FASTBIKE 0210

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special: grosser reifentest

service: motorsport-versicherungen

arz Schw on Spond

MAGAZIN FÜR technik · strasse · sport Juni–August 2010 4,90 €

Stark

emozione e passione:

moto guzzi mgs-01

Unterwegs mit Traumbikes:

MV Agusta F4 Aprilia RSV4

Endurance WM:

hölle

LE MANS isle of man 2010:

TT-Special!

familienfest:

die 1.000 km hockenheim

Grosser Reifentest

0210 E/GR € 6,30 CHF 9,30 € 4,90

Vier marken!

CLASSICS: L averda 886 SFR – As time goes bike

BIKE-Elektronik: CAN-Bus / Alles über GPS-Laptimer Fahrtest: GripOne Traktionskontrolle


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LAVERDA

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REIFENSPECIAL

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DIRK IN GEFAHR!

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DIE 24 H VON LE MANS

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DER BIKE-DOMPTEUR

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GUY MARTIN


inhalt 6 NEWS 10 TErmine

BIKES

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MOTO GUZZI MGS-01

44 moto guzzi mgs-01 76 laverda 886 sfr

racing 12 die 1.000 km hockenheim „Warum eigentlich?“

80 IDM: 1. Lauf eurospeedway lausitz Große Talente auf kleinen Bikes

TEchnik 32 rairotec – teil 2 40 alles über gps-laptimer Effektiver trainieren mit Hilfe aus dem All

50 can-bus in motorrädern 52 gripone traktionskontrolle Funktionstest mit 205 PS!

66 IKONE: Öhlins TTX 36

test: neue reifen 24 26 28 30

conti road attack 2 dunlop sportsmart metzeler sportec M5 pirelli diablo rosso corso

MENSCHEN

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TT-Special:

EXPEDITION

68 Guy martin, roadracer Der smarte Wolverine aus England

74 feature: psyche der tt-racer

CLASSICS 18 spondon kawasaki z1000 92 helden: elmar geulen

endurance wm

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56 schlaflos in le mans

1.000 KM

REPOrtage

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SPONDON KAWA

34 expedition nach dilettantien Unterwegs mit MV Agusta F4 und Aprilia RSV4

88 factory-report: daytona 86 11 96 98

sportversicherungen das arai/fastbike „tracktikum“ BAttle: bundy vs. piranha LEserbike

3 Impressum 97 FASTBIKE abonnieren leserumfragegewinnspiel: Alle Preise und alle Gewinner auf Seite 75!

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Report die 1.000 km hockenheim


osterfeuer am hocken Text Dieter Hamprecht | Bilder K.H. Kalkhake/Dieter Hamprecht

Der österliche Brauch will es so. Alljährlich ziehen redliche Aufzünder nach Hockenheim, um in gemeinsam den Winter in lodernden Brennräumen zu vertreiben. Jeder gibt was er kann, bei der Rennprozession der 1.000 km von Hockenheim.


Classics Spondon Z1000

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80erka Suzu Style

Schwarz. Text  Gary Inman | Bilder  Paul Bryant

Spartanisch.

Spondon.

Mit ihren unlackierten Ecken und Kanten reduziert die auf einen Spondon-Rahmen umgebaute Z1000 von Jon Keeling alle Elemente aufs Nötigste. Das Ergebnis ist ebenso klassisch wie futuristisch, elegant und spartanisch zugleich. Manchmal klappt nicht alles auf Anhieb. „Ein Kumpel von mir hat den Sitz mit ­Resten vom original Überzug bezogen, brauchte aber drei Anläufe dafür“, erklärt Jon Keeling in seiner Werkstatt. „Er ist normalerweise auf Polstermöbel für Luxusjachten spezialisiert und das Resultat sah aus wie der King&Queen-Sitz einer 70er Gold Wing. Das zweite Mal war auch nicht besser, fast wie ein samtiges Plüschkissen. Da meinte ich zu ihm, ,Alter, bequem ist kein Thema – ich will ein Stück Holz!’“ erinnert sich Jon. Jon Keeling weiß in Sachen Motorrad genau, was er will. So sehr, dass er seine solide Berufslaufbahn an den Nagel gehängt und mit einem alten Freund zusammen eine eigene Firma gegründet hat – Racefit. Racefit genießt in der Szene immer noch einen gewissen Kultstatus. Die britische Marke spezialisiert sich auf die Herstellung der leichtesten – und lautstärksten – Auspuff-Endtöpfe für moderne Sportmotorräder. Nach MotoGPVorbild verwendet Racefit ausschließlich qualitativ hochwertigstes Titan und wickelt alle Produktionsabläufe intern ab. Dank vorausschauender Investitionen in den Maschinenpark kann Racefit auch Spezialanfertigungen umsetzen und durchgängige Qualität garantieren. Sie fertigen auch spezielle KomplettanlagenEinzelstücke für eine Handvoll Edel-Tuner. Was Gewicht und Qualität ihrer Produkte angeht, sind sie geradezu besessen. Die beiden Gründer bringen über ein halbes Jahrhundert Erfahrung im Bau von EdelBikes mit. Phil kämpfte bereits mit einer Mr Turbo Z1000, als unsereins noch auf einer normalen 50er unterwegs war. Und Jon hat schon mehr Geld in reifenkauende Straßenrennmaschinen gesteckt, als er gerne zugeben

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möchte. Als Urgesteine der Bike-Szene wissen Phil und Jon auch, wie man als Firmeninhaber authentisch wirken kann und Signale setzt. Und was könnte besser in der Öffentlichkeit signalisieren, dass man sein Handwerk versteht und dem Sport verbunden ist, als der Umbau eines Vorzeige-Bikes wie der Z1000? Keine Frage: Die Jungs lieben Bikes. Nicht alle – nur die schnellsten. Jon beschreibt sein Bike in den folgenden Worten: „Ich wollte eine zeitgemäße Version eines 1980er Suzuka 8-Stunden Bikes fürs 21. Jahrhundert bauen.“ Und so hat er es gemacht:

RAHMEN

„Mit 16 Jahren saß ich eines Tages auf meiner RD50 vor dem hiesigen Suzuki-Laden, als so ein Typ auf einer Spondon Turbo GSX 1100 mit Stahlrahmen vorgefahren kam. Das war ein unglaubliches Bike, der totale Hammer! Von da an habe ich mir immer gewünscht, selbst mal ein Bike mit Spondon-Rahmen zu besitzen.“ Mehr als 25 Jahre später wurde der Traum zur Realität. Jon beschreibt Spondon als „total exotisch und typisch für unsere Gegend.“ Die Firma ist nach einem kleinen Ort in der Nähe von Donington Park (Jons Heimatstadt) be-

Wer ist Jon Keeling? Mitinhaber des britischen Edel-Auspuffhersteller Racefit. Lawson-Fan. 8-Stunden-Suzuka-Freak. Spondon-Liebhaber. Detailverrückter Maniac. www.racefit.co.uk


Report

traumtag

Text  Ralf Steinert | Bilder  Sven Vüllers, Julia Wallstab

Expedition nach Dilettantien. Es ist Mitte April, Sonnenstrahlen nach 200 Tagen Eiszeit – Zeit für eine erste Ausfahrt, die dem schlummernden Motorradvirus wieder Nahrung liefern soll. So ein Tag muss einfach legendär werden, dachten wir uns und dachten nach. Der Plan: Zwei Freunde fahren mit den aktuell schärfsten Serien-Sportbikes MV Agusta F4 und Aprilia RSV4 über gewundene Landstraßen zu einer fantastischen Rennstrecke, auf der noch keiner war. Genüssliches Aufzünden „entre nous“, dann Autobahn-Highspeeding zurück. Bier auf, glücklich sein. Doch durch mangelnde journalistische Sorgfalt und jeder Menge Pech wurde aus dem Traumtag ein Traumatag. Kollegen werden vielleicht über unsere verpatzte Story lachen, aber so ist es nun mal: auch wir von FASTBIKE sind nur einfache Arbeiter im Weinberg des Herrn. Geplante Abfahrt: 8:.00 Uhr am Mittwoch. Dienstagabend, 20:30 Uhr, Anruf von Jost: Sterbende, brüchige Stimme, rauschende Wasserspülung im Hintergrund. Der Kantinenfisch wahrscheinlich. „Vielleicht bin ich ja morgen früh wieder fit!“ Vergiss es, Alter. Nach unzähligen Telefonaten schwingt sich FASTBIKE-Redakteur Max um 23:15 Uhr ins Auto. In Schleiz. Ankunft in Düsseldorf: 3:00 Uhr morgens.

Mittwoch, 8:00 Uhr. Das Straßenverkehrsamt hat eine falsche Fahrgestellnummer in die Papiere des Kurzzeitkennzeichens eingetragen. Zu riskant, eine neue Tafel muss her. Verzögerung: 1,5 Stunden.

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Anlässlich solch eines Termins in verstürzter Alltags-Kombi erscheinen? No way. Der schicke neue ist noch nicht fertig, optimistischer Griff nach einem alten Anzug im hinteren Regal. Was ist mit mir passiert? Aggressive Mikroben müssen mich angefallen und mein Rumpfskelett in einen dicken Speckmantel gehüllt haben. Der Rückenprotektor bleibt erstmal über der Kombi, die Molekularstruktur meines Körpers wird sich hoffentlich zeitnah an den Ur-Zustand erinnern. Bei dem Gedanken an die Sitzposition auf der MV wird mir schlecht.


Planänderung. Erst Autobahn, später Landstraße. Wir werden erwartet im Hotel „Gräflicher Park“, wo man uns zu der im Bau befindlichen Rennstrecke „Bilster Berg“ geleiten wird. Wir sind aufgeregt – wir werden die Ersten sein! Wir werden den jungfräulichen Rennasphalt mit unserem Gummiabrieb markieren wie ein Rüde die Laternenpfähle seines Reviers!

Max ist trotz Schlafmangels allerbester Laune und freut sich mächtig auf den wilden Ritt auf dem italienischen V4-Reaktor. Er ist anscheinend schon länger dick.

Nach fünf Kilometern hat das enge Leder meine Hüfte und Kniegelenke paralysiert. Meine Atmung ist stark eingeschränkt. Ich beschließe, weiterzufahren bis der Sprit alle ist und dann einfach umzufallen. Die Maße der Hebeleien passen für Italienerfüßchen in schmalen Dainese-Stiefeln, nicht aber zu deutschen 45er Daytonas. Das Herumfädeln des Fußes um den Schalthebel gestaltet sich ungefähr so, als würde man eine SMS mit dem dicken Zeh tippen wollen.

Spüre meine Gliedmaßen wieder. Na also. Der hart-nagelnde Motorsound der MV steigert den Blutdruck in meinen Adern. Die A 44 ist leer, ich nicke Max zu: Stabilitätstest bei Höchstdrehzahl im großen Gang. Die MV kreischt metallisch-schaurig-schön aus der Airbox, die RSV4 neben mir brüllt infernalisch auf. Als ich irgendwann wieder höchstbefriedigt das Gas zudrehe, ist Max verschwunden.

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TECHNIK GPS-LAPTIMER

Was gibt‘s hier zu sehen? Die rot-blaue Linie stellt Deine Brems- und Beschleunigungsphasen dar, die grüne „Krümelspur“ ist Deine aus Kurvenspeed und Kurvenradius errechnete Querbeschleunigung.

NAVIGATION ZU BESSEREN RUNDENZEITEN 40

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Text und Bilder bufonto

„Wo die Box ist, kann ich Dir zeigen“, musste ich mir damals anhören, als ich mit einem Garmin-III+ auf den Kringel ging, um mit Hilfe von Excel später die Rundenzeiten zu ermitteln. Nun, fast zehn Jahre danach, wird der GPS-Receiver zum Standard am Track. Weil Renntrainings aus versicherungstechnischen Gründen nicht dem Erzielen von Höchstgeschwindigkeiten dienen, unterbleiben offizielle Zeitnahmen. Schade, denn objektives Feedback fördert den Trainingseffekt ungemein. Es gibt Abhilfen: Nach jeder Runde an Start/Ziel das Knöpfchen drücken, Kumpels messen lassen oder Infrarotsender aufbauen und den eigenen Transponder einklicken. Nachteil: Der Primitiv-Laptimer lenkt ab und ist ungenau, die Kumpels verpennen mal ’ne Runde oder liefern zweifelhafte Ergebnisse, der Infrarotempfänger hakt, der Sender wird bei der Abreise gerne vergessen oder hat anderen gefallen. Die Lösung: Autark messen! Zusatznutzen: Sofortige Zeitkontrolle und spätere Zeitanalyse. Einer der Anbieter auf dem Markt der GPS-basierten Laptimer ist Andreas Engel von Starlane Deutschland (www.Starlane24.de), den wir in der Nähe von Berlin besuchten und der uns freundlich und mit fundiertem Wissen in die Theorie dieser Geräte einführte.

Was ist GPS? Kurz zu den Basics: Im Prinzip misst ein GPS-Gerät die Signallaufzeiten von mindestens vier GPS-Satelliten zum Empfänger. Der weiß, in welcher Entfernung sich die Satelliten befinden, und kann durch trigonometrische Berechnungen seine Position unter günstigen Umständen auf ca. 3 m genau bestimmen. Durch Mittlung sind wesentlich bessere Werte möglich. Ob es nun eine Cruise Missile, ein Straßennavi, High-Tech-Traktor oder GPS-Laptimer ist – alle müssen mit den drei Werten Längen- und Breitenkoordinate und genaue Uhrzeit des Ermittlungszeitpunkts auskommen. Was sie dann aus diesen drei Werten machen, das unterscheidet sie: Wo die Taliban-Höhle war, wo genau in Ledenon Dein Hänger samt Moped geklaut wurde, welche Ackerfurche als nächste dran ist oder welches Deine maximal mögliche Querbeschleunigung war, weil Du sie gerade überschritten hast.

Was macht der GPS-Laptimer? Er soll die eigenen Rundenzeiten anzeigen. Und das möglichst genau. Ein Auto- oder Outdoor-Navi misst im Allgemeinen jede Sekunde die Position. Auf der Karte hüpft die

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eigene Position aber nicht im sekündlichen Takt, sondern die Darstellung wird verflüssigt, indem mit der bekannten Geschwindigkeit einfach weitergerechnet wird. Es wird also interpoliert – die nicht gemessene Position wird aufgrund der vorherigen Messungen bestimmt. Genau so macht es auch der GPS-Laptimer. Er misst sogar 5mal pro Sekunde. Die Genauigkeit steigt, reicht aber noch nicht für drei Nachkommastellen hinter der Sekunde für die gesamte Rundenzeit. Deshalb wird auch hier interpoliert.

Genauigkeit Ein Beispiel: Die Entfernung von Position 1 zu Position 2 wird berechnet, dazwischen liegen genau 0,2 Sekunden – die Messfrequenz. Bei 10 m Differenz sind es also 180 km/h. Zwischen Position 2 und Position 3 liegt die Ziellinien-Position, sagen wir 2,5 m hinter Position 2. Aufgrund der Geschwindigkeit der letzten Fünftelsekunde kann also per Dreisatz berechnet werden, dass zu der an Position 2 gemessenen Zeit 25 % der Zeitdifferenz zwischen 2 und 3 addiert werden. Schon haben wir einen wesentlich genaueren Wert, als es die Messfrequenz vermuten lässt. Genau wie der Ziel-Zeitpunkt wird der Start-Zeitpunkt berechnet. Intern wird auch noch berücksichtigt, ob und wie zuletzt beschleunigt oder gebremst wurde, um damit die Geschwindigkeit im letzten Abschnitt hochzurechnen. Jetzt könnte eingeworfen werden, dass die Ziellinie ja nur eine Koordinate sei, die nicht genau getroffen wird. Falsch! Die Gerätesoftware zieht eine imaginäre Linie rechtwinklig zum Fahrkurs, die Start/Ziellinie ist also keine eindimensionale Position, sondern eine rechtwinklig zur Piste verlaufende Strecke, die genau durch die einmal irgendwo auf der echten Ziellinie eingemessene Koordinate verläuft. Und die Messungenauigkeit des GPS? Die ist relativ, denn die auf den Zentimeter ungenau gemessene Position hat die gleiche Abweichung wie die zuvor gemessene. Im Verlauf einer Runde ist es unwahrscheinlich, dass die virtuelle Ziellinie wesentlich „wandert“. Vergleiche mit offiziellen Transponder-Messsystemen zeigen, dass hier nur ein sehr geringer Unterschied besteht. Welches der beiden Systeme knapp daneben liegt, wäre noch zu beweisen.


Bikes

EMOzIONE e PASSIONE moto Guzzi mgs-01

2006 Daytona Speedweek, Battle of Twins: Gianfranco Guareschis fulminanter Sieg auf Moto Guzzi MGS-01. Ein Jahr später gelingt ihm die Wiederholung dieses großen Erfolgs für die Marke.

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Die Geschichte der MOTO GUZZI MGS-01 Corsa Text Ansgar Schauerte | Bilder Moto Guzzi, Ansgar Schauerte

2000 Frühe Studie aus Guiseppe Ghezzis Feder: Erstaunlich nah am späteren Serienmotorrad.

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talien, das Land der Mode, schöner Frauen und einzigartiger Motorräder. In Italien wird ein Motorrad nicht einfach gebaut. Es ist eher wie großartige Liebe, Lust, Leidenschaft und Hingabe gehören dazu. Deshalb gibt es zu den besonderen italienischen Motorrädern auch oft eine Geschichte. Eine Art Storybook über das Wie, Wo und Warum sie entstanden sind, und ganz wichtig, wer an ihrer Entwicklung beteiligt war. Schon das macht italienische Motorräder so besonders und liebenswert. Die Story der Moto Guzzi MGS-01 Corsa erzählt von Menschen, deren Träumen und Ideen. Wie der Anblick der Sophia Loren den Puls verschiedenster Generationen Männer zu Höchstleistung anregt, zog die Moto Guzzi MGS-01 das Publikum 2002 auf der Intermot in ihren Bann. Sie war der Magnet der Messe. Der mächtige 90°-V2-Motor reckte seine monumentalen Zylinder ins Freie – sie war unverwechselbar eine Moto Guzzi. Knapp 120 Exemplare wurden bisher gebaut und weltweit verkauft. Die MGS-01 Corsa ist ein Motorrad, wie es italienischer kaum geht, nicht am Computer entstanden, kein Retortenbaby. Im April 2000 übernahm Ivano Beggio, der rennsportbesessene Aprilia-Inhaber, Moto Guzzi. Engagiert wie kein Zweiter stellte sich Beggio hinter seine neue Marke. Beim Raduno in Mandello, dem Fest der Guzzisti, genoss er das Bad in der Menge. Feierte mit den Fans und freute sich wie ein Kind über sein Lieblingsspielzeug. Derweil saß Frau Beggio im Park. In ein Buch vertieft, sehnte sie sich wohl das Ende der Veranstaltung herbei und wartete auf ihren ganz normalen Ivano, den Unternehmer aus dem Veneto. Beggio wollte das sportive Guzzi-Herz wieder

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Report die 24 STunden von le mans

Text Clemens Gleich | Bilder Aurelien Meunier, Clemens Gleich

Schlaflos in Le Mans 24h FASTBIKE begleitet das deutsche Privatteam RMT 21 bei den 24 Stunden von Le Mans. Viel Wahnsinn, wenig Schlaf.



Report die 24 STunden von le mans

Der berühmte Le-Mans-Start: Die Fahrer starten in einer Sprinterposition von der anderen Seite der Zielgeraden zu ihren Maschinen. Aufsitzen, starten, GAAS!

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ie 24 Stunden von Le Mans. Warum? „Tja, weiß nicht. Vielleicht bin ich einfach verrückt.“ „Hm, keine Ahnung. Man muss schon einen an der Klatsche haben, glaube ich.“ „Wahrscheinlich ein Nagel im Kopf.“ „Keine Ahnung. Weil ich mich finanziell ruinieren will vielleicht.“ Diese Antworten auf mein Warum sind O-Ton von der Strecke. Die 24 Heures Du Mans, das vielleicht breitenwirksam bekannteste Langstreckenrennen Europas, sind tatsächlich eine Übung in ausdauerndem Wahnsinn. Wenn jemals jemand einen Beleg dafür haben will, dass ich für irgendeine Unternehmung geistesgestört genug bin, zeig‘ ich ihm meine Passierkarte für Le Mans, die ich aufbewahre wie eine Trophäe. Denn ich wollte drei Dinge auf einmal tun: Erstens Fotos machen und machen lassen, zweitens alles mitkriegen und Artikel schreiben und drittens wollte ich trotz allem mitmachen.

torrad und vier um einen liebevoll zusammengestellten Bierkühlschrank. Perfekt. Thomas Roth hatte empfohlen, sich schon am Donnerstag an die Rennstrecke zu stellen und dort zu übernachten statt in einem Hotel, denn „du kommst sonst nicht mehr rein“. Das Rennen beginnt Samstag. Also errichtete ich Donnerstagabend mein Unterwegsbüro nebst Schlafplatz in einem Wohnmobil auf einem der Gästeparkplätze. Es war ganz gut, auf Thomas zu hören, weil ich schon am nächsten Tag über ein Rolltor kraxeln musste, um überhaupt zu meinem WoMo zu kommen. Der Franzose an sich ist ja mit Gusto arrogant, und wenn er dann an einer Zugangskontrolle Leute an einen Eingang am anderen Ende des Geländes schicken kann, geht er in dieser Rolle glückselig auf.

Das geht dann so: Ralf: „Le Mans?“ Clemens: „Okay. Besorg mir ein Team, das ich begleiten kann. Ein nettes. Bei Suzuki Alstare musste ich in der Ecke sitzen und durfte nicht sprechen.“ Ralf: „Frag Thomas Roth von RMT 21. Die sind nett.“ Clemens: „Hört sich gut an. Machen wir‘s so.“

„Du hast das freie Training verpasst“, begrüßt mich Thomas in der Box. Die Box hat mich überrascht, weil ich wie gesagt von so einem Garagen­ team ausging: Plastikfußboden in Teamfarben verlegt, saubere Raumtrenner im RMT-Design, aufgeräumte, ausführlich beschriftete Werkzeugschränke an der Wand, zwei Renn-Hondas, denen als einziges originales Teil der Rahmen verblieben ist. Das freie Training kann man ruhig verpassen, wenn man wie ich ein Pressezentrum hat, das einem sowas aufbereitet: die RMT-Honda ist auf der Zielgerade das beim Topspeed drittschnellste Motorrad und die schnellste Honda. Respekt. Doch kein Garagenteam. Das erste Qualifying ist da nur Formsache. Als ich irgendwann abends um neun ins Küchenzelt komme, gibt mir die freundliche

RMT steht für „Roth Motorrad Team“, die 21 ist die Startnummer und ich kannte das Team vorher nicht. In meiner Vorstellung standen da drei Leute um ein liebevoll, aber notdürftig zusammengenageltes Rennmo-

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-45 h


Im Getümmel der ersten Kurven ist nur eines wichtig: ja nichts kaputtmachen. Es sind noch 24 Stunden übrig, in denen alles passieren kann und alles passiert.

Frau dort Lasagne, Ohrstöpsel für die Nacht und den Spruch: „Mich interessiert das alles nicht, für mich ist das alles einfach laut und dreckig. Ich bin nur Küchenschabe, fertig.“ Das ist nicht die ganze Wahrheit, denn auch sie ist verrückt. Außer der Küche macht sie noch Zeitnahme, sie springt bei Besorgungen und wer behauptet, dass ein Essenszelt als Anlaufstelle unwichtig ist, hat noch nie den glückseligen Moment erlebt, wenn man nach einer harten Arbeitsschicht da rein kommen kann wie zu Mutti und sein Fresschen kriegt. Sowas ist Gold wert für die Teammoral. Obwohl in dieser Nacht nicht viel auf der Strecke gefahren wird (nur das Nachttraining), ist der Lärmpegel rings um die Strecke enorm. Le Mans liegt in einer dieser strukturschwachen Regionen, die gerade jemand mit den harten Worten „toter als Brandenburg“ beschreibt. Toter als Brandenburg! In Brandenburg gibt es wieder Wölfe, die nachts um die Häuser der letzten verbliebenen Einwohner schleichen, um betrunkene Kneipenheimkehrer zu zerfleischen. Eine Großveranstaltung wie das 24-Stunden-Rennen ist daher ein Muss für alle, die zwei Räder haben. Einige Franzosen basteln das ganze Jahr an ihrem Le-Mans-Krad. Das sieht dann so aus: ein robuster japanischer Reihenvierer wird gestrippt und mit selbstgebastelten riesigen Trichtern hinten versehen. Die sind dazu da, dass sich unverbrannter Sprit darin sammelt, der dann in einem Schiebepatschen wie ein Gewehrschuss verpufft. Einige spritzen dann noch andere brennbare Flüssigkeiten ein, damit es noch lauter ist. Mit diesen Geräten stellen sie sich dann auf den Camping-Platz und einer dieser Irren patscht dann locker so fünf Stunden durch. Die Ausdauer ist unglaublich. Die Anzahl der Irren auch. Die ständige Hintergrundmusik von Le Mans geht so: *Wrreeennn!* *Paf!* *Wrreeennn!* *Paf!* *Wrree-

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ennn!* *Paf!* *Wrreeennn!* *Paf!* Sie sind irre, aber ihre Hingabe macht sie schon wieder sympathisch.

-33,5 h Um halb sechs in der Früh wird es ruhig. Wache irritiert auf. Um sechs in der Früh wird es wieder laut. Frühstück zum Beat des Auspuffpatschens. Unangenehme SMS eines Auftraggebers. Die Arbeit stapelt sich in Form von Textnachrichten und das Rennen hat noch nichtmal angefangen. Um vor der einen Art Arbeit zu flüchten, suche ich mir eine andere: „Thomas, ich will mitmachen. Was gibt‘s zu tun?“ Das freut den Teamchef, denn es gibt immer Handlangertätigkeiten. An der Wand der Box hängt ein Dia­ gramm, auf dem Namen in konzentrischen Kreisen ums Motorrad eingetragen wurden. Nur vier Leute dürfen direkt am Motorrad arbeiten. Damit diese vier maximal effizient sind, steht außenrum ein Kreis von Helfern, die Räder entgegennehmen oder frisch bereifte bringen, Werkzeug anreichen, beim Tanken den Feuerlöscher halten und bedienen können. Die Boxencrew hat heute erst im zweiten Qualifying, dann in der Superpole strammzustehen. Außerdem muss die Zeit genommen und dem Fahrer auf der TeamTafel gezeigt werden, wenn er die Zielgerade runterschießt. Die offiziel­le Zeitnahme passiert per Transponder, ihre Werte überträgt das Strecken­ fernsehen. Es ist jedoch üblich, selbst eine zweite Zeit zu nehmen. Viele Teams verwenden dazu eines dieser im Rennsport handelsüblichen LapTimer-Systeme, die beim Vorbeifahren zum Beispiel über Infrarot das


Report IDM-auftakt eurospeedway

Wieso fährt das auf einmal so ruhig? Pascal Eckhardt räumte vor seinem Alleinflug noch SKM-Kollegen Christian Kellner ab. Trost für das Team: Der lachende Dritte, SKM-Pilot Jesco Günther, rettete sich aus der Schlacht und fuhr aufs Podium.

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sonntagsabflug Text Ralf Steinert | Bilder K.-H. Kalkhake, Ralf Steinert

Am letzten April­wochenende fand der erste IDM-Lauf 2010 am Eurospeedway Lausitz statt. Viele der schnellen Stars konnten ihren alten Platz einnehmen, einige wurden um­besetzt, manche flogen raus, eine Menge kamen dazu. Ein paar Impressionen...

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Menschen Guy Martin


„If I kill myself, so what?“ Ende Mai geht sie wieder los, die Tourist Trophy auf der Isle of Man. FASTBIKE stellt einen der aktuellen TT-Helden vor: Guy Martin, den smarten Wolverine aus England, leicht irre wie alle TT-Rider und trotzdem boden­ständig wie eine Stehlampe. Text  Gary Inman | Bilder  Stephen Davison

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olche Sprüche höre ich nicht oft bei meinen Interviews mit Motorradrennfahrern. Ich weiß also immer noch ganz genau, wer so etwas gesagt hat. Und wann. Bei diesem Spruch war es kein anderer als Road-Racing-Profi Guy Martin im Jahr 2006. Seit dem ­Interview sind wir enge Freunde geworden. Ich habe Guy begleitet und ihn auf den gefährlichsten Strecken der Welt Rennen fahren und auf die Schnauze fallen gesehen. Mit seinen gerade mal 28 Jahren ist Guy weltweit vielleicht eine der letzten individuellen Persönlichkeiten im professionellen Rennzirkus. Warum sonst sollte FastBike dem jungen Engländer in dieser Ausgabe ganze vier Seiten widmen, zumal er kaum außerhalb Großbritanniens an den Start geht? Er war 2009 einer von zwei auserwählten Fahrern im Mittelpunkt der internationalen Werbekampagne von Dainese, zusammen mit Valentino Rossi. Als Mehrfach-Weltmeister Rossi im letzten Jahr die Isle of Man Tourist-Trophy (TT) besuchte, überreichte er während der Siegerehrung den Superbike Pokal zwar John McGuinness. Aber so richtig ins angeregte Fachsimpeln über Beschleunigung, Technik, Kurvenlagen und Vorbereitung kam er mit dem Drittplatzierten auf dem Podium – Guy Martin. Kleiner Ausraster, große Folgen Verglichen mit Rossi ist der Brite natürlich eine Randerscheinung. Eine Randerscheinung mit Kultstatus. Guy sammelte die nötige Erfahrung für die TT auf Strecken wie Donington und Brands Hatch. In der Juniorklasse arbeitete er sich in der britischen Junior-Supersport-Liga bis an die Spitze. Die Schnauze voll hatte er jedoch im Jahr 2002, als er – seiner Meinung nach zu Unrecht – disqualifiziert wurde. Das Nachgespräch mit der Rennleitung endete damit, dass Guy dem Schriftführer (heute der Hauptdrahtzieher der British Superbike Series) den Laptopdeckel auf die Finger knallte. Das reichte für eine Vollsperre seitens des britischen Motor­ radrennverbands, der ACU. Aus, Ende – seine Rennkarriere schien vorbei. Jedenfalls in Großbritannien. Damals war Guy noch nicht mal 20 Jahre alt. Und damals wie heute hatte er nur Rennen im Kopf. Bevor seine Rennlizenz eingezogen wurde, durfte er noch bei einem letzten Rennen in Oliver’s Mount in der nordenglischen Küstenstadt Scarborough antreten. Berufspilot auf irischen Landstraßen Oliver’s Mount ist wohl die einzige britische Strecke, die einem „echten“ Straßenrennen das Wasser reichen kann. Gefahren wird auf einer sehr

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schmalen öffentlichen Straße mit engen Kurven und unübersichtlichen Windungen. Alle sind schon dort angetreten: Duke, Sheene, sogar Wayne Gardner. Bei jedem Rennen sind Scharen von Schaulustigen vor Ort, und das üppige Preisgeld lockt viele hochkarätige Fahrer an den Start. „Da ist sogar mein Vater schon Rennen gefahren“, erzählt Guy. „Ich wurde auf meiner GSX-R600 damals Zweiter und so ein Typ von einem irischen Motorradmagazin meinte: ‚Warum kommst Du nicht zu uns nach Irland?’ Das habe ich dann auch gemacht und direkt beim ersten Trip auf die Insel zwei Rennen in Kells gewonnen und 1.500 Euro Preisgeld abgestaubt. Mein Bruder, mein Kumpel und ich haben bis zwei Uhr morgens Guinness gesoffen und ich habe mir nur gedacht, ‚Genau das ist es!’“ „Mit einem Mal hatte ich wieder Spaß am Rennen fahren“, sagt Guy weiter. „Nach zwei Jahren Britische Meisterschaften war ich ziemlich ausgebrannt. Ich machte mir zwar vor, dass es mir Spaß machte – aber das war reine Selbsttäuschung. Ich konnte mir nur nichts anderes vorstellen. Und dann entdeckte ich den Ausweg: Rennen auf irischen Landstraßen fahren und 1.500 Euro verdienen. Für was genau? Ein paar ­Rennen über jeweils zehn Runden? Noch dazu fiel es mir leicht.“ Leicht? Kells gilt selbst für irische Verhältnisse als knochenharte Strecke. Im Gegensatz zur Isle of Man TT wird bei irischen Rennen per Massenstart mit 40 Fahrern losgefahren. Und die Strecken sind noch dazu so schlecht gepflastert, so eng und gefährlich, dass die Isle of Man im Vergleich wie Assen aussieht. Auf der Strecke von Kells fliegen Superbikes bei Sprüngen bis zu zwei Meter hoch durch die Luft, und zehn bis 20 Meter weit! Krank, das Ganze – aber Guy ist da voll in seinem Element. „Es gab schon hier und da Momente im Rennen, wo ich gedacht habe, ‚Jetzt ist alles vorbei’“, beschreibt Guy seine Beinahe-Todeserfahrungen. „Aber wenn man das unbeschadet übersteht, ist das Gefühl ­danach unbeschreiblich. Ein unglaubliches Hochgefühl, ein Rausch, dem ich ständig aufs Neue hinterherjage.“ In den Jahren, seit denen Guy bei echten Straßenrennen an den Start geht, haben einige seiner Kollegen auf der Rennstrecke ihr Leben ge­ lassen, darunter Richard Britton, David Jefferies, Robert Dunlop, Darren Lindsay, Martin Finnegan … Einige dieser Fahrer gehörten zu Guys engstem Freundeskreis. Aber für Guy sind die Risiken mehr als nur ein notwendiges Übel, das er in Kauf nimmt. Darauf angesprochen, warum er sich den Gefahren der TT aussetzt, meint er unerwartet: „Genau weil es gefährlich ist“, grinst er. „Für mich ist das die volle Dröhnung. Vielen


Factory report Daytona

Boot

camp

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Text und Bilder Dieter Hamprecht

Auf drei Dinge sind Bayern besonders stolz: Weißwürste, Bier und Daytona-Motorradstiefel. Seit 37 Jahren besohlen die Gebrüder Frey aus Eggenfelden flinke Motorradfahrer-Füßchen auf höchstem Niveau. Da wird es langsam Zeit, sich mal im Hause Daytona umzuschauen.

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ie Marke Daytona muss man Motorradfahrern eigentlich nicht erklären. Sportstiefel wie Security Evo stehen Weihnachten sowieso ganz oben auf dem Wunschzettel. Der Erfolg von Daytona kommt aber sicher nicht von geschickten Marketingstrategien, sondern – ganz urbayrisch – vom eigenen Anspruch an höchste Qualität. Man bürgt mit seinem Namen. Statt witziger Werbeslogans zu erfinden, investieren die Gebrüder Frey lieber in zufriedene Kunden und gewinnen nebenbei seit Jahrzehnten jeden Stiefeltest. Kuscheln mit Journalisten haben die Niederbayern also nicht nötig, das wird mir bei der Begrüßung durch Reinhard Frey schnell klar. „Grüß Gott, also – eigentlich hob i wenig Zeit, was möchten’s denn wissen?“ Vor meinem inneren Auge werden gerade die sonst üblichen Empfangsrituale wie Kaffee, Snacks und Schnittchen gestrichen.

„Des mach ma ois selbst“

Erste Station der Express-Besichtigung ist die KunststoffFertigung. Ich bin verblüfft: vom Zehenschleifer bis zur Schalthebelverstärkung wird hier jedes Kunststoffteil in ­Eigenregie gefertigt. Einzig Reißverschlüsse und Gummisohlen werden bei Daytona zugekauft „Ja – des mach ma ois selbst, da wissen wir, dass ois passt“, kommentiert Herr Frey meine stille Anerkennung. Besonders stolz präsentiert man die Herstellung der Innensohle, welche bei vielen Herstellern lediglich aus Pappe besteht. Für Schuhmacher Frey ist das Bauteil das tragende Element eines Stiefels. Deshalb ver­ bindet man im Spritzgussverfahren Stahleinlage und Textilmischgewebe zu einer stabilen Kunststoffschale. „Das ­kostet richtig Geld, aber nur durch die Gummisohle lässt sich seitlichen Kräften beim Sturz zu wenig entgegensetzten.“

Welcher Hersteller repariert denn heute noch einen MotorradStiefel nach einem Sturz?

Im Spritzgussverfahren verbindet diese Maschine Stahleinlage, Filz und Fersenschale zu einem stabilen Innenschuh. Die Basis für jeden Daytona-Stiefel.

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Helden Elmar Geulen

Isle of Man, TT 1984: Wie eine Transall C-160 beim Landeanflug auf Ballaugh Bridge.

der kraftraddompteur Profi-Racer mit Ambitionen im Boxen und Kraftsport, studierter Ökonom und selbständiger Unternehmer, braungebrannter Macho mit goldenem Herz, aktiver Journalist. Elmar Geulen ist ein Typ, der in keine Schublade passt.

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Fischereihafenrennen: Elmar und seine Hayabusa bemalen den Bremerhavener Asphalt.

Text Michael Busch | Bilder Privatarchiv E. Geulen, M. Mothes (1)

Rein motorsportlich gesehen kommt der Sohn aus gutem Hause buchstäblich aus dem Dreck: Seine Karriere begann im Motocross, wo er sich ebenso erfolgreich im Seitenwagen festkrallte, wie er sich als Solo­ fahrer jeden noch so kritischen Hügel vorknöpfte. Vier DM-Titel sowie 1981 Rang 5 in der Europameisterschaft krönen seine Bilanz im Grobstollensport. Dann ergab er sich seiner wirklichen Leidenschaft und wechselte 1983 zum Straßenrennen. Als erstes Rennen in der neuen Disziplin hatte sich Elmar nichts Geringeres als das Bremerhavener Fischereihafenrennen ausgesucht. Was vom Namen her so romantisch-kleinbürgerlich daherkommt, ist eine der letzten echten Herausforderungen, die es im deutschen Motorradrennsport gibt. Hier verwandeln sich für ein Pfingstwochenende die engen Industriestraßen des ehrwürdigen Fischereihafens in eine Rennstrecke. Als die Veranstaltung 1952 erstmals stattfand, war freilich alles noch ein wenig rustikaler. „Heringstopf-Glitsche“ nannten die Fahrer die Piste, die von den freiwilligen Helfern mit ca. 1.500 Fisch­ kisten abgesperrt wurde. Der Kurs ist verdammt eng, und wer hier schnell fahren will, muss Rückgrat haben. Elmar gewann diese doppelte Rennpremiere nicht nur, er fuhr sich mit seinem furiosen Fahrstil auch sofort in die Herzen des äußerst sachverständigen Bremerhavener Publikums. Wheelies verboten! – so lautete die klare Ansage der Rennleitung. Doch als der frischgebackene Shootingstar merkte, dass er in Führung lag, gab er seinem Bike auf der Zielgeraden ordentlich die Sporen. Im Publikum wurde spontan eine Geldsammlung organisiert, und in klingender Münze (über 400 Mark) zollten die Zuschauer nach dem Rennen ihrem neuen Hero die verdiente Anerkennung. Elmar schaffte in nur einer Saison den Sprung vom B-Lizenz-Fahrer zur internationalen A/I-Lizenz. Dann tauchte sein Name überall dort auf, wo deutsche Motorradrennfahrer vorn mitmischten. Bereits 1984 wird er bei den „24 Stunden von Le Mans“ bester Privatfahrer; sein Team fährt auf Rang 4 in der Gesamtwertung. Heute reicht das Pokalzimmer nicht mehr aus, um allen Trophäen Platz zu bieten, die sich im Laufe von drei Jahrzehnten Motorradsport angesammelt haben. „Der halbe Dachboden ist auch schon voll“, schmunzelt Elmar und holt mir ein eiskaltes Weizenbier aus der Küche. „Hefetrüb, mit Zitrone. Nach einem anstrengenden Tag gibt es nichts Schöneres.“ Die Titelseite des irischen Magazins „The Leader“, hängt eingerahmt an der Wand. Zwei Fotos zieren sie – Ort der Handlung: Northwest 200 in Irland, eines der weltweit schnellsten Motorradrennen. Das obere Bild zeigt Rennlegende Joey Dunlop, der das Rennen in diesem Jahr sowohl in der 250er als auch in der Superbike-Kategorie gewonnen hatte. „Das zweite Titelbild ist ungewöhnlich und hat mich damals sehr stolz gemacht“, erzählt Elmar. „Normalerweise gibt es nur ein Titelbild – das vom Sieger, und auch nur dann wenn er ein Ire ist. Im Rennjahr 1985 hat man eine Ausnahme gemacht und ein zusätzliches Titelfoto gebracht, das mich in einem satten Wheelie zeigt. Tatsächlich war ich dem Publikum selbst auf den Bergaufstücken derartig auf dem Hinterrad

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Kriegte nie genug: Elmar startete 1984 bei der DM in Speyer mit Suzuki 500 und auf Kraft-Honda bei den Superbikes.

um die Ohren gefahren, dass jedes Mal, wenn ich vorbeikam eine regelrechte Hysterie ausbrach.“ Wenn Elmar Geulen von den Renneinsätzen zur „Northwest 200“ erzählt, bekommen seine Augen einen schwärmerischen Ausdruck. „Die besten Motorradfahrer der Welt zu treffen und mit ihnen wie in einer großen Familie die Herausforderungen der härtesten Rennen zu teilen – das war schon was! Joey Dunlop, Steve Parrish, Trevor Nation, aber auch der Deutsche Klaus Klein – sie alle waren meine Helden. Und ich durfte mit ihnen fahren, schwitzen, lachen und feiern“.

„Blinding time“ als Startvorbereitung

Eine regelrechte Freundschaft verband den Draufgänger aus Euskirchen mit Roger Marshall, dem mehrfachen britischen Champion und GP-Fahrer. Dabei kamen auch die Partys nicht zu kurz – „blinding time“. Am Vorabend des trainingsfreien Tages brach beispielsweise die ganze Renntruppe zum gemeinsamen Besuch der ältesten (noch produzierenden) irischen Whiskeydestillerie „Old Bushmills“ auf. Elmar reibt sich mit unmissverständlicher Geste den Hinterkopf, als könne er den Kopfschmerz noch heute spüren: „Da wurde auch bei der Verkostung richtig Gas gegeben. Whiskey in allen vorstellbaren Darreichungsformen, mit Tee, mit Wasser, ohne Wasser – und alles musste probiert werden.“ Zu den größten Herausforderungen in Elmars Karriere zählen unbedingt auch seine 11 Starts bei der „Isle of Man TT“. Er nahm von 1984 bis 1987 jedes Jahr in verschiedenen Kategorien an diesem zu Recht


Unplugged: 4,90â‚Ź


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