mehr als 260 Bezirke gibt es in der Evangelisch-methodistischen Kirche in Deutschland. Alle haben ihre eigene Prägung. In »unterwegs« stellen wir sie vor. In dieser Ausgabe geht es nach Breitenbrunn. Hier sind wir: Die Gemeinden Breitenbrunn, Antonsthal und Rittersgrün liegen in einer flächenmäßig weit gestreuten Verwaltungsgemeinschaft, in der es im Vergleich zu den meisten Regionen Ostdeutschlands relativ viele Christen in unterschiedlichen Gemeinschaften gibt. Die Umgebung war zu Zeiten der DDR eine beliebte Urlaubsregion. Die Hoffnung, dass dies nach der politischen Wende so bleiben würde, hat sich allerdings nicht erfüllt. Die Ferienwohnungen stehen meist leer oder werden an Studenten vermietet, die an der Berufsakademie in Breitenbrunn lernen. Anfangs haben wir von diesen jungen Leuten Aufbrüche und Impulse für unsere Gemeinden erwartet, bislang blieben sie aber unter sich und brachten sich nicht in unsere Jugendarbeit ein.

Foto: Privat

Das machen wir: Wir versammeln uns jeden Sonntag in Antonsthal und Breitenbrunn zum Gottesdienst, Kindergottesdienst und Kirchenkaffee. Wochentags finden wir uns zu kirchlichem Unterricht, morgendlichen Gebetsgemeinschaften, Bibelstunde und Seniorenkreis zusammen. Breiten Raum nehmen die musikalischen Kreise in der Gemeinde Antonsthal ein. Wir freuen uns, dass es neben Posaunenchor, Gemischtem Chor und Männerchor immer wieder spontane neue Aufbrüche wie Jugendchor und Liedvorträge von jungen Erwachsenen und Kindern gibt. Gerne hätten wir auch wieder Hauskreise nach alter methodistischer Tradition, die entscheidenden Impulse zur Wiederbelebung haben wir aber noch nicht gefunden. So trifft sich einmal im Monat der Gemeindevorstand in Antonsthal zum Bibelgespräch. Warum wir das machen: Unsere Gemeindearbeit dient den Menschen in unserem Lebensumfeld, weil dies der Wille unseres Gottes ist. Für die meisten unserer Gemeindemit-

glieder wäre das Leben ohne ihre Gemeinde unvorstellbar. Dabei dürfen wir gerade dort einen beeindruckenden Reichtum an Gaben entdecken. Wir wollen mit beiden Beinen im Leben stehen und eine Atmosphäre der Echtheit ausstrahlen, die auf unsere Mitmenschen so einladend wirkt, dass sie den Weg zu Gott finden können. Gerade dies lässt sich nach unseren Erfahrungen nicht programmatisch erreichen. Entscheidend ist, was wir im Alltag und in den Gottesdiensten (an Zeugnis) vorleben.

Das haben wir noch vor: Für kleiner und immer älter werdende Gemeinden ist diese Frage am schwersten zu beantworten. Angesichts des Auftrages, den uns Gott gibt, und vor allem angesichts des Reichtums an Gaben in unseren Gemeinden sind wir der Auffassung, dass wir nicht im Traditionalismus erstarren dürfen, sondern gerade jetzt neue Aufbrüche wagen müssen. Unsere Hauptschwierigkeit dabei ist die Unterschiedlichkeit der Auffassungen und Vorstellungen, in welchen Bereichen wir dies tun sollten, damit Neues einerseits segensreich ist und uns andererseits nicht überfordert. Ein hohes Maß an Offenheit, die Art unseres Miteinanders und die Bereitschaft zum Zeugnis sind unserer Meinung nach ein erster wesentlicher Schritt, den wir gehen müssen. Stefan Lenk Bezirk Breitenbrunn n Der Gemeindebezirk Breitenbrunn liegt

im oberen Erzgebirge im Schwarzwassertal zwischen Johanngeorgenstadt und Schwarzenberg. Er umfasst die Gemeinden Breitenbrunn, ­Antonsthal und Rittersgrün. n Zum Bezirk gehören 142 Kirchen­mitglieder und 107 Kirchenangehörige. n Das Gemeindeleben in allen drei Gemeinden ist geprägt von ständig abwandernden Jugendlichen und jungen Familien, deren Arbeitsplätze meist in den alten Bundesländern liegen.


14 ::: Aus Briefen an die Redaktion

leserbriefe Nicht nur wiederkäuen! Zu »Meine Meinung« (21/2010) Natürlich darf jeder und jede in dieser Ecke seine und ihre Meinung äußern. Aber mir ist auch klar, warum Volker Seybold die Aufregung um »Stuttgart 21« nicht so richtig versteht: Wer nur nachplappert, was die Befürworter seit Jahren gebetsmühlenartig wiederkäuen, ohne diese Informationen zu hinterfragen, sollte lieber zu diesem Thema schweigen. Engagierte Bürger und verschiedene Verbände und Vereine haben sich mit Details befasst und sinnvolle Alternativen aufgezeigt, weil sie zu dem Ergebnis gekommen sind, dass dieses Projekt mehr Schaden anrichtet als Nutzen bringt. Aber weil sich die Befürworter (und derzeit noch Entscheidungsträger) seit Jahren taub stellen, hilft nur lautstarker Protest. Nichts gegen Meinungsfreiheit, aber wenn sich die Meinung auf so dürre Fakten stützt, sollte man diese lieber für sich behalten und zugeben, dass man keine Ahnung hat. Matthias F. Kiemle, Stuttgart Es ist in höchstem Maße ärgerlich, dass hier einer seine sehr einseitige Meinung zu Stuttgart 21 exponiert darstellen darf, ohne dass ein begleitender, ausgewogener Hintergrundartikel in derselben Nummer erscheint. Und dies bei einem Thema, das die ganze Republik seit Monaten beschäftigt! Hier soll wohl der Eindruck erweckt und befördert werden, dass man in der EmK eher gegen die meiner Meinung nach sehr verantwortungsbewussten und wohlbegründeten Proteste gegen dieses milliardenverschlingende Großprojekt ist und im Zweifel ob-

rigkeitsgläubig zu sein hat. Unser soziales Bekenntnis lehrt mich da etwas anderes. Karl Ernst Kreutter, Hochdorf Die Meinungsäußerung von Pastor Volker Seybold taugt nicht als Kolumne für eine landesweit verbreitete Kirchenzeitschrift. Der angesprochene Konflikt ist gesellschaftlich und gesellschaftspolitisch über Stuttgart hinaus zu brisant und zu komplex, um auf solch private Weise abgetan zu werden. Dass wir uns recht verstehen: Ich vermisse es sogar sehr, dass die Kirchen – auch meine Kirche – nicht öfter, schneller und immer wieder offiziell und redaktionell zu Erscheinungen und Problemen, die die Menschen nicht nur interessieren, sondern bedrängen, ihre Stimme vernehmen lassen und aus der christlichen Botschaft Wegweisung herleiten. Wer sonst eigentlich sollte in einer immer individualistischer und rücksichtsloser werdenden Welt eine Orientierung vorgeben? Es geht nicht um eine Politisierung der Verkündigung, sondern um ein Eingehen vom Wort Gottes her auf die Dinge, die die Menschen tagtäglich umtreiben, ihnen Sorgen machen und offene Fragen hinterlassen. Das wäre denn auch vielleicht ein wirklicher missionarischer Ansatz, der über die Kirchenwände hinausund möglicherweise sogar wieder auf sie zurückstrahlen könnte. Eberhard Steindorf, Zwickau-Planitz

Annäherung durch Kompromisse? Zu »Frieden ­zwischen Religionen« (20/2010) Zu der erwähnten Podiumsdiskussion, bei der neben Bibellesungen auch eine Sure aus dem Koran zu hören und laut unserer Bischöfin klar erkennbar war, dass man im Namen Jesu Christi, dem Sohn Gottes, zusammen ist: Dort

war mit Sicherheit kein gläubiger Moslem dabei, denn es ist völlig abwegig, dass sich ein solcher mit Christen im Namen des Sohnes Gottes zusammensetzt. Im Koran Sure 9 Vers 30 heißt es: »Die Christen sagen, Jesus sei ein Sohn Gottes. Allah bekämpft sie, von wo aus sie auch lügen.« Damit ist doch alles klar ausgedrückt. Selbstverständlich wollen wir alle Frieden zwischen den Religionen. Dieser Friedenswunsch muss aber auf Gegenseitigkeit beruhen – und da gibt es schon Defizite. Die Moslems respektieren einen klaren Glaubensstandpunkt und sie lachen über uns, wenn wir glauben, durch Kompromisse eine Annäherung zu erreichen. Werner Bitzer, Balingen

Verdiente Personen fehlen Zu »Neuwelt: 40 Jahre Gemeinde­zentrum« (16/2010) Mit Interesse habe ich den Artikel zum 40. Geburtstag des Gemeinde­ zentrums Schwarzenberg-Neuwelt gelesen. Allerdings fehlen zu diesem und zu DDR-Zeiten fast unmöglichen Bauprojekt die Namen der Pastoren G. Weigelt und F. Dietrich, unter deren Leitung nicht nur der Kirchenbau vollzogen wurde, sondern auch die tatkräftiger Mitarbeit auf dem Baugerüst. Außerdem sollte die kirchliche Baubrigade mit Günter Reichelt und Walter Schmidt nicht unerwähnt bleiben, die mit ihrer Tatkraft und hohem persönlichen Einsatz wesentlich zum Gelingen des Kirchenbaues beigetragen haben. K. Dietrich, Erfurt Ihre Leserbriefe erreichen uns am schnellsten per E-Mail: unterwegs@emk.de Leserbriefe geben nicht in jedem Fall die Meinung der Redaktion wieder. Wir behalten uns vor, Leserbriefe zu kürzen. Ein Anspruch auf Veröffentlichung von Leserbriefen besteht nicht.


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Lankwitz: Gemeindezentrum eingeweiht Am 5. September konnte die ­Gemeinde der EmK-Kreuzkirche Berlin-Lankwitz einen großen Schritt machen: Der erste Gottesdienst im neuen Gemeindezentrum wurde mit den Geschwistern aus anderen EmK-Gemeinden als Berliner Gemeindetag 2010 gefeiert. Mit 500 Personen (und 100 Kindern) wurde die Kapazität in der ehemaligen Dachdeckerei gleich ausgenutzt.

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kurz &bündig 40 Jahre Versöhnungskirche feiert die EmK-Gemeinde Neuwelt (siehe auch »unterwegs« 16/2010) in diesem Jahr mit zahlreichen Veranstaltungen. Die nächsten Termine sind: 26. Oktober, 19.30 Uhr, Irish Folk mit Pastor Barry Sloan und Band; 27. und 28. Oktober, jeweils 19.30 Uhr, Themenaben-

In einer ehemaligen Dachdeckerei hat die Gemeinde Lankwitz ein neues Zuhause gefunden.

Plätze besetzt. Viele geladene Gäste, Baufirmen und Nachbarn waren gekommen um gemeinsam mit uns zu feiern. Wir freuen uns sehr darüber, dass viele Fremde und Freunde der Einladung folgten und sind gespannt, was Gott mit uns in Lankwitz tun möchte.

Das Bauprojekt: Nach mehreren Verschiebungen und einigen Hindernissen wurde die Bauabnahme der Kreuzkirche wenige Tage vor dem ersten Eröffungsgottesdienst erfolgreich durchgeführt. Einige Mängel wurden in den letzten Wochen auf-

de zur Bibel mit Pastor Barry Sloan; 30. Oktober, 19.30 Uhr, »Singen, musizieren, erinnern« – ein Begegnungsabend mit den Pastoren Friedmar Dietrich und Gerhard Weigelt; 31. Oktober, 10 Uhr, Festgottesdienst mit Pastor Thomas Fritzsch. Jugenddelegierte gesucht: Im nächsten Jahr beginnt auch für die Süddeutsche Jährliche Konferenz ein neues Jahrviert. Und

gedeckt und mussten mit großem Engagement schnell behoben werden. Trotz Bauabnahme und Einweihung ist noch nicht alles fertig! Manche Räume sind zu Beginn noch gesperrt und einige Mängel sind noch zu beheben. So bleibt auch noch einiges auf der »Baustelle« zu tun, aber wir sind überaus dankbar, dass wir nach dreijähriger Umbauzeit in die alte Dachdeckerei umziehen konnten und neue Freiräume nutzen können. Markus Hinz www.bauprojekt.kirche-mit-­ aufwind.de

mit dem neuen Vierjahreszeitraum sind die Verantwortlichen des Konferenz-Jugendwerks auch auf der Suche nach neuen Jugenddelegierten. Bisher gibt es dafür noch nicht genügend Interessierte. Die Jugenddelegierten werden beim Konferenzjugendtag am 20. und 21. November in Gerlingen gewählt. Informationen per E-Mail: kjwsued@emk-jugend.de www.kjwsued.de

Fotos: privat

icht wegen des neuen Gemeindezentrums war der 5. September ein besonderer Tag für die EmK in Lankwitz: Der gemeinsame Eröffnungsgottesdienst am Berliner Gemeindetag war ein Zeichen der Verbundenheit. Einen ganzen Monat lang gab es danach besondere Veranstaltungen. Die »Einweihungszeit« wurde mit einem Nachbarschaftsfest am 2. Oktober und dem Einweihungsgottesdienst am 3. Oktober abgeschlossen. Am Samstag gab es viele Angebote für Kinder, ein buntes Programm für alle Nachbarn und Gäste, die zahlreich am Nachmittag die neuen Räume angeschaut haben sowie Kaffee, Kuchen und Bratwurst. Auch zum offiziellen Einweihungsgottesdienst am Erntedank-Sonntag waren wieder alle


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Europa im Blick: Jugendrat tagte in Nordirland J

ugenddelegierte und Verantwortliche aus den Kinder- und Jugendwerken der verschiedenen methodistischen Konferenzen Europas kamen Anfang Oktober in Nordirland zusammen, um sich über die Arbeit in den verschiedenen Ländern auszutauschen und gemeinsame Projekte zu planen. Geplant ist unter anderem: n Ein gesamteuropäisches Jugendtreffen im kommenden Sommer in Lettland (www.wesleycamp.net).

Die Mitarbeit am European Methodist Festival im August 2012 in Krakau (Polen). Wie im Jahr 2006 in Bratislava, werden auch für dieses methodistische Festival Teilnehmende aller Altersgruppen aus ganz Europa erwartet. n Ein Swop-Shop für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Arbeit mit Kindern in der Nähe von Göteborg/Schweden im April 2011. »Swop-Shop« meint den Austausch von Ideen- und Ressourcen. n

Die Anmeldung ist über www.methodistyouth.eu möglich. n Die Webseite des Europäischen methodistischen Jugendrats (EMYC) wird nach und nach zur Plattform für den Austausch von Ressourcen für die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen ausgebaut. n Weiter unterstützt der EMYCRat die Durchführung von CinAund IMT-Projekten. CinA steht für Christinnen und Christen in Aktion. Jugendliche aus verschiedenen Ländern nehmen an einem Jugendlager teil, bei dem die gemeinsame Arbeit im Vordergrund steht. IMT steht für »Internationales Mission Team«. So unterstützen derzeit vier Jugendliche aus verschiedenen Ländern Gemeinden und Projekte für Kinder- und Jugendliche in Chemnitz. Stefan Schröckenfuchs www.methodistyouth.eu

Fuhlsbüttel: Lichtblicke auf dem Flughafen A

m 18. September hatte die EmK-Gemeinde HamburgFuhlsbüttel Gelegenheit, sich bei der »Nacht der Kirchen« im Flughafen Hamburg zu beteiligen. Bislang hatten wir Außenstehende zu uns eingeladen, nun jedoch ergab sich die Möglichkeit, einmal selbst ins Licht hinauszutreten und uns einem breiteren Publikum vorzustellen. Und die unerwartet vielen Fragen der zahlreichen Besucher ließen auf ein reges Interesse an unserer Gemeindearbeit schließen. Der Abend wurde gemeinsam mit den dort tätigen FlughafenSeelsorgern gestaltet. In den vier Stunden wurden etwa 160 Besucher gezählt. Das Bergstedter Kammerorchester eröffnete den Abend mit klassischer Musik. Weitere hervorragende musikalische Lichtblicke gingen auch von dem

Gitarristen Kay Schröder aus und einer Band, bei der Franciska SilvaBielecke gefühlvollen Soul vortrug. Ihre Stimme machte viele Fluggäste aufmerksam. Vorträge der Flughafenseelsorger über Flugangst und über Humor als Lichtquelle des Lebens fanden reges Interesse. Mit einer Zusammenfassung von Gedanken zum Thema Bibel und Licht rief Pastor Sebastian D. Lübben die Lichtpunkte der Bibel bei den Zuhörern wieder in Erinnerung – etwa »Es werde Licht« aus 1. Mose 1,3 oder »Ich bin das Licht der Welt« aus Johannes 8,12. Der Abend klang aus mit einem von unserer Singgruppe vorgetragenen Gospel und mit Gesängen und Gebeten bei einem Taizégottesdienst und mit dem Abendsegen. Gunda und Walter Schuldt


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