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Nicht nur Politiker spielen „Clash of Clans“ von Martin Möser
from SUMO Ausgabe 35
Nicht nur Politiker spielen „Clash of Clans“
Im vergangenen Jahr wurde bekannt, dass auch Politiker in die Kostenfalle vermeintlicher Gratisspiele tappen. Das passiert aber nicht nur Prominenten, sondern vor allem Kindern und Jugendlichen, die die entstehenden Kosten bei einem simplen Klick unterschätzen. Medienberichte zu solchen Fällen gibt es einige – doch wie vermeidet man diese Kostenfalle effektiv?
Gratisspiele wie auch Anwendungen sind heute aus den App-Stores nicht mehr wegzudenken – aber wie „kostenlos“ sind die Applikationen am Smartphone in der Anwendung tatsächlich? Fragt man Kinder nach ihren Lieblingsspielen, gehören die vorerst kostenfreien „Fortnite: Battle Royal“, „Minecraft“ und „Clash of Clans“ zu den Standardantworten. Dass diese nicht immer kindgerecht sind, zeigt eine Studie der deutschen Stiftung Warentest vom September 2019. Gerade die Problematik rund um das Corona-Virus hat die Thematik der Apps am Handy abermals entfacht. Hier war aber nicht die Frage der Kosten oder des kindgerechten Inhalts im Fokus, sondern die des Datenschutzes. Doch die vermeintlich kostenlosen Spiele bringen einige Probleme mit sich. Gerade Kinder und Jugendliche erkennen oftmals eine Werbung nicht als solche, da diese bewusst getarnt ist, heißt es aus der Studie der Arbeiterkammer „Kinder & Online-Werbung“ aus dem Jahr 2019. Vor allem während der Corona-Pandemie verhalfen Apps den Eltern, ihre Kinder zu beschäftigen: sei es mit Hilfe von Lern-Apps, die in Hülle und Fülle während der Pandemie erschienen sind oder mit kostenlos angebotenen Spielen. Der Clou dahinter: kostenlos ist nicht gleich kostenlos. Das Spiel oder die Anwendung lässt sich zwar gratis auf dem Smartphone installieren, dahinter verbirgt sich aber oftmals eine Kostenfalle. So sind manche Spiele nach kurzer Spieldauer ohne einen In-App-Kauf nur mehr eingeschränkt nutzbar. Den Erwerb von „Spielegeld“ (In-Game-Währung) nehmen Kinder oft nur als Teil des Spieles wahr und nicht als reales Geschäft. In ihrer Spiellaune ist ihnen nicht bewusst, dass sie auf einen kostenpflichtigen In-App-Kauf klicken. In-App-Käufe bezeichnen alle Kaufvorgänge, die während eines Spiels in einer App an einem Mobilgerät getätigt werden. Ziel der EntwicklerInnen ist es, ihr „Gratis“-Spiel mit Hilfe von jenen Käufen zu monetarisieren. Des Öfteren werden dabei die Regeln nicht beachtet oder Grauzonen von Werberichtlinien ausgelotet, heißt es vonseiten der Arbeiterkammer (AK). Die klassische Wertschöpfungskette der Gaming-Industrie wurde so zu einem Modell adaptiert, das sich ausschließlich aus diesen In-App-Käufen finanziert. „Einige Spieleportale arbeiten auch mit Belohnungssystemen: Wer aktiv Werbung konsumiert oder sich etwa auf dritten Webseiten registriert, erwirbt ‚‚Spielgeld‘. Die Werbung im Internet kann außerdem ein gutes Geschäft für Datensammler und Abzocker sein“, resümiert die AK.
Mehr Kontrollen der Apps
Elfriede K. ist Mutter des achtjährigen Elias (Anm.: Namen geändert). Sie erzählt im SUMO-Interview, dass ihr Sohn zu seinem achten Geburtstag ein Smartphone bekommen hat. Konkret wurde ihm der Wunsch nach einem Handy aber nur erfüllt, weil „ich nicht möchte, dass er in der Klasse ausgegrenzt wird, da er einer der wenigen war, der bis dato noch kein Handy hatte“. Ihr war klar, dass er sein Handy weniger zum Telefonieren nutzen würde, sondern vielmehr zum Surfen im Internet. Tatsächlich schildert die alleinerziehende Mutter aber eine andere Problematik. „Elias hat sich heimlich ‚‚Fortnite‘ heruntergeladen und mit dem Taschengeld der Oma Guthaben in der Trafik gekauft und sich darum irgendwelche Extras für das Spiel gekauft. Danach war er vom Handy nicht mehr wegzubekommen und starrt seither Tag ein Tag aus in sein Kasterl und kämpft mit seinen Schulkollegen. Meiner Meinung nach grenzt das schon an ein Suchtverhalten. Es ist mittlerweile schon so weit, dass ich das Handy vor ihm verstecken muss und er nur eine
Stunde am Tag spielen darf – das führt oftmals zu langen Heulkrämpfen und Diskussionen. Ich würde mir eine staatliche Regelung wünschen. Gäbe es hier einheitliche Vorgaben und genauere Kontrollen, wäre es definitiv einfacher für mich“.
Nutzungsverhalten der Allerjüngsten Mit diesem Problem ist Elfriede K. in Österreich nicht alleine. 35% der Eltern von 0-6-jährigen wünschen sich, dass ihre Kinder weniger Zeit mit digitalen bzw. internetfähigen Geräten verbringen, ergab eine Studie der IFES, ÖIAT und der ISPA im Auftrag von saferinternet.at aus dem Jahr 2020. Demnach nutzen 51% der Kinder Smartphones oder Tablets zum Spielen. Schwierigkeiten bereitet das vor allem Eltern, die jeden Klick der Kinder beobachten,
PEGI-Einstufung: Ist ein europäisches Alterseinstufungssystem, das Eltern helfen soll, eine Entscheidung beim Kauf von Videospielen zu treffen.
ob der Inhalt tatsächlich kindgerecht ist. So empfinden 28% der Befragten es als schwierig oder sogar als sehr schwierig, geeignete Inhalte ausfindig zu machen. Die Problematik hat auch vor den österreichischen Schulen nicht Halt gemacht. Katharina (Anm.: Name geändert) unterrichtet an einer Wiener Ganztagsvolksschule, auch sie berichtet im Gespräch mit SUMO am 27. März von dieser Problematik. „Derzeit unterrichte ich zwar aufgrund der Corona-Maßnahmen nicht im klassischen Sinne, aber ich weiß noch, wie es noch vor einigen Wochen in den Klassen ausgesehen hat. Die Kinder sprachen häufig über‚ ‚Fortnite‘. Auch musste ich in den vergangenen Wochen oftmals ein Handy abnehmen, welches während des Unterrichts verwendet wurde. Der positive Effekt dieses Spiels ist aber, dass die Kinder ihre Hemmungen in Hinblick auf ihre motorischen Bewegungsabläufe verlieren. Ich habe immer wieder gesehen, dass Kinder gemeinsam ‚‚Fortnite-Tänze‘ aufführen. Das hat auch Freundschaften gebildet. Es ist also nicht alles schlecht an dem Spiel per se, aber es gehört dennoch etwas geändert. Außerdem sollten die Eltern etwas besser darauf achten, was ihre Kinder so am Handy machen“, erzählt sie.
Altersfreigaben in den App Stores
Die Altersfreigaben auf DVD- oder BlueRay-Covers sind bekannt. Auch bei klassischen Videospielen findet sich so eine Altersbeschränkung auf den Hüllen. Diese Filme oder Spiele sollten für Kinder ohne altersentsprechenden Ausweis nicht zum Erwerb möglich sein. Wie sieht die Altersfreigabe aber bei den Spielen am Smartphone oder Tablet aus? Bei Android Smartphones kommt die PEGI-Einstufung zum Einsatz. Diese soll Eltern helfen, eine Entscheidung beim Kauf von Videospielen zu treffen. Bei iOS hingegen steht eine eigene Bewertungsskala im Fokus. Alternativ lassen sich aber auch die PEGI-Hinweise einblenden. Das Problem: meist läuft das Smartphone der Kinder auf den Namen der Eltern sowie das dementsprechende Geburtsdatum und somit sind Schutzmechanismen hinfällig. Vorzubeugen ist das mit Hilfe der Einstellungen der jeweiligen Stores; saferinternet.at empfiehlt beispielsweise die Bildschirmzeit, wie auch die Jugendschutzeinstellungen zu prüfen und anzupassen. Eine weitere Möglichkeit wäre die Installation von Kinderschutz-Apps von Drittanbietern. Mit Hilfe solcher Apps ist es Eltern möglich, das Nutzungsverhalten des Kindes im Auge zu behalten, App-Downloads zu blockieren, Tageslimits festzulegen, das Gerät für einen bestimmten Zeitraum zu sperren oder sogar den Standort des Geräts zu orten. Eine der effektivsten Methoden ist es laut saferinternet.at, Dienste wie Mehrwertnummern oder den „Kauf auf Handyrechnung“ direkt beim jeweiligen Mobilfunkanbieter zu deaktivieren. Das Problem ist allgegenwärtig, und neben einer Digitalisierung im Bildungsbereich sollte diese auch in den einzelnen Haushalten strukturiert umgesetzt werden. Möglich gemacht werden könnte dies, wenn der sichere Umgang mit dem Smartphone im Zuge des Schulunterrichts besprochen wird. Außerdem muss es genau festgelegte Richtlinien für den digitalen Einkauf in den jeweiligen App-Stores geben. Auch die Arbeiterkammer fordert „Standards für die Umsetzung traditioneller Werbegrundsätze in der Online-Welt und eine bessere grenzüberschreitende Rechtsdurchsetzung inklusive klarer Regeln für Werbungen in Apps.“
von Martin Möser