03. 24
71. Jahrgang
März 2024
Seiten 125–188
www.DieSozialgerichtsbarkeit.de
71. Jahrgang
März 2024
Seiten 125–188
www.DieSozialgerichtsbarkeit.de
Herausgeber:
Prof. Dr. Peter Axer
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
Prof. Dr. Peter Becker
Vorsitzender Richter am BSG a. D.
Prof. Dr. Frauke Brosius-Gersdorf Universität Potsdam
Prof. Dr. Dr. h. c. Eberhard Eichenhofer Berlin
Dr. Christine Fuchsloch
Präsidentin des BSG
Dr. h. c. Peter Masuch
Präsident des BSG a. D.
Prof. Dr. Dr. h. c. Ulrich Preis
Universität zu Köln
Prof. Dr. Rainer Schlegel
Präsident des BSG a.D.
Prof. Dr. Peter Udsching
Vorsitzender Richter am BSG a. D.
Prof. Dr. Thomas Voelzke
Vizepräsident des BSG a. D.
Dr. h. c. Matthias von Wul en Präsident des BSG a. D.
Aufsätze
P. Udsching
Neue Rechtsprechung zum Vergütungsrecht in der stationären Pflege
H. Butzer/T. Knapp
PTBS im Rettungsdienst
D. Schweigler
Die Bindung des Trägers der Eingliederungshilfe an „fremde“
Vereinbarungen (§ 123 Abs. 2 Satz 1 SGB IX) (Teil II)
D. Hecker
Die „Regel(geld)leistungen“ des SGB XIV
T. Molkentin
Die Sozialgerichtsbarkeit und die bauberufsgenossenschaftliche Beitragshaftung
Aktuelle Übersicht über die jüngste Rechtsprechung Entscheidungen
Rechtsprechung
BSG, Rettungssanitäter/Anerkennung einer PTBS als Wie-Berufskrankheit (Anm. H. Butzer/T. Knapp)
BSG, Kosten der häuslichen Krankenpflege/Beiladung des Einrichtungsträgers (Anm. A. Hänlein)
BSG, Vergütung stationärer Pflegeeinrichtungen/Schiedsstelle (Anm. P. Udsching)
BSG, Psychiatrisches Krankenhaus/Unselbstständige Tagesklinik (Anm. I. Heberlein)
DieSozialgerichtsbarkeit
ZeitschriftfürdasaktuelleSozialrecht
EDITORIAL AndreasHeinz
AUFSÄTZE
Prof.Dr.iur.PeterUdsching
3.24
71.Jahrgang
Seiten125–188
NeueRechtsprechungzumVergütungsrechtinderstationärenPflege______________________________125
Univ.-Prof.Dr.HermannButzer/TimKnapp
PTBSimRettungsdienst__________________________________________________________________131
Prof.Dr.DanielaSchweigler
DieBindungdesTrägersderEingliederungshilfean„fremde“Vereinbarungen(§123Abs.2Satz1SGBIX) (TeilII)_______________________________________________________________________________141
DorotheeHecker
Die„Regel(geld)leistungen“desSGBXIV_____________________________________________________151
Prof.Dr.ThomasMolkentin
DieSozialgerichtsbarkeitunddiebauberufsgenossenschaftlicheBeitragshaftung_____________________156
AKTUELLE
ENTSCHEIDUNGEN ÜbersichtüberdiejüngsteRechtsprechungdesBundessozialgerichts______________________________161
RECHTSPRECHUNG MITANMERKUNGEN
GESETZLICHE UNFALLVERSICHERUNG
Rettungssanitäter/AnerkennungeinerPTBSalsWie-Berufskrankheit §9Abs.2SGBVII
Urteildes2.SenatsdesBSGvom22.6.2023–B2U 11/20R–
ECLI:DE:BSG:2023:220623UB2U1120R0–
AnmerkungvonProf.Dr.HermannButzerundTimKnapp,Hannover _______________________________163
SOZIALGERICHTLICHES VERFAHREN
SOZIALE
PFLEGEVERSICHERUNG
FreistellungvonKostenderhäuslichenKrankenpflege/EinrichtungderEingliederungshilfe/GeeigneterOrt zurErbringungvonLeistungenderBehandlungssicherungspflege/NotwendigeBeiladungdesEinrichtungsträgers
§§75Abs.2Alt.1,170Abs.2Satz2SGG
Urteildes3.SenatsdesBSGvom19.4.2023–B3KR 7/22R–
ECLI:DE:BSG:2023:190423UB3KR722R0–
AnmerkungvonProf.Dr.AndreasHänlein,Kassel ______________________________________________168
VergütungstationärerPflegeeinrichtungen/Schiedsstelle §§76,84,85,87SGBXI
Urteildes3.SenatsdesBSGvom19.4.2023–B3P 6/22R–ECLI:DE:BSG:2023:190423UB3P622R0–
AnmerkungvonProf.Dr.PeterUdsching,Göttingen ____________________________________________173
SOZIALE PFLEGEVERSICHERUNG
PsychiatrischesKrankenhaus/ErteilungeinerErmächtigungfüreineräumlichvomHauptstandortentfernte, unselbstständigeTagesklinik
§118SGBV
Urteildes6.SenatsdesBSGvom23.3.2023–B6KA 7/22R–ECLI:DE:BSG:2023:230323UB6KA722R0–
AnmerkungvonProf.Dr.IngoHeberlein,Eutin ________________________________________________178
KURZNOTIERT SozialeSicherungSelbstständiger–Tagungsbericht____________________________________________186
GESAMTSCHAU
LiebeLeserinnenundLeser, inderletztenAusgabedieserZeitschrifthatesProf.Dr.ThomasVoelzke,VizepräsidentdesBundessozialgerichtsa.D.,bereitsangekündigt.Prof.Dr.RainerSchlegelhatalsPräsidentdes BundessozialgerichtsmitVollendungdes66.Lebensjahreszum 1.März2024seinenRuhestandangetreten.SeitOktober2016 hateralssechsterPräsidentdasBundessozialgerichtgeleitet. Über30JahrewareralsSozialrichtertätig.Bereitsinseiner AnspracheanlässlichseinerAmtseinführungam31.August2016hatRainerSchlegeldieVerknüpfungvonsozialerund innererSicherheitbetont.Daseinewiedasandereseieinhohes, nichtselbstverständlichesGut,dasesstetsaufsNeuezuerarbeitenundzubewahrengelte.Dabeihaternichtnurdiegesellschaftspolitische,sondernauchdiewirtschaftlicheDimension derdurchunsereVerfassunggarantiertenSozialleistungenherausgestellt.DierechtsprechendeGewaltinsozialrechtlichen FragenseiinletzterInstanzdemBundessozialgericht„anvertraut“,diedamitdenRichterinnenundRichternüberantwortete Verantwortunggroß(vgl.SGb2016,605ff.).
Inseinerfast7½-jährigenAmtszeitalsPräsidentdesBundessozialgerichtsistRainerSchlegelnichtmüdegeworden,die BedeutungdesSozialrechtsfürdenZusammenhaltunsererGesellschaftherauszustellen,dieNotwendigkeiteinerfinanziellen StabilitätderSozialsystemeeinzufordern,voreinerÜberforderungbeiderAusgestaltungvonSozialleistungenzuwarnen, VorschlägezurReformeinesveränderndenRealitätenRechnung tragendenSozialstaatszuunterbreitenunddieRichterschaftaufzurufen,durchEmpathiefürdieÄngsteundSorgenRechtsschutz suchenderBürgerinnenundBürgersowiedurchverständliche undnachvollziehbareEntscheidungenzurVertrauensbildung undAkzeptanzderRechtsprechungbeizutragen.RainerSchlegel warfürPresseundMedieneinimmeransprechbarerGesprächspartner.Esstehtnichtzuerwarten,dasserinseinemRuhestand dasSozialrechtunddieSozialpolitikvernachlässigenwird.Auch seinletztesJahrespressegesprächfürdasBundessozialgerichtam
6.Februar2024hatRainerSchlegelzumAnlassgenommen,die BedeutungdesSozialstaatsunddesSozialrechtserneuthervorzuheben.ZwardürfemanstolzaufdenSozialstaatsein,einzufriedenesStillstehenseiangesichtsderdemographischenEntwicklungjedochnichtangezeigt.DasSozialrechtbewegesich amPulsderZeit(vgl.BSGPressemitteilung3/2024).Dievon RainerSchlegelinseinerAmtszeitaufgeworfenenThemenwerdenauchindenkommendenJahrennichtanAktualitätverlieren.InsbesonderedieFinanzierungdersozialenSicherungssystemedarfinderpolitischenDiskussionnichtzurückstehen.Das SozialbudgetbeliefsichimJahr2022auf1.178,5Mrd.Euro. DieseAusgabenfürSozialleistungenwurdenzujeweilsrund 30%vondenArbeitgebernundVersichertensowiedurchZuschüssedesStaatesfinanziert.DieSozialleistungsquotelag damitbei30,5%desBruttoinlandsprodukts.
Seit1.März2024wirddasBundessozialgerichtvonDr.ChristineFuchslochalsPräsidentingeleitet.DerBundesministerfür ArbeitundSozialesHubertusHeilhatineinemFestaktimKongressPalaisKasselam13.Februar2024RainerSchlegelverabschiedetundChristineFuchslochinihrneuesAmtalsPräsidentindesBundessozialgerichtseingeführt.Damitstehterstmals eineFrauanderSpitzedes1954errichtetenBundessozialgerichts,dasindiesemJahrseinen70.Geburtstagfeiert.Welche sozialrechtlichenFragendenSchwerpunktderTätigkeitdesBundessozialgerichtswährendderAmtszeitvonChristineFuchsloch bildenwerden,bleibtabzuwarten.DasbereitsimJahr2019beschlosseneSGBXIVüberdasRechtderSozialenEntschädigung istzum1.Januar2024vollständiginKraftgetretenundkönnte klärungsbedürftigeRechtsfragenaufwerfen.DasgeplanteBundeskindergrundsicherungsgesetzsollzum1.Januar2025inKraft treten.InwieweitsichdasBundessozialgerichtdamitauseinandersetzenwird,hängtauchdavonab,obderGesetzgeberaufgrunddergeäußertenKritikaneinergeteiltenZuständigkeitder Finanz-undSozialgerichtsbarkeitdemu.a.vomDeutschenSozialgerichtstagunterbreitetenVorschlagfolgt,eineneinheitlichen RechtswegzudenSozialgerichtenvorzusehen.Auchdievom BundesgesundheitsministerProf.Dr.KarlLauterbachangekündigteKrankenhausreformkönntedieRechtsprechungdesBundessozialgerichtsindennächstenJahrenprägen.
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Wolfgang Keller, Richter am LSG Rheinland-Pfalz a. D.
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Rechtliche und medizinische Grundlagen für Gutachter, Sozialverwaltung, Berater und Gerichte Von Prof. Dr. jur. Gerhard Mehrtens und Prof. Dr. jur. Stephan Brandenburg Begründet von Dr. jur. Alfred Schönberger Fortgeführt von Prof. Dr. jur. Gerhard Mehrtens, Prof. Dr. med. Helmut Valentin und Dr. jur. Alfred Schönberger
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Prof.Dr.PeterUdsching,Vorsit- DerfürdiePflegeversicherungzuständigedritteSenatdesBSGhattesichfürseineSitzungam zenderRichteramBSGa.D., 19.April2023wiedereinmaldasVergütungsrechtinderstationärenPflegevorgenommen.1 Die Göttingen RechtsprechungaufdiesemGebiethateinewechselvolleGeschichte;vorallem,weilderGesetzgeberbeimThemaPflegekostenäußerstsensibelaufdiegeradevorherrschendeStimmungin derBevölkerungreagiertundbeieinschlägigenReformvorhabenhäufigSchnellschüsseEingang indieabschließendeGesetzesfassungfinden.2 EineAnalysederRechtsprechungmachtaber auchdeutlich,dassdiedenUrteilenzugrundeliegendenZielvorstellungenvonderjeweiligen ZusammensetzungeinesSpruchkörpersgeprägtwerden.
1.AbkehrvomSelbstkostendeckungsprinzip
MitderEinführungderPflegeversicherungvorfast30Jahren sollteeineAbkehrvomzuvorinderSozialhilfepraktizierten Kostenerstattungs-bzw.Selbstkostendeckungsprinzipverbunden sein.3 NichtnurdasfürdasSGBXIzuständigeBSG4 sondern auchdasseinerzeitnochfürdieSozialhilfezuständigeBVerwG5 plädierteninfastzeitgleichergangenenEntscheidungenfüreine OrientierungderleistungsgerechtenVergütungamexternen Vergleich.FürdiePflegevergütungnachdemSGBXIbedeutete dies,dassderPreisbeiErfüllungvonhoheitlichfestgelegten PflegestandardsauseinemVergleichdesbetroffenenPflegeheimsmitvergleichbarenHeimenzuermittelnwar.DieAngebotevonHeimen,diedieseQualitätsvorgabennichterfüllten,solltenindenVergleichnichteinbezogenwerden.DieserKonzeption lagdieAnnahmezugrunde,dassderGesetzgeberdesSGBXIdie SicherstellungeinerausreichendenundwirtschaftlichenVersorgungderVersichertenmitPflegeeinrichtungeninersterLinie voneinemfunktionierendenWettbewerbunterdenPflegeeinrichtungenerwarte.NurwennwegenBesonderheitendesPflegeheimseinüblicherMarktpreisnichtzuermittelnsei,könnten dieGestehungskostenunterZuschlagu.a.einerangemessenen VergütungdeszutragendenUnternehmerrisikos„vonBelang sein“.Dieswurdeaberwegenderweitgehendstandardisierten Pflegeleistungenundeinemweitgehendübereinstimmenden SpektrumderdenPflegebedarfauslösendenKrankheitenundBehinderungenalsAusnahmeangesehen.DieseVorgabenhatten fasteinJahrzehntBestand.
2.RückkehrzurSelbstkostendeckung
a)ReaktiondesGesetzgebers
DieKritikanderweitgehendenAusklammerungderGestehungskostennahmindemMaßezu,indemsichderMarktanteilprivaterBetreibervonPflegeheimenerhöhte.6 UrsachederzunehmendenMarktmachtprivaterBetreiberwarenzumeistniedrigere Preise,diesichwiederuminersterLinieauseinergeringeren EntlohnungdesPersonalsergaben.Andersalsbeiöffentlichen undfreigemeinnützigenBetreibernfehltebeiihneneineBindung anTarifverträgebzw.entsprechendekirchlicheArbeitsrechtsregelungen.DiehierdurcheintretendenUnterschiedebeidenfi-
nanziellenRahmenbedingungenderLeistungserbringernahmen erheblichgrößereAusmaßean,alsdasBSGsiebeiderMarktpreisentscheidungeingeschätzthatte.
ZugleichentwickeltesichauchbeimGesetzgeberbzw.dem zuständigenMinisteriumzunehmendUnbehagen.Deutlichwurde diesetwainderBegründungzumPflege-Weiterentwicklungsgesetz.7 EingefügtwurdeseinerzeitderheutigeSatz7in§84Abs.2 (damalsalsSatz2).DasZielderÄnderungwares,genauereVorgabenfürdenexternenVergleichfestzulegen.IndenVergleich einbezogenwerdensolltennurdienachden„wesentlichenVergleichskriteriengleichartigenundnichtauchdiewesensfremden Einrichtungen“.Zugleichwurdeeingestanden,dassmanmitdieserGesetzesänderungeineEinschränkungderRechtswirkungen derUrteiledesBundessozialgerichtsvom14.Dezember2000erreichenwollte!BeiderKonkretisierungdesBegriffs„wesensfremdeEinrichtungen“wurdenallerdingsSpezifikaaufgeführt, dieaktuellkeineBedeutungmehrhabenoderumderenBeachtungimRahmenvonVergütungsvereinbarungenderGesetzgebersichseithernichtgekümmerthat.SosolltenEinrichtungen, diesichaufbesondereGruppenvonPflegebedürftigen8 spezialisierthaben,nichtmit„normalen“Einrichtungenverglichenwerden,dieallenPflegebedürftigender(seinerzeitmaßgebenden)
*DerAutorwarvon1994bis2022ehrenamtlichMitglieddesAufsichtsgremiumseinerdiakonischenStiftung,diemehrerePflegeheimeundambulante Pflegedienstebetreibt.AktuellisterVorsitzenderderSchiedsstellenach §76SGBXIinHamburg.
1DieschriftlicheFassungderUrteilewurdeallerdingserstfünfMonatespäterveröffentlicht.
2DieseEinschätzunghatBiebackbereitsfürdenZeitraum2012bis2018vertreten,SGb2018,321,322.
3SoderGesetzentwurfzumSGBXI,BT-Drucks.12/5262,zu§93Abs.2. 4BSG,Urt.v.14.12.2000–B3P 19/00R,BSGE87,199.
5BVerwG,Urt.v.1.12.1998–5C17/97,BVerwGE108,47,jurisRn.25.
6DieZahlprivaterBetreibererhöhtesichvon1999bis2009ummehrals 50%,diegemeinnützigerBetreiberum26%;dieZahlanPflegeheimenin öffentlicherTrägerschaftnahmimselbenZeitraumumknapp20%ab; Rothgangu.a.,inBarmer-GEK,Pflegereport2013,S.116.
7BT-Drucks.16/7439vom7.12.2007,S.71.
8GenanntwerdeninBT-Drucks.16/7439vom7.12.2007,S.71:EinrichtungenfürbeatmungspflichtigeMenschenoderWachkomapatienten,Einrichtungen,diesichauchderSterbebegleitungwidmen,EinrichtungenderKurzzeitpflege.ErwähntwirdzudemdieNotwendigkeiteinerDifferenzierung nachderGröße;Einrichtungenmitmehrals100Bewohnerndürftennicht mitsolchenfürwenige(etwasechs)verglichenwerden.
PflegestufenIbisIIIoffenstehen.DieEinhaltungdieserVoraussetzungwarschonzuvoreinepureSelbstverständlichkeitundist inderPflegesatzpraxisunbestritten;zumaldieserAspektbereits imUrteilvom14.12.2000ausdrücklichaufgezeigtwordenwar. FürdiegenanntenSpezifikawurdenauchinnerhalbeinerEinrichtunggesondertgeführteEinheitenmiteigenständigenPflegesätzengebildet,dieauchinPreisvergleichslistengesondert aufgeführtwerden.EsfolgenDifferenzierungennachderPersonalausstattung,dieaktuellinZeitenminutiösfestgelegterPersonalbemessung(§113cSGBXI)nurnochalsanachronistischbezeichnetwerdenkönnen.SosolltenEinrichtungen,dieübereine besondersgutepersonelleAusstattungverfügen,nichtmitdenen verglichenwerden,diebeiderPersonalausstattunganderUntergrenzedesNotwendigenliegen.BeiderFeststellungderGleichartigkeitmüsstenEinrichtungen,derenPflegequalitätnichtden erforderlichenStandarderreicht,unberücksichtigtbleiben.9 Der ZweckderVergütungsregelungendesPflegeversicherungsrechts bestehenichtdarin,ohneRücksichtaufdieQualitätzumöglichst niedrigenPreisvereinbarungenzukommen.Vielmehrseieserforderlich,entsprechenddenindividuellenGegebenheitendes PflegeheimeseineleistungsgerechteVergütungzuvereinbaren, dieaucheineüberdasnotwendigeMindestmaßhinausgehende Personalausstattungzulasse!
b)UmsetzungderVisionendesGesetzgebersdurch dieRechtsprechung
aa)BSGUrteilvom29.1.2009 NachdieserVorlagedesGesetzgeberssahsichder3.Senatgezwungen,beinächsterGelegenheitdierigidenVorgabenausder vorangegangenenEntscheidungzukorrigieren,indernochdaraufhingewiesenwordenwar,dassEinrichtungenmitvergleichsweisezuhohemPersonalaufwand,diesenreduzieren müssten,wennsienichtdasAusscheidenausdemWettbewerb inKaufnehmenwollten.10 ImUrteilvom29.1.200911 hieltder Senatzwar„imAusgangspunkt“daranfest,„dassdiePflegevergütungaufeinemmarktorientiertenVersorgungskonzeptberuhenmussundAnsprüchenacheinemreinenSelbstkostendeckungsprinzipnichtbestehen“,dochhielternichtdaranfest, dassdieHöhederGestehungskostenfürdiezuvereinbarende Vergütunggrundsätzlichbedeutungslossei.DieErwartungendes GesetzgebersaneinwettbewerbsorientiertesLeistungserbringerrechthättensichnichtwieerwartetbestätigt.SoweitdievoraussichtlichenGestehungskostenplausibelundnachvollziehbardargelegtseien,müsstensienochaufihreWirtschaftlichkeitgeprüft werden;insoweitseiweiterhinderexterneVergleicheinzusetzen.EinhöhererPflegesatzbeivergleichbarerPflegeleistungbedürfezwarweiterhinderRechtfertigung,seijedochtrotzdem leistungsgerecht,wennersichimRahmendesAngemessenen halte.Heimträgernseiesnichtverwehrt,innerhalbdiesesRahmensPflegeleistungenanzubieten.DieseKonstruktionerlaubte es,tarifgebundeneLohnkostenamexternenVergleichvorbeials angemessenunddamitalsnichtunwirtschaftlichzudeklarieren. DerSenatsahsichmitdieserKorrekturderUrteilevom 14.12.2000imEinklangmitdendurchdasPflegeWEGeingeführtengesetzlichenÄnderungen.12
bb)BSGUrteilvom16.5.201313 IndieserEntscheidungpräzisiertedasBSGdasbereitsimvorangegangenenUrteilaus2009propagiertezweistufigeModellzur ErmittlungdervomGesetzgeforderten„leistungsgerechtenVergütung“(§84Abs.2SGBXI).ZunächstmüsstenvonderPflegeeinrichtungdievoraussichtlichenGestehungskostennachvollziehbarundplausibeldargelegtwerden.Anschließendseizu prüfen,obdiebegehrtenPflegesätzeineinerangemessenen
Leseprobe, mehr zum Heft unter
undnachprüfbarenRelationzudenSätzenanderervergleichbarerEinrichtungenstehen.DasursprünglicheMarktpreismodell wurdehierdurcherheblicheingeschränkt.14 Gefragtwarfortan wiederKreativitätbeiDarstellungvonGestehungskosten,deren ÜberprüfungdurchdieKostenträgernurbegrenztmöglichist, weilsieäußerstpersonalintensivist.InderPraxisbehilftman sichzumeistmiteinernurprozentualenSteigerungderfürPersonal-undSachkostenzugrundegelegtenBeträgeinvorangegangenenVereinbarungen.
InderEntscheidungaus2013beschäftigtsichdasBSGerstmalseingehendmitderin§84Abs.2Satz4SGBXIfestgelegten BerücksichtigungeinerangemessenenVergütungdesUnternehmerrisikos.ImzugrundeliegendenFallhattedasLSGgefordert, umeinenWagniszuschlaggeltendmachenzukönnen,müsseder EinrichtungsträgerimVerfahrenvorderSchiedsstellekonkrete RisikenwieAbfindungenfürPersonal,ElternzeitoderAltersteilzeit,LohnfortzahlungwegengehäufterErkrankungendesPersonalsdurchGrippewellenoderBetriebsriskenfürElementarschädenplausibilisieren.15 DemistdasBSGentgegengetreten.Bei der„angemessenenVergütungdesUnternehmerrisikos“gehees nichtumZuschlägefürkonkreteWagnisseeinesEinrichtungsträgers,sondernumdieBerücksichtigungdesallgemeinenUnternehmerrisikos.KonkreteWagnissemüsstenalsKostenpositionenindiePflegesatzkalkulationeingestelltwerden.16
DieBemessungderGewinnaussichthabederGesetzgeber nichtvorgezeichnet,sondernderAushandlungderVertragspartnerundimStreitfallderEntscheidungderSchiedsstelleüberlassen.Dieskönneentwederübereinenfestenumsatzbezogenen ProzentsatzgeschehenoderüberdieAuslastungsquotegesteuert werden.Letzteressetzejedochvoraus,dassdiezugrundegelegte AuslastungsquotebeiordnungsgemäßerBetriebsführungzu einemangemessenenUnternehmensgewinnführenkönne.Auf diesenAnsatzistimZusammenhangmitdenaktuellenUrteilen vom17.4.2023zurückzukommen.
cc)BSGUrteilvom26.9.201917
DerRevisionlageinRechtsstreitzugrunde,indemdieSchiedsstellenebendenvermeintlichunstreitiggestelltenprospektiv kalkuliertenGestehungskosten,abgeleitetaus§44SGBIeinen „Risikozuschlag“von4%berücksichtigthatte.DieFestsetzung einerGewinnmarge,losgelöstsowohlvondenkalkuliertenGestehungskostenalsauchvoneinemexternenVergleich,seiunzulässig.DieParteiendesSchiedsverfahrenskönntenzudemdie Gestehungskostennichtunstreitigstellen.Auchplausibelund nachvollziehbardargelegteGestehungskostenkönntenimEinzelfallbereitsunterschiedlicheGewinnmöglichkeitenenthalten,
9AuchdieseVoraussetzungwarvomBSGbereitsinBSG,Urt.v.14.12.2000 –B3P 19/00R,jurisRn.25ausdrücklichaufgeführtworden.DieTatsache, dasssieandieserStelledesGesetzentwurfssohingestelltwird,alsseisie bislangunbekannt,machtdeutlich,dassauchunseriöseArgumenteeingesetztwurden,umdieAbkehrvonderSelbstkostendeckungwiederrückgängigzumachen.
10BSG,Urt.v.14.12.2000–B3P 19/00R,Rn.26.Ebensowenigallerdings dürftengegenübereinemHeimträgerErfolgeinderwirtschaftlichen BetriebsführungundentsprechenderzielteÜberschüssezumAnlassgenommenwerden,unterEinsatzderNachfragemachtmarktgerechtePflegesatzangebotedeswegenweiterabzusenken.
11BSG,Urt.v.29.1.2009–B3P 7/08R,BSGE102,227.
12Insbesondere§84Abs.2Satz7SGBXIi.d.F.desPflegeWEG;BSG,Urt.v. 29.1.2009–B3P 7/08R,Urteil,Rn.29;zumVerhältnisvonTarifbindung undexternemVergleichBSG,Urt.v.29.1.2009–B3P 7/08R,Rn.40. 13BSG,Urt.v.16.5.2013–B3P 2/12R,BSGE113,258.
14ZurFrage:Wasistvom„Marktmodell“übriggeblieben?eingehendBieback, SGb2018,321,322.
15LSGBaden-Württemberg,zit.nachPlantholz,SRa2018,3,4. 16SodieAuslegungderUrteilsbegründungdurchPlantholz,SRa2018,3,4. 17BSG,Urt.v.26.9.2029–B3P 1/18R,BSGE129,116.
diebeieinerBerücksichtigungdesUnternehmerrisikosgegebenenfallsanzurechnenseien.DasUrteilbetonteineumfassende AmtsermittlungspflichtderSchiedsstellevorallemimHinblick aufdennotwendigenSchutzderpflegebedürftigenHeimbewohner,dievonVergütungsverhandlungenvorallembetroffen seien,selbsthieranundamSchiedsverfahrenabernichtbeteiligt seien.DieAuffassungderVorinstanz,zudiesemZweckmüsse dieSchiedsstelleregelmäßigeinSachverständigengutachteneinholen,wurdeallerdingsnichtbestätigt.DerSenatunterband damitallerdingszunächstdenVersucheinigerSchiedsstellen, unabhängigvondenkalkuliertenGestehungskostendurcheinen pauschalenZuschlagzudenGestehungskosteneineeinheitliche Verwaltungspraxiszuerreichen.HattedasUrteilaus2013es nochdemBeurteilungsspielraumderSchiedsstelleüberlassen, eineGrundlagefürdieRealisierungvonGewinnaussichtenzu setzen,engtedasUrteilaus2019diesengroßzügigenSpielraum durchminutiöseVorgabenein.DasUrteilanalysiertinepischer BreitedieMöglichkeitenvonPflegeeinrichtungen,Gewinnein dengeltendgemachtenGestehungskostenzuverstecken.Gerade weildieseMöglichkeitenkaumauszuschließenundnurmit hohempersonellenAufwandzuentdeckensind,sollteaberdas SelbstkostendeckungsprinzipbeiEinführungderPflegeversicherunggeradeabgeschafftunddurchdenexternenVergleich ersetztwerden.Zuuntersuchenbleibtnoch,obdiemitderim Urteilaus2019propagiertenextensivenAusdehnungdesAmtsermittlungsgrundsatzesverbundeneBedrohungderFunktionsfähigkeitvonSchiedsstellen18 durchdieneuesteRechtsprechung des3.Senatsabgewendetwird.
II.AktuelleEntscheidungenzurVergütung stationärerPflegeleistungen
1.DarlegungspflichtenundAmtsermittlungim Schiedsverfahren
UmfangundGrenzenderAmtsermittlungimSchiedsverfahren nach§76SGBXIsindGegenstandbeiderzurVeröffentlichung vorgesehenerUrteiledes3.Senatsvom19.4.2023.ImVerfahren B3P2/22RwarzunächstdieFragezuklären,obdieSchiedsstellebeifehlenderPlausibilitätderBegründungfürdievonder EinrichtunggeltendgemachtenForderungendenSchiedsantrag einfachablehnendarfoderobsieverpflichtetist,denAntragstellerzuvoraufdiefehlendePlausibilitäthinzuweisenundUnterlagenzubenennenundanzufordern,umdiesenMangelzubeheben.ZudiesemZweckbeziehtsichdasUrteilaufdasseit2009 praktiziertezweistufigePrüfungsschema.GrundlagederVerhandlungüberPflegesätzeundEntgelteseizunächstdieAbschätzungdervoraussichtlichenKostenderinderEinrichtung erbrachtenLeistungen.Nachdemin§85Abs.3SGBXIgeregeltenVerfahrensganghabedasPflegeheimArt,Inhalt,Umfang undKostenderLeistungen,fürdieeseineVergütungbeansprucht,durchgeeigneteNachweiserechtzeitigvorBeginnder Pflegesatzverhandlungendarzulegen.BeiZweifelnmüssedie EinrichtungweitereBelegedafürbeibringen,dassihreVergütungsforderungaufeinerplausiblenKalkulationdervoraussichtlichenGestehungskostenberuht.DasGesetzenthalteallerdings keineFestlegungendazu,welcheUnterlageninVergütungsverhandlungenvondenEinrichtungsbetreibernverlangtwerden könnenbzw.vondiesenvorgelegtwerdenmüssen.DerSchiedsstellewirdbeiihrerBewertung,welcheweiterenUnterlagenund Nachweisesiebenötigt,einweiterSpielraumeingeräumt.Unter Hinweisauf§83Abs.3Satz5SGBXIwirdverdeutlicht,dass zumZweckederPlausibilisierungaucheinKostenvergleichmit dembisherigenPflegesatzzeitraumdurchgeführtwerdenkann.
ImAnschlussandasUrteilaus2019hältderSenatander Auffassungfest,dieSchiedsstelletragedieGesamtverantwortungfürdieFestsetzungderPflegesätze,auchsoweitessichum zwischendenVertragsparteienkonsentierteInhaltehandele.HieranwarKritikgeübtworden,weildieDurchführungvonPflegesatzverhandlungeneinschließlichSchiedsverfahrenalleininder HandderVertragsparteienliegt.19 SoweitdieAmtsermittlungspflichtbeigeeintemSachverhaltmitderBesonderheitder SGBXI–Schiedsstellebegründetwird,dassvonderFestsetzung derPreisedurchBeschlussderSchiedsstelleauchDritte,nämlich dieinderEinrichtungversorgtenPflegebedürftigenbetroffen seien,wirdnichtberücksichtigt,dassdiesbeiallenVergütungsvereinbarungenderFallistundeszumeistnurinwenigerals 10%zuSchiedsverfahrenkommt.Geradebezüglichdesgeeinten SachverhaltsmussmanabervomRegelfallausgehen.DerSenat relativiertdannallerdingsdieAnforderungenandieAmtsermittlung:DieSchiedsstellekannvonweiterenErmittlungenabsehen, soweitsieamVorbringeneinerPflegeeinrichtungwederselbst Zweifelhat,nochaufsolche(vonSeitenderKostenträger)substanziierthingewiesenwird.Schließlichwirdnochdaraufhingewiesen,dassdasGesetzselbstnichtfestlege,wiedieInformationspflichtenzuerfüllenseien.VondaherhabedieSchiedsstelle einengroßenErmessensspielraum,dendieGerichtenurbegrenzt überprüfenkönnten.Ermessensfehlerhaftseiesaber,den SchiedsspruchauffehlendePlausibilitätdesVorbringenszustützen,ohnedieEinrichtungzuvoraufgefordertzuhaben,diezur PlausibilisierungnotwendigenNachweisenachzutragen.
2.BerücksichtigungeinerangemessenenVergütungdes Unternehmerrisikos
ImVerfahrenB3P6/22R,dassichschwerpunktmäßigmitder BemessungderVergütungdesUnternehmerrisikossowiedanebenmitdenEntgeltenfürUnterkunftundVerpflegungbeschäftigt,entsprachendieentscheidungserheblichenFaktenweitgehenddenjenigen,diedemUrteilaus2019zugrundelagen.Die prospektivenGestehungskostenderEinrichtungwarenzwischen denVertragspartnerngeeint;strittigwaralleinderZuschlagfür dasUnternehmerrisiko,wobeidiesernuraufdenUmsatzbeiden allgemeinenPflegeleistungenberechnetwar.DieSchiedsstelle hattedenZuschlagaufderGrundlagedersog.IEGUS-Studie20 bemessen.DiesegehtvoneinerländerspezifischenRisikoquote aus;fürdasbetroffeneLandSchleswig-HolsteinwirddasallgemeineWagnismit4,96%bemessen.DieSchiedsstellekorrigierte diesenWertumeinenprozentualenAbschlag,dersichausder Möglichkeitergab,denrahmenvertraglichfestgelegtenAuslastungsgradzuübertreffen.HierdurchsolltedieMöglichkeiteines zweifachenWagniszuschlagsvermiedenwerden.DasBSGhat dieAufhebungdesSchiedsspruchsdurchdasLSGunddieVerurteilungzurNeubescheidungalleindeshalbbestätigt,weildem Schiedsspruch„nichthinreichendzuentnehmenist,inwieweit
18DiesesindinAnbetrachtihrerbegrenztenMöglichkeitennichtinderLage, umfassendeErmittlungenanzustellen.ZuRechthatder8.SenatdesBSG mehrfachdeutlichgemacht,dassdieMitgliederderSchiedsstelleihrAmt alsEhrenamtausübenundderSchiedsstellezudemeineigenerVerwaltungsunterbaufehlt,dersiebeiderAufklärungdesSachverhaltsinallenEinzelheitenunterstützenkönnte(zuletztBSG,Urt.v.25.4.2018–B8SO 26/16 R,SozR4-3500§75Nr.11,Rn.22).DiesgiltauchfürdieSchiedsstellenach §76SGBXI.
19Bieback(SGb2023,8,9)weistzutreffenddaraufhin,dassdieSchiedsstelle ohneAnträgederParteienkeineMöglichkeithat,denInhaltdesSchiedsspruchszubeeinflussen.Vgl.hierzuauchPlantholz,SRa2020,97,99. AußerdembestehtdieAusweichmöglichkeitnach§76Abs.6SGBXI,die auchvonderaktuellenEntscheidungnichtindieErörterungeinbezogen wird.
20Friedrich/Herten/Neldner/Hoff/Uhlig/Plantholz,UnternehmerischesWagnis inderstationärenPflege(2018)(sog.IEGUS–Studie),S.80.
sie(sc.dieSchiedsstelle)dievonihrfestgesetztenPflegesätze undEntgelteeinemabschließendenVergleichmitdenVergütungenandererEinrichtungenunterzogenhat“.
a)BemessungderVergütungdesUnternehmerrisikos BeiderFrage,wiedieVergütungdesUnternehmerrisikoszubemessenist,beziehtsichderSenataufseinUrteilaus2013.21 DanachkanndieRealisierungvonGewinnaussichtensowohl übereinenfestenumsatzbezogenenProzentsatzgeschehenals auchüberdieAuslastungsquote22 gesteuertwerden.DieseOffenheitdeckeaberweiterhinnichtdieVorstellung,dassderAushandlungoderFestsetzungvonPflegesätzenoderEntgelten schematischfesteGewinnerwartungenunabhängigvondenBesonderheitendesEinzelfalleszuGrundezulegenwären.VerwiesenwirdandieserStelleaufdasUrteilaus2019,indemesum diepauschaleOrientierungansozialrechtlichenVerzugszinsen ging.AndieserStellefragtmansichallerdings,welcheindividuellenRisikendemzugrundeliegendenSachverhaltzuentnehmen sind.AusdrücklicherwähntwirdjedenfallskeinindividuellerAspekt.InBetrachtkommtdieBerücksichtigungderAuslastungsquote,dienachdergeschildertenBerechnungsformelzueiner sehrgeringfügigenMinderungdesfestenProzentsatzesführen kann.DiesefälltallerdingsbeiderpraktischenUmsetzungin einemBereichvonwenigeralseinemProzentaus!Bemerkenswertist,dassimGegensatzzumUrteilaus2013inderaktuellen EntscheidungandieserStelle23 inBezugaufdieAuslastungsquotealszulässigeBerechnungsmethodedieParenthese„-wie hier-“fehlt!AnsonstensinddieAusführungenzurNotwendigkeiteinerindividuellenPrüfungfürdieEntscheidungunerheblich.TragendfürdasErgebnisistimWesentlichen,dassimUrteil dieFestsetzungeinespauschalenRisikozuschlagsdurchdie
Schiedsstelleakzeptiertwurde,ohnedasshierfürzusätzlichBesonderheitenderbetroffenenEinrichtungaufgezeigtodergefordertwerden.DieAufhebungdesSchiedsspruchsdurchdasLSG wirdalleindeswegenbestätigt,weildieSchiedsstelleversäumt hatte,abschließendeinenexternenVergleichdurchzuführen.
DieEntscheidungsgründehinterlasseninsoweit„eherRatlosigkeit“24 ImUrteilaus2013,aufdassichdasaktuelleUrteil ausdrücklichmehrfachbezieht,hatdasBSGmit„Unternehmerrisiko“dasallgemeineUnternehmerwagnisgemeint25,etwaRisikeninfolgedergesamtwirtschaftlichenLage,derNachfrageentwicklungodervonunternehmerischen(Fehl-)Entscheidungen. DassdieseRisikenganzüberwiegendnichteinrichtungsindividuellsind,istoffensichtlich.SiemüssendaherfüralleEinrichtungengleichbemessenwerden.„DerProzentsatz,mitdemdasallgemeineUnternehmerrisikoabzugeltenist,istallgemeinzu bestimmen“.26 DasunternehmerischeWagniskannwedervon 21S.o.I.2b)bb).
22BeiderSteuerungüberdieAuslastungsquotewirdaktuelleinAspektrelevant,denderSenatbereitsinderEntscheidungaus2013angesprochen hatte,dernachdemSachverhaltdesaktuellenUrteilswohlkeineRolle spielte:DerzunehmendeMangelanPflegekräftenzwingtetlicheEinrichtungendazu,ihreAufnahmekapazitättrotzhoherNachfragezumindestvorübergehendzureduzieren.AngesichtsdesprognostiziertensteigendenBedarfs anstationärerpflegerischerVersorgungkanndieReaktionderLeistungsträgernichtdarinbestehen,denRisikozuschlaggänzlichzuversagenund damitdieExistenzfähigkeitlangfristigdringendbenötigterPflegeeinrichtungenzugefährden.
23BSG,Urt.v.19.4.2023–B3P 6/22R,Rn.26.
24SoBieback,jurisPRSozR01/2024,Anm.6.
25SoauchBieback,jurisPRSozR01/2024,Anm.6.
26Bieback,SGb2018,321,326;derdiesallerdingsmitderBedingungverknüpft,dassdieEinrichtungoffenlegt,obindenprospektivkalkulierten KostenschonGewinnaufschlägevorgenommenwordensind.Dieseseien gegebenenfallsherauszurechnen.DiesentsprichtletztlichauchderAuffassungdes3.Senats(nachfolgendunterII.2.b).