unterwegs 02/2012

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15. Januar 2012 ISSN 1436-607X

Magazin der Evangelisch-methodistischen Kirche

2/2012

Wie Krisen weiterführen können Alltagstauglich

Mit Happy End

Schätze im Netz

n Warum

n Was

nW as

die EmK bei »Glaube am Montag« mitmacht. Seite 11

adoptionswillige Paare beachten sollten. Seite 12

Google mit den »Qumran«Rollen zu tun hat. Seite 20


2 ::: Editorial

So erreichen Sie uns: Redaktion »unterwegs« Telefon 069 242521-150 E-Mail: unterwegs@emk.de Aboservice: 0711 83000-0

kurz gesagt Mehr Kontrolle in der Finanz-

David Miscavige (Los Angeles/ branche fordert die Bank Kalifornien). Wie US-amerifür Kirche und ­Diakonie kanische und britische (KD-Bank). Der Staat stelle ­Medien berichten, wirft sie zwar seit der Finanzkrise Miscavige vor, ein auf ihn 2008 deutlich höhere Anallein zugeschnittenes forderungen zur Aufsicht an Machtsystem installiert zu die Banken, sagte der Vorhaben. Damit verstoße er standsvorsitzende Ekkehard gegen die Prinzipien des Thiesler. Die entscheidende Gründers, L. Ron Hubbard. Frage sei, wie dies überMiscavige habe aus Scientowacht und wie logy eine Bewegung geeingegriffen macht, der es nur noch um werde. Aus das Spendensammeln gehe. WettbewerbsAnders als in Deutschland gesichtspunkist Scientology in den USA ten sei es nicht als Religionsgemeinschaft akzeptabel, wenn Banken, anerkannt. die mit Hilfe von Steuer­ mitteln gerettet wurden, mit Muslimische Frauen haben Kampfkonditionen am durch eine UnterschriftenMarkt auftreten. Um die aktion in Rinteln (Weser­Finanzkrise zu überwinden, bergland) erreicht, dass sie muss nach Thieslers Ansicht im Hallenbad Steinbergen insbesondere der Einfluss baden können, ohne Mänder Ratingagenturen nerblicken ausgesetzt zu ­begrenzt werden. sein. Sonntags zwischen 12 und 13.30 Uhr steht allein Schockiert ist der Präsident Frauen das Schwimmbecken des Zentralrats der Juden in zur Verfügung; die Aufsicht Deutschland, Dieter Grauhat eine Bademeisterin. mann, über eine Demons­ Während der besonderen tration von ultraorthodoxen Badestunden sind auch Israelis in Jerusalem. Dort nicht-muslimische Frauen waren kürzlich einige von zugelassen. epd/idea insgesamt rund 1.000 ultraorthodoxen Männern und Korrek tu r: Kindern bei einer Demons­ tration in schwarz-weiß ge- Ein aufmerksamer Leser hat uns ­geschrieben: Auf der Karte mit EmKstreiften KZ-Anzügen und Gemeinden (»unterwegs« 1/2012, mit dem gelben Judenstern am Revers sowie erhobenen Seite 3) fehlten Breitenbrunn-­ Antonsthal, Zschorlau-Albernau, Händen durch die Straßen Zschorlau-Burkhardtsgrün und gezogen. Es rumort in der Scientology-

Bewegung in den USA. Das Leitungsmitglied Debbie Cook (Clearwater/Florida) übt in einer an 12.000 Scientologen versandten E-Mail heftige Kritik am Vorsitzenden

Weißbach. Wir danken für den Hinweis und bitten um Entschuldigung. Die Redaktion Die EmK-Deutschlandkarte (Format A1) können Sie bestellen zum Preis von 8,90 Euro bei Blessings 4 You, Telefon 0711 830000.

unterwegs 2/2012 2/2012 ::: ::: 15. 15. Januar Januar 2012 2012 unterwegs

Foto: privat / Titelfoto: Claus Arnold

In der Krise »Die Krise als Chance begreifen« – diesen Satz habe ich lange Zeit für leeres Geschwätz gehalten. Die das sagten, steckten meist weder in der Krise noch waren sie von einer Krise betroffen. Sollten doch die anderen Opfer bringen – man selbst hatte seine Schäfchen im Trockenen. Bis heute reagiere ich allergisch auf Blut-Schweiß-undTränen-Reden von Politikern und Funktionären. Solche Aufrufe wirken nur glaubhaft bei Leuten, die selbst in der Krise Federn lassen müssen. Und die schwingen selten große Reden. Auf der anderen Seite habe ich erfahren, dass uns Krisen tatsächlich weiterbringen. Wer immer nur auf der Sonnenseite des Lebens steht und nie Hindernisse wegräumen musste, versäumt viel. Nur wer schon einmal durch das Tal der Tränen gegangen ist, weiß: Es geht auch wieder heraus. Wer Schwierigkeiten überwunden hat, ist stärker und selbstbewusster geworden. Wer selbst gescheitert ist, kann anderen, die scheitern, beistehen. Ich kenne zum Beispiel eine Lehrerin, die hatte selbst eine ziemlich schwere Schulzeit. Deshalb kann sie Schüler, die sich schwer tun, viel besser verstehen als Kollegen, die eine mühelose Schulkarriere hinter sich haben. Die Krise als Chance? Ja, unbedingt! Denn nur wer an seine Grenzen kommt, kann sie überwinden. Das mag banal klingen. Aber es darf uns ein Trost sein an dunklen und schweren Tagen. Darüber hinaus gilt uns die Zusage, dass wir nicht tiefer fallen können als in Gottes Hand. Ihr Volker Kiemle


Titelthema: Leben in der Krise ::: 3

Dem Krisenstress richtig begegnen Auch wenn uns Krisen am Ende weiterbringen: Zunächst sind sie der pure Stress. Bildungsreferentin Irene Tischer zeigt am Beispiel Arbeitslosigkeit, wie man sich auf diesen Stress vorbereiten und gut mit ihm umgehen kann.

Foto: ecko / pixelio.de

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ie Arbeitslosigkeit ist eine echte Krise und bedeutet Stress. Ich kenne die Situation von beiden Seiten recht genau: Mit Langzeitarbeitslosen habe ich Projektarbeit gemacht. Durch die Kürzungen der sogenannten Ein-Euro-Jobs wurde auch meine Stelle gekürzt. Plötzlich saß ich selbst beim Arbeitsamt auf der anderen Seite. Glücklicherweise durfte ich zuvor eine Fortbildung zur Kursleiterin eines Stresspräventions-Kurses machen. Der Titel: »Und keiner kann’s glauben – Stressfaktor Arbeitslosigkeit.« Nun bin ich recht entspannt und kann Gott in aller Ruhe mein Leben hinhalten ... Ich weiß aber auch genau, dass andere weniger ruhig mit ihrer Arbeitslosigkeit umgehen. Nichts ist mehr, wie es war. Das regelmäßige Einkommen fehlt. Man versucht zu sparen, kauft Produkte nur noch im Sonderangebot, aber das Geld reicht trotzdem nicht. Warum nur? Bis man den Dreh mit den No-Name-Produkten (oder der Lebensmittelausgabe) raushat. Aber die Bekannten dürfen das auf keinen Fall mitkriegen! Man hat plötzlich Zeit, die Wohnung aufzuräumen und abzuwaschen und die Blumen umzutopfen. Wozu also heute alles erledigen? Morgen ist auch noch ein Tag. Und das sagt man dann morgen auch. Und übermorgen. Und irgendwann sieht die Wohnung furchtbar aus und man weiß eigentlich gar nicht warum. Man kann sich plötzlich selbst nicht mehr leiden, weil es so aussieht, wie es aussieht. Die Freunde gehen ins Kino und anschließend schön essen. Das war mal ganz normal. Heute bedeutet das so viel Geld, wie man für eine Woche zum Leben hat. Dass unzählige erfolglose Bewerbungen dazugehören, brauche ich hier kaum noch auszuführen. Man kommt schon in Stress, wenn man sich dem Briefkasten nähert und bekommt Angst vor großen Umschlägen: Wieder mal kommt eine Bewerbung zurück.

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Nicht nur Krise, sondern Stress Arbeitslosigkeit ist nicht nur einfach »Lebenskrise«, sondern bedeutet Stress! Im ersten Moment ist man als Normalverdiener versucht zu lachen: Man hat doch selbst den richtigen Stress mit Umsatzzahlen und Termindruck! Das ist richtig, Stress gibt es immer – und er entsteht im Kopf. Für jeden gibt es individuelle Stress­ auslöser und Stressverstärker. Oft hilft es schon, sich diese bewusst zu machen. Womit verstärke ich meinen Stress? Vielleicht mit meinen eigenen Vorgaben, wie der Psychologe Gert Kaluza herausfand: »Sei perfekt«, »sei beliebt«, »sei stark«, »ich kann nicht«. Wie reagiere ich auf meinen Stress? Mit Ärger, mit Angst, mit Depression? Meistens wird einem Letzteres gar nicht klar; man nimmt nur die Auswirkungen wahr: Kampf, Flucht oder Aufgabe. Mancher ent-stresst sich durch ganz bewusstes Genießen, auch von kleinen Dingen. Oder durch Bewegung. Vielleicht hilft die richtige Kommunikation und das richtige Hören weiter. »Bewusst« ist hier das Schlagwort, denn allzu oft weiß man gar nicht, wie einem eigentlich geschieht, und dann kann man auch nichts dagegen tun. Ein Stresspräventionskurs kann hier helfen. n Am 11. Februar beginnt ein dreiteiliger Stress­

präventionskurs, den die Autorin leitet. Informationen beim EmK-Bildungswerk Nord, Telefon 040 52594293, E-Mail: bildungswerk.nord@emk.de

Irene Tischer ist Bildungsreferentin und leitet die Geschäftsstelle des Bildungswerks der EmK in Norddeutschland.


4 ::: Titelthema: Leben in der Krise

»Ich krieg die Krise!« Was gegen die Angst hilft Die Welt ist voller schlechter Nachrichten. Fragen bedrängen uns: Wird mich im Alter jemand pflegen? Gibt es dann überhaupt noch eine Rente, von der man auch leben kann? Werden wir, unsere Kinder und Enkel sauberes Wasser haben? Genügend Arbeit oder genügend bezahlte Arbeit? Was man gegen die Angst tun kann, erklärt Ulrich Giesekus.

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as sind bedrängende Fragen, wichtige Fragen. nicht selbst fliegen. Die sogenannte »SelbstwirksamDenn es ist nicht zu spät – noch können wir keitserfahrung« ist für das seelische Gleichgewicht viele düstere Zukunftsszenarien ganz oder teil- entscheidend und vom Kleinkind bis zum Hochbetagweise verhindern. Wer hier zu schnell zum Jesus-Zitat ten eine Quelle von Lebensfreude. In anderen Worten: »Sorget euch nicht um den morgigen Tag« (Matthäus Menschen, die glauben, dass das Wohl und Wehe ihres 6,34) greift, übersieht dabei, dass wir nicht auf Kosten Lebens von ihrem Denken und Handeln abhängig ist, des morgigen Tages leben dürfen. Eine goldene Zu- sind gesünder und leben besser. Nicht die Dinge an kunft durch angehäufte Reichtümer? Das wäre wo- sich stressen uns, sondern die Bedeutung, die wir ihnen geben. Nicht das Schicksal oder möglich unklug. Auf die Haltung die Sterne, nicht die anonymen »Iss und trink und genieße das LeMächtigen, nicht die Banken oder ben!« antwortet Gott: »Du Narr« »Wer sich hilflos fühlt, die Politik entscheiden, ob mein (Lukas 12,19). Wir sind Rechenwird sorgenvoll. Wer sich Leben wichtig und sinnvoll ist – schaft schuldig. Für die Zukunft herausgefordert fühlt, sondern: Wie ich lebe, entscheidet gilt: Keine Sorge, aber Fürsorge bedarüber, ob mein Leben gelingt. stimmt! wird mutig und kreativ.« Das Gegenteil dazu bildet eine Die Antwort auf Ängste und SorEinstellung, die sich sorgenvoll, gen lautet nicht nur »Es wird schon aber hilflos ausliefert. Nach dem Motto »Da kann gut gehen«. Auch nicht in der »frommen Version«: man eh nichts machen« verschanzen wir uns in unse»Vertrau auf den Herrn«. Sondern es geht darum, die Zeichen der Zeit zu deuten und die richtigen Schlüsse ren frommen Burgen, ziehen die Zugbrücke hoch und warten auf den wiederkommenden Herrn. Du bist daraus zu ziehen! dem Schicksal ausgeliefert. Gläubige Menschen ersetHandeln gegen die Angst zen hier »Schicksal« in der Regel durch »Gott«. Aber Die Forschung hat gezeigt: Wenn ich begreife, dass ich diese Haltung übersieht etwas: Gott lebt uns nicht – er dem Chaos nicht nur untätig zusehen muss, legen sich hat uns Leben gegeben, damit wir es leben. Wir sind Ängste. Es ist nämlich nicht das zu erwartende Gesche- keine Marionetten eines himmlischen Puppenspielers, hen, was uns Angst macht und lähmt, sondern die Hilf- sondern Dialogpartner des Höchsten! Nicht die Frage losigkeit angesichts solcher Ereignisse. Wer sich hilflos »Was kommt auf uns zu?« gibt Hoffnung und Zuverfühlt, wird depressiv und sorgenvoll. Wer sich heraus- sicht, sondern »Wer kommt auf uns zu?« Paul Gergefordert fühlt, wird dagegen mutig und kreativ. Der hardt hat recht: »Der Wolken, Luft und Winden gibt bedeutende Depressionsforscher Martin Seligmann Wege, Lauf und Bahn, der wird auch Wege finden, da nannte die Depression sogar »erlernte Hilflosigkeit«. dein Fuß gehen kann.« Und: »Auf sein Werk musst du In seinen Forschungen konnte er nachweisen, dass die schauen, wenn dein Werk soll bestehn«. Aber das heißt sogenannte »interne Kontrollüberzeugung« wichtig auch: Wenn es Wege gibt, muss ich die gehen. Und wenn für die seelische Gesundheit ist. Jeder kann das selbst mein Werk bestehen soll, muss ich vorher auch wirken. beobachten: Beifahrer zu sein ist viel stressiger, als selbst am Steuer zu sitzen – obwohl das Risiko für bei- Verwandelt werden und aktiv erneuern de gleich ist. Passagier in einem Flugzeug zu sein, ist Wenn wir uns also – durch globale Medien bestens oft mit dem Gefühl des Ausgeliefertseins verbunden über jedes Horrorszenario informiert – geschlagen geund führt daher bei vielen zur Flugangst. Die gibt es ben, kommt die Angst. Und schnell fühlen wir uns übrigens sogar bei Piloten – natürlich nur, wenn sie überwältigt, ohnmächtig, ängstlich grübelnd blicken

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Titelthema: Leben in der Krise ::: 5

Wir sind keine Marionetten eines himmlischen Puppenspielers, sondern Dialogpartner des Höchsten.

Foto: Volker Kiemle

wir in eine düstere Zukunft. Das ist vielleicht der Zeitgeist: »Es geht eh alles den Bach runter – nimm mit, was du kriegen kannst«. Die Marktketten-WerbungsMentalität: »Geiz ist geil« oder »Weihnachten wird unterm Baum entschieden«. Paulus fordert – ganz im Gegenteil – dazu auf, sich nicht den gesellschaftlichen Trends anzupassen – »seid nicht gleichförmig dieser Welt« – sondern »werdet verwandelt«. Und das »durch die Erneuerung Eures Sinnes« (Römer 12,2). »Verwandeln« ist hier passiv. Das passiert uns. »Erneuern« dagegen ist aktiv: Das müssen wir selbst erledigen. Was wir erneuern müssen ist unser »Sinn«, unser Denken und Verstand. Erneuern wir also unser Denken! Auch wenn Gott uns dabei helfen kann – er nimmt es uns nicht ab. Christen sind »das Salz der Erde« (Matthäus 5,13) und sollen nicht »kraftlos werden«. »Denn Gott hat uns nicht einen Geist der Furchtsamkeit gegeben, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit« (2. Timotheus 1,7). Glaube äußert sich nicht in stiller Resignation, sondern in mutigem, vertrauensvollem Handeln.

Wie kann ich mein Denken erneuern? Zuerst einmal sind die Krisen, die uns emotional erschlagen, meistens irgendwelche anonymen Monster. Anstatt uns Ideen für unser Leben heute zu geben, machen diese Monster uns handlungsunfähig. Trauen Sie sich einmal, nicht zu erstarren, sondern weiter zu denken: Was ist, wenn ich keine Rente mehr bekomme? Dann muss ich sehr bescheiden leben. Was ist, wenn ich bescheiden leben muss? Dann muss ich lernen, mich an den Dingen zu freuen, die da sind. Alle wirklich wichtigen Dinge im Leben sind aber keine Dinge

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und man kann sie nicht kaufen. Also könnte ich jetzt schon üben, meine Lebensfreude konsumunabhängiger zu gestalten. Was ist, wenn unsere Gesellschaftsordnung zusammenbricht? Dann kommt es vor allem auf Menschen an, denen ich sicher vertrauen kann. Das werden die sein, denen ich schon lange vertraut habe. Investieren wir also heute Zeit in tiefe, aufrichtige und ehrliche Freundschaften. Und ganz mutig: Was ist, wenn die Welt zu Ende geht? Dann wartet Gottes neue Welt. Und da ich dort jetzt schon Bürgerrecht habe, kann ich mich darauf schon vorbereiten. Entscheiden Sie, wie Sie die Freundschaft mit dem Herrn der neuen Welt heute schon pflegen. Lernen Sie tanzen und singen. Besuchen Sie Gefangene, kleiden Nackte und speisen Hungrige. Wenn wir unser Denken nicht mehr zwanghaft auf das Bewahren unseres Lebensstandards fixieren – geschieht »verwandelt werden«. Wer loslassen kann, wird gelassen. Der KZ-Überlebende Viktor Frankl beobachtete: Wer den Sinn seines Lebens im Glück sucht, wird es niemals finden. Wer den Sinn seines Lebens aber in dem sucht, was größer ist als er selbst, wird dabei auch sein Glück finden. Jesus sagte es ganz ähnlich »Wer sein Leben liebt, wird es verlieren. Aber wer sein Leben in dieser Welt gering achtet, wird es für das ewige Leben erhalten« (Johannes 12,25).

Prof. Dr. Ulrich Giesekus ist Dozent für Psychologie und Counseling an der Internationalen Hochschule Liebenzell und führt eine Praxis für psychologische Beratung.


6 ::: Titelthema: Leben in der Krise

Motivitiere dich selbst, überwinde die Angst!

Das Beschwerliche überwinden Die erste Bedingung für die Selbstmotivation heißt: »Überwinde, was dich demotivieren will!« Für Marion wäre es gut, zu wissen, dass die angestauten Arbeiten nicht immer so groß sind, wie sie scheinen. Psychologen haben herausgefunden, dass sich dieser Eindruck durch das wiederholte Aufschieben entwickelt. Unerledigte Aufgaben sind einfach demotivierend an sich. Dagegen kann ich mich motivieren, wenn ich die Aufgaben einzeln sehe, sie ordne und gewichte. Peter hat dagegen seine Situation nicht mehr allein in der Hand. Die Befürchtung, dass sein Arbeitsplatz bedroht ist, muss keineswegs übertrieben sein. Er wäre gut beraten, einmal zu prüfen, wie sehr er seinen Selbstwert mit seiner Arbeit verknüpft. Je mehr er sich über seine berufliche Position definiert, umso mehr Angst wird ihn umtreiben. Er würde sich weniger ohnmächtig fühlen, wenn er sich eine Strategie für den Fall des Falles überlegt hätte. Das letzte Wort ist ja noch nicht gesprochen. Als Christ würde ich Peter gerne davon überzeugen, dass sein Selbstwert nicht von Menschen ab-

Dr. Iris Bollerhoff ist Zahnärztin, Laienpredigerin und im Autorenteam von »für heute«. Der Text erscheint in voller Länge in der »für heute«Ausgabe zum 15. Januar 2012. www.impulse-fuer-heute.de

hängt, sondern von Gott: Wir sind geliebt, gewollt und begabt. Das kann uns niemand nehmen.

Sich selbst bejahen »Besinne dich auf deine Stärken und denke positiv über dich selbst.« Eigentlich geht es darum, ein Gebot Gottes an mich selbst ernst zu nehmen: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst. Habe ich gelernt, mir Gutes zu gönnen und mich für das Erreichen eines Zieles zu belohnen? Ich kann mir allerdings auch vorstellen, dass Manfred für alle diese Ratschläge nicht viel übrig hat. Selbstmotivation hat ihre Grenzen und zwar dort, wo unsere menschlichen Möglichkeiten aufhören. An alle, die in aussichtslosen Situationen stecken, habe ich eine Bitte: Gib dich nicht auf! Warum? Weil nicht immer aussichtslos ist, was aussichtslos scheint. Es gibt in der Bibel die Geschichte von David und Goliat. Die Heere der Israeliten und der Philister standen sich 40 Tage lang gegenüber. Goliat, ein riesenhafter Hüne der Philister, forderte die Israeliten zweimal täglich unter Hohn und Spott zum Zweikampf heraus. Er wollte den Krieg auf diesem Weg entscheiden. Keiner der Israeliten traute sich, bis David kam. David war noch ein Junge, zu schwach, um auch nur eine Rüstung zu tragen. Aber David stellte sich dem Riesen entgegen, weil Gott ihm half, eine andere Perspektive einzunehmen. Was wäre, wenn wir sicher wären, dass die Umstände von jemandem kontrolliert werden, der das Beste für uns im Blick hat? Ich selbst habe es mir zur Gewohnheit gemacht, vor schwierigen Gesprächen zu beten und im Geiste zwei Bibelworte für mich in Anspruch zu nehmen: »Wenn Gott für mich ist, wer kann dann gegen mich sein?« und »Mit meinem Gott kann ich über Mauern springen!« Diese Zusagen Gottes haben mich noch jedes Mal besonders widerstandsfähig gemacht.

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Foto: CC-Vision

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chon abends kaum den nächsten Tag erwarten können, mit Freude und Elan seine Aufgaben anpacken und immer guter Laune sein: Ja, das wär’s! Jeder von uns kennt Tage, an denen es uns so vor dem Aufstehen graut. Ich denke an Menschen im Bekanntenkreis: Bei Marion sind es die vielen unerledigten Dinge, die sich wie ein unüberwindlicher Berg vor ihr auftürmen. Bei Peter ist es ein Termin beim Chef, der vielleicht die Kündigung bedeutet; gehen doch seit Tagen Gerüchte um, dass die Belegschaft seiner Firma verkleinert werden soll. Manfred ist bereits arbeitslos und erhält auf alle seine Bewerbungen seit Monaten nur eine Absage nach der anderen.


unterwegs Titelthema: Leben in der erlebt Krise ::: ::: 11 11

Weihnachten im Alltag Gott hat Großartiges mit uns Menschen vor – das haben wir an Weihnachten gefeiert. Wie gelingt es uns, dieses Feiern in den Alltag zu transportieren? Bischöfin Rosemarie Wenner empfiehlt dazu die Aktion »Glaube am Montag«, die auch von der EmK getragen wird.

Foto: Volker Kiemle / Medienwerk der EmK

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er Alltag kehrt jetzt ein im Jahr 2012. Wer über den Jahreswechsel Urlaub hatte, muss nun wieder zur Arbeit gehen. Mitte Januar gewöhnt man sich sogar an die neue Jahreszahl. Gelingt es uns, Weihnachten in den Alltag mit hineinzunehmen? Dafür haben wir dieses Fest schließlich gefeiert. Wir ließen uns sagen: Gott wurde Mensch. Den zum Teil erbärmlichen Alltag einfacher Leute unterbrach er, um sie wissen zu lassen: »Ich habe Großartiges mit euch Menschen vor!« Wer sich auf den Mensch gewordenen Gott einlässt, erlebt, wie sich das tägliche Leben verändert. Die Hirten von Bethlehem, die Weisen aus dem Orient und seither zahllose Menschen haben das erfahren. In den Gemeinden erzählen sie sich hoffentlich, wie der Glaube hilft, den Alltag zu bewältigen, Krisen zu überstehen, Unsicherheit auszuhalten, aber auch Neues zu wagen, weil Gott ihnen klarmacht, was sie für ihn und ihre Mitmenschen tun können. Christsein ist alltagstauglich! Daran erinnert uns im Jahr 2012 die Initiative »Glaube am Montag«. Kirchen, Werke, Ausbildungsstätten und Verlage vernetzen sich, um von- und miteinander zu lernen, wie das, was wir am Sonntag hören, von Montag bis Sonntag gelebt werden kann. Dass wir als Evangelisch-methodistische Kirche und als Zeitschrift »unterwegs« uns an dieser Initiative beteiligen, ist nicht verwunderlich: Die Einladung zum Glauben, der in der Liebe tätig ist, und damit die Verbindung von Frömmigkeit und Weltgestaltung machen den methodistischen Weg aus. Leider ist dieser Weg nicht so ohne weiteres selbstverständlich. Um uns her gilt, dass Glaube Privatsache

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ist und dass man deshalb besser nicht mitteilt, worauf man sein Leben baut. Da fällt es schwer, selbstverständlich zu zeigen und darüber zu reden, dass man Gott vertraut und sich an Jesus orientiert.

Einreihen in die Kette der Zeugen Genau dies ist aber ein natürlicher Ausdruck des christlichen Glaubens. »Wir können’s ja nicht lassen, von dem zu reden, was wir gesehen und gehört haben«, sagen Petrus und Johannes, als sie sich vor dem Hohen Rat wegen ihres öffentlichen Christuszeugnisses zu verantworten haben, nachzulesen in Apostelgeschichte 4,20. Die Kirche wuchs, weil Menschen nicht hinterm Berg hielten mit ihrem Zeugnis durch eine helfende Tat oder das deutende Wort. Sollten wir uns nicht einreihen in diese Kette? Das ist auch für unser eigenes Wachstum im Glauben wichtig. Denn im Weitergeben merken wir, dass Gott wirklich da ist als Kraftquelle mitten im Alltag. Ich bin sehr gespannt, was wir entdecken auf dem Lernweg durch dieses neue Jahr. Die Homepage von »Glaube am Montag« www.glaube-am-montag.net wartet darauf, gefüllt zu werden mit Erfahrungen, die andere zur Nachahmung ermuntern. Selbstverständlich sind viele Ideen altbewährt. Wie könnte es anders sein, wenn wir von der Bewegung von Mensch zu Mensch reden, die seit 2.000 Jahren die Welt verändert? Ob alt bekannt oder absolut innovativ: Entscheidend ist einzig die Verbindung von Hören, Aufnehmen, Wahrseinlassen und Weitergeben. So bleibt der Glaube lebendig. Und so wächst Gemeinde.


Familienthema: Leben Adoption in der Krise 12 ::: Titelthema:

»Mit jedem Kind bekommt man eine Wundertüte« Wenn der Kinderwunsch unerfüllt bleibt, erwägen viele Paare eine Adoption. Dafür brauchen die künftigen Eltern auch viel Durchhaltevermögen, denn auf zehn mögliche Adoptivelternpaare kommt in Deutschland ein zur Adoption stehendes Kind. Die Journalistin Petra Plaum erzählt, warum es dennoch oft ein glückliches Ende gibt und was Eltern beachten müssen.

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amilie werden, Familie sein ist nicht einfach. Was leibliche Eltern nach und nach herausfinden, offenbart sich Paaren mit Kinderwunsch spätestens, wenn sie sich um ein Adoptivkind bemühen. Doch ein glückliches Ende ist gar nicht so selten. Etwa zehn mögliche Adoptivelternpaare kommen auf ein zur Adoption stehendes Kind. Diese Zahlen, zu finden unter anderem auf der Homepage des Statistischen Landesamtes Baden-Württemberg, ernüchtern viele. Mut macht hingegen Sibylle Breit, Diplom-Sozialpädagogin und Adoptionsvermittlerin bei »Adoption«, der Evangelischen Beratungs- und Vermittlungsstelle in Württemberg. »Zahlen allein sagen nie aus, ob man nicht gerade das passende Elternpaar wäre für das nächste Kind, das Eltern sucht«, betont sie.

Was gute Adoptiveltern ausmacht »Wir suchen die passenden Eltern für jedes Kind, nicht das passende Kind für die Eltern«, hört denn auch, wer in staatlichen wie konfessionellen Vermittlungsstellen nachfragt. Schließlich soll ein Kind, das schon einmal entwurzelt war, langfristig Halt finden – bei Erwachsenen, die mit Trotzphasen, Schulproblemen, Krankheiten und später der Wurzelsuche des Adoptivkindes umgehen können. Natürlich wird geprüft, ob die Bewerber genug Einkommen für das Familienleben erwirtschaften. Doch alle Experten sind sich einig, dass der Charakter und ein gewisser Pragmatismus der Adoptivbewerber viel wichtiger sind als Reichtum und Größe des Wohnraums. »Ist die Trauer über den nicht geborenen leiblichen Nachwuchs ausreichend verarbeitet? Wie stellt sich Buch- und Internettipps: Momo Evers und Ellen-Verena Friedemann: Handbuch Adoption. Der Wegweiser zur glücklichen Familie. Mit Extrateil: Dauerpflege. Südwest Verlag, München 2007, 336 Seiten, 24,95 Euro. ISBN: 978-3517082752, als elektronisches Buch: 19,99 Euro Almud Kunert und Anette Hildebrandt: Und dann kamst du, und wir wurden eine Familie. Ein Bilderbuch für Adoptivkinder. ­Ravensburger Buchverlag, Ravensburg 2008, 12,99 Euro. ISBN: 978-3473323760 Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter www.bagljae.de

das Paar den Alltag mit Kind vor? Haben beide Respekt und Toleranz gegenüber Menschen, die anders leben und denken als sie selbst – Menschen wie der abgebenden Mutter, den Vorfahren des Kindes?« Anne Rossenbach vom Sozialdienst katholischer Frauen in Köln, der Adoptivkinder sowie Pflegekinder vermittelt, betont: »Die Wertsysteme, die ein Paar einem Adoptivkind vermitteln kann, stehen für uns an erster Stelle.« Je nach Region und Vermittlungsstelle kommen weitere Bedingungen hinzu, etwa das Alter der Adoptiveltern in spe. Manche konfessionellen Vermittlungsstellen wünschen, dass mindestens ein Ehepartner einer christlichen Kirche angehört, manche Jugendämter vermitteln auch an Alleinstehende – nachfragen schafft Klarheit. Die Experten sind sich einig, dass an Adoptiveltern viel höhere Anforderungen gestellt werden als an Menschen, die »einfach so« Eltern werden. Im Gegenzug starten Adoptiveltern auch wesentlich besser vorbereitet ins Abenteuer Familiengründung. Erfahrene leibliche Eltern denken bei der Lektüre von Fachbüchern wie dem »Handbuch Adoption. Der Wegweiser zur glücklichen Familie« immer wieder: Solch offene Worte sollten für alle Erwachsenen mit Kinderwunsch Pflichtlektüre sein!

Ohne Illusionen Familie planen »Mit jedem Kind bekommt man eine Wundertüte – auch mit einem leiblichen. Da weiß man aber in der Regel, was in der Familie alles vorkommt », sagt Anne Rossenbach. Der Unterschied: Bei einem Adoptivkind weiß man das nicht. Die Bewerber werden deshalb darauf vorbereitet, dass das Kind, das sie vermittelt bekommen, keine optimalen Startbedingungen hatte. Sie stellen sich auf mögliche Entwicklungsverzögerungen ein, darauf, dass der Nachwuchs anders aussieht und sich anders verhält als die eigenen Verwandten. Behinderung ist ab Anfang der Bewerbung ein Thema – Adoptivbewerber können feststellbare geistige und körperliche Behinderungen ausschließen. Wer bereit ist, ein Kind mit Behinderung(en), ein Kind mit anderer Hautfarbe oder ein älteres Kind aufzunehmen, verbes-


Titelthema: Leben in der Krise ::: 13 Kinder bringen immer Neues in die Familie – egal, ob es eigene oder adoptierte sind.

sert dafür seine Chancen, überhaupt ein Kind vermittelt zu bekommen. Viele, die sich für eine Adoption interessieren, vernetzen sich früh mit anderen Adoptiveltern und -bewerbern. Über Internetforen, Vereine und Vermittlungsstellen entwickeln sich oft Freundschaften. Die Kinder wachsen in der Gewissheit auf, dass Adoptionen etwas völlig Normales sind und sie selbst gehalten und geliebt werden, nicht nur von den Adoptiveltern, sondern auch von den abgebenden Eltern.

Offenheit von Anfang an Wie das in der Praxis aussehen kann, erzählt Momo Evers, eine der Autorinnen des »Handbuch Adoption« und Adoptivmutter von Fine, die heute fünf Jahre alt ist. »Das Wort ›adoptiert‹ war Fine schon immer so geläufig wie ›Ball‹ oder ›Auto‹«, erinnert sie sich. »Die Fragen kamen mit drei Jahren und dem Buch ›Dann

kamst du, und wir wurden eine Familie‹. Immer wieder wollte Fine wissen: Warum kam ich nicht aus deinem Bauch? Und warum hat sich die Frau, bei der ich im Bauch war, nicht um mich gekümmert? Darauf antwortete ich, klar hat sie sich gekümmert, sie hat sich darum bemüht, neue, tolle Eltern für dich zu suchen. Darauf Fine: Ach, und ihr seid jetzt diese tollen Eltern?« Für sie und ihre Co-Autorin Ellen-Verena Friedemann, die lange in der Adoptionsvermittlung/Pflegekinderdienst der Stadt Halle an der Saale tätig war, ist klar: Das Leben mit einem Adoptivkind ist etwas Besonderes. Die Chance, einem Kind ein Zuhause zu bieten und selbst die Welt mit Kinderaugen neu entdecken zu dürfen. Ellen-Verena Friedemann nennt den größten Unterschied zur Geburt eines leiblichen Kindes diesen: »Eine Adoption ist erst dann abgeschlossen, wenn das Kind die Eltern adoptiert.«

Schritt für Schritt zur Familie – oder zum Abschied vom Kinderwunsch

Foto: CC-Vision

Schritt 1: Adoption oder Pflege – ein Weg für uns? Paare mit Kinderwunsch sollten Fachlektüre zum Thema durchforsten, in Elternforen stöbern, sich selbst kritisch hinterfragen. Sind beide offen und bereit, ein Kind aus fremdem Hause anzunehmen und zu lieben? Ist zumindest einer bereit, beruflich für einige Jahre zurückzustecken? Trauen sich beide das Leben mit einem behinderten, alkoholgeschädigten oder verhaltensauffälligen Kind zu? Wenn man sich einig ist … Schritt 2: Kontakt zu infrage ­kommenden Vermittlungsstellen Das örtliche Jugendamt und eventuell eine konfessionelle Vermittlungsstelle beraten gern. Hier erfahren mögliche Bewerber, welche Anforderungen in puncto Alter, Familienstand etc.

gestellt werden und welche Chancen es gibt (regional unterschiedlich). Der persönliche Kontakt entscheidet: Passt es oder nicht? Wären Auslandsadoption (über eine andere Vermittlungsstelle) oder Pflegeelternschaft Alternativen? Falls es passt: Schritt 3: Seminare und Treffen Während der Wartezeit lernen mögliche Adoptiveltern viel über das Leben mit einem (Adoptiv-)Kind: Entwicklungsphasen, Rechtliches und die Wurzelsuche von Adoptivkindern spielen eine Rolle. Eine Bewerbungsmappe wird erstellt, in der sich abgebende Eltern ein Bild von möglichen Adoptivbewerbern machen können. Schritt 4: Ein Kind sucht Eltern Die Vermittlungsstelle ruft an: »Sie kommen für ein abzugebendes Kind

infrage!« Noch können beide Seiten ablehnen. Sagen die Adoptivbewerber zu und nehmen das Kind an, werden sie am Anfang intensiv begleitet. Nach einigen Wochen wird das Adoptionsverfahren eingeleitet. Nach Abschluss sind die Adoptiveltern auch rechtlich Eltern. Schritt 5: Und wenn nicht? Ein Paar bekommt trotz grundsätzlicher Eignung kein Kind vermittelt – oder die Adoption scheitert. Die Vermittlungsstelle bleibt trotzdem lange Ansprechpartner, spendet Trost und hilft, die Trauer zu bewältigen. Manche Paare werden nach Jahren doch noch (Adoptiv- oder leibliche) Eltern oder nehmen ein Kind in Pflege. Andere lernen, Erfüllung im Leben ohne Kind zu finden.


14 ::: Aus Briefen an die Redaktion

Erinnert an die Anfänge Zu »Fünf Uhr früh in Korea« (24/2011): Mit großer Freude habe ich den Bericht von Christhard Elle gelesen über das von ihm miterlebte Frühgebet. Die Gebetspraxis unserer koreanischen Glaubensgeschwister erinnert an die Anfänge des Methodismus. Eine der damaligen Jahreskonferenzen befasste sich mit der Frage: »Was kann getan werden, um das Werk Gottes zu beleben, wo es abgenommen hat?« Eine von sieben Antworten lautete: »Wo immer du kannst, setze Gebetsversammlungen an.« An Joseph Benson, einen seiner Mitarbeiter, schreibt John Wesley: »Ich liebe Gebets-Versammlungen und wünsche, sie würden in jedem Winkel der Stadt eingerichtet.« Hans Jakob Reimers, Hüttenberg Ein Fehlgriff Zu »Wie es im Himmel ist ...« (24/2011): »Den Himmel überlassen wir den Engeln und den Spatzen«: Diese Verse Heinrich Heines auch nur in die Nähe des Nationalsozialismus zu bringen, wie Karl Layer dies in seinem Beitrag tut, muss, brüderlich ausgedrückt, als Fehlgriff bezeichnet werden. Heine dichtete seine Verse gegen eine Kirche, die sich an der Ausbeutung der arbeitenden Menschen beteiligte. Diese Kritik war damals allzu berechtigt. Heines Verse waren von seinem Einsatz für die Menschenrechte bestimmt; die Nazis traten die Menschenrechte mit Füßen. Sie verbrannten Heines Bücher, zumal er Jude war. Man kann Heine vieles vorwerfen, aber eines nicht: dass er eine irgendwie geartete Nähe zu Nationalisten gehabt habe. Diederich Lüken, Stuttgart

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Kein Privileg des Methodismus Zu »Unter dem Uni-Teppich« (24/2011): Es wird in unserer Zeit so viel gefälscht, da ist es wichtig, auch Plagiate aufzudecken. Aber das ist doch nicht ein Privileg des Methodismus. Überhaupt sind Plagiate keine Erfindung der Moderne. Erst kürzlich fiel mir auf, dass die Erzählung von den drei Ringen in Lessings »Nathan der Weise« älteren Ursprungs ist. Sie taucht bereits bei Giovanni Boccacio im Dekameron auf. Siegfried Wagner, Chemnitz Nicht zu entziffern Zum Tierpreisrätsel (24/2011): Die Auflösung dieses Tierpreisrätsels war wirklich nicht ganz einfach. Ich habe es als über Achtzigjährige nicht ganz geschafft und sehr gespannt auf die Auflösung gewartet. Leider finde ich es bedauerlich, dass diese im heutigen »unterwegs«, selbst mit Brille und Vergrößerungsglas, nicht zu entziffern ist. Dorle Dorn, Hockenheim Verklausulierter Begriff Zu »Juden rein« (25/2011): Dass Deutschland inzwischen als »jüdisch-messianisches Wunderland« zählt, war mir seither verborgen. Aber der jüdische Säkularismus ist dann in seiner Eschatologie bescheiden geworden. Die Formulierung mag ohnehin nur die wachsende Zahl jüdischer Neubürger aus den Ostblock-Staaten im Blick gehabt haben. »Messianisches Judentum« erscheint mir als verklausulierter Begriff. Wer sich zu Jesus als dem angekündigten Messias bekennt, fällt aus dem Judentum als Glaubensgemeinde he­ raus. Er ist Christ, auch wenn er – jüdisch-stämmig – weiterhin in ­Israel leben sollte. Die politischen Anmerkungen des Autors vermag

ich nicht zu teilen. Friedenshindernis Nummer eins ist ja wohl nicht nur »ausgrenzendes Denken«. Wenn es das jüdischerseits wirklich nicht geben sollte, so hat doch die gewaltsame Inbesitznahme fremden Eigentums (seit 1948) zu einer Ausgrenzung viel schlimmerer Art geführt, nämlich zum Verlust von Besitz und Heimat für Millionen Menschen. Ein Zustand, der sich noch täglich verschlimmert. Das ist alles andere als friedensdienlich. Dem jüdischen Volk ist ein eigener Staat zu gönnen, aber die Folgen einer widerrechtlichen Aneignung sind zu beklagen. Daran ändert auch nichts, dass viele Araber in Israel Nutznießer demokratischer Rechte sind. Walter Berchter, Detmold

Ausgerechnet von philosophischer Seite! Zu »kurz gesagt« (25/2011): Um die Diskussion eines Pflichtjahres ist es zum Glück in den letzten Jahren ruhiger geworden. Wollten früher immer wieder Politiker manche Lücke in der sozialen Versorgung mit einem Pflichtjahr für junge Frauen stopfen, kommt jetzt ausgerechnet von philosophischer Seite der Ruf nach einem sozialen Pflichtjahr für Rentner. Vielleicht hat Herr Precht beim Nachsinnen über »Die Kunst kein Egoist zu sein« (!) ganz übersehen, dass auf dem Gebiet der Freiwilligendienste sich im letzten Jahr sehr viel getan hat. Man mag manches am Schnellschuss »Bundesfreiwilligendienst« (BFD) kritisieren. Dieser steht für alle Altersgruppen offen, also auch für fitte Rentner und Rentnerinnen. Die Kultur der Freiwilligendienste wurde hiermit gestärkt. Für den sozialen Bereich ist das begrüßenswert. Ein Pflichtdienst wäre ein Rückfall in alte autoritäre Strukturen. Gebhard Böhringer, Referent für Freiwillige Soziale Dienste

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unterwegs 2/2012 ::: 15. Januar 2012

Bielefeld: An Heiligabend gegen Neonazis Mit einer interreligiösen Mahnwache demonstrierten an Heiligabend Juden, Muslime und Christen gegen eine Nazi-Demonstration. Unter dem Motto »Bielefeld stellt sich quer« sprachen sie sich für Toleranz und solidarisches Miteinander aus. Mit dabei war auch die Bielefelder EmK.

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Foto: Ursula Hagemann

m 6. August 2011 hatten die Neonazis eine Demonstration in Bielefeld angemeldet. Es protestierten so viele Bielefelder Bürger, dass die Demo von der Polizei aufgelöst werden musste, da die Neonazis nicht einmal den Hauptbahnhof verlassen konnten. Daraufhin kündigte die Organisation der Rechten an, dass sie an Heiligabend wiederkommen würden. So fand am Heiligen Abend 2011 eine Demonstration der Neonazis statt, gegen die viele Bielefelder Organisationen unter dem Motto »Bielefeld stellt sich quer« aufriefen. Einen möglichen Versammlungsort vor dem Hauptbahnhof hatten die Kirchen, die jüdische Kultusgemeinde und die islamischen Kulturvereine für sich reserviert. Es fand eine interreligiöse Mahnwache unter dem Motto »5 vor 12« statt.

EmK ist klar gegen Rassismus Dort sprachen sich Juden, Muslime und Christen für Toleranz und ein solidarisches Miteinander aus: Bielefeld ist eine bunte Stadt und soll bunt bleiben. Für uns als EmK in Bielefeld war es selbstverständlich, dass wir dabei sind, denn die sozialen Grundsätze unserer Kirche fordern von uns eine klare Stellungnahme, wenn es um rassistische Äußerungen geht. Unsere Bischöfin Rosemarie Wenner hatte zu unserer Unterstüt-

Mit einer interreligiösen Mahnwache protestierten Gläubige in Bielefeld gegen Nazis.

zung zwei der Passagen aus den sozialen Grundsätzen der EmK ausgewählt: »Wir missbilligen Handlungen des Hasses oder der Gewalt gegen Gruppen oder Einzelpersonen aufgrund ihrer Rasse, ihrer Ethnizität, ihres Geschlechts, ihrer sexuellen Orientierung, ihrer Religionszugehörigkeit oder ihres wirtschaftlichen Status« und »Rassismus verdirbt und hindert unser Wachsen in Christus, weil er im direkten Widerspruch zum Evangelium steht«. Viele Bläserinnen und Bläser aus Bielefeld und Ostwestfalen-Lippe unterstützten die Versammlung mit ihren lauten Klängen. Am Ende der Feier wurde ein interreligiöser Rei-

fen der Künstler Gregor Merten und Carmen Dietrich aus Burscheid, der die Symbole der abrahamitischen Religionen vereinigt, mit Sand gefüllt und es entstand auf dem Bahnhofsvorplatz ein »Engel der Kulturen«, der uns in der Stadt Bielefeld auch weiterhin begleiten wird. An verschiedenen Orten Bielefelds protestierten mehr als 6.500 Menschen dagegen, dass den Neonazis der öffentliche Raum für ihre Parolen zur Verfügung steht. Durch ein großes Polizeiaufgebot war es jedoch möglich, dass die etwa 70 Personen aus der rechten Szene ihre Kundgebung durchführen konnten. Ursula Hagemann


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Über den Jahreswechsel fand in Berlin fand das 34. Europäische Jugendtreffen der Gemeinschaft von Taizé statt. 30 000 junge Christen aus 70 Ländern beteten, sangen und diskutierten fünf Tage an der Spree. Benjamin Lassiwe war dabei.

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unkel ist es in der weitläufigen Messehalle, dunkel und still. Zu Tausenden knien die jungen Menschen auf dem Fußboden. Vor ihnen sitzen die weiß gekleideten Brüder aus Taizé auf ihren Gebetsschemeln. Gemeinsam haben sie gesungen, »Jubilate deo omnis terra« oder auch »Singt und spielt Gott ein neues Lied«, gemeinsam haben sie in der Stille zu Gott gebetet. Nun gehen zwei Kinder nach vorne, zum Altar. Sie holen ein Licht, das Friedenslicht aus Bethlehem. Von Kerze zu Kerze geben sie es weiter, zunächst an die Brüder von Taizé, dann an die Menschen in der Halle. Wo es eben noch dunkel war, entsteht ein Lichtermeer. Das Kerzengebet am Silvesterabend war wohl der eindrücklichste Moment des 34. Europäischen Jugendtreffens der ökumenischen Bruderschaft von Taizé, zu dem vom 28. Dezember bis 1. Januar rund 30.000 junge Erwachsene – viele davon aus Osteuropa – in Berlin zusammengekommen waren. In mehr als 160 Berliner Kir-

chengemeinden trafen sie sich unter dem Motto »Wege des Vertrauens« zu Morgengebeten und Gesprächsgruppen, an jedem Mittag und an jedem Abend versammelten sie sich in den Messehallen am Funkturm. Im Zentrum standen dabei die Ansprachen des Priors von Taizé, Bruder Alois Löser. Er forderte die jungen Leute zu Solidarität, Bewahrung der Schöpfung und mehr gelebter Ökumene auf. »Wie können wir den Skandal der Spaltung zwischen den Christen fortbestehen lassen?«, fragte Bruder Alois die Teilnehmer des Treffens während eines Abendgebets, an dem neben dem EKD-Ratsvorsitzenden Nikolaus Schneider auch Altbundespräsident Horst Köhler und zahlreiche evangelische und katholische Bischöfe teilnahmen. Löser forderte die Christen auf, vor allem öfter zusammen zu beten. Hören konnte man die Gesänge des Taizé-Treffens in diesem Jahr auch in der Kuppel des Berliner Reichstagsgebäudes: Dort begrüßten Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Bündnis 90/ Die Grünen) und weitere Abgeordnete einige hundert Teilnehmer zu Podiumsdiskussionen. Zusammen mit anderen Abgeordneten berichtete Göring-Eckardt, wie sie Politik und christlichen Glauben verbindet

– doch die Diskussion blieb mau, und von Allgemeinplätzen bestimmt. Im Zentrum des Berliner TaizéTreffen stand Anderes: »Taizé lebt von seinen Gesängen«, sagt die 29-jährige Hildesheimer Studentin Tanja Bellack. Schon oft war sie bei der Bruderschaft in Frankreich zu Gast. »Für mich sind diese Lieder unheimlich ansprechend – sie sind offener und viel moderner, als man es eigentlich von der Kirche erwartet.« Ähnlich denkt auch die 26-jährige Rumänin Joanna Azamfriei: »Die Taizé-Lieder nehmen dich aus deinem Alltag heraus und bringen dich in Kontakt zu Gott«, sagt die Studentin. Doch auch die Begegnungen mit anderen jungen Leuten aus ganz Europa hat die Studentin schätzen gelernt. »Ich komme auch hierher, um andere Menschen zu treffen, die ich in Taizé oder bei den Jugendtreffen kennengelernt habe.« Denn das Europäische Jugendtreffen der Brüder von Taizé war auch eine große Partnerbörse. Und während tagsüber in den Gemeinden und Messehallen gebetet wurde, stand für viele Teilnehmer abends Party auf dem Programm. Weswegen man den ganzen Tag über in den Messehallen über schlafende Taizé-Besucher stolpern konnte. Benjamin Lassiwe

unterwegs 2/2012 ::: 15. Januar 2012

Foto: ddp-images

Taizé-Treffen in Berlin: Singen und Beten


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Ab sofort kann man im Internet fünf der acht »Qumran«-Rollen anschauen.

Im Fort Knox der Menschheitskultur Der Internet-Gigant »Google« macht mit seiner »Street-View«-Technologie die im Jerusalemer IsraelMuseum aufbewahrten Tote-Meer-Rollen per Knopfdruck zugänglich. Die 2.000 Jahre alten Pergamente mit den ältesten bekannten Bibel-Abschriften wurden vor über 60 Jahren nahe dem Toten Meer gefunden. Das Internet-Projekt wurde kürzlich feierlich in Jerusalem vorgestellt. gensaft erzählte. Museumsdirektor James Snyder wollte nicht verraten, wie viel das Projekt gekostet hatte: »Wir benötigten die Kameras und vor allem viel Zeit unserer Angestellten und der Forscher von Google. Es kostete also kein Vermögen.«

Objektive aus der Schweiz und Deutschland Ardon Bar Hama war der Fotograf und hatte schon in Oxford und im Vatikan historische Manuskripte mit seiner Spezialkamera abgelichtet. Um Schaden zu vermeiden, verwendete er UV-freies Blitzlicht von 1/4000 einer Sekunde. Die Objektive stammen aus der Schweiz und Deutschland. Die Technologie für die hochauflösende Schweizer Alpa-Kamera hat die israelische Firma »Leaf« entwickelt. Jedes Bild enthält 1.200 Megapixel und ist 160 Megabites groß. Bar Hama hat innerhalb von sechs Tagen jede Textkolumne einzeln fotografiert. Danach wurden die Bilder in mühseliger Arbeit wieder zu den kompletten Rollen zusammengefügt. »Wir haben jedem Vers einen eigenen Link gegeben und mit einer englischen Übersetzung der Bibel verknüpft«, erzählte Professor Yossi Matias, Leiter der Google-Forschungsabteilung in Israel.

unterwegs 2/2012 ::: 15. Januar 2012

Fotos: Ulrich W. Sahm / Istock / www. imjnet.org.il

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usan Hasan lacht: »Ich fühle mich wie Bill Gates, wenn der ein neues Programm vorstellt«, sagt die Multimedia-Kuratorin des Israel-Museums. Sie drückte auf »Enter«, um das gemeinsame Projekt von Google und dem Israel-Museum vorzustellen ... und erst mal passierte nichts. Dann funktionierte es doch. Ab sofort kann man auf Englisch in einer Suchmaschine Wörter aus dem Buch des Propheten Jesaja eingeben, etwa »Wolf und Schaf« oder »Schwerter und Flugscharen« und schon landet man an der richtigen Stelle in der im Jahr 135 vor Christus kopierten Pergamentrolle und kann dort den Originaltext in hebräischer Schönschrift lesen. Acht fast komplette Bücher wurden bei Qumran gefunden, aber nur fünf wurden mit einer Spezialkamera in hoher Auflösung für Google neu fotografiert: Jesaja, ein Kommentar zu Habakuk, die Tempelrolle der Essener sowie deren Kriegsrolle und Gemeinderegeln. Auf die Idee, modernste Digitaltechnik und uralte Texte zu verknüpfen, kam der amerikanische Geschäftsmann George Blumenthal, im Elsass geboren, in Frankfurt aufgewachsen und 1939 »rechtzeitig« geflohen, »nachdem meine Mutter nach Buchenwald geschickt worden ist«, wie er nach der Feier bei Oran-


Meine Meinung ::: 21

»Ich kann kein Hebräisch lesen und verstehe kein Wort Englisch«, sagte in bestem Englisch ein Reporter und fragte, warum denn die Jesaja-Rolle nicht gleich auch mit der Lu­ therbibel verknüpft worden sei. Nach Gelächter im Raum sagte Matias, dass man auch die Bibelverse auf Chinesisch eingeben könne. »Es ist eine gute Idee, die Tote-Meer-Rollen in anderen europäischen Sprachen zugänglich zu machen.«

Bitte nicht berühren Nach der Feier im Auditorium des »Schreines des Buches«, wo eine Faksimile-Kopie der Jesajarolle dem Publikum zugänglich ist, wurden jeweils nur sieben Journalisten ins »Allerheiligste« eingelassen, in den Tresor im Luftschutzkeller mit meterdicken Mauern. »Das ganze Gold im amerikanischen Fort Knox würde nicht ausreichen, den Wert der hier gelagerten Schätze der Menschheitskultur aufzuwiegen«, sagt einer. In einem abgedunkelten Raum steht Kurator ­Adolfo Roitman hinter einem Tisch mit einem zwei Meter langen Kasten. Auf einer schwarzen säurefreien Unterlage »ruht« da ein eng beschriftetes Pergament. »Zum letzten Mal haben wir vor zwanzig Jahren diese Jesaja-Originalrolle ausgewählten Gästen gezeigt«, sagt Roitman. »Bitte nicht berühren«, sagt er einem frommen jüdischen Journalisten, der sich beugte, um den Text zu lesen, als wäre es eine israelische Zeitung. »Diese Rollen sind unberührt. In den 1960er Jahren haben Forscher Fragmente mit Tesafilm zusammengeklebt und schrecklichen Schaden angerichtet. Ehe wir sie mit japanischem Papier und chemischen Stoffen festigen, säubern oder restaurieren, wollen wir absolut sichergehen, nichts falsch zu machen.« Die Dokumente lagern in verschlossenen Glasschränken bei 18 Grad und 49 Prozent Luftfeuchtigkeit in absoluter Finsternis. Ulrich W. Sahm

Ich liebe Mozzarella. Und das bleibt so! Auf unser Soziales Bekenntnis bin ich stolz. Da blättere ich in unserem Gesangbuch (S. 1342) manchmal drüber. Ebenso wertvoll finde ich die »Sozialen Grundsätze« unserer Kirche. In dieser Broschüre nehmen wir als Kirche Stellung zu fast allen gesellschaftsrelevanten Fragen. Und diese knappen, gut verständlichen Positionen werden regelmäßig überarbeitet und ergänzt. Nun ja, ehrlich gesagt schaue ich da trotzdem selten hinein. Und nun gibt es seit November auch noch die Broschüre »Leitlinien für ökofairen Einkauf und Konsum«. Wie der Titel vermuten lässt, klingt das nach Spaßbremse beim Einkauf – und das kam in der »Geschenkeeinkaufszeit«. So habe ich die Broschüre zunächst mal ordentlich in die Auslagenfächer getan. Mehr Zeit hatte ich nicht in der Vorweihnachtszeit ... Nun lese ich aber in einer aktuellen EKD-Studie folgenden Vergleich: Eine Tomate, aus ökologischem Anbau zur Sommerzeit in Deutschland gewachsen, erzeugt 35g CO², dagegen erzeugt eine Tomate in einem beheizten Gewächshaus, außerhalb der Saison, 9300g CO², also das 266-fache. Das geht mir nach. Denn ich liebe Mozzarella mit Pesto und Tomate. Muss ich nun umdenken und im Winter auf Tomaten verzichten? Nun ja, Weihnachten und andere Ausreden sind jedenfalls vorbei und ich werde mir die Broschüre für den ökofairen Einkauf nun vornehmen. Ich muss mich nicht hetzen, aber aus dem Glauben erwachsen Konsequenzen – das sind meine methodistischen Wurzeln. Und so hat meine Beziehung zu Gott auch etwas mit meinem Konsumverhalten zu tun – und zwar konkret. Ich bin dankbar, dass wir für so ein unbequemes Thema mit der neuen Broschüre eine Ermunterung haben. Auf meinen Mozzarella muss ich nicht ganz verzichten. Ich habe es schon mal mit Paprika versucht. Schmeckt anders – aber auch lecker.

Kurator Dr. Adolfo D. Roitman zeigt die Jesaja-Orginalrolle im Tresor des Israel-Museum in Jerusalem.

www.english.imjnet.org.il/htmls/home.aspx Zu dem neuen Projekt gelangt man durch einen Klick auf »Discover the Digital Dead Sea Scrolls« (unten rechts).

Andreas Fahnert ist Pastor in den Bezirken Berlin-Wittenau und Oranienburg.

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Seit Wochen geht mir eine kleine Szene immer wieder durch den Kopf – eigentlich unwichtig, aber doch irgendwie typisch: Ich komme zurück von einem langen Arbeitstag, es ist kurz vor acht. Hungrig biege ich noch schnell beim Discounter ein, eilig spurte ich mit meinen Sachen zur Kasse – und dann dauert es. Vor mir eine Frau, ziemlich aufgelöst, ohne Einkaufswagen, dafür mit jeder Menge Sachen unterm Arm und in den Händen. Und eine Kassiererin, die mit Engelsgeduld zusieht, wie sie die Dinge in die Tüten stopft, die mithilft beim Einpacken. Schließlich will die Dame zahlen – aber mit vollen Händen kriegt sie die Geldbörse nicht auf. Also hilft die Kassiererin erneut – und der Mann vor mir und ich warten weiter. Endlich ist alles erledigt, die Kassiererin guckt hoch, unsere Blicke treffen sich. Sie mit einem wissenden Lächeln, ich auch. Alle waren geduldig, alle zeigten Verständnis – Anerkennung auf den Gesichtern. »Hochachtung«, denke ich, »wie sie das bewältigt hat, das war klasse! Geduldig, gelassen, hilfsbereit, freundlich – echt souverän!« Noch ein freundliches Lächeln, als ich dran bin, dann schnell nach Hause. Als ich wieder im Auto sitze, fällt es mir ein: »Mensch, warum hast du nichts gesagt? Du hättest sie doch loben können! ›Danke für Ihre Freundlichkeit, das fand ich beeindruckend! Ganz toll reagiert – so eine Kassiererin findet man selten!‹« Jetzt im Auto fallen mir die Worte ein: Das wäre verdient gewesen, eine gute Idee! Zu spät ...

Okay, ein Lob für eine Kassiererin – nett. Aber was ist das schon angesichts Taliban, Tsunami, Eurokrise und anderer Großprobleme dieser Welt? Peanuts. Und dann auch noch darüber schreiben? Ja. Denn die »Mechanik« dieser Erfahrung geht mir nach, ist Lehrmeister für Glaubens-Situationen jeden Kalibers: Ich merke, dass ich den »Ernstfall« des Glaubens oft unbewusst in die Zukunft verschiebe: Jetzt – das ist ja nur dieser ganz normale Moment, auf den es gar nicht so ankommt. Aber in Zukunft, wenn eine echte Herausforderung kommt, das große grüne Licht angeht: Dann will ich das Richtige tun, ganz ehrlich! Aber dieser kleine Moment gerade jetzt – das ist ja nicht der Ernstfall! Klar sagt jeder: Das stimmt ja gar nicht! Aber ich merke: Oft lebe ich genau so! Durchaus in einem frommen Horizont – für irgendwann. Dann, wenn der Ernstfall kommt. Aber das grüne Licht kommt so selten! Stattdessen sind da Leute an der Kasse, Nachbarn hinterm Gartenzaun, Autos auf der Straße, Sitzungen in der Firma, E-Mails. Telefonanrufe, Mittagessen, Kindersorgen. Alltag eben. Kein Ernstfall. Ich würde dieser Verkäuferin immer noch gerne »Danke!« sagen. Aber ich erinnere mich nicht mehr an ihr Gesicht. Ich merke: Ich muss meine Einstellung ändern. Muss Hände, Füße und Mund noch mehr einüben lassen, dass jetzt Ernstfall ist. Und dass Worte gesagt werden müssen – nicht nur gedacht. Egal, ob danke sagen oder schwere Kaliber wie teilen lernen, praktische Hilfe oder mein Ja und Nein zur richtigen Zeit: Ohne Einüben wird nichts Ernstfall! www.glaube-am-montag.de

Ulrich Eggers leitet den Bundes-Verlag und lebt mit seiner Familie in Cuxhaven. Der Text ist dem Sonderheft von »Aufamtmen« zur Aktion »Glaube am Montag« entnommen.

unterwegs 2/2012 ::: 15. Januar 2012

Foto: Claudia Hautumm/pixelio.de

Wenn das grüne Licht angeht


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