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Begehren: Verständnisversuch eines Ausländers

Welches Begehren?

J‘ai voulu écrire quelque chose qui parle de cette drôle de difficulté que j‘éprouvais à exprimer en allemand cette chose censément selbstverständlich, évidente: le désir. Mon problème commence avec le terme lui-même, et ma question: comment exprimer le désir en allemand? Par exemple, ce n‘est qu‘au moment de lire et de discuter l‘appel à contribution de engagée que j‘ai entendu pour la première fois le terme Begehren. En un an et des poussières à Vienne, j‘ai déjà eu cinq discussions sur le sujet, wie das désir ausgedrückt werden soll. et je suis resté à chaque fois un peu perplexe, « sur ma faim », impossible de conclure, de me souvenir même des mots qu‘on arrivait à trouver avec mes interlocuteurs. Le désir en allemand continue de m‘échapper. Au début j‘ai cru que le problème, c‘était ma mémoire, que je n‘arrivais juste pas à retenir « le » mot qui signifierait désir, comme parfois certains mots nous résistent, demandent d‘être répété cinq fois avant d‘être retenus. Mais avec quelque chose comme le désir... ce n‘est sans doute pas anodin. Il y avait toujours besoin de l‘anglais desire pour faire comprendre aux amis non francophones le problème, sans d‘ailleurs bien être sûr que desire se traduise si simplement par désir.

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Et puis: Komisch auch, dass, obwohl die Muttersprache meiner Gesprächspartnerinnen eigentlich Deutsch war, sie das Wort Begehren nie verwendet hatten. Sehnsucht, Verlangen, ja, das haben meine Gesprächspartnerinnen schon gesagt, le mot est déjà sorti dans la conversation – aber das ist etwas anderes. Sehnsucht hat keine echte französische Übersetzung. Es hat immer mit Melancholie zu tun, wahrscheinlich aber ist Melancholie auch etwas anderes. Das war übrigens der Startpunkt all dieser Gespräche. Ein erstes Ergebnis, dass ich ganz früh herausfand: Das deutsche Wort „Verlangen“ ist unmittelbar, Begehren hingegen ist nicht so akut, es kann eine verspätete Lust ausdrücken. Auf Französisch kann man das nicht ausdrücken: désir kann mittelbar oder unmittelbar, akut oder verspätet sein.

Damit liegt die Frage auf einer sehr einfachen Ebene: Wie kann man auf Deutsch etwas wie ein Gefühl der Attirance ausdrücken? Man fragt sich dann: Aber wo bleiben die Triebe? Wie kann man désir für ausdrücken, das nichts mit Lust und Sexualität zu tun hat? Für etwas oder für jemanden: Ich will mit jemandem, j‘ai du désir pour cette personne, mais je ne sais pas encore bien le comprendre – je ne sais pas bien ce dont j‘ai envie chez elle, son corps, agissant, en train de créer, de transformer, sa personne en train de penser... (ich habe Verlangen, Begehren für eine Person, aber ich verstehe noch nicht, worauf genau eigentlich: ist es ihr Körper, eine mögliche geteilte Sinnlichkeit, oder was sie tut, wie sie etwas herstellt – ihr Körper, auch, aber ebenso ein herstellender, handelnder Körper, oder ihre Person, ihr Sein, insofern man sich gegenseitig behandelt. Immaturité (Unreife) vielleicht. On apprend wir lernen immer.

Aber für einen Ausländer bleibt und stellt sich immer wieder die Frage: In welcher Sprache soll sich mein Begehren ausdrücken? In welcher Sprache soll ich jetzt die Lust ausdrücken? In welcher Sprache kann die Intimität gesagt werden? Gesagt, das heißt: geteilt? Aber auch zuerst mit sich selbst? Was passiert in der Entfernung? Es gibt diese gemeinsame Erfah

rung, wieder nach Hause zu kommen, wieder IN seiner Sprache zu sein, und seine Gefühle in Frage zu stellen: ich verstehe mich besser in meiner Sprache, ich komme meinen Gefühlen näher. Aber als Ausländer ist es nicht so einfach, und man muss fragen: Wie viel Fremdes kommt darin vor? Oder: Inwiefern ist ein Ausländer fremd? Begehren grenzt ab: Man kann sehr gut „integriert“ sein, perfekt die Fremdsprache sprechen, aber sein Begehren wahrscheinlich nicht so eindeutig vermitteln.

C‘est que ce que cela cette difficulté, cet Unruhegefühl à dire le désir dans un langage désormais « courant » mais pourtant une langue qui n‘est pas « la nôtre », qu‘on l‘ait choisi, ou qu‘on l‘ait subi d‘ailleurs, ce que cette difficulté veut, vient nous dire, c‘est un désir pour l‘étrangeté elle-même – ein Begehren, eine Lust für die Fremdheit in sich selbst. Weil ein Ausländer zu sein mit Begehren zu tun hat und, en retour, Begehren mit Fremdheit zu tun hat. Erstens, weil Begehren mit etwas au dehors, draußen, zu tun hat. Was bleibt dann für ein Subjekt? Pessoa schreibt: “In order to create myself, I destroyed myself; I am so externalized from the inside of myself, that in the interior of myself, I now only exist externally. I am the living scene where pass various actors, playing various parts.” – travaillé par son exil, exilé en lui-même – in sich selbst im Exil, was gibt es noch für ein Subjekt? Ein Umweg über Freud kann uns helfen:

Le terme Wunsch, qui constitue le centre de gravité de la théorie freudienne du désir, ne peut être traduit littéralement par « désir » ce qui s‘appliquerait mieux aux termes Begehren ou Verlangen. Il désigne au sens strict un « souhait », mais Freud le prend au sens fort, comme « souhait-de-désir » ou « mise en acte d‘un vœu » inconscient. Toute la production inconsciente étant ordonnée autour de l‘expérience de satisfaction pulsionnelle et du « remplissement de désir » (Wunscherfüllung), le « désir » est la motion psychique qui tend à rétablir l‘expérience de la première satisfaction (Paul-Laurent Assoun in Le vocabulaire de Freud).

Substantiell erhalten die Franzosen von Freud „den Wunsch“, „das Begehren“, „das Verlangen“ durch die Übersetzung désir. Lacan dazu: Abgesehen von sofortigen Referenzen an den Freud‘schen „Wunsch“, wird mehr durch das Lesen Hegels „von Kojève“ erkannt (Lacan hat ab 1933 die Kurse von Kojève über Hegel in Religionsphilosophie in der Ecole pratique des hautes études besucht). Aber ein solches désir wird mit der Hegel´schen „Begierde“ durch Kojève übersetzt. Für Kojève sowie Lacan ist die Begierde eine „négativité négatrice“. Iring Fetscher übersetzt das durch „negierende Negativität“ (in Alexandre Kojève, Hegel, S. 21), die ausdrückt, „das Daseinde so zu belassen, wie es ist, zerstört sie es vielmehr; wenn nicht in seinem Sinn, so doch wenigstens in seiner gegebenen Form.“ (ibidem). Kojève schreibt darüber hinaus, dass die Begierde keine Begierde für den anderen Körper, sondern Begierde für die Begierde des Anderen ist. Il faut finir ce texte. La conclusion la plus évidente, ce serait que ce qu‘il reste au sujet, c‘est son étrangeté, ou du moins c‘est le désir pour une certaine étrangeté, et cette drôle de condition d‘étranger, ce nomadisme des qualités, parce qu‘on devient quelqu‘un d‘autre dans une autre langue, qu‘on maîtrise moins bien que la sienne souvent, qu‘on parle différemment – et puis on devient quelqu‘un d‘autre dans un autre pays, soit qu‘on se sente plus libre d‘être ce que l‘on a envie d‘être, soit qu‘on le soit effectivement par ignorance, intentionnelle, consciente ou pas, des conventions. Und dann stellt sich die Frage der Ausländerkondition selbst wieder:

Wer bin ich? Wer bin ich geworden und wo bin ich geworden? Geographie einer Identität, Topologie einer Subjektausbildung, um die Dynamik unserer bewegten Leben zu begreifen, um unsere nomadische Affektivität wieder einzutragen.

Deshalb ist das Begehren im Ausland, bleibt das Begehren eines Ausländers für uns das Problem, eine unmögliche Situation zu finden, die wir jedoch finden müssen. In welcher Sprache kann ein Ausländer die Lust ausdrücken? Welche Sprache soll ein Ausländer dafür erfinden? Die Frage des Ausdrückens meines Begehrens ist notwendig: Affektive Frage zum Überleben – und Überleben generell, weil dadurch Leben und Tod ihn sich selbst ausgedrückt werden. Ausländer zu sein, vielleicht wartend auf ein neues Heim, eine Heimat, jetzt nur und frisch „übergesiedelt“, manchmal nicht sicher, seine Heimat wiederzusehen (oder manchmal sicher, sie nie mehr zu sehen), deshalb versuchend eine andere Heimat zu finden. Überleben, ja, Kampf gegen Tod, und Bedürfnis etwas zu wissen: Bin ich eigentlich lebendig? Sein Heim zu verlassen – durch dieses Problem des Begehrens verstehen wir unsere Sprache, die Möglichkeit unser Begehren auszudrücken – impliziert manchmal, dass wir nicht wissen, wo wir aufwachen werden.

Im heutigen Europa, wo man in Massen „migriert“, das von den Widersprüchen und mit der Verantwortung der Willkommen von Ausländern konfrontiert wird, kann man vielleicht lernen, ein Fremder zu sein et comprendre comment cela affecte et (trans)forme le désir – und wie es das Begehren begreift und (um)formt.

| Timothée Nay

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