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WM KATERSTIMMUNG IN ZÜRICH

WM-KATERSTIMMUNG IN ZÜRICH

DER GELEGENHEIT DES JAHRZEHNTS BERAUBT

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DIE IIHF WELTMEISTERSCHAFT 2020 KONNTE WEGEN DER INTERNATIONALEN CORONAVIRUS-PANDEMIE NICHT STATTFINDEN. FÜR DIE STADT ZÜRICH WÄRE DER GROSSEVENT DIE GELEGENHEIT DES JAHRZEHNTS GEWESEN, UM STADTMARKETING ZU BETREIBEN UND VON EINER RIESIGEN WERTSCHÖPFUNG ZU PROFITIEREN. VIELE FRAGEN NUN: WIE KANN MAN DEN KOLLATERALSCHADEN VERHINDERN? WIR HABEN UNS MIT DEM HEAD OF SPORT DES ORGANISATIONSKOMITEES DER 2020 IIHF WM, UELI SCHWARZ, UNTERHALTEN.

VON JOËL CH. WUETHRICH

Ueli Schwarz, Eishockeyexperte aus Leidenschaft.

Es war schwierig, in den Monaten März und April 2020 fokussiert und wirklich zielorientiert zu arbeiten, gibt Ueli Schwarz ohne Umschweife zu. Einerseits musste man im OK und auch bei allen Mitarbeitenden und Helferinnen und Helfern die Motivation beibehalten, sowie professionell und zielstrebig die Arbeit fortsetzen. Andererseits gab es aufgrund der unsicheren kurzfristigen Entwicklung viele Schwierigkeiten in den unterschiedlichsten Bereichen – von den Organisation und Planung bis hin zu ganz normalen Abläufen wie die Einhaltung von Lieferketten und Terminen bei Materialbestellungen. Ueli Schwarz, schon an den Weltmeisterschaften 2009 involviert und in einer ähnlichen zentralen Rolle tätig, hoffte zu Beginn noch, dass das Turnier nicht ganz abgesagt würde und man 2021 auf dem bisher Erarbeiteten weiterfahren könnte. Diese Hoffnung musste begraben werden, da das finanzielle Risiko auch für 2021 aufgrund der Unvorhersehbarkeit der Ereignisse bezüglich Pandemieentwicklung noch Bestand hätte.

HOHER WERTSCHÖPFUNGSVERLUST Neben dem enttäuschenden sportlichen Aspekt, entgeht auch dem Schweizer Verband und den Austragungsorten ein lohnendes Geschäft. Der lokale Veranstalter hat in der Regel die Chance für seine Eishockey Community Nachhaltiges zu generieren und aus Erfahrung weiss man, dass ein solcher Event eine Wertschöpfung von rund 100Millionen–in der Schweiz vielleicht sogar noch mehr–generiert. Hierzulande ist Eishockey zusammen mit Fussball und vielleicht sogar noch vor dem Skisport die populärste Sportart und europaweit liegt die Schweiz im Bereich der Zuschauerzahlen auf dem Spitzenplatz (höchster Zuschauerdurchschnitt in den Profiligen).

Ueli Schwarz bei der Arbeit: Analyse und Expertise beim Sportsender MySports.

KOLLATERALSCHADEN FÜR DIE EISHOCKEYSCHWEIZ UND FÜR ZÜRICH Die Einschätzung von Ueli Schwarz: «Den Kollateralschaden für Zürich und die Eishockeyschweiz zu beziffern oder zu beschreiben, ist ein schwieriges Unterfangen und schwierig in Worte oder Zahlen auszudrücken. Es ist klar, dass Events einer solchen Grössenordnung uns sehr viele Einnahmen einbringen. Diese Einnahmen gehen in die Tasche der Veranstalter, des internationalen Verbands, aber auch natürlich zu allen, die unmittelbar oder auch mittelbar involviert sind. Jede Firma, die aufgrund eines solchen Events Aufträge erhält und entsprechend Umsätze einfährt und Personal einstellt, generiert schlussendlich auch Mehrwertsteuer, Gewinnsteuer, Einkommensteuern und so weiter. Es ist selbstverständlich, dass es finanziell ein Desaster ist, solche Events abzublasen. Es gibt aber auch die emotionale Sicht. Ein grosses Sportevent, mit spannendem Hochleistungssport erzeugt viel Aufmerksamkeit. So erfährt man auch eine Art auch ein Attraktivitätsverlust für einen Standort. Aber ich bin trotzdem froh, dass die Weltmeisterschaften unter diesen Umständen nicht stattfindet. Und 2021 wird die Situation nicht viel anders sein, weil wir im Moment nicht wissen, wie es nächstes Jahr weiter geht. Ich hoffe aber, dass wir die Chance für dieses grossartige Ereignis vielleicht in drei bis vier Jahren wiederbekommen werden.» Und zu weiteren Folgen meint der Experte und Insider, dass in der Post-Corona-Zeit das Verhaltensmuster und gewisse Selbstverständlichkeiten ändern werden: «Ich glaube, dass von all diesen Regeln, die man in den Stadien anwenden muss–wie Social Distancing zum Beispiel–einige logistisch und infrastrukturell sehr schwer umsetzbar sind. Da wird es viele Anpassungen geben müssen wie beispielsweise Ein-und-Auslassregeln, Bestimmungen bezüglich der Toilettengänge, das Management der Stehplätze und vieles mehr. Das ist sicherlich eine absehbare Entwicklung. Wir müssen also auch mit infrastrukturellen Veränderungen rechnen. Ich frage mich: Ist die Zeit der Stehplätze vorbei, da wir nunmehr auf Abstand halten konditioniert sind?» Dass die Erfahrungen mit der Pandemie den Stadionbau in Zürich Altstetten beeinflussen könnte, kann er sich indes nicht vorstellen. Das Stadionkonzept stehe. Man habe die Bauarbeiten nie unterbrochen, das Projekt sei sehr weit fortgeschritten und aus diesem DER INSIDER

Ueli Schwarz war ein gutes Dutzend Jahre Cheftrainer und Sportdirektor in der NLA und stieg als Funktionär zum Liga-Direktor auf. Er war zudem einer der Frontleute bei den Organisationskomitees der Weltmeisterschaften 2009 und der leider der Conona-Pandemie zum Opfer gefallenen WM 2020. Heute bekleidet er viele Mandate – unter anderem ist er Delegierter des Verwaltungsrats beim EHC Biel, strategischer Berater bei der Athletes Management Agentur Sportagon und bei Sportlifeone. Der 56 jährige amtiert zudem als strategischer Berater des SC Langenthal und als TV-Experte beim Sportsender MySports.

Grunde könne sich Schwarz vorstellen, dass für die Betreiberkonzepte gewisse Konsequenzen anstünden.

Für Ueli Schwarz war die Lockdown-Phase ebenfalls einschneidend: «Beruflich ist für mich der Wegfall der Playoffs ein massiver Einschnitt gewesen. Der März und April sind für mich normalerweise als TV-Experte sehr intensive Monate und das wurde alles komplett still gelegt. Das hatte einen Einfluss auf meine berufliche, aber auch auf die wirtschaftliche Situation als selbstständiger Unternehmer. So konnte ich nicht vom ‹warmen Regen› des Bundes profitieren und musste leider auf Einnahmen verzichten. In Sachen WM-Absage war es eine schwierige Angelegenheit. Es hat sehr lange gedauert, bis die definitive Absage kam. Die Ansprüche an unsere Arbeit ist sehr hoch. An jedem Tag, als der Entscheid länger hinausgezögert wurde, ist uns immer klarer geworden, dass wir den geltenden Ansprüchen im emotionalen wie auch qualitativen Sinne kaum noch gerecht werden konnten. Es klingt zwar sehr hart das ich das sage, aber es war schlussendlich der richtige Entscheid, die WM nicht durchzuführen.» ■

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