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Zukunft, Wandel und digitale Innovation Wo wären Marken ohne Wettbewerb?
from Denkraum 7
Zukunft, Wandel und digitale Innovation
So lauten die ersten Sätze einer von Verbänden gestarteten Petition zur Ernennung eines Digitalministers in Deutschland. Innovation, Wandel, Zukunft per Gesetz? „Die Digitalisierung ist die größte Veränderung der Gegenwart. Dieser Veränderung kann man nicht begegnen, indem man nichts ändert.“
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von Sören Seewald
Einer Studie der Group of Analysts zufolge hatten zu Beginn des Jahres 2017 ca. 40 Prozent der Unternehmen noch kein konkretes Vorhaben zur digitalen Transformation. Darüber hinaus bestanden vereinzelt noch keine konkreten Pläne, die digitale Transformation anzugehen.
Wandel, Veränderung und die Notwendigkeit für Innovation sind seit jeher steter Bestandteil der industriellen Entwicklung. Allerdings lag in der Vergangenheit zwischen den einzelnen fundamentalen Entwicklungsschritten der industriellen Revolution vielleicht noch ein Jahrhundert, zumindest aber waren es mehrere Jahrzehnte. Inzwischen hat die Entwicklungsgeschwindigkeit mit der Einführung der Mikroelektronik jedoch rasant zugenommen. Der Mensch, sein Verhalten, sein soziales Zusammenleben, aber auch Medien, Produkte, Märkte, Bedarfsgruppen verändern sich rasant.
Traditionsmarken wie Commodore, Grundig, AEG waren einstmals führend und zerbrachen; zeitweise zukunftsweisende Marken wie Yahoo oder Blackberry gerieten ins Straucheln. Die Gründe dafür sind vielfältig, doch wesentlich ist, dass Unternehmen nur überleben können, wenn sie dem Wandel folgen, neue Visionen entwickeln und unter Umständen sogar komplette Kurswechsel einleiten.
Awie Apple Die Geschichte von Apple und dem Gründer Steve Jobs ist uns wohl schon allein aufgrund der permanenten Präsenz der Apple-Produkte im Alltag vertraut. Doch Apple war ursprünglich ein reiner Computerhersteller. 1976 fertigten die Firmengründer Steve Jobs und Steve Wozniak bekanntlich in einer Garage die ersten Apple-Computer – ohne Gehäuse und Tastatur. Acht Jahre später revolutionierte Steve Jobs mit dem ersten Macintosh die Computerwelt. Das ziellose und fast bankrotte Unternehmen veränderte er nach seiner Rückkehr und konzentrierte sich zunächst auf einige wenige Geräte – und legte dann mit iPod, iPhone und anderen Produkten die Grundlagen für den heutigen Erfolg als Consumer- und Lifestyle-Ikone, deren Produkten man kaum entgehen kann.
Gwie Grohe Die Unternehmensgeschichte von Hansgrohe begann im Jahr 1901: Damals gründete der Tüftler Hans Grohe im Schwarzwaldstädtchen Schiltach einen Handwerksbetrieb für Metalldrückwaren. Eine seiner Spezialitäten: Blechbrausen für das in Mode kommende Hausbad.
Das Unternehmen möchte in Zukunft das Badezimmer digital aufrüsten und hat in den vergangenen zwei Jahren deshalb ein neuartiges Wasserschaden-Warnsystem entwickelt. Es kann nicht nur mittels Sensoren und eines eigens entwickelten Algorithmus austretendes Wasser registrieren und über eine App den Wohnungseigentümer alarmieren. Es kann auch im Schadensfall das Wasser direkt an der Hauptleitung abstellen. Das System soll sowohl kleine undichte Stellen, aber auch drohende Wasserrohrbrüche erkennen. Grohe begann vor zwei Jahren, sich über den Einstieg in digitale Technologien Gedanken zu machen. Dabei sei aufgefallen, dass die Technologien rund um das Smart Home, das digitalisierte Haus, zwar schon ziemlich ausgereift gewesen seien, die Themen Wasser und vor allem Wasserschäden dabei jedoch zu kurz gekommen seien.
Es gibt keine Alternative zum Sprung ins Abenteuer Digitalisierung, so die Meinung. „Es nicht zu tun, ist keine Option. Das ist mit Sicherheit die Einbahnstraße in ein viel größeres Problem.“ Das Unternehmen habe heute einen „Ideenhorizont für sechs bis acht Jahre“.
Iwie Instagram Neben Twitter und natürlich Facebook gibt es ein weiteres Social Network, das heutzutage fast unverzichtbar ist: Instagram. Auch bei Instagram war die Marschrichtung zu nächst eine ganz andere. Das hört man schon aus dem ursprünglichen Namen der App heraus: Burbn.
Ja, Burbn hatte wirklich etwas mit der Whiskey-Variante Bourbon zu tun. Der Erfinder der App, Kevin Systrom, wollte damit einen Foursquare-Konkurrenten etablieren. Wie beim Vorbild konnte man auch bei Burbn in Locations einchecken und erhielt Punkte für soziale Interaktionen. Und man hatte die Möglichkeit, Fotos zu posten. Doch der Erfolg von Burbn blieb aus, da die Smartphone-Anwendung zu kompliziert war. Das Team analysierte daraufhin, welche Funktionen am meisten genutzt werden. Es zeigte sich: Die User fanden zwar den Location-Check-in gut, aber noch mehr Gefallen fanden sie am Sharing der Bilder. Daraufhin folgte die Veränderung: Die Programmierer fügten Bildeffekte, die Filter, hinzu und warfen andere Features komplett über Bord.
Passend zum Restart Ende 2010 erhielt die App einen neuen Namen: Instagram. Danach erlebte Instagram einen so steilen Aufstieg, dass das kleine Unternehmen im April 2012 von Facebook gekauft wurde – für eine Milliarde US-Dollar. Zu diesem Zeitpunkt hatte es 30 Millionen Nutzer. Knapp ein Jahr nach der Übernahme hatte die App weltweit schon 200 Millionen User, im September 2014 erreichte man die doppelte Zahl. Und im Januar 2016 verkündete man stolz, dass die Grenze von 500 Millionen geknackt sei.
Kwie Kodak Eastman Kodak war einst eine der bekanntesten Marken der Welt. 1880 von George Eastman gegründet, erfindet das Unternehmen vier Jahre später beschichtete Papierstreifen, die auf einer Rolle befestigt werden. Damit begann die faszinierende Erfolgsgeschichte, Kodak versorgte die Kino-, Film- und Fotoindustrie jahrzehntelang mit Filmen und Kameras. Aber der Schritt in die Digitalisierung misslang, 2012 meldete Kodak Insolvenz an. Aus dem Insolvenzverfahren ging der einstige Foto- und Filmgigant, der wieder an der Börse gelistet ist, als Spezialist für digitalen Druck hervor. Zuletzt machte Kodak auf sich aufmerksam, weil der massiv geschrumpfte Konzern künftig auf die Krypto-Welle setzt. Kodak startet eine Plattform, auf der Fotografen ihre Autorenrechte absichern und Fotos vermarkten können. Dazu nutzt das Unternehmen die Blockchain-Technologie, die Vergütung der Fotografen erfolgt in einer eigenen Kryptowährung, ähnlich Bitcoin.
Lwie LEGO Ein Kinderzimmer ohne Lego zu finden, ist gar nicht so einfach. 1932 vom dänischen Tischlermeister Ole Kirk Christiansen gegründet, ist Lego heute eine der weltweit bekanntesten und erfolgreichsten Marken. Die es wohl längst nicht mehr gäbe, wenn die Verantwortlichen nicht zur richtigen Zeit die richtigen mutigen Schritte unternommen hätten. Firmengründer Christiansen setzte anfangs auf Holz für seine Spielsachen. 1949 aber wurden die ersten Kunststoff-Bausteine aus Celluloseacetat hergestellt, das sich viel besser für die Herstellung hoher Stückzahlen eignete. Noppen auf der Oberseite und ein paar Jahre später die Röhren in der Unterseite erlauben stabile Konstruktionen und können bis heute mit den aktuellen Bausteinen kombiniert werden. Ein Klötzchen-Konzern entstand, aber durch das Aufkommen von Computerspielen und dem Internet Mitte der 1990er-Jahre stagnierte der Absatz zum ersten Mal. Also entschied sich die Firmenleitung dazu, die Produktpalette massiv zu erhöhen. Den Absatz trieb das nicht in die Höhe, wohl aber die Kosten – 2004 stand das Unternehmen kurz vor der Pleite. Der Turnaround gelang, indem sich die Entwickler wieder auf das Kernprodukt, die Bausteine, konzentrierten und daraus auch komplexere Modelle entwickelten, die sich gezielt an spielfreudige Erwachsene richten. Dazu kam mit Lego Friends eine Modellreihe, die sich explizit an die bis dahin unterrepräsentierte Zielgruppe der Mädchen richtete. Zum erfolgreichsten Spielzeughersteller wurde Lego 2014, als die Steine mit „The LEGO Movie“ zu Helden der Kinoleinwand wurden. Der Film spielte weltweit über 400 Millionen Euro ein, sein Nachfolger „The LEGO Batman Movie“ brachte es auf knapp 275 Millionen Euro!
Nwie Nokia:
Von der Papierfabrik zum Handyhersteller
Noch radikaler war der Wandel bei Nokia. Die alteingesessene Marke schuf Trends, indem man auch gern einmal komplett neue Wege beschritt. Der Konzern begann als Papierherstel- ler und verkaufte Gummistiefel. In den 1990er-Jahren erfan- den sich die Finnen neu und entwickelten Mobiltelefone. 1998 wurde Nokia zum weltgrößten Handyhersteller mit innovativen Gadgets und Designs. Doch die Verbreitung von Smartphones bremste die Dominanz, 2012 stieß Samsung Nokia vom HandyThron. 2013 zog das Management die Notbremse und die ganze Sparte wurde an Microsoft verkauft. Nokia erfand sich noch- mals neu und konzentriert sich nun auf das Telekom-Netz- werkgeschäft. Im April 2015 stieg Nokia durch den Zukauf des französischen Konkurrenten Alcatel-Lucent zum Weltmarkt- führer in der Netzwerktechnik im Telekommarkt auf.
Twie Twitter Odeo? Dieser Name dürfte vielen unbekannt sein, da- bei legte das Unternehmen die Basis für ein bekanntes Social Network: Twitter. Zuvor war Odeo eine Plattform für Podcasts, was 2005 nach einer verheißungsvollen Idee klang. Doch dann erschien iTunes von Apple und auf einen Schlag konnten Hun- derte Millionen iPod-Besitzer darüber Podcasts ganz einfach abrufen. Ein Richtungswechsel war dringend nötig. Um heraus- zufinden, was der Pivot sein könnte, veranstaltete man Hacka- thons. Bei diesen entwickelten die Mitarbeiter neue Konzepte und testeten ihre Ideen aus. Ein verheißungsvoller Prototyp konnte sich durchsetzen. Auf ihm basierend startete man An- fang 2006 neu durch. Der Name: „Twttr“.
Aus Twttr wurde Twitter, der Rest ist eine typische Start-upGeschichte: Heute hat der Kurznachrichten-Dienst mit dem Vogel-Icon über 1,5 Milliarden Nutzer weltweit und generiert damit rund zwei Milliarden US-Dollar an Werbeeinnahmen. Der Erfolg basiert unter anderem darauf, dass kaum noch eine Firma oder ein Promi darauf verzichtet, regelmäßig Nachrich- ten mit maximal 140 Zeichen zu posten.
Fazit
Diese Beispiele ließen sich fortsetzen, sie alle zeigen aber: Un- ternehmen können den digitalen Wandel erfolgreich überste- hen. Vorausgesetzt, es besteht die Bereitschaft, sich mit ganz neuen technischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen aktiv auseinanderzusetzen, das eigene Ange- bot kritisch zu prüfen – und das Unternehmen vielleicht ganz neu zu erfinden. //