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Artinside 20 2Jahre

über 90% sind mit Artinside sehr zufrieden

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Leserinnen und Leser haben die Umfrage beantwortet

84% behalten das Magazin über einen längeren Zeitraum auf

Liebe Kunstfreundinnen und Kunstfreunde

Artinside feiert in diesem Jahr sein zwanzigjähriges Bestehen. Dieses Jubiläum haben wir zum Anlass genommen, eine Umfrage zur Nutzung unseres Magazins zu machen. Das Echo auf den detaillierten Fragebogen war beeindruckend!

Gut 2200 Rückmeldungen haben wir erhalten, eine überwältigende Zahl hat sich sehr wohlwollend zu unserem Angebot geäussert. Für diese Treue und Wertschätzung möchten wir uns herzlich bei Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, bedanken. Ihre Zustimmung ist uns Ansporn, weiterhin das Interesse an den kommenden Ausstellungen in der Region Basel mit fundierter Hintergrundinformation zu wecken.

Ein Feedback, das uns erreicht hat, war der Wunsch einiger Eltern und Grosseltern, mehr über die Angebote für Kinder zu erfahren. Diese Anregung haben wir gerne aufgenommen. Gemeinsam mit unseren Partnermuseen haben wir auf den Seiten 36 und 37 ein vielfältiges Angebot für die jüngeren Museumsgäste zusammengestellt. Das Kunstmuseum Basel etwa macht an ausgewählten Sonntagen Platz für junge Interessierte, auf dem Erzählteppich in der Fondation Beyeler erfahren Kinder packende (Kunst-)Geschichten oder sie lassen sich vom Zufall durch das Museum Tinguely treiben.

Wir wünschen Ihnen nun viel Spass bei der Lektüre von Artinside und hoffen, dass wir mit diesem Heft Gross und Klein auf einen anregenden Kunstherbst mit vielen spannenden Entdeckungen einstimmen können.

Mit herzlichem Gruss

Fondation Beyeler: Niko Pirosmani, Giraffe

Pirosmanis vermenschlichende Art der Tierdarstellung erinnert an die Gemälde seines französischen Zeitgenossen Henri Rousseau. Wie dieser ist Pirosmani vielen der aussereuropäischen Tiere aus seinen Bildern kaum in der Realität begegnet. Die Giraffe kannte er wohl aus Bildern oder Schilderungen.

Sibylle Meier, Chefredaktion und Produktion, Artinside

Kunstmuseum Basel: André Derain, La femme en chemise, 1906

La femme en chemise von André Derain ist Fauvismus auf dem Höhepunkt. 1906, kurz bevor André Derain Pablo Picasso kennenlernte und neue künstlerische Wege ging, kündigt sich in diesem Bild schon etwas Neues an. Die Farben sind nicht mehr leuchtend und grell, wie von den Fauves bevorzugt, sondern pastellig, statt einem spontanen malerischen Ausdruck werden Form und Komposition wieder wichtig. 1908 ist die Bewegung, die 1904 ihren Anfang nahm, schon wieder vorbei.

Museum Tinguely: Delphine Reist, Cartouches, 2020

In den Werken der Genfer Künstlerin sind es die Dinge selbst, die ein Eigenleben entwickeln und uns ihre Diagnosen zu Bewegung und Rhythmus von Produktion liefern oder von Effizienz und Erschöpfung sprechen: spontan lärmende Bohrmaschinen, leckende Drucker oder per Geisterhand gesteuerte Rollos.

06 Matisse, Derain und ihre Freunde

Kunstmuseum Basel

Die Sonderausstellung widmet sich der ersten Avantgarde-Bewegung des 20. Jahrhunderts: den Fauves.

10 Jasper Johns –

Der Künstler als Sammler

Das Kunstmuseum Basel zeigt exklusiv eine Auswahl von Zeichnungen aus der Sammlung des US-amerikanischen Künstlers Jasper Johns.

12 Carrie Mae Weems

Die US-amerikanische Künstlerin Carrie Mae Weems lädt zur Erkundung blinder Flecken der (Zeit-)Geschichte ein.

14 Iwan Baan

Momente der Architektur Vitra Design Museum

Die erste grosse Retrospektive des niederländischen Fotografen widmet sich seinen Fotografien über das Wachstum von globalen Megastädten. Baans lebendiger Realismus stellt dabei den Menschen und seine Beziehung zur gebauten Umwelt in den Mittelpunkt.

16 Delphine Reist ÖL [oil, olio, huile] Museum Tinguely

Die Ausstellung zeigt Arbeiten, die sich auf Öl als Energieträger, Malmittel, Schmierstoff oder auf dessen materielle, fluide Eigenschaften beziehen.

18 Temitayo Ogunbiyi

Die in Nigeria lebende Künstlerin erkundet das Potenzial spielerischer Interaktion, um Themen wie Migration, materielle und soziale Kulturen zu erforschen.

20 Roger Ballen. Call of the Void

21 The Last Reality Show. Boris Nikitin

24 Niko Pirosmani Fondation Beyeler

Mit dem georgischen Maler Niko Pirosmani (1862–1918) präsentiert die Fondation Beyeler einen rätselhaften Einzelgänger und zugleich einflussreichen Vorboten der modernen Kunst. Wie kaum ein anderer hat er es vermocht, in seiner Kunst Tradition, Volkskultur, Spiritualität und moderne Bildgestaltung zu verbinden.

22

22 OUT OF THE BOX Schaulager Basel

Das Schaulager feiert sein 20-jähriges Bestehen mit der umfangreichen Gruppenausstellung OUT OF THE BOX

32 Experimental Ecology Kulturstiftung Basel H. Geiger

Das Projekt Experimental Ecology bietet eine zeitgenössische Plattform für die transdisziplinäre Zusammenarbeit von fünf Künstler:innen und fünf Wissenschaftler:innen im Bereich der Ökologie.

34 Ulrich Rückriem Kloster Schönthal

35 Zu Gast in Artinside: Markus Raetz Kunstmuseum Bern

36 Angebote für Kinder und Familien

38 Weitere Ausstellungen

Die grosse Sonderausstellung Matisse, Derain und ihre Freunde im Kunstmuseum Basel | Neubau widmet sich der ersten Avantgarde-Bewegung des 20. Jahrhunderts: den Fauves. Anhand von rund 160 hochkarätigen Werken, von denen etliche noch nie in der Schweiz zu sehen waren, richtet sie den Fokus auf die Farbexperimente von Henri Matisse, André Derain, Georges Braque, Maurice de Vlaminck und anderen in den Jahren 1904 bis 1908.

Der Fauvismus prägte die Malereidiskurse der Moderne und darüber hinaus. Der Begriff Fauves (Raubkatzen, wilde Tiere) stammt aus einer Ausstellungsrezension des Salon d'Automne 1905 des Kunstkritikers Louis Vauxcelles. Er bezog sich auf den expressiven Farbauftrag und die ungewöhnlichen Farbkombinationen, die auf revolutionäre Weise gegen die damaligen Konventionen der Malerei verstiessen.

Für das zeitgenössische Publikum wirkten die Bilder grell und schockierend. Die lose Künstlergruppierung um Matisse und Derain machte sich die despektierliche Bezeichnung umgehend zu eigen und schlug aus dem Skandaleffekt Kapital.

Die Ausstellung Matisse, Derain und ihre Freunde zeigt auf, wie die Etablierung der Fauves in der sich damals stark wandelnden Kunstwelt vonstattenging. Die Maler verfügten über keine klare ästhetische Agenda in Form von Programmschriften oder Manifesten, und sie stammten aus heterogenen sozialen und künstlerischen Milieus. Ihr gemeinsames Interesse war die Malerei der Post- und Neo-Impressionisten, von Georges Seurat, Vincent van Gogh, Paul Cezanne und Paul Gauguin.

Henri Matisse, Intérieur avec une jeune fille, 1905–1906 Entgegen ihrem Ruf als «junge Wilde» haben die Maler viele Familienszenen und Stillleben geschaffen. Unter den Bildern finden sich einige Porträts von Kindern und Jugendlichen. An ihren Gesichtern lassen sich die revolutionären Farbgebungen exemplarisch ablesen. Die Fauves hatten ein grosses Interesse an den Erfahrungsräumen von Kindern, an deren Zeichnungen und ihrem unkonventionellen, offenen Erleben der Welt.

Katalog

Zur Ausstellung erscheint eine umfangreiche illustrierte Publikation mit Beiträgen von Elena Degen, Arthur Fink, Claudine Grammont, Josef Helfenstein, Gabrielle Houbre, Béatrice Joyeux-Prunel, Peter Kropmanns, Maureen Murphy und Pascal Rousseau.

Begleitprogramm

Belle Époque

Drei Kammermusikabende im Rahmen von Matisse, Derain und ihre Freunde

Belle Époque 1: «Chausson & Debussy»

Yulia Kopylova (Solovioline), Musiker:innen des Sinfonieorchesters Basel

Fr, 27.10.2023, Kunstmuseum Basel | Neubau

Belle Époque 2: «Harfe & Cello»

Aurélie Noll (Harfe), Yolena Orea Sánchez (Violoncello) Werke von Gabriel Fauré, Camille Saint-Saëns, Manuel de Falla u.a.

Fr, 24.11.2023, Kunstmuseum Basel | Neubau

Belle Époque 3: «La dernière valse»

Christina Landshamer (Sopran), Musiker:innen des Sinfonieorchesters Basel

Werke von Eric Satie, Reynaldo Hahn, George Gershwin u.a.

Fr, 8.12.2023, Kunstmuseum Basel | Neubau

Jeweils 19 h, CHF 65/25

Tickets: shop.kunstmuseumbasel.ch

Kees van Dongen, Modjesko, sopraniste, 1908 Viele Bilder der Fauves entstanden im Montmartre, das sowohl ein Künstler:innen-Viertel als auch das Zentrum des Pariser Nachtlebens und der Prostitution war. Charles Camoin, André Derain und Kees van Dongen hatten ihre Ateliers in der Nähe der berühmten Konzertsäle, Variétés und Tanzlokale. Die Fauves haben zahlreiche Porträts von Sexarbeiter:innen, Sänger:innen und Tänzer:innen gemalt. Die Werke zeugen von asymmetrischen Machtbeziehungen und sind von einer sexualisierten Perspektive auf den weiblichen Körper geprägt. Van Dongen porträtierte beispielsweise Claude Modjesko: Die Dragperformerin feierte Anfang des 20. Jahrhunderts grosse Erfolge in Paris, war aber des Öfteren rassistischen und heteronormativen Vorurteilen des Publikums ausgesetzt.

Der viril konnotierte Begriff der Fauves suggeriert den Ausschluss von Künstlerinnen. Die Ausstellung Matisse, Derain und ihre Freunde macht aber jene Frauen sichtbar, die im Fauvismus eine wichtige, jedoch selten thematisierte Rolle spielten. Dazu gehören Amélie Parayre-Matisse, die durch ihre Textil-Designs die ökonomische Grundlage für die Kunst ihres Ehemannes schuf, sowie die Kunsthändlerin Berthe Weill, welche die Fauves in ihren Anfängen substanziell unterstützte und kurz nach dem Salonskandal im Oktober 1905 eine wichtige Ausstellung organisierte. Weill war zudem eine der wenigen, die auch Künstlerinnen förderte und schon früh Werke von Émilie Charmy und Marie Laurencin ausstellte, die ebenfalls beide mit der Kunst des Fauvismus assoziiert werden können.

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André Derain, Le port de Collioure, 1905 1900 freundeten sich André Derain und Maurice de Vlaminck an und mieteten bald darauf ein gemeinsames Atelier im Pariser Vorort Chatou, wo beide aufgewachsen waren. Gemeinsam unternahmen sie ausgedehnte Exkursionen ins Umland: Die Künstler erprobten an den Ufern der Seine neue Möglichkeiten der Farbgebung. Im Winter 1904 besuchte Henri Matisse die beiden in Chatou und stellte fest, dass sie ähnliche bildnerische Strategien wie er verfolgten. Im darauffolgenden Sommer reiste die Familie Matisse in das abgelegene südfranzösische Fischerdorf Collioure nahe der spanischen Grenze. Derain schloss sich an und arbeitete mit Matisse Seite an Seite. Hier entwickelten sie eine neue Bildsprache, die um die Darstellung des mediterranen Lichts kreiste und Schatten verneinte. Die dort entstandenen Landschaftsbilder waren wegweisend für die weitere Entwicklung des Fauvismus und führten zum Salonskandal von 1905, der den Fauves ihren Namen gab.

André Derain, La Danse, 1906

Die Gemälde der Fauves sind durchzogen von kulturellen Appropriationen. Sie zeugen von einem Eskapismus, der mittels einnehmender Farben Assoziationen von fernen Orten hervorruft, sowohl zeitlich als auch geografisch. Wichtige künstlerische Vorbilder der Fauves waren Henri Rousseau und Paul Gauguin. Die exotistischen Bezüge sind Teil der kolonialen Ideologie und Infrastruktur Frankreichs zur Zeit der Jahrhundertwende – die Fauves gelten als die ersten Maler, die afrikanische Masken kauften.

Georges Braque, Le Golfe des Lecques, 1907 Nach dem Salonskandal suchten Kunstschaffende aus Le Havre die Nähe zu den Fauves, namentlich Georges Braque, Raoul Dufy und Othon Friesz. Die jungen Maler unternahmen – oft zu zweit –Exkursionen und nutzten dafür das in der Belle Époque sich ausweitende Eisenbahnnetz. Sie suchten Orte auf, die bereits von den Impressionisten gemalt wurden, sei es im Pariser Umland, in der Normandie oder im Süden Frankreichs. So reisten Derain, Braque und Friesz wiederholt nach L’Estaque, einem Dorf in der Nähe von Marseille, das eng mit Paul Cezanne verbunden ist. Die dabei entstandenen Gemälde zeugen vom engen Austausch unter den Kunstschaffenden.

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