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INNENAUSSTATTUNG
NULL-TOLERANZ- STRATEGIE
SCHADSTOFFE UND SCHIMMELSPOREN KÖNNEN SICH IN UNSEREM ZUHAUSE UNSICHTBAR UNTER DIE ATEMLUFT MISCHEN. HÖCHSTE ZEIT, EINEN PRÜFENDEN ZWEITEN BLICK AUF BAUMATERIALIEN UND EINRICHTUNG ZU WERFEN.
KALKPALETTE Vom ersten Anstrich mit der Kalkfarbe nehmen die Wände die überschüssige Luftfeuchtigkeit auf und geben sie später wieder ab. Diese natürlich „atmende“ Funktion reguliert das Raumklima und entzieht Schimmel den feuchten Nährboden. Auro
Häuser werden heute mit einer luftdichten Gebäudehülle gebaut oder auch entsprechend saniert. Das verhindert auf der einen Seiten, dass Luft unkontrolliert über Ritzen und Fugen entweichen kann. Auf der anderen Seite stellt das unter Umständen Ihre Wohngesundheit vor Probleme: Nicht nur die kostbare Heizwärme bleibt im Raum, sondern auch viele Schadstoffe aus völlig verschiedenen „Ecken“ des Hauses. „In einem Einfamilienhaus kommen rund 500 unterschiedliche Produkte zum Einsatz, da sollte man schon genau hinschauen, um die Gesundheit nicht dem Zufall zu überlassen. Denn hohe Schadstoffkonzentrationen können das Wohlbefinden und die Gesundheit beeinträchtigen“, erklärt Jürgen Rösch, Prokurist vom Sentinel Haus Institut.
AUF DURCHZUG SCHALTEN
Wohnraumlüftung ist dabei ein zentrales Thema der Wohngesundheit. Effektiv ist vor allem ein Durchzug, sprich wer ein Fenster öffnet, sollte im besten Fall auch gegenüber eines öffnen – oder gleich eine Tür. So geht der Luftwechsel relativ rasch voran, dauert ein paar Minuten und sollte möglichst mehrmals am Tag stattfinden. Anstrengend? Dass währenddessen auch Heizkörper nicht auf Hochtouren laufen sollten, versteht sich von selbst. Anstatt per Hand zu lüften, lässt sich auch ein Lüftungsanlage mit Wärmerück-
DAS GESAMTBILD IM BLICK Hinter den Wänden des Familiendomizils von Jennifer und Marc Brünig verbirgt sich eine ökologische und wohngesunde Konstruktion. „ÖvoNatur Therm“ heißt die Gebäudehülle, die nicht nur für ein angenehmes Raumklima, sondern auch für einen sehr guten Wärmeschutz sorgt. Gefertigt wird sie hauptsächlich aus natürlichen Werkstoffen, allen voran Holz. Auch beim Innenausbau setzt das Hausunternehmen auf Nachhaltigkeit. So tragen alle Häuser des Herstellers das Siegel „Schadstoffgeprüft und allergikergeeignet“ des TÜV Rheinland und sind von der Gesellschaft für Wohnmedizin, Bauhygiene und Innenraumtoxikologie e. V. „wohnmedizinisch empfohlen“. Zudem erhielt das Unternehmen vom Sentinel Haus Institut das Zertifi kat „Bauunternehmen für gesündere Gebäude“. WeberHaus
DATEN BANK
… für wohngesunde Baustoffe
Renommierte und neutrale Institute, wie zum Beispiel das Sentinel Haus Institut in Freiburg, prüfen die ökologische Verträglichkeit verschiedener Baumaterialien, unter anderem Farben, Lacke oder Bodenbeläge. Dazu gehören auch regelmäßige Nachprüfungen. Eine umfassende Online-Datenbank gibt Auskunft zu den bewerteten und zertifi zierten Bauprodukten:
www.sentinel-haus.de
gewinnung einbauen. „Lüftungsanlagen beugen nicht nur der Schimmelbildung vor, sie schaffen darüber hinaus kontinuierlich ein gesundes Raumklima“, weiß Friedrich Lutz Schulte von der Initiative Wärme+. Die Geräte sorgen dafür, dass verbrauchte, belastete Luft rund um die Uhr abgesaugt und durch frische Luft ersetzt wird. „Das geschieht gleichmäßig und automatisch, ohne dass die Fenster regelmäßig geöffnet werden müssen und Energie verloren geht. Und: Da Fenster geschlossen bleiben können, bleiben die Bewohner auch von Außenlärm sowie von Staub und Insekten verschont. Allergiker profi tieren davon, dass die Geräte Pollen aus der Luft fi ltern.“ Diese gibt es in unterschiedlichen Ausführungen: vom reinen Abluftsystem, bei dem die Luft aus Bad, WC und Küche über einen zentralen Ventilator nach außen befördert wird bis hin zu einer Komfortlösung mit Wärmerückgewinnung und Filtern, etwa wie bereits genannt gegen Pollen.
VORBEUGEN HILFT
Eine unsichtbare Gefahr steckt in chemischen Krankmachern. Zum Beispiel tummeln sich in frisch renovierten oder neu gebauten Kinderzimmern oft besonders hohe Schadstoffwerte. Das hat eine Messreihe des Sentinel Haus Instituts ergeben: In zwei genormten Testräumen bauten die Experten typische Produkte ein, die bei einer Renovierung oder einem Neubau zum Einsatz kommen – Türen, Fenster, Tapeten, Bodenbeläge, Spachtel, Farben und Kleber. Normale Kinderzimmermöbel bildeten die Einrichtung. 28 Tage lang wurden mehrere hundert Schadstoffe in der Raumluft gemessen. Die Messergebnisse sind alarmierend: Bis zu 15 Mal mehr Schadstoffe als im wohngesunden Vergleichsraum
RAUMLUFTSENSOR
Ob es um den idealen Geräuschpegel zum Schlafen geht oder um die richtige Luftfeuchtigkeit für ein Kind mit Asthma – der smarte Raumluftsensor nimmt die nötigen Messungen vor, weist auf Probleme hin und sagt Ihnen per App, wie Sie sie beheben können. Netatmo
herrschten im Kinderzimmer mit Standardbaustoffen. Im wohngesunden Kinderzimmer dürfen Sie buchstäblich „aufatmen“. „Mit emissionsgeprüften, wohngesunden Bauprodukten, Möbeln und Reinigungsmitteln können Eltern viel für die Gesundheit ihrer Familie tun. Die Mehrkosten von wenigen Euro für gute Produkte liegen weit unter den Kosten einer oft langwierigen Krankheit“, gibt auch Peter Bachmann, Geschäftsführer des Sentinel Haus Instituts zu bedenken. Das Tückische an Schadstoffausdünstungen wie Formaldehyd oder Chlorpestizide? Meist bemerken wir sie gar nicht. Sie schleichen sich über einen längeren Zeitraum ins Zuhause und können erhebliche gesundheitliche Schäden bei Groß und Klein anrichten – von der Allergie bis hin zu Krebserkrankungen. Sie dünsten ein Leben lang
RAUFASER Die Raufasertapeten bestehen aus Recyclingpapier und ist frei von Weichmachern, Lösungsmitteln und PVC. Erfurt/epr
MÖBEL MIT MEHRWERT Das österreichische Unternehmen Grüne Erde setzt neben Vollholzmöbeln auch auf Möbelstoffe, die aus 100 Prozent Schurwolle bestehen, in Deutschland gewebt und GOTS-zertifi ziert sind. Abgebildet sind der Sofatisch „Mitsu“ und das Sofa „Linera“. Grüne Erde
PRIMA SACHE Die Marburger Tapetenfabrik bringt die erste CO2-neutrale Tapetenserie des Familienunternehmens auf den Markt. Der Hersteller führt bis zu 90 Prozent seiner Abfälle dem Recycling zu. Pappen, Folien, Hülsen und Holz gelangen auf diese Weise wieder in den Materialkreislauf. Tapetenabfälle kommen beim Straßenbau zum Einsatz, als Schallschutz und Dämmmaterial, Teppichboden oder Lkw-Planen. Marburger Tapetenfabrik/djd AUFATMEN In Einfamilienhäusern sorgt das Wandgerät der kontrollierten Wohnraumlüftung „recoVair“ mit Wärmerückgewinnung für frische, gesunde Luft. Hierbei wird die Abwärme der verbrauchten Raumluft genutzt, um kältere Frischluft aufzuwärmen. Ein Pollenfi lter lässt Staub und Pollen gar nicht erst ins Haus. Vaillant
LEHMFARBE Kakao, Mokka, Toffee und Candy: keine neuen Schokosorten, sondern angesagte Farbtöne von Volvox Naturfarben. www.volvox.de
FRIEDRICH LUTZ, INITIATIVE WÄRME+
aus, etwa über Polster- und Kunststoffmöbel oder Spanplatten. In Deutschland gibt es zwar Grenzwerte, die vom Hersteller nicht überschritten werden darf, dennoch gilt: Gerade, wenn ein Produkt neu gekauft im Raum steht, ist die Ausdünstung erstmal groß. Ein hilfreiches Mittel der Wahl ist auch hier viel, viel Lüften, um vorrübergehend den Schadstoffanteil in der Luft zu verringern. Noch besser: Setzen Sie im Vorfeld auf ein Konzept mit möglichst natürlichen Werkstoffen, wie unbehandelten Hölzern, Putze aus Lehm oder Kalk sowie hochwertiger Keramik für Boden und Wand. Selbst für den Trockenbau gibt es heute ökologische, wohngesunde Alternativen, zum Beispiel Platten aus Lehm oder Holzfaser. Auch für Innenfarben und Lacke gilt: Sie sollten frei von Lösemitteln und Weichmachern sein. Damit lassen sich synthetische Dämpfe im Raum vermeiden. Achten Sie beim Kauf darauf, dass der Hersteller die Inhaltsstoffe voll deklariert. Für Sie als Überblick: Natürliche Wandfarben
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1 | AUS LEHM Mit einer Wohnraumverkleidung aus Lehmbauplatten setzen Sie auf einen umweltschonenden Baustoff aus Sand, Feinsand und feuchtigkeitsregulierendem Ton. Lehm bindet überschüssigen Wasserdampf sowie Geruchs- und Schadstoffe aus der Luft und sorgt so für gute klimatische Verhältnisse. BKM.Mannesmann/epr
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2 | IM BLICK Unab-
hängige Zertifi zierungen helfen, wohngesunde Produkte wie emissionsarme Wandfarben auf einen Blick zu erkennen. toom Baumarkt/djd AUF & ZU
Insgesamt 23 neue, fl ächenbündige EchtholzInnentüren verleihen dem alten Bauernhaus von Gerhard Obermüller ein modernes Aussehen, ohne dabei den urtümlichen Charme des in der Region Kitzbühel stehenden Gebäudes zu unterwandern. Rubner Türen
Fotos: Michael Liebert umfassen unter anderem Dispersionsfarben auf Naturharzbasis, Lehm-, Kalk- oder Silikatfarben. Selbst im Baumarkt werden Sie heute fündig.
AUGEN AUF BEIM KAUF
Es gibt einige Hersteller, die sich Nachhaltigkeit und den behutsamen Umgang mit Ressourcen der Natur zur Firmenphilosophie gemacht haben. So benutzt zum Beispiel das Südtiroler Unternehmen Rubner Türen für einen Großteil seiner Modelle die CO2-neutralen Rohstoffe Kork und Holz. Dabei kommen nur regionale Hölzer aus nachhaltiger Forstwirtschaft zum Einsatz. „Zudem sind unsere Türen aus Holz einfach und in hohem Maße recycelbar. Ein Umstand, der künftig immer wichtiger werden wird“, fasst Marketingleiter Matthias Willeit zusammen. Orientierung beim Gang durch die Möbelausstellungen geben Qualitätssiegel, wie etwa das „Goldene M“. Jochen Winning von der Deutsche Gütegemeinschaft Möbel (DGM) weiß: „Möbel, die mit diesem RAL-Gütezeichen gekennzeichnet sind, garantieren dem Nutzer nicht nur deren Langlebigkeit, sondern auch eine einwandfreie Funktionalität und überprüfte Sicherheit sowie Gesundheits- und Umweltverträglichkeit.“ Unabhängige Prüfl abore stellen die Einhaltung der Bestimmungen durch die Möbelhersteller sicher. Die Zertifi zierung ist freiwillig, wird aber mit dem „Goldenen M“ belohnt. Auch das Umweltlabel „FSC“ oder der „Blaue Engel“ sind eine gute Entscheidungshilfe beim Kauf. (fri)