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Nr.41a/23
Wien Modern 2023 Die besten Ereignisse. Alle Termine
Foto: Reduced Gravity Walking Simulator/NASA Langley Research Center, Project Apollo, 5.5.1965. Verwendung mit freundlicher Genehmigung der NASA
Bewegungsfreiheit Räume und Klänge neu entdecken +++ Gassatim Ein Straßenkonzert von Olga Neuwirth +++ Alice Phantastische Revue von Kurt Schwertsik +++ Perspektiven In Peter Zumthors Hörräumen +++ Nimikry bekommt den Erste Bank Kompositionspreis Österreichische Post AG, WZ 02Z033405 W, Falter Zeitschriften GmbH, Marc-Aurel-Straße 9, 1011 Wien
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Vorwort
Inhalt
GO Begehbare Klänge: Überlegungen zum diesjährigen Festivalmotto von Wien Modern
Bernhard Günther, der Künstlerische Leiter von Wien Modern
o! Es ist Zeit, ein wenig BeG wegung in die Sache zu bringen. In der Musik stimmt das nicht nur für die einigermaßen festgefahrenen letzten drei Pandemiejahre, sondern gleich auch für das gründlich festgesessene Konzertleben seit dem 19. Jahrhundert. Ausgerechnet eine Rollschuhbahn in Berlin-Kreuzberg wurde um 1882 zur ersten Philharmonie umgebaut – spätestens da war klar, dass Stillsitzen zum klassischen Konzert gehörte. Das Festival Wien Modern holt jetzt ein bisschen der verlorenen Bewegungsfreiheit für die Musik zurück. Das startet mit einem Spaziergang im Park, gefolgt von einer begehbaren Uraufführung in drei Sälen des Wiener Konzerthauses und tags darauf von unfassbaren 50 Klavieren im Hundertsteltonabstand. Unterwegs in der U-Bahn-Passage, im Tanzquartier, im Volkskundemuseum, im Kreuzgang, im Weinkeller, in mehreren Clubs sowie im öffentlichen Raum bietet sich heuer verstärkt Gelegenheit zu diversen Lockerungsübungen, bis hin zum Festivalabschluss mit 20 Dudelsäcken, samt Party. Dass Peter Zumthor, eine inspirierende Ausnahmeerscheinung nicht nur in der Welt der Architektur, auf Einladung des Festivals und des Musikvereins eine ganze Woche lang in Wien als Co-Kurator, Gesprächspartner und leidenschaftlicher Musikmensch zu erleben ist, ist bei aller Bescheidenheit eine Sensation. Und dass so viele utopische, „unmögliche“, dem festgesessenen Alltag liebevoll abgerungene Stücke und Produktionen in fünf Festivalwochen im Herbst 2023 an 36 Orten in und um Wien zu hören sind, zeigt ja vielleicht auch: Es ist möglich, ein wenig Bewegung in die Sache zu bringen. Wir wünschen viel Vergnügen bei Wien Modern! Bernhard Günther Künstlerischer Leiter von Wien Modern Armin Thurnher Herausgeber FALTER
GO – Bewegung um Raum Überlegungen zum 2 heurigen Festivalmotto Haas / Jakober Bewegte Erkundungen individueller Hörräume
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Runter von der Bühne Mit Mark Andre, Isabel Mundry 6 und Rebecca Saunders Gassatim Ein Straßenkonzert von Olga Neuwirth
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Lexikon Sämtliche Veranstaltungen im Überblick
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Perspektiven: Peter Zumthor Der visionäre Architekt als Konzertkurator
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Porträt Peter Zumthor Über den leidenschaftlichen 12 Musikmenschen Kurt Schwertsik: Alice Eine phantastische Revue
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Kompositionspreis Nimikry bekommt den Erste 14 Bank Kompositionspreis Terminübersicht
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Impressum Falter 41a/23 Herausgeber: Armin Thurnher Medieninhaber: Falter Zeitschriften Gesellschaft m.b.H., Marc-Aurel-Straße 9, 1010 Wien, T: 01/536 60-0, E: service@falter.at, www.falter.at Redaktion: Miriam Damev Herstellung: Falter Verlagsgesellschaft m.b.H.; Layout: Raphael Moser; Lektorat: Helmut Gutbrunner, Daniel Jokesch Geschäftsführung: Siegmar Schlager, Anzeigenleitung: Ramona Metzler Druck: PNPD GmbH, Passau DVR: 047 69 86. In Kooperation mit Wien Modern. Alle Rechte, auch die der Übernahme von Beiträgen nach § 44 Abs. 1 und 2 Urheberrechtsgesetz, vorbehalten. Die Offenlegung gemäß § 25 Mediengesetz ist unter falter.at/offenlegung/falter ständig abrufbar.
igentlich können wir gar nicht an- den vor allem des deutschsprachigen E ders. Der Rave und der Jazzclub, Raumes aufgepoppt ist. der Bierstadl und der Kindergarten haben eines gemeinsam: Menschen bewegen sich zu den Rhythmen der Musik. So stark diese unwillkürlichen Impulse auch sind, als so verpönt gelten sie gerade dort in der westlichen Welt, wo man(n) sich für besonders kultiviert hält: in den großen, noblen Konzertsälen der klassischen Musikszene. Hier ist es empfehlenswert, nicht nur genau an den richtigen Stellen zu applaudieren (und sonst keineswegs!), sondern auch möglichst still zu sein und still zu sitzen. Wer sich jemals in einem der besonders strengen Häuser auch nur auf einen anderen Platz gesetzt hat als auf der Eintrittskarte ausgewiesen und dabei erwischt wurde, weiß um die Unerbittlichkeit der geschriebenen und ungeschriebenen Regelwerke. Seit diese Institutionen im späten
19. Jahrhundert entstanden sind, gelten hier solche ehernen Regeln – und das, obwohl sie auch Musentempel genannt werden und die Erfinder dieser neun Schutzgöttinnen der Künste im antiken Griechenland niemals an eine derartige Verselbstständigung und Sonderstellung des Klingenden gedacht hätten. Als Kunst der Musen war die „musiké“ („téchne“), aus der das Wort „Musik“ entstand, für die alten Griechinnen und Griechen ein Begriff für die Einheit von Dichtung, Musik im engeren Sinne und Tanz. Kulturen aller Welt pflegten und pflegen ganz ähnliche Verbindungen, die im Ritual und im Tanz ganz selbstverständlich erhalten geblieben sind. Im „Mainstream“-Konzert, zu dem man je nach Standpunkt auch Teile der zeitgenössischen Musik zählen mag, hingegen ist ein regungslos verharrendes Publikum bis zum heutigen Tag ein Tabu. Die historisch gewordenen Avantgarde-Bewegungen haben sich auch gegen diese Konventionen aufgebäumt, in den 1960er- und 70er-Jahren wurde mit „Wandelkonzerten“ experimentiert, in denen sich die Konzertbesucher frei im Raum bewegen konnten – ein Konzept, das in den letzten Jahren wieder aufgegriffen wurde und an vielen Ecken und En-
Das Festival Wien Modern hat sich in
seiner heurigen Ausgabe vorgenommen, „ein bisschen von der verlorenen Bewegungsfreiheit für die Musik zurückzuholen“, und bündelt Ansätze, bei denen sich das Publikum im Raum bewegen darf, mit solchen, bei denen die Ausführenden Ortswechsel vollführen, sowie mit Konzepten, bei denen musikalische Klänge – etwa aus elektronischen Quellen – durch den Raum wandern. Endlich, so lässt Festivalleiter Bernhard Günther durchblicken, war es nach den pandemiegeprägten Jahren mit den vielen Ausfällen und Programmänderungen möglich, wieder einen dramaturgischen roten Faden zu flechten, der weite Teile der einzelnen Veranstaltungen miteinander verbindet. Treuen Wien-Modern-Besucherinnen und Besuchern wird es nicht verborgen geblieben sein, dass einzigartige Raumkonzepte bereits in den vergangenen Jahren eine große Rolle gespielt haben – von der Aufführung der Streichquartette von Dmitri Schostakowitsch vor sieben Jahren bis zu Georg Friedrich Haas’ „ceremony II“ im Kunsthistorischen Museum im Vorjahr: „Begehbare“ Kompositionen und solche mit auskomponierten Raumkomponenten haben bereits eine Tradition, waren aber noch nie in einer solchen Verdichtung zu erleben wie in diesem Jahr. Haas’ spektakuläres Stück „11.000 Saiten“ setzt diesen Strang eindrucksvoll fort, und schon beim Eröffnungskonzert werden die Türen der Säle des Wiener Konzerthauses für Peter Jakobers „Saitenraum II“ auf geradezu programmatische Weise geöffnet (siehe zu diesen beiden Werken auch den Beitrag auf Seite 4 bis 5). Seit Beginn der europäischen mehrstimmigen Komposition hat der Raum eine tragende musikalische Rolle gespielt – etwa im Wechselspiel mehrerer Chöre auf verschiedenen Emporen in Kirchen. Seither sind räumliche Aspekte Stücken oft „einkomponiert“: Sie lassen sich in ihren Strukturen selbst dann erkennen, wenn etwa nur ein Instrument spielt oder sich das gesamte Orches-
FOTO: NAFEZ RERHUF
Liebe Leserinnen und Leser, liebe Hörerinnen und Hörer
GEDANKENSPRÜNGE: DANIEL ENDER
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BE W EGU NG IM R AU M Mehr Jubiläen! Ligeti 100 IGNM 100 „Ich gehöre nirgends!“, sagte György Ligeti einmal auf die Frage nach seiner Identität. Der Komponist verwehrte sich zeit seines Lebens gegen künstlerische Ideologien. Wien Modern widmet Ligeti, der im Mai 100 Jahre alt geworden wäre, zwei Konzerte: Zsigmond Szathmáry und Wolfgang Kogert geben einen Orgelabend, Ioana Cristina Goicea spielt Ligetis Violinkonzert mit dem Webern Ensemble Wien. Ihr 100-Jahr-Jubiläum feiert auch die Internationale Gesellschaft für Neue Musik mit zahlreichen Uraufführungen. Auf Bernhard Langs „Organ Loops Vol. 1“ folgt ein „Dystopien“-Abend: Patrik Lechner hat ein Stück über einen Feuerball geschrieben, Bertram Wee steuert ein „chingchongdingdong“ bei.
Die Urmutter der Minimal Music: Terry Rileys „In C“ von 1964 mit 20 Dudelsäcken, Bombarden und Binioù erstmals in Wien
ter auf einem Podium befindet. Gleichzeitig wurde immer wieder mit räumlichen Positionen von Schallquellen experimentiert – man denke etwa nur an die entfernt positionierten Instrumente und die „Fernmusiken“ in den Symphonien von Gustav Mahler.
und überhaupt überall wirkt. An der Grenze zum Hörbaren ist Andres Musik mit ihren hauchzarten, filigranen, sparsamen Gesten auch für Agnostikerinnen eine intensive, wenn nicht spirituelle Erfahrung. Ganz anders stellen sich die kleinen Unter-
FOTO: CHRISTOPHE RAYNAUD DE LAGE
„Jeder Raum hat seine eigene akustische
Signatur, er ist ein Instrument“, sagt Mark Andre, der für seine Kompositionen oftmals besondere Säle und Bauwerke akustisch vermessen und zur Grundlage klanglicher Prozesse gemacht hat. So auch in „rwh• 1–4“. Dass der Zyklus auf Wunsch des Komponisten im Stephansdom erklingt, hat auch einen inhaltlichen Aspekt: Das aramäische Wort „rwh“ (gesprochen: rúach) bedeutet „Atem“, „Luft“, „Duft“, „Wind“ und nicht zuletzt „Geist“ – für Andre steht dabei der Heilige Geist im Vordergrund, weil er im Hintergrund
schiede in der Minimal Music dar, in der sich wiederholte Floskeln immer wieder anders überlagern und ständig neue Muster wahrnehmen lassen: Zum Abschluss von Wien Modern – das bis dahin und auch im Sitzen eine Unzahl aufregender Raumerlebnisse bietet! – erklingt das vielleicht berühmteste Stück des amerikanischen Minimalismus in ungewohntem Gewand: Der Dudelsackspieler und Ensembleleiter Erwan Keravec führt „In C“ von Terry Riley nur mit Sackpfeifen und (oboenähnlichen) Bombarden auf – ein höchst intensives Klangbild, durch die
Jesuitenkirche, Di, 7.11., 19.30 mdw Future Art Lab, Do, 9.11., 18.00 & 20.15 Joseph-Haydn-Saal in der mdw, Sa, 25.11., 16.30
Mark Andre: rwh• 1–4 Stephansdom Fr., 3.11., 20.30
Polwechsel 30 Den Dreißiger feiern Werner Dafeldecker (Kontrabass), Michael Moser (Violoncello), Burkhard Beins und Martin Brandlmayr (Schlagzeug) mit ihrem Quartett Polwechsel. Stilistisch bewegen sich die vier Herren, die allesamt aus den unterschiedlichsten Musikrichtungen entstammen , zwischen radikal-abstrakten Minimalismus und Improvisation.
Abschlusskonzert In C // 20 Pipers Atelierhaus der Akademie der bildenden Künste Sa., 2.12., 19.30
Atelierhaus der Akademie der bildenden Künste, Do, 2.11., 19.00
sich das Publikum während der Aufführung frei bewegen kann. Das Motto des diesjährigen Festivals lautet ja nicht umsonst: „GO“! F Eröffnungskonzert: Peter Jakober: Saitenraum II Konzerthaus Di, 31.10., 19.30 Georg Friedrich Haas: 11.000 Saiten Konzerthaus Mi, 1.11., 19.30
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Mehr Entdeckungen! Hermann Markus Preßl Hermann Markus Preßl (1939–1994) war nicht nur einer der eigenwilligsten Komponisten seiner Zeit, bis heute zählt der steirische Komponist, Violinist und Musikpädagoge, Erfinder und Kosmopolit auch zu den großen Unbekannten im österreichischen Musik- und Kulturleben. Willi Dorner hat für Wien Modern ein musikalisch-choreografisches Porträt über den Menschen und Künstler geschaffen – Musik und Objekte inklusive. Volkskundemuseum, Sa, 11.11., 15.00 So, 12.11., 19.00
20 Dudelsäcke Am 4. November 1964 fand im Tape Music Center San Francisco die Uraufführung von Terry Rileys „In C“ statt. Die 53 kurzen Motive werden von allen Mitgliedern des Ensembles der Reihe nach wiederholt. Zum Abschluss von Wien Modern erklingt der fast 60 Jahre alte psychedelische Klassiker mit 20 Dudelsäcken, Bombarden und Binioù. Sie verwandeln das ehemalige Semperdepot mit seinen schwindelerregenden Stockwerken und Galerien in einen frei begehbaren Klangraum. Atelierhaus der Akademie d. bildenden Künste, Sa, 2.12., 19.30
Peter Jakober lässt in drei Sälen gleichzeitig aufspielen
Bewegte Erkundungen Peter Jakober und Georg Friedrich Haas zeigen, wie unterschiedlich die ZEREMONIENMEISTERIN: MARIE-THERESE RUDOLF
in paar Schritte nach rechts, dann E nach links, vor und zurück, ein langsames Bewegen durch den Raum, Verändern der Hörposition, auf der Suche nach der individuell am besten empfundenen Wahrnehmung, die sich laufend ändert. Das Bewegen im Raum gibt Sichtachsen frei, lässt einen die Arbeit der Musikerinnen und Musiker auf ihren Instrumenten aus der Nähe betrachten und so manch ungewohnten Blick auf die anderen Besucher zu. All diese Komponenten spielen eine Rolle, wenn sich das Publikum bei der Aufführung eines dafür komponierten Stücks selbstbestimmt am Veranstaltungsort bewegen kann. Manchmal bilden sich Gruppen, und Einzelne bahnen sich ihre Wege, verweilen lauschend. Diese Konzepte sind nicht neu, haben aber
durch die Pandemie eine unverhoffte Praktikabilität erfahren und werden vom Publikums besonders geschätzt. Dass die Bandbreite der musikalischen Ideen und Spielarten genau so groß ist wie das stilistisch-ästhetische Spektrum des zeitge-
nössischen Musikschaffens, zeigen zwei abendfüllende Projekte bei Wien Modern, deren Urheber ein früheres Lehrer-Schüler-Verhältnis verbindet. Georg Friedrich Haas, vor wenigen Monaten siebzig Jahre alt geworden, hat eine Kompositionsprofessur an der Columbia University New York. Wobei die Übersiedlung von Europa in die USA vor zehn Jahren nicht nur das Verlassen eines für ihn historisch belasteten Kulturraums bedeutete, sondern auch eine Befreiung aus gesellschaftlichen Zwängen. Mit dieser biografischen Zäsur hat er in vielerlei Hinsicht einen völlig neuen Lebensabschnitt begonnen, was sich auch in seinem Komponieren niedergeschlagen hat. 1977 in der Steiermark geboren, studier-
te Peter Jakober bei Haas, der heute als einer der renommiertesten und meistgespielten Komponisten Österreichs gilt, von 1998 bis 2006 an der Kunstuniversität Graz. Jakober schätzt ihn als Lehrer und Persönlichkeit ungemein, wie er in einem Interview erzählt, und freut sich mit ihm über seinen internationalen Erfolg, denn Haas erhielt erst spät die ihm gebührende Anerkennung.
In den vergangenen Jahren wurden einige von Haas’ großangelegten Werken umgesetzt, wie – ebenfalls bei Wien Modern – die vierstündige Bespielung des Kunsthistorischen Museums bei „ceremony II“, wo er zu den Gemälden adäquate Besetzungen entwarf, etwa mit einer Renaissance-Orgel oder dem fulminanten Finale im Kuppelraum mit drei unterschiedlich gestimmten Flügeln, die in der marmornen Akustik gewaltige mikrotonale Klangwolken fabrizierten. Klaviere stehen nun auch im Mittelpunkt seiner neuen Komposition, und zwar gleich 50 Pianinos des chinesischen Herstellers Hailun. „11.000 Saiten“ für 50 im Raum verteilte Klaviere im Hundertsteltonabstand und Kammerorchester ist im Sommer in Bozen uraufgeführt worden und geht auf eine Idee des Intendanten des Klangforum Wien, Peter Paul Kainrath, zurück. Als er 2018 eine Klavierfabrik in China be-
suchte, erlebte er, wie jedes Instrument 24 Stunden lang von einer Maschine bespielt wird, um derart getestet und erprobt verkauft werden zu können. Das geschieht immer gleichzeitig mit einhundert Klavieren.
FOTO: FRANZ REITERER
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Mehr Klangkunst! Phantom Voltage In ihrem neuen Projekt „Phantom Voltage“ unternehmen Peter Kutin und Florian Kindlinger gemeinsam mit der Klangkünstlerin Christina Kubisch eine Expedition in das akustische Universum elektromagnetischer Felder. „Um unsere Stromquellen und elektrischen Apparaturen strömt Energie, die wir live aufspüren“, so Kindlinger. So entsteht eine kinetische Soundskulptur aus Klang, Bild, Licht, Farbe, Raum und Instrument. Otto-WagnerPostsparkasse/AIL Mo, 6.11., 19.30 Di, 7.11., 19.30
Bei Georg Friedrich Haas erklingen 11.000 Saiten von 50 Klavieren
Mehr Zeit!
individueller Hörräume Zugänge zu außergewöhnlichen Konzertinstallationen sein können Kainrath war von diesem Klangerlebnis augenblicklich inspiriert: „Ich habe sofort gedacht, dass für einen Komponisten wie Georg Friedrich Haas diese Situation hochinteressant wäre, da er einer der enthusiastischsten Befürworter der ,Entfesselung‘ der traditionellen Tonalität durch Mikrotonalität ist.“ Und er sollte mit seiner Annahme Recht behalten, denn Georg Friedrich Haas reagierte enthusiastisch: „Es ist eine dieser Ideen, die so verrückt sind, dass es keine andere Möglichkeit gibt, als ,Ja!‘ zu sagen.“
FOTO: MARKUS SEPPERER
Herausgekommen ist eine spektakuläre
Konzertinstallation, bei der 50 Klaviere gleicher Bauart Seite an Seite im Großen Saal des Wiener Konzerthauses aufgestellt werden und dabei einen Kreis bilden. Die Pianistinnen und Pianisten der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien spielen mit dem Rücken zum Publikum, das zentral sitzt oder sich bewegt. Die 25 Musiker des Klangforum Wien mischen mit ihren Instrumenten weitere Klangfarben zu den mikrotonal verschoben gestimmten Klavierklängen. Haas weiß um die energetische Kraft der live erzeugten Klänge: „Ich schreibe
immer wieder Musik, die ihre volle Qualität nur in der Live-Aufführung entwickelt. Der Unterschied zwischen ,11.000 Saiten‘ von Lautsprechern und ,11.000 Saiten‘ im Konzertsaal, umgeben von 50 Klavieren und 25 anderen Instrumenten, ist ungefähr so groß wie der Unterschied von einem Gewitter oder einem Hochwasser im Fernsehen oder aber in Wirklichkeit (von einem sicheren Platz aus, nahe den Naturgewalten).“ Die „Saite“ steckt auch im Titel von Pe-
ter Jakobers neuer Komposition, deren erste Version im vergangenen Jahr bei Wien Modern in mehreren Sälen im barocken Palais Mollard uraufgeführt worden ist. Er verfolgt in seinem Stück „Saitenraum II“ für Streichorchester in drei verbundenen Räumen die Idee eines „sechzigstimmigen, tempopolyphonen Klanggeflechts“. Alle Musiker der Wiener Symphoniker sind mit einem Clicktrack im Ohr ausgestattet, über das sie genau auskomponierte rhythmische Vorgaben erhalten. Sie sind in den drei unterschiedlich großen Sälen auf einer Ebene des Wiener Konzerthauses verteilt, wodurch Tempoverschiebungen unterschiedlicher Ar-
ten entstehen: Von Raum zu Raum und gleichzeitig auch innerhalb eines Raumes, wobei auch Raum in Peter Jakobers Ausführungen zu seinem Stück mehrere Bedeutungsebenen erhält. Jeder durch die Säle gehende Zuhörer er-
lebt am Eröffnungsabend von Wien modern seine eigenen Räume, die sich aus Lautstärkeverläufen und Geschwindigkeiten aufbauen. In einer Rezension der ersten Fassung wurde in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung ein spezieller Effekt hervorgehoben, wenn das „wandelnde Publikum an den Schwellen sowohl das Auseinanderdriften als auch Konvergenzpunkte zwischen den drei verteilt spielenden Streichensembles“ hören kann. Ebenfalls an einer Schwelle ordnet Jakober sein Stück in Bezug auf das Genre ein, es sei ein „Übergang von Klanginstallation zu Komposition“, das jeden Einzelnen seine eigene Version „ergehen“ bzw. F „erhören“ lässt. Peter Jakober: Saitenraum II Wiener Konzerthaus, 31.10., 19.30 Georg Friedrich Haas: 11.000 Saiten Wiener Konzerthaus, 1.11., 19.30
Zeitenverwesung „Man kann sich nicht vorstellen, dass es keine Zeit gibt“, schreibt Immanuel Kant in seiner Kritik der reinen Vernunft. Die objektive, uhrenbasierte Zeit regelt unseren Alltag; demgegenüber steht die sogenannte „Eigenzeit“: sie bezieht sich auf das subjektive Zeitempfinden eines jeden Einzelnen. Das Zusammenspiel zwischen den verschiedenen Zeitdimensionen untersucht Judith Unterpertinger am Beispiel des Komponierens. In „Zeitenverwesung II“ positioniert die Künstlerin drei Violoncelli und drei Kontrabässe in den Kreuzgang des Stifts. Die außergewöhnliche Architektur und die Stille des Ortes laden zum Wandeln, Verweilen und Versinken ein. Stift Klosterneuburg, Kreuzgang So, 19.11., 18.00
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Mehr Hörperspektiven!
„Runter von der Bühne“ Stille im Stephansdom, unsichtbare Wörter und Ja-Sager zwischen Büsten und Balkonen GRENZGÄNGER: CHRISTOPH BENKESER
phemere Klänge, zerbrechliche Zwischenräume, Luft und Hauch: Für E seinen Konzertzyklus „rwh1–4“ geleitet
• Mark Andre „die Stille“ in den Stephansdom. Wo sich täglich Tausende durch die Kirchenschiffe schieben, hofft der deutsch-französische Komponist und Bibelexeget nicht nur auf das Beisein des lieben Gottes, sondern auch auf das Mitwirken des Heiligen Geistes. Schließlich solle sich die Musik „im Prozess des Entschwindens“ zeigen. Andre, bei dem die Klänge oft auf ungewohnte Weise zustande kommen, spricht dafür gerne von „kompositorischen Zwischenräumen“. Sie vergehen schnell und entfalten „doch
die höchste Stufe der Intensität“, wenn sich ein wendendes Notenblatt durch die Andacht schneidet oder ein leises Flüstern durch das Kirchenschiff ausbreitet. Umso passender, dass sich die vier Teile des Abends – zwei instrumental, einer vokal und einer schließlich total – „einund ausatmend“ erleben lassen. Dabei immer präsent, bestenfalls aber doch entschwindend: der Dom, den der Komponist zuerst als Korpus vermisst, um ihn als „akustische Signatur“ zum Instrument zu machen.
Nicht verschwindend, sondern auf der Suche nach dem Unsichtbaren ist Isabel Mundrys Werk „Invisible“ im Hernalser Reaktor. Die deutsche Komponistin schließt damit eine Konzertreihe ab, die sich der Schweizer Architekt Peter Zumthor zum achtzigsten Geburtstag gewünscht hat. Höhepunkt des Abends ist der Auftritt des britischen Vokalensembles Exaudi, das erstmals in Österreich zu hören ist. Im Saal platziert Mundry dafür zwei Krei-
se: einen in der Mitte (Exaudi) und einen am Rand (PHACE). Dazwischen befindet sich das Publikum. Entscheidend an diesem Setting ist, dass das Vokalensemble eine geschlossene Gruppe innerhalb einer zweiten bildet. „Wenn sich etwa die Sänger nach außen, also dem Instrumentalensemble zuwenden, integrieren sie sich in das andere Kollektiv, verlieren aber die Bindung untereinander. Sie oszillieren zwischen Verlust und Gewinn, zeitlich, klanglich wie räumlich.“ Wer sich weder diesseits noch jenseits verortet, lässt sich mitunter von Zwischenzeilen begeistern. Rebecca Saunders, so etwas wie die Headlinerin in Programmen zeitgenössischer Musik, versucht sich dafür an James Joyce. Der kompositorische Schwerpunkt der Londonerin lässt die 19 Musikerin-
nen wie Musiker weite Wege gehen. Sie schwärmen aus von der Bühne, nehmen Raum ein, werden zum Raum ihrer Komposition und damit: „räumliche Musik“, wie Saunders sagt. Es entsteht ein Spiel mit Nähe, Ferne und Dichte.
Konzerthaus, Do, 23.11., 18.00
der Raum selbst zum Resonanzkörper. Mit „Yes“ vertont Saunders den Schlussmonolog des „Ulysses“ – des von Kurt Tucholsky einst als „Fleischextrakt“ bezeichneten Wälzers, den man nicht essen könne, von dem aber noch viele Suppen zubereitet würden. 2017 wurde das Stück erstmals in der Berliner Philharmonie aufgeführt. Im Wiener Musikverein soll so Musik entstehen, die „aus dem Fluss der Zeit“ heraustrete, also wie eine Klangskulptur in den Raum projiziert werde und, so Saunders, „einen absoluten Fokus auf die physische Präsenz des Klangs anstrebe. F
In change is rest Basierend auf Texten von Heraklit und Sappho arbeitet Elisabeth Harnik mit vier Chorgruppen, vier Solisten und vier Instrumenten, die sich im Raum bewegen und im Laufe des Abends neue Positionen zueinander einnehmen. Durch die Bewegung im Kirchenraum verschiebt sich auch die klangliche Wahrnehmung der Zuhörer. Dadurch entsteht ein Prozess beständigen Werdens und Wandels durch Klang und Raum.
Mark Andre: rwh• 1–4 Stephansdom, 3.11., 20.30
Kalvarienbergkirche, Sa, 25.11., 19.30
Durch die Bewegung des Klangs wird
Rebecca Saunders: Yes Musikverein, 17.11., 20.30 Isabel Mundry: Invisible Reaktor, 22.11., 18.00 & 20.30
FOTO: MARKUS SEPPERER
Bei Komponist Mark Andre bewegt sich ein riesiger Klangorganismus an der Grenze des Hörbaren
Memory of a space Fasziniert von der Vorstellung, dass Klänge nie verschwinden, unternimmt Joanna Bailie eine Reise zu ihrem fünfjährigen Ich. Welche Klänge und Erinnerungen verbindet sie mit dieser Zeit? Bei Bailie sind es Autos und Songs. Durch das ständige Akkumulieren und Wiederholen der Töne verwandeln sich Autogeräusche in Songs, während Lieder plötzlich wie Straßenlärm klingen. Auch bei „Roll Call“ dreht sich alles um Erinnerungen: basierend auf einer Fotografie von 1946, die Schüler und Lehrer einer englischen Bubenschule zeigt, lässt die Komponistin Bilder und Tonaufnahmen zu einem audiovisuellen Klangraum verschmelzen.
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Mehr Bewegung! Eröffnungsfanfare Mit Blasorchester, Punkband, Pop-Duo, Bläserensemble, Drum-Line, E-Gitarre, Synthesizer, Solo-Bassposaune und einer Lichtinstallation startet Wien Modern. Mit ihrer „Fanfare“ schickt Maria Gstättner Künstler und Publikum zu einem kollektiven Ritual zwischen Transformation und Katharsis. Stadtpark, Di, 31.10., 18.00
Olga Neuwirth lädt mit weiteren 100 Menschen, 120 Knackfröschen und einem kleinen weißen Hund zum Happening
Zwielicht für Zwielichtiges Ein Gassenkonzert an jenem Ort, wo man sich vor über 280 Jahren eine Haydngaudi machte PARTYBEAUFTRAGTER: CHRISTOPH BENKESER
oseph Haydn war ein Schlawiner. Als J Jüngling beorderte der spätere Vize-
FOTO: RUI CAMILO EVS-MUSIKSTIFTUNG
kapellmeister und Mozart-Spezi, so die Überlieferung, einmal „eine große Anzahl von Musikern“ in die enge Gasse des Tiefen Graben. Zu Mitternacht kam das Kommando: Spielts, was ihr wollt, aber spielts! Die Bläser bliesen. Die Streicher strichen. Der Paukist paukte von der Hohen Brücke. Bald schimpften und schnaubten die feinen Leute ob der späten Spompanadeln aus ihren Fenstern herab. „Mein Herz jubelt, wenn ich mir dieses Happening vorstelle“, sagt Sofia Simitzis, Regisseurin mit assistierender Schlingensief-Vergangenheit. „Deshalb habe ich nicht lange überlegt, als mich Olga Neuwirth mit der Idee zu diesem Gassenkonzert betraut hat.“ Bei Wien Modern findet so die einmalige Neuauflage des Haydn’schen Hallelujas statt – ein sogenanntes Gassatim. Zum Begriff existieren manch herleitende Beschreibungen, die schönste zitiert Simitzis gleich nach Grimm: „Sonderlich des Nachts herumschwärmen und auf den Gassen Musik und Mutwillen treiben.“
Die Produktion werde, wenn schon nicht am originalen Standort, natürlich im öffentlichen Raum stattfinden, so Simitzis. Wo genau, das dürfe sie noch nicht verraten. Der Ort für das Gassenkonzert wird erst einen Tag vor der Aufführung bekanntgegeben. „Ich habe zur Vorbereitung stundenlang vor Ort abgehangen, um die Vibes zu spüren. Das Besondere: Es herrscht immer Flanierstimmung – aber ab einem Moment ändert sich die Stimmung.” Im gedämpften Flair der blauen Stunde
soll das Gegenwarts-Gassatim in, vor und über Geschäftslokalen geschehen, als „minimaler Eingriff in die Realität, der eine kleine Irritation“ hervorhebe, sagt Simitzis. „Olga hat dafür ein genau gearbeitetes Stück geschrieben, das eine Raumklangwirkung entfalten wird. Dazu kommen Werke von Berlioz, Satie oder auch Haydn – durchaus melancholische Musik, die in die Nacht gehört.“ Eine konfrontative „Krach-Stör-Aktion” werde das Gassenkonzert daher nicht sein, vielmehr ein flüchtiger „Rabatz”, der eine „andere Facette” des Orts hervorbringt. Schließlich schlage man mit über 100 Musikerinnen und Musikern auf, verschönere das Leben für eine knappe halbe Stunde und verstreue sich dann wieder. „Alles passiert ohne Aufbau
oder Bühne, trotzdem werden die Leute sagen: Huch, da spielt jemand! Und da oben und dort drüben auch! Bis dann niemand mehr spielt und es alle aus anderen Perspektiven erlebt haben.” Wie sich das „Bitte lieber nicht Flashmob, sondern Happening sagen“Happening in der frühweihnachtlichen Gelassenheit der Gigerl und Grantler niederschlägt, will und kann Simitzis nicht vorwegnehmen. Als Maestra del gioco, die Spielleiterin des Spektakels, interessiere sie aber die Begegnung im öffentlichen Raum – und nicht im Konzertsaal. Auch wenn sich die Interessen der Passanten möglicherweise mit jenen des Ensembles schneiden. „Die Menschen werden verzaubert sein“, ist sich die Neuwirth-Komplizin sicher. Übrigens: Als in jener Nacht um 1753 die Wächter heraneilten, um der antiserenadischen Haydngaudi Einhalt zu tun, flüchteten die Musikanten in alle Himmelsrichtungen. Nur der Paukist war, man kann den Grund schon ausmachen, nicht schnellen Schrittes genug. Die Wächter fassten ihn, er kam über Tage in Arrest, musste viele Fragen über sich ergehen lassen. Nur eine konnte und wollte er nicht beantworten: Wer war der eigentliche Schlingel dieser Störaktion? F Im öffentlichen Raum, Di, 21.11., 16.15
21 Songs „Knallbunt, laut und anarchisch“ – so beschreibt Hannes Seidl die Performance im öffentlichen Raum. Gemeinsam mit dem Berliner Ensemble MAM und Sängerin Anna Clare Hauf entsteht ein Mix aus energetischer Musik, Anekdoten und Abgründen des Alltäglichen. Im Anschluss an die Performance ziehen alle für noch mehr Geschichten und Klänge in den Club U. Opernpassage, Sa, 4.11., & So, 5.11., 16.00
Mit Dämpfung „Con sordino“ – so nennt sich die Klanginstallation von Peter Conradin Zumthor. Zumthor, Sohn des Architekten Peter Zumthor, entdeckte vor einigen Jahren den Glockenklang und fing an, damit zu experimentieren. Hier werden die Klöppel mit Gummischrotmatten und Motorradreifen ummantelt – „was einen völlig neuen, weichen Klang erzeugt“. Stift Klosterneuburg, So, 19.11., 11.00 Stephansdom, Mi, 22.-24.11., 21.00
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W I E N Musik Abschlusskonzert Wien Modern: In C // 20 Pipers „In C“ von Terry Riley ist eines der beeindruckendsten Werke der Minimal Music: Dabei werden 53 kurze Motive der Reihe nach wiederholt. Den psychedelischen Klassiker nimmt der bretonische Dudelsackspieler und Ensembleleiter Erwan Keravec mit einer außergewöhnlichen Besetzung in Angriff: 20 Dudelsäcke, Bombarden und Binioù erzeugen in einer minimalistisch gehaltenen Ausstattung einen frei begehbaren Klangraum. Atelierhaus der Akademie der bildenden Künste (ehem. Semperdepot), Sa 2.12., 19.30 Anton Gerzenberg Der 26-jährige deutsche Pianist und Shootingstar gab seinen Einstand in Wien als Einspringer in einem Kammermusikabend mit der virtuosen zweiten Klaviersonate von Salvatore Sciarrino. Bei seinem zweiten Solorezital spielt er Werke von Giacinto Scelsi, Unsuk Chin, Chaya Czernowin, Luigi Nono sowie Marco Stroppas „Traiettoria“. Stroppa war 23, als er mit der Arbeit an dem Zyklus begann, der drei Teile umfasst: Traiettoria... deviata, Dialoghi und Contrasti. Ursprünglich als kurze Komposition für Soloklavier konzipiert, spielten darin bald auch computergenerierte Klänge ein Rolle. Bei Wien Modern übernimmt der Komponist selbst die Klangregie. Konzerthaus, Berio-Saal, Mo 27.11., 19.30 Arditti Quartet Das Arditti Quartet hat neue Maßstäbe gesetzt: über 1000 Stücke umfasst die Repertoire-Liste des Ensembles mit Partituren, die von anderen Quartett-Formationen als unspielbar abgelehnt worden wären. Bei Wien Modern spielen die vier u.a. Raumstücke von Isabel Mundry und Robert HP Platz sowie Mark Andres großen Miniaturenzyklus iv 13. Konzerthaus, Mozart-Saal, Do 23.11., 20.00 Black Page Orchestra Was macht ein Komponist, der kein Ensemble findet, das die Musik seiner Wahl spielt? Er gründet selber eines. Wie Matthias Kranebitter, der das Black Page Orchestra ins Leben rief, um radikale und kompromisslose zeitgenössische Musik aufzuführen. Dieses Mal lädt die Punkband unter den Wiener Neue-MusikEnsembles in den Untergrund des Musikvereins. Mit neuen Stücken von Nava Hemyari und Christian Schröder, mit hochvirtuosen Special Effects von Michael Beil und Alexander Schubert sowie mit einer Art losem Notizbuch von François Sarhan. Musikverein, Gläserner Saal, Mi 8.11., 20.00 Bogdan Laketic Bogdan Laketic, 1994 in Serbien geboren und lebend in Wien, zählt zu den besten Akkordeonvirtuosen. Bei Wien Modern wandelt er auf den Spuren von Sofia Gubaidulina und Luciano Berio und spielt Uraufführungen von Tomasz Skweres und Dirk D'Ase. Alte Schmiede, So 5.11., 11.00 Cantando Admont / PHACE Für seinen Abend mit Werken von der Renaissance bis zu Isabel Mundry, Rebecca Saunders und einer Uraufführung von Gerald Resch holt sich das Vokalensemble Cantando Admont erstmals Verstärkung vom Ensemble PHACE in den Reaktor. Reaktor, Fr 24.11., 19.30 Claudio Abbado Konzert: Friedrich Cerha in memoriam RSO Wien, Klangforum Wien, Bas Wiegers (D) Das diesjährige Abbado-Konzert ist Friedrich Cerha gewidmet, der im Februar 2023 im Alter von 96 Jahren starb. Cerhas Werk „Fasce“, das beim Komponisten so viel wie „Bündel“ bedeutet, entstand 1959 und gilt als eine der ersten Klangflächenkompositionen: statt eine einzige Klangmasse zu formen, lässt Cerha unterschiedliche Klanggruppen auftreten. Das zweite, nicht minder monumentale Stück stammt von der Ernst-von-Siemens-Musikpreisträgerin Rebecca Saunders: mit „Wound“ (Wunde) aus dem Jahr 2022 komponierte sie ein Concerto grosso, dessen Solopart hier vom Klangforum Wien als Dialogpartner des RSO Wien übernommen wird. Musikverein, Goldener Saal, Mi 15.11., 19.30 Clemens Gadenstätter, Lisa Spalt: Break Eden Anna Clare Hauf (Stimme), Ernst Surberg (Klavier), Lisa Spalt (Lesung) Text und Musik beschäftigen
M O D E R N sich in „Break Eden“ mit der Erschaffung von Eden aus der Gegenwart, was Zerbrechen und Zusammenfügen in einem bedeutet. Die Stimme ist sowohl ein imaginäres Porträt einer Vielzahl möglicher Personen wie auch eine in ihren Empfindungen verdichtete mögliche Person. Als solche löst sie die Frage von Gesellschaft und Individuum, indem sie beider Schauplatz und in beidem ständige Transformation darstellt. Alte Schmiede, Mi 29.11., 18.00 Cuarteto Casals Dimitri Schostakowitsch: Streichquartett Nr. 2 A-Dur op. 68, Sofia Gubaidulina: „Reflections on the Theme B-A-C-H“ , Francisco Coll: „Cantos. Hyperlude IV“, Ludwig van Beethoven: Streichquartett F-Dur op. 135. Musikverein, Brahms-Saal, Sa 18.11., 18.00 Elisabeth Harnik: In change is rest Die Raumkomposition „In change is rest“ für das chorforum.gleisdorf ist eine Einladung an das Publikum, Chorgesänge aus verschiedenen Perspektiven zu erhören. Basierend auf Texten von Heraklit und Sappho arbeitet Elisabeth Harnik mit vier Chorgruppen, vier Solisten und vier Instrumenten, die sich im Raum bewegen und im Laufe des Abends neue Positionen zueinander einnehmen. Durch die Bewegung im Kirchenraum verschiebt sich auch die klangliche Wahrnehmung der Zuhörer. Dadurch entsteht ein Prozess beständigen Werdens und Wandels durch Klang und Raum. Kalvarienbergkirche, Sa 25.11., 19.30 Eröffnungskonzert: Peter Jakober: Saitenraum II Aufgrund des großen Erfolges 2022 schreibt Peter Jakober sein Werk „Seitenraum“ neu – dieses Mal als „Saitenraum II“ für 26 Geigen, 10 Bratschen, 14 Celli und 10 Kontrabässe. Die 45-minütige Uraufführung eröffnet die 36. Festivalausgabe von Wien Modern. Die Wiener Symphoniker sind verteilt in den drei historischen Sälen des Konzerthauses, das Publikum kann sich bei weit geöffneten Türen durch den Klang bewegen. Konzerthaus, Di 31.10., 19.30 Erste Bank Kompositionspreis: Nimikry Klangforum Wien, Johannes Kalitzke (D) Chaya Czernowin: Seltene Erde (EA), Wladimir Pantchev: Konzert für Solo-Trompete und Kammerensemble (UA) und Nimikry: „Rhizomatic Studies“ (UA). Im Anschluss findet ein Empfang im Berio-Saal statt. Konzerthaus, Mozart-Saal, Di 28.11., 19.30 Exaudi A Cappella James Weeks (Leitung) Eine Österreich-Premiere gibt es am 20. November mit dem britischen Vokalensemble Exaudi. 2002 in London gegründet, zählt es heute zu den besten weltweit, mit einem Repertoire, das von mittelalterlicher bis zu Neuer Musik reicht. Markenzeichen der sechs Sänger – drei Soprani, zwei Mezzi und eine Countertenor – ist ihre Vorliebe für zeitgenössische Vokalmusik im experimentellen und mikrotonalen Bereich. In Wien stellt das Ensemble flämische Renaissancemusik von Orlando di Lasso und Cipriano de Rore radikal neuen Positionen von Naomi Pinnock oder Bruno Strobl gegenüber. Strobl hat für das Festival ein neues A-cappellaWerk geschrieben: „Sibylle – die Seherin“ basiert auf dem Mythos der Prophetin Sibylle, die sich der Legende nach Apollo verweigert und dieser sie als Strafe dafür in einer Höhle dem Altern überlässt – 1000 Jahre lang. Servitenkirche, Mo 20.11., 20.30 Elisabeth Flunger & Robert Mathy Elisabeth Flunger: „Sphärenmusik. Musikalische Murmelbahn“ (UA), Robert Mathy: Orbit. Kinetische Klanginstallation (UA). Die Installation ist von 13.00 bis 19.30 Uhr zu sehen, um 14.00, 16.00 und 18.00 Uhr finden Performances statt. St. Ruprechtskirche, So 12.11., 13.00 Georg Friedrich Haas: 11.000 Saiten Klangforum Wien, Tim Anderson (D), 50 Studierende des Ludwig van Beethoven Instituts für Klavier an der mdw. In seinem neuen Werk hievt Haas das Klavierspiel in bisher unbekannte Dimensionen: im Raum verteilt stehen 50 Klaviere, die im Hundertsteltonabstand gestimmt und von einem Kammerorchester begleitet werden. Konzerthaus, Großer Saal, Mi 1.11., 19.30 Hannes Seidl / MAM: 21 Songs Mit der Wiener Fassung seiner „21 Songs in a public surrounding“ (UA) zieht der Frankfurter Komponist gemeinsam
mit den Musikerinnen und Musikern des Berliner Ensembles durch die Karlsplatz-Passage. Eine anarchische, laute und knallbunte Performance. Opernpassage, Sa 4.11., So 5.11., jeweils 16.00; Club-U, Sa 4.11., So 5.11., jeweils 18.00 Inexhaustible Editions: Sounding spomenik Inexhaustible Editions ist ein kleines Plattenlabel für akustische und/oder elektronische Improvisation, moderne Komposition und andere seltsame und schöne Klänge. „Sounding spomenik“ bedeutet auf Deutsch „Klingende Erinnerungen“ und bezieht sich auf die kommunistischen Denkmäler im ehemaligen Jugoslawien. Tadeja Žele und Vida Vatovec erforschen in Ilirska Bistrica und Dražgoše die akustischen Räume dieser Gedenkstätten. Echoraum, Fr 1.12., 19.00 Inexhaustible Editions: Hörraum mit Lászlo Juhász 90-minütiger Hörraum mit Labelgründer, Kurator und Produzent László Juhász. Echoraum, Sa 2.12., 17.00 Irvine Arditti Solo Irvine Arditti, Primarius des 1974 von ihm in London gegründeten Arditti Quartet, spielt ein Programm für Solo-Violine mit Werken von Iannis Xenakis, Rebecca Saunders, Sarah Nemtsov und Salvatore Sciarrino. Musikverein, Gläserner Saal, Sa 18.11., 21.30 Isabel Mundry: Invisible Mit einer komponierten, beweglichen Raumkonstellation spürt Isabel Mundry dem Unsichtbaren nach. Die Neuproduktion zum Abschluss der gemeinsam mit Peter Zumthor kuratierten Festivalwoche ergänzen PHACE, Arditti Quartet & Co an den beiden darauffolgenden Tagen mit weiteren Kammer- und Vokalmusikwerken der Komponistin. Reaktor, Mi 22.11., 18.00, 20.30 Joanna Bailie / Ictus: Memory of a space Fasziniert von der Vorstellung, dass Klänge nie verschwinden, unternimmt Joanna Bailie in 1979 eine Reise zu ihrem Fünfjährigen Ich. Welche Klänge und Erinnerungen verbindet sie mit dieser Zeit? Bei Bailie sind es Autos und Songs. Durch das ständige Akkumulieren und Wiederholen der Töne verwandeln sich Autogeräusche in Songs, während Lieder plötzlich wie Straßenlärm klingen. Basierend auf einer Fotografie von 1946, die Schüler und Lehrer einer englischen Bubenschule zeigt, lässt die Komponistin in „Roll Call“ Bilder und Tonaufnahmen zu einem audiovisuellen Klangraum verschmelzen. Konzerthaus, Berio-Saal, Do 23.11., 18.00 Judith Unterpertinger: Zeitenverwesung II Die in Hall geborene und in Wien lebende Komponistin, Musikerin und Musikvermittlerin Judith Unterpertinger tritt im experimentellen und improvisatorischen Bereich unter dem Namen JUUN auf. Im Auftrag von Wien Modern und Musikverein Wien ist „Zeitenverwesung II“ entstanden, das im Kreuzgang des Stiftes Klosterneuburg uraufgeführt wird. Stift Klosterneuburg, So 19.11., 18.00 Junge Musik Schülerinnen und Schüler der Musikschulen Wien spielen aktuelle Werke von John Cage sowie eine Uraufführung. Odeon, Mi 29.11., 18.00 Kaija Saariaho in memoriam Kaija Saariaho starb im Juni an den Folgen eines Hirntumors. Sie wurde 70 Jahre alt. Das Solistinnenensemble der MUK erinnert an die großartige finnische Komponistin und Tonschöpferin. Musik und Kunst Privatuniversität der Stadt Wien, Muk.theater, Do 9.11., 18.00, 20.00 Kandinsky Quartet Das Kandinsky Quartet wurde 2020 in Wien gegründet und ist Stipendiat der Jeunesse Musicales Deutschland und der Villa Musica. Bei Wien Modern präsentieren sie neue Werke des aus Irland stammenden Wahlwieners Peter Joyce, des aus Israel stammenden Wahlwieners Dror Binder und der in Beijing lebenden Lingyi Dong sowie Pascal Dusapins Fünftes Streichquartett nach Samuel Becketts Novelle „Mercier et Camier“. Alte Schmiede , So 12.11., 11.00 Kleine Instrumente Małe Instrumenty (Kleine Instrumente) heißt ein polnisches Ensemble, das ungewöhnliche Instrumente und Klänge einsetzt, um Musik zu kreieren. Um ihre Ideen umzusetzen, baut die Gruppe spezielle Instrumente und Klangspielzeug für Kinder. Jetzt kann man die
2 0 2 3 Sammlung kunterbunter Klangspielzeuge, Geräuschmaschinen und kurios klingender Dinge bei Wien Modern bewundern. Dabei dürfen sie auch ausprobiert und hemmungslos zum (Mit-)Spielen verwendet werden. Dschungel Wien, So 12.11., 15.30, Mo 13.11., Di 14.11., 10.00, Do 16.11., 14.00, Fr 17.11., 10.00, Sa 18.11., So 19.11., 15.30, Mo 20.11., 10.00 the klingt. collective: estos patos locos Das neunköpfige Ensemble unternimmt mit seinem Instrumentarium eine audiovisuelle Reise durch seine privaten Aufnahme- bzw. Proberäume. Odeon, So 26.11., 19.30 Ligeti 100.1 Zum 100. Geburtstag von György Ligeti spielen die Organisten Zsigmond Szathmári und Wolfgang Kogert die Werke „Ricercare“, „Volumina“ sowie zwei Etüden. Dazu erklingen Werke von Julia Purgina, Bernhard Lang und Zsigmond Szathmári. Jesuitenkirche, Di 7.11.,19.30 Maria Gstättner: Fanfare „Fanfare allez ensemble“ für zwei Blasorchester, Punkband, Pop-Duo, Bläserensemble, Drumline, E-Gitarre, Sythesizer, Solo-Bassposaune und lichtbasierte künstlerische Intervention (UA). Stadtpark, Di 31.10., 18.00 Mark Andre: rwh• 1–4 ORF Radio-Symphonieorchester Wien, Roland Kluttig (D), Wiener Singakademie, Wiener Chormädchen Mark Andres spirituelles Opus magnum ist erstmals in Österreich zu erleben. rwh („ruach“ ausgesprochen) ist ein aramäisches Wort und bedeutet Atem, Luft, Duft, Wind und Geist. Im ersten Teil sind Instrumente und Elektronik im Raum verteilt. Den zweiten Teil singt ein Chor; der dritte und kürzeste Teil ist rein instrumental. Im vierten Teil verbinden sich schließlich die Chöre und Orchestergruppen miteinander. Stephansdom, Fr 3.11., 20.30 Matinée petite Schülerinnen und Schüler der Musikschulen der Stadt Wien spielen Stücke in kleinen Besetzungen und musizieren in der Ausstellung „Blackness, White and Light“ von Adam Pendleton. Mumok – Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig, So 26.11., 12.00 Michael Jarrell: Quatre îles d’un archipel Ensemble Musikfabrik, Dirk Rothbrust (D) „Quatre îles d’un archipel“ (Vier Inseln eines Archipels) für Schlagzeug, Elektronik und Ensemble. Musikverein, Goldener Saal, Fr 17.11., 18.00 Mivos Quartet Laut Chicago Reader ist das Mivos Quartet „eines der gewagtesten und wildesten Ensembles für neue Musik in Amerika“. Vor zwei Jahren waren sie auf Stippvisite in Wien und gaben ein fetziges Konzert im Porgy & Bess. Bei Wien Modern spielen sie Stücke von George Lewis, Andile Khumalo, Chikako Morishita, Raven Chacon und Clara Iannotta. Alte Schmiede, So 12.11., 20.00 NAMES Ensemble: Dystopien Armando Merino (D) Das junge Salzburger Ensemble feiert Premiere bei Wien Modern. Mit im Gepäck haben die sieben Musiker Ur- und Erstaufführung von Georgia Koumará, Bekah Simms, Patrick Lechner, Bertram Wee und Golnaz Shariatzadeh. mdw – Future Art Lab, Do 9.11., 18.00, 20.15 Olga Neuwirth: Gassatim-Konzert Studierende der Anton Bruckner Privatuniversität, Studierende der MUK, Studierende der mdw, Original Hoch- und Deutschmeister, Wiener Kammerchor, Jaime Wolfson (Leitung Olga Neuwirth), Reinhold Nowotny (Kapellmeister), Michael Grohotolsky (Leitung Charles Ives), Saša Dragović (Leitung Hector Berlioz), Roman Rindberger (Einstudierung MUK), dieb13 (Turntables), Peanut (Hund), Klaus Neundlinger (Herrchen), Christina Bauer (Tontechnik), Sofia Simitzis (Maestra del gioco, Spielleitung) Olga Neuwirth: „Gassatim-Konzert“ nach Ideen von Olga Neuwirth, Joseph Haydn und Charles Ives. Performance im öffentlichen Raum mit Musik von Joseph Haydn, Erik Satie, Edgar Varèse, Charles Ives, Olga Neuwirth, Hector Berlioz, Emil Štolc, Jimi Hendrix und dieb13 (EA) . Im öffentlichen Raum, Di 21.11., 16.15 Peter Conradin Zumthor: Glocken con sordino Peter Conradin Zumthor, Komponist, Schlagzeuger und Sohn von Wien-Modern-Mitkurator Peter Zumthor präsentiert seine Klanginstallation „con sordino für präparierte Kirchenglocken“ (EA).
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Alle Termine lexikalisch von 31. Oktober bis 2. Dezember
Performance & Musiktheater Alex Franz Zehetbauer: An Evening With 1990 in Brooklyn, New York geboren, bezeichnet sich Zehetbauer selbst als Sänger und Performer,
Party Modern SCH:CHT [Sıçt] Mit Pamelia Stickney (Theremin), dem Duo schtum, Manu Mayr (E-Bass, Elektronik), Robert Pockfuß (E-Gitarre, Elektronik) sowie DJ Antonia XM. Club Praterstraße, Mo 27.11., 21.00 Titus Probst Titus Probst beschallt den Club U mit Synthesizer, Sampler und Gesang. Club-U, Sa 4.11., 21.30 Wien Modern Finale Mit den DJs Top*S, Armonia und Adriana Celentana. Roxy, Sa 2.12., 21.30
Ausstellung Die übersehenen Komponistinnen Eine Online-Schau widmet sich dem Wirken von österreichischen Komponistinnen des 20. Jahrhunderts, deren Nachlässe in der Musiksammlung der Österr. Nationalbibliothek aufbewahrt werden. www.onb.ac.at , Mo 1.11.2023 – 31.3.2024 Unsichtbare Instrumente Ausstellung von Musikinstrumenten und Klanginstallationen, die von Małe Instrumenty und Paweł Romańczuk gemeinsam mit blinden und sehbehinderten Menschen entwickelt wurden. Polnisches Institut, Mo 13.11., 18.00 (Vernissage), 14.11. – 21.11., jeweils ab 12.00 (Ausstellung)
FOTO: ALEX FRANZ ZEHETBAUER
Für Kinder: „Kleine Intrumente“ im Dschungel Wien (12.-20.11)
„An evening with“ Alex Franz Zehetbauer im brut nordwest (15.-18.11.)
FOTO: MANU THEOBALD
Bar Modern: Joanna Bailie in conversation with Bernhard Günther (in English). Konzerthaus, Do 23.11., 19.15 Einführungsgespräch Marco Stroppa und Chaya Czernowin im Gespräch mit Bernhard Günther. Konzerthaus, Mo 27.11., 18.30 Gegenwartsentwürfe – Zukunftsbilder Internationales Symposium anlässlich des 100-JahrJubiläums der Internationalen Gesellschaft für Neue Musik. mdw – Universität für Musik und darstellende Kunst, Festsaal Seilerstätte, Mi 8.11., 14.00, Do 9.11., 9.30, Fr 10.11., 9.30 George Lewis / Harald Kisiedu In seinem Buch „Composing While Black“ beschäftigt sich der Komponist und Musiker George Lewis mit zeitgenössischen afrodiasporischen Komponistinnen und Komponisten. Die interdisziplinäre Aufsatzsammlung befasst sich mit Oper, Orchester- und Kammermusik, Instrumental- und elektroakustischer Musik sowie mit Klangkunst, Konzeptkunst und digitalen Medien. Alte Schmiede, So 12.11., 18.00 Making of : 11.000 Saiten Georg Friedrich Haas und Peter Paul Kainrath im Gespräch mit Bernhard Günther. Konzerthaus, Mi 1.11., 18.30 Making of: Phantom Voltage Christina Kubisch, Florian Kindlinger und Peter Kutin im Gespräch mit Bernhard Günther. Otto-Wagner-Postsparkasse/AIL, Mo 6.11., 20.45 Werkstattgespräch: Peter Zumthor Stephan Pauly und Bernhard Günther stellen Fragen an Peter Zumthor. Musikverein, Goldener Saal, Mi 15.11., 18.00 Werkstattgespräch: Pierre-Laurent Aimard Peter Zumthor stellt Fragen an Pierre-Laurent Aimard. Musikverein, Goldener Saal, Do 16.11., 21.30 Werkstattgespräch: Rebecca Saunders Peter Zumthor stellt Fragen an Rebecca Saunders. Musikverein, Brahms-Saal, Fr 17.11., 19.00 Werkstattgespräch: Michael Jarrell Peter Zumthor stellt Fragen an Michael Jarrell. Musikverein, Brahms-Saal, Sa 18.11., 19.45 Werkstattgespräch: Judith Unterpertinger Peter Zumthor stellt Fragen an Judith Unterpertinger. Stift Klosterneuburg, Kreuzgang , So 19.11., 19.00 Werkstattgespräch Mein Vater, der Architekt – mein Sohn, der Musiker. Peter Conradin Zumthor und Peter Zumthor im Gespräch. Architekturzentrum Wien, Dietmar Steiner Bibliothek, Mo 20.11., 18.00 Werkstattgespräch: Olga Neuwirth Peter Zumthor stellt Fragen an Olga Neuwirth. Mak – Museum für angewandte Kunst, Di 21.11., 18.00 Werkstattgespräch: Isabel Mundry Peter Zumthor stellt Fragen an Isabel Mundry. Reaktor, Mi 22.11, 19.15
FOTO: PAWEL ROM ANC ZUK
Vorträge & Gespräche
Das fabelhaften Vier vom Arditti Quartett im Konzerthaus (23.11.)
FOTO: ANDREJ GRILC
Schallchoreograf und Lärmspezialist; außerdem liebt er Wasser und lässt das Element auch in seine Arbeiten einfließen. Sein neuester Wurf heißt „An Evening With“ und wird im Rahmen von Wien Modern uraufgeführt. Darin setzt er sich mit der Tradition des Liedgesangs auseinander. Zehetbauer singt in Begleitung eines Pianisten Songs, die er selbst geschrieben hat – von Sinatra-ähnlichen Wiegenliedern über eine Pop-Hommage an Franz Schubert bis hin zum Volkslied. brut nordwest, Mi 15.11. bis Sa 18.11., jeweils 20.00 Miet Warlop: One Song Das Stück „One Song“ der flämischen Choreografin Miet Warlop besteht aus einem einzigen Song. Zwölf Performer betreten eine Art Turnhalle und beschwören mit Gesang, Musikinstrumenten, Sportgeräten, Tanz, Sauerstoff und Schweiß die Conditio humana. Tanzquartier Wien, Halle G, Fr 10.11., 19.30, Sa 11.11., 19.30 Peter Conradin Zumthor: Things Are Going Down Was passiert, wenn man Klavier spielt und dabei ganz langsam die Saiten herunterstimmt? Peter Conradin Zumthor hat das Experiment gewagt und macht sich gemeinsam mit dem Klavierstimmer René Waldhauser an das Verfremden der Klänge. Die spektakuläre Komposition „Things Are Going Down“ beginnt mit einem schnellen, repetitiven Rhythmus am Klavier, den Waldhauser nach und nach verändert. Dadurch entsteht ein immersiver, hypnotischer Sog jenseits der herkömmlichen Stimmungen. Stift Klosterneuburg, Weinkeller, So 19.11., 20.00 Phantom Voltage Peter Kutin, Florian Kindlinger und Christina Kubisch machen elektromagnetische Felder sicht- und hörbar. Otto-Wagner-Postsparkasse/AIL, Mo 6.11., 19.30, Di 7.11., 19.30 Porträt Hermann Markus Preßl Der Komponist Hermann Markus Preßl, geboren 1939 in Altaussee, gestorben 1994 in Griechenland, ist immer noch einer der ganz großen Unbekannten im österreichischen Musik- und Kulturleben. Er hat in Bad Aussee, Kabul und Graz unterrichtet, ist um die Welt gereist und hat seine eigenen Instrumente (etwa eine Unendlichkeitswalze) gebaut. Zusammen mit der Familie Preßls hat Choreograf Willi Dorner ein musikalisch-choreografisches Porträt mit Objekten, Tanz und Musik geschaffen, das an zwei Tagen im Volkskundemuseum zur Aufführung kommt. Volkskundemuseum Wien, Sa 11.11., 15.00, So 12.11., 19.00 Kurt Schwertsik / Kristine Tornquist: Alice. Eine phantastische Revue „Alice. Eine phantastische Revue“ zeigt charakteristische Szenen aus Lewis Carrolls „Alice’s Adventures in Wonderland“ und „Through the Looking-Glass and What Alice Found There“ für ein Ensemble aus 24 Instrumentalisten, sieben Solisten und die fabelhafte Truppe des Serapions Theaters, das gemeinsam mit dem sirene Operntheater diese große Uraufführung von Kurt Schwertsik (Musik) und Kristine Tornquist (Libretto) auf die Bühne bringt. Odeon, Do 23.11. , Sa 25.11. , Do 30.11., Fr 1.12., Sa 2.12., Do 7.12. bis Sa 9.12., Fr 29.12. bis So 31.12., jeweils 19.30 Subnormal Europe Was ist Kopie, was echt, was ist Fakt, was Falschmeldung? Belenish Moreno-Gil und Óscar Escudero beschäftigen sich in „Subnormal Europe“ mit der Daten-Reizüberflutung in den Medien. Anhand von Zitaten, Foto- und Videofragmente, die im Sekundentakt über die Leinwand flimmern, unternimmt Sängerin Noa Frenkel eine rasend schnelle Fahrt zwischen Bits und Bytes. Odeon, Mi 29.11., 20.00
Anton Gerzenberg spielt Marco Stroppa u.a. im Konzerthaus (27.11.)
Workshops Klangpassagen: Different lines Offener Musikund Kompositionsworkshop zum Mitmachen mit blinden, tauben sowie seh- und hörbehinderten Teilnehmern. Brunnenpassage, Sa 11.11., 16.00 Matinée petite: Workshop Schüler der Musikschulen der Stadt Wien führen ausgewählte Werke zur Ausstellung von Adam Pendleton auf. Das genaue Programm wird traditionell erst kurzfristig bekanntgegeben. Mumok – Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig, So 26.11., 10.00
FOTO: MIRIAM DAMEV
Stift Klosterneuburg, So 19.11., 17.00, Stephansdom, 22.11.-24.11., 21.00 Pierre-Laurent Aimard (Klavier) Werke von Johann Sebastian Bach, Milica Djordjević, György Kurtág und Franz Schubert. Musikverein, Goldener Saal, Do 16.11., 19.30 Polwechsel 30 Werner Dafeldecker: Jupiter Storm (UA), Michael Moser: Partial Intersect (UA), Martin Brandlmayr: Chains and Grain (UA), Peter Ablinger: Orakelstücke (UA), gespielt mit Schlagzeug, Kontrabass, Saxofon und Klavier. Atelierhaus der Akademie der bildenden Künste (ehem. Semperdepot), Do 2.11., 19.00 Porträt Christof Ressi Rainer Elstner (Moderation) Das Black Page Orchestra interpretiert „Arcade/Arcadia“ (UA), „GIF Frenzy“, „Am Anfang war das A“, „Rizumu Gemu“ und „game over“. Radiokulturhaus, Großer Sendesaal, Sa 4.11., 20.00 Rebecca Saunders: Yes Ensemble Musikfabrik, Juliet Fraser (Sopran), Enno Poppe (Dirigent) „Yes. Eine Raumperformance für Sopran, 19 Solist:innen und Dirigent mit Texten aus dem Schlusskapitel des Ulysses von James Joyce“ (EA). Musikverein, Goldener Saal, Fr 17.11., 20.30 SFIEMA presents: The art of trio / Trio as an art Mit zwei Trios und einem Doppeltrio zum Abschluss lädt die Society for Sound Art, Free Improvisation and Experimental Music Austria (kurz SFIEMA) wieder in die kleinste Spielstätte des Festivals Wien Modern – die Art Lounge unter dem Café Korb. Gäste von Mia Zabelka und Herbert Lacina sind diesmal der irische Pianist Paul G. Smyth, der norwegische Schlagzeuger Ståle Liavik Solberg, die Wiener Pianistin Gloria Damijan sowie die ebenfalls in Wien lebende Klarinettistin und Saxofonistin Elisabeth Kelvin. Café Korb Art Lounge, Di 14.11., 22.00 Sound Exchange Das Ensemble mit dem poetischen Namen nennt sich between feathers und hat seine Homebase in Wien. Zusammen mit dem Berliner Trio Tempestoso spielen sie bei Wien Modern Erst- und Uraufführungen. Die Stücke von Vili Polajnar, Katharina Roth oder Víctor Morató Ribera heißen „Crimes of Love“, „Verwobene Linien – gesponnene Fäden“ und „im kopf“. Reaktor, Mo 13.11., 19.30 Studio Dan: More breaking news Die eigenwillig besetzte Jazzformation präsentiert Musik zwischen den Genres: Ingrid Laubrock: „Zones“, Lukas König: „Flash 1020“ für Flipper, verstärktes Becken und Ensemble. Porgy & Bess, Di 14.11., 20.00 Unsichtbare Instrumente Seit 2006 verwendet das polnische Ensemble Małe Instrumenty (Polnisch für Kleine Instrumente) eine wachsende Zahl ungewöhnlicher Musikinstrumente: Spielzeug, Sammelstücke, Kuriositäten und Raritäten sowie zahlreiche selbst entwickelte und gebaute Klangerzeuger. Hier präsentiert das Ensemble die entwickelten Musikinstrumente im Rahmen eines Konzert am mdw Campus. Fanny-Hensel-Saal , Do 9.11., 18.00 Webern Ensemble Jean-Bernard Matter (D) Conlon Nancarrow: „Piece Nr. 2 for small orchestra“, Unsuk Chin: Doppelkonzert und György Ligeti: Konzert für Violine und Orchester. Ligeti arbeitet hier mit Mikrointervallen, die sich abwechselnd zu harmonischen und nichtharmonischen Klangspektren fügen. mdw – Universität für Musik und darstellende Kunst, Joseph-Haydn-Saal, Sa 25.11., 16.30 Zarić / Harnik / Barrett Milana Zarić (Harfe), Elisabeth Harnik (Klavier), Richard Barrett (Elektronik) Milana Zarić, Elisabeth Harnik, Richard Barrett: „N. N.“ (UA), „Die Methode. Freie Improvisation“. Im Anschluss: DJ Didi Kern & Friends. Celeste, Do 30.11., 20.00
Stille Post mit dem the klingt collective im Odeon (26.11.)
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ARCHITEKTUR für die Ohren
Mehr Monumentales!
Auch Bach, Beethoven und Schubert sind Baustoffe der Lauschgalerien, in die Peter Zumthor einlädt Friedrich Cerha in memoriam Das diesjährige Abbado-Konzert ist Friedrich Cerha gewidmet, der im Februar 2023 im Alter von 96 Jahren verstarb. Cerha hatte sich gewünscht, sein revolutionäres Frühwerk „Fasce“ bei Wien Modern noch einmal zu hören. Es entstand 1959 und gilt als eine der ersten Klangflächenkompositionen. Das zweite, nicht minder monumentale Stück de Abends kommt von der Ernst-von-SiemensMusikpreisträgerin Rebecca Saunders und heißt „Wound“ (Wunde). Musikverein, Mi, 15.11., 19.30
Mehr junge Musik! Jungspund Club Für junge Menschen unter 27 gibt es seit letztem Jahr den Jungspund Club. Damit haben junge Musikliebhaber die einmalige Gelegenheit das Festival von einer gänzlich neuen Seite zu entdecken und bei gemeinsamen Proben-, Backstage- und Konzertbesuchen oder einem Abendessen und anderen ausgewählten Events mit Künstlern des Festivals ins Gespräch zu kommen. Den kostenlosen Festivalpass gibt es gegen eine besonders gute oder ausgefallene Begründung via Mail an office@jungspund club.at.
HÖRRÄUME: WALTER WEIDRINGER
in Architekt sollte erfinderisch sein E und sich Wissen aneignen können. Fehlt ihm eine dieser Eigenschaften,
kann er kein vollkommener Meister werden“, heißt es gleich im Kapitel mit den Grundlagen – und dann folgt eine Aufzählung. Nicht verwundern dürfte dabei, dass der römische Architekt und Theoretiker Marcus Vitruvius Pollio in seinem zehnbändigen Lehrbuch „De architectura“, dem einzigen erhaltenen Werk der Antike über die Baukunst, von etwaigen Azubis Fertigkeiten in Schreiben, Zeichnen und Rechnen, in Geometrie, Physik, Astronomie und Optik verlangt. Überraschenderweise findet Vitruv aber auch musikalisches Wissen unerlässlich für die Architektur. Womit wir nicht nur sofort bei Peter Zum-
thor gelandet wären und dem Porträt des Architekten als Musiker, oder besser: als Musikmenschen, das Wien Modern und die „Musikverein Perspektiven“ diesmal zeichnen. Sondern auch bei einem Schlagwort, das wir beim Sprechen über Musik verwenden – die Struktur von Werken ebenso betreffend wie Programmzusammenstellungen, ja ganze Festivals. So betrachtet ist ein Auftritt von Pierre-Laurent Aimard bei dieser Konzertreihe mit und rund um Peter Zumthor nahezu unumgänglich, ist der famose französische Pianist doch seit Jahren bekannt dafür, dass er seine Abende in architektonisch durchdachter Manier plant. Schon das Zusammenwirken der Institutionen Musikverein und Wien Modern hat ihn dabei beschäftigt: „Die eine kann wie ein Tempel der Tradition erscheinen, die andere repräsentiert die Kräfte des Neuen. Ich habe versucht, auf kreative Weise eine gemeinsame Welt zu errichten.“ Peter Zumthors Residenz hat ihn zu einer „Doppelkonstruktion“ inspiriert, wie er sagt, zu „zwei Antiphonien“, die jeweils eigenen Gesetzen gehorchen. Johann Sebastian Bach und György Kurtág im ersten Teil, das rücke das Material ins Zentrum: „Bei Bach entwickelt sich noch die kleinste Architektur aus starker Thematik, jeder Grundgedanke entfaltet extreme strukturelle Kraft. Das schließt so viele Schichten mit ein, dass alle möglichen Entwicklungen in dem Stück organisch klingen. Bei Kurtág“, so erklärt Aimard weiter, „ist das Grundmaterial auch frappierend kommunikativ, aber seine Strategie ist ganz anders: Er hat Ta-
bula rasa gemacht und sein Komponieren dann von Grund auf neu entfaltet. In beiden Fällen ist das Material also sehr auffällig, wird aber dann ganz anders organisiert. Mein Programm spielt mit diesem Kontrast.“ Im zweiten Teil treffen dann Kurtág und Franz Schubert aufeinander – da sei die Musik „generell atmosphärischer, Stimmungen werden wichtiger“. Aimard hat dafür seine Auswahl aus den neueren Stücken des mittlerweile 97-jährigen Komponisten getroffen, diese „bringen uns in eine Welt von Poesie, Traum, Intimität. Und Schuberts Tänze mögen kurz sein, sie sind aber von der Substanz her reich, tief und existenziell.“ So, wie die beiden musikalischen Partner in Aimards Dramaturgie aufeinander reagieren, scheinen die Grenzen zwischen ihnen zu verschwimmen. Aber noch etwas tritt hinzu, ein Werk von Milica Djordjević: „Role-playing 1: strings attached“. Ein „mysteriöses“ Stück, findet Aimard, das dem Ganzen „etwas Schlafwandlerisches“ verleihe. Sein Fazit der Konzert-Architektur: „Aus jeweils zwei Gegenüberstellungen ergeben sich zwei ganz verschiedene Teile, die einander wieder ergänzen. In Summe ist es die paradoxe Einladung ans Publikum, in einem großen Saal einem eigentlich ganz privaten, intimen Klavierabend zu lauschen.“ (16.11., 19.30 Uhr) „Der Intellekt ist eine Linie, die Emotion ist
ein Raum“, hat Peter Zumthor einmal gesagt. Wenn Wien Modern über die Bewegung im Raum nachdenkt, dann ist das Gefühl von vornherein ein Parameter in der musikalischen Gleichung, die das Festival zusammen mit dem Architekten entwickelt. Zum Beispiel auch beim Gastspiel des Kölner Ensembles Musikfabrik, das unter Leitung von Enno Poppe die Uraufführung von Michael Jarrells „Quatre îles d’un archipel“ (2022/23) bringt. Dabei bleibt das Publikum zwar ganz herkömmlich sitzen, wird aber akustisch indirekt in Gang gesetzt. Dem Werk zugrunde liegt die elektronisch untermauerte Idee „von mehreren Räumen, von geografisch weit entfernten Klangquellen“, verrät Jarrell. Vier „Inseln“ aus diversem, auch unkonventionellem Schlagzeug umringen das Ensemble, drei vorne, eine hinten. Jeder Teil beginnt als Direktschall der jeweiligen Insel, dann jedoch werde das Klangbild „allmählich vergrößert, entweder durch den Eintritt des Ensembles oder durch die Diffusion der Elektronik im Saal (oder beides).“ Das hüllt das Publikum irgendwann in den jeweiligen Klang ein, bevor sich
die Sounds wieder auf die Ausgansinseln zurückziehen und nur noch „Klangstäube“ überbleiben: in Summe zumindest auch ein modernes Virtuosenstück für den großen Musikfabrik-Perkussionisten Dirk Rothbrust (17.11., 18 Uhr). Schönheit? Schönheit, so hat Peter Zumthor einmal in einem Interview nachgesonnen, bedeute für ihn „kostbare Augenblicke, sie gehen schnell vorbei“. Verschmitzter Nachsatz: „Manchmal ist sogar Architektur schön.“ Die Schönheit des Streichquartetts, und das trifft sich mit dem modernen Bauen, ist eine der Reduktion: „Das rein Vierstimmige ist das Nackende in der Tonkunst“, hatte Carl Maria von Weber 1818 lapidar festgestellt; 90 Jahre später setzte der Architekt Adolf Loos Ornament mit Verbrechen gleich. Das Cuarteto Casals versteht sich auf diese schonungslose Selbstentäußerung, welche der Gattung Streichquartett quasi als Programm eingeschrieben ist. „Nun, kritisieren Sie, kritisieren Sie“, forderte Dmitri Schostakowitsch seine Studenten 1944 auf, als er ihnen u.a. sein 2. Quartett am Klavier vorspielte, ein doppelbödiges Stück, entstanden in tempore belli. Und wenn sich die unbeugsame Sofia Gubaidulina in ihren „Reflections on the Theme B-A-C-H“ an der durch Bachs Tod unvollendet gebliebenen Quadrupelfuge aus dessen „Kunst der Fuge“ abarbeitet, dann ist das, wie immer bei ihr, auch ein widerständiger Akt. Dazu passt Francisco Colls glühendes „Cantos. Hyperlude IV“ trotz exaltierterer Emphase durchaus. Zuletzt Beethoven. In seinem finalen, überraschend heiteren Quartett op. 135 reckt sich im letzten Satz unter dem Titel „Der schwer gefasste Entschluss“ in düsterem Grave die Frage „Muss es sein?“ empor, worauf die Antwort im Allegro erfolgt: „Es muss sein! Es muss sein!“ Die den Worten zugeordneten Motive liegen dem Satz zugrunde – philosophischer Ernst oder augenzwinkernde Ironie? Nach den zyklopischen vorangegangenen Quartetten kehrt Beethoven hier zu einer übersichtlichen Architektur zurück: in eine Art Joseph-Haydn-Gedenkraum (18.11., 18 Uhr). F Klavierrezital Pierre-Laurent Aimard Musikverein, 16.11., 19.30 Michael Jarrell: Quatre îles d’un archipel Musikverein, 17.11., 18.00 Cuarteto Casals Musikverein, 18.11., 18.00
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Mehr Vokale Kunst! Exaudi a cappella Eine ÖsterreichPremiere gibt es mit dem britischen Vokalensemble Exaudi. Markenzeichen der sechs Sänger – drei Soprani, zwei Mezzi und ein Countertenor – ist ihre Vorliebe für zeitgenössische Vokalmusik im experimentellen und mikrotonalen Bereich. In Wien stellt das Ensemble flämische Renaissancemusik von Orlando di Lasso und Cipriano de Rore radikal neuen Positionen von Naomi Pinnock oder Bruno Strobl gegenüber. Servitenkirche, Mo, 20.11., 20.30
FOTOS: CUARTETO CASALS, MARCO BORGGREVE, MAURICE WEISS/OSTKREUZ
Das Cuarteto Casals lauscht u.a. mit Gubaidulina auf Bach und mit Schostakowitsch auf Beethoven zurück; PierreLaurent Aimard lässt Bach und Schubert mit Djordjević und Kurtág regieren; Michael Jarrell liebt Inselhüpfen mit dem Ensemble Musikfabrik
Mehr Kammermusik! Zwei mal Arditti „Ich spiele alles“, hat Irvine Arditti einmal gesagt, „unter der Voraussetzung, dass gute Musik dabei herauskommt.“ Bei Wien Modern tritt der Name Arditti gleich zwei Mal auf: Am 18. November spielt Irvine Arditti einen Soloabend im Gläsernen Saal mit Werken von Iannis Xenakis bis Rebecca Saunders. Wenige Tage später tritt er mit seinen Mitspielern vom Arditti Quartet im Mozart-Saal auf. Das Programm umfasst Stücke, die das Quartett in den vergangenen 30 Jahren uraufgeführt hat, darunter Mark Andres „Miniaturen“ für Streichquartett oder Isabel Mundrys Raumkomposition „Linien / Zeichnungen“. Musikverein, Sa, 18.11., 21.30 Konzerthaus, Do, 23.11., 20.00
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Mehr Stimmung!
„Nichts wirkt so direkt auf meine Seele“ Peter Zumthor hat für Wien Modern 13 Konzerte und acht Werkstattgespräche mitkuratiert ANNÄHERUNG: CHRISTOPH BENKESER
eine Architektur sei Luft, Farbe und Geräusch, heißt es über Peter ZumS thor. Zumthor ist nicht nur einer der bedeutendsten Architekten der Welt, er ist auch ein leidenschaftlicher Musikmensch. Anlässlich des achtzigsten Geburtstags des Schweizer Pritzker-Preisträgers entstand in enger Zusammenarbeit mit Wien Modern und dem Wiener Musikverein eine eigens kuratierte Woche mit 13 Konzerten und acht Werkstattgesprächen – unter anderem mit dem französischen Pianisten Pierre-Laurent Aimard und der österreichischen Komponistin Judith Unterpertinger. „Ich liebe es, in Musik zu versinken“, sagt Zumthor im Gespräch mit Bernhard Günther, dem künstlerischen Leiter von Wien Modern, und MusikvereinIntendant Stephan Pauly. „Sie kann mich innert Sekunden in eine Gefühlswelt versetzen, in der ich vorher nicht war.“ Für Zumthor ist sie „die unmittelbarste Kunst“, die es gebe. Schließlich wirke nichts derart direkt auf die Seele wie die Musik. Zu dieser Erkenntnis sei er lange vor seinen ersten Bauten gekommen. Im schweizerischen Mariastein habe Zumthor als erzkonservativ aufwachsendes
Kind den Mönchen in der Klosterkirche gelauscht. Ihre gregorianischen Gesänge hallen in ihm viele Jahre später noch immer nach. Anders als damals wisse er heute, dass Stimmen Räume brauchen und Räume auch zu Instrumenten werden können. „Oft frage ich mich deshalb: Wurde die Orgel für die Kathedrale erfunden, oder war es umgekehrt?“ Zumthor, der sich dem klassischen Kanon
des 20. Jahrhunderts ebenso verbunden fühlt wie lebenden Komponistinnen wie Olga Neuwirth und Isabel Mundry, gibt darauf keine Antwort. Für ihn stehen alle Künste ohnehin „im Spannungsfeld zwischen dem, was war, und dem, was noch nicht ist“. Mit seinen Bauten, zu denen etwa die Therme Vals, das Kunsthaus in Bregenz und die Feldkapelle Bruder Klaus gehören, wolle Zumthor jedenfalls die Geschichte der Architektur mit jener der jeweiligen Orte verknüpfen. „Nicht im postmodernen Sinn, indem ich etwas offenkundig zitiere“, schränkt er ein. Viel wichtiger seien die Verbindungen „im fast alchemistischen Sinn“ über Materialien und Formen. Auch wenn manche Zumthor attestieren, dass Licht sein wichtigstes Baumaterial sei: Es gebe tausende Metalle und Hölzer, dazu etliche Steine – sie zu komponieren, das wolle er analog zur Arbeit
eines Komponisten verstanden wissen. Weil Zumthor seine Projekte wie Partituren lese, staune er immer wieder, zum Beispiel „wie Bach seine Themen entwickelte, sie ineinandergreifen und wieder entflechten ließ“. Besonders die Struktur seiner Kompositionen, die Stimmen, die in seinen Werken selbstständig nebeneinander herlaufen, bewundere er. „Es wäre schön, wenn meine Gebäude auch immer diese Klarheit hätten und im selben Ausmaß Menschen berühren könnten.“ Dabei steht Zumthor, den man bereits als „wählerischen Minimalisten“ und „Architekten der Stille“ bezeichnete, seit Jahrzehnten für das Klare: in seinen Ansagen, seinem Denken, den Linien, Konstruktionen und Positionen, aber auch seinen Urteilen zur Musik. In Beethovens späten Streichquartetten mache er „unglaubliche Energie“ wie „künstlerischen Mut“ aus. Im Neuen entdecke er „Ausdruck und Empfinden“ in der Gegenwart. Dort, im Jetzt, wird man Zumthor an mehreren Konzertabenden von Wien Modern begegnen, aber nicht immer sprechen können, denn: Für die Dauer eines „musikalischen Erlebnisses“ sei er nur in der „Zeit des Stückes“. Hört die Musik dann auf, bleibe manchmal ein Eindruck „zurück in der Seele“ – so ähnlich könne ihn, so Zumthor, nur die Architektur „besänftigen, gar berühren“. F
Stift Klosterneuburg Weinkeller, So, 19.11., 20.00
FOTO: BRIGITTE LACOMBE
Klänge, die berühren, zum Geburtstag: Der 1943 in Basel geborene „Architekt der Stille“ ist ein leidenschaftlicher Musikmensch
Peter Conradin Zumthor Was passiert, wenn man Klavier spielt und dabei ganz langsam die Saiten herunterstimmt? Peter Conradin Zumthor, Schlagzeuger, Komponist, Konzeptkünstler und nebenbei Sohn des Architekten Peter Zumthor, hat das Experiment gewagt und macht sich gemeinsam mit dem Klavierstimmer René Waldhauser an das Verfremden der Klänge. Die spektakuläre Komposition „Things Are Going Down“ beginnt mit einem schnellen, repetitiven Rhythmus am Klavier, den Waldhauser nach und nach verändert. Das ansonsten in seinen Tonhöhen starre Instrument gerät in Bewegung, der gesamte Klavierklang stürzt langsam in die Tiefe. Es entsteht eine sich stetig verändernde, immersive Klangglocke jenseits herkömmlicher Stimmungen. Unterwegs nach unten erklingen verblüffende akustische Verwirbelungen, und der Flügel beginnt, vielstimmig zu singen, zu brüllen, zu dröhnen, zu wummern, zu klappern, zu flüstern. Dadurch entsteht ein immersiver, hypnotischer Sog jenseits der herkömmlichen Stimmungen.
WIEN MODERN 23 Kurt Schwertsik, geboren 1935 in Wien, war nach Studien an der Wiener Musikakademie, in Darmstadt und Köln Hornist im Niederösterreichischen Tonkünstlerorchester und gründete 1958 mit Friedrich Cerha das Ensemble „die reihe“. 1979 bis 1988 unterrichtete er Komposition am Konservatorium und 1989 bis 2003 als Professor an der Musikuniversität Wien. 1992 erhielt er den Großen Österreichischen Staatspreis. Schwertsik schrieb zahlreiche Lieder, Kammermusik, Orchester- und Bühnenwerke (darunter „Katzelmacher“, 2003; „Schlaf der Gerechten“, 2004; „Eisberg nach Sizilien“, 2010, „Mozart in Moskau“, 2014).
„Alles gerät ins Wanken“ Komponist Kurt Schwertsik über seine phantastische Revue „Alice“ (UN-)SINNFRAGEN: DANIEL ENDER
underlich sind die Geschichten in der Tat, welche die ProtagoW nistin in Lewis Carrolls beiden Büchern „Alice’s Adventures in Wonderland“ und „Through the Looking-Glass, and What Alice Found There“ durchlebt. Diese Welt erscheint wie geschaffen für den hintergründigen Humor des Komponisten Kurt Schwertsik, der schon immer eigene Wege voller Schalk, Witz und Hintersinn gegangen ist. „Lewis Carroll als Verfasser der Lyrics zu haben, war einer der Gründe, mich in diese Welt zu vertiefen: Die Gedichte aus den Alice-Erzählungen haben mich schon beschäftigt, als ich noch kaum Englisch verstand“, sagt der Komponist. Als Einstieg ins Gespräch hat der Falter da genauer nachgefragt.
FOTO: MARTINA STAPF
Falter: Herr Schwertsik, wann sind Sie
Alice zum ersten Mal begegnet? Kurt Schwertsik: Das erste Mal, hmm – das ist schon eine Weile her! Ich weiß es eigentlich nicht. Ich sehe diese Bilder in einer der alten Ausgaben vor mir, schon ein bisschen zerlesen … Und es war auf Englisch. Englisch war überhaupt nicht meine Stärke, das habe ich mir erst später angelesen. Wahrscheinlich habe ich die Bücher dann auch auf Deutsch gelesen,
aber ich erinnere mich nicht genau. Später war ich dann hauptsächlich ein Fan von Winnie-the-Pooh und habe mir auch die ganze Sekundärliteratur dazu angeschafft, das Workout-Buch und die Bücher über die Philosophie von Winnie und auch von Piglet. Das hat mich schon interessiert! Bei Winnie geht es tatsächlich um eine philosophische Sinnsuche und um ein Sinnangebot. Bei Alice ist das nicht so: Vielmehr wird ihr – existenzialistisch, nihilistisch? – der Boden unter den Füßen weggezogen … Schwertsik: Ja, Sie haben ganz Recht. Alice wird stark verunsichert, es gerät alles ins Wanken, die Verhältnisse ändern sich, sie wächst, sie schrumpft, und die Welt ist völlig unberechenbar. Es gibt diese eine furchtbare Szene, in der sie versucht, zu dem Haus zu kommen, und immer wieder am selben Ort im Irrgarten landet. Das ist wirklich ein Traumszene! Wo war hier Ihr Ansatzpunkt bei der musikalischen Umsetzung? Schwertsik: Mein Ansatz ist eigentlich ein sehr praktischer. Ich hätte mich nie an diesen Stoff herangewagt! Aber das Angebot war so schön, mit dem Serapionstheater zusammenzuarbeiten. Ich dachte, das könnte wirklich interessant werden.
Kristine Tornquist vom sirene Operntheater hat für ihr Libretto eine Auswahl von Szenen erstellt, manche viel zu komplexe Szenen mussten wir weglassen. Meine Musik wollte ich ein bisschen traumhaft haben, manchmal auch ein bisschen naiv – einfach Szenenmusik, die auf den Inhalt des Stücks reagiert. Bei der Tea Party gibt es ein verstimmtes Klavier, auf das ich mich schon sehr freu’! Welche Figur wären denn Sie in dieser Geschichte? Schwertsik: Hmmm, schwer zu sagen. Die Cheshire Cat vielleicht … Die mit dem breiten Grinsen! Schwertsik: Ja, und mit dem Verschwinden (lacht), dem plötzlichen. Aber auch was sie sagt: „You are also mad. Otherwise you wouldn’t have come here.“ Was ist musikalischer Humor? Schwertsik: Der Humor in der Musik ist sehr schwer festzumachen, aber Witze gibt es schon. Der Humor liegt in der Umdeutung – dass man eine Erwartung schafft und sie anders fortführt, als der Hörer glaubt, dass es weitergeht. Dadurch entsteht die Qualität! F Alice. Eine phantastische Revue Odeon, 23.11.–31.12. jeweils 19.30
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Mehr Euphorie! One Song Zu den Höhepunkten des Festivals zählt die Performance der belgischen Starchoreografin Miet Warlop: „One Song“ besteht, wie der Titel verspricht, aus einem einzigen Lied, das fünf Darstellerinnen und Darsteller eine Stunde lang ununterbrochen spielen, während sie dabei Turnübungen vorführen – bis zur totalen Erschöpfung. Der Refrain ist immer gleich: „Knock, knock, who is there? It’s your grief from the past.“ Die Idee dazu kam Warlop nach dem Tod ihres Bruders. Sie verarbeitet die Trauer in einem hypnotischen Bühnenritual zwischen Konzert und Hochleistungssport: Die Performer müssen Cello spielen und Sit-ups machen, auf einem Schwebebalken balancieren oder singend auf einem Laufband rennen. Dabei werden sie von einer Gruppe von Fans lautstark angefeuert. Das Stück entstand 2022 für die von Milo Rau kuratierte Serie „Histoire(s) du théâtre“. Nach Aufführungen in Paris, Berlin, London oder Zürich kommt das euphorisierende Spektakel erstmals nach Wien. Tanzquartier Wien Halle G, Fr, 10.11 & Sa, 11.11., 19.30
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Mehr Special Effects! Porträt Ressi Christof Ressi, der 1989 in Villach geborene Gewinner des Erste Bank Kompositionspreises 2022, schleust Videospiele und Internetkultur ins klassische Konzertsetting. Das Black Page Orchestra spielt seine neuen Stücke, er selbst steht im Duo Ressi / Benes live auf der Bühne. Radiokulturhaus, Sa, 4.11., 20.00
Odeon, Mi, 29.11., 20.00
Black Page Orchestra Mit neuen Stücken von Nava Hemyari und Christian Schröder, mit hochvirtuosen Special Effects von Michael Beil und Alexander Schubert sowie mit einer Art losem Notizbuch von François Sarhan. Musikverein, Mi, 8.11., 20.00
Preisgekröntes Duo zwischen experimenteller Elektronik, Noise-Pop, klassischer Musik und Improvisation
„Erweitern, nicht vereinfachen!“ Der Erste Bank Kompositionspreis geht an Alessandro Baticci und Rafał Zalech vom Duo Nimikry GRATULANT: CHRISTOPH BENKESER
ie komponieren, so die Jury des Erste Bank Kompositionspreises, „mit S einem Interpretenblick das Schöpferische, als Interpreten nähern sie sich mit nachschöpferischem Geist dem Komponierten – und als technikaffine Zeitgenossen verschränken sie interpretatorisch-kompositorische Ziele mit der Entwicklung neuer Technologien für Spieltechniken und Klangerzeugung“. Für Normalsterbliche übersetzt: Rafał Zalech und Alessandro Baticci können sehr viel, vor allem an, mit und wegen Instrumenten. Deswegen haben sie als erstes Duo einen der wichtigsten Preise für neue Musik gewonnen. Nimikry nennt sich der Doppler, mit dem
Baticci flötend und Zalech streichend an ihre Instrumente treten. Um sie in einem ersten Schritt außerordentlich gut zu beherrschen. Und in einem zweiten zu erweitern. „Augmented“ heißt das nicht nur unter coolen Komponisten, die sie ja sind, weil an Bratsche wie Flöte ein elektronisches Kasterl hängt, das man erklären kann, aber nicht muss, weil: Da wird’s kompliziert. „Es war eine kompositorische Notwendigkeit, sich auf neue Weise mit
dem Instrument auseinanderzusetzen“, sagt Baticci über derlei düsentriebigen Erfindungsgeist. Ihre elektronische Erweiterung ermögliche die Entwicklung neuer Klänge wie auch die Möglichkeit, „den Ausdruck akustischer Instrumente in die digitale Welt zu überführen“. Das lässt sich nur verstehen, wenn man a) sein Instrument in Perfektion beherrscht oder b) weiß, dass in den letzten 200 Jahren kaum große Veränderungen in der gezupften, der geblasenen oder der gestrichenen Instrumentenwelt geschehen sind. Auf Baticci und Zalech trifft beides zu. Also
sorgen sie für die Veränderung. Dafür verbinden, verknüpfen oder vernetzen sie – das Analoge mit dem Digitalen, die Vergangenheit mit der Zukunft, Klassik mit Noise und Tradition mit Innovation. Schließlich gehe es mit Nimikry weder um zeitgenössische, klassische noch elektronische Musik. „Unsere Entwicklung ist viel eher ein notwendiger Schritt in der Musik, im Instrumentenbau, in der Kunst überhaupt“, so Baticci. Das sind große Worte, die nicht überraschen: Baticci und Zalech sind zwar weitreisende Komponisten und kompromisslose Komplizen in Ensembles wie dem Black Page Orchestra. Mittlerweile treten sie aber auch als Unternehmer
auf in, wie Baticci sagt, „neohumanistischer Mission“. Das habe auch das Klangforum Wien ver-
standen. Mit dem Solistenensemble verbindet Baticci wie Zalech langjährige Erfahrung. Zuletzt entstand 2021 ein gemeinsames Stück. Im Rahmen von Wien Modern werde es hingegen „schizophren“. Das Werk wandle von einem Teil in den nächsten. Manche gehen nur widersprüchlich zusammen, andere machen „gar keinen Sinn“ – außerdem stehe das erweiterte Streichorchester neben dem klassischen Ensemble und nähere sich so lange an, bis es nach vorne rutsche. „Ein billiges Spiel, das einen großen Raum eröffnet.“ Wie weit sich das Konzerthaus ausdehnt, bestimmen Baticci wie Zalech allerdings instrumentenlos an den Reglern. „Wir spielen nicht. Das steht falsch auf der Webseite“, sagt der Flötist abschließend. „Aber wenn ich beim Klangforum anrufe, um das auszubessern, wollen die zuerst unsere Partitur. Die ist zwar offiziell fertig, aber inoffiziell spät dran. Deshalb lass ich es vorerst bleiben.“ F Erste Bank Kompositionspreis Konzerthaus, 28.11., 19.30
FOTO: SVETLANA SELEZNEVA
Subnormal Europe Was ist Kopie, was echt, was ist Fakt, was Falschmeldung? Belenish Moreno-Gil und Óscar Escudero beschäftigen sich in „Subnormal Europe“ mit der Daten-Reizüberflutung in den Medien. Die Live-Musiktheater-Performance entstand für die Münchner Biennale 2020. Anhand von Zitaten, Foto- und Videofragmenten, die im Sekundentakt über die Leinwand flimmern, unternimmt Sängerin Noa Frenkel eine rasend schnelle Fahrt zwischen Bits und Bytes.
K A L E N DA R I U M W I E N M O D E R N 2 0 2 3 Di 31.10. | 18.00
Maria Gstättner: Fanfare
Stadtpark
Fr 17.11. | 20.30
Rebecca Saunders: Yes
Musikverein, Großer Saal
Di 31.10. | 19.30
Eröffnungskonzert Peter Jakober: Saitenraum II
Konzerthaus
Sa 18.11. | 15.30
Kleine Instrumente
Dschungel Wien
Mi 1.11. | 19.30
Georg Friedrich Haas: 11.000 Saiten Konzerthaus, Großer Saal
Sa 18.11. | 18.00
Cuarteto Casals
Musikverein, Brahms-Saal brut nordwest
Do 2.11. | 19.00
Polwechsel 30
Atelierh. der Akad. der bild. K. (ehem. Semperdepot)
Sa 18.11. | 20.00
Alex Franz Zehetbauer: An Evening With
Fr 3.11. | 20.30
Mark Andre: rwh• 1–4
Stephansdom
Sa 18.11. | 21.30
Irvine Arditti Solo
Musikverein, Gläserner Saal
Sa 4.11. | 16.00, 18.00
Hannes Seidl / MAM: 21 songs
Opernpassage, Club-U
So 19.11. | 15.30
Kleine Instrumente
Dschungel Wien
Sa 4.11. | 20.00
Porträt Christof Ressi
Radiokulturhaus, Großer Sendesaal
So 19.11. | 17.00
Sa 4.11. | 21.30
Party Modern: Titus Probst
Club-U
So 19.11. | 18.00
So 5.11. | 11.00
Bogdan Laketic
Alte Schmiede
So 19.11. | 20.00
Peter Conradin Zumthor: Stiftsglocken con sordino Judith Unterpertinger: Zeitenverwesung Peter Conradin Zumthor: Things are going down
So 5.11. | 16.00, 18.00
Hannes Seidl / MAM: 21 songs
Opernpassage, Club-U
Mo 20.11. | 10.00
Kleine Instrumente
Dschungel Wien
Mo 6.11. | 19.30
Phantom Voltage
Angewandte Interdisciplinary Lab (ehemalige Postsparkasse)
Mo 20.11. | 18.00
Werkstattgespräch Peter Zumthor
Architekturzentrum Wien Dietmar Steiner Bibliothek
Di 7.11. | 19.30
Ligeti 100.1
Jesuitenkirche
Mo 20.11. | 20.30
Exaudi A Capella
Servitenkirche
Di 7.11. | 19.30
Phantom Voltage
Angewandte Interdisciplinary Lab (ehemalige Postsparkasse)
Di 21.11. | 16.15
Olga Neuwirth: Gassatim-Konzert
Musik im öffentlichen Raum
Mi 8.11. | 20.00
Black Page Orchestra
Musikverein, Gläserner Saal
Di 21.11. | 18.00
Werkstattgespräch Peter Zumthor
MAK
Do 9.11. | 18.00
Unsichtbare Instrumente
mdw-Campus
Mi 22.11. | 18.00, 20.30
Isabel Mundry: Invisible
Reaktor
Do 9.11. | 18.00, 20.00
Kaija Saariaho in memoriam
Musik und Kunst Privatuni der Stadt Wien, Muk.theater
Do 9.11. | 18.00, 20.15
NAMES Ensemble: Dystopien
mdw - Future Art Lab
Fr 10.11. | 19.30
Miet Warlop: One Song
Tanzquartier Wien, Halle G
Sa 11.11. | 15.00
Porträt Hermann Markus Preßl
Volkskundemuseum Wien
Sa 11.11. | 19.30
Miet Warlop: One Song
Tanzquartier Wien, Halle G
So 12.11. | 11.00
Kandinsky Quartet
Alte Schmiede
So 12.11. | 13.00
Elisabeth Flunger & Robert Mathy
St. Ruprechtskirche
So 12.11. | 15.30
Kleine Instrumente
Dschungel Wien
So 12.11. | 18.00
George Lewis / Harald Kisiedu
Alte Schmiede
So 12.11. | 19.00
Porträt Hermann Markus Preßl
Volkskundemuseum Wien
So 12.11. | 20.00
Mivos Quartet
Alte Schmiede
Mo 13.11. | 10.00
Kleine Instrumente
Dschungel Wien
Mo 13.11. | 18.00
Unsichtbare Instrumente
Polnisches Institut
Mo 13.11. | 19.30
Sound Exchange
Reaktor
Di 14.11. | 10.00
Kleine Instrumente
Dschungel Wien
Mi 29.11. | 18.00
Erste Bank Kompositionspreis: Nimikry Clemens Gadenstätter, Lisa Spalt: Break Eden
Di 14.11. | 20.00
Studio Dan: More breaking news
Porgy & Bess
Mi 29.11. | 18.00
Junge Musik
Odeon
Café Korb
Mi 29.11. | 20.00
Subnormal Europe
Odeon
Musikverein, Großer Saal
Do 30.11. | 19.30
Kurt Schwertsik / Kristine Tornquist: Alice. Eine phantastische Revue
Odeon
brut nordwest
Do 30.11. | 20.00
Zarić / Harnik / Barrett
Celeste
Do 23.11. | 19.30 Do 23.11. | 20.00
Arditti Quartet
Konzerthaus, Mozart-Saal
Do 23.11. | 21.00
Peter Conradin Zumthor: Domglocken con Sordino
Stephansplatz
Fr 24.11. | 19.30
Cantando Admont / PHACE
Reaktor
Fr 24.11. | 21.00
Peter Conradin Zumthor: Domglocken con sordino
Stephansplatz
Sa 25.11. | 16.30
Webern Ensemble
mdw - Universität für Musik und darst. Kunst , Joseph-Haydn-Saal
Sa 25.11. | 19.30
Elisabeth Harnik: in change is rest
Kalvarienbergkirche
Sa 25.11. | 19.30
Kurt Schwertsik / Kristine Tornquist: Alice. Eine phantastische Revue
Odeon
So 26.11. | 12.00
Matinée petite
Mumok – Museum Moderner Kunst Stiftung Ludwig
So 26.11. | 19.30
the klingt. collective: estos patos locos
Odeon
Mo 27.11. | 19.30
Klavierrezital Anton Gerzenberg
Konzerthaus, Berio-Saal
Mo 27.11. | 21.00
Party Modern: SCH:CHT
Club Praterstrasse
Do 23.11. | 18.00
Di 28.11. | 19.30
Mi 15.11. | 20.00 Do 16.11. | 14.00
Kleine Instrumente
Dschungel Wien
Fr 1.12. | 19.00
Do 16.11. | 19.30
Klavierrezital Pierre-Laurent Aimard
Musikverein, Großer Saal
Fr 1.12. | 19.30
Do 16.11. | 20.00
Alex Franz Zehetbauer: An Evening With
brut nordwest
Sa 2.12. | 17.00
Fr 17.11. | 10.00
Kleine Instrumente
Dschungel Wien
Sa 2.12. | 19.30
Musikverein, Großer Saal
Sa 2.12. | 19.30
Inexhaustible Editions: Sounding spomenik Kurt Schwertsik / Kristine Tornquist: Alice. Eine phantastische Revue Inexhaustible Editions: Sounding spomenik | Hörraum Abschlusskonzert: In C // 20 Pipers Kurt Schwertsik / Kristine Tornquist: Alice. Eine phantastische Revue
brut nordwest
Sa 2.12. | 21.30
Party Modern: Wien Modern Finale
Mi 15.11. | 19.30
Fr 17.11. | 18.00 Fr 17.11. | 20.00
Michael Jarrell: Quatre Îles d’un Archipel Alex Franz Zehetbauer: An Evening With
Stift Klosterneuburg, Kreuzgang Stift Klosterneuburg, Weinkeller
Peter Conradin Zumthor: Domglocken con sordino Joanna Bailie / Ictus: Memory of a space Kurt Schwertsik / Kristine Tornquist: Alice. Eine phantastische Revue
Mi 22.11. | 21.00
SFIEMA: The Art of Trio / Trio as an Art Claudio Abbado Konzert: Friedrich Cerha in Memoriam Alex Franz Zehetbauer: An Evening With
Di 14.11. | 22.00
Stift Klosterneuburg
Karten: www.wienmodern.at, Tel. 01/24 20 02 (Konzerthaus)
Stephansplatz Konzerthaus, Berio-Saal Odeon
Konzerthaus, Mozart-Saal Alte Schmiede
echoraum Odeon echoraum Atelierhaus der Akademie der bild. Künste (ehem. Semperdepot) Odeon Roxy