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Pornografie - eine bzw. welche Gefahr für Kinder und Jugendliche? von Alexander Schuster

Pornografie – eine bzw. welche Gefahr für Kinder und Jugendliche?

Während man früher vielleicht in der Trafik heimlich durch den „Playboy“ blätterte, geht es heutzutage um einiges leichter. Mit dem Aufkommen des Internet steht fast nichts mehr zwischen allem, was es zu Sex ausspuckt – allem. SUMO sprach mit Sexualpsychologin Dr. Christina Raviola, Leiterin der Familienberatungsstelle für funktionelle Sexualstörungen und Partnerschaftskonflikte in Wien, und Sexualpädagogin Adriane Krem über Pornografie-Rezeption und dessen Folgen für Kinder und Jugendliche.

In der jüngeren Gesellschaft kann man schnell den Eindruck erlangen, Pornografie sei ein Phänomen des digitalen Zeitalters und erreichte erst große Beliebtheit durch das Internet. In Wahrheit ist Pornografie wahrscheinlich so alt wie die Menschheit selbst. Neben der 30.000 Jahre alten Venus von Willendorf, die eine nackte vollbusige Frau darstellt, gab es bereits im antiken Rom obszöne Motive bei Wandmalereien und auch die antiken Griechen malten Sexszenen auf Amphoren und Vasen. Der Unterschied zu heute ist, dass lediglich ein paar Klicks im World Wide Web von dem schier unendlichen Angebot an pornografischem Inhalt trennen. Diese Tatsache blieb auch nicht den Kindern und Jugendlichen verborgen. Laut der Wiener Sexualpsychotherapeutin Christina Raviola, deren Familienberatungsstelle vom Bundesministerium für Arbeit, Familie und Jugend gefördert wird, finden die ersten Kontakte mittlerweile bereits im Kindesalter, noch vor dem 9. Lebensjahr, statt. Zu den Gründen warum Kinder/Jugendliche Pornos ansehen, gehören unter anderem Stimulationszwecke, Gruppenzugehörigkeit oder einfach Langeweile. Die Frage, die sich daraus ergibt und auch vielen Eltern Sorgen bereitet, ist, ob diese Pornorezeption negative Folgen auf Kinder und Jugendliche hat. Die Antwort ist ein unbefriedigendes „Jein“. Laut Raviola könne man annehmen, dass je früher der Kontakt zu den diversen Porno-Sites beginne, desto höher die Wahrscheinlichkeit sei, dass negative Entwicklungen stattfinden. Dabei hänge die individuelle Rezeption und wie das Kind beziehungsweise der/die Jugendliche damit umgehe von unzähligen Faktoren ab, wie beispielsweise dem Alter, den Vorerfahrungen, der Aufklärung und der geistigen und emotionalen Stabilität. Adriane Krem, Sexualpädagogin am Österreichischen Institut für Sexualpädagogik und Sexualtherapien, meint, dass die Medienwirkungsforschung bei der Pornorezeption auf Grenzen stoße. Die Art und Weise wie das Gesehene im Porno innerlich vom Kind/Jugendlichen verarbeitet wird und sich in Folge auf Beziehungen und das Sozialverhalten auswirkt, könne nicht direkt getestet werden, da es privat, schwer zu reflektieren und höchst subjektiv sei.

Die Schattenseiten der Pornografie

Im Detail manifestieren sich negative Auswirkungen auf mehrere Weisen. Eine davon ist die Verstärkung von Rollenstereotypen und die Verbreitung eines negativen Frauenbildes. Bereits 1987, lange vor dem Internet-Boom, startete die deutsche Feministin und Publizistin Alice Schwarzer die „PorNO-Kampagne“ und sprach sich in dem von ihr herausgegebenen Werk „PorNO. Opfer & Täter. Gegenwehr & Backlash. Verantwortung & Gesetz“ gegen den „zentralen Sinn der Pornografie, die Propagierung und Realisierung von Frauenerniedrigung und Frauenverachtung“ aus. Christina Raviola erklärt im SUMO-Interview, dass sich Rollenstereotype wie „der starke Mann“ und „die devote Frau“ möglicherweise durch Pornografie bei emotional sensiblen Jugendlichen verstärkten. Auch werden Vergewaltigungsszenen in weiterer Form in manchen Pornos dargestellt. „Diese Videos vermitteln, dass Frauen also doch gerne vergewaltigt werden und dabei auch Genuss erfahren. Das gilt es sehr kritisch zu hinterfragen“, so Raviola. Pornosucht sei ein weiteres, nicht zu missachtendes Problem. Diese Gefahr der Sucht bestehe besonders für Jugendliche, die bei der Pornorezeption besonders viel positives Feedback und Entspannung erhalten oder beispielsweise ohnehin Probleme mit der eigenen Sexualität haben. In diesem Fall könne sich ein Suchtverhältnis zu Pornografie, laut Raviola, bereits im Jugendalter sukzessiv aufbauen. Bei häufiger Nutzung entstünden im Ge-

hirn Gedächtnisspuren, die man sich wie Gleise eines großen Bahnhofes vorstellen könne, die sich immer tiefer und tiefer hineingraben, bis der Körper schließlich nach der Befriedigung durch Pornografie verlange. Diese Pornosucht gehe in manchen Fällen soweit, dass der Leidensdruck so stark sei, dass beispielsweise der eigene Beruf nicht mehr erfüllt werden könne. Laut Sexualpädagogin Krem gebe es noch einen weiteren negativen Aspekt: „Wenn ich mich auf die Bilder im Porno verlasse und das als Handlungsvorgabe betrachte, kann das eine Menge Druck machen. Sind zwar unrealistisch, aber ich nehme sie trotzdem ernst. Je weniger Wissen über Sexualität man im Allgemeinen hat und desto weniger ich gelernt habe, mich auf meine eigene Wahrnehmung zu verlassen, desto mehr verlasse ich mich auf die äußeren Vorgaben, wie Pornografie.“ Diese Vorgaben führen neben Druck auch zu Verwirrung. Man könne ihnen nicht standhalten, weil sie nicht realistisch seien. Laut Raviola bestätige sich jedoch die Angst der Eltern, dass dieser negative Konsum im Jugendalter massive Auswirkungen mit sich brächte, in der Regel nicht. Im Gegenteil, Jugendliche könn-ten sogar sehr gut differenzieren und bei Pornos zwischen Realität und einer gespielten Szene unterscheiden. Medienkompetenz spielt dabei für Krem eine große Rolle: „Je mehr ich hinter die Kulissen von Medien, auch Pornos, schauen kann, desto weniger muss ich sie als Informationsquellen für mein eigenes Leben und Sexualität ernst nehmen“.

Die potenziellen Probleme durch Pornonutzung sind jedoch kein Grund, als Elternteil in Panik zu verfallen und dem Kind das Pornoschauen strikt zu verbieten. Im Gegenteil, sowohl die Klinische Sexualpsychologin Raviola als auch die Sexualpädagogin Krem raten den Eltern, einen kühlen Kopf zu bewahren und an ihre eigene Jugend zu denken. „Statt die Kinder und Jugendlichen hermetisch davon abzuriegeln, sollte es eher darum gehen, wie wir sie unterstützen, selbstwertschätzend zu werden, einen positiven Umgang mit der eigenen individuellen Sexualität und einen reflektierten Umgang mit Medien zu entwickeln“, erklärt Krem. Es sei ebenfalls wichtig, ein/e Ansprechpartner/in für die Kinder zu sein, jemand vor dem man sich nicht schämen müsse, über Sexualität zu sprechen. Laut Raviola solle man den Kindern erklären, dass manche Fantasien vollkommen in Ordnung seien, es jedoch manche sexuellen Neigungen gebe, wie beispielsweise Sodomie oder gar Gewalt, die es nicht seien. Dabei sei insbesondere ein offener Umgang statt angedrohter Sanktionen von hoher Bedeutung. Die Gespräche sollten amikal geführt werden, da die Kinder sonst einem in Zukunft gar nichts mehr erzählen würden. Weiters rät Raviola dazu, den Kindern zu vermitteln, wie bedeutsam die Beziehung zueinander beim Sex sei und dass man die beiden Dinge nicht getrennt betrachten könne. Es gehe dabei auch um Emotionalität und dass Sex etwas sei, das zwei Menschen miteinander machen, die sich gernhaben. Diesbezüglich liefert Krem Entwarnung: „Der Stellenwert, dass man sich eine Beziehung wünscht, man liebenswert und attraktiv sein möchte und dass es oft einen Wunsch nach Langfristigkeit und Treue gibt, hat sich unserer Beobachtung nach nicht geändert.“ Im Gegenteil, es gebe manchmal sogar den Schwerpunkt, dass Jugendliche sagen, es gehe bei Sexualität nicht um oberflächlichen und unmittelbaren Kontakt. Die Wertigkeit sei dabei unterschiedlich je nach Community oder der

Wertehaltung innerhalb der Familie. All das könnte den Eindruck erwecken, dass Kindersicherungsprogramme und Computerfilter möglicherweise nicht benötigt werden, jedoch empfiehlt Raviola den Einsatz solcher Programme dennoch. Besonders im Zusammenhang mit SexualstraftäterInnen und Kindesmissbrauch können diese Programme das Schlimmste von den Kindern abblocken. Diverse AntivirenProgramme bieten zusätzlich auch eingebaute Kindersicherungen für das Internet, aber es gibt auch eigens dafür entwickelte Programme wie „Google Family Link“ oder das Erstellen von Familiengruppen bei den Microsoft-Konten. Letztere erlauben es den Eltern, die Aktivitäten ihres Kindes im Netz nachzuvollziehen und gezielt Inhalte einzuschränken. Es sei jedoch nicht möglich, Kindern komplett den Zugang zu Pornos zu verschließen, denn sie würden früher oder später durch die Peer Group oder das sonstige Umfeld in Kontakt mit Pornografie kommen. Obwohl Pornografie einige Risiken mit sich bringt, muss sie nichts intrinsisch Böses sein, von dem man alle abschotten muss. Sie ist ein Teil unserer Kultur, ob wir es zugeben wollen oder nicht. Besonders für Jugendliche kann sie auch eine Bereicherung und ein Werkzeug sein, um etwa die eigene Sexualität und den Körper zu entdecken. All das setzt natürlich voraus, dass man mit nötigem Wissen und Medienkompetenz ausgestattet wurde, um Realität von Fiktion in einem Porno zu unterscheiden. Hier kommen die Eltern ins Spiel, die Aufklärung betreiben müssen und sich selbst nicht vor Sexualität sträuben dürfen. Manchmal gilt es eben, in den eigenen Augen unangenehme Gespräche mit den eigenen Kindern zu führen und zu erklären, was es mit Sex und all dem was dazugehört auf sich hat. Sie werden es einem danken.

von Alexander Schuster

Adriane Krem / Copyright: Privat

Christina Raviola / Copyright: Privat

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