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Der Quereinstieg in den Lehrberuf – Merkmale eines alternativen Professionalisierungsweges

Der Quereinstieg in den Lehrberuf – Merkmale eines alternativen Professionalisierungsweges

Quereinsteiger*innen in den Lehrberuf bringen Kompetenzen und Erfahrungen aus ihren früheren Tätigkeiten mit. Studium und Berufseinstieg sind gleichwohl für alle Beteiligten anforderungsreich.

Von Falk Scheidig

Der Quereinstieg in den Lehrberuf ist ein globales Phänomen, er soll den Zugang zum Lehrberuf flexibilisieren und vor allem in Zeiten des Lehrpersonenmangels zur Sicherstellung der Unterrichtsversorgung beitragen. In internationaler Hinsicht variieren Quereinstiegsprogramme in der Ausgestaltung deutlich, sie eint jedoch, dass sie Personen adressieren, die zunächst eine andere Berufs- oder Fachrichtung gewählt haben («Second Career Teacher»). Leitend für die Rekrutierung ist die Argumentation, dass Quereinsteigende aufgrund ihrer heterogenen Werdegänge den Schulalltag bereichern und durch früher erworbene Kompetenzen auch ein kompakteres Studienprogramm kompensieren können. So werden Quereinsteigenden aufgrund ihrer Lebens- und Berufserfahrung unter anderem ausgeprägte soziale Kompetenzen, Problemlösefähigkeiten, Kompetenzen der Arbeitsorganisation und des Selbstmanagements sowie Erfahrung im Umgang mit Herausforderungen und der Übernahme von Verantwortung zugeschrieben. Als Gruppe sind sie zugleich höchst heterogen, etwa betreffend ihrer Lebenssituation und Bildungs- und Berufsbiografien.

«Die Schulen sind gefordert, die Quereinsteigenden in der intensiven und vulnerablen Phase des Berufseintritts umfassend zu unterstützen.»

Wer in der Schweiz als Quereinsteiger*in ein landesweit anerkanntes Lehrdiplom für die Primarstufe oder Sekundarstufe I erwerben will, muss gemäss der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) 30 Jahre oder älter sein und über eine mindestens dreijährige Berufserfahrung verfügen. Diesen Personen steht mit dem von der EDK formulierten Modell «Formation par l’emploi» an verschiedenen Pädagogischen Hochschulen ein Programm offen, bei dem das Studium ab dem zweiten Jahr mit einer begleiteten Lehrtätigkeit im Rahmen einer Teilzeitanstellung auf der Zielstufe verbunden wird. Bezüglich des Studienumfangs und der Zulassungskriterien gelten gemäss der EDK die gleichen Voraussetzungen wie in den «regulären» Studiengängen für den Lehrberuf. Dies vermag die Kritik abzufedern, mit dem Quereinstieg würden qualitative Ansprüche an die Ausbildung und das professionelle Kompetenzniveau der Lehrpersonen abgesenkt.

Für alle Akteur*innen anforderungsreich

Das berufsintegrierende Studienmodell des Quereinstiegs stellt einen alternativen Professionalisierungsweg dar – mit vielfältigen Implikationen: Der Berufseinstieg erfolgt nicht entkoppelt im Anschluss an das Studium, sondern zu einem sehr frühen Zeitpunkt im Studium. Dies bietet Chancen für eine konzeptionelle Verzahnung von Studium und Unterrichtstätigkeit und folglich für das oft angespannte Theorie-Praxis-Verhältnis, ist aber für alle Akteur*innen anforderungsreich.

Aus Sicht der Hochschule gilt es, binnen weniger Monate elementare Handlungskompetenzen für den Berufseinstieg grundzulegen und später die Unterrichtstätigkeit der Quereinsteigenden als Lerngelegenheit zu strukturieren und im Studium zu referenzieren, was flexible Lehr-/ Lernformate verlangt. Die Schulen sind gefordert, die Quereinsteigenden in der intensiven und vulnerablen Phase des Berufseintritts umfassend zu unterstützen. Und die Quereinsteigenden stehen vor der Herausforderung, nicht nur den Ansprüchen eines verdichteten Studiums und der komplexen Unterrichtstätigkeit an einer Schule gerecht zu werden, sondern beides mit der eigenen Lebenssituation – etwa familiären Aufgaben – in Einklang zu bringen. Zuträglich für die Bewältigung dieser multiplen Beanspruchung ist die auch durch Studien unterlegte Beobachtung, dass Quereinsteigende hoch motiviert sind und sich im Vergleich zu anderen Studierenden durch eine höhere Eigenverantwortung und Selbstwirksamkeitserwartung auszeichnen.

Das Gelingen von Quereinstiegsprogrammen hängt aber auch davon ab, wie gut es Hochschulen und Schulen in gemeinsamer Ausbildungsverantwortung gelingt, Studium und Beruf zu verknüpfen, der Heterogenität und den spezifischen Bedingungen der Quereinsteigenden Rechnung zu tragen, sie als lebenserfahrene wie lernende Erwachsene anzusprechen und beim Transfer der Kompetenzen aus dem Erst- in den Lehrberuf zu unterstützen. Ob sich der Quereinstieg dauerhaft als alternativer Professionalisierungsweg in den Lehrberuf etablieren kann und so zur Diversität der Profession beiträgt, hängt in diesem Sinne – neben der Lehrpersonenbedarfsprognose – vor allem von der konkreten Programmqualität ab. Wenn am Studienende das intendierte professionelle Kompetenzniveau erreicht wird, dann fungiert der Quereinstieg nicht nur als valable Ergänzung bestehender Studienmodelle, sondern im Idealfall auch als konzeptioneller Impulsgeber.

NEU: QUEREINSTIEG AN DER PÄDAGOGISCHEN HOCHSCHULE FHNW Die Pädagogische Hochschule FHNW bietet berufserfahrenen Personen ab 30 Jahren seit Herbst 2021 ein eigenes Quereinstiegsprogramm für die Kindergarten-/Unterstufe, Primarstufe und Sekundarstufe I an. Die Studienvariante Quereinstieg wurde gemeinsam mit den vier Trägerkantonen Aargau, Basel-Landschaft, Basel-Stadt und Solothurn entwickelt und ist als berufsintegrierendes Studium konzipiert. Die angehenden Lehrpersonen übernehmen ab dem zweiten Studienjahr eine Teilzeitanstellung im Umfang von 30 bis 50 Prozent im Schulfeld und werden beim Berufseinstieg u.a. durch eine*n Mentor*in vor Ort professionell begleitet.

Weitere Informationen: www.fhnw.ch/ph/quereinstieg Kontakt: studienberatung.ph@fhnw.ch

FALK SCHEIDIG ist Leiter des Zentrums für Lehrer*innenbildungsforschung, PH FHNW.

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