Leitlinien für operative Maßnahmen in der Kommunikation des Welterbes

Page 1


ABSCHLUSSDOKUMENT:

ZUSAMMENFASSUNG und ZIELE

Arbeitsgruppe „Kommunikation“

Netzwerk Förderung des nachhaltigen Tourismus der Stiftung Dolomiten UNESCO

v. 08/11/2024

verabschiedet vom Verwaltungsrat mit Beschluss Nr. 04_a)-b)/05.2024 herausgegeben vom Netzwerk Förderung des nachhaltigen Tourismus

Fondazione Dolomiti - Dolomiten - Dolomites - Dolomitis UNESCO Loc. Acquabona n. 30 - 32043 Cortina d’Ampezzo (BL) – Tel. 0436/867395

St.-Nr. 93044760259 – MwSt. 01111150254 press@dolomitiunesco.info – www.dolomitiunesco.info

Die Dolomiten wurden 2009 zum „Welterbe“ erklärt. Die UNESCO-Anerkennung bestätigt die Einzigartigkeit dieses Gebiets sowohl aus wissenschaftlicher als auch aus ästhetischer Sicht. Zugleich mahnt sie zu einem stetigen Engagement, um die Integrität der Dolomiten zu schützen und die zugrunde liegenden Werte zu fördern. Die Welterbekonvention, die die „Liste“ der Güter von anerkanntem universellem Wert ins Leben gerufen hat, verpflichtet die Gemeinschaften, die außergewöhnlichen Werte, die mit der Anerkennung verbunden sind, klar zu identifizieren und für zukünftige Generationen zu bewahren. Dies erfordert eine nachhaltige Verwaltung des Gebiets sowie die sorgfältige Berücksichtigung aller möglichen direkten oder indirekten Einflussfaktoren. Die Konvention betont die Bedeutung von Bildung, Information und Kommunikation, da nur durch die Stärkung „des Respekts und der Verbundenheit der Menschen mit dem Kultur- und Naturerbe“ dessen Erhaltung gewährleistet werden kann. Immer häufiger wird die „UNESCO-Anerkennung“ als allgemeine Bestätigung der „Schönheit“ eines Ortes wahrgenommen, während das Zusammenspiel aus naturwissenschaftlichen, landschaftlichen und kulturellen Werten, auf die sich die Anerkennung bezieht, oft in den Hintergrund rückt. Die Stiftung Dolomiten UNESCO bemüht sich darum, ein Besuchserlebnis zu fördern, das auf einer bewussten und respektvollen Nutzung des Gebiets basiert. In diesem Zusammenhang spielt Kommunikation eine strategische Rolle. Aus diesem Grund hat die Stiftung einen Austausch zwischen Vertretern der verschiedenen betroffenen Gebiete und Institutionen initiiert.

GRUNDANNAHMEN:

1. Die Art und Weise sowie die Inhalte, mit denen die Kommunikation über die Bergwelt erfolgt, insbesondere in Bezug auf touristische und freizeitliche Aktivitäten wie Wandern, Bergsteigen, Sport- und Kulturveranstaltungen, haben einen erheblichen Einfluss auf Verhaltensweisen oder Einstellungen, die potenziell unangemessen oder sogar gefährlich sein können, sowohl für die Menschen, die in den Bergen unterwegs sind, als auch für die betroffenen Gebiete.

2. Das Problem hat sich in den letzten Jahren durch die Verbreitung sozialer Medien verschärft. Diese haben neue Formen der digitalen Kommunikation mit sich gebracht, die sich der Planung und Kontrolle durch die zuständigen Gebietskörperschaften entziehen. Dadurch werden gelegentlich Darstellungen und Eindrücke verbreitet, die den Prinzipien der Stiftung Dolomiten UNESCO sowie den Werten, die der UNESCO-Anerkennung zugrunde liegen, widersprechen.

3. Abgesehen von den Kommunikationsflüssen, die aus nicht kontrollierbaren Quellen auf digitalen Plattformen stammen (Influencer, YouTuber, Blogger, aber auch einfache Touristen, die Bilder und Videos posten und teilen) muss auch die Vielzahl an möglichen Kommunikationsquellen berücksichtigt werden, die von Akteuren im Gebiet ausgehen. Dazu gehören Einrichtungen, Institutionen, Tourismusorganisationen, Unternehmen sowie private Anbieter aus dem Tourismussektor, oft auch die Bewohner der Dolomiten selbst. Es bedarf eines stärkeren Bewusstseins, da alle – wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß – Träger und Akteure der Kommunikation sind.

4. Das steigende Besucheraufkommen in den Bergen sowie die stark veränderten Besucherprofile erfordern gezielte Maßnahmen, um die nachhaltige Entwicklung zu sichern und die mit den geografischen, klimatischen und geologischen Gegebenheiten des Hochgebirges verbundenen Risiken zu minimieren. Diese Maßnahmen sollten sowohl die Kommunikation umfassen, etwa durch nudging (Empfehlungen, Erklärungen) und warning (Hinweise auf Gefahren und mögliche Konsequenzen), als auch regulierende Maßnahmen beinhalten, die mit positiven und negativen Anreizen (sticks and carrots) individuelles Verhalten lenken. Darüber hinaus ist eine Informations- und Bildungsarbeit notwendig, um insbesondere die Werte zu vermitteln, die die Dolomiten als Welterbe definieren.

GRUNDLEGENDES ZIEL:

Ausgehend von diesen Grundannahmen ist das Ziel der Stiftung, einen korrekten, bewussten und verantwortungsvollen Umgang mit den verschiedenen Kommunikationsformen zu fördern, die von allen direkt beteiligten Akteuren genutzt werden, angefangen bei den Bewohnern der Dolomiten selbst. Es soll eine Nutzung der touristischen Gebiete der Dolomiten gefördert werden, die im Einklang mit den Prinzipien und Werten der UNESCO-Anerkennung steht und für deren Vermittlung sich die Stiftung einsetzt.

SCHLÜSSELELEMENTE FÜR DIE KOMMUNIKATION:

1. Die Werte, auf denen die UNESCO-Anerkennung beruht, sollen als Inspiration dienen, insbesondere hinsichtlich des Bewusstseins für die Grenzen, die diese Anerkennung in der touristischen Nutzung mit sich bringt, will man die Anerkennung erhalten. Ein kollektives Engagement ist erforderlich, um die Integrität der Werte zu sichern, auf denen die Anerkennung

basiert. Dazu gehören die Erhaltung der Natur und Landschaft des Gebiets ebenso wie die Sicherung der Qualität des Besuchserlebnisses, was auch ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Bewohnern und Besuchern impliziert.

✓ Folglich muss die Kommunikation des Gebiets und der dort angebotenen touristischen/freizeitlichen Aktivitäten, einschließlich Veranstaltungen und Events, von den grundlegenden Werten der UNESCO-Anerkennung inspiriert und mit ihnen in Einklang stehen.

2. Es ist auf die Lenkung der Besucherströme zu achten, insbesondere im Hinblick auf das Phänomen des Overtourism, das viele Gebiete der Dolomiten betrifft. Während die Zunahme der Besucherzahlen in weniger bekannten Gegenden aus sozioökonomischer Sicht positiv sein kann, gibt es auch Gebiete, sogenannte Hotspots, in denen in bestimmten Zeiten des Jahres das annehmbare Maß an anthropogenem Druck überschritten wird. Dies führt zu Umweltschäden (Auswirkungen auf das Ökosystem), sozialen Problemen (Beziehungen zwischen Touristen und Einheimischen) und potenziell auch zu wirtschaftlichen Folgen (Verschlechterung der Qualität des Besuchserlebnisses und der damit verbundenen verringerten Wiederbesuchsrate).

✓ Die Kommunikation muss darauf abzielen, das Bewusstsein für die Besucherströme zu schärfen, die negativen Auswirkungen des Overtourism zu berücksichtigen und, in Absprache mit den Akteuren/Entscheidungsträgern, eine ausgewogene Verteilung der Besucher im Dolomitengebiet zu fördern und zu unterstützen.

3. Die Klimakrise und ihre Auswirkungen für die Nutzung des Berggebiets sind zu berücksichtigen: Die Zunahme extremer Wetterereignisse sowie Veränderungen in den hydrogeologischen Prozesse hinterlassen deutliche Spuren in der alpinen Umwelt und der Landschaft und beeinflussen somit auch das Besucheraufkommen. Hydrogeologische Instabilität, Schneemangel, Wasserknappheit in höheren Lagen sowie stark wechselhafte und unvorhersehbar intensive Wetterverhältnisse wirken sich auf das touristische Angebot und die Möglichkeiten für Wander- und Bergsportaktivitäten in den Dolomiten aus.

✓ Die touristische Kommunikation muss diesem klimatischen Paradigmenwechsel Rechnung tragen und eine vorsichtige sowie bewusste Nutzung des Berggebiets angesichts der Folgen des Klimawandels fördern.

4. Die neuen Formen des Bergbesuchs sind zu berücksichtigen und es ist notwendig, auf das Bewusstsein der Besucher hinsichtlich achtsamen Umgangs mit der alpinen Umwelt einzuwirken. Die zunehmende Zahl von Bergbesuchern in den letzten Jahren ist nicht immer mit einem ausreichenden Bewusstsein für die Gefahren einhergegangen, die mit Aktivitäten in den Bergen verbunden sind Dies hat Auswirkungen, die sich zunächst auf die Wahrnehmung von Sicherheit und Risiko beziehen, sich aber auch auf die Nachhaltigkeit des Erlebnisses ausweiten. Oft entstehen Erwartungen, manchmal sogar Forderungen, nach bestimmten Dienstleistungen und Standards, die das verletzliche alpine Ökosystems gefährden können

✓ Die Kommunikation muss darauf abzielen, das Bewusstsein der Besucher zu stärken, und soll auch dazu beitragen, bestimmte Verhaltensweisen oder Einstellungen zu verhindern. Sie darf auf keinen Fall zu Aktivitäten anregen, die die Besucher in eine mit dem Aufenthalt in den Bergen verbundene Gefahr bringen könnten. Die Kommunikation im alpinen Bereich kann vielmehr zu einem Bildungsinstrument werden, das hilft, die eigenen Grenzen und die der Umwelt, in der man zu Gast ist, besser zu verstehen und zu respektieren.

LEITLINIEN FÜR OPERATIVE MASSNAHMEN IN DER KOMMUNIKATION DES WELTERBES:

a) Die Verbreitung der genannten Grundsätze bei allen Institutionen, Organisationen, Unternehmen sowie den Bewohnern, die in der Kommunikation über das Berggebiet tätig sind, fördern.

b) Formen und Inhalte der Kommunikation entwickeln, die mit den genannten Prinzipien übereinstimmen, auch in Zusammenarbeit mit einigen dieser Akteure. Dabei sollen Methoden des nudging (Anregung zu richtigem Verhalten durch angemessene Motivation) mit dem warning (Hinweis auf die negativen Folgen von falschem Verhalten) kombiniert werden.

c) Die Verbreitung einer neuen Bergkultur fördern, auch in Zusammenarbeit mit anderen zuständigen Einrichtungen (z. B. den alpinen Vereinen (AVS und CAI), Bergrettungsdiensten, Bildungseinrichtungen etc.), insbesondere auch bei jüngeren Altersgruppen, beginnend in den Schulen.

d) Formen der Zusammenarbeit mit journalistischen und informativen Medien aufbauen, um die Verbreitung von Botschaften zu erleichtern, die Verantwortungsbewusstsein fördern und mit den zuvor genannten Prinzipien übereinstimmen.

e) Die Darstellung des Welterbes der Dolomiten fördern, wobei der Fokus auf Inhalten liegen sollte, die die naturwissenschaftlichen, landschaftlichen und kulturellen Werte hervorheben und nicht ausschließlich die „Schönheit“ der Orte betonen

f) In den Dolomitengebieten Formen der Diskussion und des Austauschs fördern, die Institutionen, Organisationen, Unternehmen und die ansässige Bevölkerung einbeziehen, um ein gemeinsames Verständnis der genannten Prinzipien zu schaffen.

g) Mit den politischen und institutionellen Organen der betroffenen Gebiete zusammenarbeiten, um Normen, Regeln und Bestimmungen einzuführen, die mit den genannten Zielen und Prinzipien übereinstimmen sowie Monitoringformen zu etablieren.

h) Falls mit Influencern, Bloggern oder YouTubern zusammengearbeitet wird, sollte die Verbreitung digitaler Inhalte gefördert werden, die mit den oben genannten Prinzipien übereinstimmen.

ANMERKUNG

ZUR METHODIK

Das Netzwerk Förderung des nachhaltigen Tourismus der Stiftung Dolomiten UNESCO hat im Rahmen der Ziele des Arbeitsprogramms 2024 eine Arbeitsgruppe gegründet. Diese setzt sich aus Fachleuten aller betroffenen Gebieten zusammen, um die Herausforderungen der Werbekommunikation im Gebiet des Dolomiten UNESCO Welterbes eingehend zu untersuchen. Die Mitglieder der Gruppe sind Fachleute, die sich in ihren jeweiligen territorialen Organisationen mit Themen wie Tourismus und Marketing befassen. Sie haben sich ausgetauscht, um Prinzipien und Leitlinien für die Kommunikation zu erarbeiten, die den Werten, der Verletzbarkeit und den Herausforderungen des Welterbes Rechnung tragen. Die Arbeitsgruppe setzte sich aus folgenden Teilnehmern zusammen:

Lucia Fenti – Netzwerkkoordinatorin für die Provinz Belluno

Mara Nemela – Direktorin der Stiftung Dolomiten UNESCO

Mauro Pascolini – Vertreter des wissenschaftlichen Beirats der Stiftung Dolomiten UNESCO

Giulia Gelmi – Stiftung Dolomiten UNESCO

Giambattista Zampieri – Stiftung Dolomiten UNESCO

Damiano Tormen – Provinz Belluno

Elisa Calcamuggi – DMO Dolomiti Bellunesi

Leonardo Stramare – DMO Dolomiti Bellunesi

Sara Zappini – Provinz Trient

Chiara De Pol – Trentino Marketing

Stefani Zadra – Trentino Marketing

Morena Quaresimin – Region Veneto

Elisa Tamburlini – PromoTurismo FVG

Manuela Summerer – IDM Südtirol

Elisabeth Berger – Provinz Bozen - Südtirol

Marcella Morandini – Provinz Bozen - Südtirol

Die Arbeitsgruppe wurde wissenschaftlich von Umberto Martini, Professor für Wirtschaft und Management an der Universität Trient, koordiniert. Dank der Unterstützung von Professor Martini wurden die Diskussionsthemen auf Grundlage der Analyse des Periodic Reports festgelegt. Ab Februar fanden vier Online-Sitzungen mit einer Dauer von jeweils zwei Stunden statt, in denen vier Themenbereiche behandelt wurden und mehrere Experten zu Wort kamen, um die Diskussion anzustoßen. Das erste Treffen wurde den Themen WertedesWelterbesunddas Bewusstsein fürGrenzen (Integrität,Authentizität) gewidmet und beinhaltete Beiträge von Mara Nemela, der Direktorin der Stiftung, sowie von Professor Mauro Pascolini. Es folgte ein Treffen zum Thema Besucherlenkung und das Phänomen des Overtourism mit einem Beitrag von Matteo Viviani, dem Direktor des Naturparks Adamello-Brenta UNESCO Global Geopark Beim dritten Treffen lag der Schwerpunkt auf der Klimakrise und ihren Auswirkungen auf die Nutzung des Gebiets. Dazu gab es Beiträge des Glaziologen Jacopo Gabrieli und des Marketingdirektors von Dolomiti Superski, Marco Pappalardo. Die Gruppe schloss ihre Arbeit mit einem Treffen zum Thema VorsichtundBewusstseinderBesucher ab, bei der Alex Barattin, Delegierter des Bergrettungsdienstes der Dolomiti Bellunesi, als Gastreferent sprach.

Am Ende jedes Treffens wurde eine Zusammenfassung der Diskussion erstellt. Diese Zusammenfassungen flossen in den Entwurf dieses Abschlussdokuments ein, der während der Präsenzsitzung der Arbeitsgruppe am 11. September in Trient überarbeitet wurde.

Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.