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INTERVIEW

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FRIZZ ARBEITSWELT

FRIZZ ARBEITSWELT

WIR WOLLEN DIE WELT HEILEN

Katja Filippenko ist CEO von Saatgutkonfetti. Das junge Start-up will mit Konfetti und positiven Vibes Fortschritte in eine nachhaltigere Zukunft machen. Saatgutkonfetti produziert kompostierbares Konfetti, das Saatgut von bis zu 23 verschiedenen (Wild-)Pflanzenarten enthält. Inzwischen ist Saatgutkonfetti bei mehr als 100 Händler*innen in Deutschland, Österreich und der Schweiz vertreten. Wir haben Katja zum Interview eingeladen und mit ihr über Biodiversität, ihre Zeit bei SAP und über Glück gesprochen.

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Zusammen mit Philip Weyer und Christoph Trimborn hast du mithilfe des Crowdfundings Unikat 2019 eure Unternehmung Saatgutkonfetti gegründet. Was ist seitdem alles passiert?

Seitdem haben wir ein großartiges Team aufgebaut, rund 4.000 Kunden*innen mit Saatgutkonfetti beliefert und beglückt. Wir haben es geschafft, mit vielen Netzwerken, beispielsweise Send e. V., Circular Futures und Encourage Ventures, sehr viele Menschen zu erreichen und ihnen die Idee nahezubringen, wie man zusammen mit der Natur feiert und nicht gegen sie. Durch inspirierende Geschichten haben wir Menschen dazu bewegt, nachhaltiger zu wirtschaften, und viele schädliche Werbemittel ersetzt. Statt dem üblichen Plastikkugelschreiber fliegt nun das Konfetti durch die Messehalle. Des Weiteren haben wir gut 10.000 qm Blühflächen geschaffen und halten Vorträge zum Thema Biodervisität in Universitäten und Schulen. Aktuell beschäftigen wir uns mit dem Feld der Produktionsskalierung und arbeiten mit dem UPP der Uni Kassel. Prof. Hesselbach und sein Team unterstützten uns bei den ersten Schritten und wir wollen in Zusammenarbeit mit MAPA-Tech die Automatisierung voranbringen. Bisher haben wir 1,5 Tonnen Konfetti produziert und verkauft, aber wollten wir alle Festivals in Deutschland beliefern, müssten wir 100 Tonnen produzieren, und das ist mit unserer jetzigen Handarbeit natürlich nicht machbar. Wir möchten, dass unser Konfetti für jeden erschwinglich ist und jegliche Events nachhaltig ausgerichtet werden können. Um Zahlen vom letzten Jahr zu nennen: Wir haben über 80 Beiträge geschrieben, also grüne Zeilen verfasst, für Magazine oder auch für Podcasts. Durch die Medien konnten wir die Geschichte von einer anderen und schöneren Art und Weise des Wirtschaftens erzählen, wo nicht der Profit, sondern der Impact im Vordergrund steht. Für uns ist es wichtig, unsere Erde, Menschen, Systeme und Wirtschaft zu heilen. Durch andere Blumen zu sähen hilft bei der Heilung.

Euer Unternehmen expandierte und hatte zwischendurch fast 30 Mitarbeiter – auch Aldi-Süd listete das vegane, die Natur bereichernde Konfetti. Aktuell wurdet ihr bei Otto und Budni gelistet. Macht dich das stolz?

Total, der Aldi-Auftrag war so der erste riesige Auftrag, bei dem wir in sehr kurzer Zeit 60.000 Einzelpäckchen an rund 2.000 Geschäfte liefern mussten – und das alles handproduziert. Damals waren wir noch nicht hier am Standort: In dieser Zeit haben wir neben unseren Räumen in der Tischbeinstraße große Hallen auf dem Gut Kragenhof anmieten dürfen, unsere Produktion vervierfacht und konnten ganz viele Menschen einstellen. Und wir konnten endlich mit der Kasseler Werkstatt zusammenarbeiten. Es war ein lang gehegter Wunsch von uns, Menschen mit unterschiedlichen Arten von Einschränkungen in unser wunderschönes Projekt mit einzubinden, die viel mehr Erfahrung in der Produktion haben als wir.

Der Betrieb ist ebenso inkludierend wie sein Produkt. Was bedeutet das?

Zum einen geben wir Chancen und Möglichkeiten, dass die Menschen ihre Stärken ausprobieren, ihre eigenen Ideen einbringen. Während der Aldi-Phase hatten wir sehr viele Mitarbeiter der Kasseler Werkstatt zur Unterstützung, die aus ganz anderen Unternehmenskulturen kamen und sich zu Beginn nicht getraut haben, etwas zu sagen oder Verbesserungsvorschläge einzubringen, was für mich komplett selbstverständlich ist. Ich komme aus der SAP-Welt, in der eine offene Feedback-Kultur herrscht, wo man stärker als Team ist, wenn man sich unterstützt und die Stärken des anderen zum Leuchten bringt. Ich wollte, dass sich die Menschen einbringen, da sie manches viel besser wussten als wir. Und wir haben auch viel angenommen und umgestellt und

die neuen Ideen gehört und den Menschen Raum gegeben. Dieser große Schatz, die Erfahrung mit einbringen zu können, hat uns wahnsinnig geholfen und die Betriebsabläufe extrem verbessert. Leider musste ich aber auch erfahren, dass es in anderen Betrieben nicht so läuft und die Menschen keine Wertschätzung bekommen.

Jeder Mensch kommt als Individuum zu uns und wenn man ihm die Möglichkeit gibt, sich zu entfalten, ist das das Schönste, was passieren kann. Wir versenden ja wahnsinnig viele Pakete, die von den Mitarbeiter*innen mit einer Blumen- oder Bienenzeichnung personalisiert und verschönert werden. Der*die Empänger*in freut sich ungemein und die Mitarbeiter*innen verewigen sich mit ihrer eigenen Handschrift. Jeder kann sich bei uns ein Stück verwirklichen und alle brennen für die Sache – das ist auch ein Teil unseres Unternehmenserfolgs: Wir sind gewachsen und gewachsen und haben unsere Umsätze stetig verdoppelt.

Im September dieses Jahres habt ihr in Hamburg und Kassel das Circular Futures Festival veranstaltet. Erzählst du uns über das Festival und die Idee, die dahintersteckt?

Seit circa einem Jahr sind wir Teil der Circular Futures-Initiative. Es kommen über 100 Akteur*innen zusammen, die aktiv im Bereich der Kreislaufwirtschaft sind: rethink, recycling, reuse oder redesign. Wir engagieren uns für den Bereich rethink. Ursprünglich war das Festival in Berlin angesiedelt, aber nun wird das Event in regionalen Hubs veranstaltet. Man kann die Kreislaufwirtschaft noch mehr stärken, wenn man die Events regionaler und lokaler aufzieht. Und wir wurden gefragt, ob wir einen lokalen Hub betreuen können. Wir verknüpfen die Akteure, die im wirtschaftlichen Geschehen stehen, noch mehr miteinander: Ressourcen können getauscht und Synergien gefunden werden. Mit Best PracticeBeispielen haben wir die Potenziale in Hamburg und Kassel aufgezeigt und gemeinsam in Workshops die Ansätze von Circular Economy vertieft.

WIR BRINGEN MENSCHEN DIE IDEE NAHE, WIE MAN ZUSAMMEN MIT DER NATUR FEIERT UND NICHT GEGEN SIE.

Beruflich kommst du aus einer ganz anderen Ecke. Du hast jahrelang als Anwältin bei SAP gearbeitet. Dann kam die Gründung von Saatgutkonfetti. Warum diese Entscheidung und war es eine gute?

Ich habe Jura studiert, aber schnell gemerkt, dass das nicht mein Tool ist, um wirken zu können. Ich komme aus einer Mediziner- und ForscherFamilie und für mich war es immer sehr wichtig, Menschen zu helfen. Ich hatte großes Glück und durfte bei SAP als Global Licensing Managerin arbeiten und hatte eine Schnittstellenfunktion inne und habe beispielsweise beim Kauf neuer Unternehmen die zwei Welten – unsere und die des neuen Unternehmens – zusammengebracht. Meine Aufgabe war es, zusätzlich auch interne Mitarbeiter*innen zu coachen und im Bereich Nachhaltigkeit zu wirken. Aber ich hatte immer das Bedürfnis, mehr im Nachhaltigkeitsbereich zu bewegen und war parallel eine Zeitlang als Coach von Start-ups selbstständig. Ich wollte ein Unternehmen aufbauen, bei dem alle Grundbausteine bereits nachhaltig sind. Ich entwickele so viel Kraft, wenn ich Menschen helfen kann, ihre Ideen zu verwirklichen und weiterzuentwickeln. Dann habe ich Philip und Christoph getroffen und gecoacht. Die Idee von Saatgutkonfetti hat mich so gecatcht und ich war sofort dabei, als die beiden mich gefragt haben, ob ich einsteigen möchte. Bei SAP war ich damals an dem Punkt, dass ich eine Veränderung brauchte. SAP ist ein toller Arbeitgeber, aber ich hatte so eine große Kraft und wollte noch mehr tolle Ideen zum Fliegen bringen. Der Start war sehr schwierig, aber ich bin so dankbar, weil es mich als Persönlichkeit extrem weit nach vorne gebracht hat. Und ich wünsche mir, dass unsere Konfetti-Familie weiter wächst. Ja, es war der richtige Schritt.

Was bedeutet Glück für dich?

Ganz viele Menschen glücklich und strahlen zu sehen und es macht mich glücklich, wenn ich Menschen helfen kann. Glück ist für mich, ganz viel Zeit in der Natur zu verbringen. In der Zeit des Aldi-Auftrags habe ich auf dem wunderschönen Gut Kragenhof gewohnt und damals war mein Adrenalinspiegel sehr, sehr hoch, da unklar war, ob wir das stemmen können. Wir hätten bei Nichteinhaltung eine fette Vertragsstrafe bekommen. Um wieder aufzutanken, bin ich jeden Morgen in den umliegenden Wald gegangen, habe getanzt und war in der Fulda schwimmen. Die Natur zu genießen, das bedeutet für mich Glück.

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