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Neue Mobilität

Die Wertschöpfungskette der neuen Mobilität

Immer mehr setzt sich die grüne Mobilität bestehend aus E-Autos und Brennstoffzellenfahrzeugen durch. Es entstehen neue Wertschöpfungsketten entlang derer sich lukrative Investmentmöglichkeiten ergeben.

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MICHAEL KORDOVSKY

„Bei der Titelselektion gehen wir opportunistisch vor und nutzen die gesamte Wertschöpfungskette, um interessante InvestmentOpportunitäten zu identifizieren.“

Lorenz Blume, Fondsmanager des LBBW Mobilität der Zukunft L aut International Energy Agency (IEA) gaben private Verbraucher 2020 für Elektro-Autos insgesamt 120 Milliarden USD-Dollar aus – 50 Prozent mehr als im Jahr 2019, zumal der Anteil staatlicher Subventionen hier 14 Milliarden Dollar ausmachte. Zur Erreichung der Klimaziele forcieren die Regierungen den Kauf von E-Autos. Laut IEA sollte von 2020 bis 2030 die Zahl aller elektrischen Autos, Busse, Vans und Lastwägen auf den Straßen weltweit von 11 Millionen auf 145 Millionen steigen. Ein Vorreiter ist dabei Europa. Laut Unternehmensberatung McKinsey könnten im Jahr 2030 sogar 75 Prozent aller PKW-Neuzulassungen in der EU einen elektrischen Antrieb haben. Um die PKWNachfrage in der EU zu bedienen, müsste laut McKinsey die Batterieproduktion um den Faktor 16 auf 786 GWh im Jahr 2030 ausgebaut werden. Die Reichweiten der E-Autos steigen und öffentliche Ladestationen gewinnen an Bedeutung. Laut EAFO gab es Ende 2020 bereits 287.000 öffentliche Ladepunkte in Europa – eine Vervierfachung gegenüber 2015 (67.000 Ladepunkte). Das EU-Ziel liegt bei einer Million Ladepunkte bis 2025. Zu aktuellen Entwicklungen und Langzeitprognosen des E-Automarktes kritisch äußerte sich Christof Engelskirchen, Chefökonom der Autovista Gruppe: „Diese langfristigen Prognosen sind mit großer Unsicherheit behaftet. Europa hat im Jahr 2021 einen Marktanteil von 16 Prozent an Elektrofahrzeugen. Derzeit werden die Verkäufe durch die Politik – über steuerliche Anreize und Subventionen – angetrieben und nicht durch eine Überlegenheit der Technologie oder eine bessere Alltagstauglichkeit des xEV. Die Senkung der Listenpreise durch Skaleneffekte und der Aufbau der Ladeinfrastruktur bleiben die wichtigsten Herausforderungen. In vielen Prognosen, die wir gesehen haben, wurde ein Marktanteil von 40 bis 50 Prozent für xEV bis 2030 auf den Neuwagenmärkten erwartet“.

Wertschöpfungskette statt Automobilwetten

Dass Tesla nach einem Auftrag für 100.000 Autos bis Ende 2022 durch den Autoverleiher Hertz im Kurs explodierte und mittlerweile 1,23 Billionen Dollar Marktkapitalisierung aufweist, ist zwar eine nette Story, doch die Geschichte warnt vor einem neuen „Auto-Starkult“: „Momentan treten viele neue Anbieter von Elektro-Autos auf den Plan. Wer sich endgültig durchsetzen wird, ist schwierig vorherzusagen. Man muss nur die Entwicklung in den USA betrachten, in der Historie, wo es 1909 über 270 verschiedene Autobauer gab. Heute sind davon nur noch die ,Big Three‘ – General Motors, Ford Motor und Chrysler Stellantis – übrig. Ent-

NEUZULASSUNGEN VON BATTERIE-E-AUTOS JAHR CHINA USA 2020 2019 2018 2017 2016 2015 931.000 834.000 816.000 468.000 257.000 147.000 231.000 242.000 239.000 104.000 87.000 71.000 EUROPA SONSTIGE GESAMT

747.000 363.000 202.000 92.000 87.000 98.000 103.000 114.000 47.000 30.000 2,01 Mio. 1,54 Mio. 1,37 Mio. 0,71 Mio. 0,46 Mio.

87.000 20.000 0,33 Mio.

lang der Wertschöpfungskette für E-Autos sind wir deshalb positiver auf die Bereitsteller der Infrastruktur eingestellt – beispielsweise Elektro-Tankstellen. Hier wird egal sein, welche Automarke sich durchsetzt, laden werden sie alle müssen“, erklärt Alexander Weiss, Aktienfondsmanager des Erste Green Invest, und ergänzt: „Im Wasserstoff sind wir relativ breit für diverse unterschiedliche Technologien aufgestellt. Doch auch hier gehen wir einen ähnlichen Weg wie bei den E-Autos und investieren beispielsweise in Firmen wie Hexagon Purus, die Zylinder für Wasserstoff-Autos herstellt, und profitiert – unabhängig davon, welche Technologie sich durchsetzen wird“.

Knappheit an Batteriematerialien

Entlang der E-Auto-Wertschöpfungskette herrscht aktuell eine Knappheit an Batterierohstoffen. Dazu Engelskirchen: „Batterieproduktion, Rohstoffe und Recycling bleiben eine Herausforderung. Die Forschung und Entwicklung schreitet jedoch schnell voran, und es wird eine alternative Batteriechemie erprobt, die weniger anfällig für Engpässe bei einem bestimmten Material ist. Wir gehen derzeit davon aus, dass diese Rohstoffe das Wachstum von BEVs im Jahr 2030 nicht einschränken werden“. Konkrete Rohstoffe zeigt Lorenz Blume, Fondsmanager des LBBW Mobilität der Zukunft: „Für die gegenwärtig dominierende Batterietechnologie mit Lithium-Ionen-Akkus ist einer der wichtigsten Rohstoffe, wie der Name bereits verrät, das Lithium. Stellt man die Förderkostenfrage zunächst hintenan, dürfte es nicht zu einem Engpass kommen. Denn es ist genug Lithium auf der Welt vorhanden, so dass Lithiumproduzenten sowie Lithium-aufbereitende Unternehmen zu den Gewinnern der Elektromobilität zählen dürften. Auch Kupferproduzenten sollten überproportional vom steigenden Anteil elektrifizierter Fahrzeuge profitieren“. Weltgrößter Lithiumhersteller ist Albemarle, weitere Anbieter sind FMC und Sociedad Quimica Minera de Chile (SQM). Als Kupferproduzent eine Investment-Möglichkeit wäre Freeport-McMoran. Doch ein möglicher Minen-Produktionsschub könnte mit funktionierendem Recycling wieder an Dynamik verlieren. „Die EUKommission rechnet mit Recyclingquoten von 70 Prozent für Lithium und jeweils 95 Prozent für Nickel, Kobalt und Kupfer. Die Verluste beim Recycling könnten nach Einschätzung des Fraunhofer-Instituts eventuell durch europäische Ressourcen kompensiert werden“, so Blume.

Mit der Dichte der Ladestationen steigt der Anreiz zum Kauf von Elektroautos.

„In Autobauer sind wir momentan nur sehr geringfügig investiert. Wenn, dann vor allem im chinesischen Markt, beispielsweise in NIO.“

Alexander Weiss, Fondsmanager Erste Green Invest der Erste Asset Mgmt.

Stromproblem ist lösbar

Mit dem Vormarsch von Photovoltaik und Windkraft steigt die Volatilität innerhalb der Stromnetze, was das Blackout-Risiko erhöht. Doch es gibt eine Lösung, nämlich Speicherung überschüssiger grüner Energie durch Erzeugung von Wasserstoff, der laut Engelskirchen „eine praktikable Lösung für die Speicherung überschüssiger Energie darstellen könnte, die in Zeiten von Energieengpässen genutzt werden kann“. „Frankreich hat angekündigt, dass es die Energieproblematik mit weiteren Investitionen in grüne Wasserstoffanlagen und Kernkraftwerke angehen will“, so Engelskirchen.

Nebenschauplatz Wasserstoffwirtschaft

Grüner Wasserstoff, erzeugt mit Hilfe erneuerbarer Elektrizität, ist in Europa das große Thema, wobei die wichtigsten Bereiche der Einsatz in der Industrie und bei Nutzfahrzeugen sein sollten. Während im PKW-Bereich Brennstoffzellen noch stark unterrepräsentiert sind, zeichnet sich ein gewisser Trend bei Trucks, Gabelstaplern und Bussen ab. Beispielsweise gründete vor wenigen Monaten die Renault Group und Plug Power, Weltmarktführer für schlüsselfertige Wasserstofflösungen, das Gemeinschaftsunternehmen HYVIA, das u.a. auf leichte Nutzfahrzeuge mit Brennstoffzellen spezialisiert ist. Die ersten drei Fahrzeuge auf Basis des Renault Master gehen bereits daraus hervor. Das sind ermutigende Projekte. Doch folgende Prognosen erscheinen derzeit noch etwas ambitioniert: Laut Hydrogen Council im Jahr 2017 sollen 2030 weltweit 10 bis 15 Millionen Autos und 500.000 Trucks Brennstoffzellenantrieb haben. Wie auch immer: Die mobile Wasserstoff-Wertschöpfungskette kann sehr gut über eine Kombination aus dem Brennstoffzellen-Truck-Hersteller Nikola, die BrennstoffzellenSpezialisten Ballard Power Systems und Plug Power sowie die ElektrolyseUnternehmen NelAsa, ITM Power und McPhy Energy abgedeckt werden.

Chipmangel bremst Autoindustrie

Zunehmend stehen aufgrund mangelnder Chiplieferungen in den Autofabriken die Bänder still. Blume rechnet erst 2023 oder 2024 mit Entspannung des Engpasses. „Nach Angaben des Zentralverbands Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI) waren in einem Auto für elektronische Steuerungen zuletzt im Schnitt Chips im Wert von 337 Euro verbaut. Ein Elektrofahrzeug benötigt weitere Chips für 410 Euro, durch automatisiertes Fahren kommen 910 Euro für zusätzliche Mikroprozessoren hinzu“, so Blume, der die Bedeutung der Mikrochips noch mit folgenden Zahlen belegt: „Schon jetzt werden rund zehn Prozent aller weltweit produzierten Halbleiter im Autosektor eingesetzt. Künftig dürfte dieser Anteil deutlich steigen. Denn während heute in einem Auto bis zu 10.000 Chips und Sensoren verbaut sind, sollen es schon in wenigen Jahren rund 100.000 Chips und Sensoren sein“. Ein Profiteur ist ASML, weltgrößter Anbieter von Lithographiemaschinen für die Halbleiterindustrie, mit einem Weltmarktanteil von über 60 Prozent. „Im Zuge der globalen Halbleiterknappheit, vor allem im Autosektor, haben die großen Chiphersteller dreistellige Milliardeninvestitionen für die nächsten Jahre angekündigt, wovon ASML überproportional profitieren dürfte“, so Blume. Laut Meinung des Autors (Kordovsky) haben Nvidia und Infineon als Autochiphersteller Potenzial.

Wertschöpfung mit Fonds

Interessant ist der Erste Green Invest, ein Umwelttechnologie-Fonds in den Bereichen Energie, Wasser, Abfall & Recycling, Transformation und Adaption, dessen Ansatz in der „Neuen Mobilität“ Fondsmanager Weiss skizziert: Wir setzen im Erste Green Invest lieber auf Technologien, die für den ganzen Sektor der Neuen Mobilität integrale Bestandteile sind. So präferieren wir bei Wasserstoff-Investments in punkto Mobilität beispielsweise auch Hersteller von Lastkraftwagen und Bussen. Dort macht die Technologie momentan am meisten Sinn“, und Weiss ergänzt: „In tatsächliche Autobauer sind wir momentan nur sehr geringfügig investiert. Wenn, dann vor allem im chinesischen Markt, beispielsweise in NIO. Ebenfalls nicht zu viel auf Autobauer setzt der LBBW Mobilität der Zukunft, dessen Fondsmanager Lorenz Blume die 22-Prozent-Gewichtung des Fahrzeugbaus bereits als verhältnismäßig hoch betrachtet: „Bei der Titelselektion gehen wir opportunistisch vor und nutzen die gesamte Wertschöpfungskette, um interessante Investment-Opportunitäten zu identifizieren. Dabei suchen wir primär nach Marktführern, deren Aktien von der starken Position profitieren dürften, sowie nach Branchen, in denen Engpässe zu erwarten sind“, so Blume, der im Fonds einen fundamentalen Bottom-upAnsatz verfolgt. Dabei sind auch IT- Werte wie Alphabet und Microsoft berücksichtigt. Letzteres Unternehmen kooperiert mit Volkswagen, Daimler-Benz und BMW und will auf Basis seiner Cloud-Plattform sowie intelligenten Technologien mit der Autoindustrie am vernetzten Fahrzeug der Zukunft arbeiten – bis hin zum selbstfahrenden Auto.

AUSSICHTSREICHE FONDS UND ETFS ZUM THEMA „WERTSCHÖPFUNGSKETTE NEUE MOBILITÄT“ ISIN FONDSNAME VOLUMEN PERF. 1 J. 3 JAHRE TER LU0470205575 Structured Solutions Next Gen. Resources Fund* 207 Mio.€ 146,7 % 218,6 % 2,36 % LU2023679090 Lyxor MSCI Future Mobility ESG Filtered UCITS ETF 291 Mio.€ 76,9 % – 0,45 % LU1861214812 BGF Future of Transport Fund 2047 Mio.$ 55,3 % 102,3 % 1,80 % IE00BGV5VR99 Xtrackers Future Mobility UCITS ETF 106 Mio.$ 44,7 % – 0,35 % IE00BGL86Z12 iShares Electric Vehicles and Driving Tech. UCITS ETF 813 Mio.$ 43,6 % – 0,40 % AT0000A2DY59 Erste Green Invest 457 Mio.€ 41,2 % – 1,55 % DE000A2PND96 LBBW Mobilität der Zukunft 294 Mio.€ 35,6 % – 1,46 % DE000A2QDR59 GG Wasserstoff 85 Mio.€ – – 2,34 %

Immer und überall!

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