FALTER
Wie Wien wohnt Reportagen, Gespr채che, Essays und Hausbesuche
Nr. 39a/14
Wohnen: Gespr채che 체ber das Wohnen einst und jetzt Bauen: In Aspern wird basisdemokratisch gebaut. Geht das? Planen: Wie sich die Stadt ver채ndern wird
FOTOS: CHRISTIAN WIND
Erscheinungsort: Wien P.b.b. 02Z033405 W Verlagspostamt: 1010 Wien laufende Nummer 2468/2014
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Wohnen mit alten Dingen Sophie ist Tierpflegerin und wohnt seit eineinhalb Jahren in ihrer Wohnung in Wien-Margareten. „Wohnen und Schlafen sollte getrennt sein“, findet Sophie. Und: „Möbel sollten eine Geschichte haben.“ Wenn nicht in Wien, würde sie gerne in einem rustikalen Gutshof in Frankreich am Meer leben. Sophie zahlt 700 Euro Miete
Zur Fotostrecke In der WG, mit Garten, Tieren oder Pflanzen: Unser Fotograf Christian Wind hat für dieses Heft Menschen zu Hause besucht und zeigt, „wie Wien wohnt“
Inhalt
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Wie wohnen wir in Zukunft? Der Architekt Gregor Eichinger verrät es uns Gründerzeit Ein Botaniker und seine 500 Zimmerpflanzen In Wien lebt es sich am besten Wir leben im urbanen Zeitalter – und wie! Und Cut! Wenn die Wohnung zum Filmset wird
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Gemeinsam baut man stärker Eine Baugruppe baut in der Seestadt Aspern
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Zahlen, bitte! Fakten zum Thema Wohnen in Wien
Wohngeschichte Wie hat man in Wien vor 100 Jahren gewohnt? Ein Wohnhistoriker im Gespräch
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Zusammenwohnen mit Putzplan WGs können auch ohne Krach funktionieren Die Tapete ist wieder im Kommen Warum wir unsere Wände wieder papierln Hübsch hässlich Eine Abrechnung mit den liebsten Hassobjekten in der Wohnung
Vorwort
Fotos: Christian Wind, Archiv (6)
ien steht vor einer der größten demografischen HerausfordeW rungen seit der industriellen Revolu-
tion: der zweiten Gründerzeit . In den nächsten zwei Jahrzehnten wird die Stadt etwa um 300.000 Menschen wachsen. Wer offenen Auges durch Wien spaziert, kann schon erahnen, wie die Donaumetropole der Zukunft aussehen wird. Vergleichsweise still und leise wachsen beeindruckende neue Stadtviertel aus dem Boden. In Aspern entsteht die Seestadt, am Hauptbahnhof wächst ein innerstädtischer Bezirk, beim Gaskraftwerk Leopoldaus wird bald ebenso energisch gebaut werden
wie beim Verteilerkreis Favoriten oder in Kagran. Bei all den mehr oder weniger gelungenen Stadterweiterungsprojekten bleibt eine Frage oft unterbelichtet: Wie wohnt der Wiener eigentlich heute? Und wie hat er früher gewohnt? Wie soll das Haus der Zukunft beschaffen sein? Wie werden sich die Grundrisse und Möbel der Wohnungen einer alternden Sin-
gle- und Patchworkgesellschaft verändern? Dieses von Stadtleben-Chef Christopher Wurmdobler betreute Heft versucht ein paar Antworten darauf zu geben. Unsere Autorin Ute Woltron hat mit dem renommierten Architekten Gregor Eichinger über die Zukunft des Wohnens gesprochen und in einem Essay einen Blick in die Zukunft Wiens geworfen. Benedikt
Wurmdobler Woltron Narodoslawsky Gepp
Powell
Wittstock
Narodoslawsky besuchte eine basisdemokratische Baugruppe in Aspern, Joseph Gepp sprach mit einem Wohnhistoriker des Roten Wien, und in Reportagen von Martina Powell, Christopher Wurmdobler und Birgit Wittstock erkunden wir, wie man mit Pflanzen wohnt, wie WGs funktionieren und welche Hassobjekte wir in unseren Wohnungen liebgewonnen haben. Natürlich haben wir auch einige Wiener gebeten, ihre Wohnungstüren für uns zu öffnen. Die Fotoreportage von Christian Wind war so schön, dass wir gleich das ganze Heft damit schmücken. Viel Spaß! F l o rian K l e nk
Impressum Falter 39a/14 Herausgeber: Armin Thurnher Medieninhaber: Falter Zeitschriften Gesellschaft m.b.H., Marc-Aurel-Straße 9, 1010 Wien, T: 01/536 60-0, F: 01/536 60-912, E: wienzeit@falter.at, www.falter.at Redaktion: Florian Klenk, Christopher Wurmdobler Layout: Raphael Moser Lektorat: Helmut Gutbrunner, Patrick Sabbagh Anzeigen: Sigrid Johler Geschäftsführung: Siegmar Schlager Druck: Passauer Neue Presse Druck GmbH, 94036 Passau DVR: 047 69 86. Alle Rechte, auch die der Übernahme von Beiträgen nach § 44 Abs. 1 und 2 Urheberrechtsgesetz, vorbehalten. Die Offenlegung gemäß § 25 Mediengesetz ist unter www.falter.at/offenlegung/falter ständig abrufbar.
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Wie Wien Wohnt
Wohnen im individuellen Nest Maryam Yeganehfar ist Hochzeitsplanerin und führt eine Eventagentur. Sie wohnt seit 2008 im Margaretenhof in Margareten. „Mir ist Individualität wichtig, ich möchte mir in der Wohnung ein Nest schaffen“, sagt sie. Maryam ist ein typischer Stadtmensch. Noch lieber als in Wien würde sie in Los Angeles leben
„Wir werden flexibler
Falter: Herr Eichinger, wie wird sich
die städtische Gesellschaft in den kommenden Jahrzehnten verändern,
Mehr Küche, das ungeflieste Bad und Zimmer wie im Hotel: der Architekt Gregor Eichinger über das Wohnen der Zukunft INTERVIEW: UTE WOLTRON
und wird sich diese Veränderung auch in den Wohnungen abbilden? Gregor Auf jeden Fall. Es werden sich Grundrisse, Materialien, Technologien verändern. Die gängige Raumaufteilung der Wohnung von heute etwa ist das Produkt einer hierarchischen Gesellschaft. Die bürgerliche Wohnung zeigt diese klare Rangfolge der Räume. Zum Beispiel? Eichinger: Die Küche. Früher hat das Personal gekocht – in einem eigenen Bereich abseits des Geschehens. Die Küche wurde dann zum Refugium der Hausfrau. Das änderte sich spätestens seit der Kommunenaffinität der 68er-Generation und wird eben
wieder neu aufgesetzt. Kochen und Kommunizieren finden in einem Raum statt, die Küche erfährt eine enorme Aufwertung. Haben Sie noch ein Beispiel für solche Raumveränderungen? Eichinger: Natürlich. Das Badezimmer etwa. Als es schick wurde, eine Waschgelegenheit zu haben, hatte man noch keinen eigenen Raum dafür vorgesehen. Also stellte man die ersten Badewannen seinerzeit meistens in die Bibliothek oder in den Ankleideraum, ganz einfach, weil dort gewöhnlich Platz dafür war. Durch das fortschreitende Wissen um Hygiene stattete man die Waschgelegenheiten etwas später gerne so aus, als ob sie Teil eines Sanatoriums wären. Deshalb
Foto: Christian Wind
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eimatgefühle. Der Wiener Gregor Eichinger, Architekt mit riesigem Œuvre und Professor an der Kunstakademie München, prognostiziert, dass es in Zukunft beim Thema Wohnen noch mehr darum gehen wird, in den eigenen vier Wänden so etwas wie Heimatgefühle zu kreieren. Auch indem man sein Umfeld stärker wahrnimmt und miteinbezieht. Es wird, sagt Eichinger im Interview, künftig noch mehr darum gehen, echte Freunde zu haben. Auch in einer Wohnung, in der man „loungig herumlümmeln“ kann.
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Wohnen wie im Designmuseum Sales-Manager Pascal Storer (links) wohnt seit 14 Jahren in dieser Wohnung im dritten Bezirk. Christoph Naringbauer, IT-Manager, ist vor einem Jahr eingezogen. Pascal wohnt am liebsten „daheim“, sein Mitbewohner würde noch lieber im Finn-Juhl-Museum in Kopenhagen wohnen. Er liebt Ordnung. Pascal das Chaos. Die beiden zahlen 980 Euro Miete
werden“ Foto: Christian Wind
haben wir heute in den Badezimmern diese Krankenhausfliesenoberflächen. Die muss aber gar nicht sein, stimmt’s? Eichinger: Natürlich nicht. Man kann sich davon wirklich langsam befreien. Zwischenzeitlich sickert es ins Bewusstsein, dass Badezimmer auch andere Oberflächen als Fliesen haben können, beispielsweise Holzböden. Auch muss das Bad nicht als separater Raum betrachtet werden, es kann genauso gut Teil des Wohn-Schlaf-Apparats sein. Gerade was sich in Sachen Materialien derzeit tut, ist unglaublich. Keramische Oberflächen erobern Wohnräume, Tapeten werden wieder aktuell, alles befindet sich in stetem Fluss.
Machen wir gleich mit den einzelnen Raumtypologien weiter. Wie schaut es beispielsweise mit der Zukunft des Home-Office aus? Eichinger: Gefährlich! Denn da wir mittlerweile hauptsächlich auf Geräten arbeiten, die man überallhin mitnehmen kann, besteht die Gefahr, dass sich Wohnen und Arbeiten ständig miteinander vermischen. Ich halte es für wichtig, dass die Wohnund Arbeitsbereiche klar voneinander getrennt sind. Vermischt sich beides auf Dauer, wird einem beides verleidet. Wenn jedes berufliche Auf und Ab stets im Wohnraum erlebt wird, färbt das mit der Zeit ab. Die Bereiche können zwar ganz nah beieinander liegen, doch sollte man den Arbeits-
bereich bewusst betreten können und genauso bewusst wieder in den Wohnbereich zurückkehren. „Früher gab es getrennte Schlafzimmer, damit das Begehren aufrechtbleibt“
Was ist zur beliebten Beschäftigung des Schlafens zu sagen? Eichinger: Früher gab es getrennte Schlafzimmer, damit das Begehren aufrechtbleibt. Die Beziehung zwischen Ehepaaren hatte eine respektvolle Distanz, der Lebenswandel des Einzelnen wurde geachtet, dennoch konnte man natürlich jederzeit beim anderen übernachten. Heute ist man aufgrund der Wohnungsgrößen zusammengeworfen. Würden die Wohnungsgrundrisse hotelarFortsetzung nächste Seite
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Wie Wien Wohnt les Geld, die Einsamkeit des Gipfels, wo man im Wind steht, aber keinen Support mehr von anderen hat. Wird es darum nicht immer gehen? Eichinger: Es ist ein Extrembeispiel, doch ich denke, die Zukunft wird nicht extrem. Es wird verstärkt darum gehen, andere Leute wahrzunehmen, Dinge reparieren zu können, zu tauschen, miteinander umzugehen. Es wird sich ein Überdruss gegenüber jener Konsumgesellschaft bemerkbar machen, die alle gemeinsam arm macht. Es wird wichtiger sein, Freunde zu haben, und zwar echte und nicht virtuelle wie auf Facebook. Und all das funktioniert nur mit einer Wohnung, in der man loungig herumlümmeln, Gäste empfangen und die man gemeinsam mit Behagen spüren kann.
Als sich Petra Erber 1994 ihr Kleingartenhaus an der Alten Donau gekauft hat, war es noch ein „Superädifikat“. Die Familientherapeutin lebt hier mit ihrem Mann Gerhard und Tochter Flora. „Wir genießen es, nur eine Nachbarin zu haben“, sagt sie. „Wir haben halt den ganzen Tag im Beruf so viele Kontakte, dass wir privat keinen Smalltalk mehr wollen.“ Die Familie zahlt nur Betriebskosten fürs Wohnen
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tig werden, könnte das eventuell viele Beziehungen retten. Was versteht man unter „hotelartigem Wohnungsgrundriss“? Eichinger: Wir werden eine raffinierte neue Art der Gemeinschafts- oder Kommunenwohnung erleben. Wohnungen werden, wie Hotels, mit Lobby und Zimmern ausgestattet sein. Man kann in so eine Wohnung eintauchen, ohne zu stören. Sie sind so geplant, dass die Räume flexibel sind und unterschiedlichen Funktionen dienen können. Das Arbeitszimmer wird zum Gästezimmer und so weiter. Es wird dadurch einfacher sein, von Wohnung zu Wohnung zu wechseln. Wir werden flexibler werden. Der heute so aktuelle Wohnungstausch ist ein erstes Zeichen dafür. Der Vorteil dieser neuen Gemeinschaftswohnung ist der Hotelcharakter. Dank ihm wird es kaum noch Hindernisse für ein geschmeidiges Wechseln zwischen den Wohnungen geben.
„Wir werden eine raffinierte neue Art der Gemeinschafts- oder Kommunenwohnung erleben“
Zur Person Gregor Eichinger, Jahrgang 1956, Das klingt nach fraktalen Haushalten, studierte an der TU nach sich ständig neu zusammensetzenden Wien Architektur Wohngemeinschaften. und gründete 1985 Eichinger: Auf jeden Fall! Die Menschen das Büro Eichinger werden heute älter. Andererseits erleben sie oder Knechtl. 2005 sich viel länger als jung. Das wird sich auch gründete er „eichinger in unseren Wohnritualen abbilden, darin, offices – Büro für wie wir mit der Welt kommunizieren, wie Benutzeroberfläche“. wir mit unseren Ausstattungen umgehen, Seit 2013 hat Eichinger sei es mit dem Auto, das mittlerweile aktiv eine Professur an der seine Umwelt wahrnehmen kann, sei es mit Akademie für Bildende dem Smartphone und anderen Tools. Künste, München
Alles ist mit allem vernetzt – wie wird sich insbesondere die Wohnung technisch-elektronisch aufrüsten? Eichinger: Die Welt der Elektronik und Computersteuerung hat jetzt bereits Einzug gehalten. Doch wenn wir ganz weit in die Zukunft schauen, so denke ich, dass davon weniger überleben wird, als man zurzeit annehmen möchte. Intelligente Kühlschränke werden uns nicht begeistern, die technoide Superwelt, die alles für uns erledigt, ist letztlich ein Horror. Wir werden uns doch den Spaß, die Dinge selbst zu machen, nicht nehmen lassen. Es wird sich vielmehr auf banale, praktische Anwendungen reduzieren, wie wir sie jetzt bereits von Elektrogeräten kennen. Die Geräte werden verfeinert, werden besser aufeinander abgestimmt, werden untereinander noch besser kommunizieren. Doch der Mensch will nicht vollständig abhängig sein von der Steckdose. Möglicherweise will er vielmehr hausen, sich vom Stadtlärm zurückziehen? Eichinger: In der Wohnung wird es künftig, stärker als jetzt im Moment, darum gehen, ein Zuhause, eine Heimat zu erzeugen. Man will sich verstanden und geliebt fühlen, und zu ebensolchen Orten werden sich die Wohnungen entwickeln. Die glatten, hochstilisierten Top-Wohnungen von heute, diese mit den neuesten technischen Errungenschaften gespickten Marmor-Glas-Konstrukte, sind kühle Repräsentationswohnungen. Sie demonstrieren Erfolg, schnel-
Welche neuen Materialien sind denkbar? Eichinger: Ein faszinierendes Feld tut sich hier auf. Im Innenausbau wird das Geflecht, das Textile wiederkommen. Der Begriff Wand kommt ja von winden, das „Gewände“ ist das Geflochtene. Die neuen Materialien sind natürlich solche mit neuem Verständnis, die kommen aus der Weltraumtechnologie und dem Hochleistungssport und integrieren andere Eigenschaften, Möglichkeiten, Festigkeiten. Sie können leuchten, Wärme erzeugen, Magnetfelder aufbauen. Das ist eine völlig andere Welt als jene herkömmlicher Bautechnologien wie Ziegel und Beton, wobei gerade der Beton ebenfalls gerade neu definiert wird. Glasfaserverstärkter Beton kann neue ungeahnte Formen annehmen. Es gibt auch Werkzeuge, die jede erdenkliche Form visualisieren und schon im Vorfeld genauestens studieren, räumlich und statisch erforschen können. Es kann sogar dreidimensional gedruckt werden. Noch nie war so viel möglich. All das wird auch den Möbelbau und die Ausformung der Innenräume prägen. Brauchen und wollen wir das? Eichinger: Es stellt sich tatsächlich die Frage: Bis zu welchem Ausmaß ertragen wir diese neue Form des Ornaments? Ab wann fühlen wir uns davon attackiert? Und wann wird es uns wieder ein Bedürfnis sein, Klarheit davon zu gewinnen? Zurzeit befinden wir uns jedenfalls im Aufbruch, mitten in der Lust, all das zu erforschen – und das ist letztlich ein großartiger Zustand. F
F o t o : C h r i s t i a n W i n d , E l f i e Se m o t a n
Wohnen an der Alten Donau
Wird es außer neuen Raumaufteilungen auch andere neue architektonische Features geben? Eichinger: Die Architektur hat noch jede Möglichkeit, intelligenter zu werden. Die Wände etwa werden künftig viel gescheiter sein. Sie werden heizen können und allerlei Support zur Verfügung stellen, den wir später, wenn wir älter sind, brauchen können, wie etwa Sauerstoff, Erste Hilfe und so weiter. Die Fenster werden zu Stromlieferanten. Die Industrie wird all diese Entwicklungen aufnehmen und mit Selbstverständlichkeit anbieten. Jetzt hat man die Wand, davor die Heizkörper, irgendwo picken Steckdosen und Schalter, und zuletzt hängt auch noch der Fernseher dran. Die Wände werden diese primitive Trägerfunktion, wo man alles, was der Raum noch braucht, dranpappt, integrieren und neu definieren.
HAUPT ERÖFFNUNGS HOF SE S O GR NG U N FF ERÖ kt. O . 1 1 10. & 014 2
Zusteigen und mitfeiern. Mit einer großen Feier eröffnet am 10. Oktober ab 10.00 Uhr der neue Wiener Hauptbahnhof und das Einkaufszentrum BahnhofCity Wien Hauptbahnhof. Damit stehen Reisenden, Anrainern und Besuchern auf 20.000 m2 Verkaufsfläche rund 90 Geschäfte bzw. Gastronomiebetriebe zur Verfügung.
hauptbahnhof-wien.at
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Wie Wien Wohnt Wohnen mit jeder Menge Grünzeug „Ich weiß, ich wuchere“, sagt David Prehsler. Seit zwei Jahren wohnt der Botaniker beim Ottakringer Brunnenmarkt – gemeinsam mit 500 verschiedenen Pflanzen. Prehsler lebt gerne in seiner Altbauwohnung, „nur ein großer Garten wäre noch toll“. Wie viel er fürs Wohnen zahlt? „Das geht niemanden was an.“
Der Letzte seiner Art
Prehslers Wohnung im hippen Yppenviertel ist
das, wovon viele Städter träumen: farbenfroh und voller Leben, modern und gemütlich zugleich. Der „beste Spielplatz für Erwachsene“, wie ein Freund einmal zu ihm sagte. Wie viele Pflanzenarten hier auf 80 Quadratmetern wachsen, kann Prehsler nicht genau sagen. Etwa 500 verschiedene müssen es sein; die meisten davon Orchideen. Weitere 1000 aus der Familie der Aronstabgewächse pflegt er in seiner Sammlung im Botanischen Garten. Mit 15 Jahren entdeckte Prehsler seine Leidenschaft für Pflanzen, seitdem sammelt und kultiviert er Arten aus der ganzen Welt. Vor allem zu Hause. Zunächst nur aus Spaß, später auch als Wissenschaftler. Prehsler weiß: Was er da treibt, ist extrem zeitaufwendig. Für seine Urlaubsvertretung hat er kürzlich eine vierseitige Anleitung verfasst. Aber für einen Garten in
David Prehsler lebt mit über 500 verschiedenen Pflanzenarten in seiner Wohnung und fragt sich, warum so viele Städter den Bezug zu ihren Zimmerpflanzen verloren haben
der Wohnung muss man kein ausgebildeter Botaniker sein, behauptet Prehsler. „Selbst Pflanzenarten wie Hanf, die extrem viel Licht, Platz und Frischluft benötigen, kann man mit Erfolg im Zimmer kultivieren.“ Ihm kommt solches Grünzeug aber nicht nach Hause: „Hanf ist viel zu fad. Ich würde dafür nie so viel Aufwand treiben.“ Stattdessen stehen bei ihm im Vorzimmer
oben auf einem Regal seltene Orchideenarten aus tropischen Bergregionen, die nur wenig Licht und eine niedrige Raumtemperatur benötigen. Das Schlafzimmer ist gleichzeitig die „Kinderstube“, dort wachsen im Kühlen Dutzende Keimlinge in winzigen Kunststoffbehältern. Auf der Toilette wiederum überwintern Wasserflöhe fürs Aquarium, und im Wohnzimmer ist jeder Tisch und jedes Fensterbrett mit Gewächsen von HAUSBESUCH: China bis Südamerika vollgestellt. MARTINA Das Geheimnis von Prehslers grünem POWELL Daumen? Banal und simpel zugleich: „Fehler machen, neugierig bleiben und bei einem gelben Blatt nicht die Panik bekommen.“ Prehsler hat sich jahrelang mit der Materie beschäftigt und weiß deshalb, was in seiGemüse in der Wohnung ner Wohnung funktioniert und was nicht. „Selbst auf kleinstem Raum und in stockselbst anbauen? dunkeln Ecken lässt sich etwas machen.“ www.windowfarms.com Dazu brauche man keinen hochtechnisierten Abluftschrank. Ein kühles PlätzTipps zur Auswahl von chen, ein kleiner Topf mit LED-Lampe, und Zimmerpflanzen. schon fühlt sich beispielsweise der Sonnenwww.umweltberatung.at tau wohl. „Ausgewachsen haben die Blüten vielleicht ein paar Millimeter DurchmesFair gehandelte ser, aber das Farbenspiel und BlütenmusSchnittblumen www.fian.at, www.fairtrade.at ter sind einfach großartig.“
Prehsler weiß, dass seine Sammlung für Außenstehende exotisch wirken mag. Selbst unter seinen Arbeitskollegen am Botanikinstitut der Universität Wien sei er der Einzige, der einen derartigen Aufwand zu Hause betreibe. „Dabei war es früher normal, dass man über das Grün in der Wohnung ein wenig Ahnung hat. Heute haben viele den Bezug zu Pflanzen verloren.“ Vielleicht auch, weil viele Zimmerpflan-
zen heute wenig Spaß machen: „Bei vielen Leuten stehen die immer gleichen 08/15-Pflanzen aus dem Möbelhaus. Die können auch nett sein. Aber im Grunde ist es Massenware, perfekt produziert und fad.“ Er tauscht Pflanzen deshalb lieber mit Kollegen und holt sich Inspiration aus Spezialgärtnereien. Und abgesehen von einer antiken vergoldeten Jugendstilgießkanne um 200 Euro ist Prehsler Purist: Von teurer Leuchttechnik hält er wenig. Dünger verwendet er kaum, die meisten seiner Pflanzen stehen in Plastiktöpfen, viele bindet er mit zerschnittenen Nylonstrümpfen hoch, die Erden mischt er sich selbst. „Ich reiß mir für meine Pflanzen einen Haxen aus und ärgere mich sehr wohl, wenn mir was eingeht. Schließlich lassen sich viele Arten nicht so einfach ersetzen.“ Doch trotz der vielen Arbeit bereite es ihm immer wieder eine Freude, wenn es bei ihm in der Wohnung wuchert und gedeiht. Zimmerpflanzenanfängern rät er deshalb, sich nicht entmutigen zu lassen und mit leicht ersetzbaren Exemplaren zu beginnen. Es lohnt sich. F
Foto: Christian Wind
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enn David Prehsler, 32, seine Wohnungstür öffnet, dann verschwindet er im Grünen. Auf dem Tisch steht eine Phalaenopsis appendiculata, hier streckt ein Brachychiton seine Zweige aus und dort im Aquarium lässt eine Cryptocoryne ihre Blätter treiben. Der Botaniker geht durch die Zimmer und kann jedes Gewächs mit seinem wissenschaftlichen Namen benennen, während der Laie längst den Überblick verloren hat. Wenig später sitzt der junge Mann in seinem Wohnzimmer zwischen Hakenlilien mit spektakulär großen Blättern und filigranen Orchideen in Einmachgläsern, trinkt Espresso und sagt: „Ich weiß, ich wuchere.“
Demner, Merlicek & Bergmann
R Ü F E B ZUGA N E S S O R G R E D BEI Z N E I Z I F F E E I ENERG . E V I S OFFEN
Die große Energieeffizienzoffensive wird verlängert – jetzt bis Ende Dezember bares Geld zurückholen. • beim Kauf energieeffizienter Geräte • bei Inanspruchnahme von Energieeffizienz-Dienstleistungen • bis zu 100 Euro* direkt aufs Bankkonto * Im Rahmen dieser Energieeffizienz-Offensive können pro Kunde maximal 100 Euro Förderbeitrag bei Kauf von energieeffizienten Geräten (pro Elektrogerät 50 Euro) in Anspruch genommen werden. Der Fördertopf steht Wien Energie Vertrieb-Kunden seit 1. Oktober 2013 bis zur Ausschöpfung, jedoch längstens bis 31. Dezember 2014, zur Verfügung. Die Gutscheine sind bei den teilnehmenden Partnern erhältlich.
www.wienenergie.at
Wien Energie Vertrieb, ein Unternehmen der EnergieAllianz Austria.
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Wie Wien Wohnt
Wohnen mit Licht und Luft (und Hund) Lisa Schatz hat beruflich mit Video und Videoanimationen zu tun. Seit einem Jahr wohnt sie in ihrer 700-Euro-Altbauwohnung in Mariahilf. Passt, denn wichtig sind ihr „viel Licht und Luft in der Wohnung, gute Verkehrsanbindung und Infrastruktur“. Noch lieber wäre ihr eine Stadtwohnung mit Terrasse. Aber: „Nächstes Jahr um die Zeit bin ich voraussichtlich nicht mehr hier“
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ien ist eine der prächtigsten und lebenswertesten Städte der Welt. Das hat – neben vielen anderen – zwei entscheidende städtebauliche Gründe: Zum einen verfügt die Bundeshauptstadt immer noch über eine international vielbeachtet hohe Qualität seiner Wohnbauten. Zum anderen durchzieht ein dichtes, gut funktionierendes öffentliches Verkehrsnetz die Stadt. Diese beiden Zutaten sind elementar, will eine Stadt allen Bewohnern eine Lebensqualität bieten, die nicht nur vom Einkommen abhängt. Nun wächst Wien wieder und steht damit vor einer städtebaulichen Herausforderung. Die Bevölkerung wächst um rund 20.000 bis 25.000 Menschen pro Jahr. Damit gehört Wien zu den am stärksten expandierenden Städten Europas. Das mag Anlass sein, über den Tellerrand zu blicken
Darüber staunt man sogar in London: Wien wächst – eine Chance für die schöne Stadt, noch viel besser zu werden NACHFORSCHUNG: UTE WOLTRON
und sich im internationalen Vergleich zu positionieren. Da ist die Bundeshauptstadt freilich ein Zwerg. Unter den einwohnerstärksten Städten der EU rangiert Wien mit seinen knapp 1,8 Millionen Einwohnern an siebenter Stelle. Nimmt man ganz Europa zum Maßstab, landet es auf Platz zwölf, weit hinter Metropolen wie Moskau (11,8 Mio.), Istanbul (8,8 Mio.) oder London (8,3 Mio.). Doch auch diese Millionenstädte sind im Ver-
gleich zu den wirklich großen Stadtungetümen relativ überschaubar. Tokio-Yokohama: 36 Mio. Menschen. Mexiko-Stadt: 20,1 Mio. Um zu verstehen, was sich da derzeit in den großen Städten dieser Welt abspielt, muss man geografische und zeitliche Räume als Maßstab aufspannen. Im Jahr 1900 lebten knapp zehn Prozent der Weltbevöl-
kerung in Städten. Heute liegen wir über 50 Prozent, in Europa bereits bei knapp 70. Im Jahr 2050 werden es weltweit geschätzte 75 Prozent sein. „Die Geschwindigkeit, mit der die Städte seit wenigen Jahrzehnten explodieren, ist einzigartig in der Menschheitsgeschichte“, sagt Ricky Burdett, Chef des Urban-AgeProgramms der London School of Economics. In den vergangenen Jahren sei etwa London um 400.000 Leute mehr gewachsen, als man prognostiziert habe. In New York sei das Bild ähnlich. Doch das rasanteste Wachstum verzeichnen die Städte Afrikas, Südamerikas und Asiens. 54 neue Bewohner pro Stunde verbucht etwa Mumbai. In Wien sind es hochgerechnet „nur“ 2,8. Das ist vergleichsweise überschaubar, und Wien ist eine reiche, gut organisierte Stadt. Es stellt sich dennoch die Frage:
Foto: Christian Wind
Schlau, schlauer, Stadt
Wie wird sie sich auf intelligente, nachhaltige Weise dieser Herausforderung stellen? Burdett, der seit 15 Jahren Städte unterschiedlicher Größe und Lage penibel analysiert: „Das Beste, was eine Stadt wie Wien tun kann, ist, sie für eine maximal unterschiedliche Bevölkerungsstruktur gleich lebenswert zu machen.“ Die am besten funktionierenden Städte seien diejenigen, in denen die Chancengleichheit eben nicht von der Postleitzahl abhänge. Wenn Städte expandieren, müsse auf den Prüfstand gestellt werden, ob das Leben für alle Bewohnerinnen und Bewohner gerechter oder ungerechter würde, und die Stadtregierung habe die Pflicht, sich unentwegt die Frage zu stellen: „Was tun wir dafür? Was unternehmen wir in Sachen sozialer Gerechtigkeit, was in Sachen Umwelt und ökologischer Fußabdruck?“
„Das Beste, was eine Stadt wie Wien tun kann, ist, sie für eine maximal unterschiedliche Bevölkerungsstruktur Die klügsten Stadtregierungen stellen genau gleich lebenswert zu diese Faktoren in den Vordergrund: Sie op- machen“
timieren zuallererst den öffentlichen Ver- Ricky Burdett kehr, damit Zentrum und Peripherie gleichermaßen attraktiv bleiben und die Reichen nicht, wie etwa in São Paulo, mit dem Hubschrauber unterwegs sind, während unten die Massen im Stau stecken. Sie sorgen durch guten Wohnbau und öffentliche Erschließung dafür, dass sich keine ethnischen, religiösen, ökonomischen Enklaven bilden. Sie erhalten soziale Gerechtigkeit durch flächendeckende Versorgung mit Bildungseinrichtungen und öffentlicher Infrastruktur. Sie nutzen jede sich bietende Rezykliermöglichkeit, sei es in Form von Abfallwirtschaft, Wärme- und Stromgewinnung.
Wie das geht, zeigt beispielsweise Kopenhagen vor: 98 Prozent aller Haushalte werden mit Fernwärme versorgt. 55 Prozent der Bevölkerung fährt mit dem Fahrrad zur Arbeit oder Schule. 90 Prozent des Bauschutts wird rezykliert. Innerhalb von sieben Jahren wurden die CO2-Emissionen bis 2012 um ein Viertel reduziert. Bis 2025 will man CO2-neutral sein, alle öffentlichen Gebäude mit Solarmodulen ausgestattet haben, Wärme- und Elektroenergieverbrauch um jeweils weitere 20 Prozent verringern und noch zig andere Maßnahmen setzen. „Um solche Ziele zu erreichen“, sagt Ricky Burdett, „ist vor allem eines ausschlaggebend: der politische Wille dazu und das ständige Hinterfragen, wie wir die technische Evolution dazu nutzen können, die Demokratie zu verbessern.“ Und diesen Grad der Demokratisierung, sozusagen die City-Performance, kann man tatsächlich messen. Das Londoner Urban-Age-Programm vergleicht
in seinen Städte-Analysen etwa Faktoren wie die Pro-Kopf-Bruttowertschöpfung (New York: 51.337 US$, Bogotá: 5430 US$), Ungleichverteilung von Einkommen anhand des Gini-Index, durchschnittliche Lebenserwartung (82,5 Jahre in Hongkong, 51 Jahre in Johannesburg), Prozentsatz an unter 20-Jährigen (34,6 Prozent in MexikoStadt, 17,1 in Hamburg), täglichen Wasserkonsum (572 Liter in New York, 145 Liter in Hamburg), durchschnittliche Feinstaubemissionen (132 μg/m3 pro Jahr in Mumbai, 21 in New York) und vieles mehr.
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Das ergibt eine statistische Landkarte, die überaus aussagekräftig ist und die Zusammenhänge zwischen Mobilität, Kommunikation, Ökologie und sozialer Gerechtigkeit veranschaulicht. Im Osten Londons beispielsweise ist die durchschnittliche Lebenserwartung um sieben Jahre geringer als im reichen West End. In Städten wie Johannesburg, in denen die Einkommen extrem ungleich verteilt sind, ist auch die Mordrate am höchsten. Im doch etwas saturierten Europa, sagt Bur-
dett, sei neben einigen ausgezeichneten Beispielen für gut administrierte Städte eine gewisse Apathie zu beobachten, sich wirklich gründlich mit der Thematik auseinanderzusetzen. „Wir nutzen die zur Verfügung stehende Technologie noch nicht in ausreichendem Maße.“ Auch Social Media seien hier, sinnvoll eingesetzt, ein ausgezeichnetes Mittel zum Zweck. In London zum Beispiel sei vor allem der türkischstämmige Teil der Einwohnerschaft mittlerweile über Smartphones hervorragend vernetzt und informiere sich gegenseitig etwa über die Möglichkeiten von Mietergärten und vakante Jobs. Wien ist, wie gesagt, eine der lebenswertesten Städte der Welt. Das bedeutet aber nicht, dass nicht noch mächtig vieles verbessert werden könnte. Wie würde sich wohl Wien in einer solchen Analyse präsentieren? Gut, doch lange noch nicht perfekt. Nur mit hochintelligent organisiertem Städtebau und eben nicht lediglich mit ausgezeichneten Einzelgebäuden entsteht die Güte einer Stadt. F
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Wie Wien Wohnt Wohnen im Studentenheim Studentin Solmaz wohnt erst seit ein paar Monaten in einem Wiener Studentenheim und zahlt dafür 430 Euro monatlich. „Mein Zimmer hat keine besonderen Eigenschaften“, sagt Solmaz. „Ich wohne hier, weil ich keine andere Möglichkeit habe“
Die Wohnung als Filmstar
Der Einstieg ins Filmgeschäft Ende der 1990er-
Jahre war bei Stefan Teuber eher Zufall. Freunde drehten einen Film, brauchten einen Drehort und jemanden, der jeman-
Wer schön wohnt (und ein bisschen Geld braucht), kann seine Wohnung auch für Dreharbeiten vermieten. Aber nicht jede Wohnung eignet sich, sagt der Locationscout S E t b es u c h : Christopher W u r m d o b le r
den kannte. So war das damals. Inzwischen ist der Mann Profi. Hunderte Häuser und Wohnungen hat er mittlerweile im Portfolio, neue fotogene Objekte findet er über Maklerrecherche im Internet. Selbstverständlich nutzt er dabei aber auch jene Netzwerke, die er sich jahrelang aufgebaut hat. In den Wiener Bezirken vier bis sieben gibt es eine ganze Reihe von Filmwohnungen. Beliebt, vor allem für historische Produktionen, ist auch die Innenstadt und vor allem die Gegend rund um den Naschmarkt mit ihren schönen Gründerzeithäusern und den riesigen 170-QuadratmeterWohnungen. Diese Wohnungen seien aber auch schwierig, wegen der Parkplatzsituation, sagt Teuber. Das System funktioniert einfach: Mieter oder
Besitzer vermieten tages- oder wochenweise ihre Wohnung, bekommen dafür nicht zu wenig Geld und müssen halt während der Dreharbeiten im Hotel oder bei Freunden wohnen. Die Gründe dafür, seine Wohnung temporär an Filmleute weiterzugeben, seien vielfältig, erzählt Teuber. Viele seiner Kunden würden es als Zuverdienst machen. „Manche zeigen ihre Wohnung aber auch einfach gerne her.“ Nicht jede Wohnung eignet sich allerdings als Filmwohnung. Dabei geht es nicht ausschließlich darum, ob das Objekt schön anzuschauen oder gut abzufilmen ist. Schnitt und Lage einer Filmwohnung sind ebenso wichtig wie die Infrastruktur: Können die vielen Autos und Lkw mit technischem Material, Catering oder Maske in
der Nähe parken? Haben die vielen Leute, die hinter der Kamera arbeiten, ausreichend Platz? Gibt es Tageslicht und lassen sich vor den Fenstern Scheinwerfer platzieren, um Tageslicht vorzutäuschen? Derlei Infrastrukturfragen muss Teuber auch klären, bevor er Filmemachern eine bestimmte Location vorschlägt, die Crew mit dem Equipment anrückt und die Darstellerinnen und Darsteller so tun können, als seien sie hier zu Hause. Wozu der ganze Aufwand?, fragt sich der Laie.
Warum baut man nicht einfach die perfekte Wohnung im Studio auf und dreht dort? Ganz einfach: Weil es sich für ein paar Drehtage nicht auszahlt. Und weil eine „gewisse Grundpatina“ erwünscht ist, wie Teuber zu berichten weiß. Außer vielleicht bei Werbespots. Also sieht man in Reklamefilmen tendenziell eher die glitzernden Luxuswohnungen mit den – meist unbenutzten – schicken 30.000-Euro-Küchen und den tollen Dachterrassen. Oder die lässigen Lofts. In den „richtigen“ Filmen oder Fernsehserien spielen dann eher die gemütlichen Mietwohnungen die Hauptrolle. Die mit den vergilbten Tapeten, der liebevollen Einrichtung und der beliebten Hofratswitwenanmutung. Kommt es vor, dass in einer ORF-Krimiserie in einer Wohnungsszene die privaten Fotos der echten Wohnungsinhaberin zu sehen sind? Eher nicht, sagt der Loca tionscout: „Die Wohnungsbesitzer entfernen so ganz private Sachen meistens, bevor das Filmteam kommt.“ F
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inmal wurde Stefan Teuber eine 240-Quadratmeter-Wohnung im vierten Wiener Gemeindebezirk angeboten. Die Wohnung war komplett im Stil der Swinging Sixties eingerichtet und offenbar seit damals nicht sehr häufig benutzt worden. Alles wirkte wie neu. „In dieser Wohnung waren nicht irgendwelche Möbel“, sagt Teuber, „sondern vom Tischler maßgefertigte Einbauten. Mit einem riesigen Aquarium, Schildkrötenpanzer als Wandlampen und einer Bar mit gemalten Affen.“ Das aberwitzige Wohnobjekt für 1200 Euro Monatsmiete kam für Teubers Zwecke aber dann leider doch nicht infrage. Zu speziell vielleicht. Die Sixties-Wohnung brauchte Teuber nicht für sich, obwohl er sogar kurz überlegt hat, sie selbst zu mieten. Stefan Teuber ist Locationscout. Mit seiner Firma Filmlocations.at vermittelt er Häuser und Wohnungen (oder auch: Industriehallen oder Gärten) für Spielfilme, Fernsehserien oder Werbespots. Das heißt aber auch: Herr Teuber hat schon eine Menge Wiener Wohnungen gesehen. Er weiß, wie man in dieser Stadt lebt. Oder leben könnte. Auf der Website seines Unternehmens sind die unterschiedlichsten Wohnungen zu sehen: Luxus mit Ausblick, Villas in bester Lage, aber auch die typische Wiener Altbauwohnung mit abgewohntem Parkett und schlimmen Tapeten.
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Wie Wien Wohnt
Wohnen in der Stadt, aber mit viel Grün Valerie, Geschäftsführerin im Familienbetrieb, wohnt seit sechs Jahren mit Mann und drei Kindern in einer Gartenwohnung in der Josefstadt. Valerie schätzt die zentrale, aber ruhige Lage, das viele Grün, die kinderfreundliche Umgebung. „Ich bin sehr glücklich, wo ich wohne“, sagt sie. Weil es eine Eigentumswohnung ist, zahlt die Familie „nur“ Betriebskosten
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as für ein Gefühl, durch die Seestadt Aspern zu spazieren! Vor eineinhalb Jahren tat sich hier im Osten Wiens noch eine weite Ebene auf; die U-Bahn-Gleise führten ins Nichts. Heute riecht es nach feuchtem Beton und Staub, es quietscht und surrt. Flankiert von Kränen, Mischmaschinen und Absperrgittern ziehen behelmte Bauarbeiter hier Reihe um Reihe Wohnhäuser hoch. So schaut es also aus, wenn eine Stadt aus dem Boden gestampft wird. Auf einer Fläche, die größer ist als der gesamte fünfte Gemeindebezirk, sollen hier inmitten der Donaustadt bis 2028 rund 20.000 Menschen leben und arbeiten. Die weißen Fahrradstreifen auf der MariaTusch-Straße sind schon auf den frischen Asphalt gepinselt worden, aber derzeit geben noch nicht Straßennamen Orientie-
In Aspern entsteht eine Stadt für 20.000 Menschen. 35 engagierte Bürger planen dort gerade basis demokratisch ihr Traumhaus Bericht: B e n edi k t Na r o d o s l a w s k y
rung, sondern die Bezeichnung der Baufelder. J3A. E19. D5. Auf D13C sind Anfang September die Pioniere der Seestadt eingezogen. Sie wohnen gleich neben dem Hannah-ArendtPark, wo der Rasen schon grünt, aber noch keine Kinder spielen. Nun leben sie untertags auf einer dröhnenden Mega-Baustelle. Nachts legt sich die Stille über die Häuserschluchten und Aspern wird zur frisch betonierten Geisterstadt. Die ersten Einwohner der Seestadt haben viel
Arbeit in ihr neues Heim gesteckt. Sie sind am Ende eines langen Weges angekommen, an deren Beginn das Wort „JAspern“ steht. So heißt die Baugruppe, zu der sie sich zusammenschlossen und ihr gemeinsames Haus nach ihren Träumen erbauten. „Wir sind ambitionierte StadtbürgerInnen,
die gemeinsam ein nachhaltiges Modell für entspanntes Wohnen und Arbeiten in der Seestadt Aspern entwickeln und dafür das passende Eigentumshaus bauen“, beschreiben sie sich selbst auf ihrer Homepage. „Die Schwerpunkte sind Passivhaus, das kulturelle Programm im Salon JAspern, Urban Gardening und alternative Mobilität.“ Das Projekt gelang. Im Februar zeichnete das Umweltministerium das Haus mit dem klima:aktiv-Preis in Gold aus, ein Siegel für Gebäude mit der höchsten energetischen und ökologischen Qualität. Alle Wohnungen sind mittlerweile vergeben. Gerade parkt ein Möbelwagen vor der Haustür, ein Bewohner liefert die neue Küche. Das modellierte Bild am Computer ist Wirklichkeit geworden. Nur da, wo es mit Garten und Bäumen die grüne Umgebung der Zukunft andeutet, ist heute noch Baustelle.
Foto: Christian Wind
Das demokratische Traumhaus
Foto: Lisa.co.at
W i e W i e n W o h n t Wer wissen will, wie sich eine Skizze in ein Traumhaus verwandelt, braucht nur den Blick über das Baufeld D13 schweifen lassen. Es ist voll von Baugruppen wie JAspern, sie befinden sich in unterschiedlichen Stadien und tragen die Namen „B.R.O.T.“, „Seestern“, „Pegasus“ oder „LiSA“ – ein Kürzel für Leben in der Seestadt Aspern. Jubelt JAspern bereits im Ziel, steht LiSA gerade vor seinem Etappensieg. Der Verein wurde 2012 gegründet und holte sich Know-how vom Vorzeigebau der Sargfabrik in Penzing, einem selbstverwalteten Wohn- und Kulturprojekt, das bereits Mitte der 1990er-Jahren entstand. Ende September wird die Baugruppe LiSA ihren Grundstein legen. Zwei Monate davor, Mitte Juli, ein LiSA-Treffen mitten in Wien. Im Brigittenauer Bezirksbüro der Grünen haben sie neun Tische zusammengeschoben, 15 Menschen nehmen rundherum Platz, nicht alle haben es zur Sitzung geschafft. Die Jüngsten sind im besten Alter, um eine Familie zu gründen, die Ältesten nahe der Pension. Ein Mann schiebt seinen Finger übers Touchpad und projiziert die neuen Einreichpläne an die Wand. Alle blicken auf LiSA, die Ansicht West. Ihr skizzierter Traum. Die Baugruppe LiSA, das sind 35 Erwachsene mit 13 Kindern und einem Ziel: ein Wohnheim nach ihren eigenen Wünschen zu errichten, ohne von einem Vermieter abhängig zu sein. Die Dimension laut Plan: 55 Wohneinheiten und Gemeinschaftsräume, in denen die Bewohner in Zukunft werken, basteln, musizieren und saunieren können. Für die Kinder soll ein
eigener Indoor-Spielraum entstehen, dazu ein Lagerraum für die Foodcoop, in denen die Bewohner Biolebensmitteln horten, die sie von Bauern aus der Region beziehen. Der Mann am Laptop macht gerade keinen Hehl daraus, dass er mit den neuen Auflagen der Feuerpolizei hadert. Er wirft nun eine Tabelle an die Wand, Dokument 140718_LiSA_Datenblatt.xls und präsentiert Zahlen. Die Größe der Nutzflächen im neuen Einreichplan. LiSA soll ein umweltfreundliches Wohnhaus Das Wohnheim der Baugruppe LiSa planten Bürger basisdemokratisch
Weitere Informationen zur neuen Stadt Aspern erhalten Sie vom Stadtteilmanagement unter www.meine. seestadt.info
werden. Das Modellbild, Ansicht Süden, zeigt viel Glas, viel Grün, Laubengänge, in denen sich die Menschen treffen sollen. Eine aktive Nachbarschaft wollen sie hier in Zukunft pflegen, es gibt eine große Küche, einen Waschsalon, man will Dinge gemeinsam nützen. Aber jeder soll auch seinen eigenen Freiraum haben, wer etwa selbst eine Waschmaschine will, kann sie sich ins eigene Bad stellen. Ein Kommunenleben wünscht sich hier niemand. Gedacht wird schon jetzt an die Zukunft. Je nach Lebenslage soll die Größe der Wohnungen variieren können. Zwei Standardmodule – das kleine 34 Quadratmeter, das große 52 – können verschieden miteinander kombiniert werden. Gründet ein LiSABewohner etwa eine Familie, kann er seine Wohnung beispielsweise um ein Modul vergrößern, wenn es der Platz zulässt. Wenn die Kinder ausziehen, kann die Wohnung wieder um ein oder zwei Module verkleinert werden. Ein Traum von so vielen Menschen, das ist zunächst einmal eines: ein Kompromiss.
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Deshalb wird hier viel diskutiert, im Plenum, wo basisdemokratisch die Entscheidungen fallen. Womit wird gedämmt? Brauchen wir einen eigenen Brunnen? Soll man eine Bautafel oder doch lieber ein Transparent aufhängen, um weitere Interessierte zu gewinnen? Und was soll darauf stehen? Jeder hat ein Veto. Demokratisch bauen ist ein zäher Prozess. Zwei Stunden dauert das Plenum, und glaubt man den Worten der Mitglieder, dann war es diesmal eine besonders kurze Sitzung. Dass ein Traumhaus auch Arbeit bedeutet, wissen sie mittlerweile. Neben den Zusammenkünften, wo gemeinsam über jede wichtige Entscheidung abgestimmt wird, engagieren sie sich auch in Arbeitsgruppen, in denen sie verschiedene Aufgaben bewältigen. Etwa die Architekturgruppe, die das Haus gemeinsam mit einem professionellen Architekten plant. Oder die Marketinggruppe, die neue Mitglieder anlocken soll. Oder die Finanzgruppe, die ein eigenes Finanzierungsmodell ausgearbeitet hat – inklusive Solidaritätsfonds, in den alle einzahlen, um LiSA-Mitgliedern, die in Notlage geraten sind, vorübergehend helfen zu können. Im Oktober 2015 wollen sie ihr Traumhaus beziehen. Derzeit ist dort noch eine Grube, hinter dem Baugitter stapelt sich das Dämmmaterial. Ein roter Kran hievt gerade einen Bauarbeiter auf einem riesigen Metalltrichter voll flüssigem Beton übers Baugelände. Die Wände für den Keller sind schon errichtet, aus dem Beton ragen Stahlstäbe. Langsam nimmt die Skizze Form an. F
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Wie Wien Wohnt Wohnen im Gemeindebau Seit etwa zehn Jahren lebt Friseur Richard in einem Gemeindebau in Hernals – gemeinsam mit Sandra, Daniel und Melanie, ebenfalls Friseure. „Uns ist wichtig, dass wir genug Platz haben und sich jeder in seinen eigenen Bereich zurückziehen kann.“ Besonders stolz ist Richard auf das große Wohnzimmer. Etwa 600 Euro Miete zahlen die Vier aus dem Gemeindebau
„Stellen Sie sich einmal vor,
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eit 26 Jahren führt Gerhard Halusa im Wiener Wirtschafts- und Gesellschaftsmuseum im fünften Bezirk Museumsgäste durch die Epochen. Ein rekonstrierter Salon aus dem Fin de Siècle reiht sich hier etwa an ein Wohnzimmer aus den 60er-Jahren. Die Räume sollen zeigen, wie sich Wohnwelten und Standards in Wien im vergangenen Jahrhundert veränderten. Wir fragen Halusa, 54, studierter Historiker und Geograf: Wie hat man vor einem Jahrhundert gewohnt?
Falter: Herr Halusa, wie sah vor 100 Jahren die typische Wiener Wohnung aus? Gerhard Halusa: Es war jedenfalls nicht die Wohnung der Adligen oder Großbürger, an die man heute vielleicht denkt. Darin lebten um das Jahr 1900 nur knapp zehn Prozent der Bevölkerung, neun davon Bürgerliche, einer adlig. Der Rest der Bevölkerung waren Arbeiter. Die typische Wiener Wohnung war also eine Arbeiterwohnung: höchstens 25 Quadratmeter groß, aus nur einem Raum bestehend. Wenn man sie betrat, stand man in einer so genannten „Gangküche“, die sich weiter hinten in einem Wohn- und Schlafraum fortsetzte. Wasseranschluss und Toi lette lagen am Gang. Einen Vorraum gab es nicht: Von knapp 375.000 Wohnungen im Wien der Jahrhundertwende hatte gerade ein Viertel ein Vorzimmer oder einen kleinen Vorraum.
Wie wohnte man vor hundert Jahren in Wien? Der Wiener Historiker Gerhard Halusa über Badebottiche, Dienstboten böden und Kohlenkeller Interview: Joseph Gepp
Wie viele Menschen lebten typischerweise in einer solchen Arbeiterwohnung? Halusa: Meist eine Familie mit Kindern, dazu oft Untermieter und Bettgeher.
amten, wählten oft Möbel, die leistbar waren und einigermaßen repräsentativ aussahen. Da mischte sich dann etwa altdeutscher Stil mit Jugendstil.
Wie war sie möbliert? Halusa: In der Küche gab es eine kleine Arbeitsfläche und einen Herd, oft gemauert, wie man das heute noch in alten Bauernhäusern sieht. Entlüftet wurde die Küche durch ein Fenster zum Gang, deshalb nennt man sie „Gangküche“. Diese Gangfenster gibt es bis heute in vielen Wohnungen.
Wie sahen Wiens Badezimmer vor hundert Jahren aus? Halusa: Im Normalfall gab es nur eine Lavour für die Körperpflege, selbst für die Reichen. Zu denen kam aber immerhin allwöchentlich ein so genannten Badeknecht. Dieser stellte einen Holzbottich mit warmen Wasser auf, teils beheizbar. In den Bottich gingen dann nacheinander Vater, Mutter, Kinder und schließlich die Dienstboten. Alle im selben Wasser, alle natürlich in Badekleidung.
Und das Zimmer dahinter? Halusa: Dort stand ein Bett, manchmal auch ein Schrank oder eine Truhe. Dazu gab es einen Ofen, den die Arbeiter meist mit aufgeklaubtem Holz beheizten. Die Möbelstücke kaufte man gebraucht, zum Beispiel bei Pfandleihern oder jüdischen Wanderhändlern. Die Ärmeren der Armen haben sich ihre Betten oft auch selbst gebaut, aus Brettern und Strohsäcken. Beim Bürgertum hingegen herrschte wohl ein durchkomponierter, historistischer Prunk. Halusa: Das galt nur für die ganz Reichen. Diese ließen sich teilweise Salons einrichten, in denen alles durchkomponiert und stilistisch einheitlich war. Das weniger hohe Bürgertum hingegen, beispielsweise die Be-
Wie lief die Körperpflege bei den Armen ab? Halusa: Die hatten nur besagte Lavour sowie einen Kübel, den sie als Toilette verwendeten und regelmäßig ausleerten. Stellen Sie sich einmal vor, wie intensiv es in einer Wiener Arbeiterwohnung um die Jahrhundertwende gerochen hat: In jedem Haus kochen zehn bis 15 Familien und entlüften in den Gang. Dazu kommt das Klo am Gang sowie die Kübeln, die als Toiletten verwendet werden. Schließlich muss man bedenken, dass jede Person nur ein, zwei Kleidungsstücke besaß, die meist den ganzen Fortsetzung nächste Seite
Foto: Christian Wind
wie es damals gerochen hat“
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Wie Wien Wohnt reicht ungefähr vom Jahr 1860 bis zum Beginn der Ersten Weltkriegs. Wo liegt der Unterschied zwischen einer Wohnung von 1860 und einer von 1910? Halusa: Das hängt mit der Industrialisierung zusammen. 1860 gab es noch viele kleine Handwerke und Facharbeiter. Entsprechend fanden sich in den Höfen kleine Werkstätten und Betriebe; die dazugehörigen Gebäude stehen noch heute hinter vielen Wiener Gründerzeithäusern. Doch im Lauf der Jahrzehnte änderte sich das Bild. Der Handwerker wurde vom Fabriksarbeiter abgelöst, für den man Massenquartiere brauchte. Also wurden Zinskasernen hochgezogen, etwa in Favoriten. In diesen Häusern gibt es keine Beletage mehr, keine soziale Schichtung. Jede Wohnung schaute gleich aus. Wobei: Noch viel größer als der Unterschied zwischen den Jahren 1860 und 1910 ist beispielsweise jener zwischen 1910 und 1925. Die Gemeindebauten des Roten Wien nach dem Ersten Weltkrieg brachten eine immense Umwälzung des Wohnens.
Petra, freie Journalistin und Autorin, mag ihre Dachwohnung am Spittelauer Platz mit Blick auf Natur und Donaukanal. Sie mag, dass es kein direktes Licht gibt und auch dunkle Rückzugsbereiche: „Das gibt mit das Gefühl der Geborgenheit, der Ruhe.“ Petra lebt seit 15 Jahren hier und zahlt 670 Euro Miete monatlich
aufgewachsen bin, hat noch der Kohlewagen seine Fuhren ins Kellerabteil gekippt. Wir sind dann mit Schaufeln und Kübeln hinunter, Kohle holen.
Fortsetzung von Seite 16
Tag getragen wurden. Für unsere modernen Nasen wäre all das kaum auszuhalten. Reden wir über schönere Dinge. Wie wurde damals Kaffee gekocht? Halusa: Echten Kaffee konnte sich nur die zehn Prozent Oberschicht leisten. Die Armen verwendeten Ersatzkaffee, etwa aus Feigen. Oder man ist Zichorien stechen gegangen; dies kommt auch in Ferdinand Raimunds „Der Alpenkönig und der Menschenfeind“ vor. Zubereitet wurde der Kaffee auf viele Arten, es gab etliche Filterund Brühformen. Wurde der Herd in der Küche mit Holz betrieben? Halusa: Ja, meist. Es gab aber gemeinhin auch Gas in den Wohnungen. Das war eine einzelne Flamme in der Küche, die dauernd brannte. Sie diente hauptsächlich als Lichtquelle, manchmal auch zum Kochen. Die ganze Angelegenheit war eher unhygienisch, weil die Gasflamme stark gerußt hat. Weil reines Gas kein Licht gibt, hat man es in den Gaswerken mit Benzol oder dem Insektenmittel Naphthalin versetzt. Und wie hat man die Wohnzimmer vor hundert Jahren beheizt? Halusa: Mit Öfen. Die Reichen bestellten sich dafür Kohle in ihre Keller, die Armen sammelten Holz. Zumindest die Variante mit der Kohle hat es bis in die jüngere Vergangenheit noch gegeben: Als ich in den 60er-Jahren in Simmering im Gemeindebau
„Die typische Wiener Wohnung war eine Arbeiterwohnung“ Gerhard Halusa, Wiener Wirtschaftsund Gesellschafts museum
Was für einen Boden hatte vor einem Jahrhundert eine Wohnung in Wien? Halusa: Auch hier müssen wir unterscheiden. Die Reichen hatten meist Parkettböden, die Arbeiter Böden aus Stein. Letzterer bestand beispielsweise aus Steinfliesen, wie man sie heute noch in vielen Wiener Altbauten in Stiegenhäusern sieht. Interessant war, dass es beim Adel und Bürgertum immer auch Bereiche für Dienstboten gab – in denen man dann die Parkettböden manchmal gezielt rausnahm. Denn der Parkettboden markierte den Herrschaftsbereich.
Das Österreichische Gesellschafts- und Wirtschaftsmuseum wurde vom Ökonomen Otto Neurath gegründet.
Wo in den Häusern lebten die Dienstboten? Halusa: Wiens vornehme Häuser verfügten über eine Beletage, den ersten Stock, wo die Herrschaften wohnten. Darunter liegt das Mezzanin. Diese Halbstöcke entstanden ursprünglich, weil die Bauherren die damalige Bauordnung umgehen wollten. Man durfte in Wien nicht höher als drei Stockwerke bauen, also zogen findige Unternehmer das Mezzanin ein. Ebendort kamen bevorzugt die Dienstboten unter. All dies gilt aber nur für das hohe Bürgertum. Jene Reichen, die weniger Platz hatten, stellten ihren Dienstboten einfach ein Klappbett im Vorzimmer auf.
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In der Ära, über die wir sprechen, entstand ein Großteil der Bauten, die bis heute den inneren Teil von Wien prägen. Sie
Vor einem Jahrhundert bedeutete es für die meisten Menschen Armut und Elend, im Gründerzeitbau zu wohnen. Heute lieben ihn die Wiener viel mehr als den Neubau. Verblüfft Sie das? Halusa: Da ist sicher viel Nostalgie im Spiel, aber Gründerzeitbauten sind auch gestalterisch schöner als viele jüngere Gebäude, zudem liegen sie nah am Zentrum. Außerdem hat sich das Wohnen verändert: Um das Jahr 1900 lag die durchschnittliche Wohnungsgröße bei 22 Quadratmetern. Heute haben die Wohnungen nicht nur alle Anschlüsse, viele von ihnen wurden auch zusammengelegt. Hätte man vor hundert Jahren ein durchschnittliches Stockwerk in einem Wiener Gründerzeitbau betreten, man würde viel mehr Wohnungstüren sehen. Wien wächst heute so stark wie seit einem Jahrhundert nicht mehr, Stadtforscher sprechen von einer „zweiten Gründerzeit“. Was kann man heute von der ersten Gründerzeit lernen? Halusa: Die Dichte von gründerzeitlichen Stadtviertel hat sicher Vorteile, die Wege sind kurz und das Straßenleben rege. Aber ansonsten sollte man die Wohnverhältnisse im Wien der Jahrhundertwende nicht romantisieren. Im Wesentlichen folgte die Gründerzeit dem eiskalten Prinzip der Gewinnmaximierung: Es galt, so viele Menschen wie möglich auf möglichst wenig Raum unterzubringen. F
Fotos: Christian Wind, Joseph Gepp
Wohnen am Donaukanal
Worin drückte die sich aus? Halusa: Man wollte einen Gegenentwurf zum Elend der Kaiserzeit schaffen. Licht, Luft und Sonne statt Armut und Elend. Also führten die Stadtverantwortlichen Beschränkungen ein, zum Beispiel, was die Größe des unverbauten Anteils an einem Grundstück betraf. Dazu kamen neue, gemeinschaftliche Infrastrukturen wie Waschküchen. Und schließlich hatte man mit dem so genannten Friedenszins die Höhe der Mieten begrenzt. Vor dem Weltkrieg konnten private Bauherren mit Zinskasernen immense Profite machen, nun rentierten sie sich kaum noch. Folglich sprang die Stadt Wien ein, teils aus Überzeugung, teils aus Notwendigkeit. Aus all dem entwickelte sich eine neue, moderne Form des Wohnens.
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Wien wohnt: Zahlen, bitte! 5720 37
Euro jährlich gibt man in Österreich fürs Wohnen aus, das sind
30
Prozent der gesamten durchschnittlichen Konsumausgaben
Prozent der Menschen im Großraum Wien haben in den letzten 12 Monaten Möbel bei Ikea gekauft
48
Prozent haben dort Accessoires gekauft
Zahl der Verkaufsstellen der umsatzstärksten Möbelhändler in Österreich: Garant: 141 MHK Gruppe: 126 WohnUnion: 118 XXXLutz-Gruppe: 105 Dänisches Bettenlager: 80
870.720 46,4
Wohnungen gibt es in Wien (Quelle: MA 41)
Tatsächlich sind bereits
2
Europa Möbel: 70 Leiner/Kika-Gruppe: 50 Reiter: 16 Einrichtungspartnerring: 7 Ikea: 7 (Quelle: RegioData Research, 2012) Personen wohnen damit durchschnittlich in jeder Wiener Wohnung
4
Prozent der Wiener Wohnungen 1-Personen-Haushalte
Prozent der Wiener Wohnungen gelten als
Infografik: Raphael Moser
„Substandardwohnungen“ (WC am Gang) (Quelle: Statistik Austria, 2011) 43,7 Quadratmeter Nutzfläche hat durchschnittlich jede Person in Wien Eigentumswohnungen sind in Österreich durchschnittlich
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137,8
Quadratmeter, Hauptmietwohnungen sind im Durchschnitt
69
Quadratmeter groß
der Wienerinnen und Wiener leben in Mietwohnungen (Quelle: Statistik Austria 2010/2011). Euro kostet der Quadratmeter Eigentum in der Inneren Stadt
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Euro kostet der Quadratmeter Eigentum in Simmering
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Wie Wien Wohnt Wohnen mit anderen Studentin Bea wohnt seit 2011 mit vier Mitbewohnerinnen in der wahrscheinlich schönsten WG von ganz Ottakring. „Wichtig ist, dass auch akzeptiert wird, wenn man gerade eher auf Rückzug ist“, sagt sie. Der Mietvertrag ist allerdings befristet und läuft nur noch drei Jahre
Willkommen im Paradies
Der Zaubergarten war ausschlaggebend dafür,
dass Ines, 29, Bea, 27, und ihre drei Mitbewohnerinnen letztlich Ja gesagt haben zu der Wohnung, denn eigentlich war niemand von ihnen auf Wohnungssuche, als Ines’ Cousine Nina sie im Mai 2011 entdeckte. Nina hatte ein Faible für Wohnungsinserate und schmökerte in Immobilienanzeigen, als sie auf die Wohnung mit Garten stieß. Beate und deren WG-Mitbewohnerin Elena, Ines Schwester, unterschrieben noch am selben Tag den Mietvertrag für die 165 Quadratmeter große Wohnung. Ohne zu wissen, wer einziehen würde. Nach einem Monat Bedenkzeit stand die WG-Besetzung.
Fünf junge Menschen in Ottakring zeigen, warum WG-Leben trotz gelegentlichem Knatsch super sein kann REPORTAGE: BIRGIT WITTSTOCK
Die Wohnung, in der zuvor eine alte Dame gelebt hatte, war optimal für eine Wohngemeinschaft: vier fast gleich große Zimmer, zwei Badezimmer, ein großes Wohnzimmer mit offenem Kamin, zwei Sofas und einem großen, schweren Holztisch mit vielen Sesseln und eine Küche, in der auch ein Esstisch Platz hatte. Den ganzen Juni schufteten die neuen Bewohner, um die doch sehr abgewohnte Bude herzurichten: Sie scherten die braunen Tapeten von den Wänden, malten aus, bauten in eines der Badezimmer, das zuvor mit Holz verkleidet war, eine Wanne ein und verfliesten es und führten einige der gebrechlichen 50er-Jahre-Möbel auf den Müllplatz. Was noch zu gebrauchen war, steht nach wie vor in den Zimmern: alte Kästen und Kredenzen, Fauteuils – teilweise neu gestrichen, mit buntem Stoff tapeziert oder wie im Fall der Sofas im Wohnzimmer, einfach mit weißen Decken bezogen. Davon, dass die Bewohner gerne und viel reisen, erzählt nicht nur die Weltkarte im Vorzimmer, auf der verschiedenfarbige Pinnnadeln die jeweiligen Reiserouten markieren, sondern auch diverse Fotos, asiatische Holzmasken und andere Erinnerungsstücke in den Zimmern. „Ich mag das WG-Leben, weil ich ein geselliger Mensch bin und diese Art des Zusammenlebens auch aus meiner Kindheit kenne“, sagt Ines. „Ich bin auf einem Vierkant hof aufgewachsen, in dem mehrere Familien wohnten. Das war auch eine große WG. Ich mag es, wenn man gemeinsam fern-
sieht oder gemeinsam kocht und isst. Solche Sachen.“ Der Vorteil ist: Man könne, wann immer man wolle, unter Leuten sein, aber man habe auch immer einen Rückzugsort, sagt Bea. „Das Wichtige ist, dass auch akzeptiert wird, wenn man gerade eher auf Rückzug ist, und dass man sich umgekehrt, wenn man Lust dazu hat, jederzeit kopfüber ins WG-Leben stürzen kann.“ Um dem üblichen WG-Knatsch zu entgehen,
haben sie einen Putzplan eingeführt: Bad und Klo werden abwechselnd einmal wöchentlich geputzt, für den Rest gibt es Stricherllisten. Bei regelmäßigen WG-Besprechungen werden nicht nur Spieleabende und Partys organisiert, sondern gelegentlich kann man da auch seinem Ärger Luft machen. „Man muss eben lernen, auch auf die Bedürfnisse der anderen zu achten, sonst hält man es zu fünft nicht miteinander aus“, sagt Ines. Man lerne viel über Kompromisse, die eigenen Grenzen und die der anderen. Und was, wenn der Vertrag ausläuft? „Ich bin schön langsam auf der Suche nach einer eigenen Wohnung“, sagt Ines. „Nicht, weil ich die WG satthabe, sondern weil ich mal eine andere Wohnform ausprobieren möchte.“ Bea schließt es nicht aus, nachher noch einmal in einer WG zu ziehen. „Finanziell betrachtet ist eine WG wohl realistischer und auch, weil ich das Lebensgefühl gerne habe. Aber wer weiß schon, was in drei Jahren sein wird?“ F
Foto: Hans Hochstöger
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s ist wie der Zugang zu einer geheimen Welt, einer Art Paralleluniversum: Betritt man das einstöckige, gelbe Vorstadthaus in der Ottakringer Straße und geht hinaus in dessen Innenhof, dann traut man seinen Augen kaum. Im Hinterhof erstreckt sich auf etwa 200 Quadratmetern ein kleiner, verwilderter Garten, in dem der alte Kirschbaum, der knorrige Nuss- und Apfelbaum die Sicht auf die umliegenden Häuser komplett verdecken. Weder der Lärm der vorbeidonnernden Straßenbahn noch der der Autos vermögen den Gesang der Vögel und das Zirpen der Grillen zu übertönen. Liegt man hier in der Hängematte, zwischen Ribisel- und Himbeersträuchern, atmet den Duft der Blumen ein und blickt auf das kleine Beet, auf dem verschiedene Gemüse wachsen, dann kann man fast nicht glauben, dass man sich mitten in einer Großstadt befindet.
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Wohnen (fast) ohne Möbel Der Konzeptkünstler Stefan Draschan pendelt zwischen Wien (Wieden) und Berlin (Charlottenburg). Seit vier Jahren hat er seine Wiener Wohnung, für die er 300 Euro monatlich zahlt. Möbel sind ihm weniger wichtig als „Ruhe, Licht und Sicht“. Wo Stefan noch lieber wohnen würde? „In Neapel!“
Es muss was an die Wand! S
Fotos: Christian Wind, Bauer-Arch.at
ich mit Klaus-Jürgen Bauer zu unterhalten, kann gefährlich sein. Es besteht nämlich die Möglichkeit, dass man nach einem Gespräch mit dem Architekten sofort das nächste Farbengeschäft aufsucht. Herr Bauer ist nämlich nicht nur Architekt, Autor und Künstler (und bringt Laien mittels des von ihm erfundenen „Fassadenlesens“ Architektur näher), er ist auch ein Auskenner und Fan in Sachen Tapeten. Klassischer Tapetensammler ist er aber keiner. Etwas zu sammeln und durchzukategorisieren interessiert ihn nicht. Seine Intention ist, Wissen zu sammeln. Und davon hat der Architekt inzwischen einiges angesammelt. Weil sein Büro im Burgenland auch im Bereich Denkmalschutz tätig ist, musste er sich zunächst zwangsläufig mit dem Tapetenthema beschäftigen. Seit Jahrzehnten war die Tapete aus den Wohnungen verschwunden, aber gerade erlebt sie eine kleine Renaissance.
Die Geschichte der Tapete ist mit der des Buchdrucks eng verbunden, erzählt Bauer. Aber erst in der Biedermeierzeit im frühen 19. Jahrhundert hatte die Tapete ihre Hochblütezeit. „Die ersten Tapeten hat man bei Renovierungen von Burgen gefunden“, sagt er. „Mit einfachen Mustern bedruckte Bögen, etwas kleiner als A4, die Größe, die man damals drucken konnte.“ Warum klebten die Leute bedrucktes Papier an die Wand? Weil man die Wand verschönern wollte, sagt der Experte. „Gerade in der Architektur kommt immer eine Entwicklung aus der Imitatio“, so Bauer. Die
Tapetenwechsel: Früher hat man mit Tapeten den Adel imitiert. Jetzt imitiert man damit nackte Wände WANDBESCHAU: CHRISTOPHER WURMDOBLER
Klaus-Jürgen Bauer bloggt auch: bauer-arch.at Die erwähnte Betontapete gibt es hier: www.nlxl.com
alten Griechen und Römer haben Wandfelder bemalt. Über viele Jahrhunderte wurde das vergessen. Im Mittelalter behängte man dann kalte Steinmauern mit Stoffen. „Bis ins 15. Jahrhundert ist das Mittelalter über die Textilkultur geprägt, Stoffe sind das Leit-Luxusprodukt, und der Adel zeigt seine Potenz, indem er sich kostbare byzantinische Stoffe an die Wände hängt.“ Mit dem Buchdruck kommt schließlich die
Tapete, die diese Stoffe imitiert und auch demokratisiert: Das Papier ersetzt also das Textil, der textile Wandbehang, die Tapisserie, wird zur papiernen Tapete. Im Spätbarock ist sie Standard, mit Napoleon gibt es dann eine Renaissance der opulenten Wandbehänge. Ganz Europa versucht, den Empire-Stil nachzumachen, die Hochblüte der Tapetenkunst beginnt: die Imitation genau dieses Wandbehangs. „Wände anmalen war etwas für die armen Leute“, sagt Bauer und berichtet, dass das bis heute so ist: „Es muss was an die Wand! Wenn Sie für Wohlhabende eine Wohnung ausstatten, dann geht die angemalte Wand gar nicht.“ Im Luxusbereich müsse eine Strukturtapete an die Wand, erst dann werde gemalt. Im Wiener Jugendstil dann beginnt die Tradition der weißen nackten Wand. In den 1930er- bis 1950er-Jahren wird die Tapete schließlich der Inbegriff des kleinbürgerlichen Wohnstils. „Die Muster aus dieser byzantinisch-klassizistischen Tradition werden immer kleiner, die Farben blasser“, sagt Bauer. „Die hochherrschaftlichen, traditio-
nellen Muster sind dieselben, aber sie zieren jetzt die Jägerstuben.“ In den 1970ern kommt es zu einem Comeback der Tapete. „Die Wände werden intensiv“, sagt Bauer. „Dass da riesige orange Sonnen explodieren, hängt mit dem Aufbruch, der Widerstandsbewegung der 68er zusammen.“ Dass die Tapete aktuell wieder so beliebt ist, hat mit neuen Technologien zu tun. Heute ist es möglich, alles drucken zu lassen. „Ich kann heute aus meinen Urlaubsfotos eine Tapete entwerfen, die Daten an eine Druckerei schicken und bekomme um ein paar Euro ein paar Rollen mit meiner total individuellen Tapete.“ Der Trend gehe weg von der Imitation der Aristokratie, auch wenn Modeunternehmer wie Harald Glööckler eigene „königliche“ Tapetenkollektionen auf den Markt bringen. Der Antiquitätenhandel bricht ein, Sotheby’s und Co machen ihr Geld mit Prototypen der Moderne und nicht mehr mit Empire-Möbeln. „Weil im allgemeinen Geschmack dafür kein Platz ist“, sagt Bauer. „Wenn sich Wohlhabende heute ein Haus bauen, dann hat das nackte Wände, eine große Glaswand, davor einen Pool. Da passt dann vielleicht ein Mid-Century-Möbel von Arne Jacobsen hinein. Aber der Barockschrank findet keinen Platz.“ Heute imitiert niemand mehr Kaisers Wohnstil in Schönbrunn. Heute imitiert man das, was man in Wohnzeitschriften sieht. Kürzlich hat der niederländische Designer Piet Boon ein neues Produkt entwickelt: Tapeten, die sich anfühlen und aussehen wie Wände aus Beton. F
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WIE WIEN WOHNT
Hübsch hässlich Böse Dinge: Die Autorinnen und Autoren dieser Ausgabe outen sich und beschreiben jene fürchterlichen Möbel oder Accessoires, mit denen sie zusammenleben. Oder zusammengelebt haben
„Ein bisschen traurig steht sie da in meinem Zimmer: eine kackbraune Lederwurst, die nur entfernt daran erinnert, was sie einmal war – ein stolzes WG-Sofa. Ganz abgesehen davon, dass man auf dem grindigen Teil sowieso nicht Platz nehmen möchte, ist die Sitzfläche so absurd schmal, dass gemütliches Herumgammeln zur Akrobatik wird. Als Ablagefläche ist das Ding auch nicht zu gebrauchen. Alles, was darauf landet, rutscht früher oder später herunter. Warum es noch immer in meinem Zimmer steht, weiß ich selbst nicht. Vermutlich, weil ich ungebetene Gäste im Inneren der Lederwurst nicht aufschrecken möchte.“
Der Fußabtreter
„In den 90er-Jahren, als noch nicht die meisten Einrichtungsgegenstände und Accessoires in Häusern und Wohnungen von Ikea stammten, streifte er noch repräsentativ durch die Wohnzimmer: der lebensgroße PorzellanLeopard. Meist befand er sich in sonst ungenutzten Ecken von Räumen, oft sitzend, eingekesselt von Wohnlandschaften oder Stereoanlagen, die damals noch aus ganzen Türmen bestanden. Dem Leoparden leisteten oft auch andere, leicht zerbrechliche Raubkatzen Gesellschaft, gern Panther, deren schwarze Oberfläche grässlich glänzte. Immerhin eine gute Sache lässt sich über die Viecher aus Porzellan sagen: Ihr Zeit ist längst vorbei.“
„Wer mich besuchen will, muss erst eine schwere Hürde nehmen: den wohl hässlichsten Fußabtreter der Welt. Auf grell orangem Untergrund, verziert mit gelben Blümchen, prangen in großen silbernen Lettern die Namen „Birgit und Paule“. Meine Hausmeisterin hat das Teil selbst gebastelt, weshalb ich es auch nicht wegwerfen kann, immerhin kehrt sie einmal wöchentlich das Stiegenhaus. Obwohl mein Hund Paule längst fortgezogen ist, liegt das orange Ungetüm also immer noch vor meiner Wohnungstüre – und wird hier liegen bleiben, bis ich eines Tages ausziehe. Aber wenigstens ist er praktisch, der Fußabtreter.“
JOSEPH GEPP
MARTINA POWELL
Der LSD-Luster „Es heißt ja immer, alles Gute käme von oben. Aber was, wenn dort oben ein kunterbunter Neon-Luster hängt, der so aussieht, wie eine Installation des österreichischen Künstlers Erwin Wurm, die man auf einem LSD-Trip durch eine 3D-Brille betrachtet? Eine Deckenleuchte, die so viele Glühbirnen besitzt, dass sie nicht nur im Esszimmer den Abend zum Tag machen kann, sondern auch die Stromrechnung in lichte Höhen zu treiben vermag? Ja, was dann? Dann ist es gut, denn nichts, absolut nichts, lenkt so sicher den Blick weg von dem hässlichen Porzellan-Leoparden in der Ecke.“ BENEDIK T NARODOSL AWSK Y
Das Palettenmöbel „Seit Jahren besitze ich schon ein paar Europaletten. Sie waren von Bauarbeiten übriggeblieben, nie wieder abgeholt worden und warteten jedenfalls auf ihre weitere Verwendung. Diesen Sommer war es dann so weit: Ich wollte mir aus den Europaletten ein trendiges Europalettenmöbelstück bauen. Ein lässiges Sitzmöbel für draußen, wie man sie aus Stil-Blogs und von DIY-Bastelanleitungen kennt. Glücklicherweise scheiterte das Projekt früh, die Nägel ließen sich nicht entfernen, das Holz splitterte und die Paletten wurde schließlich zerhackt. Gut so. Palettenmöbel sind die Fliesentische der Hipster. Braucht man nicht.“
BIRGIT WIT TSTOCK
CHRISTOPHER WUR MDOBLER
Die Umzugskartons
Die Rüschengardine
„In der zuletzt von mir bewohnten Wohnung hatte ich sie beim Einziehen in eine Ecke abgestellt und bis zum nächsten Umzug dort herumstehen lassen: Umzugskartons voll mit Dingen, die ich angesammelt habe, aber offenbar nur selten benötige. In meiner jetzigen Wohnung stehen nun sogar zehn Umzugskartons herum. Sie sind zur permanenten Einrichtung geworden, die ich kaum mehr wahrnehme. Und solange mir noch die Frage durch den Kopf geistert, ob ich nicht doch Wien wieder verlassen oder wieder die Wohnung wechseln sollte, werde ich die Kartons auch nicht ausräumen. I’m a passenger.“
Wenig spricht gegen einen vernünftigen Vorhang. Wird die Vernunft jedoch zur Gardine, zu einem dieser gerüschten Fensteraccessoires, deren Mitte gerne kürzer ist als die Seiten, dann wird das Ertragen schwierig. Reminiszenzen an Wohnzimmer der 1970erJahre. Blankpoliertes Lackholz. Gummibäume. Kunstperserteppiche. Betreten für Kinder und andere Unreine verboten. Später unter denselben Rüschengebilden inquisitorische Kaffeejausen mit Eltern geschlechtsreif gewordener Freunde, betretenes Schweigen, eingehüllt in diffuses Licht, das durch Organza fällt. Entweder nichts oder Vorhang, eindeutig. Niemals wieder Gardine. UTE WOLTRON
CHRISTIAN WIND
Der Klodeckelplüsch Als ich in meine erste Studentenwohnung zog, eine gemütliche KategorieD-Wohnung um 60 Euro hinterm Amalienbad, hatte ich ein Klo am Gang. Ich durfte den Abort ganz alleine benutzen. Als ich ihn zum ersten Mal betrat, machte ich eine schaurige Entdeckung: Mein Vormieter hatte eine leibhaftige Klofußumpuschelung zurückgelassen, einen Teppich für die Tröpfchen. Verschärft wurde dieser Brunzplüsch durch eine Klodeckelverplüschung, die im selben Ozeanblau gehalten war. Klofußumpuschelungen sind nichts anderes als kontaminierter Sondermüll. Ich bin dennoch gespannt, ob die Hipster die Dinger neu entdecken. FLORIAN K LENK
ILLUSTR ATIONEN: R APHAEL MOSER
Die Lederwurst
Der Porzellan-Leopard
FAIRliving
22., Seestadt Aspern - Bpl. D 14 - Wien Work Projektbeschreibung: In dieser Wohnhausanlage entstehen 66 Mietwohnungen teilweise mit Superförderung und 36 betreute Wohnungen. Wien Work-Einrichtungen (Verwaltung und Ausbildungsküche). PKW- und Motorradstellplätze, die sich in einer Tiefgarage im Haus befinden und Fahrradabstellplätze. Die Grundrisse der Wohnungen sind klar aufgebaut und können mit sogenannten „Normmöbel“ ausgestattet werden. Alle Wohnungen verfügen über Freiräume wie Loggien, Balkone bzw. Terrassen. Besonderer Wert wird auf die Umsetzung von Barrierefreiheit und Alltagstauglichkeit auch außerhalb der Wohnungen gelegt. So sind z.B. die Stiegenhäuser und die Allgemeinflächen hell und übersichtlich gestaltet, Gemeinschaftseinrichtungen barrierefrei erreichbar und Lifte mit verglasten Türen ausgestattet. Gemeinschaftseinrichtungen: Kinderwagen- und Fahrradabstellräume im EG. Gemeinschaftsraum, Kinderspielraum, Waschküchen im 1. Stock. Saunabereich mit Ruheraum und Dachterrassen mit Sommerküchen. Gemeinsam mit dem Wohnprojekt wird der integrative Dienstleister Wien Work seinen Firmensitz dort erhalten. Die BewohnerInnen können daher auch auf ein umfangreiches Serviceangebot zurückgreifen. Verkehrsanbindung: U2 Endstation Seestadt Aspern, Autobus 88A, 88B, Straßenbahnlinien 25 und 26. Baubeginn: Voraussichtlich Ende 2014, Bezugsfertig: Voraussichtlich Ende 2016.
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Groß En8-10. Gemeinnützige Siedlungs- und Bauaktiengesellschaft, A-1013 Wien, Eßlinggasse zersd Tel.: 53477-0, orfer S traße E-mail: office@gesiba.at, www.gesiba.at
Wohnservice Wien/L. Schedl
Gut beraten rund ums Wohnen
Förderungen
InfoCenter „Alles rund ums Wohnen“
Sanierung
Für alle Fragen rund ums Wohnen Bartensteingasse 9, 1010 Wien Tel.: 01/4000-8000 Telefonische Auskünfte: Mo – Fr: 8 – 20 Uhr Persönliche Information: Mo – Fr: 8 – 17 Uhr www.wohnservice-wien.at
Informationen über förderbare Sanierungen: Sanitär, Heizung, Wärmedämmung, Schallisolierung, behindertengerechter Umbau; Info-Point für Wohnungsverbesserung der MA 25 und MA 50 Maria-Restituta-Platz 1, 1200 Wien, Zi. 609, Tel.: 01/4000-74860 Telefonische Beratung: Mo – Fr 8 – 15 Uhr Persönliche Beratung: Mo – Fr 8 – 13 Uhr
Wohnungssuche Wohnservice Wien Beratung und Informationen rund ums geförderte Wohnen und Wohnungsangebot Taborstraße 1–3, 1020 Wien Tel.: 01/24 503-25800 Telefonische Beratung: Mo – Fr: 8 – 19 Uhr Persönliche Beratung: Mo, Di, Do, Fr: 8 – 19 Uhr, Mi: 8 – 12 Uhr www.wohnservice-wien.at
www.um-haeuser-besser.at www.wien.gv.at/wohnen/wohnbaufoerderung
Wiener Wohnen Willkommensservice
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Ihr Weg zu einer Gemeindewohnung Für alle, die sich für eine Gemeindewohnung interessieren. Guglgasse 7 – 9, 1030 Wien Eingang: Guglgasse / Ecke Paragonstraße Öffnungszeiten: Mo, Di, Do, Fr: 8 – 19 Uhr Mi: 8 – 12 Uhr Terminvereinbarungen unter 05 75 75 75 www.wienerwohnen.at
Sanierungsberatung für Hauseigentümer wohnfonds_wien fonds für wohnbau und stadterneuerung Lenaugasse 10, 1082 Wien Tel.: 01/4035919-0 Mo – Do: 9 – 16 Uhr und Fr 9 – 11.30 Uhr
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