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Ausgebremst im vollen Lauf
Wichtig: Der Blick auf die Zeit danach
Konnte Jan Kurth als Geschäftsführer des Verbands der Deutschen Möbelindustrie e.V. und der Verbände der Holz- und Möbelindustrie Nordrhein-Westfalen e.V. im Februar 2020 für die Gesamtbranche im vergangenen Jahr noch von einer „Konsolidierung auf hohem Niveau“ berichten, ist momentan jede Prognose für das laufende Jahr wegen der unabsehbaren Auswirkungen der Corona-Krise auf die Konjunktur insgesamt und die Produktionsabläufe obsolet.
vom Verlauf und von der Dauer der Krise ab. Aber es wäre naiv zu glauben, dass hier keine Bremsspuren bleiben werden. Der Worstcase für viele Industrieunternehmen ist die temporäre Schließung des Unternehmens wegen der Infizierung einer oder mehrerer Personen durch das Virus: Welche Maßnahmen empfehlen Sie betroffenen Unternehmen? Jan Kurth: In dieser dramatischen Krise mit täglich wechselnden Informationsständen konnten wir uns bis vor kurzem als Worstcase-Szenario auch eine komplette Schließung des Möbelhandels nicht vorstellen. Dies ist mittlerweile eingetreten und dadurch der Absatz unserer Produkte ausgebremst. Defacto kommt es in Folge dieses Stillstandes schon zu kompletten Produktionsstopps in den Unternehmen. Dies kommt defacto einer Betriebsschließung gleich. Hinzu kommen erschwerend die aufgrund der Maßnahmen zur Eindämmung des Virus unterbrochenen Lieferketten, die ebenso zu einer zeitweiligen Einstellung der Produktion führen können. Die unterbrochenen Lieferketten – anfänglich aus China und danach zunehmend aus Italien und Osteuropa – haben in den vergangenen Wochen die Produktion unserer Unternehmen erschwert. Unter den aktuellen Bedingungen und angesichts der Anpassungsmaßnahmen, die einige Unternehmen schon getroffen haben, scheint mir dies aktuell nicht mehr das gravierendste Problem zu sein. Die Regierung hat in der Coronavirus-Krise milliardenschwere Liquiditätshilfen für Firmen angekündigt. Damit sollen Unternehmen und Arbeitsplätze geschützt werden. Inzwischen hat das Parlament im Schnellverfahren und einstimmig die Erleichterung von Kurzarbeit für Unternehmen beschlossen, die wegen der Corona-Krise gefährdet sind. Mit dem Gesetz werden befristet bis Ende 2021 die Hürden für Kurzarbeit gesenkt. Inwieweit können diese Maßnahmen der produzierenden Industrie weiterhelfen? Jan Kurth: Die Maßnahmen der Regierung, die tatsächlich sehr schnell auf den Weg gebracht worden sind, sind sicherlich eine gute Hilfestellung in der Krise. Manche Instrumente haben sich ja bereits im Zuge der Finanzkrise bewährt. Hierzu zählt auch die aktuelle KurzarbeiH art getroffen ist auch die deutsche Küchenmöbelindustrie, deren Konjunktur zur Stabilisierung der Lage der Möbelindustrie im vergangenen Jahr erneut beigetragen habe, mit einem Anstieg der Erlöse in 2019 um 2,82 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Dabei zeugte die Exportquote von überdurchschnittlichen 41,8 Prozent bei einem Anstieg der Exportumsätze um 6,2 Prozent auf 2,1 Mrd. Euro vom guten Ruf der Küchenmöbel Made in Germany. Mit Blick auf das Jahr 2020 zeigten die Zahlen des internen Auftragspanels des Verbands der Deutschen Küchenmöbelindustrie (VdDK e.V.), dass die Orders nach den Herbstmessen spürbar anstiegen. Bis einschließlich Dezember lag der Auftragseingang wertmäßig um 5,11 Prozent über dem des Vorjahres. Das Auftragsvolumen aus dem Ausland stieg dabei mit 6,3 Prozent deutlicher als das im Inland mit 4,2 Prozent. Wir sprachen mit Jan Kurth über seine Einschätzung der Auswirkungen der gegenwärtigen Situation auf die in den von ihm vertretenen Verbänden organisierten Unternehmen mit ihren rund 84.400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Herr Kurth, als Geschäftsführer des VDM sowie der Verbände Holz und Möbel NRW und damit auch des VdDK stehen Sie mit Ihren Mitgliedsunternehmen sicherlich in regem Kontakt. Wie beurteilen Sie die derzeitige Lage der von Ihnen repräsentierten Branchen und wie schätzen Sie die Auswirkungen der Pandemie für die von Ihnen repräsentierten Industrien mittelfristig ein? Jan Kurth: Die aktuelle Lage ist für die Möbelindustrie – wie in vielen anderen Wirtschaftsbereichen auch – tatsächlich sehr ernst. Dies heißt nicht, dass wir Panik verbreiten müssen, jedoch bedeuten insbesondere die landesweiten Schließungen des Möbelhandels einen abrupten Stopp unseres Hauptabsatzkanals. Dies ist umso gravierender, als die meisten Unternehmen bis einschließlich der KW 11 noch vergleichsweise gute Auftragseingänge hatten und wir uns derzeit in der möbelstarken Phase des Jahres befinden. Wir bremsen also quasi von 80 oder 90 auf 0 herunter. Was die mittelfristigen Auswirkungen der Pandemie auf unsere Branche angeht, so kann man diese seriöserweise derzeit noch nicht wirklich einschätzen. Dies hängt entscheidend Jan Kurth , Geschäftsführer des Verbands der Deutschen Möbelindustrie und der Herforder Möbelverbände
Januar Februar März April Mai amtl. Statistik VdDK-Panel
Juni Juli August September Oktober November Dezember
terregelung. Was die Bürgschaften und die Liquiditätshilfen angeht, so stellen diese bislang im Wesentlichen Kreditprogramme dar, bei denen Geld an die Unternehmen gereicht wird, das später verzinst wieder zurückgezahlt werden muss. Den Unternehmen hilft dies nur zum Teil, da dadurch insgesamt die Finanzierungsbelastung steigt.
Zur ersten Stufe der von Regierungsseite geplanten Liquiditätshilfe gehören bestehende Instrumente wie Bürgschaften und KfW-Kredite gegen kurzfristige Liquiditätsprobleme sowie Erleichterungen beim Kurzarbeitergeld. Verschärfen sich die wirtschaftlichen Folgen des Virus könnten dann Kredite flexibler gestaltet und aufgestockt werden. Welche Auswirkungen könnte die Inanspruchnahme solcher Kredite mittelfristig für die Unternehmen und für die Branche mit sich bringen? Jan Kurth: Die mittelfristen Auswirkungen auf die Unternehmen, die solche Förderkredite in Anspruch genommen haben, lassen sich derzeit noch nicht klar absehen. Dies hängt entscheidend davon ab, wie schnell das „normale“ Geschäft wieder anläuft und wie weit der Rückzahlungszeitraum für die aufgenommenen Liquiditätshilfen und Förderkredite gestreckt werden kann. Selbstverständlich bleibt unter dem Strich eine erhöhte Belastung der Unternehmen, die sich ggf. negativ auf zukünftige Finanzierungsprojekte auswirken kann.
Um dies zu vermeiden, melden einige Unternehmen Kurzarbeit an, um flexibler reagieren zu können. Wie beurteilen Sie die Sachlage? Jan Kurth: Die Entwicklung bei der Beantragung von Kurzarbeit in der Branche ist aktuell extrem dynamisch. Unsere Verbände erreichen täglich viele Anfragen zu diesem Thema und es sieht derzeit leider so aus, dass ab der KW 13 viele Betriebe tatsächlich in Kurzarbeit Null gehen. Dieses Instrument wird also stark genutzt werden und wird die Folgen zumindest abfedern.
Herr Kurth, in wie weit lassen sich die wirtschaftlichen Folgen der Krise überhaupt schon einschätzen, bzw. beziffern? Jan Kurth: Nein, die wirtschaftlichen Folgen lassen sich derzeit noch nicht realistisch beziffern. Dies hängt entscheidend davon ab, wie lange die Krise anhält und wie lange der Möbelhandel in Deutschland geschlossen bleibt. Zu befürchten ist allerdings, dass im Nachgang zu dieser Krise ein wirtschaftlicher Abschwung droht und sich dies ggf. negativ auf das Kaufverhalten der Bevölkerung auswirken wird. Ob und wie stark dies durchschlägt, kann man derzeit noch nicht belastbar beziffern. Aber richtig ist auch: Nach der Krise werden die Themen Wohnen und Einrichten und Made in Germany eher an Bedeutung gewinnen.
Und was werden Sie in Ihrer Funktion tun, um die Lobby der von Ihnen repräsentierten Industrieunternehmen zu stärken und diese dabei zu unterstützen, die Krise zu bewältigen? Jan Kurth: So schlimm, wie die aktuelle Situation ist, so wichtig ist es jedoch, den Blick auch schon auf die Zeit nach der überstandenen Pandemie zu richten. Wie eben schon ausgeführt, ist hier ein wirtschaftlicher Abschwung und eine entsprechende Zurückhaltung der Verbraucher zu befürchten. Aus unserer Sicht ist deshalb ein schnelles und breit wirkendes Konjunkturprogramm seitens der öffentlichen Hand in die Wege zu leiten. Hier eignet sich aus unserer Sicht insbesondere eine schnelle und komplette Abschaffung des Solidaritätszuschlages, was nicht nur den Verbrauchern, sondern auch Personengesellschaften helfen würde. Herr Kurth, wir danken Ihnen für das Gespräch.
Möbelindustrie
Corona-Beschlüsse unzureichend und unlogisch
Zu den Beschlüssen vom 15.04.2020 der Bund-Länder-Schaltkonferenz zur schrittweisen Lockerung der Corona-Restriktionen erklärt Jan Kurth, Geschäftsführer des Verbands der Deutschen Möbelindustrie (VDM): „Die ergriffenen Maßnahmen zu einem schrittweisen Re-Start der Wirtschaft sind unzureichend und in sich nicht schlüssig. Während kleinere Einzelhandelsflächen bis 800 qm unter Auflagen öffnen dürfen, bleiben größere Häuser mit entsprechenden Abstandsflächen und tendenziell geringeren Frequenzen geschlossen. Gerade aber solche Häuser können Schutzmaßnahmen und Abstandsregelungen wesentlich besser umsetzen. Aus unserer Sicht darf eine Öffnung nicht von der Größe, sondern muss von einem überzeugenden Hygiene- und Zugangskonzept abhängen. Ein Besucher pro 100 qm Verkaufsfläche ist aus unserer Sicht eine praktikable und flächenunabhängige Größe, um Ansteckungsgefahren im Handel zu minimieren. Wenn wir nicht den kompletten stationären Handel bedienen können, droht ein extremer wirtschaftlicher Schaden auch auf Seiten der Industrie. Da jetzt kleinere Läden und einzelne Branchen ohne ersichtlichen Grund privilegiert werden, droht die bislang große Unterstützung in Bevölkerung und Wirtschaft zu den politisch beschlossenen Corona-Maßnahmen zu schwinden. Wir bedauern es sehr, dass die flächenunabhängige Wiedereröffnung des Möbelhandels zwar in der Beschlussvorlage der gestrigen Schaltkonferenz noch enthalten war, dann aber im Zuge der Beratungen gestrichen wurden.“ Weitere Informationen unter www.moebelindustrie.de