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9.4 Biologische Vielfalt

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9.4.1 Entwicklung von Lebensraumtypen und Arten der Agrarlandschaft (Natura 2000)

Die sächsische Agrarlandschaft beherbergt eine ganze Reihe von Lebensraumtypen und Arten, die durch den europäischen Rechtsrahmen Natura 2000 geschützt sind und deren Entwicklung unter besonderer Beobachtung steht. Dazu zählen Schutzgüter der FaunaFlora-Habitat-Richtlinie (FFH-Richtlinie) und Schutzgüter der Vogelschutzrichtlinie.

Die Betriebsgesellschaft für Umwelt und Landwirtschaft (BfUL) und das Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie erfassen seit 2001 die Schutzgüter der FFH-Richtlinie (Lebensraumtypen und Arten). Durch die bisher erschienenen Berichte kann die Entwicklung dieser Lebensraumtypen und Arten sachsenweit nachverfolgt werden. Das Schutzziel ist dabei jeweils das Bewahren beziehungsweise Erreichen eines günstigen Erhaltungszustandes.

Zu den landwirtschaftlich überdurchschnittlich beeinflussten oder direkt von ihr abhängigen FFH-Lebensraumtypen in Sachsen gehören insbesondere:

I Trockene Heiden,

I Kalk-Trockenrasen,

I Artenreiche Borstgrasrasen, I Steppen-Trockenrasen,

I Pfeifengraswiesen, I Feuchte Hochstaudenfluren, I Brenndolden-Auenwiesen, I Flachland- und Berg-Mähwiesen sowie I Kalkreiche Niedermoore.

Diese zeigen eine stetige und im Vergleich zur Gesamtheit der in Sachsen vorkommenden Lebensraumtypen überproportionale Verschlechterung ihrer Erhaltungszustände. Insbesondere feuchteliebende Lebensraumtypen, zum Beispiel flussnahe Hochstaudenfluren (mehrjährige krautige Pflanzen), wurden durch die Trocken- und Dürrejahre zusätzlich negativ beeinflusst, was sich auf die Entwicklung im nächsten Erfassungszeitraum auswirken könnte.

Zu den FFH-Arten markanter Lebensraumkomplexe der Agrarlandschaft gehören in Sachsen im Ackerland insbesondere:

I Breitflügelfledermaus,

I Feldhamster,

I Graues Langohr,

I Iltis,

I Knoblauchkröte und im Grünland insbesondere:

I Arnika,

I Abbiss-Scheckenfalter,

I Dunkler Ameisenbläuling,

I Heller Ameisenbläuling,

I Großer Feuerfalter,

I Nachtkerzenschwärmer, I Zauneidechse.

Der Erhaltungszustand der Arten hat sich seit 2001 deutlich verschlechtert. Dies wird in den Komplexen der Agrarlandschaft noch erkennbarer als bei der Betrachtung aller Arten in Sachsen. Zum Beispiel befinden sich 26 Prozent aller sächsischen FFH-Arten in einem günstigen Erhaltungszustand, in der Agrarlandschaft sind es dagegen nur 20 Prozent (Ackerland) beziehungsweise 14 Prozent (Grünland).

Im letzten Vogelschutzbericht sind spezifische Aussagen zum Bestandstrend aller in Sachsen heimischen Brutvogelarten enthalten. Von insgesamt 78 Arten mit obligaten Teillebensräumen in agrarisch genutzten Landschaften, zeigten über einen längeren Zeitraum

31 Arten einen abnehmenden Bestandstrend, zum Beispiel

I Kiebitz, I Turteltaube, I Schleiereule, I Steinschmätzer, I Ortolan,

30 Arten keinen klaren Bestandstrend, zum Beispiel

I Weißstorch, I Turmfalke, I Waldohreule, I Dorngrasmücke, I Goldammer,

17 Arten einen zunehmenden Bestandstrend, zum Beispiel I Nilgans, I Kranich, I Ringeltaube, I Kolkrabe, I Schwarzkehlchen.

Damit ist der Anteil der Arten mit abnehmendem Bestandstrend nahezu doppelt so hoch gegenüber Vogelarten mit zunehmenden Bestandstrends.

9.4.2 Entwicklung von Landwirtschaftsflächen mit hohem Naturwert in Sachsen

In der Agrarlandschaft sind naturnahe Landschaftselemente sowie extensiv genutzte Flächen von herausragender Bedeutung für den Schutz der biologischen Vielfalt. Daher ist auf die Erhaltung und Ausweitung dieser Bereiche besonders zu achten. Durch die systematische und langfristige Erfassung von Landwirtschaftsflächen mit hohem Naturwert können Auswirkungen von grundlegenden Änderungen der Nutzung und Struktur der Landschaft (zum Beispiel landwirtschaftlicher Nutzungen darstellen und verändern, wird mit einem Indikator (HNV-Farmland) dargestellt. HNV steht dabei für High Nature Value, also hoher Naturwert.

Bei der Einstufung werden fünf Wertstufen unterschieden. Nur die Wertstufen I (äußerst hoher Naturwert), II (sehr hoher Naturwert) und III (mäßig hoher Naturwert) werden als HNV-Farmland gewertet. Dabei ist insbesondere der Arten- und Strukturreichtum der Wertstufe III im Vergleich zu den Wertstufen II und I als begrenzt einzuordnen. Die Wertstufen V (sehr geringer Naturwert) und IV (geringer Naturwert) werden nicht als HNV-Farmland gewertet.

Flächen mit hohem Naturwert sind beispielsweise extensiv genutzte, artenreiche Nutz- und Lebensraumflächen wie Grünland-, Acker-, Obst-, Reb- und Brachflächen oder sonstige Lebensräume des Offenlandes sowie strukturreiche Landschaftselemente.

Feldhase in einer blühenden Kirschplantage als Folge der Intensivierung) und damit auch der Agrarpolitik im Hinblick auf die Erhaltung und Förderung der biologischen Vielfalt in der Landwirtschaft aufgezeigt werden. Wie sich Umfang und Qualität dieser aus Sicht des Naturschutzes wertvollen Flächen im Kontext

Der Anteil der Flächen mit hohem Naturwert an der Landwirtschaftsfläche in Sachsen hat sich seit Erfassungsbeginn deutlich verringert. Von den Rückgängen am stärksten betroffen sind die „Flächen mit mäßig hohem Naturwert“ beziehungsweise die (hier nicht weiter dargestellten) HNV-Flächentypen „Ackerflächen“ und „Brachflächen“. Seitdem zeichnet sich wieder ein leichter Aufwärtstrend ab, allerdings auf weiterhin niedrigem Niveau. Der aktuelle Wert für das Jahr 2021 liegt mit zehn Prozent noch weit unter dem Zielwert von 19 Prozent für Deutschland. Dabei verharrt insbesondere der Anteil an „Flächen mit äußerst hohem Naturwert“ mit weniger als zwei Prozent auf sehr geringem Niveau.

Abbildung 82: Entwicklung des Flächenanteils der Landwirtschaftsflächen mit hohem Naturwert an der Landwirtschaftsfläche im Freistaat Sachsen von 2009 bis 2021

9.4.3 Programm „Biologische Vielfalt 2020“ und Programm „Sachsens Biologische Vielfalt 2030 – Einfach machen!“

Mit Vorlage des Evaluierungsberichts am 15. Dezember 2020 endete der zeitliche Horizont des 2009 vom Sächsischen Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft aufgelegten Programms „Biologische Vielfalt 2020“. Der Bericht zeigte auf, dass trotz vielfältiger Aktivitäten und ermutigender Beispiele erfolgreicher Schutzmaßnahmen, insbesondere auch im Sektor Landwirtschaft, bei weitem noch nicht alle Ziele erreicht wurden und sich der Negativtrend bei vielen Arten und Lebensraumtypen fortsetzt. So war ab dem Antragsjahr 2015 in der Flächenförderung ein bedeutender quantitativer Zuwachs (geförderte Fläche) zu verzeichnen. Dieser resultierte jedoch zu großen Teilen aus Fördermaßnahmen mit vergleichsweise geringen naturschutzfachlichen Anforderungen. Ein regelmäßig an den dargestellten Entwicklungen beteiligter übergeordneter Faktor ist jedoch der Rückgang traditioneller Nutzungsformen, wie extensive Beweidung und Mahd, mit dem Ergebnis einer Nutzungsintensivierung oder Verbrachung. Dies lässt sich vorrangig durch Fördermaßnahmen mit vergleichsweise hohen naturschutzfachlichen Anforderungen kompensieren.

ausgeweitet, vor allem im Bereich Jungbaumpflege für Obstgehölze, Anlage von Alleen und Biotoppflege. Damit konnten 2022 bereits 80 Alleebäume gepflanzt und 230 junge Obstbäume gepflegt werden. Ebenso unterstützt der Freistaat jährlich die Betreuung von mittlerweile über 100 Kilometern Amphibienzaun.

9.4.4 Naturschutzberatung und Betriebsplan Natur

In Vorbereitung der Antragsstellung auf die Förderung von naturschutzbezogenen Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen (AUKM) und weiterer naturschutzrelevanter Maßnahmen können sich landwirtschaftliche Betriebe und andere Landnutzer seit 2008 kostenlos von Naturschutzberatern unterstützen lassen (Maßnahme C.1 „Naturschutzqualifizierung für Landnutzer“, Richtlinie Natürliches Erbe (NE)/2014). Diese Unterstützung erweitert das Informationsangebot der Förder- und Fachbildungszentren mit Informations- und Servicestellen des LfULG.

Feldlerche in der Landwirtschaftsflur

Am 4. Oktober 2022 hat das Kabinett der Sächsischen Staatsregierung das weiterentwickelte Programm „Sachsens Biologische Vielfalt 2030 – Einfach machen!“ veröffentlicht. Das übergeordnete Ziel ist dabei die Erhaltung und, wo erforderlich, die Wiederherstellung der natürlich und unter Nutzungseinfluss gewachsenen biologischen Vielfalt im Freistaat Sachsen. Für die Zielerreichung im Handlungsfeld „Landwirtschaft“ spielen dabei wiederum Förderprogramme eine wichtige Rolle. Hier hat das Sächsische Staatsministerium für Energie, Klima, Umwelt und Landwirtschaft in Zusammenarbeit mit den Fachbehörden und mit Beteiligung der Wirtschafts- und Sozialpartner bereits ein umfangreiches Paket an Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen (AUKM) für die neue Förderperiode von 2023 bis 2027 vorgelegt. Bei guter Akzeptanz und sachgerechter Umsetzung insbesondere der naturschutzbezogenen Maßnahmen kann bis 2030 ein wichtiger Beitrag für eine Trendumkehr bei den Lebensraumtypen und Arten der Agrarlandschaft erreicht werden.

Sachsen hat im Jahr 2022 insgesamt 1.080 Naturschutzprojekte mit rund 17,5 Millionen Euro gefördert – von Streuobstwiesen über Waldmoore bis hin zu Kleingewässern. Zudem wurde die Förderung

Im Durchschnitt der Beratungsjahre 2008 bis 2022 (ein Beratungsjahr geht jeweils vom 1. Juni bis 31. Mai des Folgejahres) wurden in der einzelflächenbezogenen Naturschutzberatung jährlich 524 Landnutzer allgemein beraten, I 617 konkrete schlagbezogene Maßnahmenvorschläge der Flächenförderung AUKM und 136 projektbezogene Maßnahmenvorschläge der investiven Förderung über die Richtlinie NE gegeben sowie I 846 Schläge bei der fachlichen Umsetzung der Naturschutzfördermaßnahmen begleitet. (Für die Qualifizierungsgebiete Freiberg und Mittweida lagen zum Zeitpunkt der Auswertung die Ergebnisse noch nicht vor.)

Seit dem Jahr 2022 sind die Naturschutzberater intensiv beratend zur neuen Förderperiode ab 2023 einschließlich der neuen Förderrichtlinie AUK/2023 tätig. Zusätzlich werden im gesamtbetrieblichen Modul der Naturschutzberatung („Betriebsplan Natur“) nach aktuellem Stand 69 ausgewählte Betriebe kontinuierlich beraten und in der fachlichen Erarbeitung beziehungsweise Umsetzung ihres Betriebsplans Natur begleitet.

Mit dem »Betriebsplan Natur« erhält der Landnutzer eine Übersicht wertvoller Tier- und Pflanzenarten sowie Schutzgebiete auf seinem Betrieb. Es werden Vorschläge zur Umsetzung von Maßnahmen, die der ökologischen Aufwertung dienen, sowie Empfehlungen zu deren Finanzierung gegeben. Im Rahmen einer gutachterlichen Bewertung werden bereits erbrachte Naturschutzleistungen des Betriebes gewürdigt und mögliche Handlungsfelder aufgezeigt. Die partnerschaftliche Abstimmung und Berücksichtigung der Betriebsziele und -vorstellungen ist wesentlich für den Betriebsplan Natur. Er zeigt Landwirten betriebsindividuelle Lösungen für mehr biologische Vielfalt auf, bei denen bereits mit kleinen, wenig aufwendigen Maßnahmen aus Naturschutzsicht viel erreicht werden kann.

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