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20. November 2011 ISSN 1436-607X

Magazin der Evangelisch-methodistischen Kirche

24/2011

Wie sieht es eigentlich im Himmel aus? Blick nach vorn n

Was die Gemeinde in Edewecht bewegt. Seite 8

Vorausschauend n

Was ein gerechter Einkaufszettel bewirkt. Seite 9

Horizonterweiterung n Was

koreanische Methodisten ausmacht. Seite 11


2 ::: Editorial

kurz gesagt Bischöfin Rosemarie Wenner

wird Präsidentin des ­Bischofsrats der internationalen Evangelisch-methodistischen Kirche (EmK). Mit ihr wurde erstmals eine Frau von außerhalb der USA in dieses Amt gewählt. Die 56-Jährige wird ihr Amt im kommenden Frühjahr antreten. Als Präsidentin ­leitet sie die Sitzungen des Bischofsrats, dem alle 69 aktiven sowie die pensionierten Bischöfe der weltweiten EmK angehören. Das Gremium tagt zweimal im Jahr und vertritt in dieser Zeit auch die Generalkonferenz, das alle vier Jahre tagende oberste Entscheidungsgremium der EmK. Wenner ist seit 2005 ­Bischöfin der EmK. runderneuert wurde die

­ ebsite der Hörfunk­ W agentur »radio m«. Jetzt ­sehen die Besucher der Seite auf den ersten Blick immer das Allerneueste: aktuelle ­Radiobeiträge zum Anhören und die eigens für das ­Internet produzierten ­Magazin- und Gesprächssendungen. Ebenfalls ­ausgebaut hat die Hörfunkagentur die ­Möglichkeiten der Nutzer, mit dem Team von »radio m« Kontakt aufzunehmen, Kommentare ­abzugeben oder Manus­ kripte ­anzufordern. www.radio-m.de

So erreichen Sie uns: Redaktion »unterwegs« Telefon 069 242521-150 E-Mail: unterwegs@emk.de Aboservice: 0711 83000-0

Über den Widerstand evangelischer Christen

gegen den Nationalsozialismus informiert eine neue Ausstellung im Internet. Sie

umfasst 584 historische ­Dokumente wie Schrift­ stücke und Fotos sowie ­ Hör- und Filmausschnitte. www.evangelischer-widerstand.de Das Streikverbot in der Evan-

gelischen Kirche in Deutschland (EKD) und der Diakonie bleibt: Die EKD-Synode beschloss zum Abschluss ihrer Jahrestagung in Magdeburg ein Kirchengesetz, das ausdrücklich das umstrittene Streikverbot und den Verzicht auf Aussperrungen vorsieht. Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, die ein Streikrecht in Kirche und Diakonie fordert, kritisiert den Gesetzesbeschluss scharf. Die friedliche Revolution

1989 in der DDR kam nicht »aus der Kirche«. Das erklärte der Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, ­Roland Jahn. Jahn zufolge ist das SED-Regime nicht mit Kerzen und Gebeten ­gestürzt worden, sondern durch die politischen ­Forderungen und »machtvollen Demonstrationen der Bürger auf der Straße«. Die evangelische Kirche sei ­sowohl ein Hort des Widerstands als auch eine Stütze des Staates gewesen: »Die Kirche hat den Raum gegeben, damit sich Menschen austauschen, aber sie hat die Menschen gleichzeitig diszipliniert, ­damit sie mit ihren Forderungen an den Staat nicht zu weit gehen.« So ­seien ­Organisatoren der Montagsgebete in Leipzig 1988/89 von der Kirchen­ leitung »weggedrückt« ­worden. kie/ide

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Foto: UMNS / Titelfoto: Claus Arnold

Ein Stück vom Himmel Dramatisch sind diese Tage und Wochen in Europa: Immer neue Rettungsschirme werden aufgespannt, um bankrotte Staaten zu retten. Politiker jagen von einem Krisengipfel zum nächsten. Es herrscht die Angst vor dem großen Crash. Dabei ist die Krise immer auch ein Medienereignis. So wurde vor einigen Monaten in allen Kanälen der drohende Bankrott der USA breitgetreten. Heute ist kaum mehr etwas davon zu hören – obwohl die Situation nicht besser geworden ist. Die Arbeitslosigkeit ist hoch. Wie dramatische die Lage ist, zeigt sich auch in der wachsenden Zahl von Hilfsangeboten. So haben viele EmK-Gemeinden in den USA umfangreiche Sozialprogramme gestartet, um Menschen die durch die Rezession ihre Arbeit oder sogar ihre Wohnung verloren haben, zu helfen. Auch wenn die Umstände eher niederdrückend sind, so macht es doch Mut zu sehen, wie Menschen einander helfen. Dass sie eben den Kopf nicht in den Sand stecken, sondern etwas tun. Zwar tun sie das immer in dem Wissen, dass es nur Stückwerk ist. Aber es ist ein Stück vom Himmel, das diese Menschen auf die Erde bringen. Gerade zum Ende des Kirchenjahrs und vor dem Advent kann uns so bewusst werden: Wir gehen zwar immer wieder durch dunkle, schwere Zeiten, aber Gottes Liebe verlässt uns nicht. Und wir Christen sind berufen, das Licht dieser Liebe in die Welt zu bringen. Ihr Volker Kiemle


4 ::: Titelthema: Wie sieht es im Himmel aus?

Wie es im Himmel ist ... Niemand weiß, wie es im Himmel aussieht. Auch die Beschreibungen in der Bibel können nur mit Bildern arbeiten, die unserer Lebenswelt entnommen sind. Trotzdem können wir uns auf den Himmel freuen, sagt Pastor Karl Layer. Schließlich hat Jesus Christus selbst vom Himmel gesprochen als dem Ort, an dem »unsere Namen notiert sind«.

haft den Ausdruck »Abrahams Schoß« (Lukas 16,22). Als sich Jesus vor seinem Kreuzestod von seinen Jüngern verabschiedete, hörten sie die Worte: »Ich will euch wiedersehen, und euer Herz soll sich freuen, und eure Freude soll niemand von euch nehmen« (Johannes 16,22).

Glauben und Schauen am Ort der Seligen Ich will die beiden Apostel Paulus und Petrus Jesus an die Seite stellen: Paulus schreibt von sich in der dritten Person – weil er sich dessen nicht rühmen will –, dass er bis in den dritten Himmel und ins Paradies entrückt wurde. Er hörte unaussprechliche Worte, die kein Mensch sagen kann (2. Korinther 12,2–4). Und Petrus, der Apostel der Hoffnung, schreibt in seinem ersten Brief: »Ihn habt ihr nicht gesehen und habt ihn doch lieb; und nun glaubt ihr an ihn, obwohl ihr ihn nicht seht; ihr werdet euch aber freuen mit unaussprechlicher und herrlicher Freude, wenn ihr das Ziel eures Glaubens erlangt, nämlich der Seelen Seligkeit« (1.Petrus 1,8.9). Hier verbindet Petrus den Stand des Glaubens mit dem des Schauens. Nimmt es da noch wunder, wenn wir den Himmel als »Ort der Seligen« bezeichnen? Es gibt im Jenseits auch den Ort der Unseligen. Jesus spricht davon, dass man bis in die Hölle hinuntergestoßen werden kann (Matthäus 11,23). Nicht von ungefähr ist Jesus das Licht der Welt. Wer ihn nicht als seinen persönlichen Herrn annimmt, bleibt in der Finsternis – in diesem und im Leben nach dem Tod.

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ir schreiben das Jahr 1960. Unsere Nürnberger Gemeinde hatte die Zeltmission zu einer Evangelisation eingeladen. Ein günstiger Platz in der Nähe unserer Kirche konnte gefunden werden – mitten in der Stadt. Der Ruf des Evangeliums und die Einladung zu Jesus sollten deutlich wer-

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Foto: Petra Dirscherl / pixelio.de

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ie Post bringt uns eine Traueranzeige ins Haus. Sie trägt die Jahreszahl 2011. Und die Unterschrift der Leidtragenden mit folgendem Satz: »Wir freuen uns auf ein Wiedersehen im Himmel.« Ist dies ein unwirkliches Überspielen der Trauer? Nein! Es ist ein mutiges Bekennen christlicher, bibelbezogener Hoffnung. Ich kenne die Betroffenen gut und weiß, dass hier keine fromme Schauspielerei am Werk ist. Ist das nicht beeindruckend? Woher kommt der Mut, solches zu bezeugen? Ich muss feststellen, dass ich noch nie eine solche Traueranzeige bekommen habe. Im Dritten Reich konnte man unter der Mitteilung eines im Krieg Gefallenen lesen: »In stolzer Trauer.« Passen Stolz und Trauer zusammen? Beides zu verbinden war nur möglich, weil man den Himmel in ein Walhalla umwandelte und die Hoffnung an den »Führer« band. Den biblischen Himmel überließ man »den Engeln und den Spatzen«, wie bereits Heinrich Heine (1797–1856) spottete. Wir sprechen hier von dem Himmel, wie ihn uns die Bibel bezeugt und der für uns noch unsichtbar ist. »Der bestirnte Himmel über uns«, wie ihn der Philosoph Immanuel Kant (1724–1804) beschrieben hat, ist hier nicht das Thema. Dafür ist die Astronomie zuständig. Zuständig für uns ist der, der im unsichtbaren Himmel war und durch eine Geburt als Mensch zu uns auf die Erde kam: Jesus Christus. Aus seinem Mund erfahren wir, dass es im Himmel eine Art »Buchführung« gibt: »Freut euch, dass eure Namen im Himmel geschrieben sind« (Lukas 10,30). Aus seinem Mund hörte der bußfertige Schächer am Kreuz die Worte: »Wahrlich, ich sage dir: Heute wirst du mit mir im Paradies sein« (Lukas 23,43). Mit Paradies bezeichnet Jesus hier den Himmel als Ort der Vollendung nach dem Sterben. In der Geschichte vom reichen Mann und dem armen Lazarus verwendet Jesus hierfür bild-


Titelthema: Wie sieht es im Himmel aus? ::: 5

den. An den Verkündigungsabenden wurde im Vorprogramm viel gesungen und übers Mikrofon auch vorgesungen. Damals schon sehr fortschrittlich! In meiner Erinnerung lebendig ist das Lied »In dem Himmel ist’s wunderschön«. Es wurde weder als sentimental noch als altmodisch abgelehnt, obwohl es ein altes Heilslied ist. Ich habe es in den mir zugänglichen Liederbüchern nur noch in einem uralten Reichsliederbuch gefunden. Keine Angabe der Jahreszahl. Keine Angabe des Verfassers. Ich würde den Verfasser gerne fragen: »Woher weißt du das?« Jede Strophe fängt nämlich mit dem Liedtitel an. Vermutlich würde ich als Antwort alle die Bibelstellen genannt bekommen, die bereits erwähnt sind. Und darüber hinaus die »goldenen Gassen«, die »Perlentore«, das« kristallne Meer«, die »Blätter der Lebensbäume«. Alle diese Aussagen finden sich im letzten Buch der Bibel. Sie nimmt die schönsten und lebendigsten Dinge aus unserer Welt, um den Himmel zu beschreiben. Auch diese, dass »kein Leid, keine Schmerzen, kein Geschrei, kein Tod mehr sein werden« (Offenbarung 21,4).

Das Eigentliche ist unsagbar Übrigens sind dies alles Verneinungen von Erfahrungen, die wir gut kennen. Es wird nur gesagt, was nicht mehr sein wird. Das Eigentliche ist unsagbar. Auch die »Perlentore« sind nur Symbol für das »Unaussprechliche«. Wie sollen wir Erdgebundenen uns das auch vorstellen können, was außerhalb von Raum und Zeit ist! Die Ewigkeit ist jedoch weder raumlos noch zeitlos. Was ist sie dann? Eine andere Form, Art, Existenz von Raum und Zeit? Die Bibel spricht von Äonen in der Mehrzahl: »Jesus Christus, gestern und heute und derselbe auch in die Äonen« (so nach dem Grundtext: Hebräer 13,8). In diesem göttlichen »Äonenprogramm« ist die Zeit der sichtbaren Schöpfung nur ein

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begrenzter Abschnitt mit Anfang und Ende. Geschaffen vom Schöpfer. Wie unsere Lebenszeit. Ich will noch eine Lanze brechen für das alte, so genannte »Herrlichkeitslied«. Ich habe die Zeit mitgemacht, in der man mit beißendem Spott über dieses Lied hergefallen ist. Dabei enthält es kerngesunde Aussagen über unser biblisches Hoffnungsgut. Die zentrale Aussage im Refrain ist nicht zu übertreffen: »Das wird allein Herrlichkeit sein, wenn frei von Weh ich sein Angesicht seh’.« Hier spielen die »goldenen Gassen« nur noch eine Nebenrolle. Auch die »Wohnung im Himmel«, auch »das Wiedersehen mit den vorausgegangenen Lieben« – obwohl dies alles bibelbezogene Aussagen sind. Jesus selbst hat seinen Vater gebeten: »Vater, ich will, dass, wo ich bin, auch die bei mir seien, die du mir gegeben hast, damit sie meine Herrlichkeit sehen« (Johannes 17,23). Und der Apostel Johannes bestätigt dies:« Wir werden ihm gleich sein; denn wir werden ihn sehen, wie er ist« (1.Johannes 3,2). Mit Recht hat deshalb der Bibellehrer Fritz Rienecker seine beiden Bücher über »Das Leben nach dem Sterben« mit dem Titel versehen: »Das Schönste kommt noch.« Wir sind in jedem Jahrhundert – auch im Jahr 2011 – und in jedem Lebensalter nicht über das schlichte Kindergebet hinausgewachsen: »Lieber Heiland, mach mich fromm, dass ich in den (diesen!) Himmel komm’. Amen!«

Karl Layer ist Pastor im Ruhestand. Er lebt in der Nähe von Winnenden (Baden-Württemberg).


Gemeindeportrait Wie sieht es im Himmel aus? 8 ::: Titelthema:

»Wir blicken nach vorn« Mehr als 260 Bezirke gibt es in der Evangelisch-methodistischen Kirche in Deutschland. Alle haben ihre eigene Prägung. Um diese Vielfalt zu zeigen, stellen sich in »unterwegs« regelmäßig EmK-Bezirke vor. In dieser Ausgabe geht es nach Edewecht.

Da stehen wir Nicht nur unser neues Kirchengebäude freut sich über Gäste aus nah und fern, auch uns als Gemeinde ist Gemeinschaft wichtig. Aus diesem Grund bieten wir seit über zwei Jahren unsere »Edewechter Tafelfreuden – Mittagessen für alle« an. Jeder ist eingeladen, ein leckeres Essen und eine liebevolle Atmosphäre für einen kleinen Beitrag zu genießen. Bis zu 70 Personen kommen jeden Montag und lassen sich hineinnehmen in die generationenübergreifende Gemeinschaft.

Kinder spielen eine wichtige Rolle im Edewechter Gemeindeleben.

Die Gemeinschaft steht für uns auch in unseren Gottesdiensten im Mittelpunkt. Daher beginnen wir jeden Gottesdienst mit unseren Kindern, die dann nach einer kindgerechten Ansprache mit einer Kerze in ihren Kindergottesdienst gehen. Mehrfach im Jahr bieten wir auch besondere Gottesdienste für Suchende, Fragende, Kritische und Glaubende an: »PerspekTiefen – der etwas andere Gottesdienst«. Unterschiedliche Gruppen und Aktivitäten prägen das Leben der Gemeinde. So gibt es Hauskreise, Posaunenchor, Band, Treffpunkt Bibel, Seniorencafé und -kreis, Kirchlichen Unterricht und viele weitere Möglichkeiten, um über und mit Jesus zu sprechen, mit ihm zu leben und Neues über ihn zu erfahren. Die ökumenische Zusammenarbeit mit den drei anderen Kirchengemeinden in Edewecht liegt uns

Bezirk Edewecht n Edewecht ist eine Gemeinde mit über 20.000 Einwohnern

und liegt in Niedersachsen im Ammerland in der Nähe von Oldenburg. n Zum Bezirk gehören 101 Kirchenglieder, 100 Kirchenangehörige, vier Kirchenzugehörige und 34 Freunde. Den Gottesdienst besuchen rund 75 Personen. Viele unterschiedliche Gruppen und Aktivitäten prägen unser Gemeindeleben. n EmK Edewecht, Oldenburger Straße 10, 26188 Edewecht, Telefon 04405 4376, E-Mail: info@emk-edewecht.de www.emk-edewecht.de

am Herzen, so dass wir uns auch in die Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen (ACK) einbringen. Gemeinsame Gottesdienste auf dem Frühjahrs- und Herbstmarkt, ein Bücherstand auf dem Weihnachtsmarkt und die Friedensdekade sind nur einige Beispiele dieser Arbeit.

Wir verändern uns Im September 2009 haben wir uns für die Durchführung eines Gemeindeaufbauprogramms von NGE (Natürliche Gemeinde-Entwicklung) entschieden. Durch eine anonyme Erhebung konnte als eine unserer Stärken die gabenorientierte Mitarbeit ermittelt werden. Als Minimumfaktor erwies sich hingegen die leidenschaftliche Spiritualität, so dass wir seither daran arbeiten, die Leidenschaft für Jesus neu zu entdecken. Beispielhaft sind hierbei unser »Jahr der Bibel«, um wieder mehr Begeisterung am Wort Gottes zu bekommen, und das Teilen von persönlichen Erfahrungen mit Gott im Gottesdienst zu nennen. Wir blicken nach vorne und vertrauen darauf, dass Gott uns in Edewecht gebraucht, um als Licht im Ort zu leuchten und Menschen mit seiner Liebe zu erreichen. Daniel Albrecht

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Foto: Tina Albrecht

Unser Start Im Jahr 1857 wurde von der Bischöflichen Methodistenkirche unsere Gemeinde in Edewecht gegründet – eine der ersten methodistischen Gemeinden in Deutschland. Seit über 45 Jahren wirkt die Gemeinde am jetzigen Standort. Vor einiger Zeit wurde unsere Christuskirche grundlegend modernisiert, so dass sie nun inmitten unseres Ortes hell und einladend steht.


Titelthema: Wie sieht esunterwegs im Himmelerlebt aus? ::: ::: 99

Gutes tun –auch beim Einkauf Viele Menschen achten beim Einkaufen darauf, dass die Produkte unter fairen Bedingungen hergestellt worden sind. Auch wenn damit zunächst manche Produzenten leiden: Auf lange Sicht zahlt es sich aus, wie Bischöfin Rosemarie Wenner am Beispiel Südafrikas beschreibt.

Foto: Volker Kiemle

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at es etwas mit dem Glauben an Christus zu tun, wenn ich mir eine neue Jeans kaufe oder samstags durch den Supermarkt hetze, um den Wocheneinkauf zu erledigen? Ich bin davon überzeugt, dass dies der Fall ist. Die Anweisung aus Kolosser 3,17 gilt für den Alltag: »Und alles, was ihr tut mit Worten oder mit Werken, das tut alles im Namen des Herrn Jesus und dankt Gott, dem Vater, durch ihn.« Gott danken bedeutet mehr als das übliche Tischgebet sprechen und im Gottesdienst schöne Loblieder singen. Es schließt ein, dass ich meinen Besitz als von Gott anvertrautes Gut nutze. Folglich will ich das Geld, das ich verdienen konnte, so ausgeben, dass es anderen Menschen möglichst wenig Schaden zufügt. Ich will keine Kleider tragen, die von Kindern hergestellt wurden. Wenn ich Kaffee trinke oder Schokolade esse, hoffe ich, dass die Produzenten fair bezahlt wurden. Die Rückfrage, woher Kleider, Lebensmittel, Putzmittel und anderes mehr kommen, ist für mich auch ein Teil der Dankbarkeit gegenüber Gott, dem Geber aller Gaben. Aus meiner Überzeugung mache ich kein Gesetz. Doch ich lade dazu ein, wenn immer möglich Waren zu kaufen, die fair hergestellt und gehandelt sind. Ich weiß, dass manche sich solch einen bewussten Einkauf nicht leisten können – weil sie jeden Cent zweimal umdrehen müssen oder weil sie wenig Möglichkeiten haben, sich zu informieren. Da ich es auch oft eilig habe, bin ich dankbar für die neue Broschüre »Leitlinien zum ökofairen Handel«, die derzeit in allen Gemeinden verteilt wird. Die Leitlinien wurden im Frühsommer 2011 von den drei Jährlichen Konferenzen verabschiedet. Gemeinden und Werke unserer Kirche sollen

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beim Einkauf und Verbrauch ökonomische, ökologische und soziale Kriterien beachten. In den Leitlinien werden auch Umwelt- und Sozialsiegel benannt, die auf einen Blick erkennen lassen, dass ein Produkt einen hohen Standard ausweist.

Ist schlechte Arbeit besser als keine Arbeit? Wird die Welt wirklich besser, wenn wir Methodisten die Leitlinien für ökofairen Handel beachten? Leiden Menschen nicht noch mehr, wenn sie schlimmstenfalls keine Arbeit haben, statt unter schwierigsten Bedingungen wenigstens etwas Geld zu verdienen? Ich war im vergangenen Sommer in Südafrika. Wenn die Menschen dort vom Ende der Apartheid erzählen, erwähnen sie oft die Aktion »Kauft keine Früchte der Apartheid«, die auch in Deutschland Unterstützung fand. Christinnen mieden den Kauf von Lebensmitteln, die aus Südafrika stammten. Dies war Teil einer umfassenden Wirtschaftsblockade, die zunächst zwar das Leben der Südafrikaner schwerer machte, dann aber doch dazu beitrug, das Apartheidssystem zu überwinden. Südafrika ist auch heute noch lange nicht am Ziel. Zum Beispiel herrschen in einigen großen Weingütern unmenschliche Arbeitsbedingungen. Wer gerne südafrikanischen Wein trinkt, sollte zu fair gehandelten Produkten greifen. Trotzdem hat sich vieles zum Guten verändert rund um das Kap der Guten Hoffnung. Dieses Beispiel spornt an, beim Einkaufen achtsam mit Gottes Gaben umzugehen. Zwei der einfachen Regeln von John Wesley gelten auch beim Umgang mit Konsum- und Verbrauchsgütern: »Böses meiden« und »Gutes tun«.


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Von: christof.voigt@emk.de An: unterwegs@emk.de Betreff: E-Mail aus der Theol. Hochschule

Brave new world – Schöne neue Welt!? Wirtschaft: Staaten vor dem Bankrott, Banken am Rand der Pleite, der Euro am Abgrund – und trotzdem unterwirft sich alles der Ökonomisierung? Gesellschaft: Generation Y – gut ausgebildet, technisch stets auf der Höhe der Zeit, aber anspruchsvoll, egoistisch und ohne Bindung an Werte? Biowissenschaft: Der Mensch macht sich zum Herrn über Leben und Tod. Woher der Maßstab für das gute Leben? Neue Medien: Alles geht immer und überall und das immer schneller. Aber nichts bedeutet mehr etwas. Und das soll die »Schöne neue Welt« sein? Mit »schöne neue Welt« hat einst der Dichter William Shakespeare das Wunder der prächtigen Geschöpfe, ja die Schönheit der Menschheit gepriesen. Nicht ohne Ironie zwar, aber doch im Sinn einer umfassenden Humanität. Dieselben Worte hat der Autor Aldous Huxley in seinem gleichnamigen Roman in ihr Gegenteil verkehrt. Er beschreibt eine Gesellschaft, die den Gesetzen des totalen Materialismus gehorcht und den immergleichen, maschinenhaften Abläufen folgt. Krankheit ist ausgemerzt, für das Glück sorgen Pillen. Diese Worte stehen als Überschrift über einer Vorlesungsreihe, die die drei Reutlinger Hochschulen zur Zeit veranstalten. Die Theologische Hochschule Reutlingen lässt sich gemeinsam mit anderen wissenschaftlichen Fächern auf die Fragen ein, die die Gegenwart stellt, und versucht an Lösungen mitzuwirken. Der christliche Glaube hat nicht die Aufgabe, am Hergebrachten festzuhalten und dafür einen Rückzugsraum zu bieten. Er will in seiner Zeit leben und die »Schöne neue Welt« in Freiheit und aus der Hoffnung auf Gott mitgestalten. Ein Stoppschild setzt der Glaube jedoch da, wo der Mensch nicht mehr Mensch und Gott nicht mehr Gott ist; wo der Mensch Gott sein will oder zum Ding oder zum Unmenschen wird; wo der Mensch meint, aus sich allein und ohne Gott leben zu können.

n Christof Voigt ist Professor für Philosophie und

biblische Sprachen an der Theologischen Hochschule Reutlingen.

Auf den Auftrag besinnen Bei seiner Herbsttagung hatte der Bischofsrat der EmK ein umfangreiches Programm zu bewältigen. Neben der Wahl von Bischöfin Rosemarie Wenner zur Präsidentin (siehe Seite 2) ging es vor allem um aktuelle Herausforderungen in der EmK und die Vorbereitung der Generalkonferenz im kommenden Frühjahr. Die 109 Bischöfinnen und Bischöfe tagten vom 31. Oktober bis 4. November in Lake Junaluska, North Carolina (USA).

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ir können den derzeitigen Zustand nicht beibehalten.« Das betonte Bischof Larry M. Goodpaster mit Bezug auf die weltweite Evangelisch-methodistische Kirche (EmK) zu Beginn der Tagung des EmK-Bischofsrats Ende Oktober. Aufmerksamkeit, Energie und Ressourcen der Kirche müssten verstärkt auf die Unterstützung und Vermehrung lebendiger Gemeinden konzentriert werden, forderte der scheidende Präsident des Gremiums. Die Zahl lebendiger Gemeinden zu Bischof Larry erhöhen, die den Sendungsauftrag der Kirche M. Goodpaster voll leben, werde den intensiven und lang dauernden Einsatz der ganzen Kirche erfordern. Der Auftrag der EmK sei, in die Nachfolge Jesu Christi zu rufen und die Welt zu verändern.

Sofort umsetzbare Schritte Die Bischöfinnen und Bischöfe haben sich dabei auch auf sofort umsetzbare Maßnahmen geeinigt. So wollen sie die Lebendigkeit von Gemeinden ins Zentrum ihrer Arbeit rücken und auf eine bessere Ausbildung der Geistlichen hinwirken. Dabei suchen sie die Unterstützung der Jährlichen Konferenzen und der Ausbildungsstätten. Die Bischöfe wollen besser als bisher an der Wahrnehmung ihrer Verantwortung gemessen werden. Bitten an die Generalkonferenz 2012 Der Bischofsrat schloss sich zudem mit sehr großer Mehrheit den Empfehlungen des »Connectional Table« (CT, globaler Runder Tisch der EmK) und weiterer Experten hinsichtlich Änderungen des Kirchenrechts an. Im Mittelpunkt steht dabei die Einrichtung einer großen Kirchenbehörde. Sie soll die Aufgaben des CT und von neun bisherigen Generalkonferenz-Behörden bündeln. Die Jährlichen Konferenzen (JK) sollen größere Freiheit in der Organisation ihrer Strukturen erhalten. Etwa zehn Prozent des Gesamthaushalts der EmK für die nächsten Jahre soll dafür verwendet werden, lebendige Gemeinden zu unterstützen. UMNS / Recherche und Übersetzung: Reinhold Parrinello


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Fünf Uhr früh in Korea

9 oder 10 Uhr – in manchen Gemeinden in Deutschland wird hart darum gerungen, wann der Gottesdienst beginnt. Ganz anders sieht es in der methodistischen Gemeinde in der koreanischen Stadt Bupyeong aus: Dort treffen sich jeden Morgen bis zu 800 Christen zum Frühgebet. Pastor Christhard Elle war dabei – und beeindruckt.

Fotos: Klaus Ulrich ruof

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er Hof füllt sich. Immer wieder kommen Busse, aus denen Menschen herausdrängen. Gedämpft, aber fröhlich begrüßen sich die Menschen. Eigentlich nichts Außergewöhnliches vor einer großen Kirche, wäre da nicht die Uhrzeit: Es ist 4.30 Uhr morgens. Mich hatten die Motoren der Busse aus dem Schlaf gerissen. Um 4.40 Uhr werden wir – die Mitglieder einer EmK-Delegation aus Deutschland – offiziell geweckt. Als ich kurz vor 5 Uhr den Kirchenraum betrete, ist er knapp zur Hälfte gefüllt. Durch eine Seitentür betritt einer der Chöre den Raum. Doch der Raum ist schon voll Musik, einer der Pastoren singt mit der Gemeinde, hauptsächlich Charles-Wesley-Lieder. Sie singen in einem derartigen Tempo, dass ich, den Text deutsch mitsingend, kaum folgen kann. Und es wird geklatscht. Auf allen vier Taktschlägen. Der Pastor gibt das Tempo vor. So kommt man um fünf Uhr morgens in Schwung. Der Pastor begrüßt alle, dann betet jemand aus der Gemeinde. Lange! Immer wieder unterbrochen vom zustimmenden »Amen« aus der Gemeinde. Dann erneut Charles Wesley, ein Lied des Chores, eine kurze Predigt. Die Gemeinde ist gut dabei. Plötzlich, direkt nach der Predigt, geht ein Rufen durch die Gemeinde. Dreimal der gleiche Ausruf: »Jesus ist Herr«, so erfahren wir hinterher, und die Gemeinde fängt an zu beten. Als gute Gastgeber hatten sie uns vorgewarnt: Es sei vielleicht sehr ungewohnt für uns. Das war es auch, denn alle beteten gleichzeitig – und laut. Doch nach dem ersten Schrecken kann ich eintauchen, werde Teil des großen Gebets dieser Gemeinde. Manche sitzen still, den Kopf gesenkt, andere murmeln, einer schreit. Ich sehe Menschen, die einander segnen, miteinander weinen. Ich bin tief berührt.

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Kurz nach halb sechs Uhr gehen die ersten. Um sechs Uhr auch ich. Das Licht ist inzwischen gelöscht. Als wir gegen halb acht Uhr noch mal hereinschauen, sind etliche Besucher immer noch da.

Gebet als Schlüssel des Gemeindewachstums Was ist der Schlüssel des Gemeindewachstums in Korea? Fast egal, wen wir fragten – immer wieder bekamen wir diese Antwort: »Durch das Gebet sind wir, wo wir heute sind!« Die methodistische Gemeinde in Bupyeong ist eine der größeren im Großraum Seoul. Aber 400 bis 800 Beter jeden Morgen, sieben Tage die Woche, sind auch hier ein Phänomen. In den anderen Gemeinden, ob klein oder groß, sieht es nicht anders aus. Das Frühgebet ist fester Bestandteil der Gemeindekultur. Klar, so groß wie in den Aufbruchszeiten der sechziger und siebziger Jahre ist die Zahl morgendlicher Beter nicht mehr. Ältere Damen sind überrepräsentiert, und manches lässt sich mit der kulturellen Tradition in Korea erklären. Trotzdem macht es mich sehnsüchtig. Nicht unbedingt danach, auch in meiner Gemeinde ein solches Frühgebet einzuführen, sondern diese Beständigkeit des Gebets zu leben und es sichtbar in den Mittelpunkt der Gemeindearbeit zu stellen. Wir sagen einander häufig: »Ich bete für dich.« Aber in Bupyeong ­sagen sie es nicht nur, sie tun es. Das Morgengebet bestimmt den Tag in Korea. Wer um 4 Uhr aufsteht und um 5 Uhr im Frühgebet dabei ist, muss manches andere lassen. Vor allem abends. Der Tag ist dadurch anders, das erfuhr auch ich. So überstrahlt das Morgengebet den Rest des Tages. Vielleicht ist es gerade das, was mich so berührte.


12 ::: Methodisten in Südkorea

Von der Schwesterkirche können wir viel lernen Eine Delegation aus der EmK in Deutschland, der Schweiz und Polen besuchte kürzlich die Koreanische Methodistische Kirche. Auf dem Programm stand auch die offizielle Konsultation der beiden Kirchen. Bischöfin Rosemarie Wenner fasst die Gespräche zusammen.

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an hat Arbeitskräfte gerufen und es kamen Menschen!« Diesen Ausspruch, mit dem der Schriftsteller Max Frisch die Situation italienischer Gastarbeiter in der Schweiz treffend beschrieb, zitierte Superintendent Lim zu Beginn seines Berichtes bei der zweiten Konsultation zwischen der Koreanischen Methodistischen Kirche (Korean Methodist Church, KMC) und der EmK in Deutschland in Seoul, Korea. Siebzehn koreanische methodistische Gemeinden gibt es in Deutschland, die ältesten entstanden in den 1980er Jahren. Sie bilden mit weiteren 27 Gemeinden den europäischen Distrikt, der zur Joongang-Konferenz in Korea gehört. Um die Zusammenarbeit mit diesen Gemeinden und ihrer Heimatkonferenz zu vertiefen, schloss die EmK in Deutschland 2008 eine Vereinbarung mit der KMC. Sie beinhaltet unter anderem, dass wir uns in regelmäßigen Abständen zu Konsultationen treffen. Nachdem die erste Begegnung 2009 in Reutlingen stattfand, reisten wir nun nach Korea. Es war bereichernd, die Geschichte und Kultur der KMC kennen zu lernen. Wir begannen zu ahnen, wie fremd sich die Menschen wohl zunächst fühlen, wenn sie aus Korea nach Europa kommen. Es wird ihnen selten eine solch herzliche Gastfreundschaft zuteil, wie

wir es in Korea erlebten. Immer wieder kam es zu Gesprächen über die schmerzliche Trennung, unter der das koreanische Volk seit 1953 leidet, und über unsere Erfahrungen mit der Wiedervereinigung in Deutschland. Wir versprachen, für die Menschen auf der geteilten koreanischen Halbinsel zu beten. Wir waren beeindruckt vom großen missionarischen Engagement der koreanischen Schwesterkirche und entwickelten Ideen, was wir miteinander tun können. Unter anderem soll ein Team aus Korea zum Forum Evangelisation 2013 eingeladen werden, um einige Beispiele seiner evangelistischen Arbeit vorzustellen. Wir hoffen auf rege Teilnahme aus den europäischen koreanischen Gemeinden am dritten Europäischen ­Methodistischen Festival in Krakau im Sommer 2012. Im Oktober kam ein Austauschstudent von der methodistischen Mokvon-Universität an die Theologische Hochschule in Reutlingen. Die Zusammenarbeit in der theologischen Aus- und Weiterbildung wird weiter entwickelt werden. Wo immer es koreanische methodistische Gemeinden in Deutschland gibt, ermutigen wir zu gegenseitigen Einladungen. Auch die zweite Konsultation hat es bestätigt: Von dieser großen Schwesterkirche können wir viel lernen! Rosemarie Wenner

unterwegs 24/2011 ::: 20. November 2011


Methodisten in Südkorea ::: 13 Süd-Korea gehörten Zum Besuchsprogramm in Rosemarie Wenner auch Gottesdienste. Bischöfin thodist Church« predigte in der »Wolgok Me d wie die Apostel über Matthäus 16 »Wir sin zum Zeugnis gerufen«. tor Jung-Kwon Cha. Übersetzt wurde sie von Pas l jedes GemeindeIn der Wolgok-Gemeinde sol zwei Personen glied zu Beginn eines Jahres den Weg zum auf r ­nennen, die in diesem Jah len. Rund 70 MenGlauben geführt werden sol in die Gemeinde. schen finden so jedes Jahr neu

Fotos: Klaus Ulrich Ruof / Ahchim Härtner

Historische Begegnung: Der Appenzeller Pastor Peter Gumbahl (St. Gallen / Schweiz) ließ sich in Seoul vor dem Standbild des methodistischen Missionars Henry Appenzeller (1858–1902) ­fotografieren. Der aus der Schweiz stammende Henry Appenzeller kam 1885 aus den USA nach Korea. Die koreanischen Christen sind sind ihm und den vielen anderen Missionaren bis heute dankbar und bringen den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Aufschwung in ­direkte Verbindung mit dieser missionarischen Arbeit.

Gliederzahl ::: 1,6 Millionen Gemeinden ::: 6.07 7 Pastoren ::: 9.795 Mission::: 866 Miss ionare in 69 Länder n Ausbildung ::: 3 Un iversitäten Religion in Südkor ea ::: 49 Millionen Einwo hner, rund 12 Milli onen Protestanten (davon 8,1 Millionen Presbyte rianer), 11,2 Millionen Buddhiste n, 4,1 Millionen Ka tholiken.

g des Die Teilun in Korea Landes ist n ärtig. Viele allgegenw hland c ts u e ist D rn e n a re o K ie d dafür, w ein Vorbil los ng gewalt diese Teilu her maßgeblic und unter hen g der Kirc Beteiligun kann n e en werd überwund

Zur koreanischen Tradition gehört die wiederholte geistliche Einkehr an Orten , die in besonderer Weise zur Begegnung m it Gott einladen. Auch di e EmK-Reisegrup pe aus Deutschland, Pole n und der Schwei z ging die Stationen eine s »Gebets-Bergs« in der ­Nähe von Seoul en tlang bis zum Gip fel. Dort befindet sic h das leere Grab als ­Hinweis auf die A uferstehung Christ i.


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Brücken bauen mit einem Lächeln Neben ihrer Muttersprache spricht sie Englisch und Suaheli – beide Sprachen fließend. Ihr herzliches Lächeln aber wird in jeder Sprache verstanden: Pastorin Su Hyun Nam ist in der Koreanischen Methodistenkirche für die internationalen Kontakte zuständig. So empfing sie auch die Delegation der EmK aus Deutschland.

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ls unser Reisebus am Hauptquartier der »Kore- bewaffnet mit Stöcken und Messern, aus ihren Autos an Methodist Church« (KMC) vorfährt, wartet stiegen. Mit ihrem Baby in den Armen und einem herzPastorin Nam schon auf dem Parkplatz, um lichen Lächeln im Gesicht lief sie auf die Männer zu, ihre Gäste aus Europa mit ihrem ansteckenden Lä- sprach sie in der Sprache Suaheli an und hieß sie willcheln und einem herzlichen »Welcome to Seoul« per- kommen. sönlich zu begrüßen. Unser Besuch ist der Höhepunkt Die Männer waren von der kleinen lächelnden Koder zweiten Konsultation zwischen den methodisti- reanerin so verdutzt, dass sie sofort stehen blieben, schen Schwesterkirchen aus Korea und Deutschland. und Pastorin Nam konnte die Gelegenheit nutzen, um Su Hyun Nam hat als Koordinamit ihnen über den Grund ihres Ärtorin der Internationalen Zugers in Ruhe zu reden. Die Gemeinsammenarbeit der KMC schon deglieder waren genauso überrascht, Ihr freundliches Lächeln den größten Teil ihrer Arbeit erals sie aus der Kirche kamen und ist entwaffnend – im ledigt. Jetzt lässt sie uns spüren: sahen, wie ihre Pastorin mit einer wahrsten Sinn des Wortes. Gruppe von muslimischen Männern Hier sind wir willkommen! Su Hyun Nam ist als Tochter lachte und plauderte! Das freundlieines presbyterianischen Pastors che Lächeln, gepaart mit der aufin einem christlichen Elternhaus aufgewachsen. Beim richtigen Herzlichkeit der Pastorin, hatte die Männer Theologiestudium lernte sie ihren Mann, den Methodis- im wahrsten Sinne des Wortes entwaffnet. ten Jung Kwon Cha, kennen. Nach einem MissionstraiIn ihrer heutigen Arbeit in Korea ist Pastorin Nam ning ließ sich das frisch verheiratete Pastorenehepaar in immer noch dabei, Brücken zwischen Menschen zu die Mission nach Kenia senden. Sechs Jahre arbeitete Su bauen. In der Weltmission der Koreanischen MethoHyun Nam mit ihrem Mann unter dem Trukana-Stamm distischen Kirche hat sie unter anderem die Aufgabe, im Norden Kenias. Hier gründeten sie drei Gemeinden, Missionare auf ihren Einsatz im Ausland vorzubereieine Grundschule und einen Kindergarten. Pastorin ten. Außerdem pflegt sie die Beziehungen zwischen der Nam trug auch Verantwortung für die Aus- und Weiter- KMC und den Missionsländern und agiert als Konbildung der Leiter und Leiterinnen der Gemeinden. taktperson zwischen der KMC und den methodistiDie Zeit in Kenia war oft schwierig wegen der stän- schen Kirchen weltweit. digen Spannung zwischen den muslimischen und Auf der Rückfahrt zum Flughafen Incheon westlich christlichen Stämmen, die oft zu Gewalt führte. Su von Seoul überquert unser Reisebus wieder die beeinHyun Nam hat sogar erleben müssen, wie ein Gemein- druckende zwölf Kilometer lange Incheon-Brücke, die deglied erschossen wurde. Es gab immer wieder ge- das südkoreanische Festland mit der Flughafen-Insel fährliche Augenblicke. Wie zum Beispiel an einem Youngjong verbindet. Die Brücke ist eine unentbehrliSonntag, als eine muslimische Bande vor der Kirche che Verbindung zwischen Südkorea und der Welt. Geauftauchte, um den Gemeindegliedern Gewalt anzu- nau wie Pastorin Su Hyun Nam – mit ihrem großen tun. Pastorin Nam war mit ihrem kleinen Kind kurz Herz für die Mission und ihrem ansteckenden Lächeln. draußen vor der Kirche, als die muslimischen Männer, Barry Sloan

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Umgang mit Sterben, Tod und Trauer Es war immer ein Anliegen kirchlicher Krankenhäuser, Ster- Der weitere Versorgungsablauf ist geprägt von der Beherrbenden eine bestmögliche Begleitung trotz sich ständig schung wichtiger Symptome, zum Beispiel Schmerz, Luftnot ändernder sozial-politischer Rahmenbedingungen zu ge- und Übelkeit. Diese Symptome werden alle vier Stunden währleisten. Auch das Diakoniewerk Martha-Maria hat dies überprüft und ausgewertet. Auf nicht mehr notwendige bewusst in seinem Leitbild verankert. Dies ist auch deswe- pflegerische und medizinische Maßnahmen wird in gemeingen notwendig, da ungefähr zwei von drei Menschen heute samer Absprache verzichtet, wie zum Beispiel das Führen in Krankenhäusern oder Pflegeeinrichtungen sterben. Seit einer Fieberkurve oder das regelmäßige Blutdruckmessen. Einführung der Fallpauschalen bei Als Rahmenbedingungen für diese der Abrechnung von KrankenhausBegleitung von Sterbenden und »Palliative Care dient der Verbesserung leistungen ist die Finanzierung von Schwerkranken haben sich die der Lebensqualität von Patienten und Maßnahmen zur medizinischen und Krankenhausleitung und der Geihren Familien, die mit einer lebenspflegerischen Betreuung Sterbenschäftsführende Vorstand für folbedrohlichen Erkrankung konfrontiert der wesentlich schwieriger geworgende Maßnahmen entschieden: sind. Dies geschieht durch Vorbeugung den. Für die Diagnose »Sterben« 1. Schulung und Ausbildung von und Linderung von Leiden mittels frühgibt es nämlich keine »FallpauschaMitarbeiter/innen im Bereich Pallizeitiger Erkennung, hochqualifizierter le«. Um dennoch Sterbende bestative Care. Beurteilung und Behandlung von möglich und gemäß dem neuesten 2. Aus- und Weiterbildung einer Schmerzen und anderen Problemen medizinischen bzw. wissenschaftliehrenamtlichen Sitzwache, deren physischer, psychosozialer und spiritueller chen Forschungsstand behandeln Dienst von Betroffenen und BeNatur.« (WHO 2002) zu können, wurde vom Palliative handlungsteam sehr geschätzt ist. Care Team der Universitätsklinik in Liverpool in Kooperation (Infos dazu www.martha-maria.de, Krankenhaus Nürnberg, mit dem dortigen Hospiz ein strukturiertes, überprüfbares weitere Leistungen, Sitzwache) und auswertbares Vorgehen entwickelt, ein so genannter 3. Hohe Priorität der einbettigen Versorgung Sterbender, Behandlungspfad. Er heißt, nach seinem Entstehungsort damit die Angehörigen auf Wunsch anwesend sein können. »Liverpool Care Pathway« (LCP). Das Palliativzentrum in St. Sterbende bleiben in ihrer vertrauten Umgebung. Gallen hat diesen für Kliniken im deutschsprachigen Raum 4. Und damit alle diese Rahmenbedingungen auch finanübersetzt. Wer als Krankenhaus mit diesem Pfad arbeitet, zierbar sind, hat der Geschäftsführende Vorstand ein Spennimmt teil an einem wissenschaftlichen Auswertungs- und denprojekt im Rahmen der Martha-Maria Stiftung eingeWeiterentwicklungsprozess. Seit September 2010 hat sich führt. Dankbar sind wir, dass ein bisheriges Spendendas Krankenhaus Martha-Maria Nürnberg dieser Weiterent- aufkommen in Höhe von etwa 20.000 Euro Schulungen, wicklung angeschlossen und arbeitet in der Inneren Medi- Weiterbildung und anderes mehr ermöglicht hat. Als Ergänzin mit dem LCP. Dieser umfasst unter anderem eine struk- zung zu diesen Rahmenbedingungen ist unter der Leitung turierte und durch den LCP vorgegebene Arbeitsweise im von Professor Dr. Schwab der Aufbau eines multidisziplinäBehandlungsteam. Dazu gehört zum Beispiel die Entschei- ren Palliativteams in Planung. Nähere Informationen zur dungsfindung im Team zusammen mit den Betroffenen, was strukturierten Arbeitsweise mit dem LCP finden Sie auf der in den letzten Lebenstagen noch wirklich wichtig ist. Über Internetseite des Palliativzentrums St. Gallen. diesen Entscheidungsprozess wird der Hausarzt in Kenntnis gesetzt. Die Angehörigen erhalten in der Begleitung ihres Professor Dr. Dieter Schwab, Sterbenden Unterstützung durch Gespräch und entspre- Pastorin Sabine Schober, Seelsorgerin, chende auf das konkrete Erleben ausgerichtete Literatur. Krankenhaus Martha-Maria Halle-Dölau


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»Was willst Du? Was soll ich für dich tun?« Diese Fragen richtete Jesus nach Markus 10,51 an den blinden Bartimäus. Seltsam, nicht wahr? Er hätte sich doch denken können, was sich ein blinder Mensch wünscht. Das ist ein Fehlschluss, der Menschen immer wieder unterläuft. Da geht eine davon aus, dass die anderen sich doch denken können, dass sie – gerne mal besucht werden möchte, – Hilfe beim Einkaufen braucht, – sich über eine Einladung zu einem Ausflug freuen würde … – und ist enttäuscht, wenn nichts davon geschieht. Umgekehrt gibt es ebenfalls Schwierigkeiten; wenn wohlmeinende Menschen versuchen, sich in die Wünsche anderer hineinzudenken und ihnen Entsprechendes angedeihen zu lassen. Nicht selten werden solche Aktivitäten als unpassend oder übergriffig empfunden – was ebenfalls zu Enttäuschungen führt. Von Nutzen wäre in beiden Fällen eine solche Klarheit in Frage und Antwort, wie sie in der biblischen Szene beschrieben wird. Wünschenswert wäre es ebenfalls, dass ein Mensch klar äußert, wie er seine letzte Lebensphase verbringen will. Häufig ist man jedoch in dieser Frage selbst hin- und hergerissen. Auf der einen Seite steht der Wunsch, eine Maximaltherapie in der Sterbephase

zu vermeiden. Auf der anderen Seite steht die Angst, womöglich aus Unkenntnis lebensrettende Maßnahmen abzulehnen. Angesichts dieses Dilemmas zögert man mitunter, sich zu dieser Problematik klar zu äußern, schon gar nicht in der Form eines rechtlich verbindlichen Dokuments. Man hofft, dass im Ernstfall andere Menschen schon wüssten, was das Beste für einen wäre; und dass jene das auch ohne Eigeninteressen umsetzen würden. Zugegebenermaßen ist diese Materie in den letzten Jahren komplizierter geworden. Das seit 1. September 2009 gültige Gesetz (3. BTÄndG) hat mehr Rechtssicherheit gebracht in dem Sinne, dass einzig und allein der Wille des Patienten darüber entscheidet, welche Maßnahmen angewendet oder unterlassen werden – auch wenn er diesen aktuell nicht mehr zum Ausdruck bringen kann. Zugleich hat das Gesetz mehr Verunsicherung gebracht, weil viele Sachverhalte bedacht und exakt formuliert werden müssen. Von Vorteil ist es in jedem Fall, wenn der Patient eine Vertrauensperson benannt hat, die seine Wünsche kennt. Dieser obliegt es nach dem Wortlaut des Gesetzes, den Willen des Patienten zu vertreten. Den Willen des Patienten – nicht ihre eigenen Vorstellungen. Sorgfältig hat sie darauf zu

achten, dass es nicht zu Fehlschlüssen oder Übergriffen kommt. Und damit sind wir wieder bei der Frage, die Jesus stellte: »Was willst du? Was soll ich für dich tun?« Jesus fragte nach Bartimäus’ Wünschen. Dieser äußerte sie exakt: »Ich möchte wieder sehen können.« Das 3. Gesetz zur Änderung des Betreuungsrechts ermöglicht und fordert in ähnlicher Weise, dass Menschen sich über ihren Willen klar werden – allerdings im Hinblick auf Zukünftiges. Es bietet die Möglichkeit, Grenzen zu setzen, Vertrauenspersonen zu benennen und festzulegen, was einem wichtig ist. Zugleich fordert es dazu heraus, sich über den eigenen Willen klar zu werden. Wer in diesen Fragen etwas festlegen will, muss selber erst einmal wissen, was sein Wille ist. Wer eine Vertrauensperson einsetzt, muss mit dieser über seine Wünsche reden. So gesehen sind Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht ein Hilfsmittel, damit Ärzte und Angehörige nicht auf bloße Vermutungen angewiesen sind; damit sie sich nicht denken müssen, was der Betroffene will. Ulrike Förster, Seelsorgerin, Zeisigwaldkliniken Bethanien Chemnitz und Krankenhaus Bethanien Plauen


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Umgang mit Sterben, Tod und Trauer: Streiflichter aus der Krankenhaus-Seelsorge Ich werde auf eine Internistische Station gerufen. Eine Patientin ist verstorben und die Angehörigen wünschen eine Aussegnung. Als ich ins Zimmer trete, werde ich tief berührt. Liebevoll hat die Schwester die Frau gebettet. Friedlich liegt sie da und hat eine Blume zwischen den gefalteten Händen. Selbst das Haar ist frisch gekämmt. Wie gut, solche Schwestern zu haben, denke ich. Es könnte wegen der unglaublichen Arbeitsverdichtung des Pflege- und Ärzteteams auch ganz anders aussehen. Fast zwei Jahre hat es gedauert, bis wir eine umfassende Konzeption für den Umgang mit Sterben, Tod und Trauer in unserem Haus erarbeitet und erprobt haben. Es wurden Prozessbeschreibungen, Verfahrensanweisungen und Checklisten erarbeitet. Jedes Dokument wurde in einem multidisziplinären Team besprochen und mit der Praxis abgeglichen. Neben der medizinischen, pflegerischen und theologischen Kompetenz war vor allem die Liebe zu den Menschen immer wieder zu spüren. Wir wollten, dass unsere Prozesse so gestaltet sind, dass die sterbenden Menschen würdevoll ihren letzten Gang gehen können. Das fängt schon damit an, dass sich unsere Betriebsleitung dazu bekennt und vorgibt, dass sterbende Menschen, wenn irgendwie möglich, in ein Einzelzimmer kommen und besonders betreut werden. Es konnte für uns auch nicht beliebig sein, ob die Seelsorge oder die Sitzwache gerufen wird oder nicht. So musste die elektronische Dokumentation so programmiert werden, dass alle Beteiligten informiert werden, wenn die letzte Sterbephase eintritt. Wir haben beschrieben, wie das ist mit der Wahrheit am Krankenbett und dazu Weiterbildungen angeboten. Schwestern, Ärzte, Physiotherapeuten und Seelsorger erhielten eine Ausbildung für die Begleitung von sterbenden Menschen (Palliativ Care), damit auch außerhalb von besonderen

Stationen (Palliativ-Stationen) die Grundhaltung der Hospizbewegung im Krankenhausalltag Raum gewinnt. Die Vorgänge während des Sterbeprozesses laufen entgegen der normalen Behandlung im Krankenhaus. Dort bestimmen die Untersuchungen, Diagnosen, Operationen und Therapien den Tagesablauf. Beim Umgang mit Sterbenden wird dies förmlich auf den Kopf gedreht. Nun sind nicht mehr die Behandlungen, sondern die Sterben-

digt und geordnet werden. Da geht es um Kontaktaufnahme, auch wenn sich der Sterbende für uns nicht mehr wahrnehmbar äußern kann. Manche unserer Krankenhäuser haben Boxen für die Stationen organisiert, in denen sich Bibel, Duftlämpchen, Musikplayer, Kreuze, Rosenkränze, Koran, Engelskulpturen und weitere Dinge finden. Ein Aussegnungsraum muss bereitgestellt und gestaltet werden. Für unsere muslimischen Mitbürger

den mit ihren Bedürfnissen in den Vordergrund zu rücken. Das »stört« und verrückt die »normalen« Abläufe und ruft Widerstand hervor. Es stellt sich nicht mehr die Frage, ob der Patient von Morphinen abhängig werden könnte, wenn Schmerzlinderung angesagt ist. Es muss kein Verband mehr unbedingt gewechselt werden, wenn dies Schmerzen bedeutet. Eher geht es darum, die Lieblingsmusik des Sterbenden zu spielen oder dessen Lieblingsgetränk in kleine Eisbröckchen einzufrieren, die man ihm oder ihr auf die Lippen legen kann. Da wird das Abendmahl am Bett – und manchmal auch stellvertretend – gefeiert. Da kommen Sinnfragen auf, die auch uns als Begleitende wieder neue Einsichten ins Leben schenken können. Beziehungen und deren Qualität spielen eine enorme Rolle und wollen gewür-

wurde eine Möglichkeit der rituellen Waschung geschaffen. Angehörigen wird Seelsorge angeboten. Sie können kostenlos im Zimmer mit übernachten. Später bekommen sie eine Kondolenzkarte und werden zum jährlichen Gedenkgottesdienst eingeladen. Hauptamtliche und ehrenamtlich Mitarbeitende werden in der Sterbebegleitung geschult und begleitet. Ein spezielles Projekt ist bei uns in Wuppertal die Arbeit mit Eltern, deren Kinder während der Schwangerschaft oder während der Geburt versterben. Mehr dazu können sie im Internet unter www.sternenkinder-ambulanz.de oder auf der Facebookseite »Sternenkinderambulanz« nachlesen. Pastor Frank Hermann, Seelsorger, AGAPLESION Bethesda Krankenhaus Wuppertal

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Das Sterben aushalten und mitgehen Vor drei Jahren habe ich die Seelsorgearbeit im Seniorenheim »Havelgarten« in Berlin-Spandau begonnen. Seit dem gab es etwa 160 Sterbefälle. Es gibt kaum noch ein Gesicht von dieser Anfangszeit. Sterben ist Alltag und auch wieder nicht. Jedes Sterben ist einmalig und individuell, wie die Menschen und ihre Leben. Und so wird im Haus versucht, sich auf jeden Menschen einzustellen, auf Bedürfnisse

und Vorlieben zu achten. Allerdings ziehen die Menschen immer später in ein Heim. Manche kommen noch sehr mobil, andere multimorbid. Bei Letzteren gibt es oft nur kurze Zeit zum Kennenlernen. Die Sterbephase kann dann von den Betreuenden auch nur noch bedingt persönlich gestaltet werden. Frau M. kannte ich drei Jahre. Wir hatten uns gegenseitig ins Herz geschlossen, führten Gespräche über Gott und die Welt, ihr Leben, die Brüche darin und die guten Zeiten, über den christlichen Glauben, den sie nicht teilte.

Ihre Kräfte ließen immer mehr nach. »Warum holt er mich denn nicht?«, fragte sie oft. Dann verschlechterte sich ihr Zustand mehr und mehr. Am Anfang war sie noch ansprechbar und reagierte schwach auf mein Kommen. Zwei Tage später kam bei mir keine Reaktion mehr an. Ich spürte auch ihre Müdigkeit, streichelte sie, beruhigte sie mit Worten, erzählte ihr von Gottes neuer Welt. Manchmal saß ich einfach nur, manchmal las ich einen Psalm, manchmal »Herrn Ribbeck von Ribbeck im Havelland«, weil sie Fontane so mochte. Als ich sie das letzte Mal sah, waren die Zeichen des nahen Todes deutlich. Wie immer berührte ich sie, sprach mit ihr, schwieg. Irgendwann nahm ich meine Hand von ihrem Arm und fragte, einem plötzlichen Gefühl folgend: »Sie wollen vielleicht gar nicht, dass ich Sie anfasse?« Und aus dieser Frau, die ich schon in anderen Sphären wähnte (von deren Zustand andere behaupten »Die merkt eh nichts mehr«) aus dieser Frau kam ein deutliches »Doch«. Ich saß wie versteinert, musste mich erst einmal sammeln und habe sie ganz schnell wieder angefasst … und mit ihr kommuniziert. Gott hat Frau M. kurze Zeit später geholt. Vor einiger Zeit hat eine Palliativ-Arbeitsgruppe ein Konzept für den Havelgarten erarbeitet. Neben der aktivierenden Pflege wird in unserem Haus auch das Ende des Lebens akzeptiert und es wird versucht, es zu gestalten. Auch deshalb gibt es seit einiger Zeit einen Workshop mit dem Titel

»Was fang ich mit dem Sterben an«, in dem Mitarbeitende sehr persönlich über ihr Verhältnis zum und eigene Erfahrungen mit dem Tod nachdenken. Diese Reflexion macht sie freier im Umgang mit Sterbenden – so sind die Rückmeldungen. Der Tod und das Sterben werden in unserer Gesellschaft gern verdrängt. Selbst in einem Haus wie dem unseren ist das zu spüren. Es fällt Menschen schwer, das Unabänderliche auszuhalten. Spätestens im Angesicht des Todes müssen wir innehalten und uns eingestehen, dass wir nichts dagegen tun können. Alles was es zu tun gibt, ist die Bedürfnisse der Sterbenden zu erkennen (möchte jemand Ruhe oder lieber das Treiben auf dem Gang hören) und mit auszuhalten. Dabei bleiben und aushalten, sich nicht von der Geschäftigkeit des Alltags schon wieder fortreißen lassen. Pflegende, Betreuung, Seelsorge – alle nehmen sich nach Möglichkeit immer wieder Freiräume, um an der Seite des sterbenden Menschen zu sein. Auch Angehörige sind gern gesehen und werden in der Finalphase mit einbezogen. Nach dem Tod steht vor der Zimmertür ein kleiner Tisch mit einem Erinnerungsbuch, Kerze, Kreuz und Blumen. So wissen alle, dass hier ein Mensch verstorben ist. Nicht allen Bewohnern und Bewohnerinnen gefällt es, so mit dem Tod konfrontiert zu werden. Aber viele sind doch froh zu wissen, dass sie nach ihrem Ableben nicht einfach vergessen sind. Ähnlich ist es mit den Gedenkgottesdiensten, die wir drei mal im Jahr feiern und dazu die Angehörigen der Verstorbenen noch einmal einladen. Dieses Ritual wird dankbar angenommen. Von vielen Lebenden weiß ich, dass sie froh sind, dass auch ihr Name eines Tages im Gottesdienst verlesen und für sie eine Kerze entzündet wird. Pastorin Birgit Fahnert, Seelsorgerin, AGAPLESION Bethanien Havelgarten Berlin

IMPRESSUM FÜR DIESE EINHEFTUNG Herausgeber: Evangelisch-methodistische Diakoniewerke (EmD) • Redaktion für diese Ausgabe: Pastor Frank Eibisch, Direktor des Evangelisch-methodistischen Diakoniewerks Bethanien e.V., Zeisigwaldstraße 101, 09130 Chemnitz, Telefon 0731 430 1000, E-Mail: f.eibisch@emdw-bethanien.de • Fotos: Grace Winter/Pixelio (19), birgitH/Pixelio (20), creative collection (21), privat (22)


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Stefan Weller

Emk-Forum

»Gott, singe mich, ich will dein Lied sein ...« Warum Popmusik selbstverständlich zum Gottesdienst gehört Best.-Nr.: 299.137 • 7,90 €

Bei der Ostdeutschen Jährlichen Konferenz im Mai 2011 hielt Stefan Weller (EmK-Pfarrer in der Schweiz) ein viel beachtetes theologisches Referat zum Konferenzmotto »Gott, singe mich, ich will dein Lied sein«. Mit dem herausfordernden Untertitel „Warum Popmusik selbstverständlich zum Gottesdienst gehört“ erscheint dieses Referat jetzt in der Reihe EmK-Forum. Musik in ihren unterschiedlichen Ausrichtungen ist seit jeher Thema und Anlass für Gespräche oder sogar Auseinandersetzungen in Kirchen und Gemeinden. Die EmK bildet da keine Ausnahme. Stefan Weller nimmt die Leser auf einen Weg mit, der der Frage nachgeht, ob Popmusik Kirchenmusik sein soll. Neben vielen Hinweisen (von biblischer bis in heutige Zeit) findet Weller

auch in der methodistischen Tradition Hinweise auf eine positive Antwort. John Wesley brachte es auf den einfachen Nenner: »So viele Menschen werden durch schottische oder irische Melodien stark gerührt. Sie sind ganz natürlich entstanden und wurden nicht nach den Gesetzen der Kunst komponiert; sie sind höchst einfach« Für an Musik Interessierte in den Gemeinden, für Jugendliche und Junge Erwachsene hält diese Veröffentlichung hilfreiche und wegweisende Impulse bereit. Für mancherorts schmerzvolle Auseinandersetzungen findet sich hier eine Ausarbeitung, die Möglichkeiten zum Gespräch öffnet. Wenn Wellers Anliegen Gehör fände, könnte manchem Streit „rund um Musik und Gesang im Gottesdienst“ die Schärfe genommen werden.

IMP RESSUM

unterwegs Herausgegeben von der Evangelisch-methodistischen Kirche in Deutschland Ludolfusstraße 2-4 60487 Frankfurt am Main Zeitschriftenredaktion im Medienwerk der EmK: Redaktionsleiter Volker Kiemle Stellvertretender Redaktionsleiter Michael Putzke Ludolfusstraße 2-4 60487 Frankfurt am Main Telefon 069 242521-150 Telefax 069 242521-159 E-Mail: unterwegs@emk.de Vertrieb • Anzeigen- und Abonnementsverwaltung: Blessings 4 you GmbH Postfach 31 11 41 · 70471 Stuttgart Telefon 0711 83000-51 Telefax -50 Anzeigendisposition: E-Mail: anzeigen@blessings4you.de Es gilt der Anzeigentarif 2011. Bezugspreise: Bei Bezug über die EmK-Gemeinde: im Quartal € 13,75. Bei Direktlieferung durch die Post: jährlich € 55,– + Versandkosten. Direkt gelieferte Abonnements verlängern sich jeweils um ein Jahr, wenn bis zum 30. September keine schriftliche Kündigung vorliegt. DTP-Produktion: Grafisches Atelier Arnold, 72581 Dettingen an der Erms Herstellung: frechdruck GmbH, 70499 Stuttgart Einheftungen in dieser Ausgabe: helfen & heilen Beilagen in dieser Ausgabe: Kawohl, Weltmission Projektliste, Brunnen

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Unter dem Uni-Teppich Wenn in einer Doktorarbeit Plagiate entdeckt werden, dann hat oft Debora Weber-Wulff daran mitgewirkt. Die Mathematikprofessorin und überzeugte Christin gehört zu den erfahrensten Plagiatjägern in Deutschland. Das schafft ihr nicht nur Sympathien.

»Ich ärgere mich, wenn Leute Meriten bekommen, die Ihnen nicht zustehen«, sagt Debora Weber-Wulff.

zunächst von zwei Leuten geprüft. Enthalten mindestens zehn Prozent der Seiten Plagiate, wird die Arbeit auf einer Internetseite veröffentlicht, so dass weitere ehrenamtliche Mitarbeiter sie prüfen können. Das Medieninteresse ist groß – vor allem bei Prominenten. So wurden etwa die Doktorarbeiten von Angela Merkel oder Philipp Rösler schon ausgiebig durchforscht. »Da ist wirklich nichts zu finden«, sagt sie. Aber es gehe ja nicht um die Kontrolle von Personen, sondern der Arbeiten. »Wir wollen Arbeiten enttarnen, die keinen Beitrag zur Wissenschaft darstellen.« Neue Ziele zu finden ist für Weber-Wulff nicht schwer. »Wenn ich etwas sehe, das ich nicht in Ordnung finde, dann muss ich was machen«, sagt sie und lacht. »Ich bin eben eine Art Weltverbesserer.« Auch ein methodistisches Erbe? »Ich kann es nicht sagen – ich bin eben methodistisch aufgewachsen und nicht anders.« Nach einer längeren Pause hat sie wieder Anschluss an dieses Erbe gefunden. »Eines Sonntagsmorgens bin ich aufgewacht und habe ›Mein Mund besinge tausendfach‹ vor mich hin gesungen«, erzählt sie. Sie ging in die nächstgelegene EmK-Gemeinde nach Berlin-Friedenau. »Dort wurde ich so herzlich empfangen, dass ich mich gleich wohlgefühlt habe.« Inzwischen ist Weber-Wulff in der Internationalen EmKGemeinde in Berlin-Charlottenburg heimisch geworden und dort auch Laienpredigerin. Ob sie manchmal Angst hat? Debora Weber-Wulff muss nicht lange überlegen. Klar gibt es viele Anfeindungen. »Aber da ist immer jemand, der an meiner Seite geht«, sagt sie. »Deshalb habe ich auch die Kraft, das alles zu tun.« Volker Kiemle http://plagiat.htw-berlin.de

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Foto: Axel Völcker, DerWedding.de

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riumph? Debora Weber-Wulff sitzt in ihrer gemütlichen Wohnküche in Berlin und überlegt. Dann lächelt sie. Klar, sie hat sich gefreut darüber, dass Karl-Theodor zu Guttenberg im vergangenen Frühjahr von seinen Ämtern zurückgetreten ist. »Aber es ging mir nicht um die Person, sondern um die Sache«, betont die Mathematik-Professorin. Darum, dass da einer endlich die Konsequenzen aus seinem Verhalten gezogen hat. »Es war ein toller Augenblick zu merken: Wir haben die Macht, das, was sonst immer unterdrückt wurde, so offenzulegen, dass es nicht mehr unterdrückt werden kann.« Wir, das sind Leute, die sich dem Kampf gegen Plagiate – also abgekupferte Texte – in der Wissenschaft verschrieben haben. Weber-Wulff ist dabei einer der führenden Köpfe. Seit zehn Jahren beschäftigt sie sich als Professorin für Medieninformatik an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin mit Programmen, die Plagiate aufspüren. Ein Schlüsselerlebnis sei eines der ersten Seminare dort gewesen, erzählt sie. »Von 32 eingereichten Arbeiten waren zwölf Plagiate. Darüber habe ich mich sehr geärgert.« Weil Kollegen wissen wollten, wie sie den Schummlern auf die Spur gekommen war, schrieb sie einen Aufsatz – und ist seither als Plagiatsexpertin gefragt. Getrieben wird Weber-Wulff von einem starken Gefühl für Gerechtigkeit. »Ich finde es sehr ärgerlich, wenn Leute Meriten bekommen, die ihnen nicht zustehen.« Prägend sei hier auch ihr methodistisches Erbe, erzählt die Professorin. Geboren und aufgewachsen in den USA, erlebte sie als Jugendliche die Debatten in der gerade neu entstandenen Evangelisch-methodistischen Kirche mit. So wurde etwa heftig über die Frage diskutiert, ob Frauen ordiniert werden sollen. »Die Frage, was gerecht ist, hat mich immer sehr beschäftigt.« In Sachen Plagiate ist Weber-Wulffs Mission eigentlich schon erfüllt: »Ich hatte mir zum Ziel gesetzt, dass jeder Professor über Plagiate Bescheid weiß und darüber geredet wird. Und seit dem Fall Guttenberg redet wirklich jeder Stammtisch über Plagiate.« Das bedeutet aber auch viel Arbeit: Eine verdächtige Arbeit wird


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