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Wildwuchs am Trainermarkt
Corona verändert die Welt: Von heute auf morgen wurden alle Veranstaltungen, Seminare, Trainings, Vorträge storniert. Da höhere Gewalt eine Haftung ausschließt, stehen viele Trainer und Coachs mit leeren Händen da. In Windeseile wird ein Buch geschrieben und kostenlos über die sozialen Medien angeboten. Es werden darin Versprechungen abgegeben, die niemals eingehalten werden können, wie beispielsweise laufend neue Kunden, mehr Umsatz, mehr Einkommen, in einer Woche zum Verkaufsmanager usw. Die gleichen Versprechungen geben die Speaker, Redner, Motivatoren großmundig ab und sichern ihren Zuhörern gigantische Aussichten auf persönliche und finanzielle Erfolge zu.
Wenn man sich dann näher mit den Personen beschäftigt, die solche Zusicherungen geben, dann wird man ganz schnell stutzig. Warum begeben sich Menschen, die ihren Angaben zufolge großartige Vertriebserfolge erzielt haben, plötzlich auf ein Gleis, das sie gar nicht erlernt haben, nämlich der beruflichen Weiterentwicklung? Warum verlassen sie ein Terrain, das ihnen Anerkennung und Erfolg eingebracht hat und begeben sich auf ein Gebiet, das ihnen fremd ist? Glauben sie etwa, dass hier leicht Geld zu verdienen sei? Es ist an der
Dr. oec. h.c. Horst Steppi
Zeit, einmal daran zu erinnern, was einen guten Trainer und Coach ausmacht. finanzwelt hat mit Hans D. Schittly und Dr. oec. h.c. Horst Steppi, zwei der erfolgreichsten und erfahrensten Trainern, gesprochen.
finanzwelt: Trainer und Speaker berichten immer wieder über ihre herausragenden Verkaufsergebnisse, dass sie tief gefallen sind und wieder ganz oben sind. Es gibt gute und weniger gute Trainer. Wodurch unterscheiden sie sich? Woran erkennt man gute Trainer? Hans D. Schittly» Es gibt hervorragende Fußballspieler, die Höhen und Tiefen durchlaufen sind. Deshalb sind sie noch lange keine guten Trainer! Jeder Fußballtrainer muss eine hochqualifizierte Trainer-Ausbildung an der Sporthochschule in Köln erfolgreich absolviert haben, um seine Lizenz zu erhalten. Verkaufstrainer, Coach oder Persönlichkeitstrainer kann sich jeder schon morgen nennen. Ein guter Trainer verfügt über praktische Erfahrungen. Ein guter Fußballlehrer hat Erfahrungen auf dem Spielfeld gesammelt nicht auf der Tribüne! Dr. oec. h.c. Horst Steppi» Ich glaube, es geht sehr schnell, einen Dampfplauderer von einem seriösen Trainer und Coach zu unterscheiden, es sei denn, man will es gar nicht, weil man sich lieber sagen lässt, wie toll man ist, als sich sagen zu lassen, dass man noch viel lernen könnte. Es ist einfach, theoretische Ratschläge, gewürzt mit ein paar abgedroschenen Allerweltsprüchen, von einer Bühne herunter zu erteilen, praktisch umsetzbare jedoch viel schwerer, weil sie überprüfbar sind. Egal, ob ein Trainer Sie besser machen soll, einerlei, ob Ihnen ein ‚Top Speaker‘ etwas erzählt, authentisch muss er sein und Ahnung haben von dem, was er Ihnen erzählt. Schauen Sie sich die Vita an, steckt Erfahrung dahinter, oder ist alles nur heiße Luft. Verzeihen Sie den Vergleich, aber es gibt zu viele Theoretiker, die alle Stellungen das Kamasutras auswendig kennen, aber selbst noch keine einzige ausprobiert haben. Den Menschen, die dafür bares Geld zahlen, in der Hoffnung, dass Sie außer dem Kugelschreiber tatsächlich noch etwas für ihr Leben mitnehmen, zu erzählen, du kannst Alles, du musst nur an dich glauben etc., ist einfach unseriös!
finanzwelt: Reicht denn Erfahrung alleine schon aus, um sich Trainer nennen zu dürfen? Schittly» Die Berufsbezeichnung ‚Trainer‘ ist nicht geschützt. Um ein guter Trainer zu sein, bedarf es einer psychologischen, pädagogischen, didaktischen und rhetorischen Ausbildung. Ein guter Trainer und Coach gestaltet die Lernprozesse. Neues Verhalten kann nicht verordnet werden, es
muss entwickelt werden. Im Grunde genommen kann jeder verkaufen, überzeugen, eigene Vorstellungen durchsetzen. Wenn sie es jedoch nicht tun, dann hindern sie negative Glaubenssätze daran, ihre Potenziale zu nutzen. Diese Hinderungsgründe sind Ängste, Unsicherheiten, Gedanken an Misserfolge, unliebsame Erfahrungen in der Vergangenheit. Die vorhandenen Fähigkeiten wurden ‚eingewickelt‘, so dass sie nicht zur Entfaltung kommen können. Im Coaching- oder Trainingsprozess müssen – step by step – diese ‚Wickel‘ beseitigt werden, damit der Auszubildende Zugang findet zu seinen Fähigkeiten. Steppi» Wie Herr Schittly schon sagte, die Bezeichnung Trainer ist nicht geschützt und jeder darf sich Trainer oder Coach nennen und Erfahrung alleine reicht sicher nicht aus. Wie bei allen anderen Dingen im Leben, die zum Erfolg führen sollen, spielen Fähigkeiten und Fertigkeiten eine große Rolle. Meine ganze Erfahrung hilft mir nichts, wenn ich nicht reden kann. Ich spiele gerne Golf, aber mir in einem Seminar zu erzählen, ich könnte im nächsten Jahr bei den Masters mitspielen, nur weil ich an mich glaube oder mein Unterbewusstsein darauf programmiert habe, wäre barer Unsinn. Ohne Empathie kann ich kein guter Trainer oder Coach werden. Es gibt leider zu viele psychopathische Narzissten in dieser Branche, denen die Menschen im Prinzip egal sind, Hauptsache der Rubel rollt und die Publicity stimmt.

Hans D. Schittly
finanzwelt: Warum wollen denn so viele junge Verkäufer Trainer oder Coach werden? Schittly» In der Aussage ‚Als Trainer oder Coach muss ich nicht mehr verkaufen!‘ ist die Antwort auf Ihre Frage. Die Anzahl der Vermittler und Verkäufer ist rückläufig, dabei nimmt die Beratungsqualität zu. In unserer Branche ist es umgekehrt, die Anzahl der Coach und Trainer steigt und damit sinkt die Qualität. ‚Ich kann gut reden, ich möchte auf der
Bühne stehen, ich kann Menschen begeistern…‘, sagen viele junge Leute, wenn sie sich bei mir bewerben. Steppi» im Prinzip ist diese Frage leicht zu beantworten. Sie stellen es sich ganz einfach vor. Einfach auf die Bühne, bisschen was erzählen, viel Geld verdienen. Dreimonatiger Online-Kurs, schon ist man zertifizierter Mental- oder systemischer Coach. Klingt gut, ist aber in vielen Fällen einfach alter Wein in neuen Schläuchen. Das Netz ist voll von Selbstdarstellern, die zertifiziert alles können. Die Gabe, gut reden zu können, Menschen mitzureißen und zu begeistern ist toll, aber eben nur ein Mosaiksteinchen. Allein die Gabe reicht nicht, man muss das Ganze auch mit Wissen und Erfahrung unterlegen, nur dann wird ein Schuh daraus.
» Geballte Ladung Kompetenz, Erfahrung und Nachhaltigkeit. Von tausenden begeisterten Teilnehmern bestätigt! ‚Die Zwei‘ beweisen seit vielen Jahren wie Erfolg machbar ist. «
Schittly» Speaker und Trainer rühmen sich mit markigen Sprüchen: ‚Ich bin der Beste in Europa, ich fülle Stadien und Hallen, ich führe dich an die Spitze usw.‘ Die Zuhörer sind begeistert, die Botschaften der Speaker sind richtig und nachvollziehbar: ‚Du kannst es schaffen…‘ So manch einer sagt sich: ‚Das kann ich auch!‘ Wenn man dann erfährt, dass ein Speaker für seinen Auftritt 10 oder 20.000 Euro erhält, dann erhöht dies den Wunsch, es auch zu tun ganz, erheblich.
finanzwelt: Und was macht diesen Beruf für junge Leute so reizvoll?
Steppi» Wie bereits gesagt, die Macht des Geldes, des Ansehens in der Öffentlichkeit, davon zu träumen, Hallen mit jubelnden Menschen zu füllen, das kann doch nicht so schwer sein, der Guru für seelisch und mental labile Menschen zu sein und dafür auch noch viel Geld zu bekommen. Aber Vorsicht, wie viele Schauspieler in Deutschland können von ihrem Beruf gut leben, wie viele Fußballspieler gibt es und wie viele davon verdienen diese horrenden Gehälter? (fw)
Info
Woran man einen guten Trainer erkennt und wodurch sich die beiden von anderen unterscheiden, lesen Sie online unter www.finanzwelt.de