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pièces de résistance

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Sensibilität

Sensibilität

Das A-/andere b-/Begehren.

«Der Mond kann nicht vom Himmel genommen werden, ohne daß alles Gestirn gestört würde.»

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(H. H. Jahnn: Perrudja)

pièces de résistance ‹Stücke, die widerstehen›

Ein ANDERES ICH zu werden und andere ICH auf dem Weg der Revolte zu begleiten, stellen zwei Seiten einer Medaille dar. Der Einsamkeit des Begehrens ist eine Universalisierung der Selbstverhältnisse entgegenzuhalten, dem Konsum-Begehren die Lust am Sozialen. Das nachfolgende literarisch-malerisch-musikalische Manifest ist als Brückenschlag zwischen einer „Universalisierung des politischen Bewusstseins“ und einer „Ethik der Evidenz“ gedacht. 1 ~

1 Foucault, Michel: Von der Freundschaft. Michel Foucault im Gespräch, (ohne Datum), Berlin, S. 123-131. Dies schließt ein, „es sich niemals erlauben, sich mit seinen eigenen Gewißheiten und Evidenzen bequem einzurichten; sie niemals einschlafen lassen, aber auch nicht glauben, daß schon eine neue Sachlage ausreicht, sie umzukehren; sich nicht vorstellen, daß man sie ändern kann wie willkürliche Axiome; daran denken, daß man - um ihnen die unerläßliche Beweglichkeit zu erhalten - zwar in die Ferne blicken muß, doch auch in die Nähe und um sich herum“ (ebd., S. 130).

Das A-/andere b-/Begehren.

Ein ICH reist auf einem Kahn, silbern wie ein Fisch, flussabwärts, der Mond fährt mit. Ähnlich langsam vollzieht sich Leben in der Art und Weise des Wanderns. Es ist das eines Haijin (Wanderlustigen), ein in aller Ruhe Umherwandeln, ein heiteres Umherstreifen, ein unbefangenes Durchslebenschreiten. Große Ruhe - wo im Herzen spielerische Freiheit. Weilen im Kosmos: eine Genossenschaft, in der der Reigen der Zeiten das Herz entzückt. Allüberall „Frühlingsnachtgelage“; und mit ihnen beginnen die Reisevorbereitungen: „,Sonne und Mond, Tage und Monate verweilen nur kurz als Gäste ewiger Zeiten‘, und so ist es mit den Jahren auch: sie gehen und kommen, sind stets auf Reisen. Nicht anders ergeht es den Menschen, die ihr ganzes Leben auf Booten dahinschaukeln lassen, oder jenen, die mit ihren am

Zügel geführten Pferden dem Alter entgegenziehen: tagtäglich unterwegs, machen sie das Reisen zu ihrem ständigen Aufenthalt.“ 2

Unterwegs sein wie Platero und Ich 3 : „Nicht so schnell doch, geh langsam,/ denn du musst nirgends hin als zu dir selbst!/ Geh langsam, nicht so schnell, denn das Kind deines Ichs, das ewiglich/ Neugeborene/ kommt dir sonst nicht mehr nach.“ 4 Das heißt: „Ich bin nicht ich./ Bin der da, welcher neben/ mir hergeht, ohne daß ich ihn gewahre, den ich manchmal entdecke/ und manchmal ganz vergesse.“ 5 Einem Ich, das einem anderen Ich begegnet, eröffnen sich, ganz unverhofft, Friedensmomente: „Gold, das auf einmal aufquillt,/ lind, in lauteren Ringen,/ über rotschwarzem Schutt und Schund;/ in Ringen unaussprechlicher Musik,/ mit Duft unzähliger Blumen!“ 6

Dagegen stehen dunkle Begierden, gespeist von leerer Prosperität - und ihren Folgen. Kaum im Leben erwartet die Kinder an den Peripherien der leeren Geldwelt der Verwaiser: „(Die Mütter) gebären rittlings über dem Grabe, der Tag erglänzt einen Augenblick, und dann von neuem die Nacht.“ 7 Leise unbemerkt nicken Kinderköpfe weg. Es herrscht ein großes Sterben, und die „gepfefferten und weichgemachten Länder“ stehen schutzloser denn je „im Dienst der monströsesten Ausbeutungen von Industrie oder Militär“ - „Wir massakrieren dann die logisch folgenden Revolten.“ 8 Ausweitung der Industriemetropolen und -zonen, der Schädel-/Totenstätten von Geistern und Körpern, in denen „der Atem ganzer Legionen von Menschen“ 9 in der Luft zu liegen scheint. Entwurzelte Welt, weltumspannend, „und so bauen wir uns dieses Paradies der Begierden.“ 10

2 Bashô, Matsuo: Auf schmalen Pfaden durchs Hinterland, Mainz, 2007, S. 43.

3 Jiménez, Juan Ramón: Platero und ich. Andalusische Elegie, Berlin, 2014.

4 Ders.: Ewigkeiten, zitiert nach ebd., S. 252.

5 Ebd., S. 253.

6 Ders.: Stein und Himmel, zitiert nach ebd., S. 264.

7 Beckett, Samuel: Warten auf Godot, Berlin/Frankfurt a.M., 2006, S. 109.

8 Rimbaud, Arthur: Demokratie, zitiert nach: Schreibheft 85, Essen, 2015, S. 12.

9 Sebald, W.G.: Nach der Natur - Ein Elementargedicht, Frankfurt a.M., 2012, S. 84.

10 Zhao Liang: Behemoth - Der schwarze Drache, Dokumentation 2012.

Wirkliche Träume fallen nicht in diese Zeit, es sei denn als hohle Parole des „Weiter so!“ oder phantasierte Flucht zu Mond und Sternen. 11 Wie ist ein anderes Leben möglich ohne sich „jedes Mal vom Sog des Begehrens fortgerissen zu fühlen?“ 12 Ein Satz - lichtleicht, zugleich nachtschwer: „Die Liebe der Wiederholung ist in Wahrheit die einzig glückliche.“ 13 Was aber wenn Sätzen nur Sätze und keine Sprünge folgen? Wie dann ein volles, rundes Leben führen, eines, das der unerbittlichen Realität aus Linien und Punkten diametral entgegenläuft - intuitiv weise und tätig mitfühlend 14 - Eine Notiz: „Spät im Jahr der erste kalte Morgen, Sonne, Nebel über Wald und Wiesen; Gefühl, dass die Wiederholung der Liebe das Einzig-Mögliche ist“. Sie holte dies ANDERE ICH ein, sprach es an - es entstand ein WÄRMEBILD (vergleichbar einem Video-Tagebucheintrag von Jonas Mekas 15 ), darin ein anderes Ich, barking at the moon - ein Gebell, das klang wie ein Lied:

Die Idylle, der Mond, das ist das eine Element der Bewegung. Die Ruhe, die Elegie, die Sonne, das ist das andere Element der Bewegung. Die Ekstase, das Riesenfeuer (wütend gegen den „Triumph des Kapitalismus der Krise“) windgestreut, die Elegie Enrico Belinguer. Die Strategie des historischen Kompromisses, 16 das Idyll, Pier Paolo Pasolini, eine neue Geometrie der Liebe. Ihre Zeit gibt es nicht mehr, ihre Zeit wird wiederkommen in 1650 Tagen, wenn ein Spalt, Türen offen und die Formel Kunst = Kapital, Missionen in Raum und Zeit werfen; that the all-consuming self and pastoral capitalism will be banished, und Menschen wieder, bishnoi-like to be compassionate towards all living beings not to fell green trees dass der Mond kleingeschnittene Schatten wirft ausgestreut wie silbernes Bohnenmehl. 17

(Und aus den Schnipseln der Schatten formt sich ein größeres Bild.) EINE WILDE HORDE reist auf einem Kahn, silbern wie die Fische, flussabwärts, der Mond fährt mit. ...

| AS (Karikatur) | Stephan Braun (Text) | Carina Heinzel (Musikstück zum Anhören auf engagee.org)

11 „If evolved for outer space,/ More fit for the sterile stars,/ Go there, take off, post-human,/ For synthetic-air-conditioned/ Supercities on Mars,/ Big deals the cold moon.“ Hamburg, Michael: Aus einem Tagebuch der Nichtereignisse, Wien/Bozen, 2009, S. 66.

12 Rousseau, Jean-Jacques: Träumereien eines einsam Schweifenden, Berlin, 2014, S. 133f.

13 Kierkegaard, Sören: Die Wiederholung. Gesammelte Werke und Tagebücher, Band 4, Simmerath, 2004, S. 4.

14 „All moral rules must be tested by examining whether they tend to realize ends that we desire. I say ends that we desire, not ends that we ought to desire. What we ,ought‘ to desire is merely what someone else wishes us to desire.“ https://www. brainpickings.org/2015/05/ 18/bertrand-russell-what-i-believe-love (abgerufen am 6.1.2015).

15 http://jonasmekas.com/diary (abgerufen am 17.12.2015).

16 Vgl. Baer, Willy/Dellwo, Karl-Heinz (Hg.): Verdeckter Bürgerkrieg und Klassenkampf in Italien II - Die sechziger Jahre: Revolte und Strategie der Spannung II, Hamburg, 2015, S. 58.

17 Anspielung auf: Kenji Miyazawa: Das Gasthaus mit den vielen Aufträgen, in: ders.: Die Früchte des Ginkgo. Pfullingen, 1980, S. 88-99.

Utopisches Begehren.

Utopisches A ufbegehren

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54 Utopisches Aufbegehren wider die Proklamation der Alternativlosigkeit Das gesellschaftliche Begehren nach dem Anderen wird unterdrückt und totgeschwiegen, als irrational und unrealistisch erklärt. Doch sehr erfolgreich ist man dabei nicht.

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