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Zwischen Therapie und Training: Praxistipps für die Umsetzung

Zwischen Therapie und Training: Praxistipps für die Umsetzung Selbstzahlerbereiche als Erfolgsmodell

Foto: Robert Kneschke – stock.adobe.com

Text: Sascha Tetzlaff

Die Unternehmensfinanzierung im Gesundheitssystem und der Fachkräftemangel sind nur zwei von vielen Herausforderungen für niedergelassene Physiotherapeuten in der heutigen Zeit. Da scheint eine Erweiterung des Angebots hinsichtlich des seit Jahren wachsenden zweiten Gesundheitsmarkts für viele eine attraktive Option. Doch der Eintritt bringt oft einen zeitlichen Mehraufwand und finanzielle Risiken mit sich: Was Sie bei der Planung beachten sollten und auf welche Erfolgsfaktoren es in der Praxis ankommt, erfahren Sie hier.

Trotz erster Weiterentwicklungen in der Berufsausbildung, neuer Tätigkeitsfelder und verschiedener Reformen sieht sich der Berufsstand der Physiotherapeuten bereits seit einigen Jahren wachsenden Problemen und Veränderungen im ersten Gesundheitsmarkt gegenüber. Neben gesetzlich veränderten Rahmenbedingungen, der Abhängigkeit vom gesetzlichen Kassensystem und der ärztlichen Verordnungspraxis sind das vor allem die Finanzierung und der allgegenwärtige Fachkräftemangel. Laut der „Wirtschaftlichkeitsanalyse ambulanter Therapiepraxen“ (kurz: WAT-Gutachten) ist langfristig nur mit einer deutlich erhöhten Vergütung (je nach Heilmittelbereich 42 bis 92 %) der Behandlung gesetzlich versicherter Patienten eine wirtschaftliche Praxisführung möglich (IFK, 2020). Dazu stellt vor allem auch der Fachkräftemangel die über 38.000 in Deutschland niedergelassenen Physiotherapeuten bzw. Physiotherapiepraxen vor Herausforderungen. Die Bundesagentur für Arbeit nahm Physiotherapeuten in ihre „Fachkräfteengpassanalyse“ bereits 2016 als Berufsgruppe mit einem erheblichen Fachkräftemangel auf. Durch die knappe Ressource „Mitarbeiter“ sind die Wachstumsmöglichkeiten für das Geschäftsmodell der „klassischen“ Physiotherapie oftmals stark limitiert.

Steigende Nachfrage nach Gesundheitsangeboten

Dem gegenüber steht durch verstärkte mediale Aufmerksamkeit und ein zunehmendes Gesundheitsbewusstsein eine gestiegene Nachfrage nach Dienstleistungen im zweiten Gesundheitsmarkt. Seit Jahren ist Fitness- und Gesundheitstraining als mitgliederstärkste Trainingsform in Deutschland etabliert und zeigt ein stetiges Wachstum (DSSV, 2020). Durch die immer umfangreichere Studienlage zur positiven Indikation von Muskeltraining als Prävention und Behandlung einer Vielzahl von Erkrankungen zeichnet sich schon lange ein Trend zum ganzheitlich orientierten Gesundheitstraining ab. Dabei wird die Schnittstelle zwischen Rehabilitation, Prävention und Gesundheitstraining immer fließender und zunehmend interessieren sich Physiotherapeuten und Praxisbetreiber für einen gesonderten Selbstzahlerbereich und somit für den unternehmerischen Einstieg in den zwei-

ten Gesundheitsmarkt. Dabei bringen der Eintritt in einen neuen Markt und die Entscheidung für die Erweiterung der Geschäftstätigkeit häufig erhebliche zeitliche und finanzielle Aufwendungen mit sich, wodurch nicht selten ein existenzielles Risiko eingegangen wird. Aufgrund der natürlicherweise beschränkten Ressourcen ist es deshalb von elementarer Bedeutung, die Faktoren für eine erfolgreiche Umsetzung zu kennen und zu berücksichtigen. Doch worauf kommt es an? Bei der Analyse von über 30 Einrichtungen wurden verschiedene Erfolgsfaktoren identifiziert und folgenden fünf elementaren Bereichen zugeordnet (Tetzlaff, 2017):

PERSONAL

Menschen gehen zu Menschen

Sowohl der qualitativen als auch der quantitativen Betreuung der Mitglieder im Trainingsbereich kommt eine große Bedeutung zu. Neben der fachlichen Kompetenz müssen ausreichende Betreuungszeiten für die Ansprüche der Zielgruppe vorhanden sein. Der gesundheitsorientierte Trainierende möchte eher Feedback von Menschen als von Maschinen. Das Personal sollte nicht als Kosten-, sondern als Leistungsträger angesehen werden. Aufgrund des Personalmangels haben sich die Qualifizierung und der Zugang von nichttherapeutischen Mitarbeitern für den Trainingsbereich als ein Erfolg versprechender Weg erwiesen. Interdisziplinäre Teams ergänzen sich, zum Mehrwert für Unternehmen und Kunden. Des Weiteren kann ein Trainingsbereich auch die Arbeitgeberattraktivität durch neue Entwicklungs- und Entfaltungsmöglichkeiten für eine neue Generation von Therapeuten steigern.

Praxistipp 1: Sorgen Sie für mehr Vernetzung und Kommunikation. Fester Bestandteil von Mitarbeitermeetings sollte der Austausch von Physiotherapeuten und Trainingspersonal sein. Das fördert die interdisziplinäre Fachkompetenz und steigert die Akzeptanz des Trainingsbereichs bei den Therapeuten.

VERKAUF

Ganzheitliche Betrachtung

Einen weiteren elementaren Baustein stellt der Verkauf dar. Hierbei muss herausgestellt werden, dass der komplette Prozess und nicht nur das letztendlich daraus resultierende Verkaufsgespräch von großer Relevanz ist. Verschiedene Expertenstatements und Praxiserfahrungen verdeutlichen, dass in diesem Bereich weiterer Unterstützungsbedarf seitens der Unternehmer besteht, da der professionelle Verkauf bisher oft kein klassischer Bestandteil der Therapeutenausbildung ist. Dies wurde durch die Ergebnisse der Untersuchung nochmals bekräftigt. So wirkten sich gut definierte Verkaufsprozesse proportional auf die Mitgliedszahlen und minimierend auf die Marketingaufwände aus. Ebenfalls zeigte die konsequente Förderung von aktiven Weiterempfehlungen als fester Bestandteil des Verkaufsprozesses zahlreiche Vorteile. Dagegen wurden nur geringe bis keine Auswirkungen auf den Unternehmenserfolg durch die Teilnahme der Therapeuten an reinen Verkaufsschulungen deutlich. In der Praxis zeigt sich häufig, dass Therapeuten eben nicht zu Verkäufern werden, sich aber durchaus mit der Empfehlung sinnhafter Maßnahmen arrangieren können. Das unterstreicht die Bedeutung der Analyse und Definition der kompletten

Handlungskette des Verkaufsprozesses sowie des Einsatzes des „richtigen“ Personals an der richtigen Stelle.

Praxistipp 2: Für den Verkauf sollten Sie, wenn möglich, geschulte Gesundheitsberater einsetzen und nicht Therapeuten „zwanghaft“ zu Verkäufern transformieren. Dennoch lohnt es sich hier, gezielt und kontinuierlich auch diese weiterzuentwickeln bzw. zu sensibilisieren. Zusätzlich sollten Sie die wichtigsten Kennzahlen des Verkaufsprozesses erfassen und in regelmäßigen Abständen auswerten.

Schnittstellen erkennen und sinnvoll nutzen

Überschneidend mit dem Thema Verkauf stellt die Verknüpfung zwischen Therapie- und Trainingsbereich einen der wichtigsten unternehmerischen Prozesse dar. Betrachtet man sich die Mitbewerber aus der Fitnessbranche, so lässt sich schnell der potenzielle Vorteil erkennen, dass sich die primäre Zielgruppe – Patienten – bereits in einer Therapieeinrichtung befindet. Dieser Vorteil wird jedoch nur dann zum Tragen kommen, wenn er mit einer guten Vernetzung, einem durchdachten Konzept und einer klaren Nutzenkommunikation einhergeht. Die Auswertungen bestätigen, dass die Einrichtungen, die ein klares Konzept zur Überführung von Patienten in den Trainingsbereich konsequent umsetzen, deutlich bessere Betriebsergebnisse vorweisen können als Einrichtungen, die dies nicht tun. In der Praxis zeigt sich jedoch immer wieder, dass eine der größten Herausforderungen in diesem Zusammenhang die unterschiedliche Betrachtungsweise von Inhabern und Therapeuten ist.

Praxistipp 3: Neben der Implementierung Ihres durchdachten Konzepts müssen Sie unbedingt die Mitarbeiter von Anfang an „mitnehmen“. Sie müssen Ihre Vision und Ihre Ziele, die Sie mit der Erweiterung verfolgen, aufzeigen und den Nutzen sowie die Vorteile für Patienten, das Team und die Einrichtung klar kommunizieren.

AUSSENDARSTELLUNG

Das Auge trainiert mit

Der Bereich „Außendarstellung“ ist ebenfalls wichtig. Dabei umfasst die Außendarstellung neben den Kriterien zur Außenwahrnehmung auch den immer wichtiger werdenden digitalen Marketingauftritt (Website, Facebook usw.) und subjektive Eindrücke innerhalb der Einrichtung. So zeigt sich z.B. die Wichtigkeit des ersten Eindrucks des Trainingsbereichs und der Räumlichkeiten. Menschen, die ihre Freizeit „opfern“, möchten sich in der Einrichtung wohlfühlen. Hier ist klar zwischen einer medizinisch-funktionalen Ausstattung im Therapiebereich und einer Förderung des Wohlbefindens sowie der Community im Trainingsbereich, der große Bedeutung zukommt, zu unterscheiden. Zum Beispiel können schon durch eine optisch ansprechende Trainingsfläche mit additiver „Kaffee-Ecke“ neue Möglichkeiten geschaffen und das Zugehörigkeitsgefühl der Mitglieder gefördert werden.

Praxistipp 4: Schaffen Sie einen attraktiven Trainingsbereich und die entsprechenden Räumlichkeiten und setzen Sie dieses neue Zusatzangebot auch in der Außendarstellung und Vermarktung optimal in Szene.

UNTERNEHMERTUM

Weiterentwicklung forcieren

Verknüpft man diese vier Erfolgsbausteine miteinander, so ergibt sich ein übergeordneter fünfter Bereich, nämlich der des innovativen und kundenorientierten Unternehmers. Hier ist Umdenken gefragt: Therapeuten sollten sich vom reinen „Behandler“ zum Unternehmer weiterentwickeln und die eigene Einrichtung auch so führen. Ziel muss es sein, langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben und auch neue Geschäftsfelder zu erschließen. Sich für diese Aufgaben die nötige Zeit zu nehmen und aus dem Arbeitsalltag herauszuziehen, fällt vielen in der Praxis schwer. Ziel muss es aber sein, nicht nur operativ im Unternehmen, sondern auch strategisch an der Weiterentwicklung des Unternehmens kontinuierlich zu arbeiten.

Praxistipp 5: Blocken Sie sich jede Woche an einem Tag oder an zwei ein festes Zeitbudget für ausschließlich unternehmerische Aufgaben. So schwer es fällt: Informieren Sie alle Mitarbeiter, dass Sie währenddessen für keine Behandlungstermine zur Verfügung stehen. Nutzen Sie dieses zusätzliche Zeitfenster, um gezielt an der Weiterentwicklung und damit an dem langfristigen Geschäftserfolg zu arbeiten.

Fazit

Letztendlich sind eine klare Fokussierung auf die Kernkompetenzen und Zielgruppen, ein gut durchdachtes Konzept, eine nutzerorientierte, zeitgemäße Kommunikation und motivierte Mitarbeiter der Schlüssel, um in der Praxis einen Selbstzahlerbereich zu realisieren. Durch diesen ergänzenden Geschäftsbereich können Zusatzeinnahmen generiert werden und gleichzeitig finden Kunden nachhaltige Unterstützung für mehr Lebensqualität.

Foto: DHfPG/BSA

Sascha Tetzlaff

Sascha Tetzlaff, M. A. Prävention und Gesundheitsmanagement, verfügt über langjährige Branchenerfahrung im zweiten Gesundheitsmarkt in den Bereichen Fitness und Physiotherapie. Er arbeitet als pädagogischer Mitarbeiter und Dozent an der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement (DHfPG) im Fachbereich Management. www.dhfpg-bsa.de

Auszug aus der Literaturliste

DSSV e. V. – Arbeitgeberverband Deutscher Fitness- und Gesundheits-Anlagen (2020). Eckdaten 2020 der deutschen Fitness-Wirtschaft. Hamburg: Hrsg. Geraedts, P. (2019). Die Geschichte der Physiotherapie. Von der antiken Heilgymnastik zum modernen Gesundheitsberuf. Wiesbaden: Springer Gabler. Für eine vollständige Literaturliste kontaktieren Sie bitte marketing@dhfpg-bsa.de.

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