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Wissen: Automatisch frische Luft
from bauen.12/1-2022
AUTOMATISCH
Foto: www.wohnungs-lueftung.de
Unsere Häuser werden immer energiesparender und luftdichter. Deswegen muss man auf die Zufuhr von genügend Frischluft achten. Denn dicke Luft beeinträchtigt das Wohlbefinden und kann zudem die Bausubstanz schädigen. Wir beantworten die wichtigsten Fragen rund ums richtige Lüften.
Home-Office, Home-Schooling und Home-Learning: Die Corona-Pandemie hat dazu geführt, dass die meisten Menschen sehr viel mehr Zeit in den eigenen vier Wänden verbringen als früher. Oft sitzen auch mehrere Bewohner zusammen und denken an alles andere, als regelmäßig zu lüften. Vor allem in neu gebauten Niedrigenergiehäusern drohen dann unsichtbare, gesundheitliche Gefahren.
WO LAUERN DIE GEFAHREN FÜR MENSCH & GEBÄUDE?
Die Luft in den Wohnräumen kann unter Umständen bis zu fünfmal höher als die Außenluft mit Schadstoffen wie Allergenen, Feinstaub, Schimmelpilzsporen und sogenannte VOC (flüchtige organische Verbindungen) belastet sein. Verursacher sind zum einen alltägliche Haushalts- und Reinigungsaktivitäten wie Putzen, Waschen, Wäschetrocknen und Kochen. Zum anderen belasten wir Menschen die Innenraumluftqualität, weil wir ständig Kohlendioxid ausatmen und Feuchtigkeit abgeben, wobei letzteres auch auf Zimmerpflanzen zutrifft. Zudem zeigen Untersuchungen des Umweltbundesamts, dass Baupro 1 dukte, Möbel und andere Einrichtungsgegenstände sowie Spielzeug chemische Stoffe freisetzen können – zum Teil auch kontinuierlich.
Typische Folgen von „schlechter“ Raumluft sind Müdigkeit, Kopfschmerzen und Unwohlsein. Wer derartige gesundheitliche Beeinträchtigungen sowie Bauschäden durch Feuchtigkeit und Schimmelpilz vermeiden möchte, müsste im Schnitt etwa alle zwei bis drei Stunden für mehrere Minuten die Fenster öffnen, wobei die Lüftungsdauer von
FRISCHE LUFT
der Jahreszeit abhängt. Erschwerend kommt hinzu, dass die Räume je nach Jahreszeit, Klima- und Windverhältnissen zu wenig, zu viel oder falsch belüftet werden. Im stressigen Arbeits- und Familienalltag ist das oft jedoch auch schwierig umzusetzen. Und oftmals vermeiden die Hausbewohner das Öffnen der Fenster aus Angst vor Einbrechern, um Heizenergie zu sparen oder damit kein Lärm, keine Insekten und schlechte Gerüche in die Wohnräume gelangen. Obwohl vielen bewusst ist, dass regelmäßig und genügend frische Luft Stresssymptome mildern, die Konzentration steigern und einen gesunden und erholsamen Schlaf fördern. WELCHE VORTEILE BIETET EINE LÜFTUNGSANLAGE?
Als alltagstaugliche Problemlösung empfiehlt sich in Niedrigenergiehäusern eine kontrollierte, maschinelle Wohnungslüftungsanlage. Diese sorgt automatisch, komfortabel und zugleich energieeffizient für den notwendigen, bedarfsgerechten Luftaustausch in allen oder einzelnen, lüftungskritischen Räumen. Durch den kontrollierten Luftwechsel und eine Wärmerückgewinnung lassen sich die Heizkosten zusätzlich um 30 bis 50 Prozent senken. Im direkten Vergleich zu den durch die Fensterlüftung verursachten Wärmeverluste beträgt die Einsparung übrigens sogar bis zu 90 Prozent. Und es gibt noch weitere po-
Kernelemente eines Zentrallüftungsgeräts sind Luftfilter, Wärmerückgewinnung und zwei Ventilatoren für Frisch- und Abluft, die jeweils mit einem separaten, verzweigten Luftleitungssystem verbunden sind. Ins Freie führen vom Zentralgerät ausgehend zwei Öffnungen: Der Auslass für die verbrauchte Fortluft sowie die Ansaugöffnung für die frische Außenluft. > www.heliosventilatoren.de
Wann ist eine Lüftungsanlage notwendig?
Für Wohnneubauten schreibt die Lüftungsnorm DIN 1946-6 (neu: 2019-12) ein sogenanntes Lüftungskonzept vor, welches von einem Fachmann erstellt wird, der mit lüftungstechnischen Anlagen vertraut oder in der Gebäudeplanung tätig ist, also z. B. einem Fachhandwerker oder Planer/Architekt. Dieser überprüft strukturiert, wie – aus Sicht der Hygiene und des Feuchte-Bauschutzes – bei unterschiedlichen Nutzungsbedingungen ein ausreichender Luftwechsel sichergestellt wird und der notwendige Luftaustausch erfolgen soll. Falls sich daraus die Notwendigkeit eines Wohnungslüftungssystems ergibt, muss der Fachmann eine Planung zur praktischen Umsetzung des Lüftungskonzepts vorlegen. Der Eigenheimbesitzer ist jedoch nicht verpflichtet, die empfohlene(n) Maßnahme(n) umzusetzen. Allerdings handelt er dann auf eigene Gefahr und trägt im Schadensfall das Risiko alleine – auch mit Blick auf eventuell notwendige Sanierungskosten, falls der Versicherer die Erstattung ablehnt oder kürzt.
Tipp: Baufamilien können auch selbst prüfen, ob lüftungstechnische Maßnahmen notwendig sind oder nicht – und falls ja, welche Umsetzungsmöglichkeiten es gibt. www.kwl-info.de/online-tool
Was tun bei zu trockener Luft?
Je niedriger die Temperaturen, desto weniger Wasserdampf nimmt die Außenluft auf. Wird diese in den Wohnraum „gelüftet“ und erwärmt, wird die Innenraumluft dann schnell als zu trocken empfunden. Dieses Phänomen tritt bei einer bestimmungsgemäßen Fensterlüftung ebenso auf wie bei der Lüftung mittels Lüftungsanlage. Mit einem Hygrometer im Wohnraum können die Bewohner prüfen, ob eine (Zusatz-)Befeuchtung notwendig ist. Eine dauerhaft zu geringe Raumluftfeuchtigkeit von unter 40 Prozent kann die Staubentwicklung begünstigen sowie das allgemeine Wohlbefinden und den menschlichen Organismus negativ beeinflussen. Aus diesen Gründen empfehlen Fachleute bei niedrigeren relativen Feuchtewerten den Einsatz einer aktiven Befeuchtung. Dazu gibt es entweder Einzelgerätelösungen für den raumweisen Einsatz oder zentrale Befeuchtungssysteme für mehrere Räume, die sich auch ins zentrale Wohnungslüftungssystem integrieren lassen. Mit Blick auf Komfort, Energieverbrauch und Hygiene sollten die Geräte über Feuchtesensoren verfügen, nur im Bedarfsfall arbeiten und regelmäßig gewartet werden. Weitere Infos: > www.mindestfeuchte40.de
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1 Ein praktischer Montageort für ein zentrales, kompaktes Lüftungsgerät kann auch ein Wandschrank sein. Dort findet im oberen Bereich bei Bedarf auch ein Luftleitungsverteiler seinen Platz. > www.wolf.eu 2 In der Außenwandhülse dieses
dezentralen Lüftungsgeräts befinden sich Ventilator(en), Wärmerückgewinnung und Filter. Bei diesem Modell werden pro Raum mindestens zwei Geräte benötigt,
weil sie im Wechselbetrieb arbeiten. > www.stiebel-eltron.de
sitive Aspekte, die das Wohlbefinden der Bewohner steigern: Zum einen wird eine ungesund hohe Kohlendioxid-Konzentration vermieden, die zu Müdigkeit oder mangelnder Konzentration führen kann. Denn etwa 15 bis 20 Atemzüge in der Minute mit einem Volumen von etwa einem halben Liter Luft macht ein Erwachsener im Durchschnitt.
Ein modernes Wohnungslüftungssystem transportiert zudem die bereits erwähnten Ausdünstungen und unangenehmen Gerüche aus neuen Möbeln und Baumaterialien ab. Und Lärm aus der Umgebung, der sonst durchs offene Fenster dringt, bleibt draußen – auch nachts.
Eine interessante Zusatzausstattung sind spezielle Pollen- und Feinstaubfilter. Diese werden in den Außenluftstrom eingebaut und reduzieren so das Eindringen von Allergenen sowie von Ruß- oder Staubpartikeln in die Wohnräume auf ein Minimum. Eine enorme, ganzjährige Entlastung für Kinder und allergiegeplagte Menschen. WELCHE ARTEN VON LÜFTUNGSGERÄTEN GIBT ES?
Bei der praktischen Umsetzung unterscheidet man zentrale und dezentrale Systemlösungen. Dezentrale Lüftungsgeräte werden vorwiegend im Geschosswohnungsbau oder in energetisch sanierten Gebäuden eingesetzt, falls nur einzelne Räume maschinell belüftet werden müssen. Hauptvorteil: Die Montagearbeiten sind prinzipiell relativ einfach und rasch umgesetzt, da kein Luftleitungsnetz erforderlich ist. Jedes aktive Lüftungsgerät wird direkt in die Außenwand des zu belüftenden Raums integriert. Alternativ gibt es auch Lüfter, die sich architektonisch und optisch vorteilhaft in den Fensterbereich integrieren lassen. Als Kosten sind zwischen etwa 800 und 1 200 Euro pro Einzelgerät zu kalkulieren. Zum Vergleich: Etwa 5 000 bis 9 000 Euro kostet ein zentrales System fürs komplette Eigenheim. Das bedeutet: Bei vielen zu belüftenden Räumen könnte die dezentrale Variante auch teurer sein.
Tipp: Im Rahmen der „Bundesförderung für effiziente Gebäude“ vergibt die KfW-Bank an Baufamilien gedeckelte Direktzuschüsse sowie alternativ zinsgünstige Kredite mit Tilgungszuschüssen, wobei die Konditionen vom gewählten Effizienzhausstandard abhängen. Förderfähig ist dabei auch eine Lüftungsanlage, die beim „KfW-Effizienzhaus 40 Plus“ sogar verpflichtend einzubauen ist.
Im Eigenheim-Neubaubereich sind zentrale Zu- und Abluftsysteme mit Wärmerückgewinnung mit Abstand am beliebtesten. Kernelement ist ein Zentrallüftungsgerät, in das hochwertige Luftfilter sowie zwei Ventilatoren für den Zu- und Ablufttransport eingebaut sind. Um die frische und die verbrauchte Luft vom Lüftungsgerät
F o to : www. wohnungs-lueftung.de
Wie lassen sich Lüftungssysteme energiesparend nutzen?
Um die Energiekosten und die
Treibhausgas-Emissionen möglichst gering zu halten, sollte schon bei der Produktauswahl auf stromsparende Ventilatoren geachtet werden; bei manchen
Geräten hilft ein Energielabel bei der Orientierung. Unabhängig von der Art des Lüftungssystems ist der Einsatz einer
Wärmerückgewinnung empfehlenswert. Diese sorgt dafür, dass während der Heizsaison bis zu 95 Prozent der Wärmeenergie aus der
Abluft auf die kühle Zuluft übertragen werden. Dadurch muss, bei gleichem Wärmekomfort, die Zuluft deutlich weniger nachgeheizt werden. Sogenannte Enthalpie-Wärmeüberträger sorgen zusätzlich für die
Befeuchtung der Luft im Winter Zu- und Abluft-Zentralgeräte können in Verbindung mit einem
Erdwärmetauscher die Zuluft im
Winter etwas vorwärmen und im
Sommer etwas abkühlen.
Auch ein intelligentes, digitales Regelsystem, das oft auch eine Vernetzung mit App-Anbindung ermöglicht, trägt zur Energieeffizienz bei: mittels Temperaturfühler und Sensoren, die zum Beispiel auf Feuchte und Kohlendioxid reagieren, wird die Luftzufuhr abhängig vom Bedarf aktiviert, reduziert oder abgeschaltet. zu den Räumen und zurück zu transportieren, sind zwei voneinander getrennte, verzweigte Leitungssysteme notwendig. An verschiedenen Stellen der Zu- und Abluftleitungen sitzen raumseitig sichtbare Durchlässe und Ventile, die an der Wand, auf dem Fußboden oder an der Decke montiert werden. ARBEITEN LÜFTUNGSGERÄTE LEISE UND HYGIENISCH?
Ein wichtiger Komfortpunkt für viele Eigenheim- und Wohnungsbesitzer, insbesondere in Schlafzimmern, ist die Geräuschentwicklung der maschinellen Wohnungslüftung. Um bei kritischen baulichen Situationen störende Geräuschübertragungen von Raum zu Raum oder vom Lüftungsgerät in die Räume zu vermeiden, kann der Handwerker bei einer zentralen Anlage spezielle Luftleitungsverteiler und Schalldämpfer installieren. In Verbindung mit dezentralen Lüftungsgeräten gilt es, auf die jeweiligen Schallemissionen des Produkts zu achten und zu checken, ob bei Bedarf ein optionales Schalldämmset verfügbar ist, um zusätzlich einen eventuell störenden Außenlärm abzudämpfen.
Generell sind Lüftungsgeräte mit Filterelementen ausgestattet. Allergiegeplagte Haushalte wählen am besten ein Modell, welches sich mit speziellen Feinstaub- und Pollenfiltern im Zuluftbereich bestücken lässt. Wichtig: Die belasteten Filterelemente regelmäßig erneuern, was man in Eigenregie machen kann. Hilfreich ist hierbei eine Filterwechselanzeige. Etwa alle drei bis fünf Jahre ist es laut Expertenrat sinnvoll, das Lüftungssystem von einem Fachmann warten zu lassen. Der Handwerker checkt dabei nicht nur das Lüftungsgerät selbst, sondern überprüft auch, ob die Ventilatoren richtig arbeiten.
Übrigens: Es ist ein Mythos, dass man die Fenster geschlossen lassen muss, falls ein Lüftungssystem eingebaut ist. Aus Hygienegründen ist das Fensterlüften bei richtig eingestellten Anlagen zwar unnötig. Doch wer vor allem an wärmeren Tagen den Kontakt zur Außenwelt sucht, öffnet einfach das Fenster – und achtet darauf, dass das Lüftungsgerät ausgeschaltet ist. • jw
Die kompakten Zentrallüftungsgeräte gibt es auch in flachen Ausführungen, die sich dann in einem Zwischendeckenbereich installieren lassen. Später sieht man nur noch eine Revisionsöffung, welche eine gute Zugänglichkeit für Wartungsarbeiten ermöglicht. > www.vaillant.de