WzS Wege zur Sozialversicherung

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78. Jahrgang

Januar 2024

Seiten 1–36

www.WzSdigital.de

Wege zur Sozialversicherung

Zeitschrift für die Sozialversicherungs-Praxis

Herausgeber:

Erich Schmidt Verlag

GmbH & Co. KG

Aufsätze Dr. Arno Bokeloh

Geldleistungen und Sachleistungen im Recht der Europäischen Union Dipl.-Finw. (FH) Thomas Rennar Sozialversicherungspflicht bei nicht geschäftsführenden Gesellschaftern?

Gesetzgebung und Praxis

Nachrichten aus der EU

Rechtsprechung Rechtsprechung des EuGH

Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

Rechtsprechung des Bundessozialgerichts

Rechtsprechung der Instanzgerichte

978350310785
WzS G 11366
01. 24 Leseprobe, mehr zum Beitrag unter https://wzsdigital.de/ © Erich Schmidt Verlag GmbH & Co. KG, Berlin 2024(www.wzsdigital.de)

Sozialversicherungsrecht kompakt

Der in Studium und Praxis bewährte und topaktuelle Leitfaden bietet sowohl eine übersichtliche Darstellung der gesetzlichen Kranken-, Renten-, Pflege-, Unfall- und Arbeitslosenversicherung als auch aller übrigen Sozialrechtsbereiche. Das für viele unerlässliche sozialrechtliche Grundwissen wird verständlich und systematisch erläutert – dabei orientiert sich die Gliederung am Aufbau des SGB. Beispiele und Schaubilder sowie Hinweise auf gesetzliche und andere Fundstellen erleichtern hierbei den thematischen Zugang.

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Herausgegeben von Prof. Dr. Hans-Dieter Braun und Dr. Andreas Jüttner

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WegezurSozialversicherung

Zeitschriftfürdie

Sozialversicherungs-Praxis

Inhalt

EDITORIAL

AUFSÄTZE

78.Jahrgang Seiten1–36

RECHTSPRECHUNG

ArnoBokeloh

GeldleistungenundSachleistungenimRechtderEuropäischenUnion Begriff,Definition,Bedeutung______________________________________________3

ThomasRennar

SozialversicherungspflichtbeinichtgeschäftsführendenGesellschaftern?____________6

RechtsprechungdesEuGH_________________________________________________21 RechtsprechungdesBundesverfassungsgerichts________________________________22 RechtsprechungdesBundessozialgerichts_____________________________________24 RechtsprechungderInstanzgerichte_________________________________________28

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WzS
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GESETZGEBUNGUNDPRAXIS ______________________________________________________________________9 NACHRICHTENAUSDEREU ______________________________________________________________________16
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Editorial

SehrgeehrteLeserinnen,sehrgeehrteLeser, dieRedaktionundderVerlagwünschenallenLeserinnenund LesernderWzSeingesundesundglücklichesNeuesJahr.

DieEuropäischeUniongarantiertsowohlArbeitnehmernals auchSelbstständigendieFreizügigkeit.Arbeitnehmerhabendie Möglichkeit,jederzeiteineBeschäftigungineinemanderenMitgliedstaataufzunehmen,SelbständigehabendieMöglichkeit, sichineinemanderenMitgliedstaatniederzulassenunddortihre Tätigkeitauszuüben.DieInanspruchnahmedieserMöglichkeiten hatzurFolge,dassdieRechtsvorschriftenmehrererMitgliedstaatenüberdieSozialeSicherheitanwendbarwerden.Ohneeine VerzahnungdieserRechtsvorschriftenkönntengravierende NachteilefürdiebetroffenenPersonenentstehen,dieimErgebnisdieInanspruchnahmederFreizügigkeiterheblicherschweren würden.DaherverpflichtetderVertragüberdieArbeitsweiseder EuropäischenUnion(AEUV)dieMitgliedstaatendazu,dieauf demGebietderSozialenSicherheitfürdieHerstellungderFreizügigkeitderArbeitnehmerundSelbständigennotwendigen Maßnahmenzubeschließen.ZudenwichtigstenKoordinierungsinstrumentenzählendervolleGeldleistungsexportanPersonen, dieineinemfürdieSozialeSicherheitnichtzuständigenMitgliedstaatwohnen,unddieSachleistungsaushilfe,d.h.derfinanzielleErsatzvonSachleistungenanPersonen,dieineinemsolchennichtzuständigenMitgliedstaatwohnen.Inunseremersten Beitrag„GeldleistungenundSachleistungenimRechtderEuropäischenUnion“(S.3)geht Dr.ArnoBokeloh aufdieUnterscheidungzwischendiesenbeidenInstrumentenein.Maßgeblichfür dieFrage,obeinenationaleLeistungalsGeld-oderalsSachleistungeinzuordnenist,seialleindasUnionsrecht.Belastetwerde aber,gleichgültigobeineLeistungalsGeld-oderalsSachleistungeinzuordnenist,stetsderfürdiesozialenLeistungenzuständigeMitgliedstaat,beiSachleistungenallerdingsnurindem Umfang,indemsieimWohnsitzstaataneigeneStaatsangehörigegewährtwürden.DieUnterscheidungzwischenGeld-und Sachleistungendürfeabernichtdazuführen,dassderVersichertezwarzurZahlungvonBeiträgenverpflichtetsei,aberhieraus

systembedingtkeinerleiLeistungenfließenkönnten.Dieshabe derEuGHwiederholtfestgestellt.

EineSozialversicherungspflichtistgeradebeibeherrschendenGesellschafter-Geschäftsführernregelmäßigzuverneinen. SchwierigeristdieSachlagejedochbeilediglich50%-igerBeteiligungsquoteohneGeschäftsführungstätigkeitodergarbei Minderheitsgesellschaftern.InunseremzweitenBeitrag„SozialversicherungspflichtigeGesellschafterbeschäftigungohneGeschäftsführungstätigkeit?“(S.6)gibt Dipl.-Finw.(FH),Thomas Rennar einenÜberblicküberdiedarausresultierendenFragestellungen.ZurEinstufungeinersozialversicherungspflichtigenGesellschafterbeschäftigungseiregelmäßigaufdensozialrechtlich definiertenArbeitnehmerbegriffzurückzugreifen.FürdieAbgrenzungabhängigerBeschäftigungvonselbstständigerTätigkeitseiderUmfangderKapitalbeteiligungunddasAusmaßdes sichdarausergebendenEinflussesaufdieGesellschaftdaswesentlicheMerkmal.DermitarbeitendeGesellschaftereinerGmbH, dernichtzurGeschäftsführungbestelltsei,unterliegebeiAusübungeinerTätigkeitfürdieGesellschaftnurdannnichtder Sozialversicherungspflicht,wennereinenbeherrschendenEinflussaufdieGeschickederGmbHhabe.

DieRubrik„Rechtsprechung“(S.21)gibteinenÜberblicküber diewichtigstenaktuellensozialrechtlichenEntscheidungen.

DarüberhinausberichtenwirüberEntwicklungenausGesetzgebungundPraxis(S.9)sowieüberNachrichtenausderEU (S.16).

FürdenVerlagundRedaktion

Dr.LindaNehring-Köhler

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GeldleistungenundSachleistungen imRechtderEuropäischenUnion

Begriff,Definition,Bedeutung

Dr.ArnoBokeloh,Bonn

1.Einleitung

DieEuropäischeUniongarantiertsowohlArbeitnehmernals auchSelbstständigendieFreizügigkeit.Arbeitnehmerhabendie Möglichkeit,jederzeiteineBeschäftigungineinemanderenMitgliedstaataufzunehmen,SelbständigehabendieMöglichkeit, sichineinemanderenMitgliedstaatniederzulassenunddortihre Tätigkeitauszuüben.DieFreizügigkeitderPersonenisteinetragendeSäuledesEuropäischenBinnenmarktes,nebendemfreien Dienstleistungsverkehr,demfreienWarenverkehrunddemfreien Kapitalverkehr.

DieInanspruchnahmederFreizügigkeithatzurFolge,dass dieRechtsvorschriftenmehrererMitgliedstaatenüberdieSoziale Sicherheitanwendbarwerden.Hierauskönnten–ohneeineVerzahnungdieserRechtsvorschriften–gravierendeNachteilefür diebetroffenenPersonenentstehen,dieimErgebnisdieInanspruchnahmederFreizügigkeiterheblicherschwerenwürden. DeshalbverpflichtetderVertragüberdieArbeitsweisederEuropäischenUnion(AEUV)dazu,die„aufdemGebietderSozialenSicherheitfürdieHerstellungderFreizügigkeitderArbeitnehmernotwendigenMaßnahmen“zubeschließen(Art.48 Satz2AEUV);dieseVerpflichtungerstrecktsichauch,wiesich ausArt.48Satz1Halbsatz2ergibt,aufSelbstständige.Ausführlichgenanntist–nebenderZusammenrechnungderVersicherungszeiten–dieZahlungderLeistungenanPersonen,dieim HoheitsgebietderMitgliedstaatenwohnen.

ZudenwichtigstenKoordinierungsinstrumentenzähltder volleGeldleistungsexportanPersonen,dieineinemnichtzuständigenMitgliedstaatwohnen,unddieSachleistungsaushilfed.h. dieErbringungvonSachleistungenanPersonen,dieineinem nichtzuständigenMitgliedstaatwohnen.

DieUnterscheidungzwischenbeidenInstrumentenistvon zentralerBedeutung.Geldleistungenwerdenvomzuständigen Mitgliedstaaterbracht;wichtigster–aberkeineswegseinziger–AnwendungsfallistderExportvonRenten.DasGeldfließtgewissermaßenüberdieGrenzen.Sachleistungenkönnendiesjedochnicht,siewerdenvomnichtzuständigenMitgliedstaaterbrachtanPersonen,diedortwohnenodersichdortaufhalten. Wichtigster–aberwiederumnichteinziger–Anwendungsfallist dieErbringungdurchdieTrägerderKrankenversicherung.Der zuständigeTrägerhatdieseLeistungenzuerstatten.1

2.Geldleistungen

DieVO883enthältindemDefinitionenkatalogdesArt.1keine DefinitionderGeldleistungen.Diesistwohlauchnichterforderlich,weildieserBegriffaussichherausverständlichist.DerGesetzgebungsauftragdesArt48AEUVwirdnäherkonkretisiertin Art.7VO883.GeldleistungendürfenaufGrundderTatsache, dassderBerechtigteineinemanderenMitgliedstaatwohnt,nicht gekürzt,geändert,zumRuhengebracht,entzogenoderbeschlag-

nahmtwerden.AlsMitgliedstaatenindiesemSinngeltenauch dieEWR-StaatenNorwegen,IslandundLiechtensteinsowiedie Schweiz,fürdie–wiefürdieMitgliedstaaten–dieVO883gilt. GeldleistungensindinersterLinieRentendergesetzlichen Rentenversicherung,derUnfallversicherung,dasKrankengeld (zumPflegegeldvgl.unten)undauchdieFamilienleistungen.

IndiesemZusammenhangesindeinigeUrteiledesEuGHgeradefürDeutschlandvonbesondererBedeutung.

ImUrteilMovrin2 gingesumdenBeitragszuschusszurKrankenversicherung.DerKlägerwohnteindenNiederlandenund bezogsowohleineniederländischealsaucheinedeutscheRente. AlsDoppelrentnerunterlagerderniederländischenKrankenversicherung;zudiesermussteerBeiträgeentrichten,derenHöhe sichsowohlnachderniederländischenalsauchnachderdeutschenRenterichtete.DieBeklagte,dieLVAWestfalen,hatteargumentiert,derZuschussseieineLeistungbeiKrankheit,mithin seiendieNiederlandezuständig.3 DerEuGHhatdemwidersprochenundinsbesondereausgeführt,derZuschusswerdenichtim Krankheitsfallgezahlt,einZuschuss,dereineBeteiligunganden AufwendungenfürdieKrankenversicherungdarstelle,könne nichteinLeistungderKrankenversicherungsein(insbes.Rn.41); eshandelesichvielmehrumeineGeldleistungderRentenversicherung,dienachArt.10VO(EWG)Nr.1408/71(heuteArt.7 VO883)zuexportierensei.

IndemUrteilHabelt,MöserundWachter4 gingesimWesentlichenumdieFrage,obRenten,dieaufZeitenaußerhalbdes GebietesderBundesrepublikberuhten,inMitgliedstaatenaußerhalbDeutschlandszuexportierensind.AnhangVI.D. DeutschlandZiff.1zudamaligenVO1408schloss–wieauch §§114,272SGBVI–einenderartigenExportimWesentlichen aus.WohntendieBerechtigtendagegeninderBundesrepublik Deutschland,sohattensieeinenAnspruch,dessenZweckdarin bestand,sieindieBundesrepublikDeutschlandzuintegrieren. DieserZweckistaberentfallen,wenndieBerechtigtenihren WohnsitzineinenanderenMitgliedstaatverlegen.IneinemfrüherenUrteil5 hattederEuGHdieseExportausschluss-Klausel nochbestätigtundimWesentlichendamitbegründet,dieseLeistungengehörtennichtzurSozialenSicherheit,sieseienmithin nichtGeldleistungenderRentenversicherung(Rn.7).Jetztaber hatderEuGHdiesenExportausschlussfürmitArt.42EG(heute Art.48AEUV)unvereinbarerklärtunddiebeklagteLVAzum

1NähereszurUnterscheidungvonGeld-undSachleistungenunten3. 2C-73/99v.6.7.2000.

3ZumnäherenVerständnisfürdieseArgumentation:DieinArt.10VO1408 enthalteneExportverpflichtungbezogsichaufRentenderRentenversicherung,derUnfallversicherungunddieSterbegelder.DieExportverpflichtung desArt.19Abs.1lit.bVO1408bezogsichaufPersonen,dieimnichtzuständigenMitgliedstaatwohnen.DieswaraberbeidemKlägernichtder Fall,erwohnteimzuständigenMitgliedstaat.

4VerbundeneRechtssachenC-396/05,C-419/05und450/05v.18.12.2007. 5C-79/76v.31.3.1977,Fossi.

978350310785 Bokeloh,GeldleistungenundSachleistungenimRechtderEU 3 WzS 01.24
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ExportdieserLeistungenindieMitgliedstaatenverpflichtet.AnhangVI.D.Ziff.1zurVO1408wurdespäteraufgehoben.

IndemUrteilBorawitz6 gingesumdenMindestbetragfürdie VornahmeeinerNachzahlung.DasdeutscheRechtdifferenzierte in§118Abs.2SGBVIzwischendenNachzahlungsbeträgenim InlandundimAusland–keineAuszahlungimInland,wennder BetrageinZehnteldesaktuellenRentenwertesnichtüberstieg, keineAuszahlungindasAusland,wennderBetragdreiZehntel desaktuellemRentenwertes(damals13,80DM)nichtüberstieg. DerEuGHhatdieseDifferenzierungfüreinenVerstoßgegendie Gleichbehandlung(damalsArt.3VO1408,heuteArt.4VO883) erklärt.DieentsprechendeVorschriftimdeutschenRechtwurde spätergestrichen.

Eine–jedenfallsausdeutscherSicht–besonderskritische FallkonstellationlagdemUrteilMolenaar7 zuGrunde.Geklagt hattedasEhepaarMolenaar,beidemitWohnsitzinFrankreich undinDeutschlandbeschäftigt,mitdemZiel,keinePflegeversicherungsbeiträgezahlenzumüssen;dieKlägerhattensichzur BegründungihrerKlageauf§34Abs.1SGBXIberufen.Danach ruhtderAnspruch,solangesichderVersicherteimAuslandaufhält.InderGesetzesbegründung(zumdamaligen§30aufS.110) heißteswörtlich:„AuchdasPflegegeld(§33)wirdnichtexportiert.DasPflegegeldistkeineGeldleistungimeigentlichenSinn. VielmehristeszweckgebundenzuSicherstellungderPflegeund ersetztnurdieeigentlicheLeistung,nämlichdieSachleistung (sogenanntes„Sachleistungssurrogat“)8.Hingewiesenwurdefernerdarauf,dassbeiWohnenimAuslandeinelaufendeKontrolle nichtmöglichsei.DieseLösungwargewissermaßensehrbequem:VermiedenwurdendamitalleProbleme,diesichbei einemWohnsitzdesGepflegtenimAuslandstellten,wieetwa dielaufendeKontrolle,aberauchdieFeststellungderPflegebedürftigkeitunddesPflegegrades.AberdienaheliegendeKonsequenz–nämlichdieBefreiungvonderZahlungvonPflegeversicherungsbeiträgenbeiWohnsitzimAusland–wurdenicht gezogen.AbernichtdieQualifizierungimdeutschenRechtist maßgeblichfürdieEinordnungderLeistung,vielmehristdies SachedesUnionsrechts.DerEuGHstuftedasPflegegeldalsGeldleistungeinundführtedafürimWesentlichendreiGründean: DieperiodischeZahlung(unabhängigvonentsprechendenNachweisen),derfesteBetragsowiedieweitgehendeFreiheitdesBegünstigtenüberdieVerwendungdesPflegegeldes(Rn.14).Damit hattendieKlägerihrformalesZiel–BefreiungvonPflegeversicherungsbeiträgen–nichterreicht.Esdürfteihnenaberim Grundegenommendarumgegangensein,imPflege-VersicherungsfalldasPflegegeldinFrankreichzuerhalten–diesesZiel habensieerreicht.DasUrteilhat–nebenderAnwendungder KoordinierungsregelungenfürdieKrankenversicherungaufdie Pflegeversicherung–weitreichendeKonsequenzen.Eslässtsich abersagen,dassdieadministrativenProblemeweitgehendgelöst werdenkonnten.DerdeutscheGesetzgeberhatdemUrteildurch dieEinfügungdesAbsatzes1ain§34SGBXIRechnunggetragen.Esbleibtaberdabei,dassderAnspruchruht,wenndiePflegebedürftigennichtineinemEU-Mitgliedstaat,nichtineinem EWR-StaatundnichtinderSchweizwohnen.Diesgiltunabhängigdavon,obDeutschlandmiteinemStaatdurcheinSozialversicherungsabkommenverbundenist;keinSozialversicherungsabkommenbeziehtsichauchaufdiePflegeversicherung.

EinebesondereKategorieinnerhalbderGeldleistungenbilden die„besonderenbeitragsunabhängigenGeldleistungen“(Art.3 Abs.3undArt.70VO883).DieseLeistungenfolgennichtder klarenUnterscheidungzwischenSozialerSicherheit(alsovolle AnwendungderKoordinierungsvorschrifteneinschließlichder Exportpflicht)undSozialhilfe(keineAnwendungderKoordinierungsvorschriften).Siestehenvielmehrdazwischen,weisenalso

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einerseitsMerkmalederSozialenSicherheitaufundandererseits MerkmalederSozialhilfe,MerkmalederbesonderenbeitragsunabhängigenGeldleistungensind:Zusätzlicher,ersatzweiseroder ergänzenderSchutzgegeneinesvonArt.3VO883erfasstenRisiken,GarantieeinesMindesteinkommenszurBestreitungdes Lebensunterhaltes(alternativzudiesenKriterien;dieLeistung dientdembesonderenSchutzderBehinderten),Finanzierungder LeistungausschließlichdurchSteuern,nichtdurchBeiträge, NennungderLeistunginAnhangXzurVO883.FürDeutschland sindhiergenanntdieLeistungenderGrundsicherungimAlter undbeiErwerbsminderungnachdemViertenKapiteldes SGBXIIunddieLeistungenzurSicherungdesLebensunterhalts derGrundsicherungfürArbeitsuchende,soweitfürdieseLeistungennichtdemGrundenachdieVoraussetzungenfürdenbefristetenZuschlagnachBezugvonArbeitslosengeld(§24Abs1 SGBII)erfülltsind.AuchdiemeistenanderenMitgliedstaaten habenbestimmteLeistungeninAnhangXeingetragen,natürlich nachvorherigerPrüfungdurchVertreterderEuropäischenKommission.DereigentlicheundentscheidendeGrundfürdieSchaffungderRechtsfigurfindetsichinArt.70Abs.3VO883.Diese Leistungenwerdennichtexportiert.Sieverlierendadurchaber nichtihrenCharakteralsGeldleistungen.

3.Sachleistungen

Eine–allerdingsnichtbesondershilfreiche–DefinitiondesBegriffesSachleistungenfindetsichinArt.1lit.vaVO883.Sie werdendefiniertfürdieLeistungenbeiKrankheit(undPflege) undnachdemmitihnenverfolgtenZweck,nämlichärztliche BehandlungunddiedieseBehandlungergänzendenProdukte undDienstleistungeneinschließlichderdirektenBezahlungoder ErstattungdieserKosten(lit.i);einevergleichbareDefinitiongibt esfürLeistungenbeiArbeitsunfällenundBerufskrankheiten(lit. ii).EsmussmithineinsachlichesSubstratvorliegen(imEnglischen„benefitinkind“).EineweitereKonkretisierungdesBegriffesSachleistungfindetsichimBeschlussS3derVerwaltungskommissionvom12.6.2009.9 DanachumfasstdieserBegriff auchLeistungen,dieimZusammenhangmiteinerchronischen oderbereitsbestehendenKrankheitsowieinZusammenhangmit einerSchwangerschaftoderEntbindungerbrachtwerden.Sachleistungenentfallenjedochnichthierunter,wenndieInanspruchnahmedieserBehandlungZweckdesAufenthaltesin einemanderenMitgliedstaatist.

DieBegriffe„Sachleistungen“und„Geldleistungen“sindautonomgemeinschaftsrechtlichauszulegen,dieKlassifizierungim nationalenRechtisthierfürohneBedeutung.10 DiefürdasUnionsrechtwichtigeUnterscheidungzwischenGeld-undSachleistungenfindetkeineEntsprechungimdeutschenRecht(und vermutlichauchkeineEntsprechungimRechtderanderenMitgliedstaaten).Diesistauchnichterforderlich.DasdeutscheRecht regeltgrundsätzlichnurSachverhalteimeigenenTerritorium. GehtesausnahmsweiseauchumSachverhaltemitAuslandsbezug(Beispiele:§§17,18SGBV,110–114SGBVI),sowirdim Einzelnenbestimmt,welcheLeistungenzuerbringensind;einer

6C-124/99v.21.9.2000. 7C-160/96.5.3.1998. 8BT-Drucksache12/5262S.110. 9ABl.C-106v.24.4.2010,auchabgedrucktinFuchs,EuropäischesSozialrecht,7.Aufl.2018,S.711,712. 10EuGHC-466/04,AceredaHerrera,Rn.29,30,auchvonChamier-Glisczinski, C-208/07v.19.7.2009,Rn.48.AusführlichzuderUnterscheidungHahn, DerWohngruppenzuschlagnach§38aSGBXI–Geld-oderSachleistung i.s.d.VO(EG)Nr.883/2004,ZESAR2022,S.99ff.

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Bokeloh,GeldleistungenundSachleistungenimRechtderEU
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kategorialenUnterscheidungzwischenGeld-undSachleistungen bedarfesinsoweitnicht,

DiewohlwichtigstegrenzüberschreitendeimUnionsrechtgeregelteKonstellationistdieSachleistungsaushilfebeiWohnenin einemnichtzuständigenMitgliedstaat(wichtigsterAnwendungsfallwohlRentner,dieihrenRuhestandineinemanderenMitgliedstaatverbringen).DerBegriffWohnenistinArt.1lit.j VO883definiertalsOrtdesgewöhnlichenAufenthaltes.AnwendbarsindnundieRechtsvorschriftendesWohnstaates.DieserentscheidetausschließlichnachseinenRechtsvorschiften, welcheSachleistungenererbringt;erdarfnichtdifferenzieren zwischenseinenVersichertenundVersicherteneinesanderen Mitgliedstaates,dieinseinemStaatsgebietwohnen.Dasbedeutet auch:EsspieltkeineRollemehr,welcheLeistungenderVersicherungsstaatenthält.Mithin:DieVerlegungdesWohnsitzesin einenanderenMitgliedstaatkannnachteilig–aberauchvorteilhaft–sein.DieshatderEuGHunmissverständlichindemUrteil vonChamier-Glisczinsky11 klargestellt.ZuGrundelagderFall einerKlägerin,dieinDeutschlandwohnteundhiervollstationärePflegenach§43SGBXIenthielt.SiewollteihrenWohnsitz nachÖsterreichverlegen,umweiterhininderNäheihresMannes zusein,derdorteinUnternehmenübernehmenwollte.DasösterreichischeRechtkenntabereineentsprechendeLeistungnicht. DerEuGHhatklargestellt,dassDeutschlandnichtzurÜbernahmederineinemprivatenPflegeheiminÖsterreichentstehenden Kostenverpflichtetist.ErhathierzuinRn.85ausgeführt:„Somit kannArt.18Abs.1EGeinemVersichertennichtgarantieren, dasseinUmzugineinenanderenMitgliedstaathinsichtlichder sozialenSicherheit,insbesondereinBezugaufLeistungenbei Krankheit,neutralist…kanneinsolcherUmzugaufgrundder Unterschiede,dieindiesemBereichzwischendenSystemenund denRechtsvorschriftenderMitgliedstaatenbestehen,jenach KombinationdernationalenRegelungen…fürdiebetroffenen PersonenVorteileoderNachteilehaben“.

Die–angeblichschlechtere–medizinischeVersorgungwar frühereinimmerwährendesProblemfürdieRentner,dieihren WohnsitznachSpanienverlegthatten.Siehattenwohlerwartet, inSpanieneinedendeutschenLeistungenvergleichbaremedizinischeVersorgungzuerhalten,fandenihreErwartungenaber häufignichtbestätigt.EinBetroffenerhatesineinemBeschwerdebriefsoformuliert,erbezahleinDeutschlandfürseineKrankenversicherungfüreinenMercedes,enthalteaberinSpanien dafürnureinMoped. FürDeutschlandistdieseProblematik inzwischendurcheinUrteildesBSG etwasentschärft:Versicherte,dieineinemanderenMitgliedstaatwohnen,habendas Recht,auchjederzeitLeistungenderKrankenversicherungin DeutschlandinAnspruchnehmenzukönnen.Inzwischengibtes einevergleichbareRegelungauchimUnionsrecht,jetztnatürlich nichtmehrbegrenztaufDeutschland.Voraussetzungistallerdings,dassderzuständigeMitgliedstaatinAnhangIVzur VO883eingetragenist,dorthabensichdiemeistenMitgliedstaateneintragenlassen. VonderentsprechendenMöglichkeit wirdvermutlichinsbesondereGebrauchgemachtwerden,wenn dieBehandlungim(neuen)Wohnstaatnichtodernichtinder gewünschtenQualitätmöglichist,beispielsweisebeikompliziertenOperationen.Diesändertabernichtsdaran,dassdienormale

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ärztlicheVersorgungimWohnstaatstattfindet,nachdendortigenModalitätenundGepflogenheiten.

VomWohnenimnichtzuständigenMitgliedstaatistderAufenthaltdortzuunterscheiden.DieserwirdinArt.1lit.kVO883 definiertalsvorübergehenderAufenthalt.Versicherte,diesichin einemnichtzuständigenMitgliedstaataufhalten,habenAnspruchlediglichaufdieSachleistungen,diesichwährendihres Aufenthaltesdortalsmedizinischnotwendigerweisen(Art.19 Satz1VO883).WiebeimWohnenimnichtzuständigenMitgliedstaatbestehtauchhierAnspruchlediglichaufdieSachleistungen,dieimSystemdesAufenthaltsstaatesvorgesehensind. BeiderBeurteilung,obdieErbringungdermedizinischenLeistungerforderlichist,istdieArtderLeistungenunddievoraussichtlicheDauerdesAufenthalteszuberücksichtigen.Diesbedeutetkonkret:BeieinembeabsichtigtenlängerenAufenthalt bestehteinweitergehenderAnspruchalsbeieinemkürzeren Aufenthalt.ErfasstwerdenauchchronischeKrankheiten,bei denendieNotwendigkeiteinerBehandlungbereitsbeiBeginn desAufenthalteserkennbarist.NaturgemäßistdieEntscheidung, obeinemedizinischeLeistungwährenddesAufenthalteserforderlichist,schwierig,zumalderaushelfendeTrägerhierbeiauf dieAngabendesVersichertenangewiesenist.Zuständigfürdie EntscheidungderNotwendigkeiteinerBehandlungiststetsder aushelfendeTräger.

4.Resümee

Wiebereitsausgeführt,istmaßgeblichfürdieFrage,obeinenationaleLeistungalsGeld-oderalsSachleistungeinzuordnenist, alleindasUnionsrecht.Belastetaberwird,gleichgültigobeine LeistungalsGeld-oderalsSachleistungeinzuordnenist,stets derzuständigeMitgliedstaat.BeiGeldleistungenbedarfdieskeinerbesonderenErläuterung,beidenSachleistungenerfolgteine ErstattungdurchdenzuständigenTräger,undzwarentwederals ErstattungimEinzelfalloderaberpauschal(vgl.Art.35VO883 undArt.62-69VO987).InEinzelfällengibtesnochErstattungsverzichtsabkommen,somitdemEWR-StaatNorwegen.15 Das früherbesonderswichtigeErstattungsverzichtsabkommenmit Großbritannienistgekündigtworden.BeiErstattungsverzichtsabkommenlässtsichvoneinemBezahlen„mitgeschlossenem Portmonee“sprechen–diejeweilserbrachtenSachleistungen werdengegenseitigverrechnet.

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DieUnterscheidungzwischenGeld-undSachleistungendarf abernichtdazuführen,dassderVersichertezwarzurZahlung vonBeiträgenverpflichtetist,aberhieraussystembedingtkeinerleiLeistungenfließenkönnen.DieshatderEuGHwiederholt festgestellt,insbesondereimUrteilMolenaar(dazuoben2). DamithatsichderEuGH–einmalmehr–alsAnwaltderUnionsbürgererwiesen.

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11C-208/07v.16.7.2009. 12HierzudifferenzierendRainerFuchs,SorgenfreilebenunterSpaniens Sonne,2016,S.63ff.,abermitdemHinweis,dassspanischeÄrzte,obwohl zurkostenlosenBehandlungverpflichtet,nichtseltenbeideutschenResidentenzusätzlicheineBarzahlungverlangen.

13BSGE84,98v.5.7.2005,B1KR2/84R. 14Art.27Abs.2VO883i.V.m.AnhangIV. 15BGBl.II2000S.9.

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