FASTBIKE 0410

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helden: 33 Jahre yamaha-cup

MAGAZIN FÜR technik · strasse · sport dezember 2010 – februar 2011 4,90 €

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damian cudlins sachsenring gp

FASTBIKE bei der Superbike-WM

neue serie

best of

Triumph ParkinGO European Series

bike tuning

rundgang auf der intermot 2010

playstation!

aprilia RSV4

Factory speciale die dunkle schönheit

ducati 848 evO

bol

d’or

24 stunden vollgas!

racing-Szene B ye-Bye Ducati Xerox! Low-Budget-Racing H ungaroring

technik ABS-Konzeptvergleich: BMW vs. Honda

Die Schalt-Revolution: Lohmann ProShift Tipps & Tricks: Motoreinbau Yamaha R6


68

IDM CHECK

84 NORTON 18  evo

22

BOL D’OR

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YAMAHA-CUP

52

parkingo

04/2010


62

LOWBUDGET

inhalt 6 NEWS 8 intermot-rundgang 12 TErmine

BIKES 14 18 40 84

KALEX MOTO2  DUCATI 848 EVO aprilia RSV4 APRC FACTORY norton commando 961 se

racing 22 BOL D’OR 2010

Auf einem fernen Planeten.

62 LOW BUDGET RACING Drei Tage Vollgas für wenig Geld.

96 Hungaroring Zu Gast beim Pezibären.

TEchnik 48 RACE-ABS-Konzepte

14  KALEX

Die Bremssysteme von Honda und BMW im Vergleich.

60 IKONE: DC aFAM 3D-Kette 68 IDM Check

Inghart Honda CBR 1000 RR, KTM RC8 R, Kraftwerk GSX-R 1000, SKM Yamaha R6.

90 TIPPS & TRICKS

Motor-Einbau Yamaha R6.

BEST OF BIKE TUNING

VDMT e. V. – Teil 1 der neuen Serie.

36 tgp BMW S 1000 RR 38 lohmann kawasaki mit proshift

MENSCHEN 66 bye-bye, ducati xerox-team Wehmütige Erinnerungen.

CLASSICS 92 helden: yamaha-cup

REPOrtage

76  MOTO2

44 ADAC Junior cup – Teil 2 Adrenalin und Emotionen.

52 allein gegen alles.

FASTBIKE bei der Triumph ParkinGO European Series.

76 DAMIAN CUDLIN!

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Sein erster Grand-Prix in Wort und Bild.

APRILIA 75 schnelle geschenke 98 LEserbike 3 Impressum/Editorial 97 FASTBIKE abonnieren

fastbike.de


Bikes kalex moto2

Made in Bobingen

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04/2010


Text  Ralf Steinert  Bilder  K.-H. Kalkhake, Steinert

Das  deutsche

grand-prixdenkmal

Man kommt an der KALEX einfach nicht vorbei, sie ist ein Monument des Rennsports. Bei ihrem Anblick muss man einfach innehalten und der spannenden Moto2Fights gedenken.

Go, KALEX, Go!


Bikes Ducati 848 EVo

Text Clemens Gleich Bilder Ducati, C. Gleich

AKA Ducati SR-71 Blackbird

Ducati 848 Evo +++++++++++++++

Ducati bringt ein paar kleine, feine Ă„nderungen an einem kleinen, feinen Motorrad: der 848. Sie ist jetzt mattschwarz.


+++ Ein SR-71 „Blackbird“, der schnellste und coolste Aufklärungsflieger des kalten Krieges. Die Evo will auch so werden, wenn sie groß ist. +++++++++++++ Bild: © USAF/Judson Brohmer


Report

die 24h Bol d’or

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04/2010


Text  Ralf Steinert und die Teams  Bilder  Aurelien Meunier

Auf einem fernen   Planeten. Le Mans, Suzuka, Imola, Magny-Cours, Spa ... Nicht einfach nur Orte, sondern ein Mikro-Kosmos, in denen fremde Gesetze herrschen. Tausende von Fahrern und Helfern haben mit Blut, Schweiß und Tränen dafür gesorgt, dass immer etwas Ehrfurcht in der Stimme liegt, wenn man diese Namen ausspricht.


Bikes aprilia rsv4 APRC SE

Mechanische und technische Offensive von Aprilia. Der BoschSensorcluster ist 端brigens der gleiche, den BMW bei der Traktionskontrolle der S 1000 RR verwendet. Inhalt: Zwei Gyrometer und zwei Beschleunigungssensoren (von denen aktuell aber nur einer genutzt wird).


Text Clemens Gleich Bilder Aprilia

Aprilia RSV4 APRC „Factory Speciale 2011”

Biaggi fest verlötet!

Aprilia lädt das Magazin elektronischer Regelspielereien durch und schießt mit Traktionskontrolle, Wheelie-Kontrolle und Launch Control gegen die Technikhochburg von BMW.

41

fastbike.de


Report

PArkingo Wildcard


Allein gegen alles

Text  Ralf Steinert  Bild  Julia Wallstab, K.-H. Kalkhake

Wie wichtig ist es, ob man mit Hugh Hefner persönlich befreundet ist, wenn man auf die Partys in der Play­boy Mansion eingeladen ist? Null. Es ist völlig egal. Und so sprechen wir hier nicht von einem Wildcard-Einsatz bei einem Rahmen­programm-Rennen, sondern sagen stolz: Ja, wir sind WM gefahren!


Report

low budget racing

„Autonavis? Eine überflüssige Anschaffung im Wert des ganzen Rennsprits für drei Tage fahren!“

Bonjour Tristesse. Gute Freunde, Zeit und Lust auf Zünden, aber olles Bike und wenig Kohle? Mach‘s trotzdem.


Low Budget Racing Text und Bilder  Dipl-Ing. Maximilian Näther

’ Schäm Dichht! nic

GP

-Strecke Brno, ca. eine Woche nachdem die Racingelite der MotoGP auf sündhaft teuren Motorradprototypen die Welt an höchst­exklusi­ vem Sport teilhaben ließ, besudelt eine kleine Gruppe hässlicher Gestalten diese heilige Stätte mit ihrer Anwesenheit. Zwei Fahrer, zwei männliche Boxenschlampen, eine über zwanzig Jahre alte ZXR 750 ohne Instrumente, eine alte GSXR K2 ohne Kupplungszug und ein gammliger Suzukiroller ohne Batteriefachdeckel für das Fahrerlager.

Altmaterial verwenden.

Dem Termin mit Bimotaclub Ende August fiebern die Jungs vom Team Nasenbohrerz (www.team-nasenbohrerz.com) schon seit einem halben Jahr entgegen. drei Tage freies Fahren. Vergleichsweise kostengünstiges Racing in Tschechien, unter der Woche gebucht. Die Jungs sind keine Großverdiener, keine Inhaber von florierenden Firmen oder erwarten auch keine Mietshäuserzeilen aus dem Nach­ lass versterbender Erbtanten. Es sind ganz normale Angestellte mit Durchschnittseinkommen. Die einzige Möglichkeit, Rennsport zu betreiben, ist also, fehlenden Zaster mit Schweiß und Geschick auszugleichen. In der „Pornobude“, einer kleinen Schraubergarage, schrauben die Jungs an Ihren alten Kawas. Die zwanzig Jahre alten ZXRs sind zwar in der Serie schwer und mittlerweile leistungsmäßig unterlegen, aber mit ein bisschen Fleiß, Geduld und Spucke eine gute Basis für einen günstigen Rennhobel. Steffens „Elsbeth“ wiegt fahrfertig und ohne Tankinhalt 176 kg bei 130 PS an der Kupplung, da braucht man sich vor manch neuem Gerät erst mal nicht zu verstecken. Ein weiterer Vorteil bei dem altem Geraffel: Stürze sind nicht so teuer. Der gebrauchte Rahmen eines aktuellen Sportlers kostet teilweise schon mehr als hier das ganze Motorrad inklusive der verbauten Kitteile. Motorräder gleichen Modells zu pflegen, ist auch eine Taktik, um Kosten zu reduzieren. Teile können untereinander getauscht werden, es muss also weniger Ersatz mitgeschleppt oder gelagert werden, dementsprechend kann man mit kleineren Garagen oder Transport­ fahrzeugen arbeiten. Weiterhin geht das Testen von verschiedenen „Verbesserungsmaßnahmen“ schneller, weil sich die Arbeit ja auf zwei Fahrer verteilt und somit wertvolle Fahrzeit spart.

Alltagsbike umrüsten.

Chefracer und Pilot des Leihtransporters, Patrick aka „Bruno the Beaver“ war am Samstag noch unabkömmlich. Daher musste am Tag der Abreise noch unter Hochdruck geschraubt werden. Jetzt wird es stressig. Bis Steffens Bike final steht, ist noch einiges zu tun. Der Transporter braucht noch ein wenig Liebe, und packen wird auch immer unterschätzt. Abfahrt nach Jena. Hier ereignete sich in der kleinen Eigentumsgarage von Thomas aka „Iggi“, die für einen symbolischen Euro über den Tresen ging, und jetzt nur noch Stadtpacht kostet, Ähnliches. Die 2002er GSX-R ist

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fastbike.de

noch angemeldet und wird im Alltag unter anderem für den täglichen Weg zur Arbeit genutzt. Für den Rennstreckenbesuch wird also jedes Mal umgebaut, was auf die Dauer zwar nervt, aber die Kosten für Anschaffung und Unterhalt eines Zweitmotorrads spart. Leistung und Gewicht sind schon in der Serie recht gut. Der engagierte Vorbesitzer hat neben einer professionellen Leistungssteigerung am Motor auch ordentlich in die Ausstattung investiert. Voll-akrapovisiert, gedämpft mit ÖhlinsSchwedengold, gebremst mit Spiegler 8-Kolben-Zangen und die CfkRennverkleidung waren ohne nennenswerten Aufpreis von vornherein mit dabei – alles eingetragen. Wer lange sucht, wird irgendwann fündig. Quizfrage zwischendurch: Warum lohnt es sich finanziell immer, eine Rennverkleidung anzutüdeln? Richtig, weil der Lack vom ABS-Kleid selbst beim Schwarzlackierer des Vertrauens schon genau so viel kostet wie die GFK-Hülse nackig. Nebenbei ist Erstere auch noch schwerer und hat keine Ölfangwanne, falls sich die Schrauben doch mal an der falschen Stelle lösen. In der absolut falschen Annahme einer Abfahrt mit nur durch­ schnittlicher Verspätung wurde es auch hier noch ganz schön stressig. Gegen 15 Uhr war aber alles halbwegs in Sack und Tüten und das große Warten konnte beginnen. Geplante Abfahrt Jena: Sonntag 13 Uhr Tatsächliche Abfahrt: Montag 1:45 Uhr Verspätung: über 12 Stunden Endlich biegt der Transporter in finsterster Nachtschwärze auf die Zufahrt zum Garagenkomplex ein. Jetzt aber kräftig den Finger ziehen, einräumen und fix raus aus Jena Richtung Drážďany (Dresden) nach Česká Republika – 8:30 Uhr ist Fahrerbesprechung. Die beiden Fahrer versuchen zu schlafen. Thomas auf der hinteren Sitzbank, Steffen im Fond auf 0,5 m² zwischen Gerümpel, einem Rollerauspuff und altem Werkzeug, das sich auf Mitte der Strecke verselbstständigt und ihn sanft aus dem Schlaf küsst. Der gut erhaltene, gebrauchte Rennreifensatz aus Ebay, den Thomas für hundert Euro günstig geschossen hat, dient als Kissen.

Im Osten ist‘s billiger.

Tanken und Fastfoodrestaurantbesuch erst in Tschechien, spart wieder ein paar Euronen. Bei Essen sogar die Hälfte bei gleicher Qualität. Morgendämmerung, die Augen werden immer kleiner, die Schilder immer unverständlicher und Bruno ist überzeugter Gegner von Navigationssystemen: „Das ist das letzte bisschen Freiheit. Ich lass mir doch nicht von der blöden Tussi vorschreiben, wo ich langzufahren hab!“ Wie er findet, eine völlig überflüssige Anschaffung im Wert des benötigten Rennsprits für die ganze Veranstaltung. Erstaunlicherweise sind wir wirklich ohne nennenswertes Verirren angekommen. Endlich Ankunft. Sofort raus aus der Karre und mit letzter Kraft zur Fahrerbesprechung stolpern. Die Gesichter sprechen Bände, die Haut fahl wie von Wasserleichen, die Augen dunkellila umrandet und die


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Rennstreckenzünder schauen beim Zeitenvergleich mit den IDM-Fahrern meist verzweifelt in den Himmel und beten um Gnade in Form von Sekunden. In Hockenheim konnten wir vier IDM-Bikes fahren und einen tiefen Blick auf die technischen Details werfen.

Text  Ralf Steinert  Bilder  Bernd Schweigert (speedmotopics.de), Steinert

FASTBIKE fährt IDM-Bikes aus der Saison 2010 – auf Zeit.

IDM check

Christian Kellner #93 -------------

SKM R6

Martin Bauer #45 ------------------

KTM RC8 R

Marc Wildisen #46 ----------------

GSX-R

kraftwerk

Matei Smrz #25 --------------------

inghart honda

IDM Bikes

1:48.072

1:48.152

1:48.249

1:48.683

1:48.876

1:48.991

1:49.025

1:49.089

1:49.112

1:49.124

1:49.144

1:49.168

1:50.016

1:50.025

1:50.057

1:50.078

1:50.129

1:50.134

Bikes


RACE REPORT

DAMIAN CUDLIN


KRIMI AM Text  Damian Cudlin, übersetzt von Michael „Bundy“ Roth  Illustration  Moritz Blumentritt

SACHSENRING


RACE REPORT

DAMIAN CUDLIN

Damian hat Schwierigkeiten.

war mir ziemlich sicher, dass ich mein kollabierendes Herzflimmern mit meiner besten Barry-White-Personifikation gut verborgen hatte. „Sehr gut“, sagte Sito, „dann werd ich jetzt noch ein paar Anrufe machen und mich dann nochmal bei Dir melden.“ Er legte auf. Ich saß wie ein Häufchen Elend mit einer Mischung aus Schock, Nervosität und Aufregung auf der Bettkante und schaute mich um. Ich sah ein nicht gerade sehr ordent­liches Hotelzimmer und zwei halb­nackte, verkaterte Frauen, von denen die eine Amy war. „Hey Mädels“, flüsterte ich, „ich glaube ich werd nächstes Wochenende den deutschen Grand Prix fahren. FUCK!“

START YOUR ENGINES!

Nachdem ich gefühlte Dekaden später die Bestätigung von Sito erhalten hatte, kamen die

Mädels mit Maßbändern vom Supermarkt zurück und machten sich an die Vermessung meines Astralkörpers. Der Schneider meiner maßgefertigten AlpinestarsLederkombi, die ich beim Grand Prix von Deutschland tragen sollte, brauchte schnellst­ möglich meine Maße. Dann folgte noch ein kurzer Trip zurück in unsere Homebase in Österreich, wo wir alles zusammenpackten, was wir für die 900-km-Reise nach Deutsch­

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land brauchten, und es in unseren geliehenen 1990er Mazda 626 schmissen. Noch ein schneller Öl- und Wasser-Check, eine Dose Red Bull in den Hals gekippt, und wir waren auf dem Weg zum Sachsenring. Ich hab auf der Fahrt eins festgestellt – es war brutal heiß! Dies wurde durch die Tatsache, dass unser Mazda keine Klimaanlage hatte, noch intensiviert. Obwohl wir die einzigen auf der Autobahn waren, die laut singend in Unter­wäsche im Auto saßen, kamen wir heil am Sachsenring an und schafften es sogar, ohne jegliche Eintrittskarten ins Fahrerlager zu kommen (dies könnte wiederum auch mit der spärlichen Bekleidung der Mädels zu tun gehabt haben ...). Wir trafen all die Leute aus dem Team wieder, mit denen ich schon in der vergangenen Woche zusammengearbeitet hatte, und alle schienen sich sehr zu freuen, mich zu sehen. Nun, alle außer Sergio Gadea. Vom Augenblick meiner Ankunft bis zu meiner Abreise schaute er mich kein einziges Mal auch nur von der Seite an, und er wechselte kein einziges Wort mit mir. Nichts. Das kam mir aber sehr gelegen, weil ich somit nicht in die Verlegenheit kam, ständig erklären zu müssen, wie ein Didgeridoo funktioniert, oder vorgeben zu müssen, dass ich ein totaler Fan von Stier­kämpfen bin. Ich wusste auch, dass das bedeutete, dass er Angst vor mir hatte. Gut. Ich ging ein paar technische Details mit dem Team durch und machte einen Plan für das morgige erste freie Training, dann noch ein bisschen Papierkram – und plötzlich wurde mir bewusst, dass ich morgen in der Moto2 fahren würde. Schön. Wir zogen uns zeitig in unser

Hotelzimmer in Chemnitz zurück, aber als ich versuchte, einzuschlafen, mit all den endlosen Gedanken daran, was da vor mir lag, bemerkte ich etwas sehr Beunruhigendes. Draußen herrschten 34 °C und mein Zimmer hatte keine Klimaanlage. Ducati hatte jedes einzelne klimatisierte Zimmer des Hotels, ja wahr­ scheinlich der ganzen Stadt, reserviert, und das war das einzige, das noch zu kriegen war. Nach­dem über 220.000 Tickets für den Grand Prix verkauft worden waren, wunderte mich das kein bisschen. Am Morgen erwachte ich in einer Schweißlache und war durstiger als ein Taliban-Kamel. Ich nahm auf meinem Weg zur Strecke eine Flasche Powerade auf ex – in der Sauna, die sich Mazda nannte – und als ich ankam, sah ich ein bisschen aus wie ein HobbyRadfahrer nach der Bergankunft einer Tour-deFrance-Etappe. Gott sei Dank war der TeamTruck klimatisiert, und als ich in mein Leder schlüpfte, war der drohende Hitzschlag abgewendet. Ich war mir sicher, dass Valentino vor dem Training dieselben Herausforderungen zu meistern hatte. Im ersten freien Training ließ ich denselben Reifensatz bis zum Ende drauf und konzen­ trierte mich darauf, wieder eins zu werden mit dem Moto2-Bike und mich daran zu gewöhnen, wie es sich auf diesem Kurs verhielt. Ich wusste ziemlich schnell, dass mein Tempo nicht ganz schlecht war, und ich beendete das Training auf Position 13. Ich war mir sicher, dass ich nach ein paar kleineren Anpassungen noch schneller fahren könnte, und machte mich sofort daran, die Unmenge an Daten zu analysieren, die mir die Techniker lieferten. Eins war mir sofort klar: Mein Gewicht war ein


Verd...! Ich Idiot.

Handicap. Ich war mit 68 kg in diese Schlacht gezogen – so leicht war ich seit 20 Jahren nicht mehr gewesen – bemerkte aber einen mas­si­ven Mangel an Beschleunigung verglichen mit den Daten von Gadea, dessen hobbitartiges Gerippe genau 55 kg auf die Waage bringt. Ich war gezwungen, meine Übersetzung zu ändern, viel kürzer als seine, um die Be­schleu­ nigung zu verbessern, wodurch ich aber massig Topspeed opfern musste. Die Übersetzungs- und Fahrwerksänderungen stellten sich als goldrichtig heraus, ich gewann mehr Vertrauen zur Front des Motorrads und wurde trotz meines Gewichtsproblems immer schneller. Am Ende des zweiten freien Trai­­nings hatte ich mich auf die sechste Position vor­­gearbeitet, und, was noch viel wichtiger war, ich war vor Gadea. Als ich in die Box rollte, wartete die Presse schon auf mich, und nach einem kurzen Team-Briefing verbrachte ich die nächsten Stunden damit, Interviews zu geben. Erst als ich mich dann kurz in den Truck stehlen konnte, um die Kombi auszuziehen, konnte ich mir die Ergebnislisten in Ruhe anschauen und sah, welche Namen da unter meinem standen. Ich muss zugeben, dass ich danach wie Disco Stu von den Simpsons zum Auto zurückging. Das fühlte sich ziemlich gut an. Ich winkte sogar Toni Elias kurz zu, während ich ihm

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zusah, wie er in seinen Porsche Carrera stieg, der neben meinem rostigen, roten Mazda stand. „Wir sehen uns morgen, Toni”, rief ich ihm grinsend zu, als ich den monströsen Industrie-Ventilator in den Kofferraum hievte, den ich im Hotelzimmer auf­ stellen wollte. Er grinste und winkte zurück – mit dem Gesichtsausdruck eines Mannes, der einen Furz in der Kirche zurückzuhalten versucht. Unbezahlbar. Nach einem leckeren Essen und einer Nacht vor dem Riesenventilator war ich bereit fürs Qualifying und hoffte, in der Liste noch weiter nach oben klettern zu können. Die einzige Kleinigkeit, die ich nicht bedacht hatte, waren die taktischen Spielchen, die die Moto2Piloten im Qualifying spielten. Mit nur einem neuen Reifen, um die Attacke zu lancieren, ist es eine Kunst für sich, genau im richtigen Moment den „freien“ Teil der Rennstrecke zu finden, und zwar eine Kunst, die die Top Jungs bis zur Perfektion verfeinert haben. Mit dem alten Reifen, den ich am Tag davor gefahren war, schaffte ich es, mich vorerst für die zweite Startreihe zu qualifizieren – Platz 8 mit noch 20 verbleibenden Minuten. Alles sah gut aus, ich fühlte mich stark und war bereit für meine finale Attacke. Dann begann der Wahnsinn. Als ich aus der Box fuhr, bemerkte ich einen Zug aus fünf Fahrern, die sich allesamt hinter mir einreihten, um sich in mein Schlepptau zu hängen. Ich fuhr langsamer, gab ihnen einen Aussie-Gruß mit auf den Weg, und suchte nach einem freien Teil der Rennstrecke. Als ich die Chance erkannte, begann ich meine fliegende Runde mit einem

„roten Helm“ (was eine neue schnellste Sektor-Zeit bedeutet) im ersten Sektor. Dann, Verkehr. Ich versuchte es eine Runde später erneut, und es passierte nochmal genau dasselbe. Roter Helm, dann Verkehr. Als nur noch drei Minuten auf der Uhr standen, wurde ich langsam leicht verzweifelt, machte einen Fehler in der langen BergabLinks und wäre fast gestürzt. Ich raste eine Minute vor dem Ende über die Linie und sah erneut Verkehr vor mir. Ich gab trotzdem nochmal alles, aber die Runde war versaut. Als ich in die Box zurückkam, sah ich das „P22“ auf der Boxentafel. Das war wirklich enttäuschend. Ich war frustriert wie noch nie. Ich wusste, dass ich den Speed hatte, mich ganz vorne zu qualifizieren, aber jetzt hatte ich eine unendlich schwere Aufgabe vor mir im Rennen. Ich würde bei meinem ersten Grand Prix von Startplatz 22 ins Rennen gehen.

ALLES AUF EINE KARTE!

Ich wachte am Sonntagmorgen erstaunlich relaxed auf. Ich ging einen Raben freilassen, wie jeden Morgen, nahm eine heiße Dusche und ging runter zum Frühstücken. Als ich Schinken und Rührei auf meinen Teller lud, sah ich kurz aus dem Fenster. Es regnete. Da ich die KALEX nie zuvor im Nassen gefahren hatte, wurde ich immer nervöser, während wir uns durch den Verkehr zur Rennstrecke


bikes

Norton 961 SE Commando

Text  Gary Inman Bilder  Paul Bryant

norton is back. nee, wirklich!

Dieses Bike ist nicht für verglatzende Motorradenthusiasten gedacht, die eine rollende Erinnerung an ihre Jugend brauchen. Die neue Norton Commando 961 SE ist ein modernes Sportbike. Und man kann sie kaufen.


270º

Zündfolge

80 PS

24,5º

lenkkopfwinkel


helden

yamaha cup

Jochen Schmid (16) in Speyer 1984.

Martin Wimmer 1982.

Startaufstellung in Hockenheim 1987.

Text: Ralf Steinert | Bilder:  Manfred Mothes, Archiv Yamaha

Kampfschule aus Fernost Sie schlagen sich und vertragen sich – und das seit über drei Jahrzehnten. Die Helden dieser Ausgabe sind die unzähligen Fahrer und Fahrerinnen des Yamaha-Cups. Regenschlacht in Speyer 1989.

Rollende Werbeträger: Die Serie sollte ihre Rennsporttauglichkeit zeigen und umkehrt der harte Rennsport der Modellpflege dienen.

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E

nde der 70er Jahre brannte die Luft in der Motorradszene. Fast quartalsweise kamen neue, noch Hubraum- und PS-stärkere Bikes vor allem aus Japan und Italien auf den deutschen Markt. Und jeder wollte sie haben. Vor den Schulen roch es nach 1:25-Zweitaktgemisch, nur Turnbeutel­ver­­ gesser und Brillenschlangen mit Garten­ schlaucharmen kamen mit dem Bus. Natürlich war Motorradrennsport ein Thema, aber wenn es auch vieles gab – eines gab es nicht, und das waren Rennstreckentrainings für jedermann. Undenkbar für den ambitionierten Aufzünder von heute, der mal eben zwei Tage über den GP-Kurs am Nürburgring feuern und

Der alte Nürburgring 1989.

über Silvester eine Woche lang spanische Rennstrecken zerkratzen kann. Davon abgesehen waren die Serienmotorräder alles andere als „ready to race“. 17. Dezember 1977. Nasskaltes Schmuddelwetter, Temperaturen um die 0º C. Im Contidrom bei Hannover führt eine Abordnung der Firma Weihe, die technische Abteilung des deutschen Yamaha-Importeurs Mitsui, Reifentests an einer vollverkleideten, schicken Sportmaschine durch. Es handelt sich um die neue Yamaha XS 400, den heiß ersehnten Nachfolger der etwas schwächlichen XS 360. Das Besondere an diesem Fahrzeug, das gerade mit 176 km/h im Highspeed-Oval gemessen wurde: es handelt sich um eine CupVersion, ausgerüstet mit Renn-Vollverkleidung und Höckersitzbank, Sportrastenanlage und Stummellenker. Im Innern des OHC-Twins werkelt eine Sportnockenwelle, thermisch abgesichert durch einen Ölkühler. Yamaha und die Mitsui Maschinen GmbH hatten beschlossen, mit der XS 400 etwas zu tun, was in den Nachbarländern schon seit einiger Zeit erfolgreich funktioniert hatte: nämlich einen Markencup zu etablieren. Die Idee: Eine bezahlbare Rennserie mit gleichen Chancen für alle, mit dem Fahrer im Mittelpunkt und einer Chance für den deutschen Rennsport-Nachwuchs.

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fastbike.de

Die Japaner gingen die Sache extrem professionell an: Neben dem XS400 Neufahrzeug samt umfangreichen Racing-Kit bestand das Cup-Paket aus der kompletten FLM-Fahrerschutzkleidung und Integralhelm, Öl von Valvolline und dazu noch Teambekleidung für Freizeit und Fahrerlager – Teamjacke, Polo, T-Shirt und Jeans. Die Fahrer sollten der Öffentlichkeit zeigen, dass Motorradsport „chic“ ist. Die Nenngelder für die Serie und ein Einführungstraining in Hockenheim ebenfalls in dem unschlagbar attraktiven Preis von 5.000 DM(!) enthalten. Das erste Rennen des neuen Yamaha/ Valvoline-Cups startete am 22. April 1978 mit 50 Teilnehmern in Kassel-Calden. Unfassbare 250 Fahrer hatten sich beworben.

Speyer 1989. Coole Schräglage ...

Die Wiege der Sieger. Unter den Startern (es wurden nur die jüngsten Bewerber ausgewählt) war der damals 21-jährige Martin Wimmer. Der junge Münchner gewann diesen ersten Yamaha-Markenpokal, wurde später mehrfacher Deutscher Meister und gewann zahlreiche Grand-Prix-Läufe in der 250erKlasse. Zahlreiche Fahrer folgen diesem Beispiel – der Cup wurde zu einer wichtigen Institution in Sachen Rennsport-Förderung und -Nachwuchs. In seiner mittlerweile 32jährigen Geschichte haben allein drei spätere Weltmeister hier ihre ersten Erfahrungen gesammelt: Dirk Raudies, Jörg Teuchert und Kenan Sofuoglu. Über 30 deutsche Meistertitel hat der Cup aus seinen Reihen herausgebracht. Die Teilnehmerlisten lesen sich wie das Whois-Who der deutschen Motorradsportszene. Jochen Schmid, Udo Mark, Rico Penzkofer, Sebastien Diss, Pascal Eckhardt, Marc Moser, Kevin Wahr, Filip Altendorfer ... Um nur ein paar zu nennen. Wer hier erfolgreich war, hatte eine harte Schule hinter sich. In den Anfangszeiten war der Zeitplan straff: frühmorgens 15 Minu­ten freies Training, drei Stunden später die Qualifikation und oft auch noch am selben Nachmittag das Rennen. Gefahren wurde zwar an den exotischsten Plätzen, Stammstrecke hingegen war Hockenheim: in der Saison 1983 z. B. fand der Cup dort fünfmal statt.

„Mit 50 Teilnehmern startete 1978 das erste Rennen des Yamaha-Cups. Beworben hatten sich über 250.“

... zumindest für einen kurzen Moment.

Cup-Bodywork der XS 400, 1982.

„Schnell wird man unter Schnellen“, sagt Thomas Kohler, Cup-Chef seit 1994. Die „Allwissende Müllhalde“, wie Kohler von den Cupis liebevoll-respektvoll nach dem orakelnden Komposthaufen der Zeichentrickserie „Die Fraggles“ genannt wird, spricht weiter: „Wir sind eine große Familie. Die Fights auf der Strecke sind hart, aber wenn einer ein technisches Problem hat, helfen direkt sechs Leute. Sogar der YamahaPräsident ist ein aktiver, herzlicher Teil der


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