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Ideen und Visionen vom Waldrand

Lukas Schmid/Thomas Utz

Wer Neues denken will, zieht sich oft in ein Kloster zurück oder geht auf Reisen. Nicht so Lukas Schmid und Thomas Utz. Die beiden Leiter des Instituts für Innovation, Design und Engineering der Fachhoch schule St.Gallen bauten eine Hütte im Wald, um Ideen und Visionen für die Zukunft des Instituts zu entwickeln. Und erlebten dabei, wie Handwerken die gedankliche Gestaltungskreativität stimuliert.

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Einen Monat Auszeit, um das Erreichte zu reflektieren und, darauf aufbauend, Ideen und Visionen für zukünftige Entwicklungen des Instituts zu generieren – dies waren die Bedingungen und das Ziel unseres Unterfangens. Von Anfang an war klar: Am Arbeitsplatz in gewohnter Arbeitsumgebung kann das nur schlecht gelingen. Zu gross wäre die Ablenkung durch E-Mails und Telefonate, zu stark die Verführung, sich dem Daily Business zu widmen. Vielmehr musste ein Umfeld her, das ein gedankliches Ausbrechen aus der Arbeitsroutine erlaubt und zu neuem Denken anregt.

Das Bauen als Innovationsraum

Doch welchen Innovationsraum sollten wir wählen? Die klassische Wahl wäre ein Kloster oder eine Pilgerreise. Eine Alphütte in den Bergen böte sich ebenfalls an und wäre zumindest etwas weltlicher gelagert, wenngleich nicht weniger unserem familiären Umfeld entrückt, das wir doch nicht ganz missen wollten. Uns gefiel der Aspekt der Pilgerreise, wo das Denken im Einklang mit den Schritten geschieht, und die Idee einer einfachen, aufs Wesentliche reduzierten Hütte frei jeglicher Ablenkung. Das brachte uns auf die Idee, selber eine Hütte zu errichten. Der Bau sollte dabei aber nicht zum Ziel verkommen, sondern lediglich der Mittel zum Zweck des eigentlichen Unterfangens sein. Darüber hinaus konnten wir der archaischen Konstruktion und (Weiter-) Entwicklung einer Waldhütte als Metapher für das Entwickeln von Visionen für das Institut vieles abgewinnen. So entschieden wir uns auch bewusst dagegen, etwas Neues zu errichten. Stattdessen wählten wir einen bestehenden Holzschuppen am Waldrand mit weitläufiger Sicht ins Grüne. Die einfache Hütte war einst zur Heulagerung errichtet worden und diente die letzten Jahrzehnte, mehr schlecht als recht, als Materiallager. Der Holzriegel wie auch das Dach machten einen guten Eindruck, das Fundament und der Schirm mussten nur teilweise erneuert werden, und die Kubatur bot viel Freiraum für eine kreative Raumgestaltung.

Starten ohne Plan

Vom methodischen Standpunkt aus kam für uns nur infrage, ohne konkreten Plan zu starten. Dessen Existenz hätte unser Vorhaben auf eine vorab bestimmte Ausführung und Umsetzung degradiert, die Kreativität massiv eingeschränkt und letztlich den Umbau der Hütte zum Ziel gemacht. So starteten wir frisch von der Leber weg mit einem Besuch der lokalen, notabene klösterlichen Sägerei, um uns mit den unterschiedlichsten Balken und Brettern einzudecken. Aus dem Metallwarenladen kamen Schrauben,

>> Lukas Schmid ist Dozent im Fachbereich Bau und Technik sowie Co-Leiter des Instituts für Innovation, Design und Engineering IDEE-FHS. Thomas Utz ist Dozent im Fachberich Bau und Technik sowie Co-Leiter des IDEE-FHS.

«MIT EINER VISION IM BLICK KANN MAN DAS ZIEL AUCH NACH RÜCKSCHLÄGEN ERREICHEN.»

Nägel und Profile. Steine und Mörtel aus dem Betonwerk komplementierten das Baumaterial – es konnte losgehen.

Mit Kopf, Hand und Bauch

Zu Beginn tasteten wir uns an einfachere Arbeiten wie das Ausbessern des Fundaments oder des Holzschirms heran. Nach und nach wagten wir uns an anspruchsvollere Tätigkeiten: Wir zimmerten Böden, zogen Zwischenböden ein und errichteten Trennwände. Zuerst arbeiteten wir schweigend, ganz auf das noch ungewohnte Handwerk konzentriert. Mit jedem Tag wurden die Handgriffe und Werkzeuge vertrauter, dies erlaubte immer öfters ein Abschweifen der Gedanken. So konnten wir uns wie erhofft immer intensiver über das Institut unterhalten und gemeinsame Ansichten über dessen Selbstzweck und Legitimation bilden. Der eigentliche Bau rückte zunehmend in den Hintergrund, stimulierte aber durch die geforderte Gestaltungskreativität die gedankliche Entwicklung möglicher Zukunftsvisionen. «Mit dem Kopf arbeiten, den Händen denken und dem Bauch entscheiden» – die Eckpfeiler unseres Instituts konnten wir beim Bau der Waldhütte 1:1 umsetzen.

Neues entsteht aus Fehlern

Fehler beim Bau passierten unweigerlich. Daraus liess sich aber etwas lernen, oft entstand gar Neues. Dieses Neue war selten das, was wir anfänglich im Kopf gehabt haben. Dies war sowohl unserem handwerklichen Geschick als auch der Nichtexistenz eines Plans geschuldet. Trotzdem war es immer konsistent mit unserer Vision, aus einem ehemaligen Lagerschuppen eine kleine Retraite am Waldrand zu schaffen. So wie uns die Hütte mit ihrem eigenen Charakter immer vertrauter wurde, sich jeder Ausbauschritt logisch, fast vorbestimmt erschloss, so offenbarten sich uns auch die Grundmauern und -werte, auf denen wir das Institut aufgebaut haben. Nach vier Wochen Bauzeit konnten wir erfolgreich Bilanz ziehen: Erstens ist eine herrliche, zweckmässige Waldhütte entstanden, die zu viel mehr imstande ist, als Material zu lagern. Zweitens hat sich ein gemeinsames Verständnis rund um das Institut gefestigt, das eine hervorragende Ausgangslage bildet, Fragen erfolgreich zu beantworten, die nicht zuletzt im Zusammenhang mit der Ost – Ostschweizer Fachhochschule auf uns zukommen werden, unabhängig davon wie sie im Detail lauten. Drittens haben wir vielversprechende Ideen und Visionen für das Institut entwickelt. Viertens sind wir zur Erkenntnis gekommen, dass sich kreatives Handwerken mit kognitiven Leistungen nicht nur verträgt, sondern sich beide gegenseitig enorm befruchten. Und schliesslich fünftens hat das Vorhaben unsere Zuversicht gestärkt, dass man auch bei Rückschlägen und Unsicherheiten mit einer Vision im Blick das Ziel erreichen kann. So erlebten wir in unserer Auszeit eine spezielle Ausprägung designgetriebener Innovationsentwicklung, indem wir uns parallel zum handwerklichen Design der Waldhütte auch dem Design und der Weiterentwicklung des Instituts widmeten. Damit hat sich der Kreis auch methodisch-inhaltlich wieder geschlossen.

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