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Biber, Haie und die Weltwirtscha skrise der 1930er-Jahre

Wo Schokolade keinen Trost bieten kann

Ein Jugendroman über die Folgen des Kolonialismus

In Europa gehört Schokolade zu den beliebtesten Süßigkeiten, ein Wohlfühlprodukt, das, wie Peer Martin in seinem neuen Jugendbuch schreibt, häufig mit „Trost“ oder „Kindheit“ assoziiert wird. Dass allzu o schlechte Entlohnung, Kinderarbeit und Umweltschäden in den Erzeugerländern in Kauf genommen werden, um ihren Kakaobedarf zu decken, ist vielen Konsumenten hingegen kaum bewusst. Diese Problematik nimmt der studierte Sozialpädagoge in seinem umfangreich recherchierten Roman in den Blick. Die Diskrepanzen ebenso wie die vielfältigen Verbindungen zwischen den Lebensrealitäten der westlichen Welt und der kakaoanbauenden Länder Westafrikas manifestieren sich in dem Buch dabei im Rahmen mehrerer, auf unterschiedliche Weise miteinander verknüp er Erzählperspektiven.

Wir folgen der 18-jährigen Manal, die auch symbolisch für diese komplexen Verflechtungen steht: Sie ist Berlinerin mit afroamerikanischer Mutter und deutschem Vater und jobbt in einem Schokoladegeschä . Als Manal vom über viele Ecken mit ihr verwandten Mamadou an die Elfenbeinküste eingeladen wird, besucht sie ihn, um mehr über den Kakaoanbau, aber auch ihre eigenen Wurzeln zu erfahren.

Ein weiterer Erzählstrang berichtet aus dem Blickwinkel des Maliers Issa, eines jungen Mannes, der zusammen mit seinem kleinen Bruder und weiteren Kindern unbezahlte Schwerstarbeit auf einer ivorischen Kakaoplantage leisten muss. Diese liegt in unmittelbarer Nachbarscha zu Mamadous Farm, und die Wege von Manal und Issa kreuzen sich, als die junge Frau das Umland erkundet. Zwischen den beiden Figuren entspinnt sich eine Freundscha , und trotz der Warnungen Mamadous, sich von den brutalen Plantagenbesitzern fernzuhalten, hil Manal, Issa und den Kindern zu fliehen.

Typografisch von diesem Haupthandlungsstrang abgehoben sind noch zwei weitere Perspektiven eingewoben: Manals Vater, der Schri steller Pieter, schreibt die Familiengeschichte seiner Tochter nieder. Er berichtet, wie ihre Vorfahren Idriss und Awa im Zuge des transatlantischen Sklavenhandels nach Kuba und später in die USA verkau wurden. Durch deren Geschichte werden jene unterdrückenden Strukturen begreifbar, die die Basis der modernen Ausbeutung bilden und die Manals und Issas Erfahrungen auf der Kakaoplantage historisch kontextualisieren.

LENA BRANDAUER

Peer Martin: Blut und Schokolade. Dressler, 448 S., € 20,95 (ab 14)

„Du siehst die Dinge, wie sie sonst keiner sieht“

Eine Odyssee durch Südafrika als Schule des Überlebens

Wenn die Kiefern im Wind wiegen, die Krähen davonfliegen und der Staub in der Lu tanzt, könnte das in Mitteleuropa sein, aber Kirsten Miller versetzt uns nach Südafrika, wo es schon lange nicht geregnet hat und hinter den Dünen auch Silkybark, Milchholzbäume und wilde Oliven gedeihen. Die Leute im Dorf sind abergläubisch und misstrauisch. Sie bewundern Yanela nicht dafür, dass sie sich alleinerziehend mit drei Kindern durchschlägt, sondern misstrauen ihr. Kurz nach ihrer Tochter stirbt auch die Mutter. Die Söhne sind auf sich allein gestellt. Die Lage ist deprimierend, und so macht sich der 17-jährige Ash mit Zuko auf den Weg zum wohlhabenden Vater in die Stadt.

Zuko ist acht und kann nicht sprechen. „Was andere sahen, spürte er. Was andere hörten, sah er“, heißt es an einer Stelle. „Du siehst Dinge, die sonst keiner sieht. Du kennst dich aus mit Schönheit. Mit Licht. Und Mustern“, an einer anderen. Kirsten Miller fängt hier gekonnt eine Form von Autismus als eine besondere, synästhetische Wahrnehmung ein. Die Autorin, die in Durban ein Zentrum zur Frühförderung autistischer Kinder leitet, zeigt mit ihrem einfühlsamen Stil voll feiner Zwischentöne und in träumerischer Sprache, dass man Autismus als Störung, aber auch als Begabung begreifen kann. Gespannt begleiten wir die beiden Brüder auf ihrer Odyssee hin zu Verantwortung und Menschenkenntnis – eine Geschichte über Urvertrauen, das Verlieben und Verlieren. Sie spüren die rohe Natur und die furchteinflößende Stadt und treffen auf seltsame, verrückte, hilfsbereite oder mutige Typen sowie die Lebensretterin Ela, die Leichtigkeit und Lebensfreude schenkt und sie in Fragen verwickelt, etwa, was Familie bedeutet. Das zieht sich durch den Roman, der auch Themen wie Landraub, ungleiche soziale Chancen und Zwangsheirat strei .

Die Burschen erleben Scham, Wut und Hoffnung. Sie müssen ständig abwägen: Wem vertrauen? Was ablehnen? Was annehmen? Sie schützen einander und merken: Jemanden zu lieben, das heißt ihn/ sie annehmen, wie er/sie oder auch das Seepferdchen-Stofftier ist, heißt, Kra für Entscheidungen zu geben. Denn die Gesellscha mag die Welt vielleicht in Schwarz und Weiß teilen, sie ist aber in Wahrheit „so viel größer als wir. Aber was wir daraus machen, haben wir selbst in der Hand. Unsere Entscheidungen können wir selbst wählen.“

JULIANE FISCHER

Kirsten Miller: Hörst du, wie der Himmel singt? Ein Roman aus Südafrika. Baobab, 268 S., € 22,95 (ab 15)

Bilder und Geschichten zum Träumen und Weitererzählen

40 Erzählbilder und 40 kurze Texte verführen Kinder und Erwachsene zum genauen Gucken, Träumen und Loserzählen. Mal schelmisch, mal tiefgründig, magisch und beseelt sind die Federzeichnungen von Erwin Moser, die hier erstmals vollständig in Farbe zu sehen sind.

Der Träumer Die Grillen zirpen, die Bienen und die Fliegen summen in der heißen Sommerluft. Im Wassertümpel quaken die Frösche und im Schatten eines kleinen Baumes sitzt der Träumer und träumt vor sich hin.Den großen Strohhut hat er übers Gesicht gezogen. Vor seinen Augen ist alles dunkel. Kein Mensch ist weit und breit zu sehen. Jetzt halten alle ihren Mittagsschlaf. Jeden Tag sitzt der Träumer an diesem ruhigen Plätzchen, und wenn er die Augen schließt, sieht er Tausende von seltsamen, schönen, komischen, wunderbaren und lustigen Bildern. Die Bilder beginnen zu leben und jedes Bild erzählt eine

Geschichte. Im egenland regnet es manchmal zehn Monate im Jahr. achher ist alles überschwemmt. In manchen Jahren wieder regnet es überhaupt nicht und das ganze and ist ausgetrocknet. In einem egenjahr steigt das Wasser manchmal bis zur Burg des Königs hinauf, und oft kam es vor, dass der König bis zu den Knien im Wasser auf seinem Thron saß. Schluss damit , rief der König eines Tages zornig, da er schon den heumatismus in seinen Knochen spürte. Als der egen nachließ und das W asser w ieder sank, ordnete er sofort an, ein riesiges Schi zu bauen. Sechs Monate dauerte es und das Schi war fertig. In das Schi hinein ließ der König jedoch die neue Burg bauen. Das dauerte weitere sechs Monate. nd als die ersten Tropfen des neuen egenjahres elen, rieb sich der König vergnügt die ände. r hatte jetzt eine trockene und sichere Burg. Das ganze egenjahr hindurch fuhr das Burgschi auf dem Wasser umher. nd als der König merkte, dass das Wasser wieder sank, ließ er das Schi zwischen zwei steile Felsen steuern, wo es sich einklemmte. Als das and wieder trocken war, besaß der König eine uneinnehmbare Burg, denn kein Feind konnte den steilen Felsen besteigen. Die Bewohner konnten die Burg jedoch jederzeit mit einer Strickleiter verlassen. Da s B urg schiff

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