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Hate Speech und die Politik von Viktoria Strobl
from SUMO Ausgabe 35
Hate Speech und die Politik
Hate Speeches können jede/n treffen – unter anderem auch PolitikerInnen. SUMO hat versucht mit Betroffenen zu sprechen, leider ergebnislos. Der Artikel befasst sich daher damit, wie die Politik mit Hate Speeches umgeht und welche Maßnahmen und Initiativen es gegen dieses problematische Phänomen gibt.
Jörg Meinbauer definiert in seinem 2013 im Sammelband „Hassrede/Hate Speech – Interdisziplinäre Beiträge zu einer aktuellen Diskussion“ erschienenen Artikel den Begriff wie folgt: „Unter Hate Speech – hier übersetzt mit ‚Hassrede‘– wird im Allgemeinen der sprachliche Ausdruck von Hass gegen Personen oder Gruppen verstanden, insbesondere durch die Verwendung von Ausdrücken, die der Herabsetzung und Verunglimpfung von Bevölkerungsgruppen dienen“. Speziell PolitikerInnen werden immer wieder Zielscheibe verschiedener Hassausprägungen. Dies zeigt der Artikel „43 Gewaltdelikte in einem Jahr“ des „ARD-Faktenfinders“ (20.06.2019). Im Jahr 2018 gab es so laut Bundeskriminalamt 1.256 Straftaten gegen PolitikerInnen in Deutschland, in 43 Fällen wurden diese als Gewaltdelikte eingestuft. Insgesamt wurden von den 1.256 Straftaten 517 von rechts- und 209 von links-motivierten TäterInnen begangen. Als nicht zuordnende, ausländisch-ideologische oder religiös motivierte Taten zählte man 664. Im Jahr 2017 wurden laut Bundeskriminalamt 1.512 und im Jahr 2016 1.840 Straftaten gegenüber PolitikerInnen in Deutschland begangen.
„Hate Speech“ kann bis zum Tod führen Im Extremfall kann Hass gegenüber PolitikerInnen mit dem Tod dieser enden. Ein Opfer unkontrollierten Hasses wurde die britische Labour-Abgeordnete Helen Joanne „Jo“ Cox. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ berichtete am 23.11.2016 über diesen Fall. Cox setzte sich im Zuge des Austrittsreferendums („Brexit“) für einen Verbleib Großbritanniens in der EU ein. Eine Woche bevor dieses Referendum stattgefunden hatte, wurde die Politikerin aufgrund ihrer politischen Einstellung von einem Mann auf offener Straße angeschossen und anschließend erstochen. Er soll bevor er auf sie geschossen hat „Britain first“ gerufen haben. Der Täter wurde zu lebenslanger Haft verurteilt. Ein weiterer Fall, in dem ein Politiker aufgrund seiner Einstellung getötet wurde ist jener von Walter Lübcke. „ZDF-Heute“ berichtete am 29.04.2020 über diesen Mord. Lübcke war Regierungspräsident von Kassel und wurde im Juni 2019 in seinem Haus erschossen. In Deutschland war dies der erste Mord an einer/m PolitikerIn seit 1984. Aus dem Beitrag geht ebenfalls hervor, dass ein Verdächtiger im April 2020 angeklagt wurde. Lübcke setzte sich für Flüchtlinge ein, der Angeklagte soll ihn aus rechtsextremen Motiven getötet haben. Der Prozess steht noch aus (Stand Mai 2020).
Hate Speech kann jede/n treffen
Dass nicht nur PolitkerInnen zur Zielscheibe von Hate-Speeches werden, zeigt eine von FORSA im Auftrag der Landesanstalt für Medien NordrheinWestfalen durchgeführten Studie. Dafür wurden im Dezember 2018 1.005 Personen ab 14 Jahren in Deutschland mittels eines Online-Fragebogens zu diesem Thema befragt. 47% der Befragten gaben an, dass sie in Sozialen Medien schon einmal mit Hass konfrontiert waren, auf Nachrichtenwebsites waren dies 35%. 2% erhielten schon einmal persönlich adressierte Hassnachrichten per Mail. In der Studie wurde ebenfalls erhoben, ob die befragten Personen sich an Diskussionen im Internet beteiligen. Bei dieser Frage konnten geschlechterspezifische Unterschiede festgestellt werden. 58% der Männer gaben an, sich an Diskussionen zu beteiligen, bei den Frauen war der Anteil mit 40% deutlich geringer.
Rechtliche Schritte in Österreich
Nicht alle Äußerungen und Taten, die unter den Begriff „Hate Speech“ fallen sind auch tatsächlich Straftaten. In Artikel 10 der europäischen Menschenrechtskonvention wird die Meinungsfreiheit jeder einzelnen Person festgelegt, so hat jede/r BürgerIn das Recht, ihre/seine Meinung frei zum Ausdruck zu bringen. Dieses Recht kann jedoch unter gewissen Voraussetzungen eingeschränkt werden. Das kann beispielsweise der Fall sein, wenn
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Gesundheit oder Moral geschützt werden müssen. Des Weiteren ist eine Einschränkung möglich, wenn diese zur Verbrechensverhütung oder zum Schutz des guten Rufs dient. Aufgrund der unterschiedlichen Formen von „Hate-Speeches“ gibt es kein einheitliches Gesetz, nach dem über Fälle von Hassreden geurteilt werden könnte. Es gibt jedoch unterschiedliche Gesetze in Österreich, die einzelne Ausprägungen abdecken. Personen, die öffentlich Verhetzung betreiben, können nach §283 des Strafgesetzbuchs verurteilt werden. Dort ist festgelegt, dass Personen, die verhetzende Botschaften in Bezug auf Religion, Staatsangehörigkeit, Weltanschauung, Hautfarbe und anderem verbreiten, mit Freiheitsstrafen von bis zu zwei Jahren bestraft werden können. Die Leugnung des Holocausts oder die Verherrlichung der Taten der NationalsozialistInnen kann nach §3 des Verbotsgesetzes ebenfalls zu Verurteilungen führen. Verschiedene Formen der Hassreden können nicht nur strafrechtlich, sondern auch zivilrechtlich verfolgt werden. Entsteht etwa durch eine Hassrede ein Schaden, der beispielsweise zu Gewinnverlusten führt, kann nach §1330 des Allgemein Bürgerlichen Gesetzbuchs aufgrund der Ehrenbeleidigung geurteilt werden. Laut der Website des österreichischen Klagsverbands gibt es bei Klagen, die “Hate Speeches“ betreffen, nur sehr wenige Verurteilungen.
Maßnahmen
Jede/r kann von Hate-Speeches betroffen sein, daher wurde im Jahr 2013 die Initiative „No Hate Speech Movement“ vom Europarat gegründet. Auf der Homepage der österreichischen Variante der Initiative „National No Hate Speech Komitee“ wird erklärt, welchen Zweck diese Initiative hat. Es soll unter anderem Menschen anregen, gegen Hass vorzugehen und Aktionen zu unterstützen, die sich mit dieser Thematik befassen. Die vom Bundesministerium für Arbeit, Familie und Jugend und vom bundesweiten Netzwerk für offene Jugendarbeit unterstützte Initiative bietet außerdem Ratschläge zum Umgang mit Hass. Eine weitere Maßnahme gegen Hass im Netz wurde 2017 vom Land Steiermark, der Stadt Graz und der Antidiskriminierungsstelle Steiermark ins Leben gerufen. Laut Presseaussendung der Antidiskriminierungsstelle vom 18.04.2018 ist die „Ban-Hate-App“ international die erste App, die es ermöglicht, Hasspostings zu melden. Die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle, Daniela Grabovic, äußerte sich in der Aussendung wie folgt: „Leider nimmt die Anzahl der Hasspostings weiter rapide zu. Um ein Gegengewicht dazu zu schaffen und nicht tatenlos zuzuschauen, haben wir diese App entwickelt. Wir hoffen auf eine starke Beteiligung der Menschen und auf Zivilcourage. Gemeinsam können wir zeigen, dass Hass im Netz keine Chance hat.“ Auf der Homepage der „Ban-Hate-App“ wird beschrieben, wie die UserInnen, die ein Hassposting gegen sich oder andere entdecken, vorgehen sollen. Zuerst muss bekanntgegeben werden, auf welchem Social-Media-Kanal das Posting zu finden ist. Im Anschluss können die UserInnen den Hass einer Kategorie zuordnen, unterteilt in Diskriminierung wegen: Alter, Behinderung, ethnischer Herkunft, Geschlecht, politischer Anschauung, Religion, sexueller Ausrichtung und sozialer Herkunft. Anschließend soll noch ein Screenshot und der Link zum Hassposting in die App geladen werden. Die gemeldeten Postings werden von der Antidiskriminierungsstelle geprüft. Diese fordert die BetreiberInnen der Social-Media-Sites zur Löschung der Postings auf. Sollten Inhalte auch von strafrechtlicher Relevanz sein, kann dies auch angezeigt werden.
Rolle der Medien
Aber auch die Medien sind in ihrer prinzipiellen Vermittlungs- und Thematisierungsrolle gefragt. Liriam Sponholz forscht an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften unter anderem zu diesem Thema und habilitierte 2018 an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt zu „Hate Speech in den Massen medien“. Sie konstatiert darin: „Was das Verhältnis von Medien und Hate Speech betrifft, können Medien diese Inhalte: nicht thematisieren, als Nonsens thematisieren, als Skandal thematisieren, als Kontroverse thematisieren, mit anderen gesellschaftlichen Akteuren eine öffentliche Streitfrage generieren.“ (Sponholz 2018, S. 137) Und Ronald Pohl, Kulturjournalist beim „STANDARD“, rief im selbigen (16.02.2020) dazu auf: „Alle durch Hate-Speech Diffamierten gehören aus der Erstarrung der Opferrolle erlöst. Das wirkungsvollste Druckmittel gegenüber Ressentiment ist die Widerrede: Aufmüpfigkeit, die sich ihre gedankliche Eigenständigkeit bewahrt.“ von Viktoria Strobl