Das Magazin für die österreichische Buchbranche
anzeiger
Gewinnen
Sie einen Blumenstrauß mit Vase im Wert von 100 Euro!
Bienen in Frankfurt
Dieses Jahr ist Slowenien Ehrengast bei der Frankfurter Buchmesse. Ein Blick auf den Buchmarkt des Landes
Staunen über den Großvater
Der Schriftsteller Klemens Renoldner spricht über die Verarbeitung der Erlebnisse seines Großvaters
Bettina Balaká erzählt eine Geschichte von Magie und Wissenschaft, von Feuer und Forschung und der Befreiung einer Frau.
Bettina Balàka
Der Zauberer vom Cobenzl
Roman
ISBN 978-3-7099-8207-5
Hardcover, ca. 208 Seiten
erscheint am: 08.08.2023
KUSSE LUFTI
FAMOSE VÖGEL
Klaus Nüchtern
„Bird-Watcher“
Klaus Nüchtern würdigt in seinen amüsanten und akribisch genauen Besprechungen die besten Seiten jedes Vogels.
224 Seiten, € 24,90
ISBN 978-3-85439-715-1
„Auch r junge Leser:innen sind
Buchhandlungen immer noch eine wichtige Anlaufstelle“
Benedikt Föger
Der Sommer ist da, r die Buchbranche traditionell eine Zeit des Durchatmens. Die Leipziger Buchmesse liegt hinter uns – mit einem grandiosen Erfolg r Österreich –, die Herbstmessen hlen sich noch weit weg an. Dass man trotzdem nicht von einem „Sommerloch“ sprechen kann, sehen Sie in diesem anzeiger: Die Vorbereitungen r die Buch Wien laufen bereits auf Hochtouren, bei den Mitgliedern in den unterschiedlichen Fachverbänden tut sich viel, und wir haben vor Kurzem die schönsten Bücher Österreichs gekürt.
Sommer bedeutet r viele Menschen auch Urlaub, und das bedeutet wiederum Zeit zum Bücherlesen. Gekau wird vermehrt online, ein Thema, das die Branche seit Jahren beschä igt. Und doch erfahren wir täglich, dass Buchhandlungen immer noch eine wichtige und beliebte Anlaufstelle r Kund:innen sind. Auch r junge Leser:innen. Zusammenarbeit mit Influencern, Social-Media-Präsenz und kreative Veranstaltungsideen zeigen Erfolg und bringen junge Menschen in den stationären Handel.
Vor Augen ge hrt wurde uns das zum Beispiel bei der Verleihung des Österreichischen Buchhandlungspreises: Gewinner:innen, ebenso wie viele weitere Bewerbungen aus ganz Österreich, haben die Jury mit ihrer Motivation, ihrem Erfindungsgeist und ihrer Leidenscha beeindruckt. Sie überzeugen mit persönlicher und kompetenter Beratung – sie war immer wichtigste Qualität einer guten Buchhandlung und wird es wohl immer bleiben. Gleichzeitig gehen diese Buchhändler:innen mit der Zeit, passen sich ihrer Kundscha an und erfinden sich immer wieder neu.
Ich wünsche Ihnen einen guten Start in die heiße Zeit des Jahres, gute Erholung und weiterhin viel Leidenscha und gute Ideen r das gemeinsame Produkt, r das wir arbeiten: das Buch!
Benedikt Föger HVB-PräsidentHerausgeber: Hauptverband des Österreichischen Buchhandels/ISSN 0003-6277, Grünangergasse 4, 1010 Wien, T: +43 1/512 15 35, www.buecher.at
Geschäftsführung: Gustav Soucek Projektleitung: Julia Stumvoll, DW 29, stumvoll@hvb.at
Aboverwaltung : Manon Rieser, DW 12, rieser@hvb.at Medieninhaber, Konzept, Redaktion und Produktion: Falter Verlagsgesellschaft m. b. H. Bereich Corporate Publishing, Marc-Aurel-Straße 9, 1011 Wien, T: +43 1/536 60-0, E: magazine@falter.at, www.falter.at
Chefredaktion: Christian Zillner, DW 926, Linn Ritsch, DW 991
Geschäftsführung: Siegmar Schlager Anzeigenleitung: Ramona Metzler, DW 952, metzler@falter.at
Die Offenlegung gem. § 25 Mediengesetz ist unter www.falter.at/offenlegung/falter-verlag ständig abrufbar
Druck: Print Alliance HAV Produktions GmbH., Druckhausstraße 1, 2540 Bad Vöslau
Sachlich bleiben
Schöne Ereignisse, Sachbücher und Marktbeobachtung
DerSommer ist da, die Sonne scheint, die Blumen blühen (florale Freuden erwarten Sie auf Seite 11), und es geschieht allerlei Schönes: Der Buchhandlungspreis wurde verliehen (S. 8), die schönsten Bücher Österreichs gekürt (S. 10), und Tyrolia brachte mit dem Romantasy-Festival wieder einmal den Beweis da r, dass es sehr viele junge Menschen gibt, die sich rs Lesen begeistern lassen (S. 33).
Trotz all dieser Freuden bleiben wir in dieser Ausgabe sachlich: Wir berichten über die Verleihung des Deutschen Sachbuchpreises (S. 7) und haben mit einer der Jurorinnen darüber gesprochen, warum dieser Preis r den deutschsprachigen Buchmarkt so wichtig ist (S. 17).
Sachbuchempfehlungen bekommen Sie diesmal nicht nur von einer Expertin aus dem Buchhandel (S. 21) und von mir (S. 18), sondern auch von drei Influencer:innen (S. 20). Sie erzählen, mit welchen Themen man die junge Generation abholt.
Sachlich berichten werden wir auch in unserer neuen Rubrik. Sie heißt „Marktcheck“ und befindet sich gleich nebenan, auf Seite 5. Dort analysieren wir Trends, sprechen mit Expertinnen und schreiben über Veränderungen auf dem Buchmarkt, die viele HVB-Mitglieder direkt oder indirekt betre en. Den Anfang macht das Thema Selfpublishing.
Im aus hrlichen Interview dieser Ausgabe (S. 26) geht es unter anderem um die Frage, ob und wie man ein sachliches und gerechtes Urteil über einen Nazi-Denunzianten llen kann. Klemens Renoldner hat darüber ein Buch geschrieben.
5 MARKTBEOBACHTUNG
Selfpublishing
Was es heute bedeutet
6 WISSENSWERT
50 Jahre Verlag der ÖAW Thomas Jentzsch im Gespräch Schönste Bücher Österreichs Das sind die Gewinnertitel
11 GEWINNSPIEL
Gewinnen Sie einen Blumenstrauß im Wert von 100 Euro!
12 ESSENZIELL
Die Riesenbiene in Frankfurt Ein Porträt des slowenischen Buchmarkts
17 INTERNATIONAL
Deutscher Sachbuchpreis
Die Juryvorsitzende Jeanne Rubner im Interview
18 SCHWERPUNKT
„Waben der Worte“ ist das Motto des slowenischen Gastlandauftritts in Frankfurt. Wir haben uns den Buchmarkt des Landes angeschaut
12
22 HVB-PORTRÄTS
Christina Domittner
Buchhandlungen Chribula
Lisa Laviat
Thalia Wien
24 BESTSELLER
Topseller im Mai 2023
26 SELBSTREDEND
Klemens Renoldner
Der Autor spricht über seine Verarbeitung der Erlebnisse seines Großvaters
32 KLASSIKER
Dževad Karahasan
Der unheilbare Jugoslawe
33 GASTKOMMENTAR
Verena Gruber schreibt über den Erfolg des Tyrolia-RomantasyFestivals
34 TERMINE
Sachbücher
Buchempfehlungen von Profis
Buchveranstaltungen im Juli, die Sie nicht verpassen sollten Linn Ritsch Chefredakteurin
Warum Selfpublishing?
Kein Thema, das einem Verlag recht sein kann. Dennoch entscheiden sich immer mehr Schriftsteller:innen für Selfpublishing. Eine Analyse der Hintergründe
Text: Linn RitschAmazon, Tolino, BoD: Sie alle bieten Selfpublishing-Services an. Dazu kommen zahlreiche kleinere Dienstleister. Publizieren auf eigene Faust liegt im Trend, immer mehr Autor:innen nutzen diese Möglichkeit. Was bedeutet das für den Buchmarkt?
Selfpublishing reicht von der Publikation im Eigenverlag über die Veröffentlichung bei professionellen Anbietern bis zum Druck beim Druckkostenzuschussverlag. Es gilt die Faustregel: Je mehr man allein macht, desto günstiger. Sich selbst um Covergestaltung, Lektorat, Satz und Vermarktung zu kümmern oder einen Verlag zu gründen, erfordert aber viel Wissen. Daher laufe „die beliebteste Form der Veröffentlichung über Selfpublishing-Anbieter“, erklärt Lisa Vide-Lindorfer. Sie arbeitet in der Buchschmiede, die aus dem Selfpublishing-Angebot MyMorawa hervorgegangen und heute Teil von Dataform Media ist.
Anbieter wie die Buchschmiede übernehmen Lektorat, Druck, Veröffentlichung, Logistik und Distribution. Gedruckt wird on demand. Autor:innen müssen also nicht wie beim Auflagendruck in Vorleistung gehen. Viele Dienstleister bieten auch Marketing-Services. Beim deutschen Unternehmen BoD (Books on Demand) kostet die Ausstellung des eigenen Buches auf der Frankfurter Buchmesse 299 Euro, Onlinebranding mit einer Laufzeit von vier Wochen kann man für 279 Euro kaufen, für 199 Euro gibt es einmalig ein Pressepaket.
Ein weiteres „Service“ von Selfpublishing-Unternehmen ist das Geraderücken schwärmerischer
Vorstellungen: „Viele Autor:innen träumen davon, über Nacht berühmte Schriftsteller:innen zu werden, und davon, sich ihren Lebensunterhalt mit dem Schreiben von Büchern zu verdienen“, sagt Vide-Lindorfer. „Die Realität ist dann ernüchternd. Wir versuchen, von Beginn an einzugreifen und (Neu-) Autor:innen deutlich die Vorund Nachteile des Selfpublishings aufzuzeigen.“
Ein Nachteil ist das Image, das Selfpublishing immer noch hat. Es entsteht durch die Masse fehlerhafter Texte, die ohne professionelle Unterstützung publiziert werden. Herbert Ohrlinger, Zsolnay-Geschäftsführer und stellvertretender Vorsitzender des Österreichischen Verlegerverbands, spricht in diesem Zusammenhang den Einfluss von KI an: „Es ist offensichtlich, dass ChatGPT und Ähnliches zu einer weiteren Flut solcher Erzeugnisse führen werden, von denen die meisten bereits jetzt so wirken, als hätte sie ein Computerprogramm erstellt.“ Das Vertrauen von Leser:innen gelte „zu einem überwältigenden Teil der Arbeit von professionellen Verlagen und Buchhandlungen, ihrer Expertise, ihrer Betreuung, ihrer Vermarktung und ihrem Vertrieb.“
Beispiele professioneller und erfolgreicher Arbeit gibt es auch im Selfpublishing-Bereich, auch wenn sie nicht sehr zahlreich sind. Eines davon ist Marah Woolf: selfpublished Romantasy-Autorin mit drei Millionen verkaufter E-Books, Print- und Hörbüchern. Einen Verlag zu finden, dürfte für sie kein Problem sein, trotzdem bleibt sie für ihre
Neuerscheinungen beim Selfpublishing. Verlagskooperationen geht sie vor allem bei Zweitverwertung im Taschenbuch ein. Sie möchte die Kontrolle behalten: Veröffentlichen, wann und wie sie es für richtig hält, Leser:innen direkt über SocialMedia-Kanäle ansprechen – darin ist sie mittlerweile Expertin.
Expertise ist das Zauberwort bei jeder Art, Bücher zu machen und zu verkaufen. Ob sie von einem Verlagsteam, einem Selfpublishing-Dienstleister oder der Großtante kommt, ist weniger relevant als eine realistische Einschätzung des eigenen Könnens, der jeweiligen Zielgruppe und des notwendigen zeitlichen und finanziellen Aufwandes.
Die Relevanz und gesellschaftliche Akzeptanz von Selfpublishing steigt derzeit vor allem bei jungen Leser:innen. „Auch der österreichische Buchmarkt öffnet sich zunehmend gegenüber unabhängigen Autor:innen, vor allem bei Nischenthemen, Genre-Trends oder Themen abseits des Mainstreams“, sagt VideLindorfer. Konfliktpotenzial mit klassischen Verlagen sieht sie deswegen aber nicht: „Selfpublishing trägt zur Vielfalt und Diversität im Buchhandel bei. Da draußen gibt es genug Ideen und Geschichten, um unzählige Bücher zu füllen – und verschiedene Möglichkeiten, wie diese Bücher veröffentlicht werden können.“
Ö1 Buch des Monats
Im Jänner 2022 fand der Amerikaner Tony Kahn auf dem Dachboden seines Hauses ein Manuskript: Dünnes Durchschlagpapier, 710 Seiten stark, verfasst vom ungarischen Autor János Székely. Kahn, der als Kind mit Székelys Tochter befreundet war, ruft die mittlerweile fast Achtzigjährige in der Schweiz an. So endet die verschlungene Reise eines Romanmanuskripts, die vor siebzig Jahren höchstwahrscheinlich in Mexiko begonnen hat.
Gut siebzig Jahre nach seiner Entstehung liegt „Eine Nacht, die vor 700 Jahren begann“ in Buchform vor. Der Roman spielt in Ungarn gegen Ende des Zweiten Weltkriegs. Noch steht das Land an der Seite des Deutschen Reiches, aber die Alliierten sind bereits in der Normandie gelandet. Székely begibt sich mitten in die ideologischen Auseinandersetzungen. Er zeichnet in vielen Dialogen, klug, geschliffen, aber auch volkstümlich und direkt, mit ausgeprägtem Gespür für die einzelnen Charaktere, eine dekadente Oberschicht, die absterbende Aristokratie, Bauern, Nazis, Sozialrevolutionäre, Mitläufer, Mätressen und Minderheiten. „Der Roman besticht durch politische Klar- und Weitsicht, Sinnlichkeit, Gesellschaftsanalyse und zugleich Unterhaltung“, so die Jury.
Der Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften wird heuer fünfzig Jahre alt – und jünger: Er macht seine wissenschaftlichen Publikationen zugänglicher, internationaler und digitaler
Alles, was wir heute machen, erscheint digital“, erklärt Thomas Jentzsch, Geschäftsführer des ÖAW-Verlags. Die Backlist von 3.500 Buchtiteln wird digitalisiert. Dennoch erscheinen die meisten der rund achtzig Publikationen pro Jahr auch in Buchform. Aber eben nicht alle. Gerade bei den „Journals“ genügt oft die elektronische Form.
1973 wurde der Verlag der ÖAW gegründet. „Maschinenlesbarkeit“ gab es damals nicht. So wurden seitdem 330 Millionen Seiten gedruckt, rund drei Tonnen Papier. Heute gibt es DOI (Digital Object Identifier) und Orcid ID, die auf digitale Objekte bzw. auf die Forschungstätigkeit einer Person verweisen.
Jentzsch. Dazu kommen Kooperationen mit Journalplattformen, Universitäten und internationalen Buchmessen. So werde für österreichische Forschung international Sichtbarkeit geschaffen. „Mit vielen Ländern sind wir über diesen wissenschaftlichen Austausch in Kontakt.“ Kooperationen entstehen fast immer über Forschungsprojekte.
János Székely:
„Eine Nacht, die vor 700 Jahren begann“, Roman, Diogenes Verlag, 697 Seiten
Das Ö1 Buch des Monats ist eine Kooperation des HVB mit Ö1, die exklusiv in den Mitgliedsbuchhandlungen beworben werden kann.
„Eines der wichtigsten Themen ist Dissemination“, sagt Jentzsch. „Wir müssen unseren Content in alle wichtigen internationalen Datenbanken hineinbringen.“ Der Verlag hat Kooperationspartner auf der ganzen Welt, siebzig Prozent seiner Publikationen werden „exportiert“. „Wir haben etwa in Amerika und Japan große physische und elektronische Vertriebspartner“, erklärt
Welche Rolle spielt künstliche Intelligenz? Keine sehr große, erklärt Jentzsch. Zwar veröffentlichte der Verlag kürzlich einen Artikel, bei dem das Abstract und das Titelbild per KI generiert wurden. „Momentan bedeutet es aber eher eine Gefahr, wenn KI Aufgaben übernimmt, die qualifizierte Tätigkeiten sind.“ Etwa einen wissenschaftlichen Artikel schreiben – und die zwei notwendigen Gutachten gleich dazu. Im Verlag der ÖAW wäre das unmöglich. „Wir adressieren Gutachter:innen immer persönlich und direkt. Mir ist keine Wissenschaftlerin vorstellbar, die etwas begutachtet und das von der KI schreiben lässt.“ Qualitätskontrolle auf jeder Ebene: Seit der Gründung vor fünfzig Jahren ist das die wichtigste Aufgabe des Verlags.
Nur Bücher drucken war gesternThomas Jentzsch leitet den Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Preisgekröntes bäuerliches Leben
Am 1. Juni erhielt Ewald Frie für sein Buch „Ein Hof und elf Geschwister“ den Deutschen Sachbuchpreis
Der stille Abschied vom bäuerlichen Leben geschieht überall. Eine persönliche Perspektive auf diesen Veränderungsprozess eröffnet Ewald Frie in seinem Buch „Ein Hof und elf Geschwister“ (C. H. Beck), das mit dem Deutschen Sachbuchpreis ausgezeichnet wurde. Am Beispiel seiner Familie aus dem Münsterland beschreibt er Spannungen, die sich zwischen Stadt und Land entwickelt haben und uns gegenwärtig beschäftigen.
Die Jury schrieb unter anderem: „In seiner verblüffend einfachen und zugleich poetischen Sprache schafft Frie Zugang zu einer Welt im Wandel – immer empathisch, aber nie nostalgisch. Auf der Basis von Interviews mit seinen Geschwistern hat Ewald Frie ein tiefes und gleichzeitig zugängliches und unterhaltsames historisches Sachbuch verfasst.“
Die Preisverleihung fand am 1. Juni in der
Wechsel im Präsidium des SBVV
Seit 2016 leitet Thomas Kramer den Schweizer Buchhandels- und VerlagsVerband SBVV als Präsident. Nun gibt der Geschäftsführer des Verlags Scheidegger & Spiess den Stab weiter an Manuel Schär, Verwaltungsratspräsident des hep Verlags. Der Verleger möchte sich in Zukunft wieder ausschließlich seinen Aufgaben als Geschäftsführer der Zürcher Verlage Scheidegger & Spiess und Park Books widmen. „Mit Thomas Kramer verlieren wir einen initiativen, engagierten Präsidenten, der sich mit allen Sparten unseres Verbandes intensiv auseinandersetzte“, sagt SBVV-Geschäftsführerin Tanja Messerli.
In der Generalversammlung vom 12. Juni 2023 wählten die Mitglieder des SBVV Manuel Schär zum neuen Präsidenten des SBVV. Der 42-jährige Historiker, Volks- und Betriebswirtschaftler ist seit fast zwei Jahrzehnten in der Buchbranche tätig. Er arbeitete in verschiedenen Positionen beim auf Lehrmedien spezialisierten hep Verlag in Bern, bevor er 2017 als Geschäftsführer das Ruder übernahm. Seit 2022 ist Manuel Schär Präsident des Verwaltungsrats des hep Verlags sowie Leiter Verlagsentwicklung bei Park Books in Zürich.
Elbphilharmonie in Hamburg statt. Nach den Grußworten von Börsenvereinsvorsteherin Karin Schmidt-Friderichs und Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank und der Vorstellung der nominierten Titel sprach die Moderatorin Katja Gasser mit der Jurysprecherin Jeanne Rubner (TU München).
Mit dem Preis zeichnet die Stiftung Buchkultur und Leseförderung des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels das Sachbuch des Jahres aus. Prämiert werden herausragende Sachbücher in deutschsprachiger Originalausgabe, die Impulse für die gesellschaftliche Auseinandersetzung geben. Der Preis ist mit 42.500 Euro dotiert. Der/die Preisträger:in erhält 25.000 Euro, die sieben Nominierten je 2.500 Euro. Aus Österreich war „Das Fluchtparadox“ von Judith Kohlenberger nominiert (Kremayr und Scheriau).
Neues von der Buch Wien
Der Leipziger Gastlandauftritt ist vorbei, die Messesaison 2023 noch lange nicht. In Österreich bereitet sich die Buchbanche bereits auf die Buch Wien vor. „Die Messe hat in den letzten beiden Jahren in vielen Bereichen neue Maßstäbe gesetzt“, sagt Buch WienGeschäftsführer Patrick Zöhrer. „Wir freuen uns über eine gesteigerte Sichtbarkeit bei politischen Entscheidungsträger:innen und eine bisher nicht gekannte mediale Präsenz. Um das auch in diesem Jahr wieder zu erreichen, arbeitet das Buch Wien-Team bereits intensiv an einem herausragenden Programm und starken medialen Kooperationen.“
Die Buch Wien entwickelt sich auch dieses Jahr weiter: Im März wurde etwa ein B2B-Onlineshop eröffnet, mit dem Stand- und Marketingprodukte einfach und effizient geplant und bestellt werden können. Er ist noch bis Ende Juni geöffnet – nutzen Sie die Zeit, um dabei zu sein!
Das Team der Buch Wien wird seit Anfang Juni von zwei neuen Mitarbeiterinnen unterstützt.
Katharina Pötz unterstützt ab 1. 6. das Buch Wien-Programmteam. Sie studierte ursprünglich Soziologie und absolvierte anschließend den Lehrgang Library and Information Studies an der ÖNB Wien. In den letzten Jahren arbeitete sie im Verlag für moderne Kunst und dann im REAKTOR Wien.
Anne Liebig übernimmt die PRund Marketing-Aufgaben der Buch Wien. Ihr Lehramtsstudium in Russisch, Englisch und Geschichte in Heidelberg führte sie zunächst auf den Balkan, nach Russland, Kasachstan und Kalifornien, bevor sie an der Universität Edinburgh in Russischer Literaturwissenschaft promovierte. Ab Herbst 2020 war sie als Redakteurin und OnlineChefin vom Dienst bei der Pragmaticus Verlag AG beschäftigt.
Holzboote in der Buchhandlung, witzig und persönlich geschriebene Empfehlungen in Social Media, Lesesessel auf der Straße – österreichische Buchhandlungen lassen sich etwas einfallen, um ihren Kund:innen Freude am Lesen zu vermitteln. Besonders gut gelungen ist das den sechs Preisträger:innen des Buchhandlungspreises.
Am 23. Mai wurde der vom HVB und dem BMKÖS gestiftete Preis verliehen. Er ist mit 50.000 Euro dotiert. Je 10.000 Euro erhielten diese Buchhandlungen:
Buch & Boot (Altaussee)
Buchhandlung Haček (Klagenfurt)
Buchhandlung Orlando (Wien)
Buchhandlung Rapunzel (Dornbirn)
Buchhandlung Stephan Lauf (Braunau)
Der undotierte Filialpreis ging an die Rupertus Buchhandlung, eine Filiale der Verlagsanstalt Tyrolia (Salzburg).
Im feierlichen Rahmen überreichten Jürgen Meindl, Sektionschef für Kunst und Kultur, und HVB-Präsident Benedikt Föger die Preisurkunden.
Die besten Buchhandlungen 2023
Am 23. Mai fand die Verleihung des Buchhandlungspreises statt
Der Journalist Michael Freund führte durch die Verleihung und sprach mit Benedikt Föger und Jürgen Meindl unter anderem über die besonderen Herausforderungen, die unabhängige Buchhandlungen in Krisenzeiten zu meistern haben. Jürgen Meindl betonte im Gespräch den zentralen Stellenwert der individuellen Beratung durch die Buchhändler:innen – eine Kernkompetenz, die durch keinen Algorithmus ersetzt werden kann. Benedikt Föger sprach über die Bedeutung gut sortierter Buchhandlungen, insbesondere für die Sichtbarkeit kleinerer Verlage.
Die Schriftstellerin Ana Marwan ging in ihrer Laudatio darauf ein, dass Buchhandlungen einen wichtigen Beitrag zur Orientierung in der Welt und einen unersetzlichen Zugang zu einer Vielzahl anderer, fremder Welten bieten können. Die Rede in voller Länge lesen Sie auf buecher.at
Feierliche Stimmung: Die Gewinner:innen des Buchhandlungspreises mit HVB-Präsident Bendedikt Föger (rechts außen) und Sektionschef Jürgen Meindl (links außen)
Titelschutzmeldungen
Mit einer Titelschutzmeldung im anzeiger ist Ihr Buchtitel für sechs Monate bis zum Erscheinungsdatum geschützt. Ihre Titelschutzmeldung ist mit Ihrer Nennung nach kurzer Überprüfung über www.buecher.at abrufbar und erscheint in der darauffolgenden Ausgabe des anzeigers. Titel melden können Sie auf www.buecher.at/titelschutz oder per E-Mail an Isabel Huber unter huber@hvb.at
Die gleichzeitige Schaltung von mehreren Titelschutzmeldungen ist besonders günstig: Bis zu drei Titel pro Ausgabe gibt es exklusiv für HVB-Mitglieder* um nur € 80,–/sechs Titel € 110,– und bis zu zwölf Titel um nur € 210,–.
Isabel Huber berät Sie gern unter huber@hvb.at Tel. 01/512 15 35 DW 14.
(*Nichtmitglieder zahlen das Doppelte, alle Preise zzgl. 5 % Werbeabgabe und 20 % MwSt.)
Unter Hinweis auf § 80 UrhG nehmen wir Titelschutz in Anspruch für den Einzeltitel: Schlank auf Rezept in allen Schreibweisen, Darstellungsformen, Wortverbindungen und Kombinationen, als Reihen- und/ oder Einzeltitel und zur Verwendung in allen Medien. edition a Esterházygasse 34/8, 1060 Wien, Österreich
Unter Hinweis auf § 80 UrhG nehmen wir Titelschutz in Anspruch für die zwei Einzeltitel: Pesto & Maki Eine tropische Freundschaft in allen Schreibweisen, Darstellungsformen, Wortverbindungen und Kombinationen, als Reihen- und/ oder Einzeltitel und zur Verwendung in allen Medien.
Shorty Industries
Dorfstraße, 6561 Ischgl, Österreich
Unter Hinweis auf § 80 UrhG nehmen wir Titelschutz in Anspruch für den Einzeltitel: 100 Hacks für deine unverschämt erfolgreiche Anwaltskanzlei in allen Schreibweisen, Darstellungsformen, Wortverbindungen und Kombinationen, als Reihen- und/oder Einzeltitel und zur Verwendung in allen Medien.
Pichler Management GmbH
Ausführliche Porträts der Gewinner:innen finden Sie in der Mai-Ausgabe des anzeigers.
Unter Hinweis auf § 80 UrhG nehmen wir Titelschutz in Anspruch für den Einzeltitel: Der kleine Strom – Wer summt den da? in allen Schreibweisen, Darstellungsformen, Wortverbindungen und Kombinationen, als Reihen- und/ oder Einzeltitel und zur Verwendung in allen Medien.
Franz Eglau
Edlauweg, 3860 Heidenreichstein, Österreich
Unter Hinweis auf § 80 UrhG nehmen wir Titelschutz in Anspruch für zwei Einzeltitel: Zauber
Magic beyond Nature in allen Schreibweisen, Darstellungsformen, Wortverbindungen und Kombinationen, als Reihen- und/ oder Einzeltitel und zur Verwendung in allen Medien.
Claudia
NitschkeSonnenweg, 5102 Anthering, Österreich
Unter Hinweis auf § 80 UrhG nehmen wir Titelschutz in Anspruch für zwei Einzeltitel: M’ama non m’ama – Il m’aime il ne m’aime pas Timecards – Die Zeitkarten – Le carte del tempo – Les cartes de temps in allen Schreibweisen, Darstellungsformen, Wortverbindungen und Kombinationen, als Reihen- und/ oder Einzeltitel und zur Verwendung in allen Medien.
Bezahlte Anzeigen. Der Verlag übernimmt keine Haftung dafür, dass die Titel bereits geschützt sind oder durch die Inserate Rechte Dritter verletzt werden.
CAMPUS V, Hintere Achmühlerstraße 1A 6850 Dornbirn, Österreich
Modularcards
Faistauergasse, 1130 Wien, Österreich
Ein besonderes Ausstellungsstück: Goethes Gedichte mit 85 signierten Originallithografien aus dem Antiquariat Steinbach
Antiquaria Ludwigsburg
Die 37. Antiquaria fand vom 16.–18. Juni in der stimmungsvollen Musikhalle Ludwigsburg statt. Einen Teil des Angebotes war dem Rahmenthema „Natur und Technik – eine Entfremdung“ gewidmet und ermöglichte einen Blick auf den Einfluss der Technik auf die Natur von der Antike bis in die heutige Zeit. Die Messe ist auch für Antiquar:innen hierzulande von Bedeutung: Vier Mitglieder des Verbands der Österreichischen Antiquare nahmen daran teil. Der umfangreiche Messe-Katalog zeigt einen kleinen Ausschnitt des Messeangebots: Er ist online einsehbar und kann auch als Printkatalog bei der Veranstalterin bestellt werden. Die Verleihung des 29. Antiquaria-Preises an Evelin Förster fand am 15. Juni 2023 im Podium der Musikhalle statt.
Neuer Herstellungsleiter bei den Styria Buchverlagen
Maria Schuster, langjährige Herstellungsleiterin der Styria Buchverlage, geht mit Ende August 2023 in Pension. Ihr folgt in dieser Funktion Franz Schaffer nach, bisher kaufmännischer Geschäftsführer und Produktionsleiter des Christian Brandstätter Verlages. „Maria Schuster gehört zur Elite der Buchherstellenden im deutschsprachigen Raum und hat mit ihrer Expertise und ihrem Gespür für Materialien die Ausstattung unserer Verlagsprodukte auf ein neues Qualitätslevel gehoben“, so Matthias Opis, Geschäftsführer der Styria Buchverlage. „Dass ihr mit Franz Schaffer nun ein Kollege nachfolgt, der eine ähnlich beeindruckende Referenzliste herausragender Buchprojekte vorzuweisen hat, ist ein Glücksfall für unser Haus.“
Georg Büchner verabschiedet sich von Morawa
Nach über vierzig Jahren in der Buchbranche und 27 Jahren im Vorstand des HVB verabschiedet sich Georg Büchner als Geschäftsführer von Morawa Buchhandel und geht mit 1. Juli in Pension.
Nach seinen Lehrjahren in der Fachbuchhandlung Manz am Kohlmarkt und einem kurzen Stopp bei einer Buchhandlung der Gottschalk Gruppe wechselte er zu Morawa. Dort war er ab 1995 Bereichsleiter Buchhandel für die Bucheinzelhandelsstandorte der Morawa Gruppe.
Seit 2000 war Büchner Prokurist und Geschäftsführer und leitete vier Firmen innerhalb der Morawa Gruppe. Georg Büchner war seit 1996 Vorstandsmitglied im Österreichischen Buchhändlerverband und seit 2010 Mitglied des Hauptverbandvorstandes. Der Hauptverband des Österreichischen Buchhandels dankt Georg Büchner für seine jahrelange und engagierte Mitarbeit im Verband.
Frau für neue Formate bei Brandstätter
Ein Porträt von Georg Büchner haben wir in der Ausgabe 5/2021 veröffentlicht
Der Brandstätter Verlag holt sich Verstärkung im Eventbereich. Mit dem Ziel, Veranstaltungen neu und anders zu denken und den Buchhandel beim Thema Frequenz zu unterstützen, tritt Leonie Seibold an. Nach dem Studium der Theater-, Film- und Medienwissenschaft sowie der Soziologie arbeitete sie seit 2014 in der Dramaturgie des Theaters in der Josefstadt. Ihre Leidenschaft für Kulinarik und ihre Vorliebe fürs Organisieren führten sie zu dem Wiener Traditionsverlag. „Wir sind begeistert! Gerade im Veranstaltungsbereich hilft der Blick in andere Branchen. Leonie Seibold bringt frischen Wind und Ideen mit. Wir arbeiten emsig an neuen Formaten und freuen uns aufs Umsetzen!“, sagt die Vertriebsleiterin Friederike Harr.
Die schönsten Bücher Österreichs
Am 19. Juni wurden im Belvedere 21 die schönsten Bücher des Jahres 2022 ausgezeichnet
Nicht nur der Inhalt, sondern auch Form, Beschaffenheit und Gestaltung machen ein Buch zu etwas Besonderem. Diese haptischen und ästhetischen Qualitäten werden beim Wettbewerb „Die schönsten Bücher Österreichs“ ausgezeichnet. Mit der Auszeichnung werden auch die Menschen geehrt, die
DAS SIND
DIE GEWINNER
Hier ist Literatur! Reisen zu literarischen Erinnerungsorten in Niederösterreich
Verlag: Literaturedition Niederösterreich,
Gestaltung: Matthias Schmidt, Druck: Gerin Druck
Female Positions
Verlag: Verein für gesellschaftspolitische
Positionen, Gestaltung: Alexandra Möllner, Druck: Gutenberg Werbering
Blinder Fleck Nordwestbahnhof –Biographie
eines innenstadtnahen Bahnhofsareals,
Verlag: Falter Verlag, Gestaltung: seite zwei, Druck: Gerin Druck
Vorarlberg erzählt
Die große Geschichte vom kleinen Land
Verlag: Verlagsanstalt Tyrolia, Gestaltung: Büro
Magma, Druck: FINIDR
Was zählt, bist du Verlag: Edition 5Haus, Gestaltung: SIRENE Studio, Druck: Print Alliance
Schneelöwe
Verlag: Verlagsanstalt Tyrolia, Gestaltung: Nele Steinborn, Druck: FINIDR
Anna Schachinger – Treffen
Verlag: Verlag für moderne Kunst, Gestaltung: Marie Artaker, Druck: Medienfabrik Graz
Wenn der Wind weht/When the Wind Blows
Verlag: De Gruyter in der Edition Angewandte, Gestaltung: SCHIENERL D/AD – Christian
Schienerl, Druck: Gerin Druck
Friedl Dicker-Brandeis
Verlag: De Gruyter in der Edition Angewandte, Gestaltung: Martha Stutteregger, Druck: Gerin Druck
Denn wenn Chloe Olivia mag …
Verlag: Mark Pezinger Books, Gestaltung: Astrid
Seme, Studio, Druck: Gerin Druck
Point of View
Verlag: Eigenverlag, Gestaltung: Laurien
Bachmann, Druck: Druckerei Gugler
Reisen 1992–1944 | Wilhelm Zwerenz
Verlag: Eigenverlag, Gestaltung: Julia Riedl, Druck: Druckerei Hans Jentzsch & Co
Bücher grafisch gestalten, setzen, verlegen und drucken.
Der Preis wird vom BMKÖS und dem HVB ausgerichtet und von Salzer Papier, der Druckerei Gerin und der Buchbinderei Papyrus unterstützt. HVB-Präsident Benedikt Föger und Jürgen Meindl, Leiter der Kunst-
und Kultursektion im BMKÖS, überreichten am 19. Juni die Ehrenurkunden an die Gewinner:innen.
Bei der Verleihung wurde auch die aufwendig gestaltete Publikation über die „Schönsten Bücher Österreichs 2022“ präsentiert.
DREI DER GEWINNERTITEL WURDEN VOM BMKÖS MIT STAATSPREISEN IN DER HÖHE VON JE 3.000 EURO AUSGEZEICHNET:
SMadness
Verlag:
Album Verlag
Gestaltung: Michael Karner, Nina Sponar
Druck:
Gerin Druck
Axel Koschier
Verlag: Mark Pezinger Books
Gestaltung: Astrid Seme, Studio Druck: Gerin Druck GmbH
Aus der Dunkelheit/ Out of the darkness
Verlag:
Sonderzahl
Gestaltung:
Alexandra Möllner
Druck:
Druckerei Gugler
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Sommerlicher Blumengruß
Am besten liest es sich in schöner Umgebung. Und was könnte im Sommer besser passen als Blütenpracht in einer passenden Vase? Spielen Sie mit und entdecken Sie die Welt der stilvollen Blumen und Pflanzen von WAIBEL shop – dem exklusiven Blumenge-
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Teilnahmeschluss: 15. Juli 2023
Teilnahmebedingungen: Teilnahmeberechtigt sind Personen ab dem vollendeten 18. Lebensjahr. Schri verkehr, Rechtsweg und Barablöse sind ausgeschlossen. Der Gewinn ist nicht übertragbar oder auszahlbar. Die Gewinner:innen werden schri lich verständigt. Teilnahmeschluss: 15. 7. 2023. Datenschutz: Für die Teilnahme am Gewinnspiel ist eine Angabe von personenbezogenen Daten erforderlich. Die Teilnehmer erklären sich ausdrücklich damit einverstanden, dass die von ihnen übermittelten Daten von der Falter Verlagsgesellscha m.b.H., Marc-Aurel-Straße 9, 1011 Wien, r die Durch hrung und Abwicklung des Gewinnspiels erhoben und verarbeitet werden. Die Daten werden nach vollständiger Durch hrung des Gewinnspiels umgehend und unwiederbringlich gelöscht.
„Waben der Worte“ ist das geheimnisvolle Motto des Gastlandauftritts in Frankfurt
Die in Frankfurt
Riesenbiene
DIESES JAHR IST SLOWENIEN EHRENGAST BEI DER FRANKFURTER BUCHMESSE.
DAS LAND WILL SEINE LITERATUR IM DEUTSCHSPRACHIGEN RAUM UND INTERNATIONAL BEKANNTER MACHEN. EIN BLICK AUF DEN SLOWENISCHEN BUCHMARKT
Beseda“ heißt „Wort“ auf Slowenisch. Die Literatur des kleinen Landes ist voll mit diesem Wort, vor allem die Dichtung. „Das Wort Wort kommt in keiner anderen Nationalliteratur so oft vor wie in der slowenischen. Das ist wirklich auffällig“, sagt Matthias Göritz. Er ist Schriftsteller und Übersetzer aus dem Englischen und Slowenischen. In der slowenischen Kultur gebe es eine „Sprachbesessenheit“. Die Sprache sei einer der wichtigsten Träger der slowenischen Identität. „Das merkt man vor allem an der Lyrikszene, die extrem lebendig ist.“ Auch die Off-Szene: Es kommt in Ljubljana durchaus vor, dass vor einem Konzert eine Dichterin ihre Texte vorträgt oder eine Punkband Gedichte eines jungen Poeten vertont.
In diesem Jahr will die slowenische Sprachkunst internationale Aufmerksamkeit erregen. Mit einem Großevent, das in der Buchbranche seit drei Jahren vorbereitet wird: dem Gastlandauftritt auf der Frankfurter Buchmesse. Auch Göritz ist an Organisation und Kuration beteiligt. Der Plan des Gastlandes: slowenische Autor:innen in
Text: Linn Ritsch Illustrationen: Georg Feierfeil
Deutschland bekannt zu machen, Übersetzungen zu fördern, slowenische Poesie in die Welt zu tragen – und eine riesige Biene nach Frankfurt zu bringen.
DICHTERISCHER ANSPRUCH UND FINANZIELLE WIRKLICHKEIT
Die Serie internationaler Buchmärkte im anzeiger:
• der französische Buchmarkt im anzeiger 3/22
• der italienische Buchmarkt im anzeiger 6/22
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Die Liebe zur Poesie ist in Slowenien historisch begründet. Der Bienenbezug auch, doch dazu später mehr. Erst seit knapp dreißig Jahren gibt es den slowenischen Staat. Jahrhundertelang wurden nationale Identität und Zusammengehörigkeitsgefühl über die gemeinsame Sprache erreicht. Ausdruck fand sie vor allem in der Poesie. In Gedichten und Liedern konnte vieles verschlüsselt kommuniziert werden. „Wir haben lange unter fremden Regimen gelebt, das war es nicht immer empfehlenswert, die Wahrheit zu sagen“, erklärt Amalija Maček. Sie ist Über'setzerin, Dolmetscherin und Programmberaterin des slowenischen Gastlandauftritts. „Wir haben gelernt, in Andeutungen und Chiffren zu sprechen. Slowenische
Bis heute ist das nationale Selbstverständnis eng mit der nationalen Dichtung verbunden: 1844 schrieb der Dichter France Prešeren (1800–1848) „Zdravljica“ (dt. etwa „Toast“ oder „Prosit“). Darin sehnt er die Freiheit aller Slowenen herbei. Die Erfüllung des Traumes erlebte er nicht mehr. Doch am 25. Juni 1991 wurde das Land unabhängig – und die siebte Strophe seines berühmten Gedichtes zur slowenischen Nationalhymne. Sein Todestag, der 8. Februar, ist heute ein ge setzlicher Feiertag.
Trotzdem hat man es als Dichter:in in Slowenien finanziell nicht leichter als im Rest der Welt. Literarischer Nationalstolz und ökonomische Wirklichkeit klaffen auseinander. Dazwischen liegen staatliche Förderungen und die Streitigkeiten darum. Mag die Lyrikszene in Slowenien lebendig und dynamisch sein, so ist sie doch klein. Anspruchsvolle Literatur finanziert sich nur in Ausnahmefällen selbst, etwa die Hälfte aller slowenischen Buchpublikationen wird staatlich unterstützt.
MEHR NEUERSCHEINUNGEN ALS IN FRANKREICH – PROZENTUELL
Finanziert wird vor allem die Publikation von Romanen. Kulturhistorische und politische Themen haben das Nachsehen. „Dabei ist es für das Selbstverständnis der Slowen:innen und ihre Identität wichtig, die eigene Geschichte zu verstehen“, sagt Lojze Wieser, Verleger des österreichischen Wieser Verlags. Um die Dichtung steht es nicht viel besser. Unter den 450 Büchern, die im vergangenen Jahr vom Staat kofinanziert wurden, waren acht Gedichtbände. „Slowenische Verleger:innen trauen sich kaum, Gedichtbände zur Förderung einzureichen“, erzählt Orlando Ursič. „Es wird einfach zu viel produziert.“ Als Verleger des kleinen Mariborer Literaturverlags Litera weiß er, wovon er spricht.
Das Land weist eine hohe Dichte an Poet:innen auf; durchschnittlich kommt fast an jedem Tag des Jahres ein neuer
Der Buchmarkt in Slowenien
Gedichtband auf den Markt. So viel Lyrik ist selbst für Slowen:innen zu viel. „Es ist natürlich wunderbar, dass wir so viele Poet:innen haben“, sagt Maček. Auffallend sei, dass sich in Slowenien zahlreiche junge Menschen für Lyrik interessieren und selbst dichten. „An dem Projekt ‚Junge Reime‘ nehmen sehr viele Studierende teil, im Moment haben wir vor allem vielsprechende junge Frauen.“
Ebenso jung wie die Literat:innen ist der slowenische Staat. 32 Jahre nach seiner Gründung ist seine Literaturszene noch in der „Selbstfindungsphase“, meint Urisč. Für den Buchmarkt war die Unabhängigkeit ein Schock. Plötzlich war man nicht mehr Teil eines großen Staatsgebietes, sondern ein sehr kleines Land. „Jugoslawien war ein riesiger Markt mit vielen großen Verlagshäusern, die jedes Jahr Hunderte Bücher produzierten“, erklärt der Verleger.
Heute leben in Slowenien zwei Millionen Menschen. Jährlich kommen etwa 3.500 Neuerscheinungen auf den Handelsmarkt, das ist im Verhältnis zur Einwohnerzahl deutlich mehr als etwa in Frankreich oder Deutschland. Die Auflagen sind aber gering: Tausend Bücher sind schon eine sehr hohe Auflage, 10.000 Exemplare gibt es nur bei den größten Bestsellern.
DER BIBLIOBUS KOMMT AUCH
NACH OBERKRAIN
Bücher kaufen ist in Slowenien weniger beliebt als Bücher ausleihen. Auch das hat historische Gründe: Jahrhundertelang lebte die Mehrheit der Bevölkerung in Städten mit weniger als 5.000 Einwohner:innen, eine Buchhandlung zu eröffnen hätte sich wirtschaftlich nicht rentiert. Bücher wurden über den Tür-zu-Tür-Verkauf oder über Versandhandel vertrieben.
Die Gewinner waren die Büchereien. Sie florieren bis heute, sind stets mit den wichtigsten Neuerscheinungen ausgestattet und erfreuen sich zahlreicher Nutzer:innen. In die örtliche Bibliothek zu gehen ist beliebt, denn neben Büchern gibt es dort auch Veranstaltungen zu literarischen und anderen
» Lyrik ist oft eine Lyrik des Widerstandes.“
„Slowenische Lyrik ist oft eine Lyrik des Widerstandes“
Amalija Maček
Der Buchmarkt in Slowenien
Themen. Außerdem ist es praktisch: Das Büchereinetz ist hervorragend ausgebaut. In die allerentferntesten Winkel kommen fahrende Bibliotheken, sogenannte Bibliobusse.
Wer in seinem kleinen Heimatdorf einmal nicht den gewünschten Nischentitel findet, ist zunächst überrascht, muss sich aber nicht weiter grämen: Das Buch wird bestellt und ist innerhalb weniger Tage abholbereit. Jede fünfte Person in Slowenien besitzt einen Bibliotheksausweis, statistisch gesehen gibt es also mindestens einen pro Familie. Eine durchschnittliche Slowenin leiht pro Jahr elf Bücher aus – im Vergleich zu zwei Buchkäufen pro Kopf im Jahr.
Für die Verlage ist das ein zweischneidiges Schwert: Die (staatlich finanzierten) Ankäufe durch Bibliotheken sorgen zwar für ein stabiles und berechenbares Grundeinkommen – besonders hoch ist es allerdings nicht. Gerade die E-Book-Leihe ist problematisch: „Verleger:innen haben einfach nicht gut mit den Büchereien verhandelt“, erklärt Miha Kovač, Universitätsprofessor für Bibliotheks- und Buchwissenschaft in Ljubljana und Kurator des Gastlandauftritts in Frankfurt. Bibliotheken müssen erst nach jedem fünfzigsten ausgeliehenen Buch eine Lizenz bezahlen – kein gutes Geschäft, sagt Kovač.
Bücher über die stationären Buchhandlungen des Landes zu vertreiben, ist auch nicht viel besser, jedenfalls nicht für die kleinen Verlage. In Slowenien gibt es zwei große Buchhandelsketten, die den größten Verlagen des Landes gehören. Der Gigant ist Mladinska knjiga: Das Verlagshaus veröffentlichte 2021 über 600 neue Titel und Nachdrucke. Sie liegen gut platziert und für einen langen Zeitraum in der hauseigenen Buchhandlung auf. Das Interesse, Titel anderer Verlage zu verkaufen, ist bei Mladinska knjiga dagegen überschaubar.
„Und die Zahl unabhängiger Buchhandlungen ist geringer als die Zahl der Finger an zwei Händen“, sagt Kovač. Kleinere Verlage behelfen sich mit Onlineshops, über die sie in der Regel mehr als die Hälfte ihres Umsatzes erzielen.
SLOWENISCH IN KÄRNTEN, TRIEST UND AUSSERHALB
Onlineshop oder nicht, die insgesamt 1.400 slowenischen Verlage können die Nachfrage der heimischen Bevölkerung nicht abdecken. Wie alle kleinen Buchmärkte ist Slowenien stark von Übersetzungen abhängig. 1991 wurde der Zugang zu urheberrechtlich
geschützten Werken wesentlich einfacher. Seither macht die Zahl der Übersetzungen in Slowenien etwa ein Drittel der gesamten Buchproduktion aus. Vor allem in den populären Genres sind die Übersetzungen zahlreich: Krimis und Romantasy werden oft importiert.
Umgekehrt exportiert Slowenien hauptsächlich die Gattung, die am stärksten in der literarischen Tradition verankert und in der Slowenien es Literaturexpert:innen zufolge zur Meisterschaft gebracht hat: Gedichte.
Doch die Verbreitung slowenischer Lyrik stößt auf allerlei Hindernisse. Derzeit erreichen noch viel zu wenige Gedichte den internationalen Markt, darin ist man sich in Literaturkreisen einig. Übersetzungen sind teuer, Übersetzer:innen unterbezahlt und überbeansprucht, erzählt Matthias Göritz. „Ich werde selbst ständig gefragt, ob ich nicht mehr übersetzen kann. Es gibt einfach nicht genug Leute in diesem Beruf.“
Für die Verbreitung slowenischer Literatur spielen auch jene Autor:innen und Verlage, die außerhalb Sloweniens ansässig
sind, eine große Rolle. Slowenische Literatur, erklärt die Verlegerin Martina Kafol, könne nicht auf das Staatsgebiet beschränkt werden. Ihr Verlag befindet sich in einem wichtigen Zentrum slowenischer Kultur – im norditalienischen Triest. „Man kann unseren Buchmarkt in zwei Teile teilen: jenen in Slowenien und jenen im Ausland.“ Letzterer ist vor allem in Regionen in Italien, Ungarn und Österreich beheimatet.
In diesen Ländern gibt es jeweils mehrere Verlage, die slowenische Bücher publizieren, auf Slowenisch und in den Landessprachen. Für die slowenische Literatur sind sie von großer Bedeutung. Nicht nur, was Kulturvermittlung und Übersetzungen betrifft: Hermagoras ist der älteste slowenische Verlag, 1851 von Priestern in Klagenfurt gegründet. Heute verlegt er Bücher in slowenischer und deutscher Sprache. Ähnliche Pionierarbeit leisteten der Drava Verlag seit 1980 und der 1987 gegründete Wieser Verlag. Kärnten und Triest zählten zu den wichtigsten Zentren slowenischer Buchproduktion, lange bevor es den slowenischen Staat gab.
„Nach der Staatsgründung 1991 hat man oft genug das Gefühl, dass man sich innerhalb Sloweniens selbst genug ist. Deutlich sichtbar wird es in den letzten zehn Jahren“, sagt Wieser. Dabei wäre die Vielfalt, die diese Verbindungen mit anderen Ländern bringen, eine Chance, meint Kafol. „Es gibt nicht nur eine ‚slowenische‘ Kultur und Literatur. Aber ich fürchte, das wird in Frankfurt nicht deutlich werden. Da wird es den Monolith Slowenien geben.“
DIE GEHEIMNISUMWITTERTEN BIENEN IN FRANKFURT
Zumindest in sprachlicher Hinsicht wird der slowenische Gastlandauftritt in Frankfurt aber eine Demonstration der Offenheit und des Austausches. Während der letzten drei Jahre wurden so viele Titel ins Deutsche übersetzt wie noch nie. Man will dem deutschen Markt die literarische Vielfalt des Landes schmackhaft machen und die Tür für weitere Übersetzungen weit aufstoßen. Dabei helfen Autor:innen, die in beiden Sprachen schreiben oder in Österreich und Deutschland leben, ihre Texte aber auf Slowenisch veröffentlichen. Ana Marwan etwa, einer der österreichischen Stars in Leipzig, wird jetzt zum slowenischen Star in Frankfurt.
Die größten Stars des slowenischen Gastlandauftritts sind Bienen. „Waben
„Vielfalt ist eine Chance. Es gibt nicht nur eine slowenische Kultur und Literatur“
Martina Kafol
der Worte“ ist das geheimnisvolle Motto des Projekts.“ Warum das so ist, war zeitweise unklar: Nach seinem Abtritt hat der ehemalige Präsident und vorherige Kurator des Gastlandauftritts der slowenischen Buchagentur keinen Hinweis auf die Bedeutung hinter diesem Claim hinterlassen.
Slowenien ist ein Bienenland, so viel war klar. Bienenzucht hat dort Tradition, bereits in der k. u. k. Monarchie kam der Honig für die kaiserliche Frühstückssemmel von Züchter:innen aus dieser Region. Seit 2018 gibt es außerdem den Weltbienentag: Der 24. Mai ist der Geburtstag des Slowenen Anton Janša, Hofimkermeister von Maria Theresia.
Es musste nur noch der Grund gefunden werden, aus dem die Biene das literarische Wappentier in Leipzig wurde. Kovač fand einen: „Slowenien hat geografisch eine sehr privilegierte Position in Europa. Wir befinden uns genau im Zentrum, an einem Schnittpunkt mehrerer wichtiger Kultur-
Der Buchmarkt in Slowenien
und Sprachfamilien.“ Das spiegle sich in der slowenischen Literatur wider. Erst durch die Vereinigung verschiedener Einflüsse könne sie zu dem werden, was sie ist. „Wir verstehen uns als fleißige Bienen, die zu all diesen verschiedenen Sprachen und Kulturen fliegen und die Ideen zurücktransportieren und unseren besonderen Honig machen.“
Ob sich auch die riesige Biene des slowenischen Imkerverbandes in Ljubljana nach Frankfurt transportieren lässt, ist noch nicht ganz sicher. Für Miha Kovač wäre es jedenfalls die Erfüllung eines Traumes: „Wir wollen sie vor dem slowenischen Pavillon aufbauen und den Platz so zu einem Instagram-Hotspot machen!“
SLOWEN:INNEN, VEREINT EUCH!
Frankfurt soll zu einem Wendepunkt für den Buchmarkt Sloweniens werden. Das könne gelingen, sagt Kovač, aber nicht von einem Tag auf den anderen. Der Gastlandauftritt muss Lust auf mehr slowenische Literatur machen. „Die Übersetzungsdaten zeigen, dass wir etwa vierzig bis fünfzig Titel pro Jahr produzieren, die für den deutschsprachigen und internationalen Markt interessant sind. Ich träume davon, dass in ein paar Jahren die Zahl gleich bleibt, aber der Umsatz im Rechteverkauf steigt.“
Im Vorfeld des Gastlandauftritts hat sich bereits viel getan, einige Titel haben den Sprung vom österreichischen in den viel größeren deutschen Markt geschafft, werden dort verlegt und verkauft. Wichtige Schritte, meint Matthias Göritz, aber es gibt noch viel zu tun: Vor allem müssten die Übersetzungsförderungen erhöht sowie Übersetzer:innen besser ausgebildet und bezahlt werden. Sie seien die eigentlichen Held:innen dieses Gastlandprojekts.
Und natürlich ist da die historisch und geografisch komplizierte Identität des Landes. Sie macht die Präsentation der slowenischen Literatur nicht einfacher. „Bisher ist es nicht gelungen, eine Kontinuität des literarischen Schaffens über die Jahrhunderte darzustellen“, sagt Lojze Wieser. „Erst wenn das glückt, wird die slowenische Literatur international eine Rolle spielen und nicht mehr verdrängt werden.“ Vernetzung und ein Gemeinschaftsgefühl sind also entscheidend: über zeitliche und räumliche Grenzen hinweg. Gut, dass es in Slowenien so viele Bienen gibt, die nach ganz Europa ausschwärmen. Zum Beispiel nach Frankfurt.
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„Slowenien befindet sich genau im Zentrum, an einem Schnittpunkt mehrerer wichtiger Kultur- und Sprachfamilien“
Miha KovačWir trauern um unseren Autor Peter Simonischek (1946-2023) Matthias Opis, Elisabeth Stein und das Team der Styria Buchverlage
Impulse für außerhalb der eigenen Blase
Am 1. Juni wurde der Deutsche Sachbuchpreis verliehen. Ein Anlass, um nachzufragen: Wie entscheidet man sich für ein Sachbuch des Jahres und warum sind Sachbücher heute wichtig?
Der heuer zum dritten Mal vergebene Deutsche Sachbuchpreis ging an Ewald Frie für sein Buch „Ein Hof und elf Geschwister. Der stille Abschied vom bäuerlichen Leben in Deutschland“. Ein Buch, das nicht nur informiere, sondern auch berühre und Impulse gebe, sagt Juryvorsitzende Jeanne Rubner. Wichtige Kriterien für ein gutes Sachbuch
Frau Rubner, die nominierten Bücher sollten „Impulse für die gesellschaftliche Auseinandersetzung“ geben. Welche Impulse gibt das Gewinnerbuch, bei dem es um Abschied geht?
Jeanne Rubner – Abschied ja. Aber auch Aufstieg beziehungsweise Umstieg. Frie zitiert seinen Vater, den Rinderzüchter, für den es keinen Aufstieg darstellte, dass einer seiner Söhne Universitätsprofessor für Geschichte wurde. Der Berufswechsel seiner eigenen Kinder war für ihn nicht nachvollziehbar, sein Leben war die Rinderzucht. Der Impuls, der sich daraus ergibt: Man hat immer die Möglichkeit, den gesellschaftlichen Wandel zu nutzen, um persönlich weiterzukommen. Auch wenn man auf einem Einödbauernhof aufwächst. Das Buch beschreibt, dass Wandel auch etwas Positives ist.
Sie haben 231 Titel gesichtet. Wie erkennt man als Jurymitglied, welches Buch gute Impulse gibt?
Rubner – Unter den Einreichungen gibt es viele Bücher, die zwar formal die Kriterien erfüllen, aber nicht den Qualitätskriterien für Sachbücher des Jahres entsprechen. Ein Sachbuch des Jahres sollte ein relevantes Thema aufgreifen, es von verschiedenen Blickwinkeln betrachten, möglichst viele Menschen interessieren und dabei gut geschrieben sein. Impulse kann ein Buch ja nur geben, wenn es auch außerhalb meiner eigenen Blase interessant und vielschichtig ist. Natürlich gewichtet jede und jeder der Jury die einzelnen Kriterien ein wenig unterschiedlich. Doch am Ende einigt man sich überraschend schnell.
siebenköpfigen Jury des deutschen Sachbuchpreises
Was muss ein Sachbuch können, damit es die Menschen interessiert?
Rubner – Es muss die Menschen berühren. Das tut es meistens, wenn autobiografische Geschichten, persönliche Betrachtungen, Erlebnisse und Erfahrungen zu einem Thema mit analytischen Betrachtungen verwoben werden. Autor:innen müssen sich also von der rein privaten Ebene wegbewegen und sich fragen: Was bedeutet das alles für unsere Gesellschaft? Ich denke, die Sachbücher, die die meisten Menschen interessieren, sind immer privat und emotional, aber auch sachlich und analytisch.
Wie kann sich das Sachbuch in Zeiten von kurzlebiger Information positionieren – vor allem bei jüngeren Leser:innen?
Rubner – Das Sachbuch geht über die private und persönliche Ebene hinaus, es wirft einen Blick auf die Gesellschaft und wird damit politisch. Darum bin ich der festen Überzeugung, dass dieses Genre auch bei der jüngeren Generation eine Zukunft hat, weil es eine Grundlage für den gesellschaftlichen Diskurs bietet. Wenn ich wissen will, was bei einem Thema der Stand der Diskussion ist, welche Argumente es gibt, die ich noch nicht beachtet habe oder die mir nicht gefallen, kann das nur ein Sachbuch umfassend beleuchten.
Inwiefern kann ein Preis dazu beitragen, dass diesem Genre mehr Aufmerksamkeit zukommt?
Rubner – Zu unserem diesjährigen Thema haben viele Menschen einen Bezug, das Sachbuch des Jahres war auch in der „Tagesschau“. Das trifft auch auf die anderen Bücher der Shortlist zu. Der Preis ist wichtig, um zu sagen: Diese Auswahl – also die acht Titel auf der Shortlist – spiegelt große Themen unserer Gesellschaft wider. Und behandelt sie auf hohem Niveau, aber in verständlicher Sprache. Die Botschaft ist: Das musst du lesen, wenn du mitreden möchtest, beziehungsweise du verpasst etwas, wenn du diese Sachbücher nicht gelesen hast.
„Die interessantesten Sachbücher sind privat und emotional, aber auch sachlich und analytisch“
Jeanne RubnerJeanne Rubner ist Teil der
– Schwerpunkt: Editor’s Choice –Sachbuch
Am Rand
Anders zu sein und am Rand der Gesellschaft zu stehen kann Misstrauen, Verachtung oder Verfolgung mit sich bringen. Manchmal aber auch Chancen
Wir alle möchten etwas Besonderes sein: anders als die anderen. Wir leben in einer Gesellschaft der Individualist:innen. Und trotzdem: Viele Arten von Andersartigkeit waren und sind nicht akzeptiert. Manches, was außerhalb dessen ist, was wir als normal empfinden, ist doch nicht ganz so erstrebenswert. Diese drei Sachbücher beleuchten Aspekte des Andersseins in verschiedenen Zeiträumen und zeigen, was es mit sich bringen kann: Ausgrenzung und Verfolgung, aber auch Chancen.
Homosexualität stand in Österreich bis in die frühen 1970er-Jahre unter Strafe. Bis heute wird Menschen aus der LGBTQ+-Gemeinschaft mit Vorurteilen und Ausgrenzung begegnet. Besonders grausam wurden queere Menschen aber während des NS-Regimes verfolgt: Homosexualität galt als widernatürlich und wurde mit Kerkerstrafen und Deportation ins Konzentrationslager bestraft. Andreas Brunners Buch „Als homosexuell verfolgt. Wiener Biografien aus der NS-Zeit“ (Mandelbaum Verlag) beleuchtet die Schicksale einzelner Menschen, die wegen ihrer Sexualität verfolgt, ins Exil gezwungen und ermordet wurden.
In den wenigsten Fällen sind persönliche
Dokumente der Verfolgten erhalten, die Basis der einzelnen Geschichten sind Strafakten der Wiener Nazi-Gerichte. Anhand dieser Dokumente, einiger Fotos und aufwendiger grafischer Gestaltung erschafft das Buch ein lebendiges Panorama Wiens zu einem der grausamsten Zeiträume seiner Geschichte.
Die meisten Biografien erzählen Männerschicksale. Heimliche Treffen zwischen Frauen fanden weit häufiger im häuslichen Umfeld statt und wurden daher weniger oft entdeckt. Außerdem wurde Frauen während der Nazizeit ohnehin kaum eine eigene Sexualität zugestanden. Sie waren weniger wichtig und daher weniger gefährlich als queere Männer.
Andreas Brunner ist ein talentierter Erzähler: Respektvoll, aber ohne zu viele Ausschmückungen und Sentimentalität zeichnet er die Geschichten dieser Menschen nach. Unter ihnen sind reiche und arme Wiener:innen, alte und junge Männer und Frauen, Jüdinnen und Nazis. Völlig unterschiedliche Menschen, und doch wurden sie gleichgemacht, weil sie als „abnorm“ galten.
Wir machen einen Zeitsprung ins Mittelalter. Eine Gruppe, die am Rand der Gesellschaft stand, waren damals Nonnen. Dass sie
gleichzeitig, gerade weil sie „außerhalb“ der Gesellschaft lebten, ein wichtiger Teil davon waren, zeigt das Buch „Unerhörte Frauen“ (Propyläen Verlag). Um das Buch zu schreiben, haben die beiden Universitätsprofessorinnen Henrike Lähnemann und Eva Schlotheuber Briefe und Tagebucheinträge ausgewertet.
Die Dokumente tragen zu einer Neubewertung der gesellschaftlichen Stellung und Relevanz dieser Frauen bei. Sie waren, das zeigen die beiden Autorinnen, unerhört im doppelten Wortsinn: Die Nonnen lebten abgeschieden, wurden meist nicht gesehen und gehört. Gleichzeitig waren sie unerhört einflussreich: Sie stellten eine Verbindung zwischen weltlicher und himmlischer Sphäre dar und hatten durch ihren ganz auf die christlichen Lehren ausgerichteten Lebensstil eine Vorbildwirkung. Und wenn sie sich in Ausnahmefällen doch nach außen wandten, hatten ihre Stimmen großes Gewicht.
In „Unerhörte Frauen“ ist das gelungen, was die Expertin Jeanne Rubner als unerlässlich für ein wirklich gutes Sachbuch beschreibt (auf Seite 17 lesen Sie ein Interview mit ihr): persönliche Berichte und einzelne Schicksale als Grundlage für die Erklärung
Unter dem NS-Regime wurden queere Menschen verfolgt und ermordet
eines allgemeinen Phänomens zu verwenden. In dem Buch erfährt man viel über die mittelalterliche Klostergeschichte. Vor allem aber liest man, was die zitierten Frauen –Äbtissinnen, aber auch einfache Nonnen –selbst geschrieben haben: über das klösterliche Leben, das oft selbst gewählt war und selbstbestimmt geführt wurde, und über die Verbindung der Nonnen mit der Außenwelt, auf die sie durchaus Einfluss nahmen. Nicht wirklich zur weltlichen Menschengemeinschaft dazuzugehören war für die Nonnen ein Schutz und verlieh ihnen gleichzeitig Macht.
Macht über sich selbst haben, darum geht es in Constanze Dennings Buch „Willkommen Angst“ (Ueberreuther). Die Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie schreibt über etwas, das sehr viele Menschen betrifft und trotzdem oft ein Tabuthema ist: Angst zu haben. Wenn sie zu groß wird, „funktionieren“ Menschen nicht mehr so, wie es von ihnen erwartet wird.
Angst hat einen schlechten Ruf, sie zu überwinden gilt als unbedingt notwendig. Doch wäre unsere Gesellschaft wirklich besser, wenn uns das vollständig gelänge? Nein, sagt Denning. Angst war immer auch ein wichtiger Motor für persönliche und gesellschaftliche Weiterentwicklung.
Anhand vieler Beispiele erklärt die Autorin, welche Formen von Angst es gibt und welche Hintergründe sie haben. Vor allem zeigt sie den Unterschied zwischen pathologischen Angstzuständen und Angst, die völlig normal und sogar wichtig ist. Constanze Denning hat keinen Ratgeber geschrieben, sondern ein Fachbuch, das Erklärungen liefert, bekannte Zugangsweisen hinterfragt und dabei hilft, sich selbst besser zu verstehen.
Wer sich für die neurologischen Erklärungen der Entwicklung von Angst interessiert, kann die blau hinterlegten Texte am Ende der einzelnen Kapitel lesen. Wer sich für Psychologie und Soziologie, aber weniger für Medizin interessiert, kann es bleiben lassen. So oder so: „Willkommen Angst“ ist ein informatives Buch über ein Gefühl, das normal und wichtig ist und ohne das wir Menschen nicht leben könnten.
Als homosexuell verfolgt (Mandelbaum Verlag). ISBN: 978399136-017-9
Unerhörte Frauen (Ullstein). ISBN: 978-3-549-10037-0
Willkommen Angst (Ueberreuther). ISBN: 978-3-8000-7829-5
Bookfluencer:innen empfehlen
Der Hashtag #BookTok hat auf TikTok über 23 Milliarden Aufrufe. Junge Leser:innen holen sich ihre Buchtipps mittlerweile bei Influencer:innen, die auf der Plattform bekannt sind. Wir haben drei von ihnen nach Empfehlungen im Bereich Sachbuch gefragt
Colin Hadler schreibt und liest für Jugendliche. Um diese zu erreichen, nutzt der 21-Jährige TikTok. „Die Plattform spiegelt die Probleme, Anliegen und Themen der jungen Generation wider.“ Seiner Zielgruppe empfiehlt Colin Hadler „Jeder ist beziehungsfähig“ (Kailash Verlag) von Stefanie Stahl. „Gerade in dem Alter spielen Beziehungen eine wichtige Rolle.“ Die unbegrenzten Möglichkeiten im Onlinedating würden junge Erwachsene eingrenzen, auch, da hohe Erwartungen den Leistungsdruck erhöhen. „Dating wird immer komplizierter. Wir können erst dann eine glückliche Partnerschaft führen, wenn wir uns selbst kennenlernen. Dieses Buch ist eine Anleitung dazu.“ Seine zweite Empfehlung „Mach mal halblang“ (dtv) von Matt Haig diene dazu, sich in einer „gefühlt immer schneller drehenden Welt“ zurechtzufinden. „Ich habe jeden zweiten Satz mit Farbstift markiert“, sagt Hadler. Matt Haig gelinge es, „präzise, klar und unaufgeregt die Herausforderungen unserer Zeit zu präsentieren.“
Die BookTokerin Kristina Stojanović präsentiert auf ihrem Account serbische und deutschsprachige Belletristik, Klassiker und Sachbücher. Letztere müssten in einer Zeit, in der Informationen besonders schnell weitergegeben und konsumiert werden, auf ansprechende Gestaltung und Präsentation setzen, meint sie. „Es ist mittlerweile schwieriger, Sachbücher mit einer anspruchsvollen Seitenanzahl zu konsumieren.“ Oft fehle Leser:innen Zeit und Konzentration. Besonderes Augenmerk müssten Verlage auf die Cover von Sachbüchern richten, um eine jüngere Zielgruppe zu erreichen. Ein gelungenes Beispiel sei „Cultish“ von Amanda Montell
Jeder ist beziehungsfähig: ISBN: 978-3424-63139-5
Mach mal halblang: ISBN: 978-3-42321938-9
Cultish: ISBN: 978-0-06299315-1
Femina: ISBN: 978-3-35104181-6
(Harper Collins), all jenen empfohlen, die selten Sachbücher lesen und sich dem Genre nähern wollen. Ein „cooles Buch zum Thema Sekten und sektenähnliche Gemeinschaften, das sich schnell liest“, meint Stojanović. Besonders gelungen seien Sachbücher, die eine Geschichte erzählen, statt bloß Fakten wiederzugeben. Zum Beispiel das im Aufbau Verlag erschienene Sachbuch „Femina“ von Janina Ramirez. Für alle, die am Mittelalter interessiert sind und über die Frauen dieser Epoche etwas erfahren wollen. „Das Leben wichtiger weiblicher Persönlichkeiten, die den meisten von uns bis dato unbekannt gewesen, jedoch deswegen nicht weniger relevant für die Vergangenheit und unsere Gegenwart sind.“
Auch Influencerin Linda Lime ist in sozialen Netzwerken bekannt – über anderthalb Millionen Menschen folgen ihr in Social Media. Die ehemalige Lehrerin ist selbst Sachbuchautorin und sagt, es werde immer schwieriger, jungen Menschen das Abenteuer „Buch“ schmackhaft zu machen. „In dieser schnelllebigen Welt muss es ein Buch erst mal schaffen, die Aufmerksamkeit zu halten“, sagt sie. Gelungen sei dies Autor Ali Mahlodji mit „Entdecke dein Wofür“ (GU). Die Geschichte vom stotternden Flüchtlingskind und Schulabbrecher zum Unternehmer, Speaker und EU-Jugendbotschafter sei „sehr inspirierend“, vor allem für jene, die noch nicht wissen, welchen beruflichen Weg sie einschlagen sollen oder unglücklich mit ihrer Situation sind. Ein weiterer Tipp: „Plastikfresser und Turbobäume“ (edition a) von Tara Shirvani. Ein „hoch aktuelles“ Buch, in dem Shirvani die synthetische Biologie als eine der größten Chancen beschreibt, unsere Welt zu retten.
Entdecke dein Wofür: ISBN: 978-3-83387251-8
Plastikfresser und Turbobäume: ISBN: 978-3-99001-655-8
Gegen weiße Flecken
Schwerpunkt Grätzlbuchhandlung Lainz, Helena Prinz
Helena Prinz’ kleine Grätzlbuchhandlung
Lainz zeichnet sich durch ein wohldurchdachtes und sorgfältig ausgewähltes Sortiment aus. Das Geschäft suchen vor allem Stammkunden aus dem „Dorf “ auf, sagt Prinz lächelnd und meint damit das Grätzl um die Lainzer Straße. Unter ihnen sind viele Psycholog:innen, Lehrer:innen, Künstler:innen und Wissenschaftler:innen. Sie schätzen die zahlreichen Sachbuchtitel, die stets prominent in einer der drei Auslagen liegen oder sich in drei hohen Regalen finden. Prinz nennt sich selbst eine begeisterte Sachbuchleserin, auch weil dieses Genre dazu geeignet sei, ein „eurozentrisches und patriarchales Weltbild“ aufzubrechen.
Als Beispiel nennt sie Aram Mattiolis „Verlorene Welten“ (Klett-Cotta). Darin erzählt Mattioli die „Eroberung“ Nordamerikas neu und legte den Schwerpunkt auf die Beschreibung der vielen unterschiedlichen indigenen Bevölkerungsgruppen. „Endlich ein Buch, das dem komplexen Sachverhalt der sogenannten „Entdeckung Amerikas“ gerecht wird und versucht, die kulturellen, sprachlichen, politischen Unterschiede zu dokumentieren, und die ‚Entdeckung Amerikas‘ mit all ihren Folgen als das beschreibt, was sie war: einer der größten Genozide der Menschheitsgeschichte“, sagt Prinz.
In eine ähnliche Kerbe schlägt für sie Dipo Faloyin, der mit „Afrika ist kein Land“ (Suhrkamp) gegen die Simplifizierung eines ganzen Kontinents mit seinen 54 Ländern und über 2.000 Sprachen anschreibe: „Es ist der Versuch einer Korrektur einer globalen Wahrnehmungsverzerrung. Ein unbedingt lesenswerter Stoff, der mit Witz und Klarheit
aufklärende Funktion hat und für mich einen großen weißen Fleck in meiner Allgemeinbildung kartografiert.“
Gegen das Auslassen weiblicher Perspektiven in der Kunst richtet sich eine weitere Empfehlung: „The Story of Art without Men – Große Künstlerinnen und ihre Werke“ (Piper) von Katy Hessel. Titel wie diesen brauche es, „um die Einseitigkeit im männlich dominierten Kanon zu beseitigen“.
Eine Kategorie, die Prinz besonders am Herzen liegt, ist das Sachbuch für Kinder. Etwa „Kunst forschen“ (Jungbrunnen) von Sigrid Eyb-Green, das sich vor allem zur Vorund Nachbereitung von Ausstellungsbesuchen mit Kindern eigne: „Dieses Buch über Kunst ist selbst ein Kunstbuch.“ Prinz ist von dem aufwendig gestalteten Buch begeistert. „Farbenlehre, Materialkunde und Kunsthistorisches werden so aufbereitet, dass es Erwachsene und Kinder gleichermaßen anspricht.“
Sachbuchneulingen empfiehlt Prinz Genreübergreifendes wie „1913“ (S. Fischer Verlag) von Florian Illies. Er bringt in „kurzweiligen biografischen Häppchen anekdotenhaft das kulturelle, künstlerische und politische Leben des Jahres 1913 nahe. „Ohne allzu viel Anstrengung bekommt man einen atmosphärischen historischen Rundumblick in ein Jahr und seine Auswirkungen auf das 20. Jahrhundert.“ Sachbuchaffinen Leser:innen, die „Kontroversielles suchen und nicht scheuen, sich stellenweise zu plagen“, empfiehlt Prinz Byung-Chul Hans „Die Krise der Narration“ (Matthes & Seitz Berlin): „Ein wunderbares kleines Buch für alle, die Spaß an Metaebenen haben. Eine Abhandlung über das Erzählen in all seiner Komplexität. Klein, aber oho!“
1913: ISBN: 978-3-59619324-0
Die Krise der Narration: ISBN: 978-3-7518-0564-3
„Sachbücher können ein eurozentrisches und patriarchales Weltbild aufbrechen“
Chribula, Gnas
Christina Domittner
Üblicherweise gehen über Christina Domittners Ladentheke vor allem Kinderbücher und Krimis. Es gab aber auch schon Zeiten, da reichte die Buchhändlerin Eier und Brot hin und her. „Die einen haben die Sachen bei mir abgelegt, die anderen abgeholt“, erzählt die Inhaberin von Chribula –ein Akronym von „Christinas Buchladen“ – lachend von der Naturalientauschbörse. So sei das eben auf dem Land: In der rund 800-Einwohner:innen-Gemeinde Gnas ist man einander verbunden. „Wenn es im Sommer ruhig ist“, setze sie sich mit ihren Kund:innen gern auch „auf einen Plausch“ in den Gastgarten. Den betreibt ein Kaffeehaus direkt vor ihrem Geschäft im ältesten Gebäude des Ortes am Gnaser Hauptplatz. Das sei dann wie Urlaub. Deshalb habe sie auch gar nicht das Bedürfnis, lang zu verreisen. Wäre auch schwierig, denn Christina Domittner betreibt ihre Buchhandlung als
One-Woman-Show: Abgesehen von ihrer alljährlichen Urlaubswoche steht sie jeden Wochentag im Laden.
Hier in der Südoststeiermark sind Buchhandlungen rar und dementsprechend wichtig für das örtliche Sozialgefüge. Chri-
bula ist der letzte Buchhandelsaußenposten vor der slowenischen Grenze, sieht man von der Morawa-Filiale im rund zehn Kilometer entfernten Feldbach ab. In elf Jahren wurde Chribula zu einem beliebten Treffpunkt und einer Art Kulturzentrum des Ortes. Regelmäßig gibt es hier Vernissagen und Lesungen. Wenn bei der allmonatlichen Vorlesestunde eine befreundete Pädagogin den Gnaser Kindern vorliest, sitzen selbst die Wildesten still und hören konzentriert zu.
Der Erfolg von Chribula ist eine Zufallsgeschichte: Die einstige Ortsbuchhändlerin Christine Prassl stand kurz vor dem Ruhestand und suchte eine Nachfolgerin.
Buchliebhaberin Christina Domittner, zu jener Zeit in der Gastronomie tätig, wurde spontan vorstellig: „Ich fragte, ob sie sich vorstellen könnte, dass ich übernehme.“ Christine Prassl konnte es. „Zwei Jahre lang habe ich bei ihr mitgearbeitet, mich zum Thema Buch weitergebildet und die Unternehmer:innenprüfung gemacht. Dann habe ich es gewagt.“ Viele erklärten sie damals für verrückt, schließlich war Amazon gerade auch in Gnas so richtig angekommen. „Ich habe es trotzdem gemacht und nicht bereut.“
Buchhandlung Chribula Hauptplatz 18, 8342 Gnas Tel. 03151/87 16 www.chribula.at
Dass Chribula brummt, liege vor allem an seinem großen, sorgfältig kuratierten Kinderbuchsortiment, den Schulbüchern, die die Schulen der umliegenden Gemeinden bei Domittner beziehen, und der Tatsache, dass die Wertschätzung für Bücher wieder steige, konstatiert Christina Domittner. Sie blicke optimistisch in die Zukunft. „Mein Leitsatz lautet: Die Buchhandlung ist mein viertes Kind, und Kinder gibt man niemals auf. Auch nicht, wenn es Krisen gibt. Außerdem gibt es das Buch seit 500 Jahren. So schnell wird es nun auch nicht verschwinden. Wie man beim Vinyl sieht: Alles kommt zurück!“
„Ich habe es trotz Amazon gemacht und nicht bereut“Text: Birgit Wittstock
Mein Kind liest nicht gern.“ Diesen Satz hört Lisa Laviat werktags ungezählte Male und straft ihn regelmäßig Lügen. Etwa im Fall eines angeblich leseverdrossenen Elfjährigen. Dessen Mutter stand schon bald wieder vor Laviat. Diesmal mit einer Wunschliste in Händen. Mit ihrer Empfehlung, dem Buch eines bekannten „Minecraft“-Streamers, dessen Geschichte im Universum des Lieblingsspiels des Buben angesiedelt ist, hat die Buchhändlerin genau ins Schwarze getroffen.
„Es ist toll, dazu beitragen zu können, dass Kinder Spaß am Lesen finden“, sagt die 26-Jährige, die bei Thalia auf der Wiener Mariahilfer Straße für das Kinderbuch zuständig ist.
Heute führe der Weg zur Kinderliteratur meist über Comics, Mangas, Seriencharaktere sowie Bücher von Influencer:innen und Streamer:innen. Außerdem über TikTok und andere Social-Media-Plattformen, „oft sehr zum Leidwesen von Eltern und Großeltern“. Sie würden lieber die Klassiker aus der eigenen Kindheit kaufen.
„Wenn Kinder lesen wollen, sollte man sie nicht einschränken, bloß weil einem die Geschichten, die sie ansprechen, nicht zusagen“, sagt Laviat. „Viele Kinder wollen lieber Bücher des YouTubers Paluten und nicht, wie es sich viele Großeltern wünschen, ,Ronja Räubertochter‘. Oft werden sie schon von den für sie altmodischen Buchcovern abgeturnt.“
Lisa Laviat
Lisa Laviat musste man nie zum Lesen überreden. „Meine Kindheitsheld:innen waren die Figuren von Erwin Moser und aus diversen Pixi-Büchern“, erzählt sie. Heute verschlingt sie Krimis und Fantasy. Trotzdem führte der Weg der im niederösterreichischen Gloggnitz aufgewachsenen Vielleserin erst über Umwege in den Buchhandel: Nachdem sie festgestellt hatte, dass die HTL nicht das Ihre und auch unter diversen Jobs keiner richtig war, begann sie mit zwanzig die Lehre „Buch- und Medienwirtschaft“ bei Thalia und schloss sie 2021 ab. Das große Unternehmen bot ihr die Möglichkeit, jede Abteilung kennenzulernen, und das Kinderbuch habe ihr von Anfang an besondere Freude gemacht. Also legte sie das unternehmensinterne „Thalia Talents Programm“ nach und kuratiert seither die mit Rutsche ausgestattete Kinderwelt der neu gestalteten Mariahilfer Thalia-Buchhandlung.
Hier habe sie das Gefühl, etwas bewegen, die Kinder wieder mehr zum Lesen bringen zu können. Das funktioniere in der zunehmend digitalisierten Welt eben anders als noch vor einigen Jahrzehnten. „Ich sehe inzwischen oft kleine Kinder, die über Buchseiten wischen, weil sie das haptische Umblättern nicht kennen.“ Dementsprechend arbeiten Kinderbücher heute auch oft multimedial, verfügen über haptische Elemente, QR-Codes und erzählen Geschichten von Charakteren, die die Kinder aus der digitalen Welt kennen.
Auch inhaltlich liege der Fokus heute anderswo: Diversity und englischsprachige Kinderbücher seien die großen Trends. Sorgen, dass in ihrer Abteilung irgendwann E-Reader das Buch ersetzen könnten, macht sich Lisa Laviat nicht. „Vieles, das totgesagt wurde, läuft weiterhin. Und Kinder und Bücher gehören einfach zusammen.“
„Heute führt der Weg zur Kinderliteratur meist über Comics, Mangas, SerienCharaktere sowie Bücher von Influencer:innen und Streamer:innen“Thalia Mariahilfer Str. 99, 1060 Wien Tel. 0732/761 56 67 10 www.thalia.at
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Klemens Renoldner über seinen Großvater: „Man kann doch nicht sagen: ‚Danke, dass ich ins Konzentrationslager gekommen bin‘“
Vom Staunen
über den Großvater
Klemens Renoldner ist Schriftsteller, Literaturwissenschaftler, Fan der absurden Literatur, Dramaturg, Kenner der DDR -Literatur und Stefan-Zweig-Spezialist. Hier spricht er vor allem über seine Verarbeitung der Erlebnisse seines Großvaters
Der Schriftsteller und Literaturwissenschaftler Klemens Renoldner wurde 1953 in Schärding am Inn geboren, heute lebt er in Wien. Er studierte an den Universitäten Salzburg und Wien Literatur und Musik. Von 1980 bis 1986 war er Dramaturg am Burgtheater, es folgten Engagements an den Münchner Kammerspielen, am Schauspielhaus Zürich, am Stadttheater in Bern sowie in Freiburg im Breisgau. Renoldner war Gründungsdirektor des Stefan Zweig Zentrums der Universität Salzburg, das er von 2008 bis 2018 leitete. Er ist Mitherausgeber der auf sieben Bände angelegten Edition „Stefan Zweig – Das erzählerische Werk – Salzburger Ausgabe“, die seit 2017 im Verlag Paul Zsolnay erscheint. Renoldner hat einen Roman, Erzählungen und zwei Bände mit gesammelter Prosa veröffentlicht, jüngst die „Geschichte zweier Angeklagter“ (Sonderzahl 2023) über das Schicksal seines Großvaters als politischer Häftling im Konzentrationslager Dachau.
Herr Renoldner, was waren die Bücher Ihrer Kindheit und Jugend?
Klemens Renoldner – Vor allem Märchen und Sagen aus Österreich, im Kinderzimmer gab es auch verschiedene Sammelbände mit Erzählungen und Gedichten, die ich sehr gerne hatte. Etwa von Vera Ferra-Mikura oder Christine Busta. Es gab Klassiker der Kinderliteratur wie die griechischen Sagen, Till Eulenspiegel, die Kinderbibel, auch ein bisschen Karl May. Ich habe ungefähr zehn Karl-May-Bände gelesen, was bei den achtzig oder mehr Bänden nicht sehr viel ist. Großen Eindruck auf mich machte ein Freund meiner Eltern, ein Priester, der uns auf seinem tragbaren Plattenspieler Karl Valentin, Georg Kreisler und Helmut Qualtinger vorspielte.
Interview: Erich Klein
Fotos : Stefan Knittel
in Kremsmünster, wo uns Adalbert Stifter als großes Vorbild präsentiert wurde.
Ist er dazu geworden?
Renoldner – Für mich erst spät. Meine Eltern haben immer über Stifter geredet und schätzten ihn als einen der beiden oberösterreichischen Heiligen. Der andere war Anton Bruckner. In der Mittelschule fand ich Stifter extrem langweilig, kitschig und falsch. Ich lernte ihn erst sehr spät wirklich schätzen und habe auch so ziemlich alles gelesen, auch „Witiko“. Bei Stifter gibt es ja nicht nur diese sentimentalische, aufklärerische Steigerung zum Humanen, Edlen, Schönen und Guten, es gibt auch viele Texte, die einen fast naturalistischen, direkten Ton haben. Da ist er ein ganz großer Schriftsteller.
Klemens Renoldner
Ich kann mich auch an eine Ausstellung über Dadaismus in Linz erinnern und den schönen Katalog mit Texten von Tristan Tzara, Hugo Ball und Ernst Jandl. Einige dieser Gedichte kann ich noch heute auswendig.
Zum Beispiel „Seepferdchen und Flugfische“ von Hugo Ball: „tressli bessli nebogen leila / flusch kata / ballubasch / zack hitti zopp“ –und so weiter. Ich war von abseitiger, schräger und vor allem komischer und surrealer Literatur begeistert.
Diese Autoren spielten schon in Ihrer Jugend eine Rolle?
Renoldner – Da war ich schon in der Oberstufe in einem öffentlichen Gymnasium in Linz. Die unteren vier Jahre verbrachte ich
Begeisterung für Literatur gab es schon in der Familie …
Renoldner – Ja, das kommt natürlich von zu Hause. Meine Eltern haben sehr viel gelesen. Mein Vater, der nach der Kriegsgefangenschaft Russisch konnte, hat sehr viel zeitgenössische russische Literatur gelesen. Er war ein ständiger Gast in der Bibliothek, und es lagen immer stapelweise Bücher herum. Auch „Archipel Gulag“, Solschenizyns vierbändige Anklage gegen den Stalinismus. Hin und wieder kaufte der Vater aus Jux am Linzer Bahnhof die „Prawda“, las uns dann zu Hause daraus vor und übersetzte es.
Gedichte haben Sie auch geschrieben?
Renoldner – Ja, Liebesgedichte natürlich. In der Oberstufe versuchte ich Stücke zu schreiben. Etwa über die bitteren Erfahrungen des Internats. Wichtiger aber war unser Schülertheater im Tagesheim der Jesuiten, dem „Studentenwerk“, kurz
„Ich war von abseitiger, schräger und vor allem komischer und surrealer Literatur begeistert“
„Stuwe“ genannt. Vier Jahre lang spielte ich hier. Unter Anleitung eines älteren Dramaturgen vom Landestheater inszenierte ich einmal selbst. Daher rührt meine Begeisterung für das Theater. Ich habe nach der Matura die Aufnahmeprüfung für die Schauspielklasse des Mozarteums in Salzburg gemacht und eigenartigerweise bestanden. Das brach ich wieder ab und studierte Germanistik und Musikwissenschaft.
Wie kam es zur Dissertation über die DDRAutorin Christa Wolf?
Renoldner – Es gab in Salzburg Walter Weiss, einen uns prägenden Professor der Germanistik, der eine Vorlesung über Literatur der DDR hielt. In seinem Seminar habe ich Mitte der 1970er-Jahre eine Arbeit über Christa Wolf geschrieben. Ich war befreundet mit Kollegen vom Kommunistischen Studentenverband KSV, wodurch sich 1975 die Möglichkeit ergab, mit einem Stipendium drei Wochen in die DDR zu fahren. Dort erlebte ich eine Lesung von Christa Wolf. Ich habe sie später auch persönlich kennengelernt. Es war eine euphorische Stimmung auf diesem Ferienkurs in Rostock, bei dem mein weiteres Interesse für DDR-Literatur entstand. Einige der damals geschlossenen Freundschaften bestehen bis heute. Ich lernte Franz Fühmann kennen, Volker Braun, Stephan Hermlin, Heiner Müller, Sarah Kirsch, Christoph Hein, die ich dann alle zu Lesungen nach Österreich eingeladen habe.
Hatten Sie keine Zweifel am politischen System der DDR, oder überwog die Sympathie?
Renoldner – Es gab eine Reihe sympathischer Sachen, die mich beeindruckt haben. Das Schlimme war umgekehrt, dass die Freunde, die wir in den folgenden Jahren besuchten, nicht ausreisen konnten. Ich habe dann sogar einmal in der DDR-Botschaft in Wien einen Antrag gestellt, ein oder zwei Semester in der DDR zu studieren. Das wurde abgelehnt. Ein Beamter der Botschaft sagte mir allerdings: „Ich glaube, Sie stellen sich das alles viel zu schön bei uns vor.“ (lacht) Ich war damals sicher sehr naiv und im Nachhinein auch mit vielen grauslichen Stasi-Geschichten konfrontiert. Es gibt auch eine Akte über mich, in der ich viele Briefe in Fotokopie wiederfand. Ich sollte eventuell als Auslands-IM angeworben werden. War aber, wie ich las, politisch „zu unverlässlich“.
Was machte die Faszination der DDRLiteratur aus?
Renoldner – Die an Literatur interessierten Menschen kannten sich in der internationalen Literatur unheimlich gut aus. Das wirkte sich auch auf die eigene Literatur des Landes aus, die viel politischer war als die Literatur subjektiver Befindlichkeit in Westdeutschland. Außerdem hatten sie ein ganz anderes Verhältnis zur deutschen Literaturgeschichte. Deshalb kommen Kleist und Büchner bei Volker Braun oder bei Heiner Müller vor. Sie haben ihre Tradition produktiv verwendet. Dass ich einmal mit Grillparzer etwas anfangen könnte, hätte ich damals bezweifelt. Anhand von Literatur wurden dort Geschichte und Zeitgeschehen analysiert, damit verschaffte man sich eine Identität. In Österreich hatte ich nichts Vergleichbares erlebt.
Sie waren über sechs Jahre Dramaturg am Burgtheater. Wie kamen Sie danach auf Stefan Zweig, mit dem Sie sich jahrelang beschäftigt haben?
Renoldner – Es gab in meiner Theaterlaufbahn einen Karriereknick. Wir hatten uns im Zürcher Schauspielhaus zerstritten, und ich kehrte nach Wien zurück, hatte aber keinen Job. Ich war verheiratet, musste zwei Kinder versorgen und bekam das Angebot, für die Stadt Salzburg zu Stefan Zweigs fünfzigstem Todestag eine Ausstellung zu machen. Ich habe mir den Autor nicht über dessen erotische Novellen oder über seine Biografien erschlossen. In dieser Ausstellung, die ich 1992 mit Peter Karlhuber gestaltete, ging es vielmehr um seinen intellektuellen Kosmos: Judentum, Wiener Bürgertum, das Kulturund Kunsterlebnis in Wien, seinen Pazifismus, seine Reisetätigkeit, die internationalen Netzwerke und natürlich das Exil.
Gerade von Zweigs sexuellen Nöten war vor einigen Jahren die Rede, seinem Exhibitionismus.
Renoldner – Es handelt sich dabei um ein Gerücht, das der Kunsthändler und Schriftsteller Benno Geiger in die Welt gesetzt hat. In seinen in Italien veröffentlichten Memoiren behauptet er, Zweig habe sich in verschiedenen Wiener Parks Mädchen nackt gezeigt. Diese Quelle ist ziemlich unsicher und unzuverlässig, auch wenn ich es für möglich halte, dass es diese exhibitionistischen Auftritte von Zweig gab. Es existiert keine Polizeiakte, es gab keine Verurteilung und darüber hinaus keine weiteren Belege. Was man vielleicht sagen kann – Zweig war
„Die DDR-Literatur war viel politischer als die Literatur subjektiver Befindlichkeit in Westdeutschland“
Klemens Renoldner
in seiner sexuellen Identität möglicherweise nicht sehr sicher.
Was sind die problematischen Schwachstellen bei Stefan Zweig?
Renoldner – Darüber wurde schon viel gesagt. Das Erste, was mir sofort einfällt: Er hat seine Kriegsbegeisterung im Herbst 1914, die in Aufsätzen und zahlreichen Briefen belegt ist, in „Die Welt von Gestern“ beschönigt. Er schreibt dort: Ich war vom ersten Tag an aufseiten der Pazifisten. Das ist ein schlechtes Gedächtnis und wurde auch schon viele Male festgehalten. Für mich viel problematischer ist der Umstand, dass er sich im Exil mit entschiedenen Aussagen gegen das, was da gerade in Deutschland entstand, zurückhält und anfangs viel zu wenig deutlich Stellung bezieht. Er hat, wie übrigens auch Thomas Mann, noch bis 1935 gehofft, wieder in Deutschland publizieren zu können. Es hat mich auch immer schon amüsiert, dass er die Welt seiner Wiener Jugend vor 1914 verklärt, als er ein junger und nicht sonderlich erfolgreicher Schriftsteller war. Aus der Sicht seines gehobenen Bürgertums waren alle ständig nur im Theater, im Musikverein oder in der Oper. Das ist natürlich ein bisschen ein Kitsch, den er da erzeugte.
Vor allem war diese Kultur nicht imstande, Widerstand gegen die heraufziehende Barbarei zu leisten.
Renoldner – Ich glaube, genau das hat Zweig sehr deprimiert – er musste einsehen, dass er mit der Kulturbegeisterung, die einst sein Leben ausgemacht hatte, gegen den faschistischen Ungeist überhaupt nichts ausrichten konnte.
Was war der Grund für seinen Selbstmord?
Renoldner – Er war depressiv, fragte sich schon 1931, „was kann jetzt noch kommen?“ Er war in Sorge, dass ihn seine Kräfte verlassen und es nur mehr bergab gehen würde. Da war er gerade fünfzig! Mit Hitlers Machtergreifung 1933 war er politisch abgestempelt: als politischer Feind. Zweig wollte aber nie direkt mit Politik zu tun haben und dachte immer, er könne die verschiedenen Positionen ausgleichen, er verstünde ja alle Seiten. Seine Welt und sein Lebensprinzip wurden zertrümmert.
Zweig hat auch den antisemitischen Bürgermeister Karl Lueger „verstanden“.
Renoldner – Das ist wirklich schwer zu verstehen. In „Die Welt von Gestern“ sagt er, er sei in seinem privaten und in seinem Berufsleben als Jude nie in irgendeiner Weise
behindert und belästigt worden. Bei diesen Aussagen kann man nur stutzig werden, weil wir aus Zweigs Briefen wissen, dass es sich ganz anders verhielt. Zweig wurde antisemitisch angepöbelt, und er beklagt sich 1933 auch bitter darüber, dass er in Salzburg nicht mehr leben könne, weil „alles nationalsozialistisch“ sei und man niemandem trauen dürfe. Acht Jahre später, 1941, als er seine Erinnerungen schrieb, war keine Rede mehr davon. Dahinter steckt ein bestimmtes Kalkül. Ich glaube, er wollte sich nicht als Opfer begreifen, obwohl er ein Verfolgter des Nationalsozialismus war.
Kommen wir zu Ihrem neuen Buch „Geschichte zweier Angeklagter“. Ihr Großvater, ein Linzer Polizist, kam aufgrund von Denunziation durch einen Vorgesetzten ins Konzentrationslager Dachau. Nach dem Krieg wurde dieser Nazi-Denunziant von einem österreichischen Volksgericht verurteilt und später freigesprochen. Warum verknüpfen sie die beiden Geschichten?
Renoldner – In unserer Familie gibt es ein siebzigseitiges Manuskript meines Großvaters über seine Untersuchungshaft in Linz von März bis September 1938. Er schrieb es Anfang der 1950er-Jahre, ich kannte die Geschichte natürlich. Erst viel später habe ich erfahren, dass es auch einen Prozess gegen diesen Vorgesetzten gab. Ich steckte dann alle Energie in die Aufarbeitung dieses drei Jahre dauernden Prozesses und die Erkundung des Umgangs von Nachkriegs-Österreich mit diesen Dingen. Kurz gesagt: Warum ist die Entnazifizierung gescheitert? Nach den anfänglich harten Bestimmungen der Alliierten und der ersten österreichischen Verfassung wurde die Verfolgung ehemaliger Nationalsozialisten immer mehr aufgeweicht. Schon im Dezember 1945 beginnt in den österreichischen Zeitungen eine unglaubliche Polemik gegen die Siegermächte: Man sollte den „kleinen Nazi“, der nur ein kleines Parteimitglied war, endlich in Ruhe lassen. Die Regierung übernimmt diese Argumentation allmählich. Es war aufregend, den ganzen Prozess zu verfolgen, bei dem rund siebzig Zeugen gehört wurden. Dann gibt es dieses strenge Urteil – der fanatische Nazi wurde zu vier Jahren schweren Kerkers verurteilt. Dessen Anwalt gelang es aber, seinen Mandanten ein Jahr später freizubekommen. Grotesk, obwohl alle seine NS-Aktivitäten bekannt waren, fehlte dem Gericht als Beweis das NSDAP-Parteibuch. Die Pointe dabei: Amerikanische Bomben hatten das Haus zerstört, in dem es hinterlegt war. Zuletzt stand der Angeklagte als unbescholtener »
Kontinent Kinderbuch
Karin Haller
Geschäftsführerin des Instituts für Jugendliteratur, www.jugendliteratur.at
Zeitvermehrung
Eine mir häufig gestellte Frage lautet: „Kann man vom Kinderbuchschreiben leben?“ „Eher nein“, pflegte ich zu antworten. Doch jüngst las ich wieder über einen erstaunlichen Ausnahmefall: In der Süddeutschen Zeitung wurde über die Autorin Marah Woolf berichtet, die mit ihren mehr als drei Millionen Mal verkauften Vampirromanen zu einer der erfolgreichsten Schriftstellerinnen Deutschlands geworden sei. Das Besondere daran: Sie ist Self-Publisherin. Und damit nicht nur für das Schreiben, sondern auch für all das zuständig, was sonst der Verlag übernimmt: Sie konzipiert mit einer Grafikerin das Cover, bezahlt eine Lektorin, Korrektorin und Setzerin, arbeitet mit einem Vertrieb zusammen, kümmert sich um Druck und Papier. Und natürlich ums Marketing. Sie ist auf Facebook und Instagram aktiv, dreht Videos für TikTok und verschickt einen WhatsApp-Newsletter. Das geht schon in Richtung Unternehmen. Das drei bis vier Titel jährlich schreibt, die neueren haben jeweils mehr als 500 Seiten. 2.000 Seiten pro Jahr, das bedeutet theoretisch täglich rund sechs Seiten ohne einen einzigen freien Tag. Und da ist die Überarbeitungszeit der Texte, so es denn eine gibt, noch nicht mitgerechnet. Die Antwort auf obige Frage könnte also lauten: „Ja, in Ausnahmefällen, wenn Sie Glück haben. Und eine Zeitvermehrungsmaschine wäre nicht schlecht.“
Bücher von Klemens Renoldner bei Sonderzahl
Geschichte zweier
Angeklagter
ISBN:
978-3-85449-622-9
1938 wird in Linz der GendarmerieMajor Alois Renoldner, der Großvater des Autors, verhaftet. Sein Vorgesetzter hat mehrere Kollegen ins Gefängnis und später ins KZ gebracht. Alle Versuche des Häftlings, sich vor einem Richter verteidigen zu können, scheitern. Renoldner wird nach Dachau überstellt, danach entlassen und zwangspensioniert. Über die Zeit der Lagerhaft, Demütigung und Folter wird er kaum mehr sprechen. Nach Kriegsende wenden sich die Verhältnisse: Die Alliierten verhaften 1946 den Denunzianten und versprechen eine Entnazifizierung. Das Volksgerichtsverfahren gegen den ehemaligen Nationalsozialisten führt zu einer Verurteilung und wird später revidiert. Obwohl die Beweislage erdrückend ist, kann er durch konsequentes Leugnen seiner NS-Karriere als unbescholtener Mann in die Gesellschaft zurückkehren.
Fein vorbei an der Wahrheit. Erzählungen, Monologe, Reportagen
Als der Großvater, ein hoher Beamter der Gendarmerie, stirbt, betritt der Erzähler noch einmal dessen Wohnung, um sich Erinnerungsstücke zu sichern. Darunter Opas Gala-Uniform, die Jahre später bei einer Schultheateraufführung Verwendung findet, danach aber verschwindet. Renoldner beschreibt Momente der Kindheit mit Winnetou und Old Shatterhand, umkreist das Schicksal des Großvaters, der für ein halbes Jahr ins Konzentrationslager Dachau verbracht wurde, und lässt ihn in der Nachkriegszeit eine fiktive Reise in die USA unternehmen. Buenos Aires, Buffalo, London und Salzburg sind die Schauplätze dieser wahrhaftigen Erzählungen.
»
Mann da, und mein Großvater wurde von alten Nazis auf der Straße verspottet. Das war für mich unfassbar. Die Energie fürs Schreiben bezog ich auch aus der Empörung darüber, wie dieser miese Typ mit seinem konsequenten Programm aus Lügen und Vertuschen Erfolg hatte.
Der Großvater ist keine ganz einfache Figur und scheint sich aller moralischen Beurteilung zu entziehen. Renoldner – Biografische Forschung versucht oft Menschen reinzuwaschen oder zu schützen, und dafür gibt es allerlei Tricks. Ich beschreite einen anderen Weg. Bei den Befragungen in der Untersuchungshaft und am Ende, im Gespräch mit der Schwester, sagte der Großvater ganz klar: Ich bin ein Beamter, ich musste das und das tun. Er sagte auch ausdrücklich, wenn ich im März ’38 auf die neue Verfassung des Deutschen Reiches eingeschworen worden wäre, dann hätte ich vermutlich entsprechend gehandelt. Im Prozess wird das auch deutlich: Er war ein Beamter, der seine Pflicht erfüllen wollte. Sein Pech war, dass er davor die illegalen Nazis konsequent verfolgt hatte. Er hat deren Versammlungen aufgelöst, Druckmaschinen beschlagnahmen lassen und Fahnen heruntergerissen. Er nahm seinen Dienst sehr ernst, und die Nazis waren verboten. Er war eben sehr gewissenhaft. Das haben ihm die Nazis dann ordentlich heimgezahlt. Ich
glaube, darin besteht die Spannung des Buches. Wenn er nur ein armes Opfer eines Bösewichts gewesen wäre, wäre die Geschichte weniger interessant gewesen.
Haben die Dichter und Schriftsteller mehr Wahrheit auf ihrer Seite als die Historiker? Renoldner – Je nachdem. Ich wollte nicht zwei Biografien vorstellen. Ich konzentriere mich vielmehr auf kleine Ausschnitte ihres Lebens. Es geht um die Jahre 1938/39 und dann 1946 bis 1949. Auf einer Seite steht ein eher psychologischer Bericht, das Innenleben des Großvaters in seiner Haft. Die andere Lebensgeschichte wird anhand der Prozessakten abgehandelt. In einem dritten Kapitel wird über die Ereignisse aus späterer Sicht gesprochen. Das steht stellvertretend für unseren heutigen Blick. Ich selbst konnte den Großvater nicht mehr fragen, ich war dreizehn, als er 1966 starb. Das Gespräch mit seiner Schwester ist fiktiv, beruht aber auch auf dokumentarischem Material und Informationen. Ich habe eine Instanz benötigt, um nochmals von außen auf die Geschichte schauen zu können. Eine Frage war etwa, warum erzählt der Großvater nichts über Dachau? Er sagte tatsächlich, er habe der SS versprochen, nie etwas darüber zu erzählen, was dort geschah. Darauf sagt die Schwester: „Spinnst du jetzt komplett? Das ist doch völlig irrelevant, was du irgendeinem SSler 1939 versprochen hast!“ Er bestand auf seinem
Versprechen. Es gebe genügend Bücher und dokumentarisches Material darüber, was die Häftlinge erlebt hatten. Mein Vater erzählte, dass der Großvater nicht einmal seiner eigenen Frau berichtet habe, wie er dort verprügelt und getreten wurde. Er sagte immer nur: „Du kannst dir gar nicht vorstellen, was dort geschah.“ Eine Wendung, die er immer wieder benützte, war: „Es war ein himmelschreiendes Unrecht!“ Und: „Wenn ich das erzähle, glaubt sowieso keiner, wie irgendwelche jungen SSler ihre Opfer so sehr verprügelten, dass sie ohnmächtig wurden.“ Ich habe in meiner Erzählung eine Instanz benötigt, die ihn noch einmal von außen zeigt, und wir sehen einen politisch naiven Menschen, der seine Pflicht erfüllen will. Das kann man vermutlich von seinem sozialen Aufstieg her erklären.
Woher stammt er eigentlich?
Renoldner – Er war das zwölfte Kind einer armen Bauernfamilie aus dem Innviertel und kam als Hilfsarbeiter nach Linz. Er hatte acht Jahre Volksschule besucht, die Schulpflicht absolviert. Beim Schachermayer wickelte
er Schrauben und Nägel in Zeitungspapiertüten, erledigte also die primitivsten Arbeiten. Im Ersten Weltkrieg kam er zum Militär, danach meldete er sich zur Gendarmerie, so kam er in den Staatsdienst. Für ihn war das ein großer sozialer Aufstieg. Er heiratete, hatte sieben Kinder und eine schöne Wohnung – „er hat es zu etwas gebracht“. Er war pflichtbewusst, sicher auch autoritär und patriarchalisch, ganz nach alter Schule. Ich weiß nicht, ob er die Kinder geschlagen hat, jedenfalls herrschten daheim Zucht und Ordnung. Natürlich legte er 1934 auf die neue Verfassung seinen Amtseid ab. Was er im Februar 1934 machte, weiß ich nicht, auch in seinem Nachlass findet sich dazu nichts.
Was hat Sie an seiner Geschichte am meisten erstaunt?
Renoldner – Er hatte mit diesen Nazi-Idioten viele schreckliche Dinge erlebt, trotzdem sagte er beim Gerichtsverfahren zweimal: „Ich bitte um ein mildes Urteil für den Angeklagten.“ Die religiöse Prägung war für den Großvater offenbar eine große Stütze, sowohl während der Haft in Linz als auch im
Konzentrationslager. Es erstaunte mich, dass er tatsächlich nichts über Dachau schrieb. Er fuhr jedes Jahr zum Treffen der Lagergemeinschaft ehemaliger Häftlinge, aber er schrieb nichts darüber. Vielmehr sagte er: „Ich bin dankbar, dass mir diese Prüfung auferlegt wurde. Ich habe für mein weiteres Leben sehr viel daraus gelernt.“ Das hält man nicht mehr aus: Man kann doch nicht sagen: „Danke, dass ich ins Konzentrationslager gekommen bin.“
Was geschah mit dem Großvater, nachdem er aus Dachau entlassen worden war?
Renoldner – Er hat bis 1945 in Linz bei einer Krankenversicherung gearbeitet, die Hälfte des Lohnes musste er strafweise dem Staat abliefern. Aber er war zuhause bei der Familie und verdiente ein bisschen Geld. Nach Kriegsende wurde er rehabilitiert und zum Oberst der Gendarmerie befördert. Bis zu seiner Pensionierung war er dann Sicherheitschef für das Mühlviertel, der sowjetischen Besatzungszone in Oberösterreich. Alles, was nach „NS-Wiederbetätigung“ aussah, wurde von ihm streng verfolgt.
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Besser lesen mit dem FALTER
Alle zwei Wochen führt die Wiener Buchhändlerin Petra Hartlieb Gespräche mit Autorinnen und Autoren über das Lesen, das Schreiben und das Leben an sich.
Zuletzt zu Gast: Caroline Wahl, Robert Seethaler, Teresa Präauer, Gertraud Klemm, Birgit Birnbacher, Daniel Glattauer, Arno Geiger und viele mehr.
Alle Folgen auf falter.at/buchpodcast und überall dort, wo Sie Podcasts hören.
Der unheilbare Jugoslawe
Eine Anspielung auf seinen zweiten Wohnsitz Graz ab 1996, von wo er halbjährig nach Sarajevo pendelte.
Bücher von Dževad Karahasan im Suhrkamp Verlag
DŽEVAD KARAHASAN (1953–2023)
Bosnier, Muslim, Schriftsteller – so verstand sich Dževad Karahasan, 1953 in Tito-Jugoslawien geboren. Ein Melancholiker, der zu allem Distanz hielt. Auch in sein eigenes Leben, meinte er scherzend einmal, mische er sich nur in seltenen Fällen ein. Eine scheinbar nostalgische Bemerkung wie „Ich bin ein unheilbarer Jugoslawe“ über den blutig gescheiterten Versuch des Zusammenlebens der südslawischen Völker in einem Staat konnte Karahasan flugs relativieren, indem er sich gleichermaßen zum Anhänger des FC Freiburg wie von FC Čelik Zenica, einer bosnischen Fußballmannschaft, erklärte.
Karahasans eigentliches Credo war Offenheit, er war gegen jede Ideologie. Nichts lag dem seit Jugendtagen leidenschaftlichen Leser deutscher und russischer Literatur, deren Einfluss er für zentral auf sein zwanzig Bücher umfassendes Werk ansah, ferner als eine Verklärung seiner bosnischen Heimat: „Die größte Gefahr kleiner Länder – du schreibst zwei halbwegs anständige Bücher und wirst zum Klassiker erklärt.“ Zu diesem wurde Karahasan, der in Sarajewo Theaterwissenschaft studiert hatte und später an der dortigen Akademie bis 1993 auch unterrichtete, mit seinem „Tagebuch der Aussiedlung“. Die Chronik der Schrecken des Krieges in der belagerten Stadt, die ihn europaweit bekannt machte, trägt überarbeitet heute den Titel „Tagebuch der Übersiedlung“.
Die bosnische Hauptstadt blieb Zentrum von Karahasans Büchern: am schönsten in „Das Buch der Gärten“ (2002), in dem er nicht nur das Paradies in Bibel, Koran und in den Geschichten von „Tausendundeiner Nacht“ analysierte, sondern auch eine wichtige Eigenschaft Bosniens auf den Punkt brachte: die enge Verbindung von Kunst, Kultur und Religion. „Religion auf Opium für das Volk zu reduzieren, wie es Genosse Marx tat, ist Unsinn.“ Der Zusammenhang von Religion und Macht, Aufklärung und Fanatismus inklusive deutlicher Anspielungen auf die Gegenwart steht auch im Zentrum von Karahasans Opus Magnum „Der Trost des Nachthimmels“ (2018). Und natürlich ein Dichter – der im 11. Jahrhundert lebende Perser Omar Chayyam, den er lange vor dem Krieg in Sarajevos Bibliothek entdeckt hatte.
„Erst als meine eigene Verzweiflung, etwas von meiner verbrannten Welt zurückzubringen, sehr groß war“, sagte Karahasan einmal, „konnte ich diesen Roman schreiben.“ Mit seinem letzten Buch „Einübung ins Schweben“ (2023) kehrte er literarisch noch einmal in das eingekesselte, von Rauchschwaden und Gestank durchzogene Sarajevo zurück. Am 19. Mai 2023 ist Dževad Karahasan in Graz gestorben. Ein ausführliches Gespräch mit dem Autor können Sie in anzeiger 7–8/21 lesen.
Einübung ins Schweben (2023)
Dževad Karahasan (Suhrkamp Verlag)
ISBN: 9783518431221
Tagebuch der Übersiedlung (2021)
Dževad Karahasan (Suhrkamp Verlag)
Der Trost des Nachthimmels (2018)
Dževad Karahasan (Suhrkamp Verlag)
Alle Bücher aus dem Bosnischen in der Übersetzung von Katharina WolfGrießhaber
– Kurz vor Schluss –Gastkommentar
Romantasy-Fans in der Buchhandlung
Mittlerweile ist klar: Social Media sind für junge Leser:innen die wichtigste Plattform für Austausch und Buchempfehlungen. Sie können sich aber auch für OfflineVeranstaltungen im stationären Handel begeistern
Romance-Festival, das wir 2023 zu einem Romantasy-Festival erweitert haben. Nachmittags haben wir noch unbekannteren Autor:innen und Selfpublisher:innen aus Tirol die Möglichkeit gegeben, ihre Bücher vorzustellen, über das Schreiben zu erzählen und uns einen kurzen Einblick in ihre Geschichten zu geben. Dieser Teil der Veranstaltung hat während des laufenden Betriebs in unserem Buch-Café stattgefunden und konnte kostenlos besucht werden.
Für die kostenpflichtige Abendveranstaltung haben wir in der zweiten Auflage unseres Festivals Spiegel-Bestsellerautorin Stella Tack eingeladen. Sie hat das begeisterte Publikum wunderbar unterhalten. Begleitet wurde die gesamte Veranstaltung von einer professionellen Moderatorin, die durch den Tag und alle Lesungen ge hrt hat.
Auch in Social Media wurde das Tyrolia-Romantasy-Festival begleitet. Viele Blogger:innen haben bereits vorab auf ihren Kanälen darauf aufmerksam gemacht. Auch während der Veranstaltungen wurde viel gepostet.
Wie begeistern wir junge Menschen r Bücher? Wie bringen wir sie zu uns in die Buchhandlung? Diese zwei Fragen beschä igen uns als Buchhändler:innen ständig. Um Antworten zu finden, schauen sich alle die Entwicklungen des Buchmarktes an, analysieren Warengruppen, reagieren auf Trends und passen die Sortimente dementsprechend an.
Wir bei Tyrolia haben dabei einen genaueren Blick auf die Romantasy-Community geworfen. Sie ist in den letzten Jahren stetig gewachsen. Wir waren fasziniert: Die Leser:innen dieses Genres tauschen sich untereinander sehr viel aus, animieren und inspirieren einander gegenseitig. Dadurch entstehen Hypes um bestimmte Bücher.
Gleichzeitig bekommen so unbekannte Autor:innen oder Selfpublisher:innen die Chance, sich zu präsentieren und zu inter-
agieren. Hauptsächlich geschieht das online auf Bookstagram und BookTok.
Dies könnte uns Buchhändler:innen dazu verleiten zu denken: Das findet alles nur online statt, hat nichts mit uns zu tun. Das Besondere an dieser Community ist jedoch, dass r sie Bücherkaufen und Bücherlesen extrem stark mit Buchhandlungen als Begegnungsorten verbunden ist!
Die Leser:innen vereinbaren Tre en in Buchhandlungen, besuchen sie gemeinsam. Denn sie möchten vor Ort die Bücher wiederfinden, die sie online schon gesehen haben, sie in Händen halten und besondere Farbschnitte bewundern. Der Besuch in der Buchhandlung ist ein Erlebnis r sie. Also haben wir uns entschlossen, ein solcher Begegnungsort zu sein, Raum zu scha en r die Besonderheiten dieser Gemeinscha . Daraus entstand 2022 die Idee zu einem
Für uns sind vor allem die vielen Rückmeldungen der Romantasy-Fans eine entscheidende Bestätigung, denn sie alle sind sich einig: So eine Veranstaltung hat noch gefehlt. Wir sind froh, dass wir diese Idee weiterverfolgt haben, und freuen uns auf eine dritte Auflage des Tyrolia-RomantasyFestivals im nächsten Jahr.
Verena Gruber leitet die Tyrolia-Hauptbuchhandlung in Innsbruck
„Das Besondere an dieser Community ist, dass r sie Bücher extrem stark mit Buchhandlungen als Begegnungsorten verbunden sind!“
Veranstaltungen Juli 2023
SAMSTAG, 1. 7.
Elisabeth Kanettis und Nils Strunk: „Tod im Paradies“ (Südbahnhotel Semmering, Semmering , 2673 Semmering, 13:30)
SONNTAG, 2. 7.
„Liebe ist …“: Maria Köstlinger & Juergen Maurer (Lesung), Duo Sonare (Theaterbühne am Haager Hauptplatz, Hauptplatz , 3350 Haag, 11:00)
Literarisch-musikalische Soiree: Ingeborg Bachmann (Gasthof Grünwald, Sankt Daniel 17, 9635 Dellach, 19:00)
MONTAG, 3. 7.
Erstes Wiener Lesetheater: „Das Mädl aus der Vorstadt“ (Weinhaus Sittl, Lerchenfelder Gürtel 51, 1160 Wien, 19:00)
DIENSTAG, 4. 7.
Junge Autor:innen: Horror, Manga, Krimi, Comic (MS Taxham, Franz-Linher-Straße 4, 5020 Salzburg, 09:00)
Raphalea Edelbauer: „Die Inkommensurablen“, Moderation: Sebastian Fasthuber (Stifter Haus Linz, Adalbert-Stifter-Platz 1, 4020 Linz, 19:00)
MITTWOCH, 5. 7.
Experiment Literatur: Birgit Birnbacher und Helena Adler (Alter Schl8hof Wels, Dragonerstraße
22, 4600 Wels, 19:30)
Erika Pluhar liest Pluhar (Kurpark Baden, 2500 Baden, 19:30)
DONNERSTAG, 6. 7.
Balkan Queer Company: Balkan Queer Lesungen (Mühlschüttelpark, An der oberen Alten Donau , 1210 Wien, 18:30)
Konrad Paul Liessmann: „Lauter Lügen“ (Posthof Linz, Posthofstraße 43, 4020 Linz, 19:30)
FREITAG, 7. 7.
Michael Stavarič: „Out of the dark“ (Währinger Park, Franz-Klein-Gasse 1, 1190 Wien, 18:30)
Lydia Haider, Judith Goetz, Marina Weitgasser: „Du, Herbert“ (neuebuehnevillach, Rathausplatz 1, 9500 Villach, 20:00)
SAMSTAG, 8. 7.
Wolfram Berger: Karl Valentins „Sturzflüge im Zuschauerraum“ (Grandhotel Panhans, Hochstraße 32, 2680 Semmering, 15:30)
Homolobby: Queere Superhelden – Leben unter dem Regenbogen (Währinger Park, Franz-KleinGasse 1, 1190 Wien, 18:30)
SONNTAG, 9. 7.
Briefwechsel von Ingeborg Bachmann und Max Frisch: Caroline Peters & Markus Hering: „Wir haben es nicht gut gemacht“ (Kulturpavillon vor dem Panhans, Hochstraße 32, 2680 Semmering, 11:00)
Robert Prosser: „Verschwinden in Lawinen“/ Elisabeth R. Hager: „Der tanzende Berg“ (Herderpark, 1110 Wien, 18:30)
MONTAG, 10. 7.
Erstes Wiener Lesetheater: „Die Frau vom Meer“ (Weinhaus Sittl, Lerchenfelder Gürtel 51, 1160 Wien, 19:00)
„Aufzeichnungen aus dem Irrenhaus“ (Steudltenn Uderns, Kirchweg 17, 6271 Uderns, 20:00)
MITTWOCH, 12. 7.
Lesung mit Musik: William Shakespeare: „Ein Sommernachtstraum“ (Palais Liechtenstein, Fürstengasse 1, 1090 Wien, 19:30)
DONNERSTAG, 13. 7.
Literaricum Lech – Eröffnung mit Denis Scheck, Michael Köhlmeier und Nicola Steiner (Hotel Sonnenburg Lech, Oberlech 55, 6764 Lech, 18:00)
SAMSTAG, 15. 7.
Alice Schwarzer und Katja Gasser : Bilanz eines aufregenden Lebens (Hotel Sonnenburg Lech, Oberlech 55, 6764 Lech, 18:00)
Bettina Balàka & Sabine Scholl: „Wechselhafte Jahre“ (Währinger Park, Franz-Klein-Gasse 1, 1190 Wien, 18:30)
MONTAG, 17. 7.
Erstes Wiener Lesetheater: „Schöne Seelen –Lebensgefährten“ (Weinhaus Sittl, Lerchenfelder Gürtel 51, 1160 Wien, 19:00)
Janko Ferk, Wolfgang Müller-Funk (Café Prückel, Stubenring 24, 1010 Wien, 19:30)
MITTWOCH, 19. 7.
Beppo Beyerl, Erika Kronabitter (Café Prückel, Stubenring 24, 1010 Wien, 19:30)
DONNERSTAG, 20. 7.
Friedrich von Thun liest Joseph Roth „Stationschef Fallmerayer“ (Grandhotel Panhans, Hochstraße 32, 2680 Semmering, 15:30)
SAMSTAG, 22. 7.
Bernhard Moshammer: „Die Holzapfel Schwestern“. Szenische Lesung zur Festspieleröffnung (Salzburger Marionettentheater, Schwarzstraße 24, 5020 Salzburg, 16:30)
SONNTAG, 23. 7.
Petra Morzé und Michael Horowitz „Herzensschlamperei“ (Südbahnhotel Semmering, Semmering , 2673 Semmering, 13:30)
DIENSTAG, 25. 7.
Joachim Meyerhoff: „Alle Toten fliegen hoch –es geht weiter“ (Thermalbad Bad Vöslau, Maital 2, 2540 Bad Vöslau, 20:30)
MITTWOCH, 26. 7.
Johanna Sebauer „Nincshof“: Lesung/Gespräch (Literaturhaus Mattersburg, Wulkalände 2, 7210 Mattersburg, 19:00)
DONNERSTAG, 27. 7.
Naima – Fiston Mwanza Mujila & Patrick Dunst: „Tanz der Teufel“ & „Plattenkiste“ (Währinger Park, Franz-Klein-Gasse 1, 1190 Wien, 18:30)
FREITAG, 28. 7.
Peter Filzmaier & Armin Wolf: „Der Professor und der Wolf“. Buchpräsentation (Theater im Park, Prinz-Eugen-Straße Parkeingang gegenüber Plößlgasse, 1030 Wien, 20:00)
SONNTAG, 30. 7.
Petra Morzé und Michael Horowitz
„Herzensschlamperei“ (Südbahnhotel Semmering, Semmering , 2673 Semmering, 13:30)
Musik & Poesie: „Ehre “(Festspielhaus Bregenz, Platz der Wiener Symphoniker 1, 6900 Bregenz, 19:30)
KINDER 1000
TIPPS
KIND IN WIEN
Informationen über das Angebot an Kultur-, Freizeit- und Sportaktivitäten für Kinder in Wien und Hilfe für Notfälle.
512 Seiten, € 18,50
ISBN 978-3-85439-721-2
Der neue Roman von
Sabine Gruber
«Eine der besten Autorinnen ihrer Generation.»
Wolfgang Paterno, Profil
Ein morgendliches Klopfen an der Tür ihrer Wiener Wohnung, die Übersetzerin Renata Spaziani öffnet, und die Nachricht, die ihr ein Polizist überbringt, ändert alles: Konrad Grasmann, mit dem sie die letzten fünfundzwanzig Jahre zusammengelebt hat, die Liebe ihres Lebens, ist, erst Anfang sechzig, am Tag zuvor auf einem Parkplatz gestorben. Seine Herkunftsfamilie war verständigt worden, Renata aber nicht...
251 S. Geb. | € 24,70[A] | ISBN 978-3-406-80696-4 Erscheint am 13. Juli © Sabine Hauswirth