5 minute read

Agrarbericht 2023

Vorwort

Liebe Leserinnen und Leser, mit dem vorliegenden Agrarbericht schauen wir zurück auf die Entwicklung der sächsischen Landwirtschaft in den zurückliegenden fünf Jahren.

Infolge der Klimakrise liegen mehrere ausgesprochene Dürrejahre hinter uns, in denen die Niederschläge nicht annähernd die Grundwasserspeicher der Böden füllen konnten. Getreidefelder brannten, Maisfelder verdorrten und mussten teilweise umgebrochen werden, in einigen Landesteilen mangelte es an Futter für die Tiere. Es waren teils erhebliche Ernteausfälle zu verzeichnen. Auf die Klimakrise gilt es zu reagieren und die Anpassung der sächsischen Landwirtschaft an die Folgen der Klimakrise bleibt eine zentrale Frage. Das Anlegen von Hecken und Gehölzstreifen, Bodenschutz und Humusaufbau, vielfältige Fruchtfolgen, der Anbau trockenresistenter Arten und Sorten oder bestimmter Zwischenfrüchte, eine angepasste Bodenbearbeitung – das sind Möglichkeiten, mit denen die Landwirtinnen und Landwirte die Wasseraufnahme- und -speicherfunktion des Bodens vergrößern und den Wasserrückhalt in der Fläche verbessern können. Dabei können sowohl die Forschungsergebnisse des Landesamtes für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie hilfreiche Lösungen für die Praxis liefern als auch zukunftsorientierte Technik und Innovationen aus Wissenschaft und Forschung.

Die von der Corona-Pandemie maßgeblich geprägten Jahre haben wir gemeinsam bewältigt und Herausforderungen in den Betrieben sowie in der Verwaltung gemeistert. Beispielsweise konnten durch die kurzfristige Verlängerung der sozialversicherungsfreien Tätigkeit bereits angereiste Arbeitskräfte in Sachsen bleiben. Weitere Maßnahmen konnten die landwirtschaftlichen Betriebe zwar nicht vollständig entlasten, jedoch sowohl bei der Suche nach Arbeitskräften als auch in finanzieller Hinsicht unterstützen.

Mehr Wertschöpfung in der Region stärkt die Wirtschaft vor Ort und schafft neue Perspektiven für die Landwirtschaft. In der CoronaPandemie haben wir gesehen, dass regional ausgerichtete Produktion, Verarbeitung und Handel stabil durch die Krise gekommen sind, dass kurze Wege vom Acker auf den Teller krisenfester sind als internationale Logistikketten nach dem Discount-Prinzip. In den zurückliegenden drei Jahren sind wir mittels Förderung, Beratung, Vernetzung und eines verbesserten Marktumfelds deutlich mit der regionalen und bioregionalen Landwirtschaft vorangekommen. Mehr regionale und bioregionale Wertschöpfung verbessert die Einkommen der Landwirtinnen und Landwirte, sichert Arbeitsplätze und schafft Perspektiven für den ländlichen Raum.

2021/2022 gab es einen massiven Anstieg der Betriebsmittelpreise (plus 20 Prozent), vor allem für Energie, Dünge- und Pflanzenschutzmittel sowie für Futtermittel. Gleichzeitig stiegen die Erzeugerpreise insbesondere für Getreide, Raps und Milch, weshalb die Landwirtschaftsbetriebe im abgelaufenen Wirtschaftsjahr ihre Einkommen im Schnitt um 16 Prozent gegenüber dem Vorjahr verbessern konnten. Der Verunsicherung und den Mehrbelastungen für die Agrarbranche sowie für Verbraucherinnen und Verbraucher im Zusammenhang mit dem Ukrainekrieg können wir mit der Stärkung regionaler, nachhaltiger Landwirtschaft begegnen. Die heimische Landwirtschaft sichert unsere Versorgung und ist unverzichtbar bei der großen Aufgabe, zu mehr Klima-, Umwelt- und Artenschutz zu kommen.

Im September 2020 wurde in Brandenburg das erste mit der Afrikanischen Schweinepest infizierte Wildschwein nachgewiesen, kurz darauf folgten die ersten Fälle in Sachsen. Auch wenn das Virus durch umfangreiche Schutzmaßnahmen bislang nicht in die sächsischen Hausschweinebestände gelangen konnte, brach ein Teil des Exportmarktes für die Schweinehalter zusammen, Transportwege wurden länger oder Tiere nicht abgenommen.

Sachsen ist mit etwa einer halben Million gehaltener Schweine und auch einer halben Million Rinder eher ein vieharmes Bundesland. Wir können statistisch gesehen den Bedarf der sächsischen Bevölkerung an Schweinefleisch nur knapp zur Hälfte und an Rindfleisch zu etwa zwei Dritteln aus eigenen sächsischen Erzeugnissen decken. Auch gibt es seit einigen Jahren keinen größeren Schlachthof mehr in Sachsen, weshalb ein Ausbau hofnaher und regionaler Schlachtstätten wichtig ist. Das stärkt die Betriebe gegen derartige Krisen.

Landwirtschaftliche Tierhaltung ist uns als integraler Bestandteil der sächsischen Landwirtschaft sehr wichtig. Die Wertschöpfung gilt es in diesem Sektor weiter konstant zu steigern und bei Produktion und Verarbeitung konsequent auf Tierschutz sowie auf den Schutz von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu setzen.

Ich würde mich sehr freuen, wenn das neu erwachte Bewusstsein zum Kauf regionaler Lebensmittel bestehen bleibt. Wir haben deshalb Anfang des Jahres 2022 eine Sächsische Agentur für regionale Lebensmittel (AgiL) gegründet, die regionale Marken stärken und die Verarbeitung sächsischer Produkte durch regionale Handwerks- oder andere Verarbeitungsbetriebe vorantreiben soll.

Sachsens vielfältige Agrarstruktur zu erhalten ist uns ein großes Anliegen. Landwirtschaftsflächen wecken zunehmend Begehrlichkeiten. Der Boden ist aber nicht vermehrbar und es muss genau abgewogen werden, welche Nutzung stattfinden soll. Einerseits wollen wir, dass das gesamte Ökosystem gut funktioniert, dass Strukturvielfalt in der Fläche Tieren und Pflanzen die benötigten Rückzugsräume bietet. Andererseits ist die Erzeugung von Nahrungsmitteln ureigenes Anliegen der Bodenbewirtschaftung. Die Sicherstellung der Ernährung, vorzugsweise im Rahmen regionaler Kreisläufe, steht weiterhin im Mittelpunkt. Darüber hinaus gibt es zahlreiche weitere Nutzungsansprüche an landwirtschaftliche Flächen wie Wohnen, Gewerbe, Verkehr, Erholung, Freizeit und Tourismus. Um unseren ökologischen Fußabdruck zu senken und die künftige Energieversorgung zu sichern, ist der Ausbau der erneuerbaren Energiegewinnung auch auf Landwirtschaftsflächen erforderlich und generiert für landwirtschaftliche Unternehmen zusätzliche Einnahmen. Der Boden wird dabei aber zum begrenzenden Faktor, was wir deutlich an den gestiegenen Boden- und Pachtpreisen spüren. Im Durchschnitt wurden im letzten Jahr über 21.000 Euro für einen Hektar reine Landwirtschaftsfläche gezahlt.

Um diese Preisentwicklung abzudämpfen, haben wir das Sächsische Agrarstrukturgesetz auf den Weg gebracht. Weitere Schwerpunkte des Gesetzes sind unter anderem die Einbeziehung von Anteilskäufen („Share Deals“) in die Grundstücksverkehrskontrolle, die Begrenzung der Möglichkeiten außerlandwirtschaftlicher Investoren zum Erwerb von Landwirtschaftsflächen und der Entstehung sehr großer konzernartiger Landwirtschaftsstrukturen, eine Privilegierung regional ansässiger Landwirtschaftsbetriebe gegenüber Nichtlandwirten und Landwirten ohne Regionalbezug beim Erwerb von Landwirtschaftsflächen, die Erhöhung der agrarstrukturell günstigen Einflussnahmemöglichkeiten der sächsischen Landsiedlung GmbH durch Ausweitung der Vorkaufsrechtsmöglichkeiten.

In diesem Jahr sind wir in eine neue Gemeinsame Agrarpolitik gestartet. Die technischen Schwierigkeiten bei der Antragstellung haben wir gemeinsam mit dem Berufsstand gemeistert. Alle rechtlichen Möglichkeiten für Erleichterungen wurden genutzt und die Antragstellenden erhielten besondere fachliche Unterstützung beim Beantragen der Fördermittel. Die europäischen Regelungen gewähren den Mitgliedstaaten für die Ausgestaltung ihrer GAP-Strategiepläne 2023–2027 regionale Spielräume. Deutschland hat diese genutzt und den Einstieg in den Umstieg der Agrarförderung eingeleitet. Künftig werden über die Hälfte der jährlich sechs Milliarden Euro Agrargelder an Nachhaltigkeit und Gemeinwohl gebunden sein. Für die EU-Agrarpolitik nach 2027 streben wir eine Gemeinwohlprämie an. Landwirtinnen und Landwirte sollen mit Umweltleistungen Geld verdienen können. Eine deutlich vereinfachte Agrarförderung ist das Ziel für die nächste EU-Förderperiode, denn der Verwaltungsaufwand für Betriebe und Behörden hat ein Maß erreicht, wo ein Handeln dringend notwendig ist.

Liebe Leserinnen und Leser, Sie erhalten in den folgenden neun Kapiteln des Agrarberichtes einen interessanten und detaillierten Einblick, wie sich die Landwirtschaft in Sachsen in den letzten Jahren entwickelt hat. Ich wünsche Ihnen eine interessante Lektüre!

Wolfram Günther Sächsischer Staatsminister für Energie, Klimaschutz, Umwelt und Landwirtschaft

Abkürzungsverzeichnis

AF Ackerfläche

AK Arbeitskraft

AK-E Arbeitskrafteinheit

AUKM Agrarumwelt- und Klimaschutzmaßnahmen

BBiG Berufsbildungsgesetz

BEE Besondere Ernteermittlung

BfUL Staatliche Betriebsgesellschaft für Umwelt und Landwirtschaft

BGA Biogasanlage

BiBB Bundesinstitut für Berufsbildung

BLE Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung

BMEL Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft

BP Bodenpunkt

BSZ Berufliches Schulzentrum

BVVG Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH

BWS Bruttowertschöpfung

CCM Corn-Cob-Mix

Co. KG Compagnie Kommanditgesellschaft

DB Direktionsbezirk

DLG Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft e. V.

DTF Dauertestflächen

DWD Deutscher Wetterdienst

EALG Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz

EEG Erneuerbare-Energien-Gesetz e. G. eingetragene Genossenschaft

EGFL Europäischer Garantiefonds für die Landwirtschaft

ELER Europäischer Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums

EMFF Europäischer Meeres- und Fischereifonds

EPLR Entwicklungsprogramm für den ländlichen Raum

ESF Europäischer Sozialfonds

EW Ernährungswirtschaft

FRL Förderrichtlinie

GAK Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes

GAP Gemeinsame Agrarpolitik

GbR Gesellschaft bürgerlichen Rechts

GEMDAT Gemeindedatei

GmbH Gesellschaft mit beschränkter Haftung

GV/GVE Großvieheinheit

HVG Hopfenverwertungsgenossenschaft e. G.

KUP Kurzumtriebsplantage

LEADER Liaison Entre Actions de Développement de l‘Économie Rurale (Verbindung zwischen Aktionen zur Entwicklung der ländlichen Wirtschaft)

LF Landwirtschaftlich genutzte Fläche

LfULG Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie

LKR Landkreis

LKV Sächsischer Landeskontrollverband e. V.

OHG Offene Handelsgesellschaft

RL Richtlinie

SächsWG Sächsisches Wassergesetz

SBS Staatsbetrieb Sachsenforst

SchAVO Verordnung des Sächsischen Staatsministeriums für Umwelt und Landwirtschaft über Schutzbestimmungen und Ausgleichsleistungen für erhöhte Aufwendungen der Land- und Forstwirtschaft in Wasserschutzgebieten

SID Staatsbetrieb Sächsische Informatikdienste

SIB Staatsbetrieb Sächsisches Immobilien- und Baumanagement

SLS Sächsische Landsiedlung GmbH

SMEKUL Sächsisches Staatsministerium für Energie, Klimaschutz, Umwelt und Landwirtschaft

SMI Sächsisches Staatsministerium des Innern

SMWA Sächsisches Staatsministerium für Wirtschaft und Arbeit

SN Sachsen

ST Sachsen-Anhalt

StLA Statistisches Landesamt des Freistaates Sachsen

TH Thüringen

TM Trockenmasse

ÜbA Überbetriebliche Ausbildungslehrgänge

ÜbS Überbetriebliche Ausbildungsstätte

ULB Untere Landwirtschaftsbehörde

VDLUFA Verband Deutscher Landwirtschaftlicher Untersuchungsund Forschungsanstalten e. V.

VGR Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung

WSG Wasserschutzgebiet

ZFM Staatsbetrieb Zentrales Flächenmanagement Sachsen

ZWE Zuwendungsempfänger

5.745 Landwirtschaftsbetriebe (Quelle: Agrarförderung)

684 juristische Personen 501 Personengesellschaften

1.513 Einzelunternehmen im Haupterwerb

3.047 Einzelunternehmen im Nebenerwerb

30.300 Arbeitskräfte

16.700 ständig beschäftigte Arbeitskräfte

8.000 Familienarbeitskräfte

5.600 Saisonarbeitskräfte

896.700 ha Bodennutzung

1.100 ha Sonstiges

3.000 ha Obstanlagen

189.800 ha Dauergrünland

701.900 ha Ackerfläche

… …

This article is from: