Berliner Handb端cher
BISGES (Hrsg.)
Handbuch Urheberrecht
Handbuch Urheberrecht Herausgegeben von
Professor Dr. iur. Dr. rer. pol. Marcel Bisges, LL.M. Rechtsanwalt und Professor für Urheber- und Medienrecht an der SRH Hochschule der populären Künste, Berlin
Bearbeitet von Professor Dr. Dr. Marcel Bisges, LL.M. Rechtsanwalt und Professor für Urheberund Medienrecht an der SRH Hochschule der populären Künste, Berlin
Professor Dr. Dieter Nennen Rechtsanwalt und Professor für Urheberund Medienrecht an der Rheinischen Fachhochschule, Brühl/Köln
Dr. Stephan Dittl Rechtsanwalt und Fachanwalt für Urheberund Medienrecht, Frankfurt am Main
Professor Dr. Stefan J. Pennartz Rechtsanwalt und Professor für Wirtschaftsrecht an der FOM Hochschule, München
Professor Dr. Alexander Freys Rechtsanwalt und Notar, Berlin Dr. Jan-Michael Grages Rechtsanwalt, Hamburg Dr. Stefan Haupt Rechtsanwalt, Berlin Professor Dr. Ralf Imhof Of Counsel und Professor für Wirtschaftsprivatrecht an der Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften, Hamburg/Wolfenbüttel Professor Dr. Peter Lutz Rechtsanwalt, Fachanwalt für Urheberund Medienrecht, München, und Honorarprofessor an der Universität Erlangen-Nürnberg, Erlangen-Nürnberg
Dr. Peter F. Reinke Rechtsanwalt und Fachanwalt für Urheberund Medienrecht, München Professor Dr. Sebastian Schunke Professor für privates Wirtschaftsrecht an der Hochschule für Wirtschaft und Recht, Berlin Professor Dr. Dominik Skauradszun Professor für Bürgerl. Recht u. Wirtschaftsrecht, insb. Unternehmensrecht an der Hochschule Fulda, Fulda Dr. Benjamin Vollrath, LL.M. Rechtsanwalt, München
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Weitere Informationen zu diesem Titel finden Sie im Internet unter ESV.info/978 3 503 16618 3
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Zitiervorschlag: Bearbeiter, in: Bisges, Handbuch Urheberrecht, Kap. …, Rn. … 1. Auflage 2016 ISBN 978 3 503 16618 3 ISSN 1865-4185 Alle Rechte vorbehalten © Erich Schmidt Verlag GmbH & Co. KG, Berlin 2016 www.ESV.info Dieses Papier erfüllt die Frankfurter Forderungen der Deutschen Nationalbibliothek und der Gesellschaft für das Buch bezüglich der Alterungsbeständigkeit und entspricht sowohl den strengen Bestimmungen der US Norm Ansi/Niso Z 39.48-1992 als auch der ISO Norm 9706. Gesetzt aus der Stempel Garamond, 9/11 Punkt Satz: schwarz auf weiss, Berlin Druck und Bindung: Hubert & Co., Göttingen
Vorwort Das vorliegende Handbuch Urheberrecht ist als Praxishandbuch konzipiert. Durch 13 namhafte Bearbeiter aus Praxis sowie Forschung und Lehre, darunter zehn Rechtsanwälte, davon drei Fachanwälte für Urheber- und Medienrecht, und acht Professoren, wurden höchste Kompetenzen in beiden Bereichen miteinander verbunden. Das Werk bietet insoweit eine umfassende Darstellung des Urheberrechts unter besonderer Berücksichtigung der für die Praxis relevanten Aspekte, insbesondere digitaler Verwertungsmöglichkeiten. Die Ausführungen sind ergänzt um wichtige Textmuster, Klauselbeispiele und Checklisten im Fließtext sowie im Anhang. Praxisrelevante Problemfelder werden aufgegriffen und einer sachgerechten Lösung zugeführt, wobei Beispiele das schnelle Verständnis erleichtern. Hervorhebungen im Fließtext ermöglichen außerdem das Überfliegen einzelner Passagen und ein schnelles Querlesen. Und nicht zuletzt wurde Wert auf eine sorgsame Zusammenstellung des Stichwortverzeichnisses gelegt, um auch dem Laien einen schnellen Zugang zu bestimmten Schlagworten zu ermöglichen. Die Bearbeiter legten besondere Schwerpunkte auf die Entwicklung des Werkbegriffs, die Kleine-Münze und deren ökonomische Komponente, auf das gemeinsame Schaffen im Teamwork und den Beweis der Urheberschaft, auf Fragen der Erschöpfung im Bereich elektronischer Verwertung, auf die Anwendung der Schrankenreglungen bei neuen medialen Entwicklungen und der Berichterstattung in den digitalen Medien, insbesondere die Unzulänglichkeit der Kopierfreiheiten. Hinsichtlich Verwertungsfragen wurden Schwerpunkte gelegt auf die Anforderungen an die Bestimmbarkeit der zu übertragenden Rechte, die Auswirkungen der Digitalisierung, die Fragen der Verteilungsgerechtigkeit und der Wahrnehmungskompetenzen von Verwertungsgesellschaften, bei Software auf die Bestimmung der Grenzen der zustimmungspflichtigen Nutzung, auf das Filmurheberrecht, auf praxisgerechte Hilfestellungen für Urheber und Verletzer bei Urheberrechtsverletzungen sowie Urheberrechtsstraftaten, auf taktische Überlegungen bei der zwangsweisen Verwertung des Urheberrechts und die Probleme der Insolvenz des Urhebers oder des Lizenznehmers. Erbrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten im Rahmen der Rechtsnachfolge, die Auswirkungen der Digitalisierung im Bereich der Leistungsschutzrechte und wichtige Grundsätze des internationalen Urheberrechts samt Staatsverträgen und Abkommen sind ebenfalls schwerpunktmäßig bearbeitet. Besondere Berücksichtigung findet durchweg die europäische Rechtsentwicklung in Gestalt der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs sowie der europäischen Richtlinien-Gesetzgebung, die das deutsche Urheberrecht ständigen Änderungen unterwirft und zu einer europäischen Rechtsharmonisierung führt. Die Vorgaben der Verwertungsgesellschaften-Richtlinie und das insoweit zu erwartende Verwertungsgesellschaftengesetz (VVG), welches das bisherige UrheV
Vorwort
berrechtswahrnehmungsgesetz im Jahre 2016 ersetzen soll, wurden ebenso eingehend dargestellt, wie beispielsweise der europäische Werkbegriff oder das (neue) europäische Verständnis des Öffentlichkeitsbegriffs. Das Werk richtet sich sowohl an Juristinnen und Juristen der Rechtspraxis (Fachanwältinnen und Fachanwälte für Urheber- und Medienrecht, Richterinnen und Richter sowie Juristinnen und Juristen in Unternehmen der Branchen Fernsehen, Verlag, Musik, Film, Softwareentwicklung etc.) als auch an Nicht-Juristinnen und -Juristen insbesondere im Bereich der Wirtschaft, bei Verbänden, Verwertungsgesellschaften etc. Berlin, im Januar 2016
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Marcel Bisges
C. Open Content Literatur: Koreng, Neues zu Creative Commons-Lizenzen, K&R 2015, S. 99–103; Mantz, Open Content-Lizenzen und Verlagsverträge – Die Reichweite des § 33 UrhG, MMR 2006, S. 784–789; Rauer/Ettig, Creative Commons & Co, WRP 2015, S. 153–157.
Die Open Content-Bewegung hat ihre Wurzeln in der Open Source Software-Initiative von Richard Stallman, dem Gründer der Free Software Foundation. Die zugrundeliegende Idee ist, die Monopolisierungsfunktion des Urheberrechts zu nutzen, um geschützte Inhalte frei („open“) zugänglich, aber nicht beliebig verwertbar zu machen. Die Nutzung soll von der Einhaltung bestimmter, in den Lizenzbedingungen geregelter Voraussetzungen abhängig sein. So dürfen Werke beispielsweise verändert werden, wenn das Ergebnis der Bearbeitung wiederum unter den rechtlichen Bedingungen des Ursprungswerks zugänglich gemacht wird (so genannter „Copy Left-Effekt“).
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Die hierzu verwendeten Open Content-Lizenzen (Lizenzbedingungen) haben ihren Ursprung vorwiegend in den USA. Zu ihnen zählen im Bereich der Software die GNU Public Licence (GPL) für Open Source Software, die GNU Free Documentation License für die Dokumention solcher Software und die Creative Commons Licences (Creative Commons- oder kurz CC-Lizenzen) für audiovisuelle Werke und Texte. Die zuletzt genannten Lizenzbedingungen haben außerhalb der Bedingungen für Software1 die größte Verbreitung gefunden. Im Folgenden sollen daher die wesentlichen rechtlichen Aspekte der Open Content-Lizenzen am Beispiel der Creative Commons-Lizenzen erörtert werden. Populäre Beispiele für die Anwendung der Creative Commons-Lizenzen sind Wikipedia und flickr.
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Die Creative Commons-Lizenzen kommen in sechs verschiedenen Ausprägungen vor. Sie unterteilen sich in kommerzielle und nicht kommerzielle Nutzungen und dabei weiter in Gestattungen zur Bearbeitung und zur Weitergabe – auch bearbeiteter Werke – nur unter den gleichen Lizenzbedingungen. Die Bedingungen sind im Gegensatz zu den meisten Open Source Software-Lizenzen länderspezifisch angepasst („portiert“), so dass es auch besondere Ausformungen für Deutschland gibt. Für die jüngste Variante der Version 4.0 ist die Portierung zurzeit noch in Arbeit. Die bereits für das deutsche Recht portierte Version 3.0 basiert schon nicht mehr auf dem US-amerikanischen Urheberrecht, sondern auf der Berner Konvention und dem Rom-Abkommen.2 Es liegt jedoch beim Rechtsinhaber, die für ihn passende Version zu wählen. Dabei kann auch eine nicht portierte Version Grundlage der Rechtseinräumung in Deutschland werden.3
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Zu Open Source Software s. Kap. 5, Rn. 326 ff. Wiebe, in: Spindler/Schuster, § 31 UrhG, Rn. 20. So im Fall der Entscheidung des OLG Köln, Urt. v. 31.10.2014 – 6 U 60/14 (CreativeCommons-Lizenz), GRUR 2015, 167, 170.
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I. Kennzeichen der Lizenzbedingungen 303
Für Open Content-Lizenzen können typische Merkmale hervorgehoben werden, die auch für die Creative Commons-Bedingungen gelten.4 Aus deutscher Sicht ist bedeutsam, dass die Lizenzen Allgemeine Geschäftsbedingungen darstellen, die der Abschluss- und Inhaltskontrolle nach den §§ 305 ff. BGB unterliegen.5 1. Vertragsschluss
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Ebenso wie bei den Open Source Software-Bedingungen leitet der Nutzer bei den Creative Commons-Lizenzen seine Berechtigung stets unmittelbar von dem Rechtsinhaber ab. Das in den Lizenzbedingungen enthaltene Angebot wird gegenüber jedermann abgegeben, so dass der Kreis der potenziellen Lizenznehmer unbeschränkt ist. Mit der Annahme des Angebots erhält der Endnutzer Nutzungsrechte an dem ursprünglichen Werk. Wurde das Werk bearbeitet, kann der Endnutzer Nutzungsrechte nur erhalten, wenn der Rechtsinhaber dem zustimmt, also eine Lizenzvariante verwendet, die eine Bearbeitung zulässt.6 Eine Weiterlizenzierung durch den Ersterwerber ist nicht möglich. Wird ein Werk vom Lizenznehmer weitergegeben, muss er grundsätzlich auch die Lizenzbedingungen weitergeben. Zum Vertragsschluss unter Beteiligung Minderjähriger wurde schon oben ausgeführt.7
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Problematischer Inhalt der Bedingungen ist im Falle der Creative Commons-Lizenzbedingungen nach Ziff. 8 lit. a ebenda das Angebot des Rechtsinhabers an den Endnutzer zum Abschluss des Lizenzvertrages. Dieses Angebot kann nach § 151 BGB angenommen werden, ohne dass die Annahmeerklärung dem Lizenzgeber zuzugehen braucht. Das Lizenzmodell basiert dabei auf der Vorstellung, dass das in dem Lizenztext enthaltene Angebot eine zeitliche unbegrenzte Wirkung hat. Damit weicht die Regelung von § 151 S. 2 BGB ab, nach der ein Angebot nur für eine gewisse Zeit bindend ist. Diese lebenslang wirkende Bindung ist für den Lizenzgeber von erheblichem Nachteil. Der Lizenzgeber wird durch die unbegrenzte Bindung gehindert, über die ihm zustehenden Ausschließlichkeitsrechte zu verfügen, weil er nach einer solchen Verfügung nicht mehr in der Lage wäre, die später geschlossenen Lizenzverträge zu erfüllen.8 Ihm fehlte die Verfügungsbefugnis über die einzuräumenden einfachen Rechte. Er wäre gezwungen, Verträge unter den Creative Commons-Lizenzen zu schließen, ohne sie erfüllen zu können. Im Ergebnis läuft die Klausel daher auf eine Verpflichtung hinaus, nicht mehr länger über die Ausschließlichkeitsrechte zu verfügen. Es ist einem Lizenzgeber zwar möglich, seine Verfügungsbefugnis gem. § 137 S. 2 BGB zu beschränken. Die Bedeutung dieser Beschränkung wird ihm aus den Lizenzbedingungen jedoch nicht deutlich. Zwar kann sich der Lizenzgeber als Verwender der Bedingungen 4 5 6 7 8
Zur Einführung vgl. Rauer/Ettig, WRP 2015, 153 ff. OLG Köln, Urt. v. 31.10.2014 – 6 U 60/14, GRUR 2015, 167, 170. OLG Köln, Urt. v. 31.10.2014 – 6 U 60/14, GRUR 2015, 167, 169. S. oben, Rn. 78. Dazu unten, Rn. 312 ff.
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C. Open Content
gegenüber dem Lizenznehmer nicht auf eine unangemessene Benachteiligung nach § 307 BGB berufen. Jedoch hat die Regelung knebelnden Charakter und ist damit sittenwidrig.9 Wegen § 306 Abs. 1 BGB ist nur die Bestimmung in Ziff. 8 lit. a unwirksam.10 Die Unwirksamkeit erfasst die Wirkungen des unbefristeten Angebots an unbestimmte Vertragspartner. Unberührt bleiben die Verträge, die auf einem eigenen, nicht durch die unwirksame Textpassage begründeten Angebot des Lizenzgebers beruhen. Des Weiteren ist wegen § 305 Abs. 2 BGB problematisch, dass die vollständigen Nutzungsbedingungen über den einzubindenden Link nicht direkt zugänglich sind. Der Nutzer landet zunächst auf einer Web-Seite, die ein „Summary“ in englischer Sprache enthält und gelangt von dort erst über einen Link auf die Seite mit den vollständigen Bedingungen.11 Der auf der Summary-Seite unter dem Begriff „license“ hinterlegte Link ist nicht leicht zu finden, insbesondere, weil die Seite in Englisch gehalten ist.
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2. Rechtseinräumung a) Nutzungsrechte Der Nutzer des Werks erhält je nach Variante der Creative Commons-Lizenzen Rechte zur Verbreitung, zum „öffentlichen Zeigen“, zur Bearbeitung oder kommerziellen Nutzung. Soweit sich das Verbreitungsrecht bei digitalen Werken erschöpft hat,12 ist die Befugnis zur Weitergabe entbehrlich. Die Unterscheidung zwischen kommerzieller und nicht kommerzieller Nutzung ist allerdings fragwürdig.13 Auch werden in den Bedingungen keine konkreten Nutzungsarten genannt. Zur Vervielfältigung heißt es lediglich, dass der Berechtigte den Schutzgegenstand in beliebiger Form und Menge vervielfältigen darf. Da dies aber erkennbar uneingeschränkt zu verstehen ist, genügt hier ausnahmsweise die Nennung des Verwertungsrechts. Eine Auslegung nach dem Übertragungszweckgedanken des § 31 Abs. 5 UrhG müsste zum gleichen Ergebnis kommen.
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b) Auflösend bedingte Rechtseinräumung Ein verbreitetes Kennzeichen der Open Content-Lizenzen ist die Verknüpfung der Rechtseinräumung mit der Beachtung von Lizenzbedingungen durch auflösende Bedingungen. So heißt es in Ziff. 7 der für Deutschland portierten Version 3.0 der Creative Commons-Lizenzen: „Diese Lizenz und die durch sie eingeräumten Nutzungsrechte erlöschen mit Wirkung für die Zukunft im Falle eines Verstoßes gegen die Lizenzbedingungen.“ 9 Vgl. BGH, Urt. v. 06.07.2012 − V ZR 122/11, NJW 2012, 3162, 3163 [31], zur Nichtigkeit einer Unterlassungsverpflichtung zur Verfügung über ein Recht. 10 Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 306 BGB, Rn. 5: § 306 BGB erfasst auch andere Nichtigkeitsgründe als die nach den §§ 305 ff. BGB. 11 http://www.creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0 (letzter Abruf: 17.10.2015). 12 Dazu oben, Rn. 133 ff. 13 Siehe oben, Rn. 27 und OLG Köln, Urt. v. 31.10.2014 – 6 U 60/14, GRUR 2015, 167, 170.
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Kapitel 4: Verwertung des Urheberrechts
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Der Vorteil des Entfalls der Nutzungsrechte liegt in der Beweislastverteilung. Kann sich der Rechtsinhaber auf einen Urheberrechtsverstoß stützen, muss der Anspruchsgegner seine Berechtigung nachweisen. Überwiegend wird eine auflösende Bedingung in Open Content- bzw. Open Source-Lizenzen für wirksam gehalten.14 Es ist aber bereits an anderer Stelle darauf hingewiesen worden, dass solche auflösende Bedingungen unwirksam sind, wenn durch sie das Gebot, Nutzungsrechte nur aus technisch und wirtschaftliche abgrenzbaren Nutzungsarten abzuleiten unterlaufen wird.15 Gerade die Verknüpfung schuld- und urheberrechtlicher Aspekte führt zu einer Verwässerung der Nutzungsrechte. Eine aus einer bedingten Gestattung entstehende Rechtsunsicherheit mag hinzunehmen sein, wenn nur der Rechtsinhaber und der Lizenznehmer betroffen sind. Bei einer direkten Rechtsbeziehung zum Lizenznehmer ist der Rechtsinhaber allerdings auf eine solche Bedingung zur Durchsetzung seiner Interessen nicht unbedingt angewiesen. 3. Urhebernennung
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Die Creative Commons-Lizenzen sehen vor, dass der Rechtsinhaber, der Titel des Inhalts und ein Link zu den Lizenzbedingungen genannt werden und gegebenenfalls einen Hinweis darauf erteilt wird, dass das Ursprungswerk abgewandelt wurde. Werden diese Anforderungen nicht erfüllt, entfällt die Berechtigung zur Nutzung gem. Ziff. 7 lit. a der Creative Commons-Bedingungen. 4. Haftungsbegrenzung
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Wie Open Source Software-Bedingungen auch, enthalten die Creative CommonsLizenzen Haftungsbeschränkungen. Die Haftung ist im Rahmen der Nacherfüllung auf Vorsatz und im Rahmen des Schadensersatzes auf die in § 309 Nr. 7 BGB behandelten Haftungsfälle beschränkt. Für leicht fahrlässige Vermögensschäden, die nicht auf einer Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit beruhen, soll nicht gehaftet werden. Das ist im Falle der unentgeltlichen Rechtseinräumung wirksam.
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Naturgemäß sind nur einfache Nutzungsrechte16 Gegenstand der Open Content-Lizenzen. Das erlaubt dem Rechtsinhaber, später einem Dritten ausschließliche Rechte einzuräumen. Für das Lizenzmodell bedeutet dies jedoch, dass der Lizenzgeber bei einem nach diesem Zeitpunkt geschlossenen Vertrag nicht mehr verfügungsbefugt ist. Denn durch die Übertragung der ausschließlichen Rechte an einen Dritten ist er insoweit nicht mehr berechtigt, einfache Nutzungsrechte ein-
II. Einräumung ausschließlicher Rechte
14 OLG Köln, Urt. v. 31.10.2014 – 6 U 60/14 (Creative-Commons-Lizenz), GRUR 2015, 167, 172; LG München, Urt. v. 19.05.2004 – 21 O 6123/04, GRUR-RR 2004, 350 ff.; Schulze, in: Dreier/Schulze, UrhG, § 31, Rn. 19; Wiebe, in: Spindler/Schuster, § 69c UrhG, Rn. 49. 15 Siehe Kap. 5, Rn. 303. 16 Zu einfachen Nutzungsrechten allgemein siehe Rn. 32 ff.
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C. Open Content
zuräumen. Eine Lösung des Problems über den Sukzessionsschutz scheidet aus, weil dieser nur für im Zeitpunkt der Verfügung über das ausschließliche Recht bereits eingeräumte einfache Rechte gilt.17 Eine Lösung kann hier nur rechtsgeschäftlich gefunden werden, indem der verfügende Rechtsinhaber bei der Einräumung ausschließlicher Rechte mit dem Erwerber vereinbart, dass er berechtigt ist, für den erwerbenden Rechtsinhaber im Wege einer Verfügungsermächtigung nach § 185 BGB weiterhin einfache Rechte einzuräumen. Eine solche Vereinbarung kann, wenn dem Erwerber die Geltung der Creative Commons-Lizenz bekannt ist, auch stillschweigend angenommen werden. Die Weiterübertragung der ausschließlichen Rechtsposition ist dann nur unter der Bedingung zulässig, dass der Zweiterwerber dieser Vereinbarung beitritt.
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Diese mehr theoretische denn praktische Lösung versagt, wenn der Rechtsinhaber ausschließliche Rechte an eine Verwertungsgesellschaft einräumt. So werden der GEMA beispielsweise ausschließliche Nutzungsrechte eingeräumt.18 Dementsprechend hält die GEMA selbst das Creative Commons-Lizenzmodell für unvereinbar mit dem derzeit geltenden Berechtigungsvertrag.19
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III. Public Domain Die inhaltlich klarste Variante einer Open Content-Lizenz stellen die Public Domain-Lizenzen dar. Sie enthalten Erklärungen, die das Werk gemeinfrei stellen sollen. So erklärt der Rechtsinhaber nach der Creative Commons-Lizenz „CC0“ (Public Domain):
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„So weit wie es rechtlich möglich ist, gebe ich hiermit alle Urheberrechte, Leistungsschutzrechte und verwandten Schutzrechte zusammen mit allen damit verbundenen Ansprüchen und Einreden an diesem Werk auf.“20 Rechtsdogmatisch stellt sich die Frage, welche Rechte aufgegeben werden sollen und dann auch aufgegeben werden können. Sicher ist, dass unter der Geltung des deutschen Rechts das Urheberrecht selbst als Persönlichkeitsrecht nicht aufgegeben werden kann.21 Denkbar wäre ein Verzicht auf die Verwertungsrechte. Allerdings sind auch diese nicht dem Rechtsverkehr zugänglich.22 Eine der eigentumsrechtlichen Dereliktion ähnliche Aufgabe von Rechten sieht das Urheberrecht auch nicht vor. Ein denkbarer Erlassvertrag kommt nicht in Betracht, da (noch) keine Nutzungsrechte eingeräumt wurden, über die eine solche Vereinbarung getroffen werden könnte. Sachgerechter ist die Annahme einer an die Allge17 Dazu Mantz, MMR 2006, 784 ff. 18 Siehe Rn. 453. 19 http://www.telemedicus.info/uploads/Dokumente/Stellungnahme_GEMA_CreativeCommons-01-2012.pdf (letzter Abruf: 12.01.2016). 20 http://www.creativecommons.org/choose/zero/waiver?lang=de (letzter Abruf: 12.01.2016). 21 Schricker/Loewenheim, in: Schricker/Loewenheim, UrhG, § 29, Rn. 22.; Schack, Rn. 348. 22 Str., vgl. Kap. 1, Rn. 360; Schulze, in: Dreier/Schulze, UrhG, § 29, Rn. 10; Spautz/Götting, in: BeckOK UrhG, § 29, Rn. 5.
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Kapitel 4: Verwertung des Urheberrechts
meinheit gerichteten Erklärung, urheberrechtliche Positionen nicht durchsetzen zu wollen.
IV. Vergütung 317
Die Lizenzierung erfolgt regelmäßig ohne Gegenleistung. Die Creative Commons-Lizenzen sehen vor, dass zwar gesetzliche unverzichtbare Entgelte über Verwertungsgesellschaften vereinnahmt werden dürfen. Die Vereinbarung eines Entgelts für die vertragsgemäße Nutzung ist jedoch ausgeschlossen. Dieser Ausschluss von Vergütungsansprüchen für die Übertragung von Nutzungsrechten an den Lizenznehmer wird durch die so genannte „Linux-Klausel“ in § 32 Abs. 4 S. 4 UrhG möglich. Entgegen der in § 32 UrhG normierten allgemeinen Zielsetzung, den Urheber an den Erträgen der Verwertung seines Werkes angemessen zu beteiligen, sieht der Gesetzgeber für denjenigen, der sein Werk bewusst kostenfrei zur Verfügung stellt, einen solchen Schutz nicht vor, um Open Content-Modelle zu ermöglichen. Soweit mit der Rechtseinräumung auch unbekannte Nutzungsarten erfasst werden, bedarf es nach § 31a Abs. 1 S. 2 UrhG für die unentgeltliche Einräumung nicht der Schriftform.
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Schuldhafte Verstöße gegen geschützte Positionen verpflichten den Verletzer, den bei dem Rechtsinhaber eingetretenen Schaden zu kompensieren. Der Schaden wird dabei regelmäßig nach § 97 Abs. 2 S. 3 UrhG im Wege der Lizenzanalogie berechnet. Der Verletzer muss als Schadensersatz dasjenige leisten, was er bei Abschluss einer Lizenz hätte entrichten müssen.24 Diese Berechnungsmethode wirft bei den unentgeltlichen Open Content-Lizenzen im Falle von Verstößen gegen die Lizenzbedingungen die Frage auf, ob ein Schadensersatzanspruch an der Unentgeltlichkeit scheitert.25 Grundsätzlich kann ein solcher Anspruch nicht deswegen verneint werden, weil der Rechtsinhaber eine unentgeltliche Lizenz gewährt hat. Diesen Vorteil der Unentgeltlichkeit hat der Nutzer nur, wenn er sich an die Lizenzbedingungen hält. Im Falle eines Verstoßes muss er den daraus folgenden Vermögensnachteil des Lizenzgebers kompensieren. Dabei dürfte aber nicht stets das Lizenzentgelt gefordert werden können, das ein auf Gewinnerzielung bedachter Rechtsinhaber hätte erzielen können. Denn in der Regel wird der Lizenzverstoß darin begründet liegen, dass eine Bedingung der Open Content-Lizenz nicht eingehalten wurde, was zum vollständigen Entfall der Berechtigung führt. Richtigerweise kommt es daher für die Berechnung im Einzelfall darauf an, was der Nutzer des Werkes hätte zahlen müssen, wenn er die konkrete, von der Open Content-Lizenz abweichende Nutzung lizenziert hätte. Der Wert der Abwei-
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23 Zum Verschulden siehe Kap. 7, Rn. 93 f. 24 Siehe hierzu Kap. 7 Rn 100 ff. 25 So das OLG Köln, Urt. v. 31.10.2014 – 6 U 60/14 (Creative-Commons-Lizenz), GRUR 2015, 167, anders LG München, Urt. v. 17.12.2014 – 37 O 8778/14, MMR 2015, 467; kritisch dazu Koreng, K&R 2015, 99, 102.
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chung ist der Schaden des Rechtsinhabers. Bei den vom OLG Köln und LG München entschiedenen Fällen war Grund der Rechtsverletzung die fehlende Nennung des Namens gewesen. Den Wert der Berechtigung, den Namen nicht nennen zu müssen, haben die Inanspruchgenommenen im Wege der Lizenzanalogie zu leisten. Der Rechtsinhaber erhält damit nicht nichts, aber auch nicht eine der gewerblichen Nutzung entsprechende Kompensation. Randnummern 319–399 einstweilen frei.
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^ Das Werk bietet eine umfassende Darstellung des Urheberrechts unter besonderer Berücksichtigung der für die Praxis relevanten Aspekte, insbesondere digitaler Verwertungsmöglichkeiten. Ein besonderes Augenmerk wird durchweg auf die europäische Rechtsentwicklung in Gestalt der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs sowie der europäischen Richtlinien-Gesetzgebung gelegt, bspw. die Verwertungsgesellschaften-Richtlinie, der europäische Werkbegriff oder das europäische Verständnis des Öffentlichkeitsbegriffs.
Praxisrelevante Ausführungen werden sachgerechten Lösungen zugeführt und ergänzt um wichtige Text- und Vertragsmuster, Klauselbeispiele und Checklisten im Fließtext sowie im Anhang, die Ihnen auch in editierbarer Form als Add-on zur Verfügung stehen.
Leseprobe, mehr zum Werk unter www.ESV.info / 978-3-503-16618-3