Alblust - Das Schwäbische Alb Magazin - Ausgabe 3-2014

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Ausgabe 3/ 2014

Flüssige Früchte

Genuss von den Streuobstwiesen

Junge Köche

Frischer Wind im Wirtshaus Tolle Wolle

Vom Albschaf zur Naturmode Harte Brocken

Wandern durchs felsige Roggental

Heft 1/2014 EURO 4,-

t u g o S t k c e schm lb ! die A


Alblust

Das Schwäbische Alb Magazin

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Tafelrunde

Essen, trinken, feiern

16 Flüssige Früchtchen Jörg Geiger macht aus alten Obstsorten Schaumweine und mehr.

24 Die Herde lebt

Kultur und Leben

30 Expedition ins Bierreich

Der Weg von der Schafschur bis zur Albmerino-Kollektion.

Zwei junge Brauer aus Albstadt haben ein altes Rezept verfeinert.

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Schauplatz

Willi Wolfs Albbüffel in Meidelstetten sind eine Besucherattraktion.

42 Tolle Wolle

38 Es bleibt in der Familie

48 Der malende Monsignore

Stefanie Fritz bringt frischen Wind in den Gasthof Zum Freien Stein in Buchheim.

Auf den Spuren des Künstlers, Pfarrers und Lehrers Sieger Köder.

Landpartie

Ausflüge und Aktivitäten

58 Die Brötchengeber Zu Besuch bei Scholderbeck in Weilheim, der größten Biobäckerei des Landes.

64 Harte Brocken Eine spektakuläre Fels-Wanderung durchs Roggental.


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Älbler

Macher und Originale

72 Der vegane Metzger Klaus Gaiser macht Würste, die ganz ohne Tier auskommen.

Flurstück

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Feld, Wald, Wiese

78 Nun spielt mal schön!

92 Endlich draußen!

Margarete Ostheimers Figuren werden in Zell von Hand gefertigt.

Alle Jahre wieder wandert eine Gruppe tagelang über die Alb.

Aushäusig

84 Doppelt spitze

98 Kornkompetenz

Im Gespräch mit den Dehoga-Präsidenten Ernst Fischer und Fritz Engelhardt.

Landwirt Frank Siefert experimentiert in Bichishausen mit Hartweizen.

106 Vom Weihnachtsmarkt bis zur Fasnet, vom Filmfest bis zur Kunstausstellung: Die wichtigsten Veranstaltungen im Überblick.

Tipps und Termine

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Alblust

Tafelrunde

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Flüssige Früchtchen Ob Stuttgarter Gaishirtle oder Champagner Bratbirne: Für alte Obstsorten kann sich Jörg Geiger begeistern. Bekannt ist er für seine alkoholfreien Schaumweine, die er daraus macht. In seinem Gasthaus Lamm in Schlat brennt er auch Schnaps und macht seit neuestem einen Portwein, den man aber nicht so nennen darf.

Steil ist die Straße, die hinauf zur Wiese führt. Sie liegt hoch über Schlat an einem abschüssigen Hang. Vielleicht ist sie ja genau der richtige Ort, um Jörg Geiger zu treffen. Einen Mann, der hoch hinaus will und schon viel erreicht hat. Der es sich wirklich nicht einfach macht, sondern sich um eine steile, schwer zu bewirtschaftende Wiese bemüht. Der schon als Kind Walnüsse geerntet und sich mit deren Verkauf auf dem Markt sein Taschengeld verdient hat. Vom Vater lernte er das Schnapsbrennen, in namhaften Restaurants das Kochen. Und in Frankreich, dass ein Küchenchef auch rausgeht zu seinen Gästen und er es auf diese Weise schaffen kann, eine Brücke zu den Produzenten zu schlagen. Dann hat er den Gasthof der Eltern, das Lamm, übernommen. Damals wurde hier neben der Gastronomie noch Landwirtschaft betrieben. Heute ist ein schmuckes Fachwerk-Ensemble daraus geworden, das Restaurant, Gästezimmer, Brennerei und seine Manufaktur beherbergt. Es liegt mitten in Schlat,

einem Ort mit 1 600 Einwohnern bei Göppingen. Dahinter erheben sich Wasserberg und Fuchseck, drum herum liegen Wiesen und Obstbäume und vor den Häusern entlang der Hauptstraße verkaufen die Menschen kiloweise Äpfel.

Im Gasthaus gibt es sogar ein „prickelndes Menü“ Als er im Gasthaus Lamm einstieg, war er gerade mal 23 Jahre alt. „Das prägt natürlich“, sagt der 45-Jährige mit dem jungenhaften Gesicht – und springt zum nächsten Thema, denn viel lieber als über sich spricht er vom Wert des Streuobstgürtels, der sich am Albtrauf entlang zieht und deutschlandweit einzigartig ist. Und natürlich über seine Produkte. Direkt im Gasthaus steht seine mit Kupfer verkleidete Destille. Sie zischt wie eine Espressomaschine beim Aufschäumen, während Geiger auf dem Display herumtippt und die Unterschiede zwischen Rau- und Feinbrand erklärt. Unten im dämmrigen Keller lagern Flaschen im Rüttelpult: Seit 1997 macht er aus der in Vergessenheit geratenen Champagner Bratbirne einen Schaumwein, der ihn weithin bekannt gemacht hat.

Der Obstler von der Alb: Jörg Geiger bittet auch gerne mal inmitten seiner Streuobstwiesen zur Verkostung.

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Alblust

Tafelrunde

Es bleibt in der Familie Ob Bier trinken, feiern oder Haare schneiden: Erstaunlich, was alles möglich war im Gasthaus „Zum Freien Stein“ in Buchheim. Heute hat Tochter Stefanie Fritz das Ruder im Familienbetrieb übernommen und verbindet feine Gourmetküche mit schwäbischen Traditionen.

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Die Geschichte des Gebäudes im kleinen Ort Buchheim ist eine bewegte. In der Wirtschaft Zum Freien Stein wurde gefeiert, getrunken, geweint. Bis heute ist der Landgasthof ein echter Familienbetrieb. Und zwar einer, der dank der Berufswahl der Tochter Stefanie Fritz auch eine gute Zukunft vor sich hat. Aus Liebe zum Essen wurde sie Köchin. Eigentlich kam für die 34-Jährige auch nichts anderes in Frage: „Ich war immer im elterlichen Betrieb.“ Den kann man kaum verfehlen: Er liegt in der Gemeinde Buchheim, die gerade mal 670 Einwohner zählt und in der es noch dreistellige Telefonnummern gibt.

Wer mit dem Pferd kam, konnte es unterstellen Vater Hans Peter Fritz ist der Inhaber. Oder wie der 62-Jährige sagt: „Ich schenke halt ein.“ Mutter Martina arbeitet mit ihrer Tochter und ein paar Helfern in der Küche. Gelernt hat sie das Kochen von ihrer Schwiegermutter. Die wiederum von ihrer Mutter. „In unserer Küche haben immer die Frauen das Regiment geführt“, sagt Hans Peter. Er ist seit 1977 auch noch ehrenamtlicher Bürgermeister der Gemeinde, hat den Kirchenchor unter sich, ist Organist. Verschnaufpausen gönnt sich die Familie Fritz kaum. Seit 1908 ist der Gasthof in Familienbesitz. Ein gemütliches Haus. Sogleich fühlt man sich in der holzgetäfelten Stube mit dem grünen Kachelofen und dem Klavier gut aufgehoben. Die alten Butzenscheiben erzählen Geschichten, wie alles hier. Die

Blick in die Vergangenheit: Auf den Scheiben finden sich Motive aus früheren Zeiten.

bleigerahmten Glas-Bilder zeigen ein früheres, ländliches Leben: den Bauer und die Bäuerin, den Schmied und den Maurer. Der Urgroßvater von Stefanie Fritz hatte den Gasthof übernommen. „Eine typische Dorfwirtschaft, zu der auch noch ein landwirtschaftlicher Betrieb gehörte“, erklärt Hans Peter Fritz. Wer mit dem Pferd kam, konnte sein Tier unterstellen. Und diese Dorfwirtschaft hat einiges mitgemacht. Zwei Weltkriege überstanden. „Hier auf der Alb waren die Menschen bettelarm“, erzählt Fritz. Zur Wirtschaft gehörte bis in die 1980erJahre hinein auch ein kleiner Kaufladen.

Hier gab es Mehl und Teigwaren, Hartwurst und Essiggurken aus dem Fass, Senf und Salzheringe, und auch Erdöl für die Lampen. In den 1960er-Jahren kam einmal im Monat ein Frisör, um den Gästen für 50 Pfennig die Haare zu schneiden. Man war im Wirtshaus: zum Haare schneiden und Bier trinken. Eine schöne Vorstellung. Viel hat sich geändert in der Zwischenzeit. Die Menschen sind anders, denken mehr an ihre Gesundheit, auch der demografische Wandel geht an den Landgasthöfen nicht spurlos vorbei. „Der Bierumsatz war in den 80er-Jahren doppelt so hoch“, sagt Fritz. Heute wird sein Landgasthof von 90 Prozent auswärtigen Gästen besucht. Stammtische gibt es kaum noch.

Früher gehörte zur Wirtschaft ein kleiner Kaufladen.

Alle müssen zusammenhalten: Stefanie Fritz (rechts) hält den Gasthof mit ihren Eltern und ihrer Schwester am Laufen.

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Alblust

Schauplatz

Tolle Wolle Sie sind die inoffiziellen Maskottchen der Alb: Schafe. Vor einigen Jahren noch war ihre Wolle aber kaum mehr etwas wert. Bis eine M체nsinger Sch채ferfamilie und eine Textil-Designerin sie zur Marke machten und anfingen, aus 100 Prozent Alb-Wolle Kleidung herzustellen.

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Die Pracht eines ganzen Jahres: Die Schäfer schälen in wenigen Minuten vier Kilo Wolle von der Haut.

Das Surren der Maschinen und das Blöken der Schafe füllen den Raum. Die Männer reden nur das Nötigste. Schafe scheren ist schwere Arbeit. Nicht nur für die sechs Männer, die dicke Wolle von feiner Haut schälen. Sondern auch für ihre Helfer. Die Schafe reihen sich in einem schmalen Korridor aus Absperrgittern aneinander, eins nach dem anderen werden sie zu den Scherern „aufgetragen“, wie es im Schäferjargon heißt. Getrieben, geführt oder – die ganz Störrischen – wirklich getragen. Früh am Morgen haben die Männer auf dem Hof der Münsinger Schäferfamilie Stotz mit der Arbeit begonnen. Feierabend

ist erst am späten Nachmittag. Dann, wenn 700 Merino-Schafe aus der 2 500 Tiere starken Herde glatt rasiert sind.

Die Schafe merken gleich, ob ein Anfänger schert Mit geübtem Griff bringen die Helfer die Schafe vor den Scherern in Position: Sie „sitzen“ auf den Hinterbeinen – eine ungewohnte Haltung für die 60 bis 100 Kilogramm schweren Tiere, die deshalb entsprechend still halten. Aber nicht nur. „Die merken gleich, wer sie in den Fingern

hat, ein Anfänger oder nicht“, sagt Hermann Voigt. Voigt ist über 70 – der Erfahrendste unter seinen fünf Kollegen. „Mein Vater und mein Großvater waren Schäfer“, sagt er. Das Scheren hat er gelernt, als er 14 Jahre alt war. „Schon damals war ich zwei Tage hier, zwei Tage dort.“ Sich bei dieser Arbeit unter Kollegen zu helfen, gehört zum Berufs-Codex der Schäfer. Seit

Eben noch am Schaf, jetzt im Regal: So bunt ist das, was aus der Wolle entsteht.

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Alblust

Flurst端ck

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Endlich draußen! Seit 1970 bricht eine kleine Gruppe jedes Jahr am 26. Dezember zu einer mehrtägigen Wanderung quer über die Alb auf – inklusive Übernachtung im Freien. Rolf Platen war von Anfang an dabei. Er schreibt, wie es dazu kam und warum die Tour mit Freunden trotz Nieselregen immer gut ist. Durch dunkle Nacht stolpern wir Richtung Osten. Sanft steigen die Wiesen zum Waldrand empor. Unsere Taschenlampen beleuchten tausende Schneeflocken, die ihren Tanz über und um uns vollführen. Seit einer halben Stunde wandern wir durchs Schneetreiben. Im „Grünen Baum“ in Lonsingen haben wir zu Abend gegessen und sind unter dem Kopfschütteln der übrigen Gäste in die unwirtliche Nacht hinaus: „Was? Ihr wollt bei dem Sauwetter draußen im Wald schlafen?“ Inzwischen liegen mehrere Zentimeter Neuschnee. Im Wald haben wir den Lagerplatz vorbereitet: das Holz fürs Feuer, nach Größe geschichtet, die Schlafplätze, das Biwak, die Rucksäcke. Ein Streichholz unters Tannenreisig, ein zartes Flämmchen entsteht, breitet sich aus. Jetzt gilt es, das Feuer mit immer dickeren Ästen langsam aufzupäppeln. Bald brennt ein schönes Feuer, das eine wohlige Wärme verbreitet. Es hört auf zu schneien. Heute Nacht wird es aufklaren, der Wetterbericht hat es uns versprochen. Die Stunden am Feuer sind

Ungemütliches Wetter? Davon lassen sich die Wanderer die gute Laune nicht verderben.

der Höhepunkt des Tages. Die Wärme, das Flackern der Flammen, der Geruch des brennenden Holzes, das Ausstrecken der müden Knochen, die Gespräche. Wir stellen den Rotwein ans Feuer, damit er eine trinkbare Temperatur bekommt. Heute Morgen sind wir in Seeburg bei Urach gestartet, bei strömendem Regen und knapp über null Grad. Siebzehn Gestalten mit großen Rucksäcken, abenteuerlich vermummt, wasserdicht, ein paar schützen sich durch Schirme. Wir ziehen rauf auf die Alb, Richtung Rietheim. Der Weg führt steil nach oben, schweißtreibend mit den schweren Rucksäcken. Auf der Höhe geht der Regen in Schnee über. Reichlich ungemütlich, aber wir sind guter Laune: Es kann nur besser werden. Wir wissen es! Endlich draußen, eine gute Truppe, es wird schon – immer wird es.

Jetzt wird es Zeit, einen Lagerplatz zu finden Wir schlagen einen Bogen, um nach Gächingen und Lonsingen zu kommen. Unterwegs finden wir unter riesigen Fichten ein paar Tische und vor allem Schutz vor dem Schneeregen. Hund Berti ist trotz Regenmäntelchen schon ganz durchnässt.

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Vorschau Die nächste Ausgabe von Alblust mit dem Titelthema „Bunte Heimat“ erscheint am 4. März 2015. Ein Dorf blüht auf Wie einst die Tulpen nach Gönningen kamen.

Aus Obstbäumen geschnitzt Horst Weber hat sich über seine kunstvollen Figuren auf der Alb verwurzelt.

Auf Abendpirsch

Impressum Redaktion Chefredakteurin Claudia List Texte Wolfgang Albers, Hans Jörg Conzelmann, Dorothee Fauth, Claudia List, Ulrike Oelkuch, Rolf Platen, Marion Schrade, Andreas Steidel, Anja Wasserbäch Fotos Catharina Clausen, Andreas Fink, Manfred Grohe, Stefan Hartmaier, Heinz Heiss, Claudia List, Patricia Neligan, Markus Niethammer, Eva-Maria Pulvermüller, Steffen Schmid, Benny Ulmer, Thomas Warnack

Wer den Förster in Bad Urach begleitet, kann Wild und Wald mit den Augen eines Fachmanns sehen.

Redaktionsanschrift Gaußstraße 74b, 70193 Stuttgart E-Mail: redaktion@alblust.de Telefon (07 11) 91 45 40 58

Heimat neu inszeniert

Verlag

Freilichtmuseen lassen sich heute über altes Handwerk hinaus weit mehr für ihre Besucher einfallen.

Verleger Valdo Lehari jr., Stefan Hartmaier E-Mail: verlag@alblust.de Herausgeber GEA-Publishing und Media Services GmbH & Co. KG (1), artur.-Verlag GmbH (2) Persönlich haftende Gesellschafterin GEA-Publishing und Media Services Verwaltung GmbH, Burgplatz 5, 72764 Reutlingen Geschäftsführer Michael Eyckeler, Stephan Körting (1) Stefan Hartmaier, Martin Mangold (2) Idee und Projektleitung Joachim Bräuninger und Stefan Hartmaier

Foto: Heinz Heiss

Foto: Thomas Warnack

Anzeigen Stephan Körting (verant.), Joachim Bräuninger, Sabrina Glück, Iris Goldack Anzeigenanschrift Alblust, Burgplatz 5, 72764 Reutlingen E-Mail: anzeigen@alblust.de Gestaltung Achim Goller, Tabea Kohler, Felix Michel Druck Bechtle Druck & Service/Esslingen a. N. Papier Papierfabrik Scheufelen GmbH + Co. KG Lenningen

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Foto: Steffen Schmid

Vertrieb vertrieb@alblust.de (0 71 21) 3 02-5 39 Auflage 25 000


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