Deutsch als Zweitsprache

Page 1

Ludger Hoffmann / Shinichi Kameyama / Monika Riedel / Pembe Sahiner / Nadja Wulff (Hg.) ¸

Deutsch als Zweitsprache Ein Handbuch fĂźr die Lehrerausbildung Leseprobe, mehr zum Buch unter: www.ESV.info/DaZ


Liebe Leserin, lieber Leser, nachfolgend finden Sie eine Leseprobe aus unserem aktuellen Handbuch „Deutsch als Zweitsprache“. Damit Sie einen ersten Eindruck davon bekommen können, wie das Buch die relevanten Aspekte zum Unterricht Deutsch als Zweitsprache behandelt, haben wir einige aussagekräftige Teile daraus für Sie zusammengestellt. Wir wünschen Ihnen eine anregende Lektüre. Herzliche Grüße aus Berlin

Carina Lehnen Verlagsleitung Philologie


Deutsch als Zweitsprache Ein Handbuch fĂźr die Lehrerausbildung

Herausgegeben von Ludger Hoffmann, Shinichi Kameyama, Monika Riedel, Pembe Ĺžahiner, Nadja Wulff


Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Weitere Informationen zu diesem Titel finden Sie im Internet unter ESV.info/978 3 503 17194 1

Umschlaggestaltung unter Verwendung des Bilds „Farbenkreis“ von August Macke. © Reni Hansen – ARTOTHEK Gedrucktes Werk: ISBN 978 3 503 17194 1 eBook: ISBN 978 3 503 17195 8 Alle Rechte vorbehalten © Erich Schmidt Verlag GmbH & Co. KG, Berlin 2017 www.ESV.info Dieses Papier erfüllt die Frankfurter Forderungen der Deutschen Bibliothek und der Gesellschaft für das Buch bezüglich der Alterungsbeständigkeit und entspricht sowohl den strengen Bestimmungen der US Norm Ansi/Niso Z 39.48-1992 als auch der ISO-Norm 9706 Druck: Hubert & Co., Göttingen


Vorwort Dieses Buch geht konsequent von der – lange verdrängten – Mehrsprachigkeit in Deutschland aus und entwickelt ein Konzept für die Vermittlung von Deutsch als Zweitsprache in der Schule. Mit Deutsch als Zweitsprache ist die Aneignung des Deutschen in einem Land gemeint, in dem Deutsch die Amtssprache und Sprache der Mehrheit ist, während zugleich andere Erstsprachen verwendet werden. Die Aneignung des Deutschen erfolgt ungesteuert und parallel oder zeitlich verzögert im Verhältnis zu den Erstsprachen, die insbesondere in der Familie gesprochen werden. Die Erstsprachen wie Türkisch, Russisch, Arabisch, Albanisch oder Serbisch sind aus anderen Ländern (nach Migration oder Flucht) von Familienangehörigen, meist einer älteren Generation, mitgebracht worden und prägen die Entwicklung und die Identität stark. Oft bleiben sie die Sprache, in der vorwiegend gedacht und geträumt wird. Der naturwüchsige Erwerb erfolgt informell, durch die Teilnahme an alltäglichen Gesprächen mit Gleichaltrigen, in der Begegnung mit anderen Kindern in vorschulischen Einrichtungen etc., dann aber auch im Unterricht. Von gesteuertem Spracherwerb spricht man, wenn eine Sprache systematisch durch Unterricht in Grammatik und Wortschatz zielgerichtet vermittelt wird. Ein Beispiel wäre der Unterricht von Deutsch als Fremdsprache in Japan oder Frankreich. Zweitsprachenunterricht entspricht in mancher Hinsicht dem Fremdsprachenunterricht, weist aber durch die Einbettung in eine anregungsreiche Sprachumgebung und den ständigen Kontakt mit Erstsprachigen viele Besonderheiten auf. Schulische Vermittlung konzentriert sich auf die Standardsprache: das Deutsch, das überregional, in Institutionen und Medien gesprochen wird und für die Schrift maßgeblich ist. Die Erstsprachen verändern sich im Kontakt, so dass sich etwa Deutsch-Türkisch vom TürkeiTürkisch, wie es in Istanbul gesprochen wird, unterscheiden lässt. Es ist von großer Bedeutung, auch die Erstsprache so zu entwickeln, dass der Zugang zu schriftlichen Texten und zur Sprache des Ursprungslands ermöglicht wird; nur so können sich das Potential der Mehrsprachigkeit und der Austausch zwischen den Gesellschaften (Kultur, Wirtschaft, Wissenschaft) entfalten. In der jüngeren Vergangenheit, auch unter dem Eindruck der PISA-Studien, wurden mehrsprachige Kinder eher als Problemfälle gesehen, ihr besonderes sprachliches Potential in der gesellschaftlich-kulturellen Kommunikation und ihr ausgeprägtes Sprachbewusstsein wurden wenig beachtet. Dabei haben sie ja bereits die Erfahrung gemacht, dass sprachlich alles anders als in der Erstsprache sein kann, man genau auf Äußerungsformen und Nuancen achten muss und es unter Zweisprachigen sinnvoll und gewinnbringend ist, passend zwischen den Sprachen zu wechseln.

5


Vorwort Bezieht man die Erstsprachen in den Unterricht ein, können daraus viele Vorteile entstehen. Beispielsweise kann die Grammatik des Deutschen viel klarer werden, wenn man sie durch die Brille einer anderen Sprache sieht, mit der man sie verglichen hat. Die L2-Kinder können eine Expertenrolle einnehmen und die Einsprachigen von der Betrachtung eines Phänomens in einer anderen Sprache und dem Bewusstmachen feiner Unterschiede viel lernen. Die monolingualen Kinder profitieren vom Zugang zu den anderen Sprachen, die in ihrer Gesellschaft gesprochen werden. In der Unterrichtsorganisation kann die Erstsprache als „Denk- und Arbeitssprache“ – etwa in der Gruppenarbeit – genutzt werden. Das für eine Mehrsprachigkeitsdidaktik notwendige Umdenken hat längst begonnen und es sind bereits gute didaktische Modelle und Materialien sowie Hintergrundbücher für die Lehrkräfte entstanden. In einigen Bundesländern werden alle Lehramtsstudierenden mit Deutsch als Zweitsprache vertraut gemacht und in der Deutschlehrerausbildung ist vielerorts eine Konzentration auf Deutsch als Zweitsprache und (vergleichende) Grammatik möglich; Kurse in den Migrationssprachen werden weithin angeboten. Auf diese veränderte Situation ist das vorliegende Handbuch abgestimmt. Es vermittelt zunächst Grundbegriffe der Sprachbeschreibung und charakterisiert die Besonderheiten des Deutschen als Zielsprache sowie den Zugang zur Textanalyse (Kapitel 1) und geht dann auf die gesellschaftliche Mehrsprachigkeit und die kulturellen Hintergründe ein (Kapitel 2). Anschließend werden ausgewählte Migrations- und Minderheitensprachen fokussiert (Kapitel 3) und es wird ein systematischer Überblick zu Spracherwerb, Sprachentwicklung und Sprachfähigkeit sowie zur Diagnose des Sprachstands gegeben (Kapitel 4 und 5). Einen weiteren Schwerpunkt bildet der Zusammenhang von sprachlichem und fachlichem Lernen, der im Blick auf die relevanten Fächergruppen im Kapitel 6 behandelt wird. Das Buch ist aus der Arbeit mit Studierenden (insbesondere an der Technischen Universität Dortmund) entstanden und basiert auf Erfahrungen in praxisnaher Vermittlung. Wir sind sicher, dass es auch allgemein von Nutzen für die Ausbildung im Bereich Deutsch als Zweitsprache sein kann und die Arbeit in diesem Zukunftsfeld voranbringt. Wir bedanken uns herzlich bei Dr. Monika Budde (Stiftung Universität Hildesheim), die die Beiträge des Bandes sorgfältig und weiterführend kommentiert hat. Wir danken auch der Wissenschaftlichen Hilfskraft Sebastian Herbst für die Unterstützung bei Formatierungsarbeiten und nicht zuletzt Frau Dr. Carina Lehnen sowie Frau Verena Haun vom Erich Schmidt Verlag für die fachkundige und umsichtige Betreuung. Dortmund, im Frühjahr 2017

6

Ludger Hoffmann


Inhaltsverzeichnis Vorwort ................................................................................................................ 5 Inhaltsverzeichnis ............................................................................................... 7 1 Einführung und Grundbegriffe .................................................................... 15 1.1 Eine Sprache beschreiben, Beispiel: Deutsch .......................................... 15 1.2 Besonderheiten des Deutschen als Zweitsprache ..................................... 33 1.2.1 Lautsystem und Schriftsystem ........................................................ 33 1.2.2 Grammatik....................................................................................... 39 1.2.3 Literatur zur Vertiefung .................................................................. 52 1.3 Texte und ihre Strukturen erfassen ........................................................... 54 1.3.1 Zum Textbegriff .............................................................................. 55 1.3.2 Mediale Bedingungen ..................................................................... 55 1.3.3 Texte als Produkte sprachlichen Handelns ..................................... 57 1.3.4 Sprachliches Handeln in Institutionen ............................................ 58 1.3.5 Sprachliche Handlungsmuster und deren visuelle Unterstützung.................................................................................. 59 1.3.6 Thematische Organisation ............................................................... 62 1.3.7 Symbolfeldausdrücke ...................................................................... 65 1.3.8 Fazit ................................................................................................. 67 1.3.9 Literatur ........................................................................................... 67 2 Mehrsprachigkeit ........................................................................................... 71 2.1 Mehrsprachigkeit und mehrsprachige Kommunikation ........................... 71 2.2 Mehrsprachigkeit in Deutschland ............................................................. 74 2.3 DaZ-Kinder sind mehrsprachig ................................................................ 78 2.4 Mehrsprachigkeit an Bildungsinstitutionen weiterentwickeln ................. 79 2.4.1 Das Dreisprachenmodell – eine „konkrete Utopie“? ...................... 80 2.4.2 Das Helixmodell – Weiterentwicklung mehrsprachiger Kommunikation als gesellschaftlicher Prozess .............................. 82 2.4.3 Mehrsprachigkeit in der Vorschule und im schulischen Unterricht ........................................................................................ 83 2.5 Literatur .................................................................................................... 85 3 Migrationssprachen: Überblick und Vergleich .......................................... 91 3.1 Türkisch .................................................................................................... 91 3.1.1 Abkürzungen ................................................................................... 91 3.1.2 Einleitung ........................................................................................ 95 3.1.3 Sprachtypologie und Historie .......................................................... 96 3.1.4 Zur Schriftgeschichte ...................................................................... 97 3.1.5 Alphabet und Lautsystem ................................................................ 98

7


Inhaltsverzeichnis 3.1.6 Finitheit, Flexion und Satzbau ...................................................... 102 3.1.7 Themafortführung ......................................................................... 104 3.1.8 Artikel ........................................................................................... 105 3.1.9 Transkription einer türkischen Nacherzählung ............................. 108 3.1.10 Literatur ....................................................................................... 113 3.2 Russisch .................................................................................................. 114 3.2.1 Sprachtyp und Sprecherzahlen ...................................................... 114 3.2.2 Das Lautsystem des Deutschen und des Russischen..................... 114 3.2.3 Das Schriftsystem des Deutschen und des Russischen ................. 116 3.2.4 Wortschatz..................................................................................... 117 3.2.5 Morphologie .................................................................................. 120 3.2.6 Abfolge (Verbposition) ................................................................. 125 3.2.7 Literatur ......................................................................................... 128 3.3 Polnisch .................................................................................................. 130 3.3.1 Das Polnische – Sprecher und Verbreitung .................................. 130 3.3.2 Polen und Polnisch in Deutschland ............................................... 130 3.3.3 Lautsystem und Schriftsystem ...................................................... 131 3.3.4 Wortschatz und Sprachkontakte .................................................... 134 3.3.5 Polnisch und Deutsch im Vergleich .............................................. 135 3.3.6 Literatur ......................................................................................... 146 3.4 Arabisch .................................................................................................. 148 3.4.1 Sprachtyp, Spezifika und Verbreitung .......................................... 148 3.4.2 Lautsystem und Schriftsystem ...................................................... 149 3.4.3 Lineare Abfolge ............................................................................ 151 3.4.4 Nomen und Nominalgruppe .......................................................... 153 3.4.5 Verb und Verbgruppe .................................................................... 157 3.4.6 Derivation ...................................................................................... 159 3.4.7 Komplexe Sätze ............................................................................ 160 3.4.8 Literatur ......................................................................................... 162 3.4.9 Quellen .......................................................................................... 162 3.4.10 Abkürzungen grammatischer Termini ........................................ 162 3.4.11 Aussprache arabischer Laute....................................................... 163 3.5 Albanisch ................................................................................................ 164 3.5.1 Sprachtyp, Spezifika und Verbreitung .......................................... 164 3.5.2 Lautsystem und Schriftsystem ...................................................... 164 3.5.3 Lineare Abfolge ............................................................................ 166 3.5.4 Nomen und Nominalgruppe .......................................................... 167 3.5.5 Verb und Verbgruppe .................................................................... 169 3.5.6 Anapher und Deixis....................................................................... 171 3.5.7 Präpositionen ................................................................................. 173 3.5.8 Komplexe Sätze ............................................................................ 173 3.5.9 Literatur ......................................................................................... 175

8


Inhaltsverzeichnis 3.5.10 Quellen ........................................................................................ 175 3.5.11 Abkürzungen grammatischer Termini ........................................ 176 3.5.12 Aussprache der albanischen Laute .............................................. 176 3.6 Japanisch................................................................................................. 177 3.6.1 Japanisch als Migrationssprache in Deutschland, DaZ-Schüler mit Japanisch als L1 ..................................................................... 177 3.6.2 Sprachtyp und Spezifika, Verbreitung .......................................... 178 3.6.3 Lautsystem und Schrift ................................................................. 179 3.6.4 Lineare Abfolge ............................................................................ 181 3.6.5 Deixis, Nominalgruppe, Phorik..................................................... 183 3.6.6 Prädikat – Verb, Adjektiv ............................................................. 185 3.6.7 Adverbien, Interjektionen, Finalpartikel ....................................... 188 3.6.8 Komplexe Sätze – Strukturausbau ................................................ 189 3.6.9 Funktionale Aspekte...................................................................... 190 3.6.10 Literatur ....................................................................................... 193 3.6.11 Liste der Deskriptoren ................................................................. 196 3.7 Bosnisch/Kroatisch/Serbisch (B/K/S) .................................................... 197 3.7.1 Eine Sprache – viele Erben ........................................................... 197 3.7.2 Die Einwanderung aus Jugoslavien und den jugoslavischen Nachfolgestaaten in die Bundesrepublik Deutschland ................. 198 3.7.3 B/K/S als südslavische Sprache mit balkanischem Einschlag und orientalischen Zügen .............................................................. 198 3.7.4 Normabweichungen in der Zielsprache Deutsch .......................... 209 3.7.5 Literatur ......................................................................................... 210 4 Spracherwerb und Sprachentwicklung ..................................................... 213 4.1 Sprachfähigkeit und (Zweit-)Spracherwerb ........................................... 213 4.1.1 Was beinhaltet Sprachfähigkeit? ................................................... 213 4.1.2 Inwieweit ist die menschliche Sprachfähigkeit angeboren oder erworben? ............................................................................. 214 4.1.3 Spracherwerb: Unterschiede ......................................................... 217 4.1.4 Faktoren, die den (Zweit-)Spracherwerb beeinflussen ................. 219 4.1.5 Ausblick: Das Potential Mehrsprachiger nutzen ........................... 223 4.1.6 Literatur ......................................................................................... 224 4.2 Erwerb von zwei Erstsprachen ............................................................... 226 Literatur .................................................................................................. 235 4.3 Sequentieller Zweitspracherwerb ........................................................... 238 Literatur .................................................................................................. 251 4.4. Sprachentwicklung vor der Schule ........................................................ 256 Literatur .................................................................................................. 266 4.5 Sprachentwicklung im Schulalter ........................................................... 268 4.5.1 Sprachliches Handeln in der Schule .............................................. 268 4.5.2 Qualifikationsfächer, Entwicklungslinien ..................................... 274

9


Inhaltsverzeichnis 4.5.3 Aneignung von Schrift und Schriftlichkeit ................................... 277 4.5.4 Aneignung von Textfähigkeit, Ausbau von Text- und Diskursfähigkeit............................................................................ 280 4.5.5 Aneignung von Bildungssprache .................................................. 284 4.5.6 Reflexion sprachlichen Handelns .................................................. 289 4.5.7 Literatur ......................................................................................... 290 5 Zugänge zu sprachlichen Fähigkeiten ....................................................... 297 5.1 Sprachbiographien .................................................................................. 297 5.1.1 Relevanz der Thematik ................................................................. 297 5.1.2 Funktion von Sprachbiographien .................................................. 297 5.1.3 Theoretischer Abriss ..................................................................... 297 5.1.4 Figuren sprachbiographischen Erzählens ...................................... 299 5.1.5 Aspekte in ausgewählten Sprachbiographien (L1 und L2) ........... 300 5.1.6 Analyse bilingualer Schüler-Sprachbiographien........................... 300 5.1.7 Zusammenfassung ......................................................................... 304 5.1.8 Einsatz von Sprachbiographien ..................................................... 304 5.1.9 Schlussfolgerungen ....................................................................... 305 5.1.10 Literatur ....................................................................................... 306 5.2 Sprachstand und Sprachdiagnose: Informelle Verfahren, Tests, Fehleranalyse.......................................................................................... 307 5.2.1 Relevanz ........................................................................................ 307 5.2.2 Die Frage der Bezugsnorm............................................................ 308 5.2.3 Basisqualifikationen nach Ehlich (2005/2009) ............................. 309 5.2.4 Einige Anforderungen an Verfahren der Sprachstands- feststellung .................................................................................... 310 5.2.5 Verfahrensarten ............................................................................. 311 5.2.6 Sprachdiagnose und Sprachförderung........................................... 314 5.2.7 Fazit ............................................................................................... 315 5.2.8 (Weiterführende) Literatur ............................................................ 315 6 Sprachliches und fachliches Lernen .......................................................... 317 6.1 Unterrichtsmedien und Lehrmittelanalyse ............................................. 317 6.1.1 Einleitung ...................................................................................... 317 6.1.2 Unterrichtsmedien und DaZ .......................................................... 319 6.1.3 Einige Auswahlkriterien zur Lehrmittelanalyse als Vorschlag ..... 322 6.1.4. Informationsquellen ..................................................................... 325 6.1.5 Literatur ......................................................................................... 326 6.2 Mehrsprachigkeit und Schrifterwerb ...................................................... 328 6.2.1 Einführung..................................................................................... 328 6.2.2 Sprachliche Fähigkeiten bilingualer Schülerinnen und Schüler in der Erst- und Zweitsprache ....................................................... 329 6.2.3 Bilingualer Schrifterwerb .............................................................. 330

10


Inhaltsverzeichnis 6.2.4 Schrift als Repräsentation der Lautstruktur: Phonemanalyse und -synthese ................................................................................ 331 6.2.5 Entwicklung des Schrifterwerbs bei bilingualen Schülerinnen und Schülern ................................................................................. 332 6.2.6. Exemplarische Analyse ................................................................ 333 6.2.7 Lautgetreue Schreibung in <Limo> .............................................. 334 6.2.8 Schreibung mit vokalisiertem [ɐ] <r> in <Turm> ......................... 335 6.2.9 Zusammenfassung ......................................................................... 337 6.2.10 Literatur ....................................................................................... 338 6.3 Lesekompetenz ....................................................................................... 342 6.3.1 Lesetheoretisches Grundlagenwissen............................................ 342 6.3.2 Leseförderung im Bereich DaZ ..................................................... 346 6.3.3 Literatur ......................................................................................... 350 6.4 Grammatikunterricht .............................................................................. 352 6.4.1 Grammatik in der Schule .............................................................. 352 6.4.2 Grammatik und Grammatikunterricht im Fach Deutsch ............... 352 6.4.3 Grammatik und Grammatikunterricht im Fach Deutsch als Zweitsprache ................................................................................. 360 6.4.4 Grammatik und Grammatikunterricht in den fremdsprach- lichen Fächern............................................................................... 361 6.4.5 Grammatik in den nicht-sprachlichen Fächern ............................. 362 6.4.6 Literatur ......................................................................................... 363 6.5 Literatur und Medien .............................................................................. 367 6.5.1 Literarische Texte im mutter- und fremdsprachlichen Unterricht ...................................................................................... 367 6.5.2 Praxis der Literaturvermittlung im Bereich DaZ .......................... 370 6.5.3 Medien im DaZ-Unterricht ........................................................... 374 6.5.4 Literatur ......................................................................................... 377 6.5.5 Medien........................................................................................... 378 6.6 Mathematiklernen unter Bedingungen der Mehrsprachigkeit ................ 379 6.6.1 Sprachliches und fachliches Lernen im Mathematikunterricht ..... 379 6.6.2 Mehrsprachige Kompetenzen als Lernvoraussetzungen der Schülerinnen und Schüler mit nichtdeutscher Muttersprache ...... 380 6.6.3 Sprachliche Anforderungen in der Mathematik ............................ 382 6.6.4 Begriffsbildung im Mathematikunterricht .................................... 383 6.6.5 Fallbeispiele mit Anforderungen und Lösungsversuchen: ein- und mehrsprachig .................................................................. 385 6.6.6 Fazit ............................................................................................... 397 6.6.7 Literatur ......................................................................................... 398 6.7 Naturwissenschaftlicher Unterricht ........................................................ 400 6.7.1 Die Rolle der Sprache im naturwissenschaftlichen Unterricht ..... 400 6.7.2 Die Sprache der Naturwissenschaften ........................................... 402

11


Inhaltsverzeichnis 6.7.3 Sprachliche Heterogenität der Schülerinnen und Schüler in den Naturwissenschaften .......................................................... 406 6.7.4 Literatur ......................................................................................... 408 6.7.5 Weitere Literaturempfehlungen .................................................... 411 6.8 Experiment und Protokoll im naturwissenschaftlichen Unterricht ........ 412 6.8.1 Einleitung ...................................................................................... 412 6.8.2 Lerngegenstand und Methode: Das Experiment im naturwissenschaftlichen Fachunterricht ....................................... 413 6.8.3 Das Versuchsprotokoll – sprachlich und fachlich betrachtet ........ 414 6.8.4 Schuldidaktische Anbahnung der Textsorte Versuchs- protokoll........................................................................................ 420 6.8.5 Resümee und Ausblick .................................................................. 424 6.8.6 Literatur ......................................................................................... 425 6.8.7 Quellen .......................................................................................... 427 6.9 Wissenschaftliches Begründen im Sachunterricht ................................. 428 6.9.1 Einleitung ...................................................................................... 428 6.9.2 Zur Sprachlichkeit des wissenschaftlichen Begründens bzw. des Erklärens ........................................................................ 429 6.9.3 Methodisches Vorgehen bei der Analyse von wissenschaftlichem Begründen ..................................................................................... 435 6.9.4 Empirischer Teil ............................................................................ 440 6.9.5 Fazit ............................................................................................... 446 6.9.6 Transkript ...................................................................................... 447 6.9.7 Literatur ......................................................................................... 447 6.10 Sprach- und Schreibförderung im fächerverbindenden Deutsch- und Musikunterricht in der Sekundarstufe .................................................. 451 6.10.1 Sprache und Unterricht ............................................................... 451 6.10.2 Sprache und Musikunterricht ...................................................... 454 6.10.3 Förderansätze .............................................................................. 459 6.10.4 Zusammenfassung und Ausblick ................................................ 466 6.10.5 Literatur ....................................................................................... 466 6.11 Sprachliches und fachliches Lernen im Kunstunterricht ...................... 469 6.11.1 Einleitung .................................................................................... 469 6.11.2 Über Kunst sprechen und schreiben ............................................ 470 6.11.3 Sprachsensibler Kunstunterricht – einige Möglichkeiten ........... 477 6.11.4 Ausblick ...................................................................................... 479 6.11.5 Literatur ....................................................................................... 480 6.12 Mehrsprachigkeit und Inklusionsunterricht .......................................... 482 6.12.1 Worum es in diesem Beitrag geht und warum er Sie interessieren soll .......................................................................... 482 6.12.2 Beschulung von Kindern und Jugendlichen mit sonderpädagogischem Förderbedarf in Deutschland .................. 483

12


Inhaltsverzeichnis 6.12.3 Langsame Lerner mit nicht-deutscher Erstsprache ..................... 486 6.12.4 Mehrsprachigkeit in einem inklusiven Bildungssystem ............. 487 6.12.5 Fazit ............................................................................................. 489 6.12.6 Literatur ....................................................................................... 490 7 Mehrsprachigkeit und transkulturelle Elternarbeit in der Primar- und Sekundarstufe.............................................................................................. 493 7.1 Einleitung ............................................................................................... 493 7.2 Gelingende (transkulturelle) Kommunikation mit Eltern....................... 495 7.3 Wie Eltern mit Zuwanderungsgeschichte Schulangebote wahrnehmen 497 7.3.1 Eltern schulinhaltsbezogene und interessengeleitete Angebote vermitteln ...................................................................................... 498 7.3.2 Berücksichtigung der Lebensrealitäten der Eltern ........................ 498 7.3.3 Von den Ressourcen der Eltern ausgehen ..................................... 498 7.3.4 Lernen gemeinsam gestalten ......................................................... 499 7.4 Ausblick .................................................................................................. 504 7.5 Literatur .................................................................................................. 504 8 Perspektiven für eine mehrsprachige, sprachsensible Schule ................. 507 Literatur .................................................................................................. 513 9 Literaturempfehlungen ............................................................................... 515 9.1 Handbücher, Lexika ......................................................................... 515 9.2 Zeitschriften ..................................................................................... 515 9.3 Spracherwerb, Zweitspracherwerb, Mehrsprachigkeit .................... 516 9.4 Zweisprachigkeit, mehrsprachige Kommunikation ......................... 517 9.5 Sprachstandsfeststellung, Diagnostik ............................................... 517 9.6 Zweitsprache in den Bildungsinstitutionen: Entwicklung und Förderung ......................................................................................... 518 9.7 Zur Rolle der Erstsprache (Muttersprache) ...................................... 520 9.8 Deutsch als Zweitsprache und Fachunterricht ................................. 520 9.9 Kultur und Kommunikation ............................................................. 521 9.10 Mehrsprachige Erziehung, Elternarbeit ......................................... 521 9.11 Links ............................................................................................... 521 10 Sachregister ................................................................................................ 523

13



1 Einführung und Grundbegriffe 1.1 Eine Sprache beschreiben, Beispiel: Deutsch Im ersten Teil werden am Beispiel des Deutschen Grundbegriffe der Sprachanalyse eingeführt (1.1), der folgende Abschnitt (1.2) beschreibt Besonderheiten der Zweitsprache Deutsch, die für ein Verständnis der Lernprozesse wichtig sind. Sprache ist das Medium eines Verständigungshandelns zwischen Angehörigen einer Gemeinschaft. In der Sprache können Gedanken, Gefühle, Normen, Werte, Gegenstände und Orientierungen kommunikativ aufbereitet, vermittelt, aufbewahrt und für Zwecke der Kooperationen genutzt werden. Wer über eine Sprache verfügt, verarbeitet in ihrem Rahmen Wissen und gibt es an Hörer weiter. In den ausgedrückten Gedanken (PROPOSITIONEN) werden Welten oder Situationen als gegliederte Einheiten eigener Art, die sich von Bildern unterscheiden, entworfen. Der Zweck der kooperativen Vermittlung an Hörer bestimmt die Sprache in zentralen Dimensionen. Kommunikativ entstehen Welten geteilten Wissens, die Normen, Werte, Wahrheiten, Geschichten enthalten und als Folie von Handlungspraxis und Verstehen dienen. Die meisten Menschen sind mehrsprachig, sozial vielfältig eingebunden und können an unterschiedlichen kommunikativen Welten teilhaben. Im Sprechen werden die gemeinsame Praxis und die individuelle Identität angezeigt und Wissen vermittelt, bestätigt und fortentwickelt. Das Medium Sprache wird durch den Gebrauch in sozialer Praxis angeeignet und justiert. Im ersten Lebensjahr geschieht dies in intensivem Kontakt mit der Bezugsperson, unterstützt durch Blickkontakt, Synchronisation der Aufmerksamkeit für Objekte und Zeigegesten. Schrittweise werden symbolische Formen und komplexere Funktionseinheiten (Wortgruppen, Sätze) ausgebildet. Zentrale Existenzform der Sprache ist die Mündlichkeit, der Austausch im DISKURS. Die Anwesenheit des Anderen, seine Blickausrichtung, Gestik und Mimik sind wichtige Komponenten der Kommunikation. Im Gespräch wird das Verständnis interaktiv gesichert, und es gibt ein System der Selbst-Korrektur („Das war/im Jahre 77 war das“ (Gerichtstranskript F1)). Das Sprechen ist flüchtig. In TEXTEN werden Äußerungen situationsunabhängig formuliert und mit Hilfe eines Trägers über Zeiten und Räume hinweg verfügbar gemacht. Texte müssen eine explizite Sprachform haben, denn Informationen aus der Sprechsituation fehlen, es können unterschiedliche Adressaten an verschiedenen Orten angesprochen werden etc. Schreiben verlangsamt die Produktion, dafür kann der Autor die Formulierung und den Leserbezug besser planen und den Inhalt reflektieren.

15


1 Einführung und Grundbegriffe Derzeit existieren mehr als 5.000 Sprachen, die Hälfte mit weniger als 7.000 Sprechern, einige hundert haben eine Schriftform. In diesem Buch gehen wir kurz auf Sprachen ein, die mit dem Deutschen in Kontakt stehen. Das Deutsche ist eine westgermanische Sprache mit gut 90 Millionen Sprechern, die weltweit auf Rang 10 liegt. Deutsch ist Landessprache in Deutschland, Österreich, der Schweiz, Luxemburg, Liechtenstein, in anderen Ländern Minderheitensprache (Südtirol etc.). Jede Sprache wandelt sich ständig, passt sich gesellschaftlich-kulturellen Bedürfnissen an. Wanderung, Eroberung, funktionale Dominanz anderer Sprachen, politische Grenzziehungen, Katastrophen u.a. verändern und bedrohen Sprachen. Jede Sprache überspannt regional, sozial oder bereichsspezifisch differenzierte Varietäten, deren grammatischer Kern weitgehend identisch ist, die sich in Aussprache, Intonation, Wortschatz oder Wortgebrauch aber unterscheiden. Deutsch ist die Standardsprache (wie in den Fernsehnachrichten), Bairisch ein Dialekt des Südens mit vielen Besonderheiten (a vui a scheenare hosn ‚eine viel schönere Hose‘); es gibt Jugendjargons (was geht ab); Fachsprachen wie die der Chemie (H2O) oder des Rechts (Nießbrauch, Vorhalt). FUNKTIONALE UNIVERSALIEN sind jene hörerorientierten Funktionen, die sich in den Ausdruckssystemen aller natürlichen Sprachen ausgeprägt haben. Sie stellen Mittel der Orientierung, der Verallgemeinerung, Abstraktion und Differenzierung bereit. Sie symbolisieren und erzeugen beim Hörer spezifische Vorstellungen, sie unterstützen die Wissensverarbeitung und das Überschreiten des unmittelbar Gegebenen. In allen Gesellschaftsformen sind vergleichbare Aufgaben zu bearbeiten, für die PROZEDUREN, die kleinsten Handlungseinheiten, ausgebildet sind (vgl. Ehlich 2007); die zugehörigen Mittel sind sprachspezifisch und in Feldern organisiert: a) Prozeduren des ZEIGFELDS: Mittel des Zeigfelds sind Zeigwörter (DEIXIS, Plural: DEIXEIS) wie ich/du, hier/da/dort, jetzt, so. Sprachliches Zeigen nutzt primär die als geteilt erkannte Struktur des Wahrnehmungsraums zur Orientierung von Rezipienten, die dazu die Perspektive des Produzenten, seinen Standort („Origo“ (Bühler)) einnehmen und synchronisierend nachvollziehen müssen. Deiktische Prozeduren leisten unmittelbaren Anschluss von Sprache an die Realität. Sie nutzen einen gemeinsamen „Verweisraum“ (Ehlich), der von dem Wahrnehmungsraum auch auf den Vorstellungsraum (du kommst aus dem Kölner Dom → da), und den Diskurs- oder Textraum übertragen wurde; in diesem Raum ist das Gemeinte zu erschließen (→ 1.2.2.5). b) Prozeduren des SYMBOLFELDS: Die symbolische, charakterisierende Prozedur nutzt Substantivstämme (Kind, Tisch, Blume, Paul), Verbstämme (sing-, sag-, lauf-), Adjektivstämme (rot-, schön-, alt-) und einige Adverbstämme (gern, immer). Sie stellt für den Hörer eine über das 16


1.1 Eine Sprache beschreiben, Beispiel: Deutsch Sprachwissen vermittelte Verbindung zur Wirklichkeit her. Das Symbolfeld vereint Ausdrücke, die in sprachinternen Netzen organisiert sind; die Bedeutung ergibt sich stets im Zusammenhang der Ausdrücke einer Äußerung und aus dem Wortnetz. Die Wortnetze oder Wortfelder werden im Gebrauch aktualisiert. Was jemand Bach nennt, ist kein Fluss, Strom etc., sie alle aber fallen unter den Oberbegriff Gewässer. c) Prozeduren des OPERATIONSFELDS: Operative Prozeduren unterstützen den Hörer bei der Verarbeitung der Äußerung und dem Aufbau der Äußerungsbedeutung. Zum Operationsfeld werden z.B. Artikel (der, ein), Konjunktor (oder, und), Subjunktor (weil, obwohl), Anapher (er, sie, es), Relativum (der, welcher), die Abfolge und manche Flexionsendungen (z.B. Plural, Konjunktiv) gerechnet. Die Mittel des Operationsfelds sind zumeist aus Mitteln des Symbolfelds oder des Zeigfelds hervorgegangen (z.B. entstand aus währen der Subjunktor während). d) Prozeduren des LENKFELDS: Die lenkende (expeditive) Prozedur greift unmittelbar steuernd beim Hörer an. Dazu gehören Interjektionen wie hm̆ , hm̀ , hḿ, nǎ oder nā, für die der Tonverlauf entscheidend ist, oder die Imperativendung (bericht-e, sag-ø). e) Prozeduren des MALFELDS: Dem Hörer werden Bewertungen bzw. Einstufungen durch lautliche Modulation, Gestik etc. übermittelnde Ausdrücke oder Tonmuster übermittelt. Sprecher/Schreiber realisieren ÄUßERUNGEN, Einheiten mit einer spezifischen kommunikativen Rolle. Sie können aus Sätzen bestehen (Frag mich mal was!) oder aus Wortgruppen (Schönen Abend!). SÄTZE bringen einen ganzen Gedanken zum Ausdruck und enthalten immer ein flektiertes Verb: (1) Deutsch ist eine indoeuropäische Sprache. Unter den Weltsprachen belegt Deutsch den zehnten Platz. In Europa hat Deutsch die meisten Sprecher. Auch NEBENSÄTZE sind Sätze; sie sind eingebettet und haben Verbendstellung: (2) Wer sich bewegt, hat verloren. Weil sie sich bewegt hat, hat Paula verloren. Sie ärgert sich, dass sie verloren hat. Die kommunikativen Zwecke von Äußerungen werden als ILLOKUTIONEN bezeichnet, dazu gehören z. B. Befehl, Frage, Versprechen. Illokutionen sind bestimmt durch Zwecke und verstehbar auf der Basis der Konstellationen, die sie standardisiert bearbeiten, von Handlungswissen und typischen Sprachformen (z.B. zeigt Verberststellung mit steigender Intonation eine Entscheidungsfrage an). In allen Sprachen finden sich musterhafte Lösungen für sich wiederholende Probleme, an denen Handelnde sich orientieren. Wichtige Illokutionen sind: 17


1 Einführung und Grundbegriffe ASSERTION: Zweck ist, jemandem mitzuteilen, was es Relevantes zu wissen gibt (ein begründbarer Wahrheitsanspruch kennzeichnet eine BEHAUPTUNG). AUFFORDERUNG: Zweck ist, sagen, was Andere tun sollen und FRAGE: Zweck ist, sagen, was man von Anderen wissen will. Gespräche sind keine chaotischen Abfolgen sprachlicher Handlungen, sie sind musterhaft organisiert. Wir finden in ihnen sequentiell (mit systematischem Sprecherwechsel) organisierte Muster wie FRAGE-ANTWORT oder GRUßGEGENGRUß. In Gesprächen wie Texten finden sich auch Verkettungen von Sprechhandlungen (ohne Wechsel) wie • • • •

ERZÄHLEN (eine Geschichte mit einem Relevanzpunkt, dessen Bewertung man teilen kann, darstellen), BERICHTEN (Ereignisse für institutionelle Zwecke auf das Wesentliche beschränkt wiedergeben). ASSERTIONEN und BEGRÜNDUNGEN, die eine Bezugshandlung verstehbar und plausibel machen, ASSERTIONEN und ERKLÄRUNGEN, die einen Zusammenhang von Wissenselementen (Ursache – Wirkung, Prinzip/Gesetz –Anwendung) herstellen.

Äußerungen sind in ihrer GEWICHTUNG nach Hörerrelevanz (Vordergrund/Hintergrund) gegliedert. Was gewichtet ist, ist durch eine ungewöhnliche Stellung oder einen starken Akzent auf einem Element hervorgehoben. Satzfolgen zeigen eine THEMATISCHE ORGANISATION größerer Einheiten (THEMA als durchlaufender Gegenstand/Sachverhalt). Die Funktionen finden ihren Ausdruck in den Formen der Sprache. Die Konstanz der Form macht Sprache verstehbar und kommunikativ nutzbar. Es kann nicht ausgehandelt werden, warum es sie mag kleine Kinder und nicht *sie mag klein Kinder heißt, während man im Türkischen küçük çocuk-lar (‚klein Kind- Plural‘) seviyor sagt. Türkisch hat keine Numerus-Kongruenz zwischen Adjektiv und Nomen; die flektierte Form küçük-ler (‚klein-Plural‘) ist als Nomen (‚die Kleinen‘) zu verstehen. Sprechen ist an die Übermittlung von Lauten und Lautkombinationen gebunden, die kommunikative Funktionen tragen. Wie alle Formeinheiten bilden die Laute einen Systemzusammenhang in einer Sprache. Die PHONOLOGIE untersucht das Laut- und Tonsystem von Sprachen und zeigt, inwiefern bestimmte Laute einen funktionalen Unterschied machen; die PHONETIK untersucht Artikulation, Audition und Akustik von Sprachlauten. Die Unterschiede zwischen den gesprochenen Wörtern Dose, Hose, Rose, lose, Pose beruhen auf dem Anfangslaut, wird er ausgetauscht, ergibt sich ein anderes oder kein deutsches Wort 18


1.1 Eine Sprache beschreiben, Beispiel: Deutsch (*Nose). Die Austauschprobe zeigt, was an einer bestimmten Systemposition möglich ist und was nicht. Zwischen den ausgetauschten Elementen besteht eine PARADIGMATISCHE Relation. Natürlich kann man auch den Vokal im Inlaut austauschen: Last, List, Lust, lässt (die Schreibung spielt keine Rolle), *losst, *lüsst. Im Auslaut finden sich bei heimischen, zweisilbigen Wörtern in der Regel keine Vollvokale. Man kann aber den auslautenden Konsonanten austauschen: Schal, Scham, Schar, *Schan, *Schat. Das Verfahren sieht also die Bildung von Minimalpaaren von Wörtern vor, die sich nur in einem Laut unterscheiden; die Laute sorgen für einen Bedeutungs- oder Funktionsunterschied und realisieren PHONEME. Man schreibt sie in Schrägstrichen. /r/ und /m/ und /ʃ/ sind Phoneme wegen: rund gegenüber Mund und Schund. Wir schreiben <sch> für das Phonem /ʃ/. Im Deutschen gibt es mehr Laute, wir sprechen von PHONEN, als Phoneme. Phone sind Einheiten der Artikulation, die ein größeres Maß auch an individueller und landschaftlicher Variation zeigen. Phoneme sind Einheiten des Sprachsystems. Beispielsweise können wir /r/ am Zäpfchen (uvular) artikulieren, das Phon schreiben wir in eckigen Klammern [R]. Oder es wird mit Vibration (als Vibrant) am Zahndamm (alveolar) gebildet, dann notieren wir ihn [r]. Die Lautqualität kann auch durch die Kombination beeinflusst werden: Am Anfang oder nach kurzem oder langem vorderen Vokal (e, i, ö, ü) sprechen wir [ç] (sog. Ich-Laut) wie in Chemie, ich, frech, höchst, schüchtern; nach kurzem oder langem hinterem Vokal (a, o, u) hingegen [x] (sog. Ach-Laut) wie in Dach, doch, Tuch. Der [ç]-Laut wird am vorderen, harten Gaumen (Palatum) gebildet und ist ein palataler Konsonant; der [x]-Laut am hinteren, weichen Gaumen (Velum) und wird als velarer Konsonant charakterisiert. Beide machen aber keinen Funktionsunterschied, sie sind kombinatorisch unterschiedliche Realisierungen des Phonems /x/. Unterschiedliche Realisierungen eines Phonems nennt man ALLOPHONE. Das Konsonantensystem des Deutschen zeigt die Tabelle 1.

19


1 Einführung und Grundbegriffe

!!!!!!"#$%&'(#!)*+&*+,+%#+-!).,&&/0/1,%/*+! "#$%&'()$%*+,.*/%! "#$%&'(! )*&+,-&'(!! .,%,#(! /,-(*,#(! 0&1*,2-(2!

! ! ! "#$%&'()$%*+,*#$-! 1&#,1&,#! 3!!!!!!!!1! ! !!!!!!!!4!!!!!!!!!!!!!!!! ! ! #,1&$5(2-,#! ! 6!!!!!!!!!!!'! ! ! ! ,#'($#,*! -!!!!!!!!!5! %!!!!!!!!!!!7! !!!!!!!!2! !!!!!!!!!!#! !!!!!!!!!!*! 3$%-8,#'($#,*! ! ʃ ʒ! ! ! ! 3,#,-,#! ! 9!!!!!!!!!!!!:! ! ! ! '(#,*! +!!!!!!!!;!!!!!! < ƞ! ! ! ='=#,*! ! !!!!!!!!!!!! ! ! !!!!!!!!!!>! ;#$--,#! ʔ! ?! ! ! ! ! %-#@!!!%-?@! %-#@!!!!!%-?@! %-#@!!%-?@! %-#@!%-?@! !%-#@!!!%-?@! !!!!!!!A8888888888B1%-*=(2-(2888AA88888888888888888!C$2$*,2-(28888888A! ! !

Tab. 1: Konsonanten des Deutschen, Allophone in Klammern; der Glottisverschluss [ʔ] gilt nicht als Konsonantenphonem

! Zur Kennzeichnung ziehen wir Artikulationsmerkmale der Phonetik heran. Bei den! Artikulationsmodi unterscheidet man Plosive (Verschluss, dann Öffnung im Mundraum), Frikative (Reibelaute mit Verengung im Mundraum), Nasale (Luft entweicht durch den Nasenraum), (Luft strömt seitlich aus) und Vibranten (Schwingungen). [l, r] fasst man auch als Liquide zusammen (Öffnung und Verschluss im Ansatzrohr). Plosive und Frikative fasst man als Obstruenten, die anderen als Sonoranten zusammen. Stimmhaft (sth.) sind Konsonanten, bei denen die Stimmbänder schwingen, bei den stimmlosen (stl.) ist dies nicht der Fall. Nach den Artikulationsorten unterscheidet man bilabiale (an beiden Lippen), labiodentale (Unterlippe und Schneidezahn), alveolare (am Zahndamm des Kiefers), post-alveolare (unmittelbar hinter dem Zahndamm), palatale (am harten Gaumen), velare (am weichen Gaumen, Gaumensegel), uvulare (am Zäpfchen), glottale Laute (an der Stimmritze, an der im Kehlkopf (Larynx) die Stimmbänder schwingen).

20


1.1 Eine Sprache beschreiben, Beispiel: Deutsch Laut/Phonem p t k ʔ/-b d g f s ʃ

Stimmhaftigkeit Artikulationsort Artikulationsmodus stimmloser labialer Plosiv stimmloser alveolarer Plosiv stimmloser velarer Plosiv stimmloser glottaler Plosiv stimmhafter labialer Plosiv stimmhafter alveolarer Plosiv stimmhafter velarer Plosiv stimmloser labiodentaler Frikativ stimmloser alveolarer Fikativ stimmloser post-alveolarer Frikativ

ç x h v z ʒ j m n Ƞ l r R

stimmloser palataler Frikativ stimmloser velarer Frikativ stimmloser glottaler Frikativ stimmhafter labiodentaler Frikativ stimmhafter alveolarer Frikativ stimmhafter post-alveolarer Frikativ stimmhafter palataler Frikativ stimmhafter bilabialer Nasal stimmhafter alveolarer Nasal stimmhafter velarer Nasal stimmhafter alveolarer Lateral stimmhafter alveolarer Vibrant stimmhafter uvularer Vibrant

/x/ /x/

/r/ /r/

Beispiel Pein Torf Kasse The-ater Bein Dorf Gasse Fass Reis wisch, Sport Wich Wach Hase Vase Sing Garage Jetzt Muss Nuss Ring Last Rast Rast

Tab. 2: Konsonanten des Deutschen

Die Vokalphoneme beschreiben wir insbesondere durch die Stellung der Zunge, des wichtigsten Artikulationsorgans. Vertikal kann der höchste Punkt zwischen hoch und niedrig variieren, dann liegt der Grad der Öffnung zwischen geschlossen und offen. Horizontal kann die Wölbung vorn, zentral oder hinten sein, es ergibt sich eine helle oder dunklere Klangfarbe. So ergibt sich die Gestalt eines Vokalvierecks mit idealisierten Eckpunkten, an denen Kardinalvokale zu denken sind (Abb. 1). Weitere Artikulationsmerkmale sind die Rundung der Lippen und die Länge (Tab. 3). Der unbetonte Reduktionsvokal Schwa [ə] findet sich in Endsilben des Deutschen, in allen Flexionsendungen (sag-e) und wird <e> geschrieben. Der Reduktionsvokal [ɐ] ist als Vokalisierung von /r/ bzw. der Folge /ər/ entstanden und wird nicht als Phonem gewertet.

21


1 Einführung und Grundbegriffe

Abb. 1: Vokalviereck mit deutschen Vokalen

Laut/Phonem a a: ə ɐ /r/ ɛ ɛ: e: ı i: ɔ o: ʊ u: Œ

ø: ʏ y:

Zunge

Lippen

Länge

Beispiel

niedrig, zentral niedrig, hinten mittel, zentral mittel, zentral mittel. vorn niedrig, vorn mittel, vorn hoch, vorn hoch, vorn mittel, hinten mittel, hinten hoch, hinten hoch, hinten mittel, vorn mittel, vorn hoch, vorn hoch, vorn

unrund unrund unrund unrund unrund unrund unrund unrund unrund rund rund rund rund rund rund rund rund

kurz lang reduziert reduziert kurz lang lang kurz lang kurz lang kurz lang kurz lang kurz lang

Fall Fahl Katze Uhr Stellen Bäten Esel List Liest Offen Ofen Um Mus Öfter Öfen Füllen Übel

Tab. 3: Deutsche Vokale und Artikulationsmerkmale

22


1.1 Eine Sprache beschreiben, Beispiel: Deutsch Im norddeutschen Raum wird das [ɛ:] durch [e:] ersetzt: Käse [ke:zə]. Das Deutsche hat drei Diphthonge (Laute mit Übergängen zwischen zwei Vokalpositionen): /aʊ/, /aı/ und /ɔı/: Maut – Maid, schau – scheu. Das Gegenstück in der Schrift zu den Phonemen sind die GRAPHEME, die kleinsten bedeutungsunterscheidenden Schriftzeichen; wir gewinnen sie in demselben Verfahren der Minimalpaarbildung: <g>ehen – <s>ehen (→ 1.2.1). Zwischen Lauten bestehen nicht nur Austauschbeziehungen, sondern auch Abfolgebeziehungen (SYNTAGMATISCHE RELATIONEN). Lautkombinationen, die um einen vokalischen Kern (NUKLEUS) herum aufgebaut sind, nennen wir SILBEN. Am Nukleus machen sich Betonung und Tonmuster fest. Ihr Aufbau ist von großer Bedeutung auch für die Orthographie, die silbenbasiert werden sollte. Im Silbenaufbau finden wir eine Grundlage dafür, wann der vokalische Kern unter Betonung lang bzw. verlängert erscheint, nämlich wenn die Artikulation sanft ausläuft. Man spricht von sanftem Silbenschnitt oder losem Anschluss in einem Wort wie ja oder Saat. Ein betonter Kurzvokal bleibt in seiner Kürze dadurch erhalten, dass seine Artikulation durch einen folgenden Konsonanten ausgebremst, abgeschnitten wird: Es entsteht ein scharfer Silbenschnitt oder fester Anschluss wie in fast oder satt. In der Schreibung entspricht dem die Schärfung (dop-pelt, sum-men) (s.u.). Phonetisch lässt sich der Silbenschnitt nicht nachweisen, er ist problematisch für Einsilbler wie Zahl und für unbetonte Silben. Bezieht man die Silbenstruktur ein, kann man statt vom Merkmal Länge vom Merkmal Gespanntheit ausgehen, das durch die Artikulationsmerkmale der Muskelanspannung im Zungenkörper und Zentralisierung im Mundraum gekennzeichnet (phonetisch ist es schwer zu fassen) und auch bei Unbetontheit festzustellen sei. Allerdings lassen sich /a/ und /a:/ nur aufgrund der Länge und der Position unterscheiden, im Gegensatz zu anderen Vokalen ist das mit der Gespanntheit korrelierende Merkmal offen/geschlossen – Distanz zwischen Zungenrücken und Gaumen bzw. Grad der Kieferöffnung – nicht unterscheidend. Der Vokal [ɛ:] kann nicht als gespannt gelten. Eine Korrelation LängeGespanntheit gilt ggf. nur für betonte Silben. Den Silbenaufbau zeigt Abb. 2. Wir sehen, dass im Deutschen der Nukleus auch durch Nasal /m, n/ oder Liquid /l, r/ gebildet sein kann; das tritt ein, wenn ein Schwa im Nukleus ausfällt [na-gl̩ ]. Im Anfangsrand treten im Deutschen maximal 3, im Endrand maximal 4 Konsonanten auf (str-o-lchst). Offene Silben mit Kurzvokal gelten als LEICHT, sie können keinen Wortakzent erhalten; alle anderen sind SCHWER und akzentuierbar.

23


3.4 Arabisch 3.4.1 Sprachtyp, Spezifika und Verbreitung Das Arabische (arab. ‫ اﻟﻠﻐﺔ اﻟﻌﺮﺑﯿﺔ‬al-luġa al-ʿarabiyya) ist eine semitische Sprache. Dieser Sprachfamilie gehört auch das Hebräische an. Hebräisch und Arabisch sind mit dem Aramäischen verwandt, das mittlerweile – wie viele andere semitische Sprachen auch – ausgestorben ist, aus dem aber andere, heute noch gesprochene Sprachen hervorgegangen sind. Arabisch ist die Sprache des Korans (Koran bedeutet ,das Vorzutragendeʻ). Mit dem Entstehen der islamischen Zivilisation im 7. Jahrhundert steigt es zu einer Weltsprache auf. Die Wiederbelebung und Fortentwicklung der griechischen Wissenschaften durch muslimische Gelehrte – die meisten von ihnen sind keine Araber – haben das Arabische zur Wissenschaftssprache werden lassen. Bedeutende philosophische und naturwissenschaftliche Werke der Antike werden in Übersetzungsschulen ins Arabische übertragen und kommentiert. So wird das antike Wissen dem abendländischen Kulturraum zugänglich gemacht. Das Arabische wirkt auf zahlreiche Sprachen ein: Persisch, Türkisch, Hausa, Kisuaheli, Berberisch, Spanisch, Maltesisch. Persisch wird und Türkisch wurde (leicht modifiziert) in arabischer Schrift geschrieben. Zu den spezifischen Merkmalen des Arabischen zählen u.a. Flexion, systematische morphologische Derivationsverfahren, Nominalsätze, Dual, nachgestellte Adjektive, sexusdifferenzierte Hörerdeixeis. Arabisch wird in 25 Ländern (z.B. Irak, Libanon, Ägypten, Syrien, SaudiArabien, Jemen) als Erstsprache von ca. 250 Millionen Sprechern gesprochen. Zudem sprechen mehrere Millionen Sprecher Arabisch als Zweitsprache (z.B. in Marokko, Algerien, Sudan). Die sprachliche Situation in der arabischen Welt ist nicht einfach. So ist das klassische Hocharabisch als göttliche Offenbarungssprache des Korans vom modernen Hocharabisch, das sich im vorletzten Jahrhundert im Zuge von Modernisierungsbewegungen als eine Landesgrenzen überschreitende Sprachform des öffentlichen Lebens herausbildet, zu unterscheiden (vgl. Riedner/Kassem 2010: 531). Das klassische Hocharabisch ist hauptsächlich auf religiöse Institutionen beschränkt und wird rigoros bewahrt, um einer korrekten Lesung und damit einer korrekten Interpretation des Korans gerecht zu werden. Deshalb wird an Schulen und Universitäten der Koran auswendig gelernt. Der hohe Status des klassischen Hocharabisch, seine Sakralisierung hat dazu geführt, dass die gegenwärtige Hochsprache sich nicht von der klassischen Variante emanzipieren konnte. Besonders im Bereich der Stilistik und Lexik differiert die moderne Hochsprache vom klassischen Arabisch, sie ist ,,in ihrer äußeren Form nahezu unverändert geblieben“, ,,in der Syntax sind die Grundlagen die gleichen geblieben“ (Fischer 2006: 1). In der Alltagssprache

148


3.4 Arabisch dominieren regionale Dialekte, die sehr heterogen sind und in einem erheblichen Maße von der idealisierten und normierten Hochsprache abweichen. Der Dual und die Kasusendungen etwa entfallen in den dialektalen Subsystemen (vgl. Balcik 2012: 13; Fischer/Jastrow 1980: 89). Umgangssprachliches Arabisch führt im Bewusstsein der Sprachgemeinschaft ein niederes, untergeordnetes Dasein, das auch von der arabischsprachigen Linguistik kaum beachtet wird. 3.4.2 Lautsystem und Schriftsystem Das Arabische klingt im Unterschied zum Deutschen kehlig, weil viele konsonantische Laute – die sogenannten Presslaute – weiter hinten im Mund- und Rachenbereich gebildet werden (vgl. Blohm 2001: 445f.). Den gepressten Lauten (auch emphatische Konsonanten genannt (vgl. Fischer 2006: 19)) stehen nicht-gepresste Laute gegenüber, so dass phonologische Oppositionen entstehen, die für Arabisch kennzeichnend sind. Die meisten Presslaute sind velarisierte und pharyngalisierte (~) Dentalkonsonanten (vgl. Ternes 2012: 170) (Umschrift nach der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft (www.dmg-web.de)): [t] [d] [s] [z] [k] [h]

<‫>ت‬ <‫>د‬ <‫>س‬ <‫>ز‬ <‫>ك‬ <‫>ه‬

-

[ᵵ] [ᵭ] [ᵴ] [ᵶ] [q] [ħ]

-

<‫>ط‬ <‫>ض‬ <‫>ص‬ <‫>ظ‬ <‫>ق‬ <‫>ح‬

<ṭ> <ḏ> <ṣ> <ẓ> <q> <ḥ>

Arabisch ist im Vergleich zum Deutschen eine vokalarme Sprache. Es gibt insgesamt sechs Vokalphoneme (im Deutschen 16 Vokalphoneme): [a], [a:], [ɪ], [i:], [ʊ], [u:]. Die Vokalquantität ist (wie im Deutschen auch) distinktiv, bedeutungsunterscheidend. Den wenigen Vokalphonemen stehen 28 konsonantische Phoneme gegenüber. Plosives [p] und affrikatives [ts] gibt es im Arabischen nicht. Konsonanten können – anders als im Deutschen – phonologisch geminiert (gelängt) werden (auch der Glottisverschlusslaut) (Knacklaut) [ʔ] (vgl. Ternes 2012: 171). Silben beginnen immer mit Konsonanten. Konsonantencluster kennt das Arabische nicht. Um den vokalischen Silbenkern können sich also nicht mehrere Konsonanten gruppieren. Morpheme sind deswegen VokalKonsonanten-Sequenzen. Es kommen nur zwei Silbentypen vor: KV (offene Silbe) und KVK (geschlossene Silbe) (vgl. Fischer 2006: 28). Welche Silbe betont wird, hängt vom Silbenaufbau eines Ausdrucks ab. Im Arabischen wird die vorletzte Silbe betont, sofern sie lang ist, sonst die drittletzte (vgl. Balcik 2012: 17). Die arabische Schrift ist phonologisch flach. Jedem Phonem entspricht ein Graphem. Da es auch für den glottalen Verschlusslaut [ʔ] ein Graphem (‫< ء‬ʿ> wie in ‫ﻋﻠﻤﺎء‬ʿulamāʾ ,Gelehrteʻ) gibt, gibt es auf der graphematischen Ebene 149


3 Migrationssprachen: Überblick und Vergleich keine ungedeckten Silben (anders im Deutschen, weil [ʔ] nicht verschriftet wird). Das Glottisverschlusslautgraphem (arab. hamza) verändert positionsabhängig (Anlaut, Inlaut, Auslaut) seine Gestalt. Grapheme, die unterschiedlichen Phonemen entsprechen, gibt es nicht (anders als im Deutschen). Geschrieben wird von rechts nach links. Viele Grapheme werden in spezifischen, positionsbedingten Formen miteinander verbunden. Das Arabische hat eine Konsonantenschrift, nur die (wenigen) Langvokale werden graphematisch wiedergegeben (ā, ū, ī). Bedenkt man das deutliche konsonantische Übergewicht, leuchtet ein, warum sich die Konsonantenschrift für das Arabische anbietet. Die Konsonantenschrift bietet sich zudem wegen eines bestimmten Derivationsverfahrens (Wortbildungsverfahren) an. Da Kurzvokale in der Regel nicht graphematisch wiedergegeben werden, entfallen im nominalen Bereich die Kasusendungen – hier wird den Rezipienten ein großer mentaler Aufwand abverlangt (vor allem dann, wenn es sich um keine alltäglichen Ausdrücke handelt). Der Koran ist vollvokalisiert, um eventuelle Ambivalenzen zu verhindern. Viele Konsonantengrapheme werden nur durch diakritische Zeichen voneinander unterschieden, die im Laufe der Zeit eingeführt wurden, um Mehrdeutigkeiten bei der Lesung des Korans zu vermeiden. Ursprünglich hatte das Arabische DEFEKTIVSCHRIFT (arab. rasm), unterschiedliche Konsonanten wurden mittels eines einzigen Graphems wiedergegeben. Die Konsonantenlängung wird nicht durch die Verdopplung des betroffenen Graphems wiedergegeben, sondern mittels eines eigens dafür entwickelten Diakritikons (arab. šadda) (wie in ṭibb ,Medizinʻ), welches der entsprechende Konsonant trägt. Ein anderes Diakritikon ist das sukūn, das einerseits die Silbengrenzen markiert und andererseits anzeigt, dass auf den vorangehenden Konsonanten kein Konsonant oder Kurzvokal folgt (Fischer 2006: 7). In qurʿān ,Koran‘ beispielsweise folgt dem Konsonanten [r] ein Langvokal, mit dem die zweite Silbe beginnt. Anders verhält es sich in hamza: Hier markiert das Diakritikon die Silbengrenze, was in der Umschrift nicht wiedergegeben wird. Nach der ersten Silbe (ham) erfolgt eine kurze Pause, die zweite Silbe (za) beginnt mit einem Konsonanten. So wird verhindert, dass zwei Konsonanten direkt aufeinander folgen. Diese Hilfsgraphien veranschaulichen, wie genau die Schrift die phonologischen Besonderheiten abbildet. Eine weitere Hilfsgraphie stellt das multifunktionale alif ( ‫ )ا‬dar. Es indiziert vokalische Länge und fungiert als Träger des Glottisverschlusslautgraphems und der Kurzvokalgrapheme im Anlaut. In der Schrift wird nicht zwischen Groß- und Kleinschreibung differenziert. Die konsonantischen Buchstaben verändern aber positionsbedingt ihre Gestalt, so dass viele Allographe vorliegen.

150


3.4 Arabisch 3.4.3 Lineare Abfolge Elementar für das Verständnis der Syntax des Arabischen ist die Differenzierung von Nominal- und Verbalsätzen. Perfektive Nominalsätze enthalten keine Kopulaverben (im Deutschen sein, werden, bleiben); sie können von einem Substantiv oder einem Proterm (,Pronomenʻ) eingeleitet werden. In der Vergangenheitsform erscheint ein Kopulaverb. Nominalsätze beziehen sich stets auf Präsentisches. Vollverben (reden, arbeiten, denken) dagegen werden immer verbalisiert. (1) (...) tilka Dies

ʿāyā-t-u

al-kitāb-i

al-mubīn-i

Vers-PL-NOM, INDEF

DEF-Buch-GEN

DEF-deutlich-GEN

,Dies Verse der Schrift der deutlichenʻ ,Dies sind die Verse des deutlichen Buchesʻ ,Dies die Zeichen der Schrift, der offenkundigen.ʻ (Koran, 12:1, Übers. v. Karimi) In diesem Nominalsatz steht das deiktische Subjekt (tilka) in Erstposition, gefolgt von einer Nominalgruppe im Genitiv (ʿāyātu l-kitābi l-mubīni), die das Prädikativum bildet. Das Prädikativum kann auch durch ein Adjektiv oder ein Adverb ausgedrückt werden (wie im Deutschen auch). Eine Topikalisierung ist ungewöhnlich. In Nominalsätzen ist die Erstposition nicht ausschließlich für die Satzfunktion des Subjekts reserviert, aber der Standardfall (2). (2) (...) ʿinna sicherlich

al-ʿinsān-a

li-rabb-i-hī

DEF-Mensch-AKK, MASK für-Herr-POSS, GEN-MASK

la-kanūd-un kein, dankbar-AKK

,Sicherlich der Mensch für seinen Herrn nicht dankbar.ʻ ,Wahrlich, der Mensch ist seinem Herrn undankbar.ʻ (Koran, 100:6, Übers. v. Karimi) Subjekte in Zweitposition sind nicht ausgeschlossen, aber sehr ungewöhnlich. Objekte (hier ist es ein Präpositionalobjekt) sind syntaktisch sehr flexibel. Sie können in Zweit- und Endposition auftreten. (2a) (ʿinna) al-ʿinsān-a li-rabb-i-hī la-kanūd-un (2b) (ʿinna) al-ʿinsān-a la-kanūd-un li-rabb-i-hī Objekte in Erstposition sind ungewöhnlich. Adverbialia sind topologisch flexibel:

151


3 Migrationssprachen: Überblick und Vergleich (3) hunāka Dort

ya-drrus-u

yūsuf-u.

MASK-lernen-3.PRS-SG-IMPV

Yusūf-NOM-MASK

,Dort lernt Yūsuf.ʻ (3a) ya-drrus-u MASK-lernen-3.PRS SG, IMPV

yūsuf-u

hunāka.

Yusūf-NOM-MASK

dort

,Lernt Yūsuf dort.ʻ ,Yūsuf lernt dort.ʻ Verbalsätze sind in der Regel Verberstsätze. Die Grundfolge in Verbalsätzen ist V(erb)-S(ubjekt)-O(bjekt) (vgl. Blohm 2001: 449): (4) ya-ktub-u MASK-schreiben-3. PRS-IMPV

aḥmad-un

kitāb-a-n.

Ahmad-NOM

Buch-AKK, DUAL

,Schreibt Ahmad zwei Bücher.ʻ ,Ahmad schreibt zwei Bücher.ʻ Das Subjekt kann aber auch vorangestellt werden, was dann mit einer Gewichtung einhergeht und als markierte Variante gilt. In diesen Fällen steht das Verb dann zwischen den Satzfunktionen Subjekt und Objekt: (5) Faṭima Faṭima-NOM

ta-ktub-u

risāla-ta

ḥubb-in.

FEM-schreiben-1. PRS- IMPV

Brief-AKK-SG

Liebe-GEN-INDEF

,Faṭima schreibt Briefe Liebe.ʻ ,Faṭima schreibt Liebesbriefe.ʻ Auch das Objekt kann dem Verb vorangehen (es ist dann gewichtet), das Subjekt erscheint nach dem Verb. Diese Fälle sind markiert. Die Endstellung des finiten Verbs ist ausgeschlossen (mit * wird Ungrammatisches markiert): (5a) *Faṭima risāla-ta ḥubb-in ta-ktub-u. Im Arabischen ist die Realisierung ,pronominaler‘ Subjekte fakultativ. Die Numerus- und Personaffixe sind dem Verb vorangestellt oder nachgestellt. Bei Perfektivformen liegt Enklise (6), wobei dann das Verb in Erststellung erscheint, bei imperfektiven Verbformen liegt Proklise (7) vor. Man kann hier von einem proklitischen Subjekt sprechen, das das Verb inkorporiert. Objekte sind zumeist enklitisch:

152


7 Mehrsprachigkeit und institutionelle Elternbeteiligung in Bildungseinrichtungen 7.1 Einleitung Damit Lehrkräfte ihre Schüler und Schülerinnen umfassend unterstützen können, ist es wichtig, dass man in der schulischen Arbeit auch die Eltern als Bildungspartner miteinschließt. Denn Studien haben belegt, dass die Mitwirkung der Eltern für den schulischen Erfolg der Schüler ein Schlüsselfaktor ist. Elfert/Rabkin (2009: 119) konnten zeigen, dass sich durch eine Kooperation bei den Eltern ein größeres Verständnis für die Schule ihrer Kinder entwickelte. Die Eltern bringen sich mehr in den Schulalltag ihrer Kinder ein und engagieren sich stärker in schulischen Gremien. In den angelsächsischen Ländern haben Studien zur Schuleffektivität schon in den 1970er und 1980er Jahren den Blick für partnerschaftliche Formen der Kooperation geöffnet (vgl. Gomolla 2009: 21). Gute Beziehungen von Lehrkräften mit Eltern und Gemeinden, v.a. in sozioökonomisch marginalisierten Bezirken, häufig mit hohen Anteilen ethnischer Minoritäten, können den Schulerfolg steigern. Apeltauer (2008: 240) hat in seinen Forschungen festgestellt, dass der Wortschatz eines Kindes zum größten Teil von der Anzahl und Art der Wörter bestimmt ist, die seine Eltern gebrauchen. Eltern sollten ein Baustein im Schulprogramm und ein didaktisches Element der Unterrichtsgestaltung werden. In der Grundschule gibt es bereits einige Modelle der Elternarbeit, die in Kooperation mit Eltern die Sprachen der Kinder fördern. Zum Beispiel wird das Rucksack-Projekt15 erfolgreich an einigen Grundschulen durchgeführt. Es sollen alle Eltern erreicht werden, insbesondere sozial benachteiligte Familien und Eltern, die entweder die deutsche Sprache gar nicht oder wenig beherrschen und günstige Lernvoraussetzungen für ihr Kind schaffen möchten. Viele Eltern aus Zuwandererfamilien verfügen kaum über detailliertere Informationen zur Sprachbildung ihres Kindes. 15

Der Rucksack in der Grundschule – Ein Konzept zur koordinierten Sprachförderung und Elternbildung im Elementarbereich und in der Grundschule. Die Regionalen Arbeitsstellen zur Förderung von Kindern und Jugendlichen aus Zuwandererfamilien (RAA) haben das aus Rotterdam stammende Projekt adaptiert und für den Einsatz in Deutschland überarbeitet (Robbe 2009: 67). Das Ziel des Projeks ist es, schulische Sprachförderung, Elternbildung und Mutter-KindAktivitäten zu verbinden (Lüddecke 2009: 154). Bei der Sprachförderung liegt der Schwerpunkt nicht einseitig auf der Zweitsprache Deutsch, sondern auch auf der Erstsprache. Seit 1999 kann das Projekt in den Sprachen Türkisch, Italienisch, Griechisch und Russisch durchgeführt werden. Seit 2004 ist auch ein Modell der spanischen Sprache vertreten.

493


7 Mehrsprachigkeit und institutionelle Elternbeteiligung FAQs / Häufig gestellte Fragen von Eltern der Schüler der Primarstufe -

Ich kann selber nicht gut Deutsch, wie kann ich mein Kind (trotzdem) sprachlich fördern? Welche Sprache soll ich zu Hause mit meinem Kind sprechen? Erstund/oder Zweitsprache? Ich kann besser Türkisch. Ich spreche besser Deutsch als Türkisch, welche Sprache soll ich mit meinem Kind sprechen? Hilfe, mein Kind mischt die Sprachen, was mache ich jetzt? Wird es halbsprachig? Mein Kind antwortet mir nur in deutscher Sprache. Vergisst es seine Erstsprache? In welcher Sprache soll ich jetzt antworten? Meine Kinder sprechen untereinander (zu Hause) nur Deutsch. Auch mit Freunden draußen. Was kann ich machen? In welcher Sprache soll ich vorlesen? Ich kann selber nicht so gut Deutsch. In der Schule wird Herkunftssprachenunterricht angeboten, soll mein Kind daran teilnehmen? Oder lernt es dann nicht so gut Deutsch? Hilft Fernsehen Deutsch zu lernen? Gibt es gute Lernspiele zum Deutschlernen? Wir haben zu Hause ein Tablet-PC. Welche Internetseiten empfehlen Sie uns zum Sprachen-Lernen?

FAQs / Häufige gestellte Fragen von Eltern der Schüler der Sekundarstufe -

-

494

Mein Sohn macht beim Schreiben viele Rechtschreibfehler. Die Grundschullehrerin hat uns nie informiert. Sie sind Klassenlehrer meines Sohnes/meiner Tochter. Der Biologielehrer sagt, dass er/sie nicht gut Deutsch spricht. Wir sind überrascht. In der Grundschule hat man uns das nie gesagt. Wie können wir unseren Sohn/unsere Tochter unterstützen? Hilfe, meine Tochter kann nicht flüssig lesen, sagt der Deutschlehrer. Und das im 5. Schuljahr. Wie ist so etwas möglich?


Mehr zu diesem Buch unter: www.ESV.info/DaZ

E

Jetzt mehr erfahren

Deutsch als Zweitsprache Ein Handbuch für die Lehrerausbildung Herausgegeben von Ludger Hoffmann, Shinichi Kameyama, Monika Riedel, Pembe Şahiner und Nadja Wulff 2017, 524 Seiten, € (D) 29,95 ISBN 978-3-503-17194-1


^ Dieses Buch ist ein aktuelles und umfassendes Handbuch zu Deutsch als Zweitsprache. Es behandelt alle relevanten Aspekte und bietet wissenschaftlich fundierte Informationen zur Mehrsprachigkeit in Deutschland und zum Unterricht „Deutsch als Zweitsprache“ in all seinen Dimensionen. Es enthält Konzepte für die Vermittlung von Deutsch als Zweitsprache im Deutsch- wie im fächerübergreifenden Unterricht. Die besondere Bedeutung von Sprache für die Vermittlung von Wissen und ihre Rolle im fachlichen Lernen beispielsweise in den Naturwissenschaften gehört zu den Leitmotiven des Buches. Für einen guten Unterricht ist es notwendig, sich Strukturwissen der Erstsprachen anzueignen und mögliche Lernhürden wie lernerleichternde Momente zu kennen. Fragen wie: Hat die jeweilige Erstsprache Artikel, Genus und Präpositionen? Wie sind die Sätze aufgebaut? Wie organisiert das Verb die Szene, wie steht es mit Kasus? werden in diesem Buch – auch durch eine adressatengerechte Darstellung von Strukturen des Deutschen und Kontaktsprachen wie Türkisch, Arabisch, Russisch, Polnisch, Serbisch und Albanisch – behandelt. Aber auch Aspekte wie Zweitspracherwerb und Sprachentwicklung vor der Schule und im Schulalter, Förderung und Diagnose, Inklusion und Elternarbeit kommen zur Sprache.

9 783503 171941

€ (D) 29,95

www.ESV.info


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.