Artinside Summer 2019

Page 24

Fondation Beyeler

Rudolf Stingel 26.05.2019 – 06.10.2019 Die Ausstellung in der Fondation Beyeler ist die erste grosse Präsentation von Rudolf Stingel in Europa nach derjenigen im Palazzo Grassi in Venedig (2013) und die erste in der Schweiz seit jener in der Kunsthalle Zürich (1995). Die Auswahl sowie die Installation der Werke sind speziell auf die von Renzo Piano entworfenen Räume der Fondation Beyeler abgestimmt worden. Einige Gemälde sind erst in diesem Jahr entstanden und werden im Rahmen der Ausstellung erstmals gezeigt. Zudem werden neue ortsspezifische Werke aus Teppich und Celotex-Isolationsplatten präsentiert.

W

ie kaum ein anderer Künstler seiner Generation hat Rudolf Stingel den Begriff dessen erweitert, was Malerei sein kann und wodurch sie definiert wird. Seit Anbeginn seiner Karriere in den späten 1980er-Jahren erkundet er ihre Möglichkeiten und medienspezifischen Grenzen im Wechselspiel künstlerischer Verfahren, Materialien und Formen. Neben verschiedenen Serien abstrakter und fotorealistischer Gemälde entstehen grossformatige Werke aus Styropor, aus Metall gegossene Bilder sowie mit Teppichen oder silbernen Isolationsplatten ausgekleidete Räume, die berührt und betreten werden dürfen. Bereits ein Blick in Stingels erstes Künstlerbuch, 1989 unter dem Titel Anleitung erschienen, gibt Aufschluss über seine unkonventionelle Haltung. In sechs Sprachen und begleitet von illustrierenden Schwarz-Weiss-Fotografien beschreibt er darin jeden einzelnen Herstellungsschritt seiner mithilfe von Tüll und Emaille geschaffenen abstrakten Gemälde: Ölfarbe soll demnach mit einem handelsüblichen Rührgerät angemischt und auf die Leinwand aufgetragen werden. Darüber wird eine Schicht Tüll gelegt und mit Silberfarbe besprüht. Entfernt man den Tüll anschliessend, bleibt eine scheinbar dreidimensionale Farbfläche zurück, die an eine von Adern durchzogene Landschaft erinnert. Die Anleitung suggeriert: Befolgt man diese offenbar ganz einfach umzusetzende Artinside |

Handlungsanweisung, so entsteht ein eigener «Stingel». Doch lässt man sich weiter auf dieses Gedankenspiel ein, so wird schnell deutlich: Selbst wenn alle Handlungsschritte genau beachtet werden, mag vielleicht ein wunderschönes Werk entstehen, doch eigenständig ist es keineswegs – denn man selbst bleibt dabei stets die ausführende Hand des Künstlers und Teil eines von ihm erdachten Konzepts. In einer humorvollen und selbstironischen Weise kommentieren die Anleitungen somit Kunstmarkt und Kunstbetrieb. Partizipation In den frühen 1990er-Jahren erweitert Stingel sein Repertoire und schafft neben abstrakten Gemälden erstmals ortsspezifische Werke. In seiner ersten Galerieausstellung, 1991 in der Daniel Newburg Gallery in New York, präsentiert er nur eine einzige Arbeit: Der gesamte Galerieraum ist mit einem leuchtend orangefarbenen Spannteppich ausgelegt, die Wände bleiben komplett frei. Wenig später zeigt er erneut einen einfarbigen Spannteppich, der nun aber an einer Ausstellungswand des ansonsten leeren Raumes angebracht ist. Während die Besucherinnen und Besucher der Galerie unfreiwillig auf dem am Boden ausgelegten Teppich ihre Fussspuren hinterliessen, sind sie nun ausdrücklich eingeladen, mit den Händen, grossen Pinselstrichen gleich, die Teppich-

24

| Sommer 2019


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.