Design Magazine Special Issue Nº 1, Nov 2016
€ 7.50
41 90 9 6 6 5 0 7 5 0 0 01
Kunststoff/ Plastics
↗ feature
KLASSIKER DER KUNSTSTOFFGESCHICHTE
Hrsg. Wolfgang Schepers für Kunststoff-Museums-Verein e.V., mit Dietrich Braun, Uta Scholten, Friederike Waentig 144 Seiten, broschiert, Softtouch-Haptik, 17 x 21 cm ISBN 978-3-89986-244-7 € 24,90 (D)
PLASTIC ICONS. DESIGN-IKONEN AUS KUNSTSTOFF Anlässlich des Jubiläums 30 Jahre Kunststoff-Museums-Verein Begleitbuch zur Ausstellung im NRW-Forum Düsseldorf Kunststoff-Sammlung mit über 15.000 Objekten
Editorial Seit fast 60 Jahren widmet sich form Themen der Gestaltung und verortet diese im jeweiligen gesellschaftlichen Kontext. Seit seiner Gründung verfolgt das Magazin dabei einen disziplinübergreifenden Ansatz. In diesem Sinne etablieren wir mit der vorliegenden, ersten Ausgabe von form feature eine neue Publikationsreihe, die sich jeweils monothematisch mit einer aktuellen fachlichen Entwicklung auseinandersetzt. Dabei kann es sich, um ein Material handeln, aber auch weitere, das Design beeinflussende Technologien, Methoden, Konzepte oder Projekte. Dabei liegt unsere Absicht vor allem darin, Sachverhalte zu erörtern, die jenseits schnelllebiger Lifestyletrends oder kapriziöser Marketingstrategien liegen. Für den konstruktiven und ideenreichen Brückenschlag von der Welt der Kunststoffe zum Design bedanken wir uns sehr herzlich bei Chris Lefteri und seinem Team. Und Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, wünschen wir eine anregende Lektüre.
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Introduction Kunststoff – Eine Einführung Bridging the Gap Text: Chris Lefteri
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Interview Rohstoff weiterdenken Designing Plastic Worlds
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Zukunft erfinden The Future and How to Get There Text: Chris Lefteri
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Cool Finish Plastik, was geht? Text: Daniel Liden
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Case Study Aus einem Guss Running Experiments Text: Chris Lefteri
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Imprint, credits
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For almost 60 years, form has addressed issues of design, locating them in their respective social context. Since its inception, the magazine has followed a multidisciplinary approach in order to achieve this. In this vein, with this inaugural edition of form feature, we are establishing a new publication series in which each individual edition engages monothematically with a topical, specialist development. This could revolve around a material, but also technologies, methods, concepts or projects that influence design are feasible. Our intention is, above all, to discuss matters that lie beyond short-lived lifestyle trends or capricious marketing strategies. For constructively and imaginatively spanning the divide between the worlds of plastics and design, we are deeply grateful to Chris Lefteri and his team. And for you, dear readers, may this be an inspiring and enjoyable read.
Stephan Ott, Chefredakteur/Editor-in-Chief
form feature Nº 1, Nov 2016
form feature Nº 1, Nov 2016 Kunststoff/Plastics
Design Magazine Established 1957
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Kunststoff – Eine Einführung
Introduction
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Kunststoff/Plastics form feature Nº 1, Nov 2016
Bridging the Gap
Text: Chris Lefteri
Innovation in Material und Design unterliegt mehreren Faktoren, aber für mich liegt einer der wertvollsten in der Interpretation von Information. Es kommt auf den Moment an, in dem man die Information über ein bestimmtes Material erhält und wie diese Information kreativ interpretiert und angewendet wird. In meinem Studio konzentrieren wir uns darauf, Designer mit Kunststoffen und deren Anwendungen zu verbinden. Die beste Art und Weise diesen Prozess und somit innovative Anwendungen in Gang zu setzen, ist, Gespräche zu führen; und wenn Sie Gespräche über Kunststoffe führen wollen, ist die K-Messe, die im Oktober wieder in Düsseldorf stattfinden wird, ein guter Startpunkt. Die Messe bietet ein großartiges Netzwerk, um Designer zu unterstützen, Partner im Kunststoffbereich zu finden, für Materiallieferanten schafft sie die Möglichkeit, Designer kennenzulernen.
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Innovation in material and design comes from many factors, but for me one of the most valuable one lies in the interpretation of information. It is all about the moment one is given information about a certain material and how that information is creatively interpreted and applied. It’s at the centre of how my studio works to link plastics to designers and their applications. The best way to initiate this process and thus innovative applications is to have conversations; and if you want to have conversations about plastics a good place to start is the K trade fair, which again opens its doors in October in Düsseldorf. The trade fair is a great networking platform to help designers find partners in plastics and material suppliers find designers. Übersetzung: Stephan Ott
Bei der Entwicklung neuer Anwendungen und Materialien geht es um das Teilen von Wissen und oftmals auch um das Schließen von Lücken: geo grafische Lücken, Lücken zwischen physischen Mustern und virtuellen Onlineinformationen oder auch der Lücke zwischen Gemeinschaften, die unterschiedliche Sprachen sprechen, nicht im
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The development of new applications and materials is about sharing knowledge and often about bridging gaps: geographical gaps, gaps between the physical sample and virtual information online, and the gap between communities, who use different languages based not on geography, but because of the industry they work in. By this I mean
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geografischen Sinne, sondern aufgrund der ver schiedenen Industrien, in denen sie arbeiten. Damit meine ich technische Informationen, die von Wissenschaftlern oder Ingenieuren über Kunst stoffe bereitgestellt werden und konkrete Eigen schaften beschreiben, aber oft in ungegenständ liche, emotionale Produktanwendungen übersetzt werden müssen. Zum Beispiel, um zu verstehen, wie die Wendung „thermische Leitfähigkeit“ in eine taktile Empfindung übersetzt werden kann, wie warm oder kalt sich ein Produkt anfühlt und wie wichtig dies für die authentische Produktkommu nikation einer kundenorientierten Marke sein kann, fassen Sie den Türgriff eines Autos an, der aussieht, als sei er aus Metall, nur um vom sich wärmer anfühlenden Kunststoff getäuscht zu wer den. Meine Leidenschaft galt immer den Möglichkeiten, diese Lücken zu schließen, herauszufinden, wie die Informationen, die von einem Ingenieur vorgegeben werden, dahin gehend neu aufzubereiten sind, dass sie für Designer eine Bedeutung bekommen. Es geht um Storytelling und Entdeckung. Allerdings können diese Entdeckungen von Designern auch ermüdend sein, wenn sie in Ihre Welt blicken und Sie mit merkwürdigen Fragen belästigen. Das ist nicht überraschend, wir als Designer fragen merkwürdige Dinge über diese Kunststoffe. Es liegt in unserer Natur, neugierig zu sein und zu fragen: Was pas siert, wenn …? Lücken zu schließen, zwischen Informationen, die von Materiallieferanten bereitgestellt werden, und einer Designanwendung, ist nicht einfach, zum Teil deshalb, weil Kunststoffe und andere Materialien inklusive der Rolle, die sie im Design spielen, sich schnell weiterentwickeln. Die Rolle, sie in eine greifbare Form zu übersetzen, wird zunehmend schwieriger, wie Ezio Manzini in seinem Buch „The Material of Invention“ schrieb: „Es ist, wie wenn man versucht, ein Foto zu machen, während das Motiv permanent in Bewegung ist.“1 Wenn Sie dies mit der Herausforderung koppeln, Informationen über Hunderte von Möglichkeiten zu haben, Kunst stoffe umzuwandeln, zusätzlich zur Komplexität globaler Produktion, Zulieferketten und dem Erlan gen von Kenntnis im Formenbau oder den Sorten von Biopolymeren, die jedes Jahr mehr zu werden scheinen, dann erkennen Sie, dass ein großes Maß an Wissen notwendig ist. Es bedarf neuer Werk zeuge, um Designern zu ermöglichen, die sich ver ändernden Beziehungen zu Materialien, Prozessen und Produkten, auf die sich Manzini bezieht, zu nutzen, zu beeinflussen und zum Ausdruck zu bringen.
technical information supplied with plastics by scientists or engineers that describe tangible properties, which often need to be translated into intangible emotive applications in a product. For example, understanding how the term “thermal conductivity” can be translated into a tactile sensation of how warm or cold a product feels and how that might be important in communicating the authenticity of a material in a consumer brand: hold a car door handle that looks like metal only to be deceived when it has the warmer feel of plastic. I have always been passionate about ways to bridge these gaps, find out how to refocus the information given by an engineer into something that has meaning for a designer. It’s about storytelling and discovery. However, sometimes these discoveries can be weary of odd designers, peering into their world and prodding them with odd questions. This is not surprising, we as designers do ask strange things of these plastics. It is in our nature to be curious and to ask: What happens if …? Bridging the gap between information that is supplied by material suppliers and a design application is not easy, partly because plastics and other materials, and the role they have in design, continue to be rapidly evolving. To translate the role into a tangible form becomes increasingly difficult as Ezio Manzini wrote in his book, “The Material of Invention”: “It’s like trying to capture a photograph when the subjects are in constant motion.”1 Combine that with the challenge of having information available about the hundreds of ways plastics can be converted, together with the complexity of global production, supply chain, and procurement, the sophistication of mould design or the grades of biopolymers that grow in numbers seemingly with every season and you realise it requires a huge amount of knowledge. It requires new tools in order to enable designers to utilise, manipulate, and express the changing relationship we have with materials, processes, and products that Manzini is referring to. How do plastics suppliers communicate the right information to designers? As a growing sector within the profession, the CMF (Colour, Material, Finish) sector of design studios has evolved into a significant part of most design organisations – from consumer electronics to sports shoes, it is increasingly important in terms of material selection, manufacturing solutions applied through the lens of consumer trends, and strategic growth for brands. But even with the growth of this sector there still seems no advancement in the supply
1 Ezio Manzini, The Material of Invention: Materials and D esign, Cambrigde, London: The MIT Press, 1989.
1 Ezio Manzini, The Material of Invention: Materials and Design, Cambrigde, London: The MIT Press, 1989.
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Kunststoff/Plastics form feature Nº 1, Nov 2016
Wie vermitteln Kunststofflieferanten die richtigen Informationen an Designer? Als wachsendes Segment innerhalb der Branche hat sich die CMF (Colour, Material, Finish)-Abteilung von Design studios zu einem wesentlichen Teil von Unter nehmen im Design entwickelt – von der Unterhal tungselektronik bis zu Sportschuhen –, der Materialauswahl, den auf Konsumententrends ab gestimmten Fertigungslösungen und dem strate gischen Markenwachstum kommen wachsende Bedeutung zu. Aber trotz des Wachstums in diesem Segment, scheint es in der Lieferkette innerhalb großer Gesellschaften kaum Fortschritt zu geben, der wirkliche Innovation in diesem Bereich erlaubt; mit Einkaufsabteilungen, die das letzte Wort haben, obwohl Anwendung sowie Produktions- und Ver marktungsmethoden der Materialien zunehmend populärer werden. Ein Problem, das die meisten Designer kennen. Aber wenn Sie sich anschauen, wie Apple seine Geräte und seine Geschichten kommuniziert oder wie Microsoft sein neues Surface Pro 4 kommuniziert hat, wird deutlich: es geht um Geschichten über Materialien und Her stellungsprozesse. Wenn Sie sich darüber hinaus im Internet umschauen, werden Sie bemerken, dass das Interesse daran, wie Dinge gefertigt werden, weit über das Design hinausgeht. Kunden wollen Geschichten hören, wie Dinge gemacht werden und aus was sie gemacht sind, was belegt, dass wir uns nach Geschichten rund um Materialien sehnen. Auf der anderen Seite fangen viele Kunststoff lieferanten an zu akzeptieren, dass Design ein wichtiger Kunde ist, der auf andere Art und Weise angesprochen werden muss als ihre traditionellen, eher technisch orientierten Kunden. Das heißt, andere und in der Tat bessere Informationen über die Art und Weise einzufordern, wie Kunststoff – als Material – die Sprache des Konsums sprechen kann. Bei der emotionalen Entscheidung, warum wir eine Marke oder bestimmte Produkte auswählen und nicht andere, kommt es darauf an, wie sich ein Produkt anfühlt, wenn wir es berühren und in den Händen halten. Andererseits geht es auch um die beste Materialverwendung hinsichtlich ökologischer Betrachtungen. Zum Beispiel können wir mit der Verlängerung der Lebensdauer durch das Entwerfen begehrenswerter Produkte, die die Verfügbarkeit hinterfragen, und mit dem Ver ständnis, welche biobasierten Kunststoffe in welcher Industrie eingesetzt werden können und welche Fertigung möglichst kohlenstoffeffizient ist, eine Zäsur zugunsten der Umweltverträglichkeit von Kunststoffen markieren. Zweifelsohne ist dies eine komplexe Aufgabe. Eine nur 77 Kilometer lange Fahrt mit Ihrem Auto entspricht dem Rohölverbrauch, den ein
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chain within large corporations to allow for enough real innovations in this area. With procurement departments having the last say even though the application of materials and the way they are produced and marketed is becoming more mainstream. An issue that most designers do recognise. But look at the way Apple communicates its hardware in its stories or how Microsoft has communicated their new Surface Pro 4 – these are stories about materials and production. When you look even wider on the Internet you will realise that the interest to find out how things are made goes far beyond design with consumers wanting to be told stories of how things are made and what things are made of, proving that we are hungry for stories told around materials. On the other side many plastics suppliers are beginning to accept that design is an important customer that needs to be addressed in a different way compared to their more traditional technical customers, requiring different and indeed better information on the way plastics – as a material – can speak the language of consumerism. The emotive reasons why we choose one brand or product over another depend on the way a product feels when we pick it up, weigh it in our hands. But on another note it is also about making the best use of material selection in terms of environmental decisions. For example, by extending lifespans to create products of desire that challenge disposability, and by understanding which plastics that are biobased can be used in which industry and which process is the most carbon-efficient, we can start to put a dent in the environmental impact of plastics. Without a doubt this is a complex issue. It only takes driving your car 48 miles to consume the same amount of petroleum as the average household consumption of plastic shopping bags. But in order to be this efficient with the use of plastics designers need knowledge about its various types, how they can be efficiently processed, and who the best partners are to work with for commercialising plastics. After all it’s rare to come across a material that is intrinsically bad, but it’s easy to come across materials that are badly used. What is the solution here? As someone who has worked in the field of materials and recommending their application in products to major consumer brands it is all about the knowledge. By understanding the options that exist for the use of plastics in cars, packaging, electronics, and medicine the design industry can be more sensitive to reducing the amount of plastics by replacing them with stiffer and lighter parts.
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durchschnittlicher Haushalt für Plastiktüten auf wendet. Um jedoch mit Kunststoffen effizient arbeiten zu können, benötigen Designer Wissen über die verschiedenen Sorten, wie diese effizient verarbeitet werden können und welches die besten Partner bei der Vermarktung von Kunststoffen sind. Schließlich kommt es selten vor, auf ein Material zu stoßen, das an sich schlecht ist, Beispiele bei denen Materialien schlecht angewendet wurden, gibt es hingegen viele. Wie lautet hier die Lösung? Für jemanden, der im Materialbe reich gearbeitet hat und große Konsumentenmarken bei der Anwendung ihrer Produkte berät, dreht sich alles um Wissen. Durch das Verständnis der bestehenden Optionen für den Einsatz von Kunststoffen in Autos, Verpackungen, Elektronik oder der Medizin kann die Designindustrie eine Sensibilität dafür entwickeln, wie durch den Einsatz stabilerer und leichterer Teile die Menge an Kunst stoffen insgesamt verringert werden kann. Es ist offensichtlich, dass im Verlauf der vergan genen zehn Jahre Designern bei der Spezifizierung von Materialien eine zunehmend bedeutendere Rolle zugekommen ist, nimmt man die BASF Designfabrik oder Covestros Mustertheke auf der kom menden K-Messe als Beispiele. Es ist eine Initiative, die die Wichtigkeit von Designern als Schlüssel kunden für Materiallieferanten erkannt hat. Trotz dem gehen Produktdesigner, jenseits der Tatsache, Schlüssel bei der Spezifizierung von Materialien zu sein und Beziehungen auszubauen, die Kunden per se haben, auch bei der Entwicklung neuer Einflüsse, Veredlungen und Fertigungsmethoden von Kunststoffen voran. Dies bedingt aber ein grundsätzliches Umdenken seitens der Kunststoff lieferanten, wie sie ihre Materialien kommunizieren, nicht nur Designern, sondern allen ihren Kunden gegenüber. Vieles deutet auf eine Zukunft hin, in der wir Produkte anders konsumieren werden. Das zeigt sich bereits daran, wie wir Autos, Mobiltele fone, Sportausrüstungen und Möbel kaufen und wie uns diese Produkte auf andere Weise viel mehr vermitteln als nur ihren praktischen Nutzen, den sie tatsächlich haben mögen. Allerdings, ist es für Kunststofflieferanten nahezu unmöglich, Informationen über „Emotionen“ anzubieten oder Kunst stoffe in Kategorien wie „Premium“ zu sortieren. Nichtsdestotrotz müssen die Informationen, die Kunststofflieferanten verbreiten, an diese neuen Trends und Kundenbedürfnisse anschließen, nicht zuletzt, um mit Designern ins Gespräch zu kom men, indem sie nämlich Informationen anbieten, die die Lücken kreativ schließen, um letztlich Deutungen und neue Anwendungen zu stimulieren und diese nicht im Keim zu ersticken.
It’s clear that over the last ten years designers have become more important in specifying materials, taking the BASF Designfabrik, and Covestro’s sample bar at the upcoming K trade fair in Düsseldorf as examples. It’s an initiative that has realised the importance of designers as key customers for material suppliers. However, beyond being key in specifying materials and evolving the relationship consumers have, product designers are also leading in the development of new effects, finishes, and ways to process plastics. But it requires a complete rethink by the plastics suppliers in how they communicate their materials, not just to designers, but also to their customers in general. Much points to a future where the way we consume products is going to be different. This can already be seen in the way we buy cars, phones, sports equipment, and furniture and how these products make us feel way more than the practical benefit they might actually hold. However, it is almost impossible for plastics suppliers to offer information about “feelings” or to categorise plastics under terms such as “premium”. Nevertheless, the information that plastics suppliers do put out needs to tap into these new trends and consumer needs in order to engage in the conversation with designers by providing information that creatively bridges the gap to stimulate interpretations and new applications rather than closing them down.
Chris Lefteri (chrislefteri.com), Gründer des gleichnamigen Studios, ist ein international anerkannter Designer, der Mate rialien und ihre Anwendungen im Design verbindet. Seine Errungenschaften in diesem Bereich haben für eine Verbin dung zwischen Materialien und der Designindustrie gesorgt. In den vergangenen 16 Jahren hat er mehrere Bücher zu Design und Materialinnovationen veröffentlicht, die bei D esignern zu einer anderen Sicht auf den Umgang mit Mate rialien geführt haben.
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Chris Lefteri (chrislefteri.com), founder of the studio bearing his name, is an internationally recognised designer that links materials and their applications in design. His achieve ments in this area have created a bridge between the ma terials and design industry. He has published several books on design and material innovations, which have played an i nstrumental role in changing the way designers view and use materials over the last 16 years. k-online.de
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Interview
Rohstoff weiterdenken
Designing Plastic Worlds
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BASF, 1865 – Inspired by History, Darwin, honeybee habitat, design: David Gebka, habitat: Neopolen – highinsulation polypropylene foam with low weight and good deformation performance, wall mount: Ultramid Structure LFX for very high strength and low creep, photo: Gerhardt Kellermann
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BASF, 1865 – Inspired by History, Explorator, camp bed, design: David Gebka, Maximilian Gossler, Hannah Steinmetz, frame: Ultramid Structure LFX, bed surface: Ultraform sheet – easy to stamp and clean after use, photo: Gerhardt Kellermann
← BASF, 1865 – Inspired by History, Alexander, hand blender, design: Hannah Steinmetz, bowl: Ultramid FC – good stability and certified for contact with food, large gearwheel: Ultramid Structure LFX – highly dur able polyamide with long glass fibre reinforcement, small gearwheel: Ultraform – self lubricating, lowfriction plastic, photo: Gerhardt Kellermann
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Interview: Chris Lefteri
Die Kunststoffindustrie steht vor großen Herausforde rungen. Angesichts des globalen Klimawandels muss sie bei der Suche nach umweltverträglichen Lösungen eine Vorreiterrolle einnehmen, ohne dabei die gewohnten Qualitätsstandards beim Einsatz von Kunststoffen aus den Augen zu verlieren. Außerdem gilt es, Interessengruppen wie Designer, die bisher gar nicht oder zu wenig in die Kommunikation eingebunden waren, in die zu künftige strategische Ausrichtung miteinzubeziehen. Chris Lefteri sprach mit Andy Postlethwaite, dem Senior Vice President von BASF Performance Materials für den asiatisch-pazifischen Raum.
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The plastics industry is facing major challenges. In the light of the global climate change, however, it should take a leading role when it comes to looking for environ mentally friendly solutions without suffering losses in established quality standards during the application process of plastics. Furthermore, it becomes necessary to include stakeholders like designers, which haven’t been involved in the process before, in future strategic alignments. On this account Chris Lefteri talked to Andy Postlethwaite, senior vice president of BASF per formance materials for the Asia-Pacific region. Übersetzung: Stephan Ott
Was sind die derzeit bedeutendsten Änderungen in der Kunststoffindustrie? Andy Postlethwaite Eines der Themen, das zunehmend wichtiger wird, ist das der Nachhaltigkeit. Besonders im asiatisch-pazifischen Raum sucht die Industrie nach neuen Lösungen. Derzeit befinden sich dort 13 der weltweit 20 durch den Klimawandel gefährdetsten Städte, weshalb Regierungen zunehmend Gegenmaßnahmen ergreifen, um Nachhaltigkeitsstandards zu setzen und sicherzustellen. Dies hat große Auswirkungen auf die Kunststoffindustrie – hinsichtlich der Materialverwendung, aber auch in Bezug auf die Produktpalette. Von der Gebäudeisolierung, um Energie zu sparen, bis hin zu Leichtbaumaterialien in der Automobilindustrie, um Emissionen
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What are the major changes taking place in the plastics industry? Andy Postlethwaite One of the topics that is certainly becoming more and more important is sustainability. Especially in the Asia-Pacific region, the industry is looking for new solutions. Currently, this region is home to 13 of the 20 cities most at risk of climate change so governments are increasingly taking countermeasures to set and ensure sustainability standards. This has a big impact on the plastics industry as well – in terms of applications, but also in terms of our product portfolio. From thermal insulation of buildings to save energy to lightweight materials for cars to reduce emissions, the industry is permanently looking for optimised solutions.
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zu reduzieren, sucht die Industrie permanent nach optimierten Lösungen. Bei BASF investieren wir erheblich in Innovationen für eine nachhal tige Zukunft. 2020 werden BASF-Produkte mit dem höchsten Nachhaltigkeitsniveau 28 Prozent des gesamten Produktportfolios ausmachen. Wie haben sich Ihrer Einschätzung nach die Erwar tungen von BASF-Kunden hinsichtlich dessen, was die Kunststoffindustrie leisten kann, verändert? Andy Postlethwaite Als multinationales Unter nehmen mit hohen Qualitätsstandards wird von BASF erwartet, bei der Suche nach umweltfreundlichen Lösungen beratend tätig zu werden und selbst Hochleistungsprodukte zu liefern. Unsere Lösungen müssen lokalen Standards entsprechen und Konzepte zur Verfügung stellen, um die Leistungsfähigkeit der Anwendungen zu verbessern. Häufig sind wir nicht nur als Werkstofflieferant gefragt, sondern sind tief in die Anwendungsentwicklung involviert, indem wir Ratschläge zu Material- und Markttrends geben oder als Berater für die sichere Weiterverarbeitung, den Gebrauch oder die Anwendung bestimmter Materialien fungieren. Auch wenn unsere Kunden immer die Experten für ihre jeweilige Anwendung bleiben, erwarten sie, dass sich BASF mit Know-how und regionenübergreifender Erfahrung aktiv einbringt. Welchen Einfluss hat Ihrer Ansicht nach die Design industrie auf Kunststoffe? Andy Postlethwaite Design hat zweifellos einen großen Einfluss auf zahlreiche Anwendungen gewonnen. Der Trend geht immer mehr in Richtung Individualisierung, innovatives sowie funk-
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At BASF, we are investing heavily in innovation for a sustainable future. By 2020, BASF products with the highest level of sustainability performance will make up 28 per cent of our total portfolio.
How do you think the expectations from BASF customers have changed in relation to what the plastics industry can deliver? Andy Postlethwaite As a multinational company with high-quality standards, BASF is expected to advise on environmentally friendly solutions and to deliver high-performance products. Our solutions have to fit local standards and provide solutions to enhance the performance of the application. Often, we are not only perceived as a pure raw material supplier, but we are deeply involved in the development of the application, giving advice on materials and market trends or acting as consultant for the safe processing, use or application of certain materials. Although our customers will always be the experts for their particular application, they expect BASF to actively contribute with know-how and crossregional experience. How do you see the design industry having an impact on plastics? Andy Postlethwaite Design has definitely gained a lot of influence in many applications. The trend is moving strongly towards individualisation, and innovative yet functional design has a big impact on the buying decision. While many larger companies especially in the automotive and consumer segment have their own design facilities, small- and medium-sized enterprises
↑ BASF Design Center Shanghai
tionales Design hat dabei einen großen Einfluss auf die Kaufentscheidung. Während viele große Unternehmen, vor allem im Automobil- und Konsumentenbereich, ihre eigenen Designabteilungen haben, setzen besonders kleine und mittelständische Betriebe oft auf externe Designkompetenz. BASF folgt diesem Trend, indem wir sowohl mit der unternehmensinternen Designfabrik aber auch durch Kooperationen mit externen Designern, wie Ihnen, aktiv Unterstützung anbieten. Die Diskussion aus der Designerperspektive anzugehen, ist für einen Materiallieferanten eine Herausforderung. Deshalb sind wir daran interessiert, Desinkompetenzen zu erlangen, um mit unseren eher designgetriebenen Kunden eine enge Partnerschaft einzugehen. Unser „Design × Innovation“-Ansatz in Asien war in dieser Hinsicht ein großer Erfolg und hat uns geholfen, eine Plattform aufzubauen, um uns mit Designern, Markeninhabern und Industrieexperten zu vernetzen. Es finden große Investments in autonomes Fahren und den Gebrauch neuer Materialien statt. Welche Rolle werden Kunststoffe hier und in ande ren Wachstumsmärkten spielen? Andy Postlethwaite Kunststoff ist ein sehr vielsei tiges Material: Es kann auf viele Bedürfnisse zugeschnitten werden, wie ein geringes Gewicht, Haltbarkeit, unterschiedliche Arten der Bearbeitung, es kann sehr weich oder extrem hart sein, es verbessert Oberflächen oder dient als Strukturelement. Und wenn Sie die Komposite miteinbeziehen, erhöht sich die Vielseitigkeit noch weiter. Kunststoffe und Kunststoffkomposite werden deshalb ein wichtiges Material für viele Industrien sein, und sie werden zunehmend Alternativen zu herkömmlichen Materialien wie Stahl, Beton, Glas oder Holz bieten. Der Trend des autonomen Fahrens und andere Wachstumsmärkte haben zur Folge, dass Material lieferanten Material nicht länger isoliert betrachten können, sondern Gesamtlösungen anbieten müssen. Würden Sie dem zustimmen? Andy Postlethwaite Dem stimme ich voll und ganz zu. Deshalb ist es für uns auch wichtig, bereits früh in Designprozesse involviert zu sein, um mit unseren Kunden eng an der Realisierung neuer Entwicklungen zusammenarbeiten zu können. Als Materiallieferant müssen wir sowohl die Bedürfnisse unserer Kunden verstehen, als auch die der Industrieinteressenten um attraktive Lösungen parat zu haben. Diese können von der Entwicklung spezifischer neuer Materialeigenschaften bis hin zur Bereitstellung von CAE
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are often sourcing the design competence from external design consultancies. BASF is following this trend by actively providing design support with their in-house Designfabrik and through co-operations with designers like you. Entering the discussion from a designer’s perspective is quite challenging for a material supplier so we are eager to develop design competencies to enable close partnerships with our more design-driven customers. Our “Design × Innovation” approach in Asia has been a great success in this regard and has helped establish a platform to connect with designers, brand owners, and industry experts.
There is huge investment in autonomous vehicles and the use of new materials. What role do you think plastics will play in this and other emerging industries? Andy Postlethwaite Plastics is a very versatile material: it can cater to many needs like lightweight, durability, different kinds of processing, it can be very soft or extremely stiff, it enhances surfaces or works as structural elements. Take the composite materials into account and the versatility even increases. Plastics and plastic composites will thus be an important material for many industries and will increasingly provide alternatives to commonly used materials like steel, concrete, glass or wood. The autonomous vehicle trend and other emerging industries will mean that material suppliers can no longer think of materials in isolation, but instead need to offer total solutions. Do you agree? Andy Postlethwaite I fully agree. That’s why it is important for us to be involved already in the early stages of design and work closely with our customers to realise new developments. As a material supplier, we have to understand the needs of our customers as well as industry stakeholders to provide attractive solutions. These can range from developing specific new material properties to providing CAE (computer-aided engineering) simulation support and material expertise for trainings and quality control during the final application – depending on the application or requirements of our customers. At BASF, we have a broad product portfolio not only in plastics, but also in terms of product range per application. So, we are working across divisions to provide our customers not only with the best technical solution, but also with matching products and expertise across the entire BASF portfolio.
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(Computer-aided Engineering)-Simulationsunterstützung und zur Materialexpertise für Schulungs- und Qualitätskontrollen während der finalen Anwendung reichen – abhängig von der Anwendung oder den Anforderungen unserer Kunden. Bei BASF haben wir ein breites Produktangebot, nicht nur in Bezug auf Kunststoffe, sondern auch, was Produktbereiche für einzelne Anwendungen betrifft. Wir arbeiten deshalb abteilungsübergreifend, um unsere Kunden nicht nur mit der besten technischen Lösung zu versorgen, sondern auch in Bezug auf die Abstimmung von Produkten und der Expertise über das gesamte BASF-Portfolio hinweg. Welche Rolle können Sie sich für Kunststoffe im Rahmen des anhaltenden Wohlfühltrends innerhalb der Wohnung vorstellen? Andy Postlethwaite Kunststoffe werden ein integraler Bestandteil sein, wenn es darum geht, das Wohlbefinden innerhalb der Wohnung zu verbessern. Wir haben vor Kurzem das „Smart Living Space“-Konzept in einem mobilen 40-Fuß-Con tainer vorgestellt, um zu zeigen, wie Materialien unsere Art zu fühlen beeinflussen und um einen Raum für Innovation, Inspiration und Diskussion ins Leben zu rufen. Verschiedene Generationen haben unterschiedliche Bedürfnisse, aber egal, ob Sie über zunehmende Vernetzung oder gemeinsam genutzte Wohnräume sprechen, Sie werden immer einen Kunststoff finden, der die Bedürfnisse der Nutzer erfüllt. Wenn wir in die Zukunft blicken, werden wir sicherlich mit neuen Materialien für neue Anwendungen auf den Markt kommen, um das Leben noch angenehmer, bequemer und nachhaltiger zu gestalten. Deshalb laden wir unsere Partner ein, mit uns über zukünftige Lösungen nachzudenken und zu diskutieren, auch jenseits bereits bestehender Materialien.
What role do you imagine plastics can play in the continuing trend of well-being within the home? Andy Postlethwaite Plastics will be an integral part to enhance well-being within the home. We have recently launched the “Smart Living Space” concept in a movable 40-foot container to demonstrate how materials will influence the way we feel and to create a space for innovation, inspiration, and discussion. Different generations have different needs but no matter if you are talking about increased connectivity or shared living spaces, you will always find a plastic material that fulfils the user’s requirements. Of course, looking into the future, we will certainly have to come up with new materials for new applications to make living even more comfortable, convenient, and sustainable. That’s why we invite our partners to discuss future solutions with us and think beyond the existing materials.
designfabrik.basf.de
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↑ BASF Living Space Concept 2020, project that explores how plastics will facilitate future products for the home, design: Chris Lefteri Design
← Future concept for a diffuser for the home utilising BASF materials ↙ BASF Living Space Concept 2020, project that explores how plastics will facilitate future products for the home, design: Chris Lefteri Design ↓ Future concept for a universal controller for the home featuring an ultra-clear TPU from BASF
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One of the biggest innovations in 3D printing has been the growing range of materials that are available, photo: Gianni Diliberto
Text: Chris Lefteri
Die Massenvermarktung von Kunststoff in den 1950erJahren hat das Antlitz der Welt auf ewig verändert. Der in Stahlformen gegossene Kunststoff bot schier unendliche spielerische Möglichkeiten, um die rationalen geraden Linien und ebenen Flächen des Modernismus zu überwinden, und erfüllte unsere Welt mit fröhlichen Farben, poppigen Mustern und gefälligen Formen, die eine optimistische Sicht auf die Welt und ihre Zukunft ausstrahlten.
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The mass commercialisation of plastics in the 1950s changed the way the world looked forever. Its infinitely playful forms, the outcome of steel moulds that would allow the efficiency of modernism’s straight lines and flat surfaces to be challenged, meant that our world was filled with joyful colour, pop patterns, and friendly shapes that proliferated optimism about the world and its future. Übersetzung: Emily J. McGuffin
Die Popkultur ergriff die Chancen, die dieses neue Material bot: Filmemacher statteten ihre Sets mit der in den 1960er-Jahren in Mailand entwickelten Avantgarde-Einrichtung aus, Popkünstler verwen deten Bilder, Symbole und Farben, die eine neue visuelle Sprache widerspiegelten. „Plastik ist die Zukunft“ lautet ein Zitat im berühmten Film „Die Rei feprüfung“ und tatsächlich war dem Kunststoff eine erfolgreiche Zukunft beschieden. Doch ähn lich wie Zigaretten ist Plastik mittlerweile verpönt: Allenthalben erlassen Staaten Gesetze zum Verbot bestimmter Sorten von Kunststoff, Filme macher dokumentieren die Auswirkungen von Kunststoff auf unseren Planeten und unsere Ge sundheit, und Designer sind auf der Suche nach neuen Werkstoffen, um das auf Erdöl basierende Derivat zu ersetzen. Kunststoff gilt längst nicht mehr als Material der Zukunft; stattdessen spricht man vom Kunststoffwahn, der Wale tötet, Hormon störungen auslöst und die Umwelt zerstört. Doch der Versuch, die Schuld allein auf den Kunststoff abzuwälzen, hat einen Haken: Kunststoff als Material wird nicht aus unserer Verbraucherkultur verschwinden. Natürlich muss eine Antwort auf dringliche Fragestellungen gefunden und sein Einsatz hinterfragt werden, doch mir nichts, dir nichts ersetzen, lässt er sich nicht. Wohin geht
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Popular culture embraced the opportunities provided by this new material, with film-makers filling sets with the avant-garde furniture that was emerging from Milan in the 1960s, pop artists using imagery and colour that reflected a new visual language. “The future is plastic” is the famous line from the movie “The Graduate”. Indeed, the future was plastic, but like cigarettes plastic has become a dirty word: governments are producing legislations for banning certain types, film-makers focus on its impact on our planet and our health, and designers dwell on looking at new materials to replace this oil-based derivative. Plastic is no longer perceived as the material of the future, but a behemoth of overuse – a whale killing, hormone disrupting, environmental disaster. However, there is one sticking point in passing such blame on plastics and that is that plastics as a material of the consumer culture is not going away. Indeed, it does need to answer to very serious problems and to be challenged, but it’s not something that can be easily replaced. So, where is plastic heading? What are the major trends driving this environmental juggernaut that spills its waste across the global highway? As designers it is our duty to be thoughtful about specifying materials to make their use and application one that is
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also die Reise? Was sind die wichtigsten Trends für Kunststoff, der sich als Müll überall auf der Welt verbreitet und ein gewaltiges Umweltproblem darstellt? Als Designer sind wir verpflichtet, bei der Wahl des Werkstoffs darauf zu achten, dass er sich für die jeweilige Anwendung eignet und die Lebensdauer des daraus gefertigten Produkts wenigstens annähernd die Zeitspanne rechtfertigt, die der ursprüngliche Rohstoff für seine Entstehung gebraucht hat. Indes ist das Wasser aus der Plastikflasche, die aus vor Millionen Jahren ent standenem Erdöl hergestellt wurde, in wenigen Sekunden ausgetrunken und die Flasche im Nu weggeworfen. Durch Kunststoff haben wir in der modernen Welt einen Lebensstandard er reicht, den wir nicht aufzugeben bereit sind. Wie sieht also die Zukunft von Kunststoff aus und welchen Herausforderungen muss er sich stellen, um den Veränderungen gerecht zu werden, die in Bezug auf Elektronikartikel, selbstfahrende Autos und Gesundheitsversorgung bevorstehen? Biokompatibilität Da Computerchips mittlerweile auf die Größe eines Fingernagels geschrumpft sind, ist das Design elektronischer Objekte nicht mehr an die physi schen Parameter der darin enthaltenen Kom ponenten gebunden. Die Freiheit, sich von arche typischen Formen lösen zu können, hat Designer ermutigt, neue Wege zu gehen und die herkömm liche Ästhetik von Elektronik- und sonstigen Ge räten vollkommen zu verändern. Form wird nun weniger als Verpackung für Komponenten angesehen, sondern dient zunehmend als Werkzeug für die Kommunikation und Interaktion eines Trends, der sich vermehrt um den menschlichen Körper dreht. Die typische schwarze Kastenform wird nach und nach aufgegeben, stattdessen entstehen weiche, fließende, flexible Formen, die näher am Körper getragen werden können, da unsere Geräte immer häufiger in unseren gewohnten Tages ablauf einbezogen werden. Doch trotz des neuen Bedarfs an flexibleren Formen werden die Ansprü che an die Oberflächenqualität dieser Materialien immer höher, denn sie müssen in einer Vielzahl von Umgebungen bestehen, denen wir auch unsere Körper aussetzen, das heißt, sie müssen robust und verschleißfest sein und Schmutz und Wasser abweisen können. Hier bieten Nanobeschichtungen mit ihren diskreten undurchdringlichen Oberflächen, welche die empfindlichen Kom ponenten im Inneren wirkungsvoll schützen, ein großes Potenzial. Doch müssen unsere Geräte nicht nur außerhalb des Körpers bestehen, son dern auch darin, wie die rasante Entwicklung
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fit for purpose that matches it with products that have lifespans that at least begin to justify the time it took for the raw material to form from which it is produced: it takes seconds to drink water and discard a plastic bottle that is made of oil that took millions of years to form. Plastics have taken us to a level of existence in the modern world that we are not prepared to give up. So, what does the future hold for plastics and what are the themes that plastics have to address in order to address the changes that are taking place in our relationship with electronics, autonomous cars, and healthcare? Biocompatibility Now that computer chips have been reduced to the mere size of a fingernail, the design of electronic objects is no longer bound by the physical parameters of the components contained. This freedom to veer away from archetypal forms has encouraged designers to think outside the box and aesthetics typically applied to the design of electronics and appliances, and to think about the form less as a packaging for the components, but as a tool for the communication and interaction of a trend that is taking place increasingly centred around the body. The typical black box form is gradually disintegrating; instead verging towards soft, malleable, and flexible forms that can be worn closer to the body as our devices become increasingly integral in our daily routines. However, despite the new need for more elastic forms, the demands placed on the surfaces of these materials will be far greater than ever before as they are forced to inhabit the diverse environments that we subject our bodies to, calling for increased robustness and repellence to dirt, water, and wear. As a result, nanoscale coatings are offering enhanced performance to fulfil this pursuit – providing discreet and impenetrable surfaces that protect the sensitive components within. But our devices will not only need to thrive on the outside of the body, but also inside it as developments in biocompatible and digestible sensors and batteries are rapidly emerging. These micro sensors in development for applications including the Google contact lenses are demonstrating the focal shift towards improved healthcare as we move towards preventive medicine. The ability to monitor our bodies will alert us to the ailments that we are likely to incur at an earlier stage, whilst also providing aid in living with or suffering from conditions such as diabetes and epilepsy, for example.
von biokompatiblen und verdaubaren Sensoren und Batterien erkennen lässt. Diese Mikrosensoren, die für Anwendungen wie beispielsweise die Google-Kontaktlinsen entwickelt werden, demons trieren, wie sich der Schwerpunkt im Bereich Gesundheitsvorsorge zunehmend auf die präven tive Medizin verlagert. Dank der neuen Möglich keiten zur Überwachung unseres Körpers können wir Krankheiten, für deren Ausbruch eine signifi kante Wahrscheinlichkeit besteht, früher erkennen beziehungsweise besser mit chronischen Krank heiten wie Diabetes und Epilepsie leben. Premium-Kunststoff „Unashamedly premium“, also unverholen erstklassig, kündigte Apple sein iPhone 5c an. Dies war in meiner Erinnerung einer der seltenen Fälle, in denen eine Marke sich nicht scheute, lauthals zu verkünden, dass eines ihrer Schlüsselprodukte aus Kunststoff hergestellt wird. Eine Branche, die – wie die Kunststoffindustrie – größtenteils negativ wahrgenommen wird, muss sich über dieses Marketing sehr gefreut haben, zeigte es doch, dass Kunststoff für ein Premium-Produkt durchaus ver wendet werden kann. Die Idee, Kunststoff zur hochwertigen Gestaltung von Produkten und nicht nur für deren Schutz oder Umhüllung einsetzen zu können, weist auf eine Zukunft hin, in der es für haltbarere Produkte verwendet wird, also solche, die wir behalten und nicht entsorgen wollen. Viele Marken suchen nach Wegen, um Materialien derart aufzuwerten, die Frage ist jedoch, wie dies erreicht werden kann, wenn es ausgerechnet um Kunststoff geht. Es kann sich um eine Eigenschaft handeln, die sich durch andere sensorische – in mancher Weise irreführende – Eindrücke mani festiert, zum Beispiel Kälte oder Gewicht (von Kunststoffen, die tatsächlich Metallpartikel beinhalten, um diese Eigenschaft hervorzurufen). Oder es kann ein Geräusch sein, das aus Kunststoff ent steht, wenn man darauf klopft, das uns – beispiels weise – an Keramik erinnert. Apple mag die Ver wendung seines Premium-Kunststoffs ohne Scham angepriesen haben, doch wie es scheint, liegt die Zukunft von Kunststoff wohl eher bei solchen Kunststoffen, die in ihrem Eigenschaftsprofil Anleihen bei anderen Werkstofffamilien machen. Thermoplastisches Polyurethan Da die Elektronikbranche die Entwicklung von Wearables – tragbaren Geräten – zunehmend vor antreibt, verändert sich auch unsere Wahrnehmung von Elektronikartikeln. Gefragt sind zum einen Materialien, die sich auf der Haut weich anfühlen: Die Haptik des in der Elektronikbranche ver wendeten Kunststoffs soll mehr der von Kleidung
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Premium Plastics “Unashamedly premium” was how Apple announced the iPhone 5c. One of the few occasions I can think of where a brand was not afraid to shoot about the fact that one of its key products was made from plastic. In an industry that suffers from a largely negative perception the plastic industry must have welcomed that statement as it pointed out that plastic can be applied to a premium product. The concept that plastics can be used to define an experience where the product is elevated rather than being covered up, points to a future where plastics will be used for more durable products, products that we want to keep rather than dispose. Many brands are searching for ways to elevate materials to this higher level, but the question is how to achieve this when specifying plastics is extremely hard to do. It is a property that manifests itself through different expressions of sensorial – in some ways abducting – properties, such as coldness or weight (from plastics that actually include metal particles to create this sensation). In other respects, it is the sound that the plastic makes when it is knocked that reminds us of ceramics, for example. Apple may have shouted about the unashamedly plastic hone, but it seems that the future of plastics might be more about plastics that borrow properties from other material families. Thermoplastic Polyurethane The way that electronics are becoming more focused on wearable devices is leading to an evolution in how we perceive electronics. In one respect it is being driven by the need to have materials that are soft to hold against the skin, plastics for use in electronics that are closer in nature to clothes than the rigid “black boxes” of the past. But this is also spreading beyond wearables to electronics and products that are being used in the home. It is about this feeling of electronics as lifestyle accessories and products that are equally at home on a shelf or an armchair or a sofa. Where rigid materials in the past have defined the location of products on flat surfaces, new nomadic lifestyles require products with more versatile and adaptable soft, seductive skins. High Engineering Properties The Boeing 787, also called the Dreamliner, which has around 50 per cent of its primary structure made from composites highlights why plastics and mobility in all its manifestations is one of the major drivers for change: from electric vehicles to portable electronics. The plastics that will own this space are going to be those that create key
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← Formi biopolymer from UPM that combines virgin PP with cellulose fibre but without the traditional colour limitations of cellulose biopolymers, photo: Gianni Diliberto
als jener der starren „schwarzen Kästen“ der Vergangenheit ähneln. Dieser Trend erstreckt sich nicht nur auf Wearables und Elektronikgeräte, sondern auch auf andere zu Hause verwendete Produkte. Elektronikartikel sollen sich wie Lifestyleprodukte anfühlen; die Produkte sollen zu Hause im Regal genauso gut aussehen wie auf einem Sessel oder einem Sofa. Wo Produkte früher wegen ihrer starren Materialien auf ebenen Flächen platziert werden mussten, verlangt das moderne Nomadentum heute Produkte mit vielseitiger, anpassungsfähiger, weicher und angenehmer Oberfläche. Hochleistungswerkstoffe Die Primärstruktur der Boeing 787, die auch Dreamliner genannt wird, besteht zu rund 50 Prozent aus Verbundstoffen. Dies zeigt, warum Kunststoffe und Mobilität in all ihren Erscheinungsformen zu den wesentlichen Triebkräften für den Wandel im Bereich Elektrofahrzeuge bis hin zu tragbarer Elektronik gehören. Kunststoffe, die sich hier durchsetzen können, ermöglichen, die entscheidenden Wertversprechen in puncto Leistung und Wertschöpfung im Vergleich zu allen anderen Bereichen, in denen sich die Wünsche der Verbraucher hin zu attraktiveren Produkten weiterentwickeln. Der Bedarf an dünneren, steiferen und leichteren Teilen, insbesondere bei tragbarer Elektronik, zwingt die Kunststoffhersteller, Lösungen und Innovationen zu entwickeln, die diesem zunehmenden Trend gerecht werden. Hier und in der Automobilindustrie versuchen Kunststoffe hinsichtlich ihrer Materialeigenschaften mit Metallwerkstoffen zu konkurrieren – ein weiterer sich abzeichnender Trend. Nicht Hochleistungskunststoffe wie das Ultrapolymer PEEK (Polyether-
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value propositions in relation to performance and at the same time provide added value compared to all other areas of the consumer’s evolving desires for seductive products. The need for thinner, stiffer, and lighter parts particularly in portable electronics is pushing plastic producers to find solutions and innovations that address this increasing trend. Here and in the automotive industry plastics are trying to compete with the properties of metals – another emerging trend. It is not going to be the high-end ultrapolymers such as PEEK (polyether
↑ If the combination of wearables and electronics continues, soft materials such as Elastollan TPU will become increasingly important, photo: Gianni Diliberto
etherketon) werden vermutlich überzeugen, son dern jene, die es Designern ermöglichen, Produkte zu kreieren, welche Leistungsfähigkeit mit der gewünschten Ästhetik vereinen. Ultramid PPA (Polyphthalamid) ist ein Material, das genau in diese Welt passt, weil es eine Schlagzähigkeit aufweist, die mit der von Aluminium und Magnesium ver gleichbar ist und darüber hinaus über eine ausge zeichnete Oberflächenqualität verfügt, die dem Verbraucher ein angenehmes Premiumerlebnis bietet. Aus diesen Gründen erfüllt es die doppelte Zielsetzung von Leistungsfähigkeit und Ästhetik. Anders als andere technische Polymere, die zwar mit guten mechanischen Eigenschaften punkten, aber keine große Farbauswahl bieten, muss es zu dem nicht lackiert werden. Biokunststoffe Zweifelsohne werden neue biobasierte Materialien die Zukunft von Kunststoff bestimmen. Sie werden die Geschäftsmodelle der Ölgesellschaften verän dern und verzeichnen schon heute ein erhebliches Wachstum. Die Zahl der Kunststoffe, die auf Basis nachwachsender Rohstoffe erzeugt werden, ist seit Beginn ihrer massenhaften Verbreitung in den 1990er-Jahren erheblich gestiegen. Das ursprüng lich auf Materialien mit geringer Leistungsfähigkeit begrenzte Segment verzeichnet wie erhofft und erwartet ein enormes Wachstum, insbesondere durch die verbesserten Materialeigenschaften. Auf unserer Suche nach Neuerungen und Inno vationen stoßen wir auf verblüffende Alternativen zu erdölbasierten Produkten, die Abfälle als Ausgangsmaterial nutzen. Ein besonders überzeugendes Beispiel ist Kunststoff, der aus dem riesigen Abfall berg entsteht, den die Lebensmittelindustrie hinterlässt. CSIRO, ein Textilforschungszentrum in Australien, nimmt die Federn von rund sechs Millionen Hühnern, die täglich in Nordamerika verzehrt werden, und verarbeitet diese zu Kunststoff. Ein weiteres im Handel zunehmend verfügbares Mate rial stammt vom finnischen Unternehmen UPM, das sich mit der Beschaffung und Verarbeitung von Waldbiomasse befasst. UPMs Formi ist ein lang lebiger, hochwertiger Bioverbundstoff auf Natur faserbasis, der zum Beispiel für das konventionelle Spritzgießen geeignet ist. Er wird aus einem Mix aus Primärpolypropylen mit 20 bis 50 Prozent natürlichen erneuerbaren Cellulosefasern herge stellt, die aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern stammen. Dank seiner mechanischen Eigenschaf ten ist das Material den meisten herkömmlichen Hochleistungskunststoffen ebenbürtig. Es bietet eine natürliche, seidenglatte Oberfläche, die sich einzigartig anfühlt und dem Material eine freund liche, angenehme Textur verleiht.
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ether ketone) that will gain the most ground, but those that allow for designers to imagine products that combine performance with desirable aesthetics. Ultramid PPA (polyphthalamide) is a material that fits in this world by offering an impact strength comparable to aluminium and magnesium, but in addition also has a seductive surface quality providing consumers with a rich, premium experience. For these reasons it also fulfils the dual purpose of performance and aesthetics unlike other engineering polymers with high mechanical properties, which suffer from a lack of colour options, meaning it does not require painting. Bioplastics Without question the future of plastics is going to be defined by new bio-based materials. It’s going to change business models for oil companies and already shows significant growth. The number of plastics that are using bio-based sources has matured since they first started coming to mass circulation in the 1990s. Initially restricted to materials with low performance there are, as one would hope and expect, a huge growth in this area particularly through enhanced properties. In this search for new innovations we are producing some startling alternatives to oil like taking from the food chain and instead focusing on waste as a starting point. One of the most compelling is of plastic that comes from the staggering waste from the food industry. CSIRO, a textile research centre in Australia, identified the feathers that come from an estimated number of six million chickens consumed every day in North America to be turned into plastics. Another material that is more commercially available comes from Finland’s UPM, a company that is focused on utilising forest biomass. UPM’s Formi is a durable, high-quality, natural fibre-based biocomposite designed for conventional injection moulding. It is made using virgin polypropylene mixed with 20 to 50 per cent natural and renewable cellulose fibre content sourced from UPM’s established forest industry. This material’s mechanical properties allow it to compete with the most common high-performance plastics. It exhibits unique tactile qualities with a natural silky, smooth surface finish that provides a friendly and approachable feel to the material.
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Cool Finish Plastik, was geht?
← ↓ Logitech, Party Collection, M238 wireless mouse
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Text: Daniel Liden
Ein Freund hat mir einmal eine wunderbare Anekdote über den großen Architekten Louis Kahn erzählt. Als der Vater meines Freunds an der University of Pennsylvania Architektur studierte, war Louis Kahn dort Professor. Dieser riet seinen Studierenden, wann immer sie inspirationslos seien, sollten sie ihre Materialien um Rat fragen. Kahn nahm dafür gerne einen Backstein als Beispiel: ‚Was willst du, Backstein?“ Und der Backstein könnte geantwortet haben: ‚Ich wäre gerne ein Bogen …“
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A friend once told me a good story about Louis Kahn, the great architect. My friend’s father had studied architecture at the University of Pennsylvania when Louis Kahn was a professor there. The story goes that he used to tell his students that if they were ever stuck for inspiration, they should ask their materials for advice. Kahn liked to use a brick as an example: “What do you want, brick?” To which the brick might have replied: “I like an arch …” Übersetzung: Jessica Sicking
Ich mag diese Geschichte, da ich daran glaube, dass Materialien der Schlüssel zur Entfesselung des kreativen Potenzials einer jeden Herausforderung im Design sind. Ich bin überzeugt, dass man sich, um schöne Produkte für die reale Welt zu entwerfen, im Detail mit den Lösungsansätzen in Material und Produktion auseinandersetzen muss. In dieser Hinsicht, stellen Materialien Designer vor eine Herausforderung: Einige Materialien, wie der Backstein von Louis Kahn, existieren schon seit Jahrhunderten und sind nur gelegentlich von größeren Veränderungen im Rohstoff oder in For mungs- und Veredlungsmethoden betroffen. Wenn man allerdings die Frage „Was willst du, Kunst stoff?“ stellt, wird man eine lautstarke Flut von Antworten aus jeder Ecke der relativ neuen und un glaublich vielfältigen Materialfamilie erhalten. Es kommen ständig neue chemische Zusammensetzungen, Legierungen oder Kunststoffsorten hinzu, von neuen Methoden zur Formung und Veredlung ganz zu schweigen. Diese Anpassungsfähig keit ist mit ein Grund dafür, warum man Kunststoff in so vielen verschiedenen Anwendungen finden kann, vom Einsteiger- bis zum Spitzenprodukt. Ich würde behaupten, dass für mich als Designer eine der größten Herausforderungen in der Tatsache
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I like this story, because I do believe that materials are the key to unlocking the creative potential of pretty much any design challenge. I am adamant that in order to design beautiful products that exist in the real world you need to give your materials and manufacturing solutions a good quizzing. In this respect, plastics present designers with a bit of a dilemma: some materials, like Louis Kahn’s brick, have been around for literally ages and are only occasionally disrupted by major changes in raw material, forming or finishing opportunities. Ask “What do you want, plastic?” however, and you will get a deafening avalanche of replies from every corner of this relatively new and incredibly diverse material family. New chemistries, alloys, and grades of plastic come up all the time, not to mention new ways to form and finish them. This adaptability is part of the answer to why you will find plastic in such a huge number of diverse applications, from entry to flagship level. I would say that the need to consider plastics at every price point is one of the biggest challenges that I have come across as a designer. Getting the balance right between costs and execution is an art form – a nd I feel like I can never get enough inspiration when it comes to doing interesting things with plastics.
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liegt, dass man Kunststoff in jeder Preiskategorie in Betracht ziehen muss. Die Balance zwischen Kosten und Ausführung ist eine Kunstform – und ich habe das Gefühl, ich kann nie genug Inspiration bekommen, wenn es darum geht, interessante Dinge mit Kunststoff auszuprobieren. Bei Rohstoffen taucht früher oder später immer die Frage nach den Kosten auf – und diese vari ieren enorm zwischen den verschiedenen Kunst stoffen. Was jedoch zu Beginn nach einem teureren Material aussieht, kann im Endeffekt die kosten günstigere Alternative sein, wenn man das Formen und die Veredlung miteinrechnet. Es kann bei spielsweise zunächst teurer und zeitaufwändiger erscheinen, farbiges Kunststoffharz statt einer nachträglichen Spritzbeschichtung zu verwenden, die eventuell flexibler und schneller in der Produkt entwicklung ist. Mit einer sorgfältigen Material auswahl und Gestaltung der Teile, kann man jedoch womöglich ganz ohne Beschichtung auskommen und so Kosten und die Produktionskomplexität re duzieren. Ich persönlich schätze die Intensivität und den Reichtum von inhärentem farbigen Harz. Die PlattanKopfhörer von Urbanears sind hier für, wie ich finde, ein gutes Beispiel: Das Produkt schafft es sowohl „unverholen Plastik“ zu sein, gleichzeitig aber auch Materialauthentizität mit einem niedrigen Preis zu verbinden. Mit Kunststoff ein Vorzeigeprodukt zu entwerfen, ist nicht weniger anspruchsvoll. Um auf diesem Niveau die richtigen Materialeigenschaften zu fin den, muss man unter Umständen vom üblichen Weg im Umgang mit dem Spritzgussverfahren für Standardkunststoffe abweichen. Bereits 1865 er funden, ist Celluloseacetat einer der ältesten Kunst stoffe, nichtsdestotrotz erfüllt er nach wie vor viele aktuelle Anforderungen: Er basiert auf nachwach senden Pflanzenfasern, hat eine einzigartige, war me Haptik und Lichtdurchlässigkeit, und seine selbstpolierenden Eigenschaften erfordern zudem auch keine schützende Beschichtung. Auf der anderen Seite kann Celluloseacetat nicht spritzge gossen werden und besitzt eine relativ geringe Hitzebeständigkeit. Wir müssen also die richtigen Fragen stellen, um das Beste aus diesem Mate rial herauszuholen. Beispielsweise ist im Fall von Modeaccessoires eine hohe Hitzebeständig keit keinesfalls erforderlich. Eines meiner liebsten CelluloseProdukte ist die Clubmaster Classic AcetatUhr des französischen Uhrenherstellers Briston. Dieses schön gearbeitete Produkt kombi niert Celluloseacetat wunderbar mit traditio nellen UhrmacherMaterialien wie Metall oder Glas. In Bezug auf die Formung, riskiere ich es, mich an dieser Stelle durchaus etwas abfällig über Spritzguss zu äußern, indem ich behaupte, dass er
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Take raw materials: sooner or later the question of costs will come up and these will vary wildly between plastics. But what may look like an expensive material initially, may end up at a lower cost than the alternatives after forming and finishing. For example, it may seem more expensive and time consuming to use coloured plastic resin rather than another solution like spray coating that could be more flexible in terms of speeding up product development. However, with careful material selection and design of the part, you may be able to get away with not having to use a coating in the first place, reducing costs and manufacturing complexity. Personally, I like the particular intensity and richness of inherent colour resin. The Plattan headphones from Urbanears are a good example in my opinion: this product manages to be both “unashamedly plastic”, as well as delivering material authenticity at a low price. Designing with plastics for flagship products can be equally challenging. In order to find the right raw material characteristics at this level, you may have to question the usual route of injection moulded commodity plastics. Dating back to 1865, cellulose acetate is one of the oldest plastic materials around, yet it ticks many very contemporary boxes: it is based on renewable plant fibre, it has a unique warm tactility and translucency, and its self-polishing properties mean that it doesn’t need a protective coating. On the other hand, cellulose acetate cannot be injection-moulded and has relatively poor heat resistance. So, we need to ask the right questions to get the most out of this material. Take fashion accessories for example, hardly an area where high heat resistance is a deal-breaker. One of my favourite cellulose acetate products is the
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Zound Industries, Urbanears, Plattan, Caribbean and Malibu
mit seinen niedrigen Kosten überproportional zur geringeren Wertschätzung von Kunststoff bei getragen hat. In meinen Augen ist es allerdings jede Mühe wert, diese geringe Wertschätzung in Frage zu stellen. Das Lumia 920 Smartphone von Nokia aus dem Jahr 2012 ist ein gutes Beispiel. Die im Vergleich zu Standards im Spritzguss extremen Freistiche im Profil der Form wurden akribisch konstruiert und durch Gussformen mit beweglichen Unterteilen realisiert. Die Lautsprechergitter, die Anschlüsse und andere Details wurden maschinell gefertigt und die transparente, schützende Legie rung wurde, statt mit einer Spritzbeschichtung, mittels eines Präzisionsdruckverfahrens aufgetragen. Im Gegensatz dazu ist es interessant, sich das Apple iPhone 5c anzusehen, das 2013 auf den Markt kam, und auch extrem gut konstruiert ist. Die Gesamtform ist allerdings einfacher als die des Lumia 920 und in Bezug auf die Herstellung weni ger komplex. Ich frage mich allerdings, ob diese subtilen Unterschiede in den Händen der Konsu menten eine echte Auswirkung haben. Ich bin immer noch begeistert von den Schlussfolgerun gen, die möglich werden, wenn man Spritzguss aus ökonomischer Sicht an seine Grenzen bringt, um die erfahrene Wertigkeit dieses meist produktiven und allgegenwärtigen Kunststoffformungsprozesses zu steigern. Gleichzeitig werden auch alternative Produk tionsprozesse für Kunststoff rentabel. Die Verarbei tung von großen Stückzahlen ist bei der Herstellung von Metallen mittlerweile selbstverständlich, und so ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis dies auch auf andere Materialien übergreift. Der Play Go Media Hub von Bicom ist aus einem einzelnen massiven Block Corian hergestellt, ein Verbund werkstoff von Dupont, der aus Acrylharz und einem mineralischen Füllstoff hergestellt ist. So entsteht
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Clubmaster Classic Acetat watch by French watchmaker Briston. This beautifully executed product makes cellulose acetate seamlessly blend in with more traditional watchmaking materials like metal and glass. Moving on to plastics forming, I will risk being condescending about injection moulding by saying that it has contributed disproportionally to the overall problematic of low cost, low value image of plastics. But to my mind that just makes any effort to question the low perceived value of injectionmoulded plastics all the more impressive. The Lumia 920 smartphone designed by the Nokia design team back in 2012 is a great example. The by injection moulding standards extreme undercuts of the profile in the shape were painstakingly engineered using moulds with moving parts. The speaker grilles, ports, and other details were machined and the transparent protective hard coat was applied using a precision printing process, rather than conventional spray coating. In comparison, I find it interesting to take a look at the Apple iPhone 5c: this device, launched in 2013, is also extremely well-constructed, but the overall shape is simpler than the Lumia 920 and less challenging from a manufacturing perspective. In the hands of consumers, I wonder if these subtle differences have a real impact, but I am still excited about what conclusions can be drawn about the economics of pushing injection moulding to its limits and improving the perceived value of this most prolific and pervasive plastics forming process. In parallel, interesting alternative manufacturing processes for plastics are becoming viable. Highvolume machining is now an established manufacturing process for metals, so it was only a matter of time before it would spill over to other materials. The Play Go Media Hub by Bicom is machined from a solid block of Corian, the brand name for a composite material from Dupont that is made of acrylic resin and a mineral filler. This gives a dense, heavy material that feels cold to the touch, seemingly the perfect match for a company that prides itself on providing a rock solid, high-quality media streaming solution. Corian is another of those materials that don’t need much finishing beyond polishing, but in the vast majority of cases you will need to consider some kind of coating when dealing with plastics. One of the most efficient solutions has to be inmould decoration. There are several variations on this theme, but typically they all involve adding a film or transfer medium into the mould during the injection moulding process. This means that the part can be formed and finished in a single step, greatly reducing costs and manufacturing complexity. Once enthusiastically embraced by designers
← Nokia, Lumia 920
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ein dichtes, schweres Material, das sich kühl an fühlt und scheinbar die perfekte Wahl für ein Unter nehmen ist, das sich damit brüstet eine grund solide, hochwertige Media StreamingLösung zu liefern. Corian ist eines dieser Materialien, die abgesehen vom Polieren quasi keinerlei Veredlung benötigen; in den meisten Fällen muss man aller dings sehr wohl über Legierungen nachdenken, wenn man mit Kunststoff zu tun hat. Eine der effizi entesten Lösungen dabei ist Inmould Decoration. Hier gibt es diverse Varianten, typischerweise bein halten sie alle ein Film oder Transfermedium, das der Form während des Spritzgussverfahrens zu gegeben wird. Das bedeutet, dass ein Teil in einem einzigen Schritt geformt und bearbeitet werden kann, was die Kosten und Produktionskomplexität deutlich reduziert. Einst von Designern für unter schiedliche Produkte begeistert verwendet – von Mobiltelefonen bis zum Autointerieur –, ist die Inmould Decoration mittlerweile etwas aus der Mode gekommen. Gerade aus diesem Grund ist die Maus M238 von Logitech aus der Party Col lection so erfreulich. Für mich sind die Illustration und die Art, wie diese in das Produkt integriert wor den ist, ein wunderbares Beispiel dafür, wie Span nung und Coolness wieder in Veredlungsprozesse gebracht werden kann. Am anderen Ende des Maßstabs hat ein anderer Prozess das Potenzial, InmouldVeredlungen auf das nächste Level zu heben. Anstatt Folie zu ver wenden, kann es als eine Art ZweiSchussSpritz gussverfahren beschrieben werden, bei dem der zweite Schuss eine extrem dünne und strapazierfä hige Schutzschicht bildet. Eine der ersten Inmould Beschichtungen kam für die Rückleuchten des Lotus Exige zum Einsatz. Die Leuchtengehäuse des Sportwagens werden mit Plexiglas (ein Handels name für das Kunststoffmaterial PMMA (Polymethyl methacrylat), das auch als Acryl bekannt ist) geformt. Der Materiallieferant Evonik arbeitete zu diesem Zweck mit dem Spritzgussmaschinenhersteller Krauss Maffei zusammen, um ein nahtloses Inmould Beschichtungsverfahren, genannt Coverform, zu entwickeln. Das Resultat sind Präzisionsteile, die – direkt aus der Gussform – wunderschön mit einer schützenden, klaren Schicht veredelt sind. Auch wenn ich bezüglich meiner eingangs ge stellten Frage gerade einmal an der Oberfläche kratzen konnte, hoffe ich doch wenigstens deutlich zu machen, dass eine große Stärke von Kunststof fen ihre Vielseitigkeit ist. Genau das kann es aber auch verwirrend und schwierig machen, diese über bordende Materialfamilie zu verstehen. Für mich liegt die Lösung darin, das eigene Denken über Kunststoffe in Frage zu stellen und zu versuchen, sich an das zu halten, was die Materialien „wollen“.
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in all kinds of products from mobile phones to car interiors, in-mould decoration has since somewhat fallen out of fashion. Which is why it is so refreshing to see the M238 mouse party collection from Logitech. To me, the illustration artwork and how it has been applied to the product is great in how it manages to inject some excitement and coolness back into this finishing process. At the opposite end of the scale, a new process has the potential to take the concept of in-mould finishes to a new level. Rather than using film, it can be described as a kind of two-shot injection moulding process, where the second shot is an extremely thin, hard-wearing protective layer. One of the first in-mould coating applications to emerge were the rear lights in the Lotus Exige sports car. The lights are moulded with Plexiglas, a trade name for the plastic raw material PMMA (polymethyl methacrylate), also known as acrylic. The material supplier Evonik collaborated with the injection moulding machinery maker Krauss Maffei to develop a seamless in-mould coating process called Coverform. The result is precision parts that are beautifully finished with a protective clear coat straight from the mould. In rounding up, I have barely scratched the surface in answering the question that started this article. It is a great strength of plastics that they are so incredibly versatile, but it can also be confusing and make it difficult to get a grip on this unruly family of materials. For me, one way forward is to question my own thinking about plastics and try to stay true to what it is that the materials “want”.
Daniel Liden ist Produktdesigner mit mehr als zehn Jahren Erfahrung im Entwerfen von Konsumentenelektronik sowie in der Automobil und Bekleidungsindustrie. Bis Anfang 2016 war Liden Designmanager für Materialinnovation bei Lenovo in Schanghai und davor Designspezialist beim Nokia Designteam in Peking und London Er hält regelmäßig Vor lesungen zum Thema Material u nd Design.
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Daniel Liden is a product designer with more than ten years of experience in designing for consumer electronics, auto motive, and apparel industries. Until early 2016 Liden was design manager for material innovation at Lenovo in Shanghai, and prior to that he was a design specialist in the Nokia design team in Beijing and London. He regularly gives lectures on materials and design.
Internationale Fachtagung Schaumkunststoffe und Polyurethane 2016 Sehr geehrter Herr Teschner, bereits seit Jahren besuchen Sie die FSK-Fachtagung. Mit immer neuen Themen im Fokus begrüßt der FSK einmal jährlich seine Mitglieder und auch externe Interessenten. Bei der diesjährigen Ver Veranstaltung 2016, stehen die Themen Schaumkunststoffe und Polyurethane im Vordergrund und Sie werden wieder einer der zahlreichen Besucher sein. Was motiviert Sie regelmäßig an der FSK-Fachtagung teilzunehmen? TESCHNER: Mich überzeugt insbesondere die interessante Vielfalt an Themen der Vorträge. Man schaut beim FSK immer über den Tellerrand hinaus und informiert sowohl über aktuelle Themen, wie auch über die Themen von morgen. Obwohl es auch schon Schwerpunkttagungen gab, wird trotzdem für einen guten Mix an weiteren Themen gesorgt. Welche Vorteile ziehen Sie für sich und Ihr Unternehmen aus den Besuchen? TESCHNER: Die FSK-Tagungen informieren uns immer wieder erneut über neue Trends im Markt, die zukünftig auch für uns von Interesse sein können. So gelingt es uns, diese Themen zeitnah zu fokussieren. Konnten Sie bisher von innovativen Ideen, Anregungen und Kontakten auf den Fachtagen profitieren bzw. hat dies für Ihr Unternehmen Vorteile gebracht? TESCHNER: Ja, wir konnten so – bei neuen Trends – frühzeitig mit den dementsprechenden führenden Firmen in Kontakt treten.
Brüssel . Frankfurt . Stuttgart Postanschrift: Stammheimerstraße 35 70435 Stuttgart . Tel. +49 711 993 751-0 www.fsk-vsv.de . fsk@fsk-vsv.de
vom 23. bis 24.11.2016 in Bad Dürkheim und Ludwigshafen Informationen . Kontakte . Vorträge . Trends und vieles mehr!
Eine gute Vernetzung bei diesen Dingen ist sehr wichtig für uns.
Für mich liegen diese Tagungsorte, das Tagungsumfeld – im europäischen Vergleich – deutlich an der Spitze.
Was versprechen Sie sich von der diesjährigen Veranstaltung?
Vielen Dank für das Gespräch.
TESCHNER: Ich bin mir sicher, auch in diesem Jahr wieder interessante Vorträge präsentiert zu bekommen. Zudem trifft man auf den FSK-Tagungen immer Teilnehmer, die einen schon seit vielen Jahren begleiten. Daraus folgen interessante Gespräche über technische Innovationen besonders für mich im Bereich Polyurethan. Wie empfinden Sie persönlich die Atmosphäre auf der Fachtagung. Würden Sie sie eher als geschäftlich beschreiben oder eher als ein nettes „Get Together“ der Fachwelt und der Experten bei dem Sie Informationen über die Branche erhalten? TESCHNER: Ich empfinde die FSK-Fachtagungen wie eine „Große Familie“, die sich trifft! Der gute Ruf scheint der Tagung voraus zu eilen, denn man kommt auch immer wieder mit Teilnehmern zusammen, die zum ersten Mal eine FSK-Tagung besuchen.
BIOGRAFIE Jörg Teschner geb. 1965, arbeitet nach seiner betriebswirtschaftlich orientierten Ausbildung seit 1989 in verschiedenen Funktionen in der PUR Industrie. Er hat im Jahr 2000 die Firma „Klöckner polyPUR Chemie GmbH“ in Duisburg mit gegründet und ist seit 2009 deren Geschäftsführer.
Veranstaltungsorte
Herr Teschner eine letzte persönliche Frage an Sie. Wie würden Sie das Flair, das Konzept unserer Fachtagung 2016 bezeichnen? Ein kurzes Statement dazu? TESCHNER: Dem FSK ist es immer gelungen, allein schon durch die Tagungsorte, die Tagung interessant zu gestalten. Ich erinnere mich an das letzte Jahr im alten Bundestag in Bonn sowie bei der Firma Hennecke in St. Augustin oder in München in der „BMW Welt“ und bei Krauss Maffei, um nur zwei Tagungen zu erwähnen.
Kurhaus Bad Dürkheim
BASF Gesellschaftshaus
in Zusammenarbeit Fachverband Schaumkunststoffe mit und Polyurethane e.V.
Case Study
Aus einem Guss
Running Experiments 28
Kunststoff/Plastics form feature Nº 1, Nov 2016
Text: Chris Lefteri
Bei Schuhen denken wir gewöhnlich nicht direkt an Kunststoff. In ihrer Herstellung war der Wechsel von Leder zu Kunststoff fast eine Revolution, die erfolgte, als sich die unterschiedlichen Lebensentwürfe vermischten und Schaumstoffe sowie Flüssigkristallpolymere aus Nylon EVA (Ethylenvinylacetat) zu den vielversprechendsten Innovationen in der Schuhproduktion wurden – sowohl bei modischen Modellen als auch bei solchen für den Leistungssport. Heute werden Konsumenten mithilfe von Markengeschichten über Materialien, Leistungsfähigkeit und Trendbewusstsein verführt, die den Gedanken an Kinderarbeit, der einigen von ihnen noch bis vor kurzer Zeit anhaftete, vergessen lassen sollen. Wie im Fall von vielen Konsumartikeln, und doch auf eine ganz eigene Art und Weise, verhilft Kunststoff dem Schuh zu einer Wertsteigerung.
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We don’t normally perceive shoes as plastic. It’s quite a revolution that took us from leather to plastics, one that happened when lifestyles started to get mixed up and the nylon’s EVA (ethylene-vinyl acetate) foams and liquidcrystal polymers became the heroes of shoe innovation for fashion as much as for performance sports. Today, this blend of a brand and the use of material, performance, and trends are combined to form highly compelling stories that try to help us forget the perception of child labour that some of these brands had until fairly recently. Like so many examples from consumer products – but in a very different way – plastics are elevating the product to a high level of value. Übersetzung: Susanne Heinlein
Schmuck und Nylonstrümpfe sind vermutlich die ersten Assoziationen beim Gedanken an am Körper getragene Kunststoffe. Vielleicht noch Kunststoffuhren; Schuhe kommen uns jedoch zu nächst einmal nicht in den Sinn. Trotzdem handelt es sich bei der Schuhindustrie um eines der größten Forschungs- und Innovationsfelder
form feature Nº 1, Nov 2016
When we think about plastics worn on the body the first thing we might think of is jewellery or nylon stockings. We might think about plastic watches, but plastic shoes are way down on that list. However, this is one of the biggest areas for experimentation and innovation in design and materials: delivering footwear that ranges from cult object to
← Nike Zoom Superfly Elite, outsole
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Heutzutage kann man Schuhe für zehn US-Dollar kaufen und weiß von vornherein, dass sie nicht bis zur nächsten Saison halten werden. Auch wenn diese Schuhe nicht hochwertig produziert sind, ist ihre Herstellung dennoch komplex, denn sie erfordert viele verschiedenen Materialien und Prozesse. […] Bei der Gestaltung dieses speziellen Schuhs war es mein Ziel, Herstellung und Vertrieb neu zu denken. Lou Moria
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These days, we can buy shoes for ten US dollars knowing they will not last until next season. While those shoes are cheaply made, they are still very complex to manufacture as they are constructed by many different materials and processes. […] Designing this shoe, I tried to rethink shoe manufacturing and marketing. Lou Moria
hinsichtlich Material und Design: vom Kultobjekt über das Hilfsmittel zur Leistungssteigerung bis zum modischen Accessoire. Der Sportschuh hat in viel fältigen Fallstudien gezeigt, wozu Designer fähig sind, wenn sie selbst Hand anlegen, frei mit Materi alien experimentieren und Spaß im Umgang mit Kunststoffen und ihrer Verarbeitung entwickeln. Einer meiner persönlichen Lieblinge ist der Adidas Energy Boost. Er mag vielleicht nicht besonders sexy sein, doch ist er zu einem bekannten Produkt der Marke geworden. Für ihn wurde zum ersten Mal das Material Infinergy ETPU (expandiertes thermoplastisches Polyurethan) von BASF verwendet und die Bläschen-Oberfläche des schwammartigen Schaums in einzigartiger Weise in Schuhwerk übersetzt. Die meisten Designer sind mit den Hightechexperimenten von Herstellern wie Adidas, Puma, New Balance oder Nike vertraut. Was pas siert jedoch jenseits dieser bekannten Marken? Welche Innovationen gibt es in Handwerk, Kunst stoff oder der fortgeschrittenen Produktion?
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Kunststoff/Plastics form feature Nº 1, Nov 2016
performance enhancer to fashion accessory. The sports shoe has provided multiple case studies over recent years that show what designers can do when they get their hands dirty with hands-on experimentation and have fun with plastics and the processing of plastics. One of my personal favourites is the Adidas Energy Boost. It’s not necessarily the most sexy product, but the way it uses BASF’s Infinergy E-TPU takes the bobbly surface from a spongy piece of foam and translates it into a very distinctive way into footwear so that it has become a signature of the brand. But most designers are very familiar with the high-tech experiments from the likes of Adidas, Puma, New Balance, and Nike. What’s happening outside of these wellknown brands? Where are the innovations in craft, plastics, and advanced production? Lou Moria’s experimental approach to shoes is interesting because of the way that it uses a new manufacturing process to realise its form. It’s a process that bridges the gap between craft, batch,
↖ Lou Moria, Last No. 21986 / Model 4
Der experimentelle Ansatz von Lou Moria ist wegen seiner Verwendung von neuen Fertigungsmetho den in der Formgebung interessant. Er schlägt bezüglich des Vorgehens eine Brücke zwischen Einzelstück, Serie und Massenproduktion und verleiht dem Schuh so eine einzigartige Position im Verkauf. Der Schuh selbst ist nämlich gleichzeitig die Verpackung und wird mit dem Herausschneiden eines Lochs für den Fuß geöffnet. Da er aus nur einem Material besteht, kann der vakuumgeformte Schuh im Ganzen für einen zukünftigen Verwen dungszweck recycelt werden. Ein ganz anderer Ansatz entsprang der Zusam menarbeit zwischen den beiden Industriedesignern Christophe Guberan und Carlo Clopath und dem Self-Assembly Lab am MIT. Das Team hat bereits eine Zukunftsvision entwickelt, in der Strukturen aus flexiblen Materialien durch externe Interaktion entstehen. Der Minimal Shoe ergänzt nun ihr Port folio um die Frage, wie die Schuhproduktion in der Zukunft aussehen könnte. Mit der Unterstützung des Selbstmontageexperten und Designers Skylar Tibbits vom MIT konnte ein interessanter Ansatz gefunden werden, der 3D-Druck mit dehnbaren Materialien kombiniert. Die wirkliche Innovation des Projekts besteht darin, auf eine verbreitete Technik, den 3D-Druck, und ein standardmäßig verfüg bares Textil zurückzugreifen und doch durch die Kombination beider Komponenten eine ganz neue Herangehensweise zur Konstruktion einer drei dimensionalen Form aufzutun. Indem Linien auf das
form feature Nº 1, Nov 2016
and mass production techniques, which in addition give the shoe a unique flavour in the way it can be positioned in the retail environment (the shoe being the packaging, opened by cutting out the hole for one’s foot). Reducing the construction to a single material the vacuum formed shoe can easily be recycled as one piece for future use. A totally different approach comes from the collaboration between industrial designers Christophe Guberan and Carlo Clopath and MIT’s Self-Assembly Lab. The same team that brought us a vision of the future where structures are self-built through external interaction on a shape shifting material. Adding to their increasing portfolio of projects the Minimal Shoe is a case study of how a shoe might be produced in the future. By combining the expertise of self-assembly expert and designer Skylar Tibbits from the MIT the project takes an interesting approach that combines 3D printing with stretchable fabrics. It’s an interesting innovation in the sense that it takes one readily available
↑ Christophe Guberan, Carlo C lopath, Self-Assembly Lab, MIT, Active Shoes, upper fold
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Textil gedruckt werden, wird dessen Dehnbarkeit kontrolliert, sobald ihm seine endgültige Form ver liehen wird, da die Tinte unbeweglich ist. Ähnliches passiert, wenn Gummi über ein starres Material gezogen wird, um es in Form zu bringen. In diesem Fall wird das Objekt dem Fuß angepasst. Die Erinnerung an die Olympischen Spiele 2016 in Rio mag langsam verblassen, was jedoch in den Köpfen bleibt, ist, dass Kunststoff ein wichtiger Faktor für die Resultate der Athleten ist. Jede ein zelne Leistung ist von solch großer globaler Bedeu tung, dass in der Vorbereitung nichts dem Zufall überlassen wird. Wo ein Sekundenbruchteil den Unterschied zwischen Gold und Silbermedaille ausmachen kann, haben die führenden Marken un glaubliche Produkte entwickelt, die mit den fort schrittlichsten Materialien einen Wettbewerbsvor teil erreichen wollen. Nike beispielsweise stellt sich in der Markenkommunikation konstant als Ver körperung des Hochleistungssports dar und kre iert Geschichten rund um zentrale Themen wie den Leichtbau. Die Botschaft dieser inspirierenden Markengeschichten kommt auch bei uns an: ein Schuh, der die Leistung dank neuester Kunst stoffe steigert, ob gewebt oder gegossen. Als Konsumenten stellen wir jedoch permanent neue Forderungen: wir geben uns mit dem reinen Gefühl der Leistungssteigerung längst nicht mehr zufrieden. Außerdem wollen wir ein gutes Ge wissen haben, etwa durch die Vermeidung von Ab fall. Nike kreiert auch hierzu einige der verlockends ten Geschichten, samt passender Apps. Nikes MakingApp ermöglicht, neben anderen Features, zum Beispiel einen Vergleich des Energiever brauchs und soll so Designer motivieren, durch dachte Entscheidungen bei der Materialauswahl zu treffen. Zudem stehen sehr konkret Informa tionen darüber bereit, wie die in den Schuhen ver wendeten Spezialmaterialien zur Reduzierung von Müll beitragen. Zum Beispiel spart allein die FlyknitTechnologie (↗ form 262, S. 100) dreiein halb Tonnen Abfall ein.
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Kunststoff/Plastics form feature Nº 1, Nov 2016
technology – 3D printing – a fairly standard stretchable textile and through the combination of both produces a startlingly fresh and simple method to construct a 3D form. By printing onto the textile in a series of lines, the stretching of the fabric is controlled once it is pulled into shape due to the performance of the printed ink remaining constant. In that sense this is also what happens when you take rubber and stretch it over something that won’t stretch to get a 3D form. In this case that form is controlled to give it the shape of a foot. As the memory of the Olympic Games 2016 in Rio fades we are still reminded that sport is one of the most interesting areas where plastics can realise great support in the performance of athletes. With such global importance and scrutiny placed on a single performance, the athletes are taking no chances when preparing. Where a mere fraction of a second can make the difference between a gold or a silver medal, the leading brands have developed some incredibly technical pieces using some of the worlds most advanced fibres to offer a competitive edge. The Nike brand is continually communicating itself as a brand that embodies advanced performance taking properties such as lightweight as a primary goal from which to create stories. It’s a cascading effect where these performanceenhancing characteristics for athletes become aspirational stories for the rest of us, where the belief in the performance benefit of a shoe is delivered through an advanced plastic, whether it is woven or moulded. But we are generally demanding as consumers: not satisfied with just how a product gives us a feeling of enhanced performance, we also want to feel guilt free, an emotion that can fed through the reduction of waste. Nike produces some of the most compelling stories and indeed apps: Nike’s Making app. The app includes comparisons of the energy used and other features that inspire designers to make more informed choices in the materials they use. Beyond this they are also creating very tangible information based on how their performance-enhancing materials in the shoe is contributing to the reduction of waste, like the three-and-a-half million pounds of waste being reduced due to the Flyknit technology (↗ form 262, p. 100).
From design to reality 24–25 October 2016, Düsseldorf, Germany
Plastics and design: What will the future be? The Design Chain @ K Conference is the leading event for plastic materials innovation and is being held alongside the renowned K Show, the world’s no 1 trade fair for plastics and rubber. Over the course of the conference, industry experts will examine the drivers for material choice and their use by designers within multiple industry sectors.
Leading speakers include: Hilke Schaer, Senior Consultant Fiber Composites in Visual Applications, BMW
Daniel Liden, Design Manager, Lenovo
Rebecca Heil, Manager-Idea.Lab, Covestro
Bert Groothuis, Director of SustainabilityEurope, SABIC
Brian Min, Senior Colour & Material Designer, Microsoft Surface
Doreen Becker, Global Color Strategist, A.Schulman
To book your place, please call +44 (0) 208 253 9640 or email KGradalska@crain.com or come along to the Congress Centre South, Room 8, located on the 1st Floor, close to hall 1
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