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ORCHIDE – VON SEELE ZU SEELE

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KUNST

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Neun Menschen wurden am 19. Februar 2020 von einem Attentäter in Hanau ermordet. Wir waren geschockt und entsetzt. Aber die Erinnerung daran wird wie bei so vielem mit der Zeit verblassen. Damit das nicht passiert, hat die Künstlerin ORCHIDE eine musikalische Widmung für die neun Getöteten komponiert Ein Crowdfunding-Projekt soll ihr helfen, ihre Idee umzusetzen. ›› Text: Heidi Zehentner

ORCHIDE ist nicht nur der wunderschöne Künstlername der Musikerin und Komponistin, sondern auch der reale Name der Frankfurterin. Die 32-Jährige ist in Griechenland geboren, aufgewachsen in Homburg an der Saar, 2010 für ihr Studium in Jazzgesang nach Frankfurt gezogen. Nach dem Studium hat sich ORCHIDE ganz dem Komponieren gewidmet, derzeit sind es orchestrale Stücke, so wie auch ihr Streichorchesterprojekt „Von Seele zu Seele“. Den Titel des Songs, den sie den neun Opfern von Hanau widmen möchte, möchte sie erst kurz vor dessen Veröffentlichung preisgeben.

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Worum geht es in „Von Seele zu Seele“ und welches sind deine persönlichen Beweggründe? „In meinem Projekt „Von Seele zu Seele“ geht es um die künstlerische und musikalische Verarbeitung des Anschlags in Hanau. Ich habe mich vor dem Anschlag in einer schwierigen Phase befunden und mich intensiv mit dem Thema Tod und Sterblichkeit befasst. Als der Anschlag stattfand, habe ich eine Zeit lang nicht wirklich realisiert, was genau da eigentlich passiert ist. Als mir aber bewusst wurde, dass dieser Anschlag einen Katzensprung entfernt von mir stattfand und ich realisierte, dass ich eines der Opfer hätte sein können oder mein Bruder, der in der Nähe von Hanau war, hat das ziemlich viel mit mir gemacht. Auch als ich mir die Interviews der Familien angeschaut habe, habe ich meine eigenen Eltern gesehen. Nichts unterscheidet uns. Ich hatte den Impuls, ihrem Schmerz mit der Musik einen Klangraum zu geben, weil ich um die Kraft der Musik weiß. Ihre Trauer ist meine Trauer. Ich kannte niemanden von ihnen, aber ich fühlte mich mit ihnen verbunden, und bin es durch dieses Projekt mehr denn je zuvor.

„Von Seele zu Seele“: Warum gerade dieser Name für dein Projekt? „Von Seele zu Seele“ ist eine Auseinandersetzung mit der Trauer, mit dem Prozess des Schmerzes und der Erkenntnis, dass es in der Tiefe etwas gibt, was uns alle als Menschen miteinander verbindet, unabhängig von Hautfarbe, Religionszugehörigkeit oder kulturellem Hintergrund, denn in der Trauer erkennen wir, was wirklich wichtig ist und alles, was uns einst so wichtig erschien, wird nichtig. Und da wo wir uns berührt und verbunden fühlen, ist die Seele. Deshalb heißt das Projekt „Von Seele zu Seele“. Es ist ein Aufruf zum Mitgefühl, ein Aufruf, sich zuallererst als Menschen zu erkennen. Das Musikvideo soll nach Fertigstellung in allen sozialen Netzwerken und auf YouTube veröffentlicht werden, um eine große Reichweite zu erlangen, und somit immer an das Attentat zu erinnern. Das Projekt möchte ich mit Musiker:innen beziehungsweise Streicher:innen aus dem Raum Frankfurt und Umgebung aufnehmen. Noch besteht also kein festes Streichorchester und Interessierte können sich bei mir für das Projekt bewerben (Über Instagram: @orchidemusic oder Facebook: ORCHIDE), nach erfolgreicher Crowdfunding-Finanzierung werde ich mich auf Musiker:innen-Suche machen.

Streichorchesterprojekt von ORCHIDE „VON SEELE ZU SEELE“

›› startnext.com/von-seele-zu-seele, Facebook/ORCHIDE, Instagram@orchidemusic

Dein Projekt soll über eine Crowdfunding-Initiative realisiert werden. Wie ist die Resonanz darauf? Die Resonanz ist bisher super. Ich bin sehr dankbar für alle, die bisher gespendet und das Projekt in sozialen Medien geteilt haben. Ohne diese Unterstützung ist es schwierig. Aber ich glaube fest daran und arbeite viel daran und das mache ich sehr gerne.

Hass und Fremdenfeindlichkeit lauern überall. Musstest du persönlich schon schlimme Erfahrungen machen? Glücklicherweise sind meine Erfahrungen, die ich mit Hass und Fremdenfeindlichkeit gemacht habe, nicht in physischer Form ausagiert worden. Wie du aber schon sagst, lauern Hass und Fremdenfeindlichkeit überall und oftmals ist es verdeckt hinter falschen Motiven. Ich selbst mache hin und wieder Erfahrungen mit dem Alltagsrassismus, den viele ausländisch aussehende Menschen erleben.

Das Attentat hat sich kurz vor dem Ausbreiten des Corona-Virus zugetragen. Welche Folgen hat die Pandemie für dich? Da ich immer ein zweites Standbein als Musiklehrerin hatte, geht es mir soweit gut. Aber mein Ziel ist es, längerfristig ganz von der Musik leben zu können. Das ist mir besonders während der Corona-Zeit bewusst geworden. Verrückt, dass sich der Wunsch ausgerechnet in dieser Zeit mehr und mehr gefestigt hat.

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