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Das Wissenschaftsmagazin im Falter
heureka!
1–08 Beilage zu Falter. Stadtzeitung Wien | Steiermark. Nr. 18/08 Erscheinungsort: Wien. P.b.b. 02Z033405 W; Verlagspostamt: 1010 Wien; lfde. Nummer 2146/2008; Coverillustration: Reini Hackl
Wie Wissenschaft weiblicher wird
stip. A4 kind
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Die mitdenkende Studienbeihilfe >
Johannes Hahn
„Die Lebenswelten der Studierenden ernst nehmen und danach handeln“ (Bundesminister Johannes Hahn) > für jedes Kind 60 € Zuschlag und Verlängerung der Anspruchsdauer auf Kinder bis 6 Jahren > verlängerte Förderungsdauer und angehobene Altersgrenzen für Studierende mit Kind und gesundheitlich beeinträchtigte Studierende > Anhebung der Einkommensgrenzen > Anhebung der Zuverdienstgrenze auf 8000 € egal ob aus selbständiger oder unselbständiger Tätigkeit > 2800 zusätzliche Leistungs- und Förderungsstipendien > Erleichterungen bei Studienwechsel und Masterstudium > Stipendium ins EU-Ausland mitnehmen Ab Herbst 2008 4000 Beihilfenbezieher/innen mehr: 4000 x mehr Realitätsnähe.
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www.bmwf.gv.at
Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung
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EDITORIAL Liebe Leserin, lieber Leser!
Sie ist wohl die einzige Frau mit einem Body-Mass-Index über fünfzig, die weltweit Bewunderung hervorruft. Und sie ist fest in Forscherinnenhand. Seit vielen Jahren untersucht und hütet die Prähistorikerin Walpurga Antl-Weiser vom Naturhistorischen Museum Wien die 27.000 Jahre alte Steinfigur. Vor hundet Jahren wurde die Venus von Willendorf entdeckt. Das Jubiläum nehmen wir zum Anlass für das nächste Heft: heureka! wird sich der Vor- und Frühgeschichte des Menschen widmen und am 18. Juni erscheinen.
„Wie männlich ist die Alma mater?“, fragten wir bereits 1998 an dieser Stelle. Wir beklagten, dass die gläserne Decke für Frauen an den Universitäten offensichtlich besonders dick ist. Und obwohl Österreich seit Oktober 2007 (und 642 Jahre nach Gründung der ersten Universität) mit Ingela Bruner seine erste Rektorin hat (s. S. 4) und sich die Lage der Frauen in der Forschung langsam verbessert, sind sie in vielen Fächern und insbesondere auf Professorenebene nach wie vor krass unterrepräsentiert. Die stereotype Vorstellung, dass Wissenschaft eine männliche Sache sei, ist nur schwer aus der Welt zu schaffen, zumal die Sprache und die Medien dieses Klischee noch verstärken. Deshalb weisen wir explizit darauf hin, dass in diesem Heft die Verwendung von Begriffen wie „Professoren“ geschlechtsneutral gemeint ist. Wir sind uns aber auch bewusst, dass wir in der Vergangenenheit – auch und zumal bei den befragten Expertinnen und Experten – einen gewissen Gender-Bias hatten (s. S. 16). Wir geloben Besserung. Mit der Ö1-Wissenschaftsjournalistin Birgit Dalheimer sitzt nun jedenfalls auch eine Frau im heureka!-Redaktionsteam. Das wurde nach zehn Jahren auch wirklich Zeit. Danke für Ihre Treue! Die Redaktion
Julia Fuchs
Wikimedia
Nasa/USBS
Julia Fuchs
INHALT
NIEMALS AUFGEBEN 4
VENUS UND MARS 12
AB NACH AMERIKA 18
DOPPELT GEMOPPELT 20
Ingela Bruner diskutiert mit
Was die Wissenschaft über die
Fünf Österreicherinnen berichten,
Österreich bietet wenig, damit
Renée Schroeder, wie noch mehr
Unterschiede im Verhalten der
warum sie es an den Unis in den
Forscherpaare Kind und Karriere
Frauen Karriere machen könnten.
Geschlechter wirklich weiß.
USA und Kanada besser haben.
unter einen Hut bringen.
ZAHLEN 7 Gender-Schere | KARRIEREFALLEN 8 Eine Nobelpreisträgerin macht Vorschläge | KOLLEGENVEREIN 10 Benachteiligt Peer-Review die Frauen? | GENDERMEDIZIN 14 Herz-liche Unterschiede | LARA CROFT & CO. 15 Wie Wissenschaftlerinnen im Film inszeniert werden | EHER SENDEPAUSE 16 Forscherinnen in den Medien | HOOLIGÄNSE 22 Weibliche Fans von Frauen erforscht Impressum: Beilage zu Falter Nr. 18/08; Herausgeber: Falter Verlags GmbH, Medieninhaber: Falter Zeitschriften GmbH, Marc-Aurel-Straße 9, 1010 Wien, T.: 01/536 60-0, F.: 01/536 60-912, E.: heureka@falter.at, DVR-Nr.: 0476986; Redaktion: Birgit Dalheimer, Klaus Taschwer, Oliver Hochadel; Satz, Layout, Grafik: Reinhard Hackl; Druck: Berger, Horn
heureka! erscheint mit Unterstützung des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschnung
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Julia Fuchs (3)
Never give up!
Niemals aufgeben – nur mit diesem Motto gelang es Ingela Bruner und Renée Schroeder, die gläserne Decke für Wissenschafterinnen zu durchbrechen
heureka!: Es gibt in Österreich nach wie vor verhältnismäßig wenige Forscherinnen, auch und zumal in Spitzenpositionen. Wo und wann gehen die Frauen, die ja bei den Studierenden noch die Mehrheit stellen, der Wissenschaft verloren? Renée Schroeder: Meinen Beobachtungen nach beginnt das bereits bei der Dissertation. Zwar gibt es ungefähr gleich viele männliche wie weibliche Doktoranden. Aber bei den finanzierten Doktorarbeiten – das sind zurzeit ungefähr 2000 von insgesamt 16.000 – fallen die Frauen schon auf ein Drittel zurück. Das heißt, die Frauen schreiben mehr unbezahlte Dissertationen.
Boku-Rektorin Ingela Bruner und Biochemikerin Renée Schroeder sind Ausnahmen in der österreichischen Wissenschaft. Eine Diskussion über die Gründe, wo und wann Frauen der Forschung verloren gehen und was dagegen getan werden kann.
Ingela Bruner: Nach der Dissertation geht das in ähnlicher Tonart weiter. Es scheint ja so zu sein – wir arbeiten an der Boku gerade an einer diesbezüglichen Bestandsaufnahme – dass junge Frauen eher auf Stellen landen, die durch Drittmittel finanziert oder befristet sind – und daher prekär sind.
Seit einigen Jahren gibt es in Österreich spezielle Förderungsschienen wie die LiseMeitner-Stipendien, das Elise-RichterProgramm oder die Hertha-Firnberg-Stellen. Was bringen die? Bruner: Forschungsförderschienen speziell für Frauen können tatsächlich auch in eine
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Moderation: Birgit Dalheimer & Klaus Taschwer
Sackgasse führen, wenn die Frauen nach Ablauf der Spezialprogramme keine feste Stelle an der Uni haben. Ich wäre deshalb unbedingt dafür – obwohl es meinen Entscheidungsfreiraum als Rektorin einengt –, dass die Unis dazu verpflichtet werden, jene Frauen definitiv zu stellen, die bei solchen hochkompetitiven Programmen reüssieren. Schroeder: Hart formuliert könnte man sagen, dass das zu viel zum Sterben, aber zu wenig zum Leben ist. Bei uns am Campus des Vienna BioCenter gibt es viele Frauen, die auf diese Form – aber auch durch andere Drittmittel – ihre Forschungen und ganze Gruppen finanzieren. Diese Frauen sind sehr gut, aber weniger kompetitiv, weil sie ihre eigene Finanzierung auch immer wieder einwerben müssen. Die Jahre zwischen dreißig und vierzig, wo Frauen dann oft aus der Wissenschaft aussteigen, sind im Normalfall auch die
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der Familiengründung. Lassen sich Kinder und Wissenschaft überhaupt vereinbaren? Schroeder: Ich denke, dass Kinder im Prinzip nicht unbedingt ein Problem für die wissenschaftliche Karriere sein müssen. Das sind eher die männlichen Partner, auf die ihre Frauen oft viel zu viel Rücksicht nehmen. Ich kenne Frauen, die zurückstecken, weil sie dachten, dass ihre Ehe in Brüche gehen würde, wenn sie erfolgreicher wären als ihre Männer. Faktum ist auch, dass Väter hierzulande zumeist nicht dieselbe Leistung bei der Kindererziehung erbringen. Wir werden am Campus bald einen eigenen Kindergarten haben – und erleben gerade einen sensationellen Babyboom. Aber es gibt natürlich auch Probleme, zum Teil aber auch künstlich geschaffene. Zum Beispiel? Schroeder: Wenn frau schwanger wird, muss sie im Prinzip sofort aus dem Labor raus. Das sind heute die Schutzbestimmungen, die Frauen quasi entmündigen. Ich habe damals noch bis zu den Wehen gearbeitet. Das geht heute nicht mehr. Und die Projektleiter müssen trotzdem das Geld für diese Zeit zahlen. Nach wie vor besonders gering ist in Österreich der Anteil der Professorinnen. In der Novelle zum UG 2002 ist nun eine vierzigprozentige Frauenquote in allen Gremien vorgesehen. Ist das nicht eine etwas zahnlose Methode, um die Anzahl der Professorinnen zu erhöhen? Schroeder: Ich bin da auch skeptisch. Mehr Frauen in den Gremien bringen meiner Erfahrung nach relativ wenig, weil Frauen viel kritischer urteilen als Männer. Dazu kommt das Problem, dass einige Frauen jetzt nur mehr in den Gremien sitzen werden, statt die Arbeiten zu erledigen, die der Karriere zugutekommen. Ich lehne solche Jobs immer öfter ab, einfach weil ich nicht die Zeit dafür habe. Bruner: Ich bin da etwas anderer Meinung. Ich habe mich über die 40-Prozent-Quote sehr gefreut, auch wenn ich noch lieber eine 50-ProzentParität gehabt hätte. Wichtig wäre, diese Positionen auch für den Mittelbau zu öffnen. Dann hätten wir nämlich genügend Frauen. Wir müssen aber noch etwas tun: Wir müssen jenen Personen stärkere Anerkennung entgegenbringen, die diese Formen von Gremialarbeit übernehmen. Warum eigentlich? Wäre es nicht für die Karriere besser, mehr zu forschen? Bruner: Ja, das ist ja auch ein Teil des Problems. Wenn wir nur nach Publikationslisten und Impaktfaktoren gehen, dann wird niemand mehr solche Gremialjobs annehmen. In angelsächsischen Ländern oder in Skandinavien wird ein Engagement für die „Zivilgesellschaft Universität“ oder auch die Leitung von Departments viel stär-
ker anerkannt als hier. Das möchte ich ändern. Wenn eine Person Verantwortung an der Boku übernimmt oder sich „zivilgesellschaftlich“ an der Universität engagiert, dann wird diese die entsprechende Wertschätzung erhalten. Aber wie kann man den Anteil der Professorinnen nun erhöhen? Schroeder: Also, ich wäre durchaus dafür, dass man eine bestimmte Anzahl von Professuren einfach für Frauen ausschreibt. Das wäre ehrlich. Frauen sind in Sachen Quoten oft skeptisch. Männer nennen es halt einfach anders. Wenn Männer über Beziehungen zu einem Job kommen, dann haben sie kein Problem damit, Frauen hingegen schon. Als ein grundsätzliches Problem bei Berufungsverfahren sehe ich heute, dass Quantitätskriterien die Qualitätskriterien abgelöst haben. Es geht nur mehr um Impaktfaktoren, und man schaut gar nicht mehr auf die Arbeit selbst. Das macht es für Frauen auch nicht leichter. Aber das trifft doch Frauen und Männer gleichermaßen? Schroeder: Nicht unbedingt. Wenn ich mir anschaue, was Männer alles tun, damit sie in eine Zeitschrift kommen, die einen hohen Impaktfaktor hat – das wäre vielen Frauen nur peinlich. Wenn ihre Arbeit abgelehnt wird, fangen Männer an, mit dem Herausgeber zu streiten oder bitten befreundete Kollegen um Interventionen. Die meisten Frauen hingegen reichen dann einfach bei einer anderen Zeitschrift ein, die weniger Impaktpunkte hat. Bruner: Ich denke, wir sind uns einig, dass es bei den Entscheidungen darum gehen muss, die bestmöglichen Kandidaten und Kandidatinnen auszuwählen. Als Rektorin bin ich ja glücklicherweise in der Lage, bei Berufungen das letzte Wort zu haben. Und ich wehre mich dagegen, dass mir mein Denken durch Impaktfaktoren abgenommen wird. Kennzahlen mögen wichtig sein, aber eine gute Führung muss auch auf die Persönlichkeit der Bewerber und Bewerberinnen achten – sowie auf ihre Fähigkeit, zu lehren und eine Gruppe zu leiten. Wenn wir das wieder gleichberechtigt mitbewerten, dann bin ich mir sicher, dass viele starke Frauen zum Zug kommen werden.
ZUR PERSON
Renée Schroeder ist international renommierte Biochemikerin (Spezialgebiet RNA-Forschung) und Universitätsprofessorin am Department für Biochemie der Max F. Perutz Laboratories, ein Joint Venture der Universität Wien und der Medizinischen Universität Wien. Die 55-Jährige war von 2001 bis 2005 Mitglied der Bioethikkommission und ist seit 2005 Vizepräsidentin des FWF. Sie hat zwei Söhne. 2001 erhielt sie den Unesco Special Honor Award „For Women in Science“, 2002 wurde sie zur Wissenschaftlerin des Jahres gewählt. Anfang 2003 wurde sie (damals als einzige Frau) wirkliches Mitglied der mathematisch-naturwissenschaftlichen Klasse der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.
Männer alles tun, »umWasin eine Zeitschrift mit einem hohen Impaktfaktor zu kommen – das wäre Frauen nur peinlich.
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Renée Schroeder
Lässt sich das an Ihrer Uni schon abschätzen? Bruner: Zu meiner Freude sehe ich, dass wir eine Frau nach der anderen in leitende Positionen bringen können, was uns aber gewissermaßen – offensichtlich bedingt durch ihre hervorra
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genden Qualifikationen – passiert ist! Die erste Professur wurde mit einer Frau besetzt, bei der nächsten ist eine Frau sehr gut im Rennen. Wir sollten auch nicht vergessen, dass es UniFührungspositionen nicht nur in der Wissenschaft, sondern auch in den Serviceeinrichtungen gibt: Das Zentrum für Lehre wurde auf der Boku mit einer Frau besetzt, die eindeutig am besten geeignet war. Ebenso die Bibliotheksleitung und das Strategische Controlling. Und jede dieser erfolgreichen Frauen bewirkt etwas, weil sie selbst zum Vorbild wird.
Jede erfolgreiche Frau »bewegt etwas, weil sie
Frau Schroeder, an Ihnen könnten sich Frauen doch auch ein Vorbild nehmen? Schroeder: Ich glaube nicht, dass ich ein gutes Rollenmodell bin. Denn wer macht das schon, so viele Jahre lang zu kämpfen und immer wieder Ohrfeigen dafür zu bekommen. Ich habe halt einfach nie aufgegeben. 2002 war eine Professur für Biochemie ausgeschrieben. Beim Dreiervorschlag war ich der Meinung, dass die alle drei schlechter qualifiziert sind als ich und ich drohte, die Universität zu klagen, wenn sie einen der drei beruft. Dann hat der Rektor die Professur einfach nicht nachbesetzt. Die volle Professur habe ich ja erst vor einem halben Jahr erhalten.
selbst zum Vorbild wird. Ingela Bruner
ZUR PERSON
Ingela Bruner wurde in Schweden als Tochter einer Schwedin und eines kanadischen UNO-Beamten geboren. Die 56-Jährige studierte in Kanada und Wien, wo sie 1979 als erste Frau Österreichs im Fach Maschinenbau promovierte. Anschließend war sie Assistentin an der TU Wien, bei der OMV (u.a. als Direktorin und Forschungsleiterin) und an der Donauuniversität in Krems (als geschäftsführende Präsidentin) tätig. Seit 2007 bekleidet sie als erste Frau das Rektorsamt einer öffentlichen österreichischen Universität, nämlich der Universität für Bodenkultur Wien. Sie hat eine Tochter. 1979 erhielt sie den Staatspreis für Energieforschung und 1996 die österreichische Staatsbürgerschaft für besondere Verdienste um die Republik Österreich.
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Hatten Sie selbst Vorbilder? Schroeder: Ich habe in Wien Chemie studiert. Damals gab es überhaupt keine Professorinnen. Nur eine Assistentin, die sich das Leben genommen hat, als ich im zweiten Semester war. Bei meinem Post-Doc in Frankreich hatte ich mit Frauen zu tun, die selbst Forschergruppen leiteten und für mich extrem wichtig waren. Meinen dritten Post-Doc machte ich in den USA, und da hatte ich eine Frau als Chefin, die ich gerade wieder in den USA besucht habe. Die ging damals durch eine Krise, und ich sagte ihr, dass sie kämpfen soll, was sie auch getan hat. In Österreich zurück hatte ich dann die Probleme, die sie hatte. Bruner: Ich hatte keine so direkten Vorbilder und Mentoren. Aber es gab viele Menschen, von denen ich viel gelernt habe, von denen Einzelsätze sich bei mir tief eingeprägt haben. In meiner schwedischen Familie mütterlicherseits gab es eine ganze Reihe toller Frauen, die für uns junge Mädchen durchaus Vorbilder des Aufbegehrens waren. Eine Person, die wichtig war für mich, war Dr. Manfred Winterheller in Graz. Der bestärkte mich darin, große Ziele zu haben. Und nach einem Seminar 1996 beschloss ich, ganz ehrlich zu mir selbst zu sein und mir gegenüber
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zuzugeben: Ja, ich will Rektorin werden. Eine andere wichtige Einstellung, die ich von ihm vermittelt bekommen habe, war: Never give up! Für wie wichtig halten Sie Mentorenprogramme? Bruner: Das ist etwas ganz Wichtiges. Wobei Programme, um Frauen am Beginn der Karriere zu begleiten, nur ein Teil sind. Sie brauchen auch Unterstützung, wenn sie es zu einer Professur gebracht haben, weil solche Frauen es oft nicht leicht haben. An der MedUni Wien zum Beispiel treffen sich die Professorinnen regelmäßig zum Netzwerken und erarbeiten gemeinsame Strategien. So etwas will ich auch hier an der Boku unterstützen. Darüber hinaus freue ich mich über das Kooperationsangebot von Renée Schroeder, verantwortliche Boku-Frauen mit ihren Kolleginnen an den Max-Perutz-Laboratorien zusammenzubringen. Wie Sie sehen, hat das heutige Gespräch bereits etwas ausgelöst! Schroeder: Ich bin selbst auch eine Mentorin und ich denke, dass meine Mentees schon davon profitiert haben. Und ich finde auch internationale Mentorinnenprogramme wie WISE-Net, was für „Women in Science and Education“ steht, sehr wichtig – auch um Dinge zu besprechen, die sonst nicht besprochen werden. Und dafür gehen wir alle 14 Tage – wie die Männer – auch ordentlich was trinken. Unser zweites Hauptanliegen ist es, die Sichtbarkeit von Frauen zu erhöhen. Apropos Sichtbarkeit. Sie stehen beide als Wissenschaftlerinnen sehr stark in der Öffentlichkeit. Wie wichtig ist Ihnen das selbst? Schroeder: Mir ist diese Medienpräsenz eindeutig passiert. Begonnen hat das mit dem Gentechnik-Volksbegehren im Jahr 1997. Da dachte ich mir, dass ich eine Botschaft habe, die ich vermitteln möchte. Und da bekam ich sehr viel Feedback, und ich entdeckte, dass ich eine gewisse Begabung habe, Dinge zu erklären. Außerdem macht es mir Spaß. Ich glaube nicht, dass ich als Frau gefragt werde, sondern als Expertin. Auf Podien hab ich oft drei Rollen: die Frau, die Wissenschaftlerin und die Atheistin. Ich soll alle drei Rollen verkörpern – nicht selten gegen drei Männer. Das ist oft recht anstrengend. Bruner: Ich war von der großen medialen Aufmerksamkeit, die meine Wahl zur Rektorin unmittelbar danach auf sich zog, ziemlich überrascht, werde aber an der Uni durch eine sehr gute Medienspezialistin, mit der ich mich berate, wunderbar unterstützt. Außerdem habe ich enorm viel Freude daran, in Interviews und Diskussionen zu bildungspolitischen Fragen Stellung zu nehmen – so wie jetzt gerade. Die Interviewenden lösen bei mir immer wieder einen interessanten Nachdenkprozess aus.
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Bei der Anzahl der Studienanfänger und der Absolventen stellen die Frauen in Österreich längst die Mehrheit. Doch je höher es in der Hierarchie nach oben geht, desto weiter geht die GenderSchere zugunsten der Männer (blaue Punkte) auf: Mit knapp 15 Prozent bei den Professoren und fünf Prozent bei den Rektoren gehört Österreich zu den europäischen Schlusslichtern beim universitären Frauenanteil. Grafik: Hackl; APA
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Studienanfänger
Absolventen
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Rektoren
ZAHLEN BITTE! 2,7 beträgt laut einer Studie der EU-Kommission aus dem Jahr 2006 die Stärke des sogenannten „Glass Ceiling Index“ in Österreich. Damit wird ermittelt, wie schwer es Frauen haben, eine Professur zu bekommen. Diese „gläserne Decke“ ist hier damit wesentlich dicker als in den meisten anderen Ländern der EU. Im Schnitt der EU-25 beträgt der Index 2,1. Neuere Zahlen sind erst für 2009 angekündigt.
4 der acht US-amerikanischen Ivy-League-Universitäten – nämlich die Eliteschmieden Harvard, Princeton, Brown und University of Pennsylvania – haben zurzeit einen weiblichen Präsidenten. Das gilt zum Beispiel auch für das M.I.T., die beste Technische Universität der Welt, und insgesamt 23 Prozent der US-amerikanischen Universitäten (vgl. S. 18–19).
26 Prozent beträgt der Anteil der Frauen an den Gewinnern der prestigeträchtigen Starting Grants des European Research Councils (ERC), für die sich über 9000 Nachwuchsforscher um die 35 beworben hatten. Bei den Bewerbungen betrug der Frauenanteil noch 30 Prozent. Das vergleichbare START-Programm des österreichischen Wissenschaftsfonds FWF, das seit 1996 besteht, brachte es bislang nur auf 6,25 Prozent weibliche Preisträger.
83 Prozent der österreichischen Forscherinnen mit Kindern unter 15 Jahren arbeiten weniger als 35 Stunden pro Woche. Ziemlich anders sieht das bei den männlichen Kollegen aus: Bloß zwölf Prozent der forschenden Väter mit Kindern betreiben Wissenschaft als Teilzeitjob (vgl. S. 20–21).
642 Jahre lang dauerte es, ehe nach Gründung der ersten österreichischenUniversität endlich die erste Hohe Schule des Landes eine Rektorin bekam: Ingela Bruner, die seit dem 1. Oktober 2007 die Geschicke der Universität für Bodenkultur leitet.
4739 Forscherinnen gab es im Jahr 2004 in Österreich (jüngste verfügbare Zahlen). Macht eine schlanke Frauenquote von 18 Prozent, denn insgesamt sind hierzulande 26.000 Personen in Forschung und Entwicklung beschäftigt. Immerhin stieg die absolute Zahl der in Österreich beschäftigten Wissenschafterinnen zwischen 1998 und 2004 um gleich 80 Prozent von 2626 auf 4739.
16.000 Wörter brauchen Frauen im Schnitt, um ihr tägliches Redebedürfnis zu befriedigen. Die Studie, die das feststellte (Science, Bd. 317, S. 82, 2007), widerlegte zugleich aber auch das Klischee von den geschwätzigen Frauen und den schweigsamen Männern. Die Männer kamen nämlich ziemlich genau auf dieselbe Anzahl von Wörtern (vgl. S. 12–13).
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Maschinenbau
Informatik
Physik
Chemie
Biologie
Pharmazie
Erhebliche Geschlechterdifferenzen gibt es auch bei den Erstabschlüssen in naturwissenschaftlichen und technischen Studienrichtungen. Besonders stark unterrepräsentiert sind Frauen in Fächern wie Maschinenbau, Elektrotechnik oder Informatik, in denen ihr Anteil weiterhin weniger als 15 Prozent beträgt. In der Pharmazie, aber auch in der Biologie sind sie mittlerweile deutlich in der Mehrheit. Grafik: Hackl; Zahlen aus d. Hochschulbericht 2005
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Leidenschaft und Vorurteile Frauen in wissenschaftlichen Spitzenpositionen sind nach wie vor eine Minderheit. Das hat eine ganze Reihe von Gründen. Doch etliche dieser typischen Karrierefallen könnten entschärft werden. Christiane Nüsslein-Volhard
Leben im Ausnahmezustand. Wissenschaftli-
che Forschung erfordert spezielle Talente, wie Intelligenz, Leidenschaft und Fleiß. Diese allgemein anerkannten Tatsachen gelten für Männer und Frauen gleichermaßen. Gemessen an ihrem Potenzial waren und sind Frauen aber in der Wissenschaft immer noch unterrepräsentiert, speziell wenn es um Professuren oder leitende Forschungspositionen geht. In Deutschland beispielsweise sind nur rund elf Prozent aller Professoren Frauen. In der Max-PlanckGesellschaft ist der Anteil von Frauen unter den Direktoren mit etwa sieben Prozent noch geringer. Früher habe ich mich als Repräsentantin einer kleinen Minderheit vielfach unwohl gefühlt, ungeschützt und oft übersehen. Dieses Leben im Ausnahmezustand, als Rollenbild war nicht immer angenehm. Als man mir seinerzeit am Europäischen Labor für Molekularbiologie (EMBL) in Heidelberg eine Gruppenleiterstelle anbot, musste ein jüngerer männlicher Kollege das Labor mit mir teilen. Eine Frau alleine hätte kein eigenes Labor überantwortet bekommen. Das funktionierte jedoch sehr gut, der junge Kollege war Eric Wieschaus. Unsere „erzwungene“ Zusammenarbeit war Ausgangspunkt eines fantastischen Projekts, für das wir 15 Jahre später den Nobelpreis erhielten. 1985 wurde ich zur Direktorin eines MaxPlanck-Instituts ernannt. Ich erachtete das als großen Erfolg – bis ich herausfand, dass nie zuvor oder danach ein neuer Direktor so wenig Geld und Platz bekommen hat wie ich. Aber das sollte sich bald ändern: Dank sehr guter Arbeitsbedingungen und exzellenter Mitarbeiter war mein Labor sehr erfolgreich. Die Anerkennung ermutigte mich, den Präsidenten um eine Aufstockung zu bitten, und schließlich wurde auch mir zugeteilt, was meine männlichen Kollegen von vornherein erhalten hatten. Bewunderung und Ablehnung. Ich denke, die
Situation für Frauen in der Wissenschaft hat sich inzwischen entscheidend verändert. Offene Diskriminierung ist sehr selten
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geworden. Im Gegenteil, in vielen Ländern gibt es enormen politischen Druck auf Universitäten und Forschungseinrichtungen, den Anteil an Wissenschaftlerinnen in Leitungspositionen zu erhöhen. Damit erhebt sich die Frage nach möglichen Zielen einer Politik für Frauen in der Wissenschaft: Sollten etwa fünfzig Prozent aller Posten mit Frauen besetzt sein? Ich halte dieses Ziel zugegebenermaßen für nicht sehr vernünftig. Viele Frauen bewundern mich zwar für meinen Erfolg, würden aber gleichzeitig meinen Job nicht haben wollen. Männer und Frauen sind einfach verschieden. Das ist selbstverständlich keine Frage von Intelligenz, Fähigkeiten oder Talenten. Aber nach meinen Beobachtungen unterscheiden sich die Stärken, Ziele und Interessen von Frauen – zumindest im Durchschnitt – von denen ihrer männlichen Zeitgenossen.
jemand in den Vordergrund spielt, und die nicht willens sind, das Spektrum ihrer Interessen, inklusive Familie und Freunde, einzuengen. Ich persönlich habe während meiner Schulund Studienzeit breite Interessen verfolgt, mich dann aber notwendigerweise weitgehend auf mein wissenschaftliches Leben konzentriert. Ich habe keine Familie, was viele mögliche Konflikte vermeiden hilft. In meiner wissenschaftlichen Karriere hatte ich mehr Glück und Erfolg, als man erwarten kann. Nichtsdestotrotz wären nicht alle als Wissenschaftlerinnen ausgebildeten Frauen gern an meiner Stelle. Das muss man respektieren. Offensichtlich ist allerdings auch, dass viele talentierte Frauen mit großem Potenzial keine wissenschaftliche Karriere machen, obwohl sie es wollten. Und zwar aus einer komplizierten Mischung verschiedener Gründe.
Die Eitelkeit der Männer. Ich kenne viele Frauen, die meine Abneigung gegen den persönlichen Stolz, die Eitelkeit und den engen Fokus mancher erfolgreicher männlicher Kollegen teilen. Ich verstehe Frauen, die es nicht ausstehen können, wenn sich
Geschlecht und Charakter. So mangelt es Frau-
ZUR PERSON
Christiane Nüsslein-Volhard ist Biologin und seit 1985 Direktorin der Abteilung Genetik des Max-Panck-Instituts für Entwicklungsbiologie in Tübingen. 1995 erhielt sie mit Eric Wieschaus und Edward Lewis den Nobelpreis für Medizin für „ihre Entdeckungen betreffend die genetische Kontrolle früher Embryonalentwicklung“. Mit Eric Wieschaus hatte sie Gene identifiziert, die im Ei der Taufliege die Anlage des Körperplans und der Segmente steuern. Im Jahr 2004 gründete sie die Christiane NüssleinVolhard Stiftung, die begabten jungen Wissenschaftlerinnen durch finanzielle Zuschüsse die Kinderbetreuung erleichtert (www.cnv-stiftung.de).
en vielfach an Selbstvertrauen, sie sind zu zurückhaltend und bescheiden. Auf der anderen Seite aber werden Frauen mit Eigenschaften, die generell eher Männern zugeordnet werden – wie eine laute Stimme, dominant-aggressives Verhalten oder offenes Zur-Schau-Stellen von Selbstvertrauen – in unserer Gesellschaft auch nicht geschätzt. Oft hilft es, Arbeitssituationen im Geist durchzugehen und zu erkunden, ob dieselben Erwartungen und Fragen, die man an Frauen stellt, auch für einen männlichen Wissenschaftler gelten würden. Eine erfolgreiche Wissenschaftlerin wird von ihren Mitmenschen oft als Bedrohung und ehrfurchtgebietend empfunden – sowohl von Männern wie von Frauen. Als Attraktivitätsmerkmale gelten bei Frauen im Allgemeinen eher Schönheit und soziale Fähigkeiten als intellektuelle Errungenschaften. Im Rückblick erkenne ich, dass ich meinen Erfolg intuitiv so weit wie möglich vor meinen Kollegen und Freunden verborgen habe, um nicht zu provozieren. Vielen Männern fällt es deutlich schwerer, die Überlegenheit einer Frau zu akzeptieren als die eines männlichen Kollegen.
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Bundesverband Deutscher Stiftungen
„Man kann Frauen mit Kindern Zugeständnisse in Bezug auf ihr Alter machen, aber nicht auf die Qualität ihrer Arbeiten.“ Christiane Nüsslein-Volhard (m.)
Karriere auch mit Kindern. Das Problem, Familienleben und Karriere zu vereinen, betrifft meistens die Frauen. Viele Wissenschaftlerinnen entscheiden sich deshalb gegen Kinder. Wir sollten daher alles tun, um talentierten und ehrgeizigen Wissenschaftlerinnen auch mit Familie eine unabhängige, erfolgreiche Karriere zu ermöglichen. Die Vorbehalte mancher männlicher Wissenschaftler gegenüber ihren Mitarbeiterinnen mit Kindern kommen vielleicht einfach daher, dass sie sich nicht vorstellen können, wie sie selbst ihre Karrieren ohne die ständige Unterstützung ihrer Frauen geschafft hätten. Eine typische Karrierefalle für Frauen ist, dass sie lange Karenzzeiten nehmen und in Teilzeitpositionen zurückkehren. Das ist oft das Ende unabhängiger wissenschaftlicher Arbeit. Talent, Fähigkeiten und Qualifikation reichen nicht – eine wissenschaftliche Karriere verlangt auch eigenständige wissenschaftliche Arbeit und Publikationen. Das wiederum braucht Zeit und Energie, anders geht es nicht. Man kann Frauen mit Kindern Zugeständnisse in Bezug auf ihr Alter machen, aber nicht, was die Qualität und Bedeutung ihrer Publikationen betrifft. Frauen haben oft große emotionale Probleme, einen Teil der Erziehung und Betreuung ihrer Kinder anderen zu überantworten, selbst wenn es geschultes Personal ist. In vielen europäischen Ländern macht der gesellschaftliche Druck Frauen ein
schlechtes Gewissen, nicht ausreichend Zeit mit ihren Kindern zu verbringen. Tatsächlich ist es aber so, dass Kindern eine qualitätsvolle Tagesbetreuung und die Gesellschaft anderer Kinder zumeist viel Freude macht. Laborarbeit statt Hausarbeit. Manche Frauen
– speziell in Österreich, der Schweiz oder Deutschland – weigern sich, Haushaltshilfen in Anspruch zu nehmen, auch wenn sie
Sollten tatsächlich 50 »Prozent aller Posten mit Frauen besetzt sein? Ich halte dieses Ziel für nicht sehr vernünftig.
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Christiane Nüsslein-Volhard so mehr Zeit mit ihrer Familie oder im Labor verbringen könnten statt damit, Wäsche zu waschen. Für Frauen am Beginn ihrer Karriere ist das klarerweise oft zu teuer. Ich habe gemeinsam mit meiner Kollegin Maria Leptin deshalb eine Stiftung gegründet, die talentierte junge Mütter mit Förderungen für Haushaltshilfen unterstützt. Unsere ersten Erfahrungen sind positiv, nicht zuletzt wegen der moralischen Unterstützung, die wir diesen Frauen geben können.
Ein weiteres Problem, das Frauen mehr betrifft als Männer, ist ihre Bereitschaft, organisatorische Arbeiten in ihrer Institutionen zu übernehmen, wenn immer sie darum gebeten werden. Zusätzlich werden Frauen, weil sie in der Wissenschaft immer noch eine Minderheit sind, gerne mit Einladungen zu Mitgliedschaften in verschiedensten Gremien überhäuft. Frauen müssen solche Anfragen häufiger ablehnen als Männer, und sie müssen es aushalten, dafür nicht immer geliebt zu werden. Wären Männer sensibler gegenüber Genderfragen, wäre die verpflichtende Teilnahme einer Frau in Kommissionen unnötig. Ende der Diskussion. Die Aussichten für Wissenschaftlerinnen waren zwar nie besser als jetzt, aber immer noch haben Frauen nicht die gleichen Möglichkeiten wie Männer, ihre Leidenschaft für die Wissenschaft in eine erfolgreiche Karriere zu verwandeln. Ich hoffe, dass all die Bemühungen, das zu ändern, bald zu einer Situation führen, in der das Thema Frauen in führenden Positionen in der Wissenschaft nicht mehr ständig diskutiert werden muss. Übersetzung: Birgit Dalheimer
Der Text ist eine gekürzte Fassung des Artikels: „Women in science – passion and prejudice“, erschienen in Current Biology (Bd. 18, Nr. 5, 2008). Nachdruck mit freundlicher Genehmigung von Elsevier.
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Schiedsgericht mit Schlagseite Peer-Review ist das Standardverfahren zur Beurteilung der wissenschaftlichen Qualität von Studien und Projekten. Doch diese Form der Begutachtung geht immer wieder zuungusten von Frauen aus. Elke Ziegler
Sturm der Entrüstung. Das Vorhaben von Christine Wennerås und Agnes Wold klang einfach und musste dennoch bei Gericht eingeklagt werden: Bewerbungen von Frauen um Post-Doc-Stipendien beim Schwedischen Forschungsrat für Medizin wurden doppelt so häufig abgelehnt wie jene ihrer männlichen Kollegen. Die beiden Medizinerinnen wollten den Grund wissen und die Bewertungen der Frauenanträge im Rahmen des Peer-Review analysieren – und lösten damit einen Sturm der Entrüstung aus. Das Verfahren sei geheim, eine Einsicht deshalb nicht möglich, und außerdem sei alles höchst objektiv abgelaufen, so die Argumentation. Die Forscherinnen klagten. Laut einem schwedischen Gesetz haben alle Bürger Zugang zu Dokumenten, die sich im Besitz von staatlichen und regionalen Behörden befinden. Das Gericht verpflichtete den Forschungsrat, die Dokumente herauszurücken. Die Analyse von Wennerås und Wold erschien bereits 1997 im britischen Wissenschaftsmagazin Nature (Bd. 387, S. 341– 343; begutachtet von drei Männern, wie Nature anmerkte). Bis heute wird sie als der Beleg schlechthin dafür zitiert, was die Verzerrung des scheinbar objektiven Peer-ReviewVerfahrens zum Nachteil der Frauen betrifft:
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Es konnte nämlich erstmals eindeutig belegt werden, dass männliche Gutachter die wissenschaftliche Kompetenz von Forscherinnen geringer einschätzten als die der Geschlechtsgenossen – und zwar unabhängig von Zahl und Ort der Publikationen.
einem Peer-Review-Verfahren mit geschlechtsspezifischer Voreingenommenheit am Leben erhalten wird. Aber wie lässt sich diese Verzerrung festmachen? Renommierte Zeitschriften weisen jedenfalls entrüstet von sich, dass es bei ihnen so etwas wie einen Gender-Bias gebe.
Beste Qualitätsprüfung? Das Peer-Review-Ver-
fahren gilt als die beste Methode, um die inhaltliche Qualität von Projektanträgen, aber auch von Publikationen zu prüfen. Dabei ist das Verfahren noch gar nicht so alt: „Erfunden“ im England des 18. Jahrhunderts, konnte sich die Methode erst nach dem Zweiten Weltkrieg durch die Förderungseinrichtungen und Magazine im englischsprachigen Raum richtig etablieren. Nicht ohne Funktionsverschiebung: Während ursprünglich die Klärung inhaltlicher Fragen im Mittelpunkt stand, wurde es zu einem Schiedsgericht, das über Geld und Publizität entscheidet. Genau darin liegt aber auch die Problematik von Verzerrungen, etwa hinsichtlich des Geschlechts. Wer weniger bewilligte Projekte und eine geringere Anzahl von Veröffentlichungen vorzuweisen hat, bekommt wieder weniger Geld und Öffentlichkeit in Form von Publikationen: ein Teufelskreis, der von
Nachfragen bei Nature. Anfragen von heureka!
bei den einflussreichen Wissenschaftsjournalen Nature und Science zeigen jedenfalls, dass sie auch kein Interesse daran haben, der Frage nachzugehen: Ruth Francis, Pressesprecherin von Nature, betont, dass sie keine Aussagen dazu machen kann, weil es bei ihrer Zeitschrift keine Aufzeichnungen zum Geschlecht ihrer Autoren gibt. Wie das Männer-Frauen-Verhältnis bei den Gutachtern aussieht, dazu könne sie sowieso nichts sagen, denn das sei alles „streng vertraulich“. Gleichlautend die Aussage von Natasha Pinol von Science: Man wolle schlicht die „beste Forschung“ publizieren, ohne dabei auf das Geschlecht zu achten, so der Tenor beider Journale. „Das ist genau das Problem: Man erfährt einfach nichts, und das Peer-Review-Verfahren bleibt unangetastet als objektiv bestehen“, kritisiert Brigitte Ratzer, Leiterin der Koordi-
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nationsstelle für Frauenförderung und Gender Studies an der Technischen Universität (TU) Wien. Dass akademische Leistungen von Frauen und Männern unterschiedlich bewertet werden, habe sie hauptsächlich in Berufungsverfahren erlebt: „Da wird beim Herrn Kollegen die lange Publikationsliste gelobt, während man bei der Frau Kollegin kritisiert, dass man bei den vielen Publikationen gar nicht wissen kann, was sie tatsächlich zu den Studien beigetragen hat“, erzählt Ratzer, die viele Jahre als Gleichstellungsbeauftragte der TU tätig war. Matthäus und Matilda. Sie bestätigt damit aus der
Praxis den sogenannten „Matthäus-Effekt“ und seine Gender-Variante „Mathilda“: „Wer hat, dem wird gegeben werden“, heißt es im Matthäus-Evangelium. In der Wissenschaft gilt das offenbar vor allem für Männer. Ihre Publikationen werden häufig zitiert, ihre Forschung damit angesehener, wodurch sie bei Gutachten besser abschneiden. Der „Mathilda-Effekt“ führt hingegen dazu, dass die Arbeit von Frauen Männern zugerechnet wird und die positive Aufmerksamkeitsspirale nie in Gang kommt. Trotz der Geheimniskrämerei gibt es doch immer wieder Belege, dass Peer-Review eine Frauen benachteiligende Schlagseite haben kann. Zuletzt machte ein Versuch des Fachjournals Behavioral Ecology Schlagzeilen: Die Zeitschrift stellte ihr Begutachtungsverfahren im Jahr 2001 von „singleblind“ auf „double-blind“ um: Plötzlich waren nicht mehr nur die Gutachter anonym, sondern auch die Namen der Autorinnen und Autoren wurden so verändert, dass kein Geschlecht mehr abgelesen werden konnte – beide Seiten waren also „blind“. Doppelblind macht’s sichtbar. Die Veränderungen waren erstaunlich: In den vier Jahren vor 2001 stammten in Behavioral Ecology 220 Veröffentlichungen von männlichen Erstautoren und 84 von weiblichen, in den vier Jahren nach der Umstellung waren es 277 Studien von Männern und 162 von Frauen. Ein klarer Fall von Gender-Bias, heißt es in der heuer veröffentlichten Analyse (Trends in Ecology and Evolution, Bd. 23, S. 4). Denn auch die Anzahl von Ökologie-Absolventinnen ist in den analysierten Jahren nicht so stark gestiegen, dass sich damit der sprunghafte Zuwachs bei den Erstautorinnen erklären ließe. „Doppelblindverfahren sollten eigentlich Standard bei Peer-Reviews sein“, meint auch der Wissenschaftsforscher Gerhard Fröhlich von der Universität Linz. Zeitschriften rühmen sich gerne mit prominenten Forschern, deshalb sei eigentlich die dreifache Blindheit angesagt, um systematische Verzerrungen zu verhindern, so Fröhlich: Auch die Herausgeber sollten nicht erfahren, wer Studien zur Publikation einreicht. Dann könnten sie nicht etwa durch die Wahl besonders strenger oder milder Gutachter das Ergebnis weitgehend vorherbestimmen.
Mit seinem Vorstoß wird Fröhlich aber wohl ungehört bleiben: Nature hat sich kürzlich erst sogar gegen die Einführung von Double-Blind ausgesprochen – das sei einfach nicht nötig, die Objektivität auch so gesichert, wurde argumentiert. Antragsteller ohne Anonymität. Auch bei den For-
schungsförderungseinrichtungen hält man bisher nicht viel von einer Anonymisierung der Antragsteller: Man brauche die Angaben zur Person und die Publikationslisten, um die Ansuchen in ihrer Qualität beurteilen zu können, erklärt Gerhard Kratky, Geschäftsführer des Forschungsförderungsfonds FWF. Angesichts der nahe beieinanderliegen-
Renommierte Zeitschriften wie Science und Nature weisen entrüstet von sich, dass es bei ihnen so etwas wie einen Gender-Bias gebe. den Bewilligungsraten von Frauen und Männern (40,6 Prozent der Frauenanträge wurden 2007 bewilligt, 41,8 von jenen der Männer) könne man nicht von einem Gender-Bias bei der Begutachtung sprechen. Beim START-Programm, das sich an junge Spitzenforscherinnen und -forscher wendet, weisen die Zahlen für 2007 sogar einen Vorteil für Wissenschaftlerinnen aus: Frauen stellten 18,7 Prozent der Bewerbungen und bekamen 25 Prozent der Bewilligungen. Für die Jahre zuvor sieht die Sache allerdings etwas anders aus: von den 1996 bis 2006 von einer Fachjury (also per Peer-Review) ausgewählten 54 Preisträgern waren nur zwei Frauen, also 3,7 Prozent. Bei den Anträgen stellten Frauen indes (immer noch schwache) 13 Prozent, nämlich 46 von 354. Kratky meint dazu, dass der FWF sensibler geworden sei für die Schwierigkeiten von Frauen in der Forschung – indem man unter anderem das strikte Alterslimit von 35 Jahren aufweichte. Systematische Unterschiede. Bei der Deutschen For-
schungsgemeinschaft (DFG) ist man in einer Analyse auf nur kleine, aber als systematisch bewertete Unterschiede nach Geschlecht und Alter gestoßen. Dort vermutet man im Peer-Review-Verfahren die Ursachen und denkt ein Experiment an: Durch einen vorübergehenden Blind-Review könnte überprüft werden, ob Gutachten durch die Reputation der Einreichenden beeinflusst werden – sprich: ob der Matthäus-Effekt auch hier gilt. Es könnte sein, dass – analog zur Analyse der Schwedinnen Wennerås und Wold – Antragstellerinnen höhere Nachweise wissenschaftlicher Kompetenz abverlangt werden als männlichen Kollegen. Im Reich des geheimnisumwitterten Peer-Review klingt das fast schon wie ein Offenbarungseid.
Zum Nachlesen Wennerås, Christine/Wold, Agnes (1997): Vetternwirtschaft und Sexismus im Gutachterwesen. In: Beate Krais (Hg.) (2000): Wissenschaftskultur und Geschlechterordnung. Über die verborgenen Mechanismen männlicher Dominanz in der akademischen Welt. Frankfurt, New York: Campus, S. 107–120 (dt. Fassung des Nature-Artikels) Gerhard Fröhlich (2006): „Informed Peer Review“ – Ausgleich der Fehler und Verzerrungen? In: HRK (Hochschulrektorenkonferenz) (Hg.): Von der Qualitätssicherung der Lehre zur Qualitätsentwicklung als Prinzip der Hochschulsteuerung. Bonn, S. 193–204 Deutsche Forschungsgemeinschaft (2008): Wissenschaftlerinnen in der DFG. Förderprogramme, Förderchancen und Funktionen (1991–2004). Weinheim, WILEY-VCH Bornmann, Lutz/Daniel, Hans-Dieter (2003): Begutachtung durch Fachkollegen in der Wissenschaft. Stand der Forschung zur Reliabilität, Fairness und Validität des Peer-Review-Verfahrens. In: S. Schwarz & U. Teichler (Hg.): Universität auf dem Prüfstand. Konzepte und Befunde der Hochschulforschung. Frankfurt a. M.: Campus, S. 211–230
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Verschieden und doch gleich Frauen können sich nicht orientieren, Männer nicht zuhören. Solche Thesen à la „Frau kommt von der Venus, Mann vom Mars“ verkaufen sich gut. Wissenschaftlich haltbar sind sie aber meist nicht. Birgit Dalheimer
Was taten Frauen in der Steinzeit? Versuche,
weiter und schneller, masturbieren öfter, sind aufgeschlossener gegenüber OneNight-Stands und neigen etwas mehr zu körperlicher Aggression. Das ist es aber auch schon, worin sich Männer im Durchschnitt nachweislich von Frauen unterscheiden. Diesen Schluss hat sich die Psychologin Janet S. Hyde von der University of Wisconsin nicht leicht gemacht. Sie verglich insgesamt 46 Meta-Analysen über Geschlechterunterschiede, die wiederum auf Einzeluntersuchungen über Intelligenz, Sprachvermögen, soziale und psychologische Eigenschaften, motorische Fähigkeiten bis hin zu moralischem Empfinden beruhten (American Psychologist, Bd. 60, S. 581– 592, 2005). Und siehe da: Die lange Liste angeblich angeborener Unterschiede ist laut Hydes Meta-Meta-Analyse schlichtweg völlig übertrieben. Aus Behauptungen wie: Frauen können von Natur aus schlechter einparken und nicht räumlich denken, Männer lernen weniger leicht Sprachen und sind überhaupt nicht so kommunikativ – kurz, Frauen kämen von der Venus und Männer vom Mars –, mögen sich zwar einträgliche Bestseller basteln lassen, sie sind nur einfach großteils falsch. Bis vor etwa zwanzig Jahren galt die prinzipielle Gleichheit der Geschlechter – abgesehen von den offensichtlichen körperlichen Unterschieden. Dann traten vor allem Psychologie und Neurowissenschaft auf den Plan. Und plötzlich mehrten sich Untersuchungsergebnisse, die vermeintliche naturgegebene Unterschiede im Verhalten der Geschlechter herausarbeiteten und diese mit evolutionär bedingten Notwendigkeiten zu begründen suchten.
menschliches Verhalten als Folge evolutionär notwendiger Anpassungen vor langer, langer Zeit zu erklären, sind bestechend. Die Eigenschaften, die vor zehntausenden Jahren notwendig waren, um zu überleben und sich fortzupflanzen, so der Grundtenor der Evolutionspsychologie, die hätten sich seither in die menschliche Natur eingeschrieben. Erklärt wird damit alles vom
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männlichen Seitensprung bis zum fehlenden Orientierungssinn der Frauen. Allerdings stellen Archäologen immer öfter das klassische Bild der Jäger-und-SammlerGesellschaften, das diesen Erklärungsmodellen meist zugrunde liegt, infrage. Das fängt damit an, dass die altsteinzeitliche Frau wahrscheinlich gar nicht nur in ihrer Höhle oder ihrem Zelt saß, Kinder hütete oder Beeren sammelte. Sondern sie beteiligte sich vermutlich ebenso sehr an der Jagd
wie die Männer. Nomadisierend durch die Lande gezogen sind unabhängig von Geschlecht und Alter sowieso alle. Weshalb sollte man eigentlich annehmen, dass die Frauen dabei mit Kind und Kegel blindlings den Männern folgten, die immer wussten, wo’s langgeht? Und was die Mutterrolle betrifft, schreibt die US-amerikanische Neuropsychologin Louann Brizendine in ihrem umstrittenen Bestseller „Das weibliche Gehirn. Warum Frauen anders sind als Männer“ (2007) zwar, dass die Frau durch das Kinderkriegen seit jeher ein anderer Mensch würde, weil sich ihr Gehirn verändere. Gut, das tut das Hirn einerseits immer wieder als Reaktion auf einschneidende Veränderungen – und zu denen gehört wohl unbestritten auch die Mutterschaft. Andererseits bedeutet das noch lange nicht, dass die vornehmlich in patriarchalischen Gesellschaften geltenden Rollenbilder von Frauen als Wesen, deren Bestimmung einzig und allein in der liebevollen Aufzucht ihres Nachwuchses liegt, „naturgegeben“ wären. Mutterschaft ist überall in der Natur ein ununterbrochener Entscheidungsprozess, zu dem im Extremfall auch Kindstötung, Kinder im Stich zu lassen, Fremdgehen und Promiskuität gehören – keine Spur von zurückhaltenden, leidenschaftslosen Weibchen ohne eigene Interessen, argumentiert die Anthropologin Sarah Blaffer Hrdy in ihrem Monumentalwerk „Mutter Natur“ (2000). Ticken Frauenhirne anders? Die Diskussion
über naturgegebene Geschlechterdifferenzen verlagerte sich zuletzt – auch durch den Siegeszug der Hirnforschung – immer mehr in das Gehirn. Da gibt es tatsächlich anatomische Unterschiede zwischen Frauen und Männern. Das Gehirn einer Frau ist
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Sind Frauen auch nur Männer? Sie werfen
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Während der Regel und nach den Wechseljahren nähert sich das Denken der Frau dem des Durchschnittsmanns an.
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ein bisschen kleiner und leichter als das eines gleich großen Mannes. Was aber bedeuten diese durchschnittlich hundert Gramm Gewichtsdifferenz? „Rückschlüsse auf die Intelligenz lassen sich daraus auf jeden Fall nicht ziehen. Das zeigen unzählige Untersuchungen“, sagt der Neuropsychologe Aljoscha Neubauer von der Universtität Graz. Der britische Psychologe Simon Baron-Cohen (der Cousin des Komikers Sacha Baron Cohen) sieht freilich schon Unterschiede: und zwar in der Verschaltung des weiblichen Gehirns, das eher auf Empathie angelegt sei, „während im männlichen Gehirn die Netzwerke für das Verstehen und Bauen von Systemen die Fundamente bilden“. Diese Behauptung untermauerte er durch ein Experiment mit Neugeborenen: Männliche Babys schauten eher auf ein Mobile, während kleine Mädchen das lächelnde Gesicht einer Mitarbeiterin bevorzugten. Bleibt die Frage, was das bedeutet. Denn schließlich entwickeln sich neunzig Prozent der Verknüpfungen im Gehirn erst in den ersten Lebensjahren, und zwar in Reaktion auf Erfahrungen in und mit der Umwelt. Die wenigsten Unterschiede zwischen den Gehirnen der Geschlechter sind also wirklich angeboren. Und selbst wenn es Unterschiede gibt, kann niemand sagen, ob oder wie sie mit dem Verhalten zusammenhängen, gibt etwa der Neuropsychiater Lutz Jäncke von der Universität Zürich zu bedenken. Haben Frauen keinen Orientierungssinn? Ob wir in einer fremden Stadt anhand von konkreten Orientierungshilfen wie Wirtshäusern oder Schuhgeschäften oder anhand abstrakterer Richtungsangaben wie Nor-
den, Süden oder 500 Meter geradeaus nachhause finden, ist keine Frage der Natur. Der angeblich schlechtere Orientierungssinn von Frauen ist Folge geschlechtsstereotyper Sozialisation, darin stimmen die meisten einschlägigen Untersuchungen überein. Der einzig signifikante Unterschied findet sich beim sogenannten mentalen Rotationstest. Dabei wird das räumliche Vorstel-
lungsvermögen gefordert, indem man dreidimensionale Figuren im Geist auf Übereinstimmungen prüft. Das scheint Männern leichter zu fallen als Frauen. Verantwortlich dafür könnte das Testosteron sein. Die Sexualhormone sind bei Mann und Frau zwar nicht grundverschieden: Sowohl das männertypische Hormon Testosteron als auch das frauentypische Östrogen kommen bei beiden Geschlechtern vor – nur eben in deutlich unterschied-
lichen Mengen. Männer haben durchschnittlich zehnmal so viel Testosteron wie Frauen. Das viele weibliche Östrogen scheint den Frauen die Sicht beim mentalen Rotieren zu vernebeln. Wenn indes der Östrogenspiegel während der Menstruation sinkt, dreht die Frau dreidimensionale Objekte im Kopf fast so gewandt wie der Mann. Eine andere Folge der hormonellen Schwankungen hat der Psychologe Markus Hausmann von der Durham University entdeckt: Anstatt wie sonst mit beiden Gehirnhälften gleichzeitig verarbeitet das weibliche Gehirn Aufgaben während der Menstruation und im fortgeschrittenen Alter, wenn die weiblichen Hormonspiegel sinken, asymmetrisch. Zum Beispiel Sprache rechts, Raum links – wie Männer. Während der Regel und nach den Wechseljahren nähert sich das Denken der Frau also dem des Durchschnittsmanns an. Und was folgt daraus? Insgesamt gibt es deutlich mehr Studien, die belegen, dass die Unterschiede im Verhalten innerhalb eines Geschlechts statistisch größer sind als die zwischen den Geschlechtern. Was können die Untersuchungen über behauptete Unterschiede zwischen Frau und Mann für die Einzelne und den Einzelnen dann überhaupt erklären? Eigentlich nicht besonders viel, lautet ein weiterer Schluss aus Janet Hydes Meta-Analyse. Umso größere Vorsicht sei bei griffig formulierten Mars-Venus-Thesen geboten, meint die Psychologin. „Diese Behauptungen können die Möglichkeiten von Frauen am Arbeitsplatz einschränken, sie bringen Paare davon ab zu versuchen, ihre Konflikte und Kommunikationsprobleme zu lösen, und sie führen zu völlig unnötigen Erschwernissen, die das Selbstvertrauen von Kindern und Heranwachsenden verletzten können.“
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Frauenherzen schlagen anders Viele Jahrzehnte lang haben Forschung und Pharmaindustrie den Mann als medizinisches Maß für den Menschen genommen – mitunter mit letalen Folgen für Frauen. Die Gendermedizin schafft seit ein paar Jahren Abhilfe Andreas Feiertag Aspirin und Aids. Was wäre die Medizin
doch ohne Acetylsalicylsäure? Nicht nur, dass Aspirin Kopfschmerzen lindert und Fieber senkt. Als Blutverdünner reduziert es auch gleich noch die Risiken für Herzinfarkte und Schlaganfälle. Das haben Dutzende Studien über viele Jahre zwar eindeutig belegt. Ganz entspricht das dennoch nicht der Wahrheit. Erst neuere Untersuchungen fanden einen kleinen Unterschied in der Wirkung: Während bei Männern hundert Milligramm des Wirkstoffes die Gefahr eines Infarkts um 32 Prozent und die eines Schlaganfalls um 16 Prozent verringern, senken sie bei Frauen zwar das Schlaganfallrisiko um dreißig Pro-
dafür beginnen beim Hochschulzugang und enden bei tradierten Rollenbildern, die noch heute an Gesundheitsstatistiken abzulesen sind: Nicht einmal zehn Prozent des „starken“ Geschlechts gehen zu Vorsorgeuntersuchungen, während fast doppelt so viele Frauen dieses Angebot in Anspruch nehmen. Entsprechend werden Frauen um fast dreißig Prozent mehr Arzneien verschrieben als Männern. Freilich sind nur die wenigsten Medikamente (jene gegen Erkrankungen der Brust, Gebärmutter und Eierstöcke) an Frauen getestet worden: „Zum einen, um Frauen im gebärfähigen Alter vor den Risken zu schützen. Zum anderen, um eine Beeinflussung der Ergeb-
niger Magensäure und ihr Magen entleert sich langsamer, weshalb Medikamente länger im Magen bleiben und sich so die Wirkung verstärken kann. Auch die Hormone Östrogen und Progesteron haben einen mitunter erheblichen Einfluss auf die Wirkung der Präparate. „Ein Spezialthema sind Herzinfarkte und Schlaganfälle“, sagt Strametz-Juranek. Frauen haben von Natur aus eine höhere Herzfrequenz. Etliche Medikamente (Neuroleptika, Betablocker, Kalziumantagonisten) können bei ihnen deshalb zu Rhythmusstörungen führen. Bei Frauen unterscheiden sich die Risiken generell von jenen der Männer. So erhöhe Migräne mit Aura das Risiko für einen Schlaganfall um das 2,8-Fache, jenes für einen Infarkt um das 2,4-Fache, so StrametzJuranek. Und sogar eine Depression erhöhe die Risiken für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. „In diesem Fall wissen wir zwar, dass es so ist, haben aber keine Ahnung, warum“, gibt die Kardiologin unumwunden zu.
Etliche Medikamente können bei Frauen zu Rhythmusstörungen führen.
zent, haben aber überhaupt keinen Einfluss auf die Entstehung eines Herzinfarktes. Schlagen Frauenherzen also nicht nur literarisch anders? Es dauerte verblüffend lang, ehe die Medizin begriff, dass es neben Männern noch andere Menschen gibt. Und es bedurfte eines Anlasses: Aids. Als man in den 1990er-Jahren die antivirale Therapie gegen HIV einführte, waren Ärzte überrascht, dass Männer sehr gut darauf ansprachen, bei Frauen hingegen die Sterblichkeitsrate um dreißig Prozent hinaufschnellte. Die Dosis war zu hoch. Diese Tragödie stellte die Geburtsstunde der Gendermedizin dar, bis dahin waren Frauen nichts anderes als Männer.
nisse durch den hormonellen Zyklus zu vermeiden“, erklärt die Wiener Internistin und Kardiologin Jeanette Strametz-Juranek, Vorsitzende der Österreichischen Gesellschaft für Geschlechtsspezifische Medizin. Und nach dem Unglück mit dem Beruhigungsmittel Contergan, das Embryos im Mutterleib schädigte, verbot die US-Gesundheitsbehörde FDA in den 1960er-Jahren sogar die Teilnahme von Frauen an Medikamententests. Was Pharmafirmen nur recht war. Denn die rekrutierten ihre Probanden für die Studien primär aus dem Militär. Die Ergebnisse wurden dann einfach auf Frauen übertragen. Differenzen der Verdauung. Dabei war da-
Männerdomäne Medizin. Medizin ist in
Europa und den USA kulturell bedingt männlich. Die geschichtlichen Faktoren
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mals schon bekannt, dass beispielsweise der Verdauungstrakt je nach Geschlecht unterschiedlich funktioniert: Frauen haben we-
schlechtssensitive Forschung tue also not – und sie passiert mittlerweile auch: Seit 2003 verlangt die FDA für die Zulassung eines für Männer und Frauen konzipierten Medikaments einen mindestens vierzigprozentigen Frauenanteil in den Studien. Auch ihr europäisches Pendant, die EMEA, legt bei Zulassungen nun Wert auf eine Frauenquote. Was die Bewältigung der Vergangenheit anbelangt, ist Strametz-Juranek weniger zuversichtlich: „Es wäre wünschenswert, dass all die vielen Medikamente, die uns Frauen seit Jahrzehnten verordnet werden, endlich auch an Frauen getestet würden. Aber wer soll das bezahlen?“ Apropos Geld: Die nunmehr verpflichtende Einbeziehung von Frauen in klinische Studien werde voraussichtlich die Medikamentenkosten erhöhen, prophezeit die Internistin. „Auf Dauer jedoch werden die Gesundheitsausgaben dadurch sinken, weil weniger Überdosierungen verabreicht und weniger Nebenwirkungen behandelt werden müssen.“
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Forschung mit Frauenanteil. Weitere ge-
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Strapse unterm Laborkittel Im Kino haben Frauen schön zu sein und dürfen kreischen. Das gilt auch für Forscherinnen made in Hollywood. Aber die Filme verändern sich. Und Lara Croft ist nicht das letzte Wort. Oliver Hochadel
Vertauschte Rollen. „He’s got the girl’s part“,
witzelte Jodie Foster über Matthew McConaughey. Der spielte nämlich im Hollywoodstreifen „Contact“ den etwas ängstlichen und emotional weichgezeichneten Theologen Palmer Joss. Foster selbst gab den „boy’s part“: Dr. Eleanor „Ellie“ Ann Arroway, eine mutige und entschlossene Astrophysikerin in leitender Position, die versucht, Kontakt mit außerirdischer Intelligenz aufzunehmen. „Ellie“ ist die Lieblingsfilmforscherin von Eva Flicker. Die Wiener Soziologin hat über 150 Filme, von den Dreißigerjahren bis heute, daraufhin analysiert, wie sie Wissenschaftlerinnen ins Bild rücken. Wie
ziert, oder die ruppige Emanze, die durch ihr ungepflegtes Äußeres besticht. Weiblichkeit und Intelligenz schließen sich vor allem in den älteren Filmen gegenseitig aus. Die Traumfabrik wurde zum Verstärker von althergebrachten Geschlechterrollen. In der bis vor kurzem völlig männlich dominierten Filmkultur gab es ja auch kaum eine Drehbuchschreiberin, Regisseurin oder Kamerafrau. Da ist es ein schwacher Trost, dass Wissenschaftlerinnen im Film im Gegensatz zu ihren männlichen Kollegen nur selten verrückt spielen und durch Klonieren die Welt beherrschen oder gleich ganz in die Luft sprengen wollen. Und wenn sie böse
Frau – um ein verletztes TyrannosaurusJunges, sorgt für ein Schlamassel und muss von einem Mann gerettet werden. Das 21. Jahrhundert brachte mit Lara Croft einen neuen Typus. In „Tomb Raider“ (2001 ff.) vereint Angelina Jolie männlichen Kämpfer und weibliche Sexbombe in einer Figur. Croft ist aber emotional unreif, laboriert an einem Vaterkomplex und hat nur männliche Bezugspersonen. Und ihre wissenschaftliche Kompetenz als Archäologin verkomme zum Anhängsel, so Flicker. Als Rollenmodell für Teenagerinnen auf Berufssuche scheidet sie damit wohl aus. Jocelyn Steinke verweist in ihrer Analyse
Reuters/Alex Bailey/Paramount Pictures/Handout
Viele Filmforscherinnen sind Singles und nur in Ausnahmefällen Mütter. Work-Life-Balance ist kein Thema für Blockbuster. sehr das Kino unsere Vorstellung von Welt prägt, könne man nicht in Prozenten angeben, sagt Flicker. Aber der Einfluss der Filme sei kaum zu unterschätzen, zumal wenn es um Bereiche wie die Forschung geht, zu der die meisten Menschen keinen direkten Zugang haben. Dass das Labor vermeintlich eine männliche Domäne ist, legen allein schon die von Flicker erhobenen Zahlen nahe. Nur in elf von sechzig Filmen mit Wissenschaftsbezug (Zeitraum 1929 bis 2003) kommen überhaupt Wissenschaftlerinnen vor, also in 18 Prozent. Die US-Kommunikationswissenschaftlerin Jocelyn Steinke von der Western Michigan University kam für 74 Filme aus den Jahren 1991 bis 2001 auf immerhin schon 25 Wissenschaftlerinnen, sprich: 34 Prozent. Hauptsache hübsch. In Flickers Typologie
von Filmcharakteren gibt es die Assistentin, deren Arbeitsplatz sich aufs Bett redu-
Als Rollenmodell für Teenagerinnen auf Berufssuche scheidet Lara Croft leider eher aus.
sind, wie die Historikerin und Nazi-Anhängerin Dr. Elsa Schneider (Alison Doody) in „Indiana Jones and the Last Crusade“ (1989), setzen sie nicht Viren, sondern Verführungskünste ein, um ihre niederträchtigen Ziele zu erreichen. Attraktiv und emotional. Auch wenn Wissenschaftlerinnen ab den Neunzigerjahren häufiger über die Leinwand flimmern, selbstbewusster auftreten, nicht mehr nur assistieren, sondern nun auch Projekte leiten, sind sie doch noch längst nicht frei von Stereotypen. Sie tragen immer noch knappe Tops oder Strapse unterm weißen Laborkittel. Und bei aller Intelligenz lassen sie sich von Gefühlen leiten. In „The Lost World: Jurassic Park“ (1997) kümmert sich die Figur der Sarah Harding (Julianne Moore) – ganz
darauf, dass die meisten Film-Forscherinnen Singles sind und nur ganz selten Mütter. Die Work-Life-Balance ist wohl kein Thema für Blockbuster. Wie wäre eine ideale Wissenschaftlerin im Film darzustellen? Genau so wie ein männlicher Wissenschaftler? Oder eben doch anders – auf die Gefahr hin, Klischees von „Weiblichkeit“ fortzuschreiben? In der Sprache der feministischen Theorie: Gleichheit oder Differenz? Die Wunschliste von Eva Flicker ist lang: Klug sollte sie sein, sie sollte Berufliches und Privates unter einen Hut kriegen, sozial und fachlich kompetent sein, wissenschaftlich innovativ, humorvoll, feministisch, konfliktfreudig, mit durchschnittlichem Äußeren und doch attraktiv. Da kann selbst Ellie Arroway nicht mehr mithalten.
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„Graues Haar, blasse Haut ...“ In den Medien sind Wissenschaftlerinnen kaum präsent. Und wenn, dann werden sie häufig mit Klischees befrachtet. Was tun? Über Backrezepte, das Sprechen im Konjunktiv und Medienquotenfrauen. Oliver Hochadel
Augenöffner. Das Resultat war ernüchternd.
Bei der Analyse von sechs Ausgaben eines österreichischen Wissenschaftsmagazins zeigte sich, dass Forscherinnen darin eher nur selten zu Wort kommen. 83 Prozent der zitierten
SciMedia jene Zeitschrift unter die Genderlupe, die Sie gerade lesen, heureka! Das Ergebnis tat weh, und Mann könnte versuchen, sich herauszureden: Medien spiegeln ja lediglich die Realität wider, und je nach Fach und Hierarchieebene sind meist nur ein Viertel oder weniger Wissenschaftler Frauen. Das aber entspricht nicht gerade unserem Selbstverständnis, einen aufgeklärten Wissenschaftsjournalismus zu betreiben, dem es auch um Geschlechtergerechtigkeit geht. Es ist eine Binsenweisheit: Medien reflektieren Wirklichkeit nicht nur, sie konstruieren sie mit. Insofern ist die Unterrepräsentanz von Frauen in der Wissenschaft sicherlich nicht nur, aber auch eine Folge ihrer mangelnden Präsenz in den Medien.
Physikerinnen werden hingegen als Ausnahmeerscheinungen und Exotinnen porträtiert. Würden ihnen überhaupt mehr als ein oder zwei Sätze gewidmet, interessierten sich Spiegel und GEO eher für deren Privatleben und Aussehen, so Erlemann. Bei Physikern wird allenfalls der weiße Rauschebart erwähnt, aber der ist ja ein Zeichen der Weisheit.
Forschungslücke. Behaupten wir
Die Astrophysikerin Jill Tarter – Vorbild jener Ellie, die im Spielfilm „Contact“ nach extraterrestrischem Leben sucht – beschrieb der Spiegel so: „Tarters Haar ist grau, blass die Haut, die Augen schmal hinter der Brille. Einst, das sitzt noch in den Zügen der 55-Jährigen, muss sie schön gewesen sein. Jetzt liegt Mattigkeit um sie. Denn sie hat schon ein halbes Leben lang gekämpft und nie gewonnen.“ Auf gut Deutsch: Frauen, lasst das Forschen sein, es ist weder eurem Aussehen zuträglich noch springt etwas dabei heraus. Schon die US-amerikanische Wissenschaftsforscherin Marcel LaFollette kam in ihrer Pionierstudie zur Darstellung von Naturwissenschaftlerinnen in Zeitschriften in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts („Making Science Our Own“, 1989) zum gleichen Befund: Sie werden im fachlichen oder im persönlichen Bereich als Mängelwesen konstruiert. Keine richtige Frau und keine richtige Forscherin oder gar keines von beiden: nicht gerade ein ideales Identifikationsangebot für Maturantinnen auf der Suche nach einem Studienfach.
jetzt einfach einmal, denn solche quantitativen Studien wie jene über heureka! sind Mangelware, trotz einer seit Jahren boomenden Forschung zur Darstellung Frau = parawissenschaftlich? Cover von heureka! 1/2003 zum Thema „Ist das noch Wissenschaft?“
Fachleute waren Männer und nur 17 Prozent Frauen. Ähnlich niedrig war die Quote bei den Autorinnen, die ganz überwiegende Anzahl an Artikeln war von männlichen Journalisten verfasst worden. Einen starken Bias gab es auch auf der Bildebene. Auf sieben (von insgesamt 49) Covers war eine einzelne Person zu sehen: sechs Männer und nur eine Frau. Diese aber war wiederum keine Wissenschaftlerin, sondern eine Wahrsagerin! Dies ist keine Kollegenschelte, sondern beinharte Selbstkasteiung. Die Wissenschaftsjournalistin Sabina Auckenthaler nahm vor zwei Jahren in ihrer Abschlussarbeit im Rahmen des Universitätslehrgangs
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von Frauen in den Medien. Eine der wenigen Ausnahmen ist die fast abgeschlossene Dissertation der Wiener Wissenschaftsforscherin Martina Erlemann. Sie erhob, dass in den Jahren 1999 bis 2001 in fünf deutschen Zeitungen und Zeitschriften der Anteil von Physikerinnen je nach Medium zwischen null und 13 Prozent lag. Im Schnitt waren es fünf Prozent – genauso viel wie der Anteil der Physikerinnen am promovierten Personal an deutschen Unis im Jahr 2000. Erlemann untersuchte auch die Art der Darstellung von Physikern beiderlei Geschlechts. Journalisten wie auch männliche Wissenschaftler beschreiben Forschung immer wieder als Abenteuer, Kampf oder Jagd. So wird Physik zu einem eindeutig männlich konnotierten Bereich.
Wird Physikerinnen mehr als ein Satz gewidmet, dann interessieren sich die Medien für deren Privatleben und deren Aussehen.
Ursachengestrüpp. Die mediale Unterreprä-
sentanz von Forscherinnen hat vielfältige Gründe. „Die Medien hinken gesellschaftlichen Entwicklungen meist hinterher“, be-
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nennt die Salzburger Kommunikationswissenschaftlerin Elisabeth Klaus eine Ursache. Auch in Bereichen wie der Politik, wo der Anteil der Frauen steigt, werde dies von Zeitungen und Fernsehen oft nicht entsprechend berücksichtigt. Ein weiterer Grund ist der Fokus des Wissenschaftsjournalismus auf Naturwissenschaften und Medizin. In diesen Feldern ist der Anteil der Frauen vor allem auf Professorenebene bekanntlich noch geringer als im Durchschnitt aller Fächer. Informelle Männerbünde, und zwar sowohl im Journalismus als auch in der Wissenschaft, sind sicherlich auch kein Rezept für eine geschlechtergerechte Berichterstattung. Damit ist freilich keine maskuline Verschwörung zum Ausschluss von Frauen gemeint, sondern vielmehr unbewusste Verhaltensmuster. Elisabeth Klaus glaubt, „dass Journalistinnen eher Frauen bemerken, Journalisten sie oft schlichtweg übersehen“.
Dem ist gar nicht so leicht abzuhelfen, gibt Elisabeth Klaus zu bedenken. Sie lese in den Medien immer wieder, dass Wissenschaftlerinnen „selbstbewusst“ oder „kompetent“ seien. Das sei zwar gut gemeint. Dass dies betont wird, säe aber zugleich Zweifel, ob denn Frauen allgemein überhaupt zu herausragenden wissenschaftlichen Leistungen fähig seien. Eine kleine Umfrage unter einem halben Dutzend österreichischer Forscherinnen mit großer Medienerfahrung, ob Journalisten sie mit Stereotypen bedacht hätten, ergab fast unisono ein Nein. Ja, sie sei schon öfters nach Backrezepten gefragt worden, aber ihre äußere Erscheinung sei jedenfalls vor ihr noch nie thematisiert worden, so die Mikrobiologin Renée Schroeder. Mit weiblichen Klischees sei sie genauso wenig bedacht worden wie mit Fragen zu ihrer Forschung, konstatiert die Onkologin Angelika Riemer etwas ernüchtert. Von ihr wollen die Medienleute immer nur wissen, wie sie es schaffte, zweimal sub auspiciis zu promovieren. Elisabeth Klaus gibt allerdings zu bedenken, dass Frauen in Leitungspositionen nur ungern zugäben, dass sie selber Diskriminierungen durch Medien oder auch Arbeitskol-
legen ausgesetzt seien: „Wir wollen ja anerkannt werden, ohne dass ständig unser Frausein thematisiert wird. Also tun wir es auch selber nicht.“ Medienquotenfrauen? Quasi alle Förderungsschienen, denen es um die Erhöhung des Anteils von Frauen in der Forschung geht, haben mittlerweile eine mediale Flankierung. Das auf die außeruniversitäre Forschung zugeschnittene bm:vit-Programm „FEMtech – Frauen in Forschung und Technologie“ etwa stellt jeden Monat eine „FEMtech-Expertin“ vor. Genaue Daten zur Medienpräsenz von FEMtech liegen im Moment nicht vor, so Programmleiterin Andrea Rainer, aber die Nachfrage von Medien, etwa wenn sie Teilnehmer für eine Podiumsdiskussion suchen, sei groß. Nur, wie viel können solche Programme langfristig bewirken? Denn die über Medienkooperationen erzielte Öffentlichkeit ist ja eine gekaufte und somit eine künstliche. Ohne öffentliche Zeichen gehe es nicht, entgegnet Andrea Rainer. Gerade in Unternehmen sei noch viel Bewusstseinsbildung erforderlich, etwa dass gemischtgeschlechtliche Teams kreativer seien. Auch von den Wissenschaftsjournalisten ist mehr Gendersensibilität einzufordern. Hier sollte schon in der Ausbildung angesetzt werden, die in Österreich freilich nur rudimentär vorhanden ist. Und vonseiten der Medienkonsumenten? Liebe Leserin und lieber Leser, falls heureka! wieder einmal in Geschlechterschieflage geraten sollte, bitten wir um Beschwerden.
AP Photo/Hans Punz
Weiblicher Konjunktiv. Dies mag auch damit zusammenhängen, dass Frauen vorsichtiger in der Kommunikation ihrer Ergebnisse sind. Claudia Wild, die Leiterin des Ludwig-Boltzmann-Instituts für Health Technology Assessment, verweist auf linguistische Analysen. Demnach sprechen Wissenschaftler häufiger im Indikativ als Wissenschaftlerinnen, die immer wieder ein „Es könnte aber auch anders sein“ einflechten. Weil Männer vermeintlich mehr zu sagen haben, dürfen sie eher in die Mikrofone sprechen als Frauen, die dazu neigen, sich selbst infrage zu stellen.
Wissenschaftler sprechen häufiger im Indikativ als Wissenschaftlerinnen, die öfters ein „es könnte auch ander sein“ einflechten.
Weil Männer vermeintlich mehr zu sagen haben, dürfen sie eher in die Mikrofone sprechen als Frauen, die dazu neigen, sich selbst infrage zu stellen.
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Living in America Viele hervorragende österreichische Wissenschaftlerinnen arbeiten in Nordamerika. „heureka!“ fragte nach, warum sie ihre Heimat verließen und was für Forscherinnen drüben besser ist als herüben.
Produktive Leute werden »belohnt, und Frauen erfahren keine systematischen Nachteile.«
Sabine Frühstück, University of California Santa Barbara
zu sein, ist hier »keinMutter Hindernis für eine glänzende universitäre Karriere, im Gegenteil.« Judith Höfer, University of Toronto
Lesen Sie Langfassungen dieser Testimonials sowie zahlreiche weitere „Briefe aus Nordamerika“ unter www.heurekablog.at
Warum ich in die USA ging, hatte mehrere Gründe: Als ich noch an der Universität Wien arbeitete, war Forschung während des Studienjahres immer erst nach 17 Uhr möglich. Dazu kamen unterschwellige Bevorzugungen von männlichen Kollegen, mangelnde wissenschaftliche Karriereaussichten und das Senioritätsprinzip. Ich bin seit acht Jahren an der University of California tätig. Berufungsentscheidungen sind hier transparent und erfolgen nach relativ durchschaubaren Kriterien. Bei jedem Karriereschritt gibt es ausschließlich externe, anonyme und immer auch einige internationale Gutachten. Das Ergebnis davon ist, dass produktive Leute belohnt werden und dass Frauen keine systematischen Nachteile erfahren. Diese Abwesenheit von systemimmanenten Nachteilen für Frauen ist meiner Meinung nach der größte Vorteil der Strukturen hier. Darüber hinaus sieht wohl auch die Karriereund-Kinder-Frage etwas anders aus als in Österreich. Wenn man hier ein Kind schon als Baby in eine Kinderkrippe gibt, wird man nicht gleich als Rabenmutter betrachtet. Es gibt auch Kindergärten, die entsprechend lange offen haben, aber auch teuer sind. Generell habe ich den Eindruck, dass es eine recht große Toleranz für kinderbedingte „Ausfälle“ gibt: Man darf sich als Elternteil schon einmal von einer Kommissionssitzung früher verdrücken oder erst gar nicht erscheinen, ohne gleich schief angeschaut zu werden. Für Full Professors weht der Wind schon etwas frischer. Aber bis dahin sind die meisten Frauen, die ich kenne, einigermaßen abgehärtet. Mutter sein lehrt einen auch, Interessen und Ziele durchzusetzen, die nicht jeder teilt.
Sabine Frühstück (42) studierte Japanologie, Soziologie und Philosophie in Wien. Seit 1999 an der University of California, Santa Barbara, Gastprofessur in Kyoto 2004, seit 2006 Full Professor für moderne japanische Kulturwissenschaft. Sie hat eine Tochter.
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Nach dem Medizinstudium in Wien habe ich etwas mehr als zwei Jahre am Deutschen Herzzentrum in München als Assistenzärztin gearbeitet. Dort war jede klinische und wissenschaftlich engagierte Ärztin kinderlos und/oder geschieden und mit ihrer Lebenssituation ausgesprochen unzufrieden. Kinder waren unerwünscht. In Kanada, wo ich die letzten zwei Jahre verbracht habe – seit kurzem arbeite ich in der Schweiz – nehmen Frauen dagegen ganz selbstverständlich leitende Positionen ein. Mein Chef in Toronto ist mit einer sehr erfolgreichen Ärztin verheiratet. Für ihn war es selbstverständlich, eine Zeitlang die Erziehung der Kinder zu übernehmen. Mutter zu sein ist kein Hindernis für eine glänzende universitäre Karriere, im Gegenteil, in Nordamerika zählt die Leistung, kommt sie nun von einem Mann oder einer Frau. Andererseits habe ich in Kanada erstmalig ein natürliches und selbstverständliches Zusammenhalten und etwas wie Loyalität unter Frauen erlebt. Frauen unterstützen Frauen. Das war mir neu. Frauen sind jedoch auch in allen gesellschaftlichen und beruflichen Ebenen vertreten, daher entsteht nicht dieser Kampf um einen bestimmten Rang. Ich würde sehr gerne nach Österreich zurückkommen. Für innovative, weltoffene Frauen wie mich ist freilich in einem von Männern dominierten, ausgesprochen hierarchischen System kaum Platz. Interessanterweise sieht das in der Industrie im Gegensatz zur universitären Wissenschaft anders aus. Die hat mir bereits einige Stellen angeboten.
Judith Höfer (28) Studium der Medizin an der Universität Wien (in zehn Semestern), für zwei Jahre in Kanada für einen Master of Science. Sie ist seit kurzem in Zürich an der Kardiologie des Universitätsspitals tätig.
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privat (2), John Eisele, Universität Wien, Martin Dee, Wikimedia (5)
Es ist vor allem die fort- »In den USA habe ich sind keine Exoten » »mehrWirund schrittlichere Einstellung der gelernt, selbstsicher zu sein, müssen nicht ständig beweisen, dass wir Männer, die es uns hier und erkannt, dass alle Wege leichter macht.« das Zeug dazu haben.« offenstehen.« Karolin Luger, Colorado State University
Elisabeth Maurer, Univ. of British Columbia, Vancouver
Dorothea Strozyk, Harvard Medical School, Boston
Frauen in den Naturwissenschaften – besonders auf der Ebene der Professoren, Dekane und Präsidenten – sind auch in den USA immer noch in der Minderheit. Aber wir sind keine Exoten mehr und müssen nicht ständig beweisen, dass wir das Zeug dazu haben, obwohl uns das Y-Chromosom fehlt. Ich denke, die USA sind Europa einfach zeitlich ein wenig voraus. Meiner Meinung nach müsste schon im Gymnasium angesetzt werden. Buben und Mädchen sollte klargemacht werden, dass ein Wissenschaftler nicht zwangsläufig ein „Herr Professor“ ist. Noch wichtiger ist es, jungen Frauen zu zeigen, dass eine Karriere in den Wissenschaften nicht unbedingt bedeutet, auf das Familienleben verzichten zu müssen und dass beides sehr gut vereinbar ist. Kinderbetreuung ist auch in den USA ein Problem, da sie teuer ist. Was hinzukommt, ist, dass Mutterschaftsurlaub besonders für Doktorandinnen und PostDocs nicht geregelt ist und vom guten Willen des jeweiligen Mentors abhängt. Ich selbst bin anfangs von etablierten Wissenschaftlerinnen unter die Fittiche genommen worden, und das hat mir sicher geholfen. Ich versuche das weiterzugeben. Frauenförderung kann aber auch ganz trivial sein: Zum Beispiel werden hier die meisten wissenschaftlichen Kongresse von einem Komitee organisiert, in dem Frauen stark vertreten sind. Ich denke, dass in Österreich immer noch ein verdeckter Sexismus (bei Männern wie bei Frauen) existiert. Den auszutreiben braucht viel Zeit und Geduld. Aber ich denke, dass Österreich auf einem guten Weg ist.
Der Grund warum ich in Vancouver lebe und arbeite, hatte zunächst nichts mit meiner eigenen Karriere zu tun: Wir sind als Familie mit den kleinen Kindern nach Vancouver gekommen, weil mein Mann hier eine PostDoc-Stelle bekommen hat. Da ich selber von der Physikalischen Chemie in die Medizin wechselte, war es nie besonders leicht, Drittmittel für meine Forschungen zu bekommen. Ich glaube aber nicht, dass das damit zu tun hat, dass ich eine Frau bin. Weder im Umgang mit Patentanwälten noch mit Ingenieuren hatte ich hier jemals das Gefühl, als Frau für nicht ganz voll genommen zu werden. Das war in Österreich anders. Kinderbetreuung ist anders hier, sehr teuer aber zumindest öffentlich und zugänglich – im Vergleich zu den Möglichkeiten, die es vor 13 Jahren in Graz (nicht) gegeben hat, kein Vergleich! Es ist wahr, dass viele Universitäten und Betriebe hier von Frauen geleitet werden oder Frauen dort in hohen Positionen sind. Aber das Verhältnis ist noch lange nicht ausgeglichen. Es ist vor allem die fortschrittlichere Einstellung der Männer gegenüber Frauen in der Wissenschaft, die es uns hier in Kanada leichter macht. Was jetzt nicht heißt, dass das immer alles einfach ist. Wir haben wohl wegen des allgemeinen gesellschaftlichen Umfelds in den letzten Jahren keine Anstrengungen mehr unternommen, wieder nach Österreich zu gehen. Wenn aber irgendwo zwei gutbezahlte, interessante Stellen zu haben wären, würden wir wahrscheinlich schon zurückkehren.
Ich bin in die USA gegangen, weil ich keine Möglichkeit sah, an der Universität Wien eine Stelle zu bekommen. Außerdem fehlte mir in Österreich die Inspiration. Zynisch gesagt war die Ausbildung insofern „ausgezeichnet“, als es einem schwergemacht wurde, kreative Ideen durchzusetzen. Diese Erfahrung hilft mir sehr, mich in den USA zu behaupten. Hier wird Frauen in der Wissenschaft Respekt entgegengebracht. Ich bin schon als Post-Doc von meiner Vorgesetzten, einer Frau, sehr gefördert worden. Es war für mich am Anfang sehr ungewöhnlich, dass meine Ideen ernst genommen wurden. In den USA habe ich gelernt, selbstsicher zu sein, auf mein Inneres zu hören, habe erkannt, dass alle Wege offenstehen. Diese neugefundene Inspiration führte mich an die Harvard Medical School anstatt zurück nachhause. Ich bin auf meinem Weg hier in den USA vielen erfolgreichen Frauen begegnet. Frauen in der Wissenschaft haben mich motiviert, haben mir aber auch die Grenzen gezeigt. Kolleginnen in Leitungspositionen sind ein absolutes Vorbild für mich, und ich hole mir gerne Rat von diesen Frauen. Als Frau in einem chirurgischen Fach hatte ich noch kein Problem. Aber ich weiß, dass Quoten eine Rolle spielen, denn man hatte mir bei den Interviews gesagt, dass man gerne einmal eine Frau einstellen würde, um den Anteil zu erhöhen. Ich möchte gern nach Österreich zurückkehren, das wird aber nicht in den nächsten zehn Jahren sein, da ich gerne in einer höheren Position einsteigen würde. Dazu bin ich noch nicht gut genug.
Karolin Luger (45) Strukturbiologin und Röntgenkristallografin, Professorin an der Colorado State University, seit 2007 University Distinguished Professor. Sie ist verheiratet und hat eine vierjährige Tochter.
Elisabeth Maurer (Spurej) (43) Physikalische Chemikerin. Zurzeit ist sie Clinical Associate Professor am Department of Pathology and Laboratory Medicine. Sie ist verheiratet und hat zwei Söhne.
Dorothea Strozyk (32) Neurologin, lebt und forscht seit sieben Jahren in den USA und arbeitet an der Harvard Medical School in Boston. Sie macht eine Ausbildung zur minimal-invasiven Neurochirurgin und ist Single.
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Karrieren im Doppelpack Immer mehr Wissenschaftlerpaare wollen weder auf berufliches Weiterkommen noch auf Familie verzichten. Doch wie kann das gelingen? Österreich bietet wenig, damit forschende Eltern Beruf, Partnerschaft und Kinder unter einen Hut bringen. Lena Yadlapalli
gepackt, der Mietvertrag in Heidelberg ist gekündigt und der neue Kindergartenplatz in Wien für die einjährige Tochter Merlind bereits gesichert. Ende Mai wird das deutsche Biologenehepaar Raible das Europäische Laboratorium für Molekularbiologie, ihren gemeinsamen Arbeitsplatz, verlassen. Sie und er gehen als Nachwuchsgruppenleiter an die vor fünf Jahren gegründeten Max F. Perutz Laboratories (MFPL) am Campus Vienna Biocenter. „Wir hatten zunächst räumlich getrennte Angebote, aber dann haben die Institute auch den jeweiligen Partner mit eingeladen und Doppellösungen diskutiert“, sagt die Zellbiologin Kristin Tessmar-Raible, dreißig, über die nicht leichte, aber letztendlich erfolgreiche Jobsuche zu zweit. Dem Mann die Karriere, der Frau auch: Dieses Partnerschaftsmodell gibt es zwar schon seit langem, man denke nur an das Ehepaar Curie, es wird aber immer häufiger und wichtiger. In den USA sind die „Dual Career Couples“ (kurz DCC) spätestens seit den 1990er-Jahren ein wichtiges universitäts- und forschungspolitisches Thema. Mit Wissenschaftlerpaaren ist jedenfalls verstärkt zu rechnen. Laut US-Studien haben im naturwissenschaftlichen Bereich – je nach Fach – zwischen vierzig und achtzig Prozent der Wissenschaftlerinnen forschende Partner, berichtete die britische Wissenschaftszeitschrift Nature im Vorjahr. Doppelberufung als Tabu. Bis vor wenigen Jahren war es noch ein Tabu, Familienangehörige gemeinsam einzustellen – vor allem, um dem Verdacht des Nepotismus zu entgehen. Heute zeichnet sich ein Umdenken ab, auch wenn Doppelberufungen an Österreichs Universitäten noch eher informell gehandhabt werden. Dabei kann sich ein doppeltes Jobangebot laut Studien auszahlen, ist doch mit besonderer Standorttreue der Berufenen und großem Engagement zu rechnen. Christa Schleper, 45, Professorin für Ökogenetik, wurde im Vorjahr von der Universität Bergen an die Universität Wien als Leiterin des Departments für Ökogenetik berufen.
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Ihr Ehemann Ulrich Technau übernahm eine Professur für Entwicklungsbiologie. „Wir hatten Glück, dass die Fakultät an unseren beiden Forschungsprofilen interessiert war und daher die Bereitschaft hatte, eine zusätzliche Professur auszuschreiben“, sagt die Mutter zweier Kinder. Wäre das nicht so gewesen, hätte das Ehepaar ein attraktives Doppelangebot aus München angenommen. „Es muss eine Flexibilität in den Entwicklungs- und Strukturplänen an den Unis geben“, so Schleper. Mit der Autonomie der Universitäten wäre eigentlich der Weg frei. Fehlt die Flexibilität, lässt sich Österreich einige Top-Forscher entgehen. „In der Wissenschaft herrscht globaler Wettbewerb. Wer da sagt, er kann kategorisch nur eine Stelle bieten oder er möchte aus
Laut US-Studien haben in den Naturwissenschaften – je nach Fach – zwischen vierzig und achtzig Prozent der Wissenschaftlerinnen forschende Partner. Prinzipgründen keine Partner einstellen, der schränkt damit auch seine eigene Wettbewerbsfähigkeit ein“, so der künftige MFPLNachwuchsgruppenleiter Florian Raible, 34, Ehemann von Kristin Tessmar-Raible. Die MFPL erkannten die Zeichen der Zeit unter der Leitung des britischen Molekularbiologen Graham Warren sehr früh. Fragwürdige Versprechungen. Doppelberufungen und optimale Jobwechsel für beide Partner sind aber längst nicht die Regel. Werden Wissenschaftlerpaare mit Versprechen der Unis angelockt, werden diese nicht immer eingehalten. Oder es fehlt das passende Angebot für ihn oder sie. So folgte etwa die 41-jährige Physikerin Silke BühlerPaschen, zuvor am Max-Planck-Institut für Chemische Physik fester Stoffe in Dresden, im Jahr 2005 einem Ruf an die TU Wien. Ihr Ehemann, der Physiker Paul Bühler,
und ihre drei Kinder zogen mit. Zwar schaffte es das Paar bisher über sechs Ortsund vier Länderwechsel immer wieder, in der gleichen Stadt zu arbeiten. „Aber das ist alles ein Riesenglücksfall.“ Und beide zeigten viel Flexibilität bei der Ausrichtung ihrer Forschungstätigkeit. Für seine Stelle in Wien musste Ehemann Bühler – derzeit am Stefan-Meyer-Institut für subatomare Physik der ÖAW – sein Forschungsfeld noch einmal wechseln. Auch seine Frau hatte in Sachen Karriere schon zurückstekken müssen. Karriere, Kinder und Karenz. Die Karriereplanung ist nur eine Herausforderung der Doppelkarrierepaare, die zweite bringt der Nachwuchs mit sich. Sie wurde meistens nur mithilfe privater Kinderbetreuung oder des Horts gelöst. „Karenz gab es bei uns nicht“, ist die häufige Antwort der forschenden Wissenschaftlerpaare. Dagegen sprechen etwa befristete Verträge, die Geschwindigkeit des Forschungsfortschritts und das kompetitive Umfeld. Auch für die deutsche Anglistin und Kulturwissenschaftlerin Aleida Assmann, 61, war die Karenz keine Auszeit. Die Frau des Ägyptologen Jan Assmann verlegte zur Betreuung der fünf Kinder ihr Büro – nach Auslaufen einer Stelle an der Uni Heidelberg – zwölf Jahre lang ins Kinderzimmer: „Ich hatte zwar keinen Arbeitgeber, aber ich habe meine Sachen dennoch weiterbetrieben, weil ich daran interessiert war.“ In jener Zeit gründete sie mit ihrem Mann einen kulturwissenschaftlichen Arbeitskreis. So kam sie zum Schreiben, Publizieren und Forschen. „Für Geisteswissenschaftler gilt: Man kann sehr gut zuhause arbeiten. Man kann die wenige Zeit, die man hat, nutzen, aber man muss sie mit Gelegenheiten verknüpften, wo man sich austauscht. Denn Forschen geht nicht ohne Kommunikation. Man braucht Netzwerke.“ Ihr Netzwerk motivierte Assmann, korrespondierendes Mitglied der philosophisch-historischen Klasse der ÖAW, sich im Anschluss an die Karenz zu habilitieren. Heute ist sie Professorin an der Universität Konstanz.
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Jobsuche zu zweit. Die Umzugskisten sind
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Organisationstalent, Belastbarkeit, Durchhaltevermögen und vor allem die Liebe zum Job sind die Eigenschaften der Doppelkarrierepaare mit Kindern. Kindergärtenplätze auch schon für unter Zweijährige, qualitätsvolle Hortbetreuung, gesellschaftliche Akzeptanz und auch mehr Einfühlungsvermögen bei den männlichen Kollegen an den Instituten, die nicht nur die Kinderbetreuung bei der Frau ansiedeln, würden den forschenden Eltern vieles erleichtern. Bessere Bedingungen. „Kinderbetreuung auf beide
Partner gleichmäßiger aufzuteilen, ist eine Aufgabe der Gesellschaft bzw. Politik. Das muss in die Köpfe rein und vom Gesetzgeber kommen“, so die Physikerin Bühler-Paschen mit Verweis auf die skandinavischen Vorbilder Norwegen und Schweden. Was dort etwa auch ein Tabu ist, aber in Österreich nach wie vor Usus: dass Gremien, Sitzungen und Ehrungen an den Hochschulen oft erst am späten Nachmittag angesetzt sind. Auf die Doppelkarrierepaare reagierte die ETH Zürich als eine der ersten Unis in Europa 1999 mit der Schaffung eines „Dual Career Advice Büro“. Die Servicezentrale bemüht sich u.a. um die Jobvermittlung für Partner. Ins Leben gerufen wurde jüngst auch ein Netzwerkprojekt zur Förderung dualer Karrieren an der Universität Konstanz unter Kooperation von sieben Unis aus dem süddeutschen Raum und der Schweiz. Für SüdOst-Niedersachsen plant die Technische Universi-
tät Braunschweig das Netzwerk „Dual Career Couples“. Im Rahmen eines Förderprogramms reagierte der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft und die Claussen-Simon-Stiftung mit dem Aktionsprogramm „Doppelkarrierepaare“ (2005 bis 2007).
„Wir hatten Glück, dass die Fakultät bereit war, eine zusätzliche Professur auszuschreiben.“ Die Ökogenetikerin Christa Schleper erhielt mit ihrem Mann Ulrich Technau ein Doppelangebot der Uni Wien.
Doppelkarrierebarrieren. Mit ähnlichen Netzwerk-
projekten oder Budgettöpfen unter dem expliziten Label „Doppelkarrierepaare“ ließ die österreichische Forschungslandschaft bisher noch nicht aufhorchen. „Generell betrachten wir die Bestimmungen des heimischen Fremdenrechtes bei der Rekrutierung von internationalen Spitzenkräften als nicht förderlich“, sagt Gerhard Riemer, Bereichsleiter für Bildung, Innovation und Forschung der Industriellenvereinigung. Um die international anerkannten Forscherinnen und Forscher zu gewinnen, müsste Österreich als kleines Land viel mehr dafür tun, „um diese umworbenen Talente dazu zu bewegen, sich dauerhaft in Österreich niederzulassen“. Immerhin macht man auch hierzulande Fortschritte: Mit dem Inkrafttreten einer Novelle des Ausländerbeschäftigungsgesetzes dürfen seit dem 1. Jänner 2008 erstmals auch die Partner von ausländischen Forschern ohne Einschränkung in Österreich arbeiten. Lesen Sie eine Langfassung des Texts unter www.heurekablog.at
LINKTIPPS Die erste Studie über die Behandlung von DCC an US-Unis: www.press.jhu.edu/books/title_pages/2884.html Die Servicezentrale für Forscher mit Kindern an der Uni Wien http://kinder.univie.ac.at/kinder.html Das Researcher’s Mobility Portal Austria: www.researchinaustria.info
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Titten auswärts Fußball gilt als die Männerdomäne schlechthin: auf dem Platz, auf den Rängen und auch in der Wissenschaft. Aber die Frauen sind längst da, als Fans und Forscherinnen. Und nutzen das Stadion für feministische Interventionen. Oliver Hochadel
Frechheit. Alle zwei Jahre fragen Journalisten Frauen nach der Abseitsregel. Bei Männern tun sie das nie. Wann immer ein Fußballgroßereignis ansteht, „entdecken“ die Medien das vermeintlich zarte Geschlecht als „neue Zielgruppe“. So lauten die immergleichen Schlagzeilen seit den Neunzigerjahren. Dabei sind bei Länderspielen schon seit mindestens 15 Jahren fünfzig Prozent der Fernsehzuschauer Frauen. Im Stadion selbst wurden bei der WM 2006 immerhin knapp dreißig Prozent Frauen gezählt, ähnlich viele wie bei den Spielen der deutschen Bundesliga. Auch wenn es seit langem hip ist, sich als Kulturwissenschaftler mit dem runden Leder zu beschäftigen, wurde dieses Phänomen übersehen. Die Forscher sind eben selbst oft Männer. So wurden Frauen als
Bereich, der kulturell ebenso stark mit Männlichkeit belegt ist. Sie betrieb drei Jahre Feldforschung im Stadion von Kickers Offenbach. Deren Fans gelten als besonders treu, einen weiblichen Fanklub gibt es auch. „Der Verein spielte damals in der Regionalliga, und ich durfte den Aufstieg in die zweite Liga miterleben.“ Und Sülzle lernte als teilnehmende Beobachterin, was ihr früher fremd war: Freude durch Schreien und Jubeln auszudrücken. Auch Nicole Selmer ist kein stiller Fan: „Im Stadion rede ich lauter und rufe. ,Gespräche mit der Mannschaft‘ nenne ich das.“ Die Hamburgerin verbindet seit Anfang der Neunzigerjahre eine Fernbeziehung mit Borussia Dortmund. „Ein paar Spiele pro Saison schaue ich mir an. Dass wir derzeit nur
meisten Punkten sind sie sich einig. Nicht zuletzt aufgrund der Eventisierung und damit auch der Ökonomisierung des Fußballs versuchen die Vereine das weibliche Marktsegment zu erschließen. Gleichzeitig wird Frauen aber Verständnis und echtes Interesse abgesprochen. Im Stadion wollen sie ja nur die feschen Spieler auf dem Rasen anhimmeln. Die Fußballwirtschaft, die Fanaccessoires in Rosa und Frauen ermäßigten Eintritt anbietet, schreibt so die vermeintliche „Wesensverschiedenheit“ vor. Dabei genießen es weibliche Fußballfans ja gerade, einmal nicht auf die Rolle der Frau festgeschrieben zu sein. Sie können das ausprobieren, was eigentlich für Männer reserviert ist, zum Beispiel auch mal wüst schreien und fluchen. Dazu gehört auch das Spielen mit Klischees. Ausgerechnet die Sexismushochburg Stadion wird da unversehens zum Ort feministischer Interventionen. Frauenfanklubs nennen sich provokativ „Titten auswärts“ oder „Hooligänse“. Durch diesen „vorweggenommenen Sexismus“ sollen abwertende Begriffe durch die Übernahme aufgewertet werden. Homosexuellen gelang dies mit dem Begriff „schwul“. Ob „Titte“ einmal für selbstbewusste Frau stehen wird?
Feministische Streitfrage: Kann dem Fußball der Sexismus ausgetrieben werden?
Fußballfans erst in den letzten Jahren als Forschungsthema entdeckt – von ihresgleichen. Wobei Almut Sülzle und Nicole Selmer von der jeweils entgegengesetzten Seite kamen: die eine von der Wissenschaft, die andere vom Fußball. Feldforscherin und Fan. Die deutsche Ethno-
login Almut Sülzle hatte sich zuvor mit dem Thema Mädchen und Technik beschäftigt und mit Fußball nichts am Hut. Für ihr nächstes Forschungsprojekt suchte sie einen
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auf dem 13. Platz stehen, ist natürlich deprimierend.“ Sexismus unterlaufen. Die studierte Germa-
nistin Selmer arbeitet als Übersetzerin und Journalistin. „Ich bin an sich keine Fußballforscherin. Aber irgendwie hat es mich dann interessiert, wie es anderen Frauen geht.“ 2004 erschien ihr Buch „Watching the Boys Play“, und seitdem findet sie sich auf so manchem Podium wieder. Dort sitzt sie dann oft auch neben Almut Sülzle. In den
ohne Männlichkeitskult und den Ausschluss von Weiblichkeit möglich ist. „Sonst wäre er nicht Nationalsport, sondern nur eine Sportart unter vielen – so wie Frauenfußball zum Beispiel.“ Selmer hingegen betont das historisch Flüssige: „Der Fußball ist so männlich dominiert nicht auf die Welt gekommen.“ Er verändere sich ständig, und warum soll ihm nicht auch der Sexismus ausgetrieben werden. Bei der Bekämpfung des Rassismus im Stadion wurden auch Fortschritte erzielt, ist er doch mittlerweile von Verbänden und Medien geächtet. Freilich, und da sind sich Sülzle und Selmer wieder einig, ob Fußball ohne Sexismus funktioniert, wird nicht am Schreibtisch, sondern auf dem Platz entschieden.
dpa/lby
Streitfrage. Sülzle glaubt nicht, dass Fußball
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Hertha-Firnberg-Programm
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Größtmögliche Unterstützung von Frauen am Beginn ihrer wissenschaftlichen Karriere an Universitäten
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Anforderungen ■ abgeschlossenes Doktorat ■ internationale wissenschaftliche Publikationen ■ noch nicht vollendetes 41. Lebensjahr oder max. vier Postdoc-Jahre
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Susanne Woytacek 01/505 67 40 DW 8505, susanne.woytacek@fwf.ac.at Dr. Barbara Zimmermann 01/505 67 40 DW 8501, barbara.zimmermann@fwf.ac.at Der Wissenschaftsfonds FWF 01/505 67 40-0, www.fwf.ac.at
finanziert aus den Mitteln des