Das Heft – Ausgabe Nr. 3 (2020) – Motivation in der Schule

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STANDPUNKT

Schreibmotivation = gern schreiben?

Fragt man Studierende oder Lehrpersonen, ob sie gern lesen, antworten sie in aller Regel mit Ja. Fragt man sie aber, ob sie gern schreiben, schweigen sie. Die meisten Kinder wollen Schreiben lernen, wenn sie in die Schule kommen. Schreibmotivation zu vermitteln, ist dennoch alles anderes als einfach. Läuft da über die Dauer der Schulzeit etwas falsch? Von Afra Sturm

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ch schreibe nicht gern, weil da braucht man Kopf und Hand, meinte ein Zweitklässler. Und eine Viertklässlerin schrieb als Rückmeldung, dass ihr das «Schreiblabor» – ein Förderprogramm – schon gefallen würde, wenn man da bloss nicht so viel schreiben müsste. Schreiben ist also eine höchst anstrengende und komplexe Tätigkeit, und das nicht nur für Schreibnovizen und -novizinnen, sondern auch für erwachsene versierte Schreiberinnen und Schreiber: Wer einen Text von wenigen hundert Wörtern verfasst, vollbringt die gleiche kognitive Leistung wie eine Profischachspielerin, die ihren nächsten Schachzug plant. Lassen wir Schüler*innen Geschichten, Berichte, Zusammenfassungen und so weiter schreiben, verlangen wir, dass sie Texte planen, ihre Ideen ausformulieren, dass sie wissen, wie sie ihr Ziel erreichen – kurz, wir verlangen ihnen Profischachleistungen ab. Schreiben ist denn auch weit anspruchsvoller als Lesen, nicht

zuletzt, weil man das Ganze «im Kopf» zusätzlich mit motorischen Handlungen zusammenbringen muss, wie der Zweitklässler zu Recht betonte. Dem Schreiben eine Funktion geben Eine positive Schreibmotivation meint nicht zwangsläufig «gern schreiben», sondern die anstrengende Tätigkeit des Schreibens in Kauf nehmen, weil man damit etwas Bestimmtes erreichen kann: Man kann seine Meinung kundtun, andere mit einem Text dazu bringen, seine Meinung zu ändern oder sich sogar für etwas zu interessieren, man kann andere trösten, Ereignisse, die auch anderen wichtig sind, schriftlich festhalten etc. Schreiben entsteht immer aus einer Situation heraus, und Texte richten sich an Leser und Leserinnen. Handelt es sich um Schreibaufgaben, die eine kommunikative Funktion haben, sind es also Aufgaben, für die sich die Anstrengung lohnt, dann lässt sich damit eine positive Schreibhaltung aufbauen. Das belegen verschiedene Studien. Mit attraktiven kommunikativen Aufgaben lassen sich sogar Schreibmuffel verführen, auch Sekundarschüler*innen, die sich mit dem Schreiben schwertun: Damit sie aber dranbleiben, brauchen sie Erfolgserlebnisse, was nur mit guten Aufgaben allein nicht zu erreichen ist. Schreiben ist lernbar und keineswegs eine reine Frage der Motivation oder Begabung: Den Schülern und Schülerinnen müssen immer auch Strategien vermittelt

«Wer einen Text von wenigen hundert Wörtern verfasst, vollbringt eine kognitive Leistung wie eine Profischachspielerin, die ihren nächsten Zug plant» Afra Sturm, Co-Leiterin Zentrum Lesen

14 DAS HEFT  PH-Magazin Nr. 3 2020


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