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TEILHABE FÜR ALLE

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Wie halten es die Hochschulen mit dem Gendern?

TEILHABE FÜR ALLE

Studierende, Teilnehmerinnen und Teilnehmer, Professor:innen. An einigen Hochschulen im deutschsprachigen Raum ist das Verwenden von gendersensibler Sprache verpflichtend. Da droht auch schon mal Punktabzug für die, die es verweigern. Wie ist das an den hiesigen Hochschulen? UniFRIZZ hat sich umgehört.. ›› Daniela Halder-Ballasch

Gendersensible Sprache, was ist das eigentlich? Sie „bezeichnet einen Sprachgebrauch, der in Bezug auf Personenbezeichnungen die Gleichbehandlung von Frauen und Männern und darüber hinaus aller Geschlechter zum Ziel hat und die Gleichstellung der Geschlechter in gesprochener und geschriebener Sprache zum Ausdruck bringen will“, sagt Wikipedia.

ROSA UND HELLBLAU

„‚Mitmeinen‘ reicht nicht, wenn alle angesprochen werden sollen!“, schreibt das Büro für Gleichstellungsfragen der Uni Magdeburg auf seiner Webseite. Gendern soll sprachlich alle Menschen einschließen, Klischees und Stereotype überwinden. Also kein „schwaches Geschlecht“, kein „typisch männliches Verhalten“, keine Strampler in rosa für Mädchen und in hellblau für Jungs. „Es gibt eben nicht nur Piloten oder Mechaniker, sondern auch Pilotinnen und Mechanikerinnen“, sagt Margit Göttert, die Frauenbeauftragte der Frankfurt University of Applied Sciences. „Man weiß aus Untersuchungen, dass sich etwas in unseren Köpfen ändert, wenn wir uns dies vergegenwärtigen: Stereotypen werden aufgeweicht, Dinge werden selbstverständlicher.“

BUNTER FLICKENTEPPICH

Eine Sprache, die alle Menschen einschließt. Das klingt in der Theorie gut, erzeugt aber in der Praxis oft Widerstände. Teilnehmer, Teilnehmende oder alle, die teilnehmen? Welche Formulierung ist gendersensibel genug? In Deutschland gibt es (noch) keine einheitliche Verfahrensweise. Auch nicht an Hochschulen. Einige gendern nicht, andere tun es und bieten dazu Handreichungen. Und an manchen Hochschule außerhalb Deutschlands wie der FH Vorarlberg, der Universität St. Gallen oder der Fachhochschule des bfi Wien können Lehrende selbst entscheiden, ob sie das Gendern als notenrelevantes Kriterium ansehen. Dieser bunte Flickenteppich an Möglichkeiten spiegelt die Unsicherheit im Umgang mit der gendersensiblen Sprache.

DR. ANJA WOLDE, ZENTRALE GLEICHSTELLUNGS-BEAUFTRAGTE DER GOETHE-UNI

Wie halten Sie es an der Hochschule mit der gendersensiblen Sprache? Es gibt eine Broschüre dazu, aber das sind keine Regeln oder Vorgaben, sondern Empfehlungen für die Hochschulangehörigen. Sie sollen zeigen, welche Möglichkeiten man beim Gendern hat. Als Sonderzeichen verwenden wir den Genderstern.

Wie reagieren die Studierenden in Bezug auf die gendersensible Sprache? Dazu kommen bei mir nur wenige Rückmeldungen an. Meine vage Beobachtung ist, dass das danach variiert, wie viel Reflexion es zum Thema Gender an sich gibt. Insbesondere in den sozial- und geisteswissenschaftlichen Fächern wird das Gendern stärker erwartet als zum Beispiel in den Naturwissenschaften.

Was halten Sie persönlich von der gendersensiblen Sprache? Sprache bildet Wirklichkeit nicht nur ab, sondern formt sie auch. Und sie kann neue Verhältnisse schaffen. Daher ist es wichtig, was wir sprechen. Wenn es größere Gruppen gibt, die sich in der Sprache nicht repräsentiert und gesehen fühlt, dann ist es doch ein Gewinn, so zu sprechen, dass sich möglichst viele auch angesprochen fühlen.

Was läuft falsch in der Debatte rund um die gendersensible Sprache? Vielen haben den Eindruck, dass die Idee, mit Sprache sensibler umzugehen bedeutet, dass da etwas verboten werden soll. Das stimmt nicht. Es geht nicht um Verbote. Es geht um ein Bemühen, so viele Menschen wie möglich anzusprechen und zu repräsentieren.

Zu welcher Fraktion gehören Sie: Bürgermeisterkandidat oder Bürger:innenmeister:innenkanditat:innen? Zu keiner. Das eine ist so schlecht wie das andere. Ich würde hoffen, dass man das kreativer löst: Personen, die für das Amt des Bürgermeisters kandidieren. Hier ist die Benennung des Amtes keine geschlechtliche Bezeichnung mehr.

LUISE BRUNNER, SENATSMITGLIED UND EHEMALIGE ASTA-REFERENTIN DER GOETHE-UNI

Wie haltet ihr es beim AStA mit der gendersensiblen Sprache? Wir benutzen einige genderneutrale Begriffe wie z. B. Studierende. Ansonsten verwenden wir den Genderstern. Für die mündliche Kommunikation gibt es keine Regeln.

Was haltet ihr von den Regeln, die die Hochschule dazu aufgestellt hat? Es gibt keine Regeln von Seiten der Hochschule, auch nicht von Dozierenden. Es gibt Empfehlungen für geschlechterinklusive Sprache, aber es gibt keinen Zwang, sich daran zu halten. Und ich finde es richtig, niemanden zu zwingen.

Was hältst du persönlich von der gendersensiblen Sprache? Sie ist ein Gewinn. Ich wundere mich über Gegenargumente, dass sie die Sprache sperrig und unleserlich macht. Es ist doch in Ordnung, wenn es sprachlich manchmal ein bisschen kompliziert wird. Sprache muss nicht immer leicht und eindeutig sein. Es ist doch gut, sich genau zu überlegen, was man sagen und wen man ansprechen möchte.

Was läuft falsch in der Debatte rund um die gendersensible Sprache? Beim AStA ist das Gendern nicht Teil von alltäglichen Debatten, es ist für uns üblich. An der Hochschule gibt es diese Debatte genauso wie in der Gesellschaft natürlich schon. Daran stört mich der Vorwurf, es gäbe einen Zwang, gendersensible Sprache zu verwenden. Das stimmt so nicht. Es gibt lediglich eine Empfehlung. Hier spielt niemand die Sprachpolizei. Ich habe es nie erlebt, dass Menschen dafür angefeindet werden oder schlechter benotet werden, wenn sie nicht gendern.

Zu welcher Fraktion gehörst du: Bürgermeisterkandidat oder Bürger:innenmeister:innenkanditat: innen? Es ist doch eigentlich schön, dass man über solche Begriffe stolpert und sich Gedanken macht, ob der Begriff überhaupt das beschreibt, was man sagen möchte. Ich tendiere zur Variante „Personen, die sich auf das Amt des Bürgermeisters oder der Bürgermeisterin bewerben“ oder„Bürgermeisterkandidat*innen“

SABINE SCHUBERT UND LISA SOPHIE BECK, ZENTRALE FRAUEN- UND GLEICHSTELLUNGSBEAUFTRAGTE DER HOCHSCHULE FÜR MUSIK UND DARSTELLENDE KUNST (HFMDK)

Wie halten Sie es an der Hochschule mit der gendersensiblen Sprache? Schubert: Auf Anregung der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten gibt es seit Anfang 2022 einen Präsidiumsbeschluss für die Verwaltung und die Lehrenden. Wir nutzen den Genderstern und wenn möglich neutrale Formulierungen, und das schriftlich und mündlich.

Wie reagieren die Studierenden in Bezug auf die gendersensible Sprache? Schubert: Unsere Studierenden haben schon vor unserer Empfehlung gegendert. Vor allem diejenigen, die hochschulpolitisch engagiert sind. Beck: Es gibt für unsere Studierenden keinen Zwang zu gendern. Linguistische Inhalte sind nicht Gegenstand unserer Lehre und es werden nur wenige Arbeiten schriftlich verfasst.

Was halten Sie persönlich von der gendersensiblen Sprache? Beck: Es ist eine sehr gute Möglichkeit, sich selbst zu überlegen, über wen ich eigentlich spreche. Nicht „ent-genderte“ Sprache ist manchmal unLisa Sophie Beck © Oksana Sersta eindeutig, da nicht klar ist, ob das generische Maskulinum gemeint ist: Meint „Lehrer“ nur männliche oder alle Lehrenden? Durch das Gendern wird verhindert, dass bestimmte Geschlechtsidentitäten unsichtbar gemacht werden, und die Sprache wird eindeutiger. © Björn Hadem Schubert: Es geht weniger um ein linguistisches Problem, als um einen respektvollen Umgang mit allen Menschen und deren selbstgewählter Geschlechtsidentität, auch wenn diese den eigenen Anschauungen widerspricht und angstbesetzt ist. Was läuft falsch in der Debatte rund um die gendersensible Sprache? Schubert: Das Gendern wird häufig nur als linguistisches Problem gesehen und damit seiner gesellschaftlichen Bedeutung beraubt. Es geht nicht lediglich darum, eine neue Schreibweise zu erfinden, sondern um die Frage, wie tolerant wir miteinander umgehen und wie viel Anderssein wir aushalten. Beck: Es gibt Menschen, die Angst vor gesellschaftlicher Veränderung haben und aus diesem Grund das Pseudoargument vorschieben, die Sprache würde durch das Gendern verhunzt.

Zu welcher Fraktion gehören Sie: Bürgermeisterkandidat oder Bürger:innenmeister:innenkanditat:innen? Beck: Kandidierende für das Amt des Stadtoberhaupts. Schubert: Bei den genannten Optionen fehlt mir die Mitte einer ernst gemeinten, nicht pervertierten, geschlechtersensiblen Form.

Sabine Schubert

KATJA KUPFER, GLEICHSTELLUNGSBEAUFTRAGTE DER HOCHSCHULE FÜR GESTALTUNG IN OFFENBACH

Wie halten Sie es an der Hochschule mit der gendersensiblen Sprache? Bei dem Thema sind wir recht weit, vielleicht weiter als die Gesellschaft, denn wir beschäftigen uns seit über zehn Jahren damit. Das Gendern ist den meisten Hochschulangehörigen in Fleisch und Blut übergegangen. Wir haben seit etwa acht Jahren eine Empfehlung in Form eines Leitfadens und gendern in offiziellen Schriften und Formularen. Wir verwenden möglichst neutrale Formulierungen und als Sonderzeichen den Unterstrich, aber auch den Genderstern und den Doppelpunkt. Es gibt keine allgemeine Pflicht zu gendern, weder für Mitarbeitende, Lehrende noch Studierende. Es geht ja auch nicht darum, ein starres Sprachkorsett umzusetzen, sondern die verschiedenen Möglichkeiten anzuwenden.

Wie reagieren die Studierenden in Bezug auf die gendersensible Sprache? Das ist bei uns gerade kein Diskussionsthema. Wir verhandeln derzeit viele gesellschaftliche Themen an der Hochschule wie Ausgrenzung oder Machtmissbrauch und befinden uns in einem fortlaufenden Sensibilisierungsprozess. Da ist dann diskriminierungsfreie Sprache ein Aspekt. sperrig sein, aber sie steht für das Richtige, nämlich dafür, die Hälfte der Gesellschaft in der Sprache zu inkludieren. Wieso sollte das nicht genutzt werden? Viele stellen sich bei der Verwendung des generischen Maskulinums Männer vor. Sprache schafft Wirklichkeit. Bei gendersensibler Sprache werden Frauen und nichtbinäre Personen sichtbarer.

Was läuft falsch in der Debatte rund um die gendersensible Sprache? Ich glaube, Sprachwandel wird schnell als negativ empfunden. Dabei geht es um Macht, Abgrenzung, Identität. Die Debatte wird oft wütend geführt, weil die gendersensible Sprache ein Politikum ist und oft als akademisches Elitenprojekt gesehen wird, das an der Lebenswirklichkeit vieler vorbeigeht. BILD-Schlagzeilen wie „Genderwahnsinn“ zeigen auch, wie tief Frauenhass und die Furcht vor dem Anderssein sitzen. Es ist ein ganz schön dickes Brett, an dem wir hier gesellschaftlich noch bohren müssen.

Zu welcher Fraktion gehören Sie: Bürgermeisterkandidat oder Bürger:innenmeister:innenkanditat: innen? Ich würde mir wünschen, dass mit dem Thema spielerischer umgegangen wird. Man kann doch mal was ausprobieren. Wer es will, der findet eine

Lösung. Wie wäre es mit Kandidat_innen für das Amt des Stadtoberhaupts oder Bürgermeisterkandidat:innen?

DR. MARGIT GÖTTERT, FRAUEN- UND GLEICHSTELLUNGSBEAUFTRAGTE DER FRANKFURT UNIVERSITY OF APPLIED SCIENCES

Wie halten Sie es an der Hochschule mit der gendersensiblen Sprache? Wir haben einen Leitfaden von 2012, der bald abgelöst wird von einer aktualisierten Fassung, die auch Aspekte wie Rassismus, Vermeidung von Diskriminierung aufgrund von Alter, Herkunft, Behinderung etc. einschließen soll. Der Leitfaden, der unter anderem den Genderstern empfiehlt, bezieht sich auf die Kommunikation von Mitarbeitenden innerhalb der Hochschule und nach außen. Studierende sind nicht mit einbezogen. Für sie gibt keine Vorschriften. Allerdings kann es Gegenstand der Lehre sein, eine gender- und diversitysensible Sprache zu diskutieren und anzuwenden.

Wie reagieren die Studierenden in Bezug auf die gendersensible Sprache? Viele wenden eine gendersensible Sprache an, andere nicht. Viele fordern sie ein, insbesondere in den Studiengängen, in denen sie sich intensiver mit Aspekten von Diskriminierung, Teilhabe und Demokratisierung beschäftigen. Teilweise gehen die Forderungen über bestehende Leitfäden hinaus.

Was halten Sie persönlich von der gendersensiblen Sprache? Für mich geht es dabei um Respekt, Teilhabe, ein diskriminierungsfreies Umfeld, die Aufweichung von Stereotypen und darum, dass sich Menschen gesehen und akzeptiert fühlen. Wenn ich also meine Mitmenschen mit Respekt behandeln will, wenn ich anerkenne, dass es vielfältige Lebensentwürfe gibt, wenn Männlichkeit für mich nicht die Norm ist, dann versuche ich, eine gender- und diversitysensible Sprache zu gebrauchen. Diese ist ein Gewinn, weil sie anerkennt, dass Sprache nicht neutral ist, sondern eben auch verletzen und unsichtbar machen kann, genauso wie sie stärken und einschließen kann.

Was läuft falsch in der Debatte rund um die gendersensible Sprache? Gegner einer gendersensiblen Sprache haben häufig die Vorstellung, dass es eine Sprache und eine Grammatik gibt, die wie ein Naturgesetz funktioniert und in Nachschlagewerken zementiert ist. Aber Sprache ist kein Selbstzweck, sie dient der Kommunikation. Die gendersensible Sprache passt zu einer Gesellschaft, die Gleichberechtigung und Teilhabe für alle will. Und die erkannt hat, dass über Sprache auch Macht ausgeübt wird, indem Dinge benannt und nicht benannt, umbenannt oder positiv oder negativ besetzt werden. Das ist eigentlich allen bekannt und vertraut. Es wird nur vor allem im Bereich gendersensibler Sprache bestritten oder skandalisiert.

Zu welcher Fraktion gehören Sie: Bürgermeisterkandidat oder Bürger: innenmeister:innenkanditat:innen? Für mich sind weniger starre Regeln wichtig als der Versuch, kreativ mit Sprache umzugehen und verschiedene Geschlechter sichtbar werden zu lassen und damit Stereotype zu hinterfragen. Und Sprache so zu nutzen, dass sie niemanden beleidigt, diskriminiert oder herabsetzt, aber trotzdem verständlich ist. Wortungetüme wie im zweiten Beispiel denken sich im Übrigenweitaus häufiger Gegner*innen gendersensibler Sprache aus als Befürworter*innen.

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