HELDEN
PETER RUBATTO
Superbike-WM Hockenheim, 1989: „For my mate Peter! Flyin‘ Fred Merkel“
Text Ralf Steinert | Bilder Archiv P. Rubatto
PETER RUBATTO – DEUTSCHLANDS BOTSCHAFTER DES MOTORRADSPORTS „THE GERMAN RACER“ FUHR GEGEN DIE MOTORRADLEGENDEN DIESER WELT. 88
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In den 80er und 90er Jahren gab es wohl wenige große MotorradRennveranstaltungen, wo sein Name nicht auf der Starterliste auftauchte: Peter Rubatto, der Mann, dessen Name man kaum aussprechen kann, ohne unwillkürlich ein „Mister Superbike“ anzufügen. Ein fast pawlowscher Reflex, der einen sonst nur selten in Verbindung mit Rennfahrernamen überfällt. Selbst bei Valentino Rossi kann man sich ohne weiteres das „the Doctor“ verkneifen, ohne das ein Gefühl übrig bleibt, als hätte man gerade einen Halbsatz ausgesprochen. Erfunden hat diesen klangvollen Namen angeblich der Stuttgarter Motorradjournalist Robert „Robbi“ Kauder – fragen kann man ihn leider nicht mehr: Kauder verstarb 2007
nach langer Krankheit. So eingängig Rubattos Pseudonym auch ist, birgt er gleichzeitig auch eine Problematik in sich: Das Jubelpublikum der 80er Jahre ist weitestgehend verschwunden, geblieben ist die Rennszene, die traditionell solchem Personenkult kritisch gegenübersteht. Dabei hat Peter Rubatto diesen Kriegs namen durchaus verdient und ich persönlich würde noch einen Titel hinzufügen, der allerdings ein bisschen sperriger ist. Für mich ist Rubatto der deutsche Botschafter des Motorradrennsports. Um auf die eingangs genannten Starterlisten zurückzukommen: Diverse Starts und Pole-Positions bei der TT auf der Isle of Man, Ulster GP, neunmal Macau, Daytona, Suzuka, Thailand, Europa annähernd komplett, Deutschland sowieso. Rubatto ist DM gefahren, EM, Superbike WM, Endurancerennen, die berüchtigsten Roadraces und Stadtkurse. Er hat an vorderster Position
Mit Kevin Schwantz 1988 beim Macau GP. Schwantz gewann, Rubatto finishte dicht dahinter an zweiter Stelle.
gegen internationale Cracks wie Doug Polen, Fred Merkel, Joey Dunlop, Davide Tardozzi, Steve Hislop, Wayne Gardner und Kevin Schwantz gefighted und den ein oder anderen Superstar entsetzlich hergebrannt. Rubatto hält den ewigen Rundenrekord auf dem alten Sachsenring. Dass „the German“ nicht in einem Atemzug mit den legendären Weltstars genannt wird, hat im Prinzip zwei Gründe – der erste ist tragisch. Wie Noriyuki Haga ist Peter Rubatto ab der Mitte der 80er Jahre der ewige Zweite gewesen. Beispiel Macau GP: Rubatto liebte diesen enorm schwierigen und riskanten Stadtkurs und stand sagenhafte neun mal in der Startaufstellung. Er fuhr
mehrmals auf Pole, ein GP-Sieg aber blieb ihm verwehrt. Unvergessen das Herzschlag-Finale gegen Steve Hislop, bei dem der schnelle Schotte den lange in Führung liegenden Rubatto um Haaresbreite um den sicher geglaubten Sieg brachte. Manchmal blieb ihm auch durch die schlichte Dummheit anderer die Champagnerdusche verwehrt, wie zum Beispiel bei einem Finallauf gegen Konkurrent Ernst Gschwender: Rubatto hatte sich, an zweiter Stelle liegend, den alles entscheidenden Angriff für die letzte Runde zurechtgelegt, die es allerdings nicht gab – die Rennleitung hatte sich bei der Rundenanzeige vertan. Der zweite Grund ist das Superbike selbst. Peter Rubatto war der Pionier des Superbike-Rennsports überhaupt und begeisterter Viertakt-Fahrer. Die ersten beiden Deutschen Meisterschaften 1983 und 1984 in dieser damals brandneuen Serie gewann Rubatto dann auch überlegen mit Siegen in 10 von 11 Rennen, was auch seinen spektakulären Zweitnamen begründete. Die motorradbegeisterte Öffentlichkeit nahm die Superbikes mit Begeisterung an. Die Superbikes waren eine seriennahe Klasse mit hohem Identifizierungsfaktor. Rubatto und Co. siegten am Sonntag also im Prinzip auf dem Eisen, das sich der jubelnde Zuschauer gerade noch am Freitag bei seinem Kawasaki-Händler abgeholt hatte. Die ganz große internationale Show fand zu dieser Zeit jedoch immer noch bei den 500er Zweitaktern statt. Und nicht genug: für die Stars der Königsklasse waren die Superbike-WM-Fahrer eine Art unliebsames Rahmenprogramm, vergleichbar mit den Sidecars der IDM. Als weitere Parallele wurden die Superbiker von den ventilfreien GP-Göttern als „Ölsardinen“ bezeichnet. Selbst Superbike-Legende Eddie Lawson stimmte nach seinem Wechsel in die Königsklasse in den Tenor seiner neuen Kollegen ein und bezichtigte diese der permanenten Streckenverunreinigung. Peter Rubatto hätte um nichts in der Welt den Sitzhöcker seiner Superbikes verlassen, höchstens mal, um im Formelwagen ein paar Rennen lang fremdzugehen. 1986 verdingte sich Mr. Superbike bei dem damaligen größten Rennstall Europas, dem Hein Gericke Racing Team. Als Mitglied der „Weißen Riesen“ repräsentierte er an der Seite von Manfred Fischer, Klaus Klein, Gus-
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tav Reiner und Martin Wimmer das Unternehmen erfolgreich bei allen großen Rennveranstaltungen und Meisterschaften. Keiner verkörperte die weiß-roten Farben des HG Racing so perfekt und konsequent. Ruft man sich die Person Rubatto vor das geistige Auge, sieht man ihn automatisch in der weißen Kombi auf seiner weißen Bimota die Zielgerade herunterwheelen. Die Bimota YB4 i.E. ist bis zum heutigen Tag DAS „Mr. Superbike“-Motorrad. Die Einspritzanlage befeuerte den VierzylinderOW1-Motor zwar ordentlich, barg aber auch einiges an Kinderkrankheiten. Verschmorte Stromkabel, defekte Steuergeräte oder auch ganz einfach böse Aussetzer waren die Schattenseiten der fortschrittlichen Renntechnik. Eines der unvermutet auftretenden, rigorosen Sprit-Embargos war auch die Ursache für Rubattos schwersten Sturz. Bei Topspeed auf der Zielgeraden des Circuit Paul Ricard setzte die Injection so radikal aus, als hätte man den Killschalter umgelegt. Der ultrahochverdichtete siebeneinhalber Vierzylinder warf den Bremsfallschirm und Rubatto wachte erst eine Woche später bei Frau und Kind in seinem Wohnzimmer wieder auf. Dies war wie gesagt, sein schwerster und gleichzeitig ein folgenloser Sturz. Es ist
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einefaszinierende Tatsache, dass Peter Rubatto trotz unzähliger Rennkilometer auf den gefahrenreichsten Kursen dieser Erde selten stürzte und so gut wie keine ernsthafteren Verletzungen davon trug. Seine Schlüsselbeine beispielsweise sind komplett unversehrt jungfräulich, was bei einem langgedienten Profi-Motorradrennfahrer eine unglaubliche Seltenheit sein dürfte und ihm einen weiteren Titel einbringen sollte: „Mr. Wunderskelett“. Vor schlimmen Erlebnissen blieb er hingegen nicht verschont. Das tragische Ereignis seiner Karriere dürfte der Unfalltod seines Teamkollegen und Freundes Klaus Klein gewesen sein. Klein und Rubatto starteten 1987 gemeinsam auf ihren Bimotas in der Formula 1 beim Ulster GP in Dundrod. Kurz vor Beginn des Finallaufs setzte ein sintflutartiger irischer Sommerregen ein, der innerhalb von Minuten den Kurs zentimeterhoch unter Wasser setzte. Trotz dieser katastrophalen und lebensgefährlichen Rennbedingungen machte der Funktionär am Starting grid keine Anstalten, den Start zu verschieben. Peter Rubatto: „Ich ging also zu dem Startmarschall hin und sagte ihm, er solle das Rennen nicht starten und abwarten, bis das Wasser von der Strecke geflossen wäre. Er guckte mich verächtlich an und sagte: ,Shut
DER MARSCHALL GUCKTE MICH VERÄCHTLICH AN UND SAGTE: ,SHUT UP, GET ON YOUR BIKE OR FUCK OFF‘. DANN STARTETE ER DAS RENNEN. KURZE ZEIT SPÄTER WAR KLAUS TOT.
Start in Hockenheim 1983 auf Kossler-Kawasaki, neben ihm der Schweizer Andy Hofman. Mr. Superbike bügelte sie alle.
verlor die Kontrolle und verunglückte tödlich. Dieses Rennen hätte niemals gestartet werden dürfen. Man musste mich festhalten, damit ich den verantwortlichen Funktionär nicht totgeschlagen hätte.“ Ich verabrede mich mit Mr. Superbike am Silvestertag 2009. Er ist 600 km gefahren, um mit Freunden und Familie den Jahreswechsel zu feiern. Im seinem Bus zwei Supermotos, eine der Leidenschaften des Mr. Superbike. Eine ist für ihn, eine für seinen Schwiegersohn, den DTM-Star Timo Scheider. Rubatto hat auch ihm den Motorradvirus eingepflanzt und die beiden verbringen den Tag mit Drifts, Slides und Wheelies in der Karthalle. Zwischendurch dreht Enkel Loris Romeo schon merklich routiniert einige Runden im Kinderkart. Opa Rubatto ist stolz. Seine Tochter Jasmin hat zusammen mit ihrem Mann die wohltätige Organisation „Race4Kids“ ins Leben gerufen (www.race4-kids.com). Eine Vollblut-Rennfahrerfamilie. So ist es Peter Rubatto gewohnt. Seine Kindheit sah ähnlich aus: Der Vater Romeo, der seit einigen Jahren als auf See verschollen gilt, war ein italienischer GT-Pilot auf Alfa. Er und sein großer Bruder standen teilweise als Konkurrenten im Starting grid.
Rubatto und sein TraumSuperbike Bimota YB4 i.E. Eine originalgetreue Replilka fährt er heute noch.
Motorradtausch mit Kevin Schwantz. Ob heute Max Biaggi und Troy Corser auch mal tauschen dürften?
up, get on your bike or fuck off‘. Er startete dann tatsächlich das Rennen. Ich versuchte, das Bike irgendwie auf Kurs zu halten, aber es war unmöglich. Eher wie Sportboot- als Motorradfahren. Ich nahm also frustriert das Gas raus und in diesem Moment knallte Klaus im letzten Gang mit Vollgas an mir vorbei. Ich dachte noch, ,Klaus, lass gut sein‘, aber da war es schon zu spät. Klaus
„Ich nutze jede Gelegenheit, auf ein Motorrad zu steigen. Es macht mir immer noch höllisch Spaß und ich kann mir nicht vorstellen, irgendwann keine Wheelies mehr zu fahren. TT und Macau besuche ich jedes Jahr und treffe mich mit Freunden und ExKollegen. Nach Macau hänge ich immer einen längeren Thailand-Urlaub dran. Natürlich drehe ich dort auch diverse Runden auf dem Bira Circuit. Ich hab da Freunde.“ Natürlich hat er da Freunde. Peter Rubatto hat Freunde auf der ganzen Welt.