kult! 60er · 70er · 80er
www.goodtimes-kult.de
D: 6,50
Österreich 7,50 Luxemburg 7,50 Schweiz CHF 12,70 Ausgabe 1/2017 (Nr. 15)
Kreuzworträtsel
mit
Poster
Brigitte Bardot
Das Jahr 1976 · Kojak · Billy Jenkins · Boeing 747 · Buddy Longway · Udo Jürgens · Carrera · Zorro
Formel Eins - Back To The 80s Die ultimative
Fanbox!
Alles was z r e H n a F s a d begehrt ! LIMITIERTE SONDERAUFLAGE - VÖ: 04.11.2016 Exklusive Doppel-CD „Back To The 80s – Original 12inch Maxi-Versionen“ mit Falco, Nena, Whitney Houston, Tina Turner, Rick Astley u.v.a. + Exklusive 180gr. Vinyl „Die Lieblings-Hits der Moderatoren“ mit Wham!, Talk Talk, Modern Talking, Heaven 17 u.v.a. + DVD „30 Jahre Formel Eins – Die Dokumentation“ Spielzeit ca. 118 Min. Mit zahlreichen Zeitzeugen, allen Moderatoren und jeder Menge Musik + XXL Autogrammkarte mit allen Moderatoren Peter Illmann, Ingolf Lück, Stefanie Tücking, Kai Böcking + Stickerbogen mit coolen Sprüchen www.formel-eins.tv · www.facebook.com/FormelEins.TV www.youtube.com/c/FormelEins80erHits
Formel Eins geht in die nächste Runde!
„Die 2000er“
mit Peter Illmann und vielen Gästen + „Back To The 80s“Special in jeder Sendung. Die neuen Folgen ab Herbst 2016.
IMPRESSUM Anschrift:
NikMa Verlag Fabian Leibfried Eberdinger Straße 37 71665 Vaihingen/Enz Tel.: 0 70 42/37660-160 Fax: 0 70 42/37660-188 E-Mail: goodtimes@nikma.de www.goodtimes-kult.de www.facebook.com/goodtimeskult
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kult!
kult! weckt Erinnerungen. kult! entsteht aber auch aus Erinnerungen heraus. Erinnerungen unserer Autoren an die eigene Kindheit und Jugend, jedoch auch Erinnerungen von Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, die Sie uns in E-Mails und Briefen übermitteln. Erinnerungen sind (natürlich) subjektiv, auch wenn sie dann in gewissem Sinne zu Gemeingut werden, weil durch sie im Gedächtnis Bilder von einst wachgerufen werden und vor dem geistigen Auge wieder vorbeiziehen – oder beim Stöbern in Archiven, Foto-Alben oder beim Sehen alter Filme Gestalt annehmen. Genau diese Subjektivität hat innerhalb der kult!-Redaktion wiederholt Diskussionen ausgelöst. Schließlich gelten auch für unser Magazin die allgemeinen journalistischen Standards – und nach denen sind in aller Regel Artikel in der Ich-Form eher verpönt (Ausnahmen bestätigen die Regel). Wir haben uns aber entschlossen, diese Regel hier und da zu ignorieren – eben weil die Erinnerung an bestimmte Momente und Dinge subjektiv ist und durch die Ich-Form der Darstellung an Authentizität gewinnt. In Erinnerungen schwelgten unsere Autoren auch diesmal wieder reichlich, egal, ob es Filme (Kino wie TV), Musik, Autos, Mode bzw. Schmuck oder vieles mehr betrifft. Ich hoffe, auch Ihnen geht es beim Schmökern wie uns beim Bearbeiten und In-Form-Bringen der Geschichten: Ach ja, stimmt, so war das, kannst du dich noch erinnern, oder: Wie war das damals? Oder: Das ist an mir vorbeigegangen. Und vielleicht sind Sie genauso erstaunt wie wir, dass der Stoff, die Ideen, eben die Erinnerungen nicht ausgehen. Und wenn Sie eine Idee, eine Erinnerung haben an etwas, das uns bislang entgangen ist, dann lassen Sie uns dies wissen – das nächste kult! kommt bestimmt, genauer: in einem halben Jahr. Bis dahin wünsche ich Ihnen viel Spaß beim Blättern und Eintauchen in Erinnerungen!
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Brigitte Bardot: Bildarchiv Hallhuber GoodTimes kult! ist auf umweltfreundlichem, chlorfrei gebleichtem Papier gedruckt! Weiterverwendung aller in GoodTimes kult! erschienenen Artikel, Interviews, Fotos, Rezensionen etc. nur mit der Zustimmung des Herausgebers gestattet. Gerichtsstand: Stuttgart
Fabian Leibfried -Herausgeber/ChefredakteurVon kult! gibt es mittlerweile eine monothematische Sonderheftreihe. Hierzu ist bereits die erste Ausgabe (Thema Auto") veröffentlicht worden. Mitte Januar 2017 wird Vol. 2 " Western-Serien" erscheinen. Den Termin am besten jetzt schon fest vormerken! "
kult! Nr. 16 erscheint am 21.04.2017 GoodTimes
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kult! 60er · 70er · 80er
Ausgabe Oktober 2016 1/2017 (Nr. 15)
INHALT RUB RIKE N
Seite 36
3 Editorial/Impressum 4 Inhaltsverzeichnis 5 Top 5: Unterhaltungssendungen Mitarbeiter & Prominenz 6 News from the past Altes neu ausgepackt
39 kult! Shop 41 kult! Abo 98 kult! Verlosung 98 kult! Rätsel 47 Suzi Quatro/ Borussia Mönchengladbach
Seite 14
Seite 24
Riesenposter
14 Pumuckl
Es wird klabautert!
16 Brigitte Bardot
Ein Leben zwischen den Welten
20 Haarpracht
Seite 82
Von jetzt an immer chic frisiert!
24 50 Jahre Star Trek
Seite 66
Unendliche Weiten – Star Trek von A bis Z
29 Christian Simon
62 Der Bikini
Vor 70 Jahren schlug er ein wie eine (Atom-)Bombe
Meine Singles – Spannende Ausflüge in unbekanntes Terrain
64 Stars und ihre Autos
30 Mode-Reklame der 80er – Serie (Teil 4)
Mobile Stars On The Road
Schulterpolster und schrille Schönheit
66 Charlie Chaplin
34 Im Banne des Zorro
Charlie spricht – erstmals
Wie ein Held mit Maske, Degen und viel Charme weltweit Eindruck machte
68 Kultbücher
Geschätzt, geliebt, gelobt
36 Peter Pan
70 Buddy Longway
Fliegen auf eigene Gefahr
So war der Wilde Westen wirklich
38 Werbe-Ikonen – Serie (Teil 3)
72 Motorrad Triumph Bonneville T 120
Herr Kaiser – Gut (für mich), dass ich Sie treffe ..." "
40 Unvergessene TV-Charaktere – Serie (Teil 4)
Triumph-ale Reise in die Vergangenheit
42 Billy Jenkins
74 Musikalische Schätze aus der DDR-Serie (Teil 2)
Theo Kojak – Einsatz in Manhattan" " König der Cowboys
Amiga – eine für alles
44 Borussia Mönchengladbach vs. FC Liverpool
78 Kino-Bösewichte – Serie (Teil 3)
Geliebter Feind – Interview mit Rainer Bonhof
46 Die Mumins
Seite 46
Die sagenhafte Welt freundlich-friedlicher Trolle
Herbert Lom: Der universell einsetzbare Bösewicht
80 Bud Spencer
56 Boeing 747 – Jumbo-Jet
Ein Buddy fürs Leben
58 Das Jahr 1976
82 Edel-Seifenopern der 80er Jahre – Serie (Teil 2)
Aus dem Leben eines Buckelwals
Dallas
RAF, Robert De Niro & ein verschossener Elfmeter
87 Als die Frauen noch Schwänze hatten Sex und Witze aus der Steinzeit
88 Manolito Erotica Seite 74 Seite 16 Seite 34
Ein Antiquariat der besonderen Art mitten in Berlin
90 Der Super-8-Spielfilm
Er läuft und läuft und läuft ...
Seite 90
92 Dr. Fu Man Chu Seite 80
94 Carrera
Als die Rennbahn im Wohnzimmer Einzug hielt
96 Udo Jürgens
Seite 56
Seite
Die gelbe Gefahr" geht um "
Ein Keller voller Kult!
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GoodTimes
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TOP 5
kult! U n t e r h a l t u n g s s e n d u n g e n
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Musikladen Am laufenden Band Disco Der große Preis ZDF Hitparade
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Was bin ich? Herzblatt Disco Verstehen Sie Spaß? Zum blauen Bock
1. 2. 3. 4. 5.
Spiel ohne Grenzen Am laufenden Band ZDF Hitparade Disco Dalli Dalli
1. 2. 3. 4. 5.
1, 2 oder 3 Bio's Bahnhof Disco Die Montagsmaler Am laufenden Band
1. 2. 3. 4. 5.
1, 2 oder 3 Herzblatt Was bin ich? Dalli Dalli Rudis Tagesschau
1. 2. 3. 4. 5.
Wünsch Dir was Wetten, dass ..? Einer wird gewinnen Der große Preis Spiel ohne Grenzen
1. 2. 3. 4. 5.
Der große Preis Spiel ohne Grenzen Wetten, dass ..? Einer wird gewinnen Wünsch Dir was
1. 2. 3. 4. 5.
Verstehen Sie Spaß? Der Preis ist heiß Wetten, dass ..? 1, 2 oder 3 Dalli Dalli
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Wetten, dass ..? 1, 2 oder 3 Glücksrad Verstehen Sie Spaß?
5. Dingsda 1. 2. 3. 4. 5.
Ein Kessel Buntes Außenseiter-Spitzenreiter Am laufenden Band Schätzen Sie mal! Mit Lutz und Liebe
Fabian Leibfried
Kathrin Bonacker
Susanne Buck
Michael F.-Gamböck
Thorsten Hanisch
Michael Klein
Andreas Kötter
Andrea Leibfried
Nicolas v. L.-Vorbeck
Kati Naumann
GoodTimes
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Spiel ohne Grenzen Wetten, dass ..? Der goldene Schuss Was bin ich? Einer wird gewinnen
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Wetten, dass ..? Dalli Dalli Am laufenden Band Disco ZDF Hitparade
1. 2. 3. 4. 5.
Dalli Dalli Der große Preis Einer wird gewinnen Donnerlippchen Vier gegen Willi
1. 2. 3. 4. 5.
Beat-Club Disco Wünsch Dir was Wetten, dass ..? Bio's Bahnhof
1. 2. 3. 4. 5.
Am laufenden Band Dalli Dalli Rudis Tagesshow Was bin ich? 1, 2 oder 3
1. 2. 3. 4. 5.
Einer wird gewinnen Wetten, dass ..? Ruck Zuck Am laufenden Band 1, 2 oder 3
1. 2. 3. 4. 5.
Am laufenden Band Was bin ich? Bio's Bahnhof Spiel ohne Grenzen Wie würden Sie entscheiden?
1. 2. 3. 4. 5.
Wetten, dass ..? Rockpop Einer wird gewinnen Verstehen Sie Spaß? Auf los geht's los
1. 2. 3. 4.
Verstehen Sie Spaß? Der Preis ist heiß Wetten, dass ..? 1, 2 oder 3
H. J. Neupert
Markus Nöth
Thorsten Pöttger
Philipp Roser
Roland Schäfli
Thorsten Schatz
Ulrich Schwartz
Christian Simon
5. Dalli Dalli 1. 2. 3. 4. 5.
Alan Tepper
Bio's Bahnhof ZDF Hitparade Klimbim Disco Erkennen Sie die Melodie?
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Guildo Horn
Bücher & Comics RINGO
GESAMTAUSGABE BAND 1 Von William Vance
2016, Splitter Verlag ISBN 978-3-95839-340-0 100 Seiten; 22,80 €
Franco-belgische ComicWestern-Klassiker gibt es etliche. Zu nennen wären etwa Jerry Spring", Leutnant " " Blueberry" oder Coman" che". Ringo" dagegen ist " weniger bekannt. Was daran liegen mag, dass Ray Ringo, so der volle Name des Titelhelden, dessen kantige Gesichtszüge an B-Western-Stars wie Randolph Scott oder Rory Calhoun erinnern, im wilden Comic-Weste(r)n keine allzu große Verweildauer vergönnt war. Atmosphärische Dichte, wie sie etwa Girauds Blueberry"-Saga atmet, konnte sich da nur be" dingt entwickeln. Und doch hat Ringo" – und " hier bietet sich noch einmal der Vergleich zum B-Western an – seinen ganz eigenen Reiz. Ein Reiz, der sich speist aus dem unverwechselbaren Strich des späteren Meisters solcher Klassiker wie Bruno Brazil" oder XIII", William Vance. " " Ein Strich, ganz auf das Wesentliche beschränkt, der Hintergründe oft ausspart und ein wenig erinnert an einen anderen Großen des WesternComics, an den Argentinier Arturo del Castillo ( Der Sheriff" alias John Kendall"). Die zwei" " bändige Gesamtausgabe, die der Splitter Verlag nun vorlegt, glänzt mit tollem Druck und einer wunderbaren Farbgebung. Dass Band 1 außer der Bibliografie der beiden enthaltenen Abenteuer ohne jegliches Zusatzmaterial kommt, enttäuscht aber.
N from the past ninger ( The Kin-der-Kids", später als Kunst" maler zu Weltruhm gelangt). Erstaunlich aus heutiger Sicht sind die innovativen Bildeinfälle, von denen bis heute Generationen von ComicKünstlern zehren und die künstlerische Avantgarde wie den Surrealismus vorwegnahmen. Mit Hilfe zahlreicher Repros von Originalen und kenntnisreichen Begleittexten werden einem die sechs Pioniere näher gebracht.
1000 FUSSBALL KLUBS 2016, edel Books
ISBN 978-3-84190-460-7 208 Seiten; 14,95 €
Herausgeber: Alexander Braun und Max Hollein
Ob Mailand oder Madrid – Hauptsache Italien", " gab einst Andi Möller zum Besten, schade, dass es damals das Buch 1000 Fussball Klubs" noch " nicht gab, denn dann hätte der Mittelfeldstratege relativ schnell herausgefunden, dass Madrid wohl eher in Spanien liegt. Doch die geografische Zuordnung ist natürlich noch lange nicht alles, was das Buch 1000 Fußball Klubs" bietet, " vielmehr geht es dabei von A bis Z, vom AC Mailand bis zu ZSKA Moskau. Gespickt mit zahlreichen Bildern, Tabellen und Grafiken werden 1000 Fußballklubs porträtiert, geht es von den Höhepunkten der jeweiligen Vereine über ihre erfolgreichsten Spieler bis zu Anekdoten wie beliebte Fangesänge oder skurrile Vereinswappen. Nach Kontinenten und Nationen gegliedert, finden sich darunter natürlich weltbekannte Klubs wie Real Madrid (Spanien!), die britische Legende Manchester United oder Boca Juniors aus Argentinien, aber auch nur Spezialisten bekannte Vereine wie CD Motagua aus Honduras, Phnom Penh Crown FC aus Kambodscha oder Koloale FC Honiara von den Salomoninseln. Eine herrliche Sammlung, die nicht nur massenhaft Infomaterial liefert, sondern auch immer wieder zum ziellosen Durchblättern einlädt.
2016, Hatje Cantz Verlag ISBN 978-3-77574-110-1 272 Seiten, 35 €
WER FAST NICHTS BRAUCHT, HAT ALLES
PIONIERE DES COMIC
Der Comic ist nun auch schon 120 Jahre alt. Künstler wie Wilhelm Busch mögen Vorläufer gewesen sein, richtig Fahrt nahm das Genre jedoch erst auf, als um 1897 US-amerikanische Zeitungen begannen, farbige Strips in Sonntagsausgaben zu drucken. Sechs Zeichner der ersten Stunde stellt der Prachtband Pioniere des " Comic – Eine andere Avantgarde" vor: Winsor McCay ( Little Nemo"), Frank King " ( Gasoline Alley"), George Herriman ( Krazy " " Kat"), Charles Forbell ( Naughty Pete"), Cliff " Sterrett ( Polly And Her Pals") und Lyonel Fei"
Von Angela Bajorek
2016, Ullstein ISBN 978-3-55008-125-5 316 Seiten, 22 €
Die Tigerente, der kleine Bär oder der kleine Tiger – mit diesen Figuren hat Janosch viele Kinder glücklich gemacht und ihnen dabei die Welt philosophisch, leicht verständlich und humorvoll nahe gebracht. Angela Bajorek, Germanistin und Lehrbeauftragte der Pädagogischen Fakultät der Universität Krakau, hat nicht nur ihre Habilitationsschrift über Janosch verfasst, sondern ist auch zu den Schauplätzen seines Lebens gereist, besuchte ihn im Wahlexil Teneriffa und tauschte mit ihm E-Mails. Durch diese erSeite
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giebige Recherche war es ihr möglich, ein plastisches Bild des Künstlers zu erarbeiten, dessen Lebenslauf im Gegensatz zur Leichtigkeit seiner Figuren schwer, entbehrungsreich und von Leid gekennzeichnet war. Neben der mit sympathischen Fotos angereicherten Biografie umfasst der Band ein über 20-seitiges Interview mit Janosch, das einen intimen Einblick erlaubt. Ein sprichwörtlich schönes" Buch " mit gelegentlich traurigen Momenten.
ALLGEMEINER ROMAN PREISKATALOG 2016/2017
Von Joachim Knüppel, Werner Knüppel und Helmut Rohde 2016, Comicladen-Kollektiv Hamburg ISBN 978-3-00052-634-3 608 Seiten; 39,95 €
Wer zwischen den 40er und 80er Jahren aufgewachsen ist und in dieser Zeit Romane jeglicher Art gelesen hat, der kommt an diesem Katalog eigentlich nicht vorbei. Denn neben der Info, was die alten Hefte und Bücher heute noch wert sind, liefert der Allge" meine Roman Preiskatalog 2016/2017" auch noch zahlreiche weitere Infos: Wie viele Ausgaben hatten die Serien? Von wann bis wann erschienen die Reihen? Wie sahen Titelbilder und Buchumschläge aus? Für deutschsprachige Romanhefte, Leihbücher, Musik- und Jugendzeitschriften sowie Bücher von Karl May finden sich hier die Antworten, egal ob Hefte aus den 30er bis 50er Jahren wie Billy Jenkins" und Rolf Torring", die legen" " dären Silber-Grusel-Krimis", Westernhelden wie " Lassiter" und Cowboy Jerry", Herz-Schmerz" " Romane wie Die wahre Geschichte" und die " Romane des Herzens" sowie Klassiker wie Per" " ry Rhodan", Jerry Cotton", Larry Brent", Der " " " Landser" und Maddrax". Die Sammelgebiete " DDR und Österreich werden dabei in eigenen Abschnitten vorgestellt, ebenso die Bücher von Karl May. Ein eigenes, ausführliches Kapitel widmet sich den wichtigsten Ausgaben von 1876 bis 1980, unter anderem den berühmten grünen Leineneinbänden vom Freiburger Fehsenfeld-Verlag und dem Karl-May-Verlag in Radebeul und Bamberg. Das letzte Kapitel des Katalogs ist dann den Musikzeitschriften von 1945 bis 1980 gewidmet, von der Bravo" über Melodie und Rhythmus", " " Musik Express", Joker" und der Musikparade" " " " bis zu Sounds" und Rocky". Eine mit über 600 " " Seiten sehr umfangreiche Zusammenstellung, die für Sammler und Antiquare unerlässlich ist, aber sicher auch für all diejenigen von Interesse, die sich ganz allgemein und nur zum Spaß für Unterhaltungsliteratur interessieren.
NEWS from the past EL CID
GESAMTAUSGABE
Von Antonio Hernández Palacios 2016, Avant-Verlag ISBN 973-3-94503-446-0 212 Seiten; 39,95 €
Rogers an den Neon-Reklametafeln schillerten. Zwar hätte man sich mehr Seiten gewünscht, da einige wenige Passagen zu knapp geraten sind, doch das wird dann wiederum durch Monioudis sprachliche Eleganz weitestgehend ausgeglichen.
AUTOMOBILE KLASSIKER
Die Arbeiten von Antonio Hernández Palacios zählen zu den großen, wenngleich zu selten gewürdigten Werken des europäischen AbenteuerComics. Bekannt wurde der Spanier in Deutschland in den 70er Jahren, als seine beiden herausragenden Epen, der Western Manos Kelly" und das " Ritterabenteuer El Cid", in " Rolf Kaukas Magazin Pri" mo" veröffentlicht wurden. Wie bei Manos Kelly" " setzte Palacios auch bei El " Cid" auf akribisch recherchierte Fakten und eine expressive, wuchtige Bildsprache. So glänzt die Erzählung um den spanischen Nationalhelden Rodrigo Diaz de Vivar mit kraftvollen, satten Farbkompositionen, die stellenweise buchstäblich und wie durch ein Kaleidoskop betrachtet zu explodieren scheinen. Beinahe psychedelisch muten Palacios’ grimmige Bilder dann an, von denen nicht wenige als Kunstwerk per se bestehen könnten. Dass sich die Wirkung dieser Gemälde" so prächtig entfalten kann, ist auch " das Verdienst des avant-verlags. Nach Manos " Kelly" legen die Berliner erneut auf feinem Papier eine opulente, um lesenswertes Zusatzmaterial erweiterte Gesamtausgabe vor. Dass die Lektüre dieses Materials schon mal ein ganz klein wenig holprig ausfällt, ist wohl der Übersetzung geschuldet und tut dem Genuss dieses Meisterwerks keinen Abbruch.
Autos lackieren mal anders", ja, so kann man " das auch ausdrücken! Malbücher für Erwachsene werden immer beliebter, und mit Automobile " Klassiker" kann man dem tristen Käfer, der sich da durch den dichten Verkehr kämpft, dem farblosen Porsche 911, der über die Landstraße in der Provence brettert, oder dem fahlen Citroën DS, der im Rallye-Look durch die Kurve driftet, ein Ende machen. Zahlreiche künstlerische Darstellungen von automobilen Klassikern warten nur darauf, dass ihnen Farbe eingehaucht wird, historische Fahrzeuge berühmter Marken werden in typischen Szenen und Landschaften im Comic-Stil dargestellt. Auf den Bildern ist immer etwas los, sie erzählen kleine Geschichten, dazu liefert der französische Autor Francois Roussel interessante Begleittexte (in Deutsch, Französisch und Englisch) mit Hintergrundinformationen und Anekdoten zu den Automodellen sowie Hinweisen zum Motiv selbst. Klasse Service: Eine spezielle Klebebindung ermöglicht es, die fertigen Werke einzeln herauszutrennen.
FREDERICK
EUROPE 12 POINTS!
2016, dtv ISBN 978-3-42328-079-2 222 Seiten; 19,90 €
2016, Hoffmann und Campe Verlag ISBN 978-3-45575-017-1 256 Seiten; 13 €
Während seiner Jugendjahre, in denen der junge Michael Jackson von seinem Vater zum Tanzen gedrillt wurde, saß er in seiner Freizeit vor dem Fernseher und bewunderte einen Mann, der für die Popularität des Tanzens stand – Fred Astaire. In der Welt Hollywoods stellte er eine Ausnahme dar, denn niemand konnte mit einer so ungezwungenen Leichtigkeit über dem Parkett schweben. Der in der Schweiz geborene Autor Perikles Monioudis hat einen Roman verfasst, in dem er das Leben des Künstlers fiktional aufarbeitet. Dabei beweist er so viel Gefühl, dass man sich in die damalige Ära zurückversetzt fühlt, in der Stars noch Stars waren und Namen wie Rita Hayworth und Ginger
Wie oft war diese Veranstaltung schon totgesagt, wie viele Musikfreunde sehen in ihr den Untergang der Popkultur – und dennoch fiebern Millionen Fans auf den großen Abend hin, schaut ganz Europa auf die Bühne, auf der einmal im Jahr der Eurovision Song Contest stattfindet. Ohne Frage ist diese Kultveranstaltung ein völkerverbindendes und weltweit wohl einmaliges Fernsehereignis. So viele Stars und Hits wurden hier geboren, doch zeigt diese Show auch, wie nahe Triumpf und Tränen beieinander liegen. Mit nur sieben Teilnehmern wurde der Eurovision Song Contest im Jahr 1956 als Lieder- und Komponi" stenwettbewerb" ins Leben gerufen, heute ist er ein europäischer Exportschlager, der sogar in fernen Ländern wie China oder Australien für Furore sorgt. Mit Europe 12 Points!" blickt Autor " Matthias Breitinger zurück auf zahlreiche Stern-
Von Perikles Monioudis
EIN MALBUCH FÜR ERWACHSENE Von Francois Roussel
2016, Schneider Verlag UK Ltd. ISBN 978-3-66710-739-8 128 Seiten; 14,90 €
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kult!
Von Matthias Breitinger
GoodTimes
stunden, auf den Sieg von Abba mit "Waterloo" 1974, der den Beginn einer beispiellosen Karriere bedeutete, auf weltweite Hits wie "Volare", auf Stars wie Céline Dion, Cliff Richard und Johnny Logan. Erinnert an die schrillen Auftritte von Schlagerbarde Guildo Horn und Entertainer Stefan Raab, oder an Ralph Siegel, der den Wettbewerb aus deutscher Sicht so geprägt hat wie kein anderer. Ein Buch, das alles Wissenswerte um den ESC versammelt, das sechs Jahrzehnte Musikgeschichte mit all ihren Sensationen und Skandalen Revue passieren lässt und das vor allem eines klar macht:
Unsere Gewinner der Verlosung aus kult! Heft 14 – 2/2016:
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DVD Achtung Streng geheim": " Eberhard Stephan, Seifhennersdorf Manuela Brecht, Ludwigshafen Irmgard Flock, Kerpen-Horrem Fanpaket Die drei ???": " Axel Kühn, Flensburg Thomas Sindermann, Wardenburg Klaus Lang, Crailsheim Heike Wunderlich, Creußen Marion Müller, Hamburg DVD + Poster Star Wars": " Andreas Boldt, Esslingen Helmut Vetter, Alfeld Andreas Voß, Greven 2er-DVD Otto": " Heinz-Georg Schröder, Barßel Jörg Putze, Amberg Dietrich Gehrt, Duisburg
Herzlichen Glückwunsch!
N from the past Der Eurovision Song Contest ist eine einzigartige Geschichte, bei der sich große Unterhaltung und das Werben für Völkerverständigung und Toleranz nicht ausschließen.
ICH, UDO
VON CHRISTIAN SIMON 2016, Langen Müller ISBN 978-3-78443-408-7 240 Seiten; 20 €
Die Faszination Udo Jürgens' ist ungebrochen, jeder kennt seine Lieder, seine unzähligen Hits und Ohrwürmer wie "Aber bitte mit Sahne", "Griechischer Wein" oder "Mit 66 Jahren". Mit rund 100 Millionen verkauften Tonträgern zählt Jürgens zu den erfolgreichsten Solokünstlern der Welt. Doch der Erfolg kam für ihn nicht über Nacht, war vielmehr das Ergebnis harter Arbeit, der er bis zu seinem Lebensende mit vollem Elan und aus tiefstem Herzen nachging. Aber was war ihm wichtig, woher nahm er seine Inspiration, wie konnte er mit Kritik umgehen, welche Meilensteine sah er selbst in seinem Leben? Als der Radio- und TV-Moderator und Journalist Christian Simon im Jahr 1975 erstmals Udo Jürgens interviewte, war dies der Beginn einer Freundschaft, die über 40 Jahre halten sollte. In vielen weiteren Gesprächen nahm der Entertainer kein Blatt vor den Mund, plauderte mehr als einmal aus dem Nähkästchen. Knapp zwei Jahre nach dem Tod von Udo Jürgens hat Simon nun mit Ich, Udo" eine Zusammenstellung dieser " Gespräche veröffentlicht, mit dem er einen unverfälschten, ja fast persönlichen Blick auf den großen Sänger und Entertainer ermöglicht – angereichert mit einer guten Portion Humor und ungeschminkten Wahrheiten.
RODDENBERRYS IDEE: DIE STAR-TREK-ORIGINALSERIE IM WANDEL DER ZEIT
Dragnet" kreierte) wie zudem alles Wissens" werte um Produktion, Personal, Kulissen und Kostüme. Darüber hinaus werden auch noch die Spielfilme dokumentiert. Wer schon immer eine fundierte, gründlich recherchierte Abhandlung zu einer der wohl besten Science-Fiction-Serien haben wollte, ist hier am Ende seiner Suche angelangt. Lobenswert.
NSU TYPENKUNDE CLASSIC Von Klaus Arth
2016, Delius Klasing Verlag ISBN 978-3-66710-690-2 152 Seiten; 19,90 €
Alle Automobile von 1905 bis 1977" verspricht " dieses Buch im Untertitel, so liefert es quasi nebenbei die Geschichte einer der kult-verdächtigsten Autofirmen Deutschlands. Schon 1873 beginnt die (Vor-)Geschichte von NSU mit einer mechanischen Werkstatt in Riedlingen an der Donau, wo Strickmaschinen hergestellt werden. Dann der Umzug nach Neckarsulm, wo die kleine Firma expandiert und 1905 den großen Schritt wagt, als Lizenzfertigung ein Automobil herzustellen. Kurz darauf steht mit dem NSU 5/10 HP schon die erste Eigenkonstruktion auf der Berliner Automobilausstellung. Trotz zahlreicher Vorkriegsproduktionen prägen das NSU-Image bis heute die legendären Wirtschaftswunder-Modelle wie der Prinz oder der Wankel-Spider, der übrigens Automobilgeschichte geschrieben hat: Als erster trägt er einen Kreiskolbenmotor in seinem Heck. NSU Typenkunde Classic" erklärt mit " viel Liebe zum Detail alle jemals gebauten NSUModelle, vom 6/10 HP über den Sport-Prinz bis zum K 70, inklusive zahlreicher Fotos, Abbildungen und alten Werbematerials, dazu ausführliche technischer Daten, Produktionszahlen und tabellarische Übersichten.
Von Jan Schliecker
DAS IST FUSSBALL
2016, Schüren ISBN 978-3-89472-768-0 480 Seiten; 38 €
Von John Andrews
Mit diesem Buch wird Schüren seinem Ruf gerecht, Deutschlands wohl bester Verlag hinsichtlich cineastischer Belange zu sein. Jan Schliecker widmet sich in seinem umfangreichen Buch den 79 Originalepisoden von Star Trek" (also " Raumschiff Enterprise"), stellt sie vor und ana" lysiert die Intention der Folgen, die häufig zum Medium der Kritik zeitgenössischer Problematiken wurden. Neben einigen kultigen Bildern präsentiert der Autor auch eine knappe Einführung zu Gene Roddenberry (der auch die Serie
DAS INFOGRAFIK FUSSBALLBUCH 2016, Delius Klasing Verlag ISBN 978-3-66710-565-3 192 Seiten; 19,90 €
Als Besser- oder Alleswisser muss man natürlich für alle Fragen gewappnet sein, welcher Fußballklub ist der älteste der Welt, welche Spieler glänzten auch auf der Kinoleinwand, wer erhält für seine Leistung das meiste Geld, oder welche Kicker und Vereine tragen die kuriosesten Namen. Alles Infos, die das Buch Das ist Fußball" auf lockere und anschauliche " Art vermittelt, hier gibt es auf (fast) alle Fragen Seite
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GoodTimes
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zur schönsten Nebensache der Welt eine Antwort. Legendäre WM-Teams, die besten Ligen der Welt und ihre Stars, die kleinsten, größten, jüngsten, ältesten, reichsten, schnellsten und verrücktesten Fußballer aller Zeiten, harte Fakten und nur für Nerds interessante Zusatzinfos wie das Kapitel über Fußballer-Tattoos: Dieses mit Herzblut gestaltete Buch bietet allerbestes Fußball-Infotainment. Ein kurzer Blick auf das Inhaltsverzeichnis verrät schnell, mit welcher Akribie Autor John Andrews hier zu Werke ging, welch geballtes Wissen hier zwischen den zwei Buchdeckeln versammelt ist. In einer Vielzahl von Kapiteln geht es vom ältesten Klub der Welt über Hitlisten, skurrilen Dingen wie FußballerFrisuren bis zu den Spitznamen der großen Stars, werden die höchsten Niederlagen aller Zeiten ebenso zum Thema wie die besten Spieler jeder Dekade oder ein Zahlenvergleich zwischen Englands und Deutschlands Top-Liga. Ein besonderes Lob geht an Illustrator Daniel Nyari, der unter anderem für die New York Times" und die " Süddeutsche Zeitung" arbeitet. Er hat die ein" zelnen Seiten dieses Buches höchst aufwändig illustriert und verpackt, sowohl die harten Fakten als auch das ebenso unnütze wie herrliche Fußballwissen in übersichtliche Infografiken, mit denen alle, die dieses Buch gelesen haben, in jeder Fußballdiskussion mit detailliertem Wissen über Stars und Vereine mit unzähligen Daten, Zahlen und Fakten glänzen können.
FALLER – KLEINE WELT GANZ GROSS Von Ulrich Biene
2016, Delius Klasing Verlag ISBN 978-3-66710-694-0 184 Seiten; 29,90 €
1:87 – so lautet die magische Formel, die Modelleisenbahnfans ins Schwärmen bringt, da die Schwarzwälder Firma Faller ihre diversen Objekte in dem Maßstab verkleinert(e). Autor Ulrich Biene erzählt in seinem großformatigen und mit vielen seltenen Fotos geschmückten Bildband die Geschichte des nach dem Zweiten Weltkrieg gegründeten Unternehmens, das in diesem Jahr sein 50. Jubiläum feiert. Vom ursprünglichen, aus heutiger Sicht noch primitiven MarathonBaukasten, über die zahlreichen Hausmodelle, an denen sich der Wandel der Architektur ablesen lässt, Bäume, Brücken und Modellautos bis hin zur Faller City reicht das Spektrum der dargestellten Objekte, die mit dem klassischen Firmenlogo und natürlich den gelben Kästen verkauft wurden und werden. Neben dem Bildteil kann Biene mit gehaltvollen Texten aufwarten, die viele Informationen bereithalten. Ein lobenswertes Buch, das den Reiz der Modellbaugeschichte plastisch vermittelt.
NEWS from the past CHARLTON HESTON
Von Jenna Eatough, Hans Reinhard und Andrea Rennschmid 2016, Reinhard Weber Fachverlag für Filmliteratur ISBN 978-3-94312-706-5 250 Seiten; 34 €
Wie kein anderer prägte der amerikanische Schauspieler Charlton Heston mit seiner markanten Physiognomie die Hollywood-Epen der 50er und 60er Jahre in seinen Rollen als Moses, Ben Hur oder El Cid. Danach gab er in Science-Fiction- und Katastrophenfilmen wie Planet der Af" fen", Der Omega-Mann" und Erdbeben" den " " tragischen, aber stets übermenschlichen Helden. In seiner Spätzeit betrat der Shakespeare-Liebhaber vermehrt als Bürgerrechtler die politische Bühne und blieb nicht zuletzt durch Michael Moores Bowling For Colombine" als rechter " Aktivist und Handlanger der amerikanischen Waffenlobby im Gedächtnis. In einer neu vorangestellten Biografie spürt diese vollständig überarbeitete, neu bebilderte und erweiterte Ausgabe von Charlton Heston" dem Privat" mann, Schauspieler und Lobbyisten Charlton Heston nach und bespricht sein umfangreiches filmisches Lebenswerk. Wie immer, wenn sich der Landshuter Reinhard Weber Fachverlag für Filmliteratur so einem Thema widmet, werden neben einer ausführlichen Biografie alle Filme, in denen der Protagonist mitgewirkt hat, ausführlich vorgestellt. Neben Originaltitel, Veröffentlichungsjahr, Laufzeit, Regie, Darsteller und Bilder vom Set wird auf Inhalt, Entstehungsgeschichte, markante Pressestimmen und O -Töne von Beteiligten zurückgegriffen, so dass es für Filmfans kaum eine bessere Möglichkeit gibt, dem Schauspieler durch sein filmisches Leben zu folgen. Da macht auch dieser voluminöse Band über Charlton Heston keine Ausnahme.
MEIN SPIEL
Von Johan Cruyff 2016, Droemer ISBN 978-3-42627-696-9 320 Seiten; 19,99 €
Mal ehrlich: Die heute bekannten Kicker langweilen doch. Ecken und Kanten? Fehlanzeige! Leidenschaft und mal ’ne dicke Lippe? Fehlanzeige! Da freut sich der Fußballfan, wenn er wieder an die Sechziger und Siebziger erinnert wird, in denen noch wahre Charaktere die Pille ins Tor knallten. Somit wird die Autobiografie des tragischerweise im Frühjahr verstorbenen John Cruyff auf Begeisterung stoßen, denn der Mann hat
tatsächlich was zu berichten aus einer Zeit, in der der Nachwuchs noch mit dem Fahrrad zum Training radelte. Er schildert sein Leben von der Glanzzeit bei Ajax Amsterdam über den FC Barcelona und der Karriere in der Nationalmannschaft bis hin zur Zeit als Trainer und lässt dabei auch Privates zur Geltung kommen. Neben der Erzählung an sich begeistert das Buch durch den warmherzigen Ton, in dem er seine Beziehungen, speziell zu seinem Vater, schildert und lebendig werden lässt. Definitiv eine der besten Sportler-Bios!
70 JAHRE LUCKY LUKE
2016, Egmont Comic Edition Gleich dreifach Grund zur Freude für LuckyLuke-Fans! Zum 70. Geburtstag des kultigen Westernhelden gibt es aktuell limitierte Sonderauflagen, den Anfang machten dabei Mitte September vier Lucky-Luke-Bände, in denen Joe, Jack, Averell und William Dalton im Mittelpunkt stehen. Anfang Oktober kam dann ein neuer Band heraus, der alleine mit seinem dramatischen Titel Der Mann, der Lucky Luke erschoss" Aufmerk" samkeit erregen dürfte (72 Seiten, 15 €, ISBN: 9783-77043-925-6). Mit seinem lebendig-realistischen Strich lädt Zeichner Matthieu Bonhomme ein, Morris' so vertrauten CowboyKosmos und seine Figuren neu zu entdecken. Dabei beantwortet er unter anderem auch die Frage, die so manchen schon länger umtreiben dürfte: Wie kam es eigentlich dazu, dass unser Held dem Rauchen abschwor und den Glimmstengel gegen einen Grashalm eintauschte? Ab Mitte November werden dann die ersten 14 Lucky-Luke-Bände aus den Jahren 1972 bis 1976 in einer Nostalgie-Edition neu aufgelegt, wer möchte kann sich die Edition auch komplett in einem edlen Sammelschuber zulegen.
UNSER LE MANS – SIEGFRIED RAUCH. STEVE McQUEEN DER FILM DIE FREUNDSCHAFT DIE FAKTEN 2016, Delius Klasing Verlag ISBN 978-3-66710-462-5 212 Seiten, 29,90 €
Er ist bis heute der Inbegriff aller Coolness. Die viel zu früh, mit nur 50 Jahren verstorbene Hollywood-Ikone Steve McQueen galt schon GoodTimes
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zu Lebzeiten als der King of Cool", und daran " hat sich bis heute nichts geändert. Cool" – an " dieses Attribut denkt man bei Siegfried Rauch eher nicht. Rauch, bekannt etwa als Traumschiff"" Kapitän oder als Bergwachtchef in Wildbach", " strahlt eher eine – wenn auch nicht unangenehme – Provinzialität aus. Man vergisst, dass auch er einmal jung war. Und damals, Ende der 60er Jahre, genoss Rauch für einen Wimpernschlag der Filmgeschichte sogar Hollywood-Ruhm. Im Zweiten-Weltkrieg-Drama um den nicht unumstrittenen USGeneral George S. Patton, Patton – Rebell in " Uniform", gab Rauch einen deutschen Offizier. Und diese Performance muss McQueen so beeindruckt haben, dass er Rauch im heute längst als Klassiker geltenden Rennfahrerfilm Le Mans" unbedingt an seiner Seite haben " wollte. Von der Annäherung der beiden Schauspieler, aus der schließlich eine enge, bis zu McQueens Tod währende Freundschaft wurde, vom Leben am Set und damit vom legendären Autorennen erzählt Unser Le Mans" in Text " und vor allem in Bildern. Wobei der (Kaufan-) Reiz ohne Frage von den vielen exklusiven Fotos ausgeht, die aus den Privatarchiven der beiden Familien stammen. Fotos, die zum Teil einen ganz anderen als den coolen McQueen zeigen. Wenn der Hollywood-Star und seine damalige Frau Neile in der guten Stube der Rauchs bei einer typisch bayerischen Brotzeit sitzen, zeigt McQueens sonst häufig so ernstes, ja bitteres Gesicht eine Entspanntheit, die er wohl nur dort finden konnte, wo er sich zu Hause fühlte. Die eigene heile Welt aber, die Rauch und seine Frau Karin heute noch zu leben scheinen, hat McQueen immer gesucht, aber wohl nie gefunden.
MERCEDES-BENZ
DIE BAUREIHE W123 VON 1976 BIS 1986 Von Brian Long
2016, Delius Klasing Verlag ISBN 978-66710-693-3 192 Seiten; 39,90 €
Der Typ W123 von Mercedes-Benz wurde zwischen den Jahren 1976 und 1986 als Limousine, Kombi, Coupé, Langversion und mit Spezialaufbauten insgesamt über 2,7 Millionen Mal verkauft. Heute ist er speziell bei Menschen, die als Kinder auf dem Rücksitz mit ihm in den Urlaub fuhren, als noch immer alltagstauglicher Klassiker und Stück der eigenen Jugend sehr gefragt. Erstaunlich viele W123er sind noch erhalten geblieben – schließlich hatte er in seinen ersten Produktionsjahren den Bestseller VW Golf von Platz 1 der deutschen
N from the past Zulassungsstatistik verdrängt. Autor Brian Long – selbst leidenschaftlicher Mercedes-Fan und ausgewiesener Spezialist für Themen rund um die Stuttgarter Autoschmiede – zeichnet anhand von zeitgenössischen Farbfotos, Werbeplakaten und Bildern aus der Entwicklungszeit die Geschichte der Baureihe detailliert nach. Dabei schließt der großformatige Band nicht nur vorhandene Lücken im Bücherregal von Mercedes-Liebhabern, sondern bietet auch Einsteigern eine Fülle von Informationen sowie Lesestoff. Natürlich weckt Mercedes-Benz" " auch bei ehemaligen Besitzern Erinnerungen an die Zeiten mit diesem Kult-Monument deutschen Automobilbaus, werden für viele Leser zahlreiche Kindheits- und Jugenderinnerungen wieder wach.
PORSCHE 912 50 JAHRE
Von Jürgen Lewandowski 2016, Delius Klasing Verlag ISBN 978-3-66710-605-6 176 Seiten; 49,90 €
Kleine Brüder haben es leicht, weil sie im Schutze des größeren Bruders stehen. Sie können es aber auch schwer haben, weil sie im Schatten des Großen stehen. Was für Geschwister gilt, das kann man auch auf Autos anwenden, als Beweis geht es hier um die Geschichte des Porsche 912, dem kleinen Bruder des übermächtigen 911er. Im Frühjahr des Jahres 1965 präsentierte Porsche das Modell 912, das – als preisgünstiger Einsteiger – den Porsche 356 C und SC ersetzte. Zum 50. Geburtstag des Modells beschreibt dieses Buch die Entwicklung des Porsche 912 und dessen Veränderungen gegenüber dem 911er, außerdem die Evolution und Veränderungen, die dieses Fahrzeug in seinen vier Baujahren erfuhr. Als der Porsche 912 im Frühjahr 1965 vorgestellt wurde, waren nicht alle Mitarbeiter mit dem neuen Modell so richtig glücklich, denn er musste mit dem Vierzylinder-Triebwerk des gerade eingestellten 356 antreten, während der 911er bereits über den neuen Sechszylinder verfügte, der in den vergangenen 50 Jahren zur Legende wurde. Der 911 war jedoch so teuer geraten, dass ihn sich viele treue Porsche-Fahrer in Deutschland nicht mehr leisten konnten oder wollten. Also benötigte Porsche rasch ein neues preiswerteres Modell, und so entstand der 912er, der von 1966 bis 1969 mit rund 32.000 Exemplaren vom Band lief. Mit vielen Fotos, Statistiken und Originaldokumenten zeichnet Autor Jür-
gen Lewandowski seine Geschichte bis ins kleinste Detail nach. Von den ersten Entwurfsplänen über die Entwicklung zur Marktreife bis zum 912E, der im Jahr 1975 als Neuauflage ausschließlich für den amerikanischen Markt gefertigt wurde. Am Ende realisiert man, dass es der kleine Bruder" wirklich nie leicht hat" te, dass er heute ein gesuchtes Liebhaberstück ist, für den Höchstpreise bezahlt werden, zeigt, dass es manchmal ein langer Weg bis zur Anerkennung sein kann – und ohne Frage hat auch der 912er seinen verdienten Platz im Herzen eines jeden Porsche-Fans gefunden.
DER TAUBENTUNNEL Von John Le Carré
2016, Ullstein ISBN 978-3-55008-073-9 382 Seiten; 22 €
Hört man den Namen John Le Carré, fällt den meisten wohl sein bekanntester Roman Der Spion, der aus der " Kälte kam" ein. Das Buch kann auch als Beispiel für sein Gesamtwerk herhalten, da Le Carré es meisterhaft verstand, reale Themen wie zum Beispiel die Arbeit der Geheimdienste – von denen die meisten zu der Zeit der jeweiligen Publikation nichts wussten – mit einer fiktionalen Handlung zu verknüpfen. In seinen autobiografischen Essays dokumentiert der zeitweise in Eton lehrende und bei der britischen Botschaft tätige Autor deutsche, aber auch internationale Geschichte und erweckt dabei mehr als sechs Jahrzehnte Historie zu neuem Leben, die durch die aktuelle Perspektive umso spannender wird. Dabei zeichnet er aber auch faszinierende Personenporträts, die jeden, der sich für die angegebene Zeitspanne interessiert, begeistern werden. Literatur auf hohem Niveau.
FUSSBÄLLE
Von Péter Pesti und Tobias Friedrich 2016, edel Books ISBN 978-3-84190-459-1 128 Seiten; 14,95 €
Der Ball ist rund", so lautet eine der älte" sten Fußballweisheiten – und dieses Buch ist es auch! Klasse Idee, das Format des Buches dem geschilderten Gegenstand anzugleichen, so können die zahlreichen historischen Fußbälle hier in Originalgröße abgebildet werden. Von 1870 bis ins Jahr 2016 reicht dabei die zeitliche Spanne, die sich der Fotograf Péter Pesti und der Autor Tobias Friedrich vorgenommen haben, zahlreiche Länder mussten Seite
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dafür bereist werden. Am Ende haben sie 118 Bälle portraitiert, von namenlosen Lederkugeln über den legendären Tango" von Adidas " bis zum Beau Jeu", der in diesem Jahr bei der " Europameisterschaft in Frankreich zum Einsatz kam. Ergänzt werden die hochklassigen Fotografien von allerlei Wissenswertem rund um den Hauptakteur. Wer weiß heute schon noch, wer sich den Endspielball der Weltmeisterschaft 1966 unter den Nagel gerissen hat, wer seine Mannschaft nur in Schönschrift auf dem Spielgerät unterschreiben ließ, oder welches Modell auf Anordnung des Schiedsrichters zur Halbzeitpause ausgewechselt werden musste? Ein tolles Nachschlagewerk, das neben den unterschiedlichen Fußbällen wissenschaftliche Fakten, historische Momente und unglaubliche Geschichten rund um das runde Leder liefert – da ist der Kult-Faktor garantiert!
RECARO
SITZEN IN BEWEGUNG Von Frank Jung
2016, Delius Klasing Verlag ISBN 978-3-66710-313-0 400 Seiten; 75 €
Mit seiner 100-jährigen Firmengeschichte steht Recaro für die perfekte Verbindung aus Design, Qualität und Sicherheit in Sachen Sitze. Anlässlich dieses Jubiläums erscheint mit Reca" ro – Sitzen in Bewegung" ein prächtiger Bildband, der erstmals einen umfassenden Überblick über die komplette Historie des Stuttgarter Traditionsunternehmen bietet. Mit zahlreichen Fotos und Grafiken wird die Entwicklung der Marke im Lauf der Jahrzehnte ebenso beleuchtet wie die ganz spezielle Typologie der Produktpalette: vom Autositz über die Babyschale bis zum Flugzeugsessel. Gespräche mit der Unternehmensleitung, aktuellen und ehemaligen Designern sowie zahlreichen weiteren Protagonisten der Firmenhistorie vermitteln einen ebenso tiefgehenden wie spannenden Einblick in die wechselvolle und aufregende RecaroGeschichte, die schon immer geprägt war von Werten wie Innovation, Qualitätsanspruch und absoluter Kundenorientierung. Genau darum kommen in diesem großformatigen Band neben den Machern auch überzeugte Recaro-Nutzer zu Wort: Porschefahrer Guy Newmark, Vielflieger Manfred Haverkamp sowie die ehemalige Kindersitzinsassin Julia Uspelkat erzählen von der Rolle, die Recaro in ihrem Leben spielte und immer noch spielt. Die Charaktereigenschaften des Unternehmens, das Markante, das Erstklassige, das Konsequente, Aufgeschlossene und das Schöpferische spiegeln sich in diesem edel
NEWS from the past daherkommenden Band wider, der durch seine besondere Gestaltung nicht nur inhaltlich, sondern auch als wunderschönes Buchobjekt ein echtes Schmuckstück darstellt. Eben ganz im Sinne des Recaro-Gedankens: großartiges Design im Einklang mit perfekter Funktionalität.
PORSCHE TRAKTOREN Von Ulf Kaack
2016, Delius Klasing Verlag ISBN 978-3-66710-692-6 112 Seiten; 16,90 €
Dass die sonst so flotte Porsche-Familie mit ihren Traktoren auch eine handfeste Seitenlinie hat, ist vielen Automobilfreunden vielleicht unbekannt, wer sich für historische Trecker interessiert, für den sind die Porsche-Dieselschlepper Kult. Bis 1963 wurden rund 120.000 Porsche Traktoren gebaut, eine abgestufte Modellpalette – Junior, Standard, Super, Master – sorgte für ein breites Einsatzgebiet, dazu wurde in Österreich (Hofherr-Schranz) und Japan (Iseki) in Lizenz gefertigt. Neben den einzelnen Modellen
werden mit den Vätern" des Porsche-Traktors " Ferdinand Porsche, Karl Rabe und Albert Prinzing auch Sammler und bekennende Fans wie Rallye-Ass Walter Röhrl vorgestellt. Was aber dieses Buch über die umfassenden Informationen hinaus so anziehend macht, das sind die zahlreichen Bilder. Der Porsche Diesel im Einsatz bei der Rübenernte, beim Häckseln. beim Säen und Pflügen, als Schwenklader, Frontlader, Tieflöffelbagger und Plantagenschlepper, sichtbar sowohl in der Totalen als auch im Detail – womit Porsche Traktoren" zusätzlich " noch eine nostalgische Reise in die Landwirtschaft der 50er und 60er Jahre bietet.
WIR KASSETTENKINDER
Von Stefan Bonner und Anne Weiss 2016, Knaur Verlag ISBN 978-3-42665-598-6 272 Seiten; 16,99 €
Mixtapes vom Radio aufnehmen, fasziniert sein von einem Brotkasten namens C64, Hawaiihemden, Vokuhila-Frisuren, Yps" und " Tschernobyl: keine Frage, hier geht es um die 80er Jahre! Mit Wir Kassettenkinder" haben " die beiden Bestsellerautoren ( Generation " Doof") Stefan Bonner und Anne Weiss eine
ebenso kurzweilige wie nostalgische Liebeserklärung an diese herrliche Zeit geschrieben. Denn wer damals zwischen Bandsalat, Indiana Jones, Ententanz und Neuer Deutscher Welle aufwuchs, der erlebte ein epochales, seltsam unbekümmertes, oft albernes Jahrzehnt, in dem man trotz drohenden Weltuntergangs durch sauren Regen und ständiger Bedrohung durch den Kalten Krieg den Eindruck einer bunten und vielfältigen Zeit hatte. Mit ersten Computern, Tastentelefonen und elektronischen Keyboards fing die Zukunft an, Serien wie Dallas" und Der " " Denver-Clan", TV-Großereignisse wie Wet" ten dass ...?" sowie Kinohits wie Zurück in " die Zukunft" oder Flashdance" waren Allge" meingut - jeder hatte sie gesehen, jeder konnte im Büro oder in der Schule darüber sprechen. Es sind aber nicht nur die großen Dinge, an die die beiden Autoren mit ihrem Rückblick erinnern, mit kleinen Details gelingt es ihnen, längst verschüttete Erinnerungen zurückzuholen, denkt man beim Lesen oft an eigene Erfahrungen aus dieser Zeit.
MERCI, UDO! DEUTSCHLAND SAGT DANKE! DIE GRÖSSTE UDO JÜRGENSSAMMLUNG ALLER ZEITEN! ALLE GROSSEN ORIGINAL-HITS VON UDO JÜRGENS DIE ORIGINALE SEINER ESC-WELTERFOLGE UNVERÖFFENTLICHTE VERSIONEN SEINER GROSSEN LIEDER ALLE GROSSEN TV-AUFTRITTE + BONUSKONZERTE LIMITIERTE 3ER LP-VINYL-BOX MIT XXL 60 SEITEN FOTOBUCH
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DVDs + BLU-RAYs DIE KLAPPERSCHLANGE New York im Jahr 1997. Ganz Manhattan ist mittlerweile ein Hochsicherheitsgefängnis, in dem drei Millionen Schwerverbrecher ohne Wärter eingesperrt sind. Ausgerechnet hier stürzt die Air Force One, die Maschine des amerikanischen Präsidenten, ab. Um ihn zu retten, wird der verurteilte Ex-Offizier Snake Plissken (Kurt Russell) in das Chaos geschickt. Seine Aufgabe: den Präsidenten innerhalb von 24 Stunden zu finden und ihn lebend aus der Zone zu bergen. Ansonsten detonieren die kleinen Sprengladungen, die man ihm zu Beginn der Mission in seinen Körper injizierte. Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt. Die Klapperschlange" aus " dem Jahr 1981 ist der Kult-Endzeitthriller von Horror-Meister John Carpenter ( Halloween") " mit Kurt Russell in der Hauptrolle. Die Anfang November erscheinende Blu-ray-Fassung enthält als neue Extras zahlreiche Features zu visuellen Effekten und der Filmmusik, außerdem ein Interview mit Kurt Russell sowie je einen Audiokommentar von Schauspielerin Adrienne Barbeau und Kameramann Dean Cundey. (Constantin Film, 99 Min.)
IMMENHOF Verteilt auf vier Discs gibt es hier sämtliche 19 Folgen der TV-Serie Immenhof" zu sehen, " die Anfang der 90er Jahre im ZDF ausgestrahlt wurde. Im Gegensatz zu den Kinofilmen aus den 50er und 70er Jahren steht hier nicht mehr die Familie Jantzen im Mittelpunkt, vielmehr erzählt die Serie neue Geschichten um das norddeutsche Gestüt. Gleich zu Beginn ist Gräfin von Bantz (Anneliese Uhlig) gezwungen, aufgrund einer abgelaufenen Bürgschaft den Immenhof versteigern zu lassen. Das Gut wird von einem Industriellen (Heinz Weiss) erworben, verwaltet wird der Hof vom Ehepaar Christiansen (Erich Hallhuber und Claudia Rieschel), Gräfin von Bantz erhält Wohnrecht auf Lebenszeit. Nach anfänglichen atmosphärischen Schwierigkeiten machen sie sich gemeinsam daran, den Hof wieder auf Vordermann zu bringen, werden in den Folgen zahlreiche Geschichten rund um den Immenhof mit seinen zwei- und vierbeinigen Bewohnern erzählt. (Studio Hamburg Enterprises, 4 DVDs, 900 Min.)
N from the past TOM SAWYER & HUCKLEBERRY FINN
In dieser Neuverfilmung aus dem Jahr 2014 des berühmten Jugendromans von Mark Twain werden die beiden Titelhelden Tom Sawyer und Huckleberry Finn von Joel Courtney und Jake T. Austin dargestellt, in einer Gastrolle ist HollywoodStar Val Kilmer als Mark Twain mit dabei. Die Story des Filmes hält sich dabei relativ eng an die Romanvorlage: Der bei seiner Tante aufwachsende Tom Sawyer und der Herumtreiber Huckleberry Finn, Toms bester Freund, werden durch Zufall Zeugen eines Mordes. Zunächst schweigen sie über den Vorfall, doch die Verhaftung eines Unschuldigen bringt sie in einen schweren Gewissenskonflikt, dem sie auch durch Flucht nicht ausweichen können. Klasse Verfilmung der Kult-Geschichte, die für Jung und Alt alles bietet, herrliche Landschaften, spannende Action und große Gefühle. (Studio Hamburg Enterprises, 90 Min.)
CDs PEGGY MARCH
COSTA BRAVA / FLY AWAY PRETTY FLAMINGO "Mit 17 hat man noch Träume", damit traf Peggy March im Jahr 1965 mitten ins Herz der deutschen Schlagerfreunde, schnell wurde die in den USA geborene Sängerin nicht nur in Deutschland zum Star. Sie sang ihre Lieder in neun verschiedenen Sprachen, reiste auf Tourneen durch die ganze Welt. Mitte der 70er Jahre veröffentlichte sie mit COSTA BRAVA eine Platte, auf der sie neue Titel mit bekannten Stücken mixte, kurz darauf konnte sie mit dem von Ralph Siegel produzierten FLY AWAY PRETTY FLAMINGO noch einmal einen großen Erfolg feiern, vor allem durch den von Drafi Deutscher verfassten Titeltrack. Neben Liedern von Ralph Siegel hatte sie damals auch Vorlagen von Les Reed ("There's A Kind Of Hush"), George Clinton ("Average People") und Michael Holm ("Play A Sad Song On Your Guitar") im Programm. (Electrola/Universal, 1976/1978, 24/78:42)
ROY BLACK
LIVE IN BIELEFELD Im Dezember 1969 wurde mit EIN ABEND MIT ROY BLACK eine Live-LP veröffent licht, die aufgrund der beschränkten Spielzeit Seite
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der Schallplatte nur einen kleinen Teil des mitgeschnittenen Materials präsentieren konnte. Nun hat man in den Polydor-Archiven die Originalbänder des Auftritts vom 21. Oktober 1969 im Großen Saal der Rudolf-Oetker-Halle in Bielefeld entdeckt. Mit der Doppel-CD LIVE IN BIELEFELD wird nun erstmals das komplette Konzert in der richtigen Songreihenfolge veröffentlicht. Klasse vor allem deshalb, weil es hier die ganze Bandbreite von Roy Black zu hören gibt, herrlichen Schlager mit einem Hitmedley, Folksongs und Shantys wie "If I Had A Hammer", "Tom Dooley" und "What Shall We Do With A Drunken Sailor", internationale Rock- und Pop-Hits wie "Hey Jude", "Sweet Little Sixteen" und "In The Ghetto", Klassiker wie "La Paloma", "Strangers In the Night" und "Hello Dolly". Herrlich! (Electrola/Universal, 2016, 16/57:24, 16/53:24)
HEINZ RUDOLF KUNZE
MEISTERWERKE:VERBEUGUNGEN M EISTERWERK E:V ER BEUGUNGEN hat Heinz Rudolf Kunze sein neues Album betitelt, das man in Anlehnung an US-Vorbilder getrost in die Kategorie „Great German Songbook“ einordnen kann. Dafür interpretiert er nicht nur Songs jüngerer Kollegen wie Casper oder Thees Uhlmann (Tomte), er hat sich auch die Toten Hosen und Ärzte vorgenommen – und sich an seine eigene Jugend erinnert. „Damals ist man Hits wie ’Ganz in Weiß’ von Roy Black, ’Junge, komm bald wieder’ von Freddy Quinn oder Udo Jürgens gar nicht entkommen“, sagt Kunze heute, der “Was ich dir sagen will“ für Jürgens’ „schönsten Song“ hält. Mit Hildegard Knef, deren “Für mich soll’s rote Rosen regnen“ er sich vornahm, arbeitete er kurz vor deren Tod noch zusammen. Mit Karat und den Puhdys verbeugt sich HRK auch vor zwei ostdeutschen Acts – wie aber auch vor Kollegen wie den Einstürzenden Neubauten und den NDW-Acts Ideal und DAF. Doch Kunze sagt auch ausdrücklich dazu, dass seine ganz persönliche Hitliste sicher anders aussähe.
ROY BLACK
MEIN SCHÖNSTES WUNSCHKONZERT Als im Jahr 1970 die Doppel-LP MEIN SCHÖNSTES WUNSCHKONZERT erschien, war Roy Black auf dem Zenit seines Erfolges, vier Jahre zuvor machte ihn sein "Ganz in Weiß" zum Star, alleine bis 1969 konnte
NEWS from the past er mit sechs Liedern die deutschen Single- Charts toppen. Großer Pluspunkt des Sängers war seine Vielseitigkeit, die auch in der Auswahl der Lieder für sein Wunschkonzert zu sehen ist. Da geht es von typischem deutschen 70er-Jahre-Schlager wie "Von Tag zu Tag", "Denk was Liebes" und "Ich bin so gern bei dir" über deutsche Cover-Versionen von großen Hits wie "Hörst du das Lied der Freude (Song Of Joy)", "Vaya Con Dios" und Cole Porters "Ganz Paris träumt von der Liebe" bis zu internationalen Titeln wie "Down By The Riverside", "Somewhere My Love" und einer Bigband-Version von "Proud Mary", im Original ein rockiger Song der US-Band Creedence Clearwater Revival. (Electrola/Universal, 1970, 24/76:49)
RENATE KERN
LIEBER MAL WEINEN IM GLÜCK / NUR WER LIEBT Mit seiner Originale-Reihe widmet sich die Berliner Plattenfirma Electrola dem deutschen Schlager der 60er und 70er Jahre. Di-
gital remastert werden dabei (meistens) zwei Original-LPs auf einer CD veröffentlicht, als Zugaben sind oft noch Bonus-Tracks wie Single-B-Seiten mit dabei, im aufklappbaren Booklet gibt es dann alle Produktionsinfos sowie Coverabbildungen von LPs und Singles. Mit LIEBER MAL WEINEN IM GLÜCK und NUR WER LIEBT wurden nun zwei Alben von Renate Kern zusammengefasst, bei denen die deutsche Sängerin – die auch als Nancy Wood oder Nathalie de Navarre auftrat – einen klasse Mix aus zeittypischem Schlager sowie internationalen Pop- und Rocksongs präsentierte. Auf dem ersten Album stammen viele Stücke sowie die Arrangements von James Lasts Bruder Werner, der Renate Kern Mitte der 60er Jahre entdeckte, beim zweiten Album übernahm Peter Orloff die Produktion, wurde das Repertoire mit Vorlagen von Kris Kristofferson, David McWilliams und Gerry Goffin/Carole King internationaler. (Electrola/Universal, 1968/1973, 26/75:38)
FREDDY LIVE
Mit diesem 4-CD-Pack werden vier OriginalLive-LPs von Freddy erstmals als CD veröffentlicht. Zwischen den Jahren 1965 und 1977 wurden die Auftritte mitgeschnitten, bei denen der beliebte Sänger und Schauspieler von unterschiedlichen Orchestern und Kollegen begleitet wurde, von James Last und Bert Kaempfert über das Medium Terzett, Truck Stop und Mary Roos bis zu den FischerChören und dem Botho-Lucas-Chor. Neben seinen großen Hits wie "Heimweh", "Rolling Home", "Junge, komm bald wieder" und "Die Gitarre und das Meer" ging es mit Songs wie "Lonesome Me" und "Jambalaya" auch in Richtung Country, hatte er internationale Klassiker wie "Stangers In The Night", "Maria" und "Spanish Eyes" im Programm, wurden Volkslieder wie "In einem kühlen Grunde" oder das "Wolga Lied" angestimmt, ging es mit Stücken wie "Yo Vendo Unos Ojos Negro" und "La Guitarra Brasiliana" bis nach Südamerika. (Electrola/Universal, 2016, 4 CDs)
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Es wird klabautert!
er bzw. was ist eigentlich dieses liebenswerte Kerlchen mit dem feuerroten Haarschopf, das wirklich jeder – nicht nur in Deutschland – kennt und in sein Herz geschlossen hat? Vorbild für aufmüpfige Kinder? Klabauter-Punk? Liebenswerte Nervensäge? Unbedingt all das! Und noch so etliches mehr. Gestalt nahm der freche Kobold bei seiner „Mama” Elisabeth „Ellis” Kaut erstmalig vor mehr als einem halben Jahrhundert an: Es war bei einem Winterspaziergang um 1960 herum, als die kleine, zierliche Ellis ihren Ehemann, den Schriftsteller Kurt Preis, gehörig mit Schnee zupulverte. Der Legende nach nahm der den „Angriff” spielerisch auf und meinte liebevoll zu seiner Frau: „Du bist mir schon ein rechter Pumuckl.” So könnte man den Autor Preis, den Ellis Kaut bereits mit 19 Jahren geheiratet hatte, als Namens patron des Klabauters sehen. Bald nach der Schnee-Attacke auf den Gatten machte sich die am 17. November 1920 in Stuttgart Geborene jedenfalls daran, dem Frechdachs mit der wirren AntiFrisur in ihren Gehirnwindungen Kontur zu verleihen – und bereits 1962 wurde er dann „entbunden” und auf die Öffentlichkeit losgelassen, zunächst in Form kleiner Hörspiele für den Bayerischen Rundfunk. Von Beginn an lieh dem unangepassten kleinen Individualisten Sprecher Hans Clarin mit seinem unnachahmlich schrillen Organ seine Stimme. Seite
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Ab 1965 konnte man die Abenteuer des Kobolds, die hauptsächlich in der Münchner Werkstatt des etwas bräsigen, aber herzensguten Tischlermeisters Eder spielen, in welcher der Pumuckl sich – für niemand außer für Eder sichtbar – einnistete, um allerlei Schabernack anzustellen, zudem auch nachlesen. In jenem Jahr kam es gleich zu einer ganzen ersten Buchreihe über den krächzenden Wirbelwind. Die aufziehende 68er-Revolte war in diesem total antiautoritären Kobold-Anarchisten mit seiner liebevollen Gegnerschaft zum Eder’schen Spießbürgertum bereits angelegt. Pumuckl kreischte seine Devise lauthals in die Welt: „Es lebten die Klabauter, mal leiser und mal lauter. Und lebt ein Lauter leiser, dann ist er sicher h eiser. Doch lebt ein Leiser laut, wenn er auf die Büchsen haut.” Was soll das, bitte schön, denn sein, wenn nicht die Ur-Form von Punk bzw. Heavy Metal?! Denn der Pumuckl gibt sich immer gern mal dem Exzess hin: Er betrinkt sich mit Kirschlikör, stopft Schlagrahm bis zum Erbrechen in sich hinein und geht auf wilde Abenteuerfahrt mit einer Gummi-Ente. Der Pumuckl steht für Nonkonformismus bis ins Detail! Pudding etwa mampft er nur, wenn dieser klumpig und leicht angebrannt ist ... Dass der Pumuckl nicht nur ihr geistiges Kind ist, sondern sie mit dem Kerlchen durchaus eine Seelenverwandtschaft verbindet, hat die Reporterin, Autorin
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(sowie Schauspielerin, Fotografin, Bildhauerin und Malerin!) Ellis Kaut immer mal wieder in Interviews betont: „Ich bin auch klein. Und frech bin ich sowieso”, erklärte sie dann lachend. Auf der anderen Seite gab sie jedoch auch zu, dass sie sich, ähnlich wie Meister Eder, von dem Quälgeist – heutzutage beinahe auf der ganzen Welt ein Begriff, selbst im fernen China – unterdrückt fühle. Wobei sie natürlich wusste, was sie an dem Burschen hatte. Doch dass man ihr Werk auf den Klabauter allein reduzierte, stieß ihr ab und an sauer auf: „Die einseitige Sicht auf den Pumuckl hat mich zwar nicht unbedingt geärgert”, verriet die am 24.9.2015 nahe München Verstorbene der Münchner „Abendzeitung" einst, „aber ich finde sie ungerecht. Einige andere Sachen, die ich ins Leben gerufen habe, sind bestimmt genauso gut und ähnlich fantasievoll. Doch das dringt kaum durch, deshalb fühle ich mich zum Protest aufgerufen: Ich bin doch nicht nur der Pumuckl!” In der Tat nicht: Auch die Geschichten vom „Kater Musch” oder über „Uli den Fehlerteufel” waren leidliche Erfolge. Aber der Pumuckl ist nun mal in mehr als 100 Geschichten verewigt – in Buchform, als Hörspiel oder als TV-Serie mit dem Vollblut-Bayern Gustl Bayrhammer, der grandios den Schreinermeister Eder im Münchner Stadtteil Lehel mimt. Obwohl eigentlich Malerin, verlieh Ellis Kaut ihrem Kobold übrigens nicht selbst optisch Gestalt, als die ersten „Pumuckl”-Bücher und Schallplatten mit dem Kobold-Konterfei erschienen.
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Stattdessen gewann die Grafikerin Barbara von Johnson mit ihrem Entwurf den Wettbewerb, dem Frechdachs Gesicht und Gestalt zu verleihen. 33 Cover und zehn Bücher entstanden dann zwischen 1963 und 1978. Kaut und die rund 20 Jahre jüngere von Johnson wurden bald Freundinnen – bis sie sich juristisch ineinander verkeilten, wegen Streitigkeiten, was die Rechte am Kobold angeht. Das liebe Geld mal wieder. Jahre später zog aber zum Glück wieder der Geist der Versöhnung ein, und die beiden Frauen beendeten ihren Kleinkrieg. Ganz so hätte es sich auch das Objekt des Streits gewünscht. Der Pumuckl hatte nicht umsonst einmal erklärt: „Es ist nicht Kobolds-Art, mit anderen Kobolden zu streiten. Das ist mehr Heinzelmännchen- und Gartenzwerg-Art. Ich bin der Pumuckl, kein Gespenst, sondern mit ganz eigenem Leben.” Mehr ist dem nicht hinzuzufügen! Michael Fuchs-Gamböck GoodTimes
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Brigitte Bardot
einwandstar, Sexsymbol, Idol, die am meisten fotografierte Schauspielerin ihrer Epoche und die Frau, die anscheinend jedem Mann den Kopf verdrehte – all diese Attribute werden der Bardot zugeschrieben. Nicht nur John Lennon hatte in frühen Jahren ein Poster von ihr in seinem Zimmer hängen, so gut wie die gesamte Männerwelt ergötzte sich an ihrem verführerischanrüchigen und skandalösen Image. Die B.B., wie man sie schnell nannte, wurde zu einem kulturellen Phänomen, obwohl die Frage nach mehr als drei ihrer Filme meist mit einem Achselzucken beantwortet wird.
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ie Bardot schrieb in ihren Memoiren: „Die öffentliche Meinung, die mit Vorliebe einen Aspekt meines Lebens herausstellte, stilisierte mich zum Sexsymbol, das laufend Männer vernascht, zur Raubkatze, die nach Fleisch und Schandtaten giert, zum Schrecken aller Ehefrauen." Als Brigitte Anne-Marie Bardot am 28. September 1934 mit einem Gewicht von sieben Pfund in Paris das Licht der Welt erblickte, schien ihr allerdings ein anderer Lebensweg vorgezeichnet zu sein. Ihr Vater Louis Bardot führte eine kleine Firma zur Produktion und Abfüllung verschiedener Gase, und ihre Mutter AnneMarie Bardot, geborene Mucel, gehörte noch zu den Frauen der älteren Generation, bei denen Pünktlichkeit, Sittlichkeit und Disziplin großgeschrieben wurden. Die Familie römischkatholischer Konfession ließ sich dem gehobenen Mittelstand zuordnen und wohnte im achten Arrondissement der Metropole, allgemein ein Refugium der damaligen Bourgeoisie. Obwohl man einen gewissen Standesdünkel vermuten konnte, unterschieden sich die Bardots durch eine humorvolle Lebensperspektive von anderen Familien. Ihr Vater wurde mit dem Spitznamen „Pilou" gerufen, die Mutter mit „Toty", die am 5. Mai 1938 geborene Schwester Marie-Jeanne „Mijanou" und Brigitte „Bri-Bri". Die künftige „Versuchung Europas" wuchs, allzeit beschützt von einem englischen Kindermädchen, wohlbehütet auf. Auch die Wirren des Zweiten Weltkriegs wirkten sich nicht negativ aus, da die Familie so gut wie keinen Kontakt zu den deutschen
ls Mama Bardot nach einer Modenschau mit dem Gedanken spielte, ihre Tochter könne doch eine Karriere als Mannequin anstreben – zum Ärgernis ihres Mannes –, kam es zu einer schicksalhaften Wendung: Madame Lazareff, Herausgeberin der bedeutendsten Frauenzeitschrift Frankreichs, der „Elle", empfand den Liebreiz von Brigitte als so überzeugend, dass sie sie für die Titelseite ablichten lassen wollte. Nach einigem Zögern der Eltern erschien am 2. Mai 1949 die Ausgabe mit ihr auf dem Cover – noch unschuldig wirkend, mehr eine Kindfrau als die spätere Sexbombe, aber doch schon auf eine geheimnisvolle Art anziehend. Es war der erste Schritt in einer Karriere, die aus einem Pariser Mädchen eine weltweite Ikone machen sollte. Ganz im Gegensatz zur landläufigen Meinung war es im Übrigen nicht ihr späterer Ehemann Roger Vadim, der sie entdeckte, sondern dessen Chef, der Drehbuchautor und Filmemacher Marc Allégret, ein Neffe des legendären Autors André Gide. Er beauftragte Vadim, die damals noch brünette Bardot „an Land zu ziehen". Sie repräsentierte für ihn das „junge Mädchen von heute" und stand darüber hinaus aufgrund ihrer Initialen „B.B." in einer Reihe mit Schauspielerinnen, die er berühmt gemacht hatte, wie Michèle Morgan (M.M.) und Simone Simon (S.S.). Vadim hatte geglaubt, ein einfaches Mädchen von der Straße vorzufinden, und war erstaunt, dass sie einer höheren Schicht angehörte. Die Eltern zeigten sich dann nach einigem Zögern gewillt, der Tochter einen Versuch im Filmgeschäft
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Besatzern unterhielt. Brigitte nahm schon im zarten Alter von sechs Jahren Tanz- und Ballettunterricht, pflegte diese Leidenschaft auch noch während ihrer Schulzeit an einem Privatinstitut und wurde mit 13 Jahren am renommierten Conservatoire Nationale de Danse aufgenommen. Kommentatoren der späteren Bardot schrieben ihre eleganten Bewegungen, die anmutig laszive Gangart und die Körperbeherrschung dieser Ausbildung zu.
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Ein Leben zwischen den Welten
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zu gestatten – der jedoch gründlich misslang: Das Vorspielen für „Les lauriers sont coupés" endete mit einer Absage.
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och die Begegnung mit Roger Vadim, der Jahre später den Kultfilm „Barbarella" (1968) mit seiner damaligen Frau Jane Fonda in der Hauptrolle abkurbeln sollte, hatte Brigitte entflammt. Es war nicht nur die harmlose Schwärmerei eines Teenagers für einen Mann, nein, Vadim symbolisierte die neue Bohème, die Existenzialisten, die Menschen, die aufbrachen, um Ausdrucksformen für die aufblühende Jugendkultur zu erforschen. Natürlich wehrten sich ihre Eltern
zeigte sich entsetzt, das Filmpublikum aufgrund der unverkennbaren erotischen Ausstrahlung fasziniert. Allerdings waren die Kritiker nicht begeis tert. Paul Reboux verfasste im Herbst einen Artikel mit der boshaften Bemerkung: „Sie (Brigitte) ist nicht hübsch. Ihre Unterlippe ist zu dick. Sie hat keine schönen Augen und das Gesicht eines Dienstmädchens." Auch Raymond Cartier schrieb in der „Paris Match" eine niederschmetternde Kritik: „Ihr Spiel ist schlecht, die Diktion kläglich, die Rolle beklagenswert und ihre Schönheit nicht der Rede wert." Brigitte fühlte sich wie am Boden zerstört, doch Vadim bestärkte sie: „Du wirst eines Tages der unerfüllbare Traum eines jeden verheirateten Mannes sein."
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gegen den nicht standesgemäßen „Revoluzzer" und untersagten der Tochter jeglichen Kontakt. Sie erkannte für sich nur einen Ausweg aus der scheinbar unlösbaren Lage – Selbstmord. Als die Eltern eines Abends von einem Stadtausflug zurückkamen, fanden sie ihre Tochter regungslos in der Küche liegend, neben ihr ein Abschiedsbrief. Brigitte hatte den Gashahn des Herds geöffnet und sich zum Sterben hingelegt. Glücklicherweise konnte ein schleunigst herbeigerufener Arzt ihr Leben retten, woraufhin „Pilou" und „Toty" einer Ehe zustimmten, die im Dezember 1952 geschlossen wurde.
ach einer kleinen Gastrolle in „Von Sensationen gehetzt" brach das Jahr 1953 an, in dem sich ihr Schicksal erneut wandelte. Bardot hatte eine winzige Rolle in „Ein Akt der Liebe" gespielt, einem Kriegsdrama, das besonders durch die schauspielerischen Leistungen des damals allseits vergötterten Kirk Douglas überzeugte. Vadim traf Vorkehrungen, dass sie eine Einladung zum Filmfestival in Cannes erhielt. Bei einer Party auf einem dort vor Anker liegenden Flugzeugträger stellte der Kapitän sie den Matrosen mit dem einfachen Satz vor: „That’s Brigitte!!!" Sie hob die Arme und rief: „Hello, men!" Überraschend skandierten die Männer daraufhin lauthals und euphorisch „Brid-Get! Brid-Get! Brid-Get!" Niemand konnte sich die frenetische Begeisterung erklären, doch von dem Moment an interessierten sich die Fotografen nur noch für die rätselhafte Unbekannte. Vergessen war Douglas nebst Entourage, ein Blitzlichtgewitter ging auf sie hernieder, und sie erstrahlte im gleißenden Licht der Kameras. Am nächsten Tag druckten die Zeitungen weltweit Fotos von der mysteriösen Schönen. Ein Star war geboren.
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adim, der bei Partys gerne anzügliche Fotos von Brigitte herumzeigte – mit der Bemerkung, er habe zu Hause noch weitaus aufreizendere – riet ihr: „Du musst weiter an dir arbeiten. Du hattest bislang ein wenig Erfolg, weil du einen herrlichen Körper hast ... Aber du bist mehr als nur das. Werde dir deiner selbst bewusst, arbeite hart und lerne, deinen Körper zu deinem Vorteil zu nutzen." Nach Filmen wie „Versailles – Könige und Frauen" (1953/1954), „Die schöne Helena" (1954) – während der Dreharbeiten lernte sie die zukünftige James-Bond-Nymphe Ursula Andress kennen – und „Reif auf jungen Blüten" (1955) stand mit „Doktor Ahoi!" (1955) eine britische Produktion an. Die harmlose Nacktszene, bei der Brigitte durch einen Duschvorhang größtenteils verdeckt ist, stellte damals einen Tabubruch dar. Regisseur Ralph Thomas erinnert sich: „Wenn man zu jener Zeit eine Nacktszene im Studio drehen wollte, musste man den Drehort erst einmal von allem, was männlich war, säubern. Nur eine kleine Crew durfte anwesend sein, und die bestand dann aus lauter alten Knackern, die entweder impotent, schwul, blind oder hochbetagt waren. Dann musste man dem Kostümbildner Anweisungen geben, die Brustwarzen der Darstellerin
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adim hatte allerdings schon zuvor die Weichen für ein glückliches und besonders erfolgreiches Leben gestellt, indem er Brigitte Schauspielunterricht bei René Simon nehmen ließ. Durch einen Freund des Vaters ergatterte das damals noch nicht wasserstoffblonde Mädchen 1952 eine kleine Rolle in dem Film „Le trou normand", in dem sie ein Mädchen vom Lande spielt, das letztendlich sein Glück in der Stadt sucht. Ihrer Laufbahn weitaus dienlicher war der zweite Film, „Sommernächte mit Manina" aus demselben Jahr. Der Streifen thematisiert die Suche nach dem Schatz eines untergegangenen phönizischen Schiffes, bei dem Bardot in einem für die damaligen Zeiten sehr knappen Bikini auftrat. Papa Bardot Foto: Bildarchiv Hallhuber GoodTimes
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mit dem Schauspieler Jean-Louis Trintignant ein. Damit setzte das sich wiederholende Muster „Ehe – Scheidung – Affären" ein, das sie für die Boulevardpresse noch interessanter machte, da B.B. sich meist auf Liebschaften mit bekannten Persönlichkeiten wie dem Chansonnier Sacha Distel einließ.
mit Heftpflaster zu verdecken [und] die Schamhaare mit Gaze zu verhüllen ..." Wie so häufig wirkte die angedeutete Nacktheit weitaus anregender als die komplette Enthüllung.
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u der Zeit zeigten sich die ersten Risse in der Ehe von Bardot und Vadim, doch ihr Förderer wollte sich nicht trennen – durchaus nicht uneigennützig: „All die vielen Vorbereitungen, die Bemühungen um eine große Leinwandkarriere, jeder Verzicht, jedes Opfer wären verschwendet gewesen."
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m seine Frau noch besser zu vermarkten, verfasste Vadim zuerst das Drehbuch zu der leichtgewichtigen Komödie „Pariser Luft" (1956) und ließ seine Noch-Ehefrau in der italienischen Produktion „Neros tolle Nächte" (1956) auftreten, wo sie eine angedeutete Nacktszene in einem Bad spielen sollte. Statt wie geplant in ein Gemisch aus Kreide und Waschmittel zu gleiten, reagierte Bardot zickig und bestand auf historischer Exaktheit: Die armen Requisiteure besorgten als Ersatz Kuhmilch, die aber nicht haltbar war, woraufhin man 400 Liter Eselsmilch auftreiben musste – ein gefundenes Fressen für die Presse, die nur allzu gerne und sensationsheischend von den Extravaganzen der neuen Diva berichtete. Beim nächsten Film brachte die Bardot die Schreibmaschinen der Reporter zum Glühen. In „Das Gänseblümchen wird entblättert" (1956) setzt sie während einer Szene ihre Tanzkünste ein und liefert einen schweißtreibenden Striptease ab, bei dem allerdings mehr verhüllt als gezeigt wird. Dennoch wirkte das auf die Männerwelt wie ein Blutdrucktreiber, der ihrer Karriere nur förderlich war.
ei den folgenden Filmen schossen ihre Gagen in die Höhe, woraufhin Brigitte in St. Tropez das am Strand gelegene Haus La Madrague erwarb und es als Sommerresidenz und Refugium nutzte. Hatte sie ihr Glück gefunden? Es ist schwierig, die wahre Bardot hinter dem von den Medien kreierten Image zu entdecken, die sie als in der High Society angekommenen Star feierten, als atemberaubendes Phänomen. Ein Zitat aus ihrer Biografie erklärt ihren späteren Rückzug und den damit einhergehenden, von außen eher unerklärlichen Wandel: „Mein Leben lang habe ich vor allem nach der Einfachheit gestrebt. Stets habe ich die Gesellschaft einfacher Menschen jener der unerträglichen Snobs und der Leute von Welt vorgezogen. Immer war mir eine natürliche, warme Umgebung lieber als der kalte und überflüssige Luxus, mit dem man mich während meiner Reisen und Filmaufnahmen überhäufte, in dem Glauben, mir damit Freude zu bereiten."
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ach ihr Image untermauernden Filmen wie „Ein Weib wie der Satan" (1958) oder „Wollen Sie mit mir tanzen?" (1959) legte Brigitte eine kurze Babypause ein. Der gemeinsame Sohn mit Jacques Charrier (Ehemann Nummer 2) kam am 11. Januar 1960 zur Welt, wuchs aber nach der Scheidung 1962 bei der Charrier-Familie auf und pflegte erst als Erwachsener einen engeren Kontakt zur Mutter. In dem Jahr versuchte sich Bardot auch mit dem Gerichtsdrama ahlreiche – aus heutiger Sicht nicht „Die Wahrheit" als ernsthafte Schauspielerin nachvollziehbare – Skandale prägten durchzusetzen und sich von ihrem Image zu das Nachkriegskino. In Deutschland sorgte lösen, doch das gelang erst – wenn auch etwa „Die Sünderin" (1951) mit Hildegard nur rudimentär – durch die Arbeit mit JeanKnef und Gustav Fröhlich für einen Luc Godard. Godard stand für die Nouvelle Aufschrei, und das wegen eines harmloVague, eine „neue Welle" von Kreativen, zu sen „Busenblitzers". In Frankreich bereitete denen auch François Truffaut und Claude ein zufälliges Treffen von Vadim mit dem Chabrol zählten, die den französischen Film abenteuerlustigen Regisseur Raoul J. Lévy durch frische Ideen erneuern wollten. Mit den nächsten cineastischen Aufreger vor. Es Tanzunterricht lohnt sich! „Die Verachtung" (1963) an der Seite von sollte B.Bs 17. Film und der große, endgülMichel Piccoli gelang ihr ein Achtungserfolg. Doch ihre Popularität tige Durchbruch sein. Der in Deutschland durch „Und immer lockt war zugleich Fluch und Segen. Als sie 1963 die Dreharbeiten zu „Die das Weib" abgemilderte französische Originaltitel „Et Dieu … créa la Verführerin" an der Seite des „Psycho"-Darstellers Anthony Perkins femme" (1956) war allein schon seitens des Klerus eine Provokation, aufnahm, mussten die Außenaufnahmen von London nach Paris denn schließlich erschuf Gott zuerst den Mann und nicht das Weib! verlegt werden – wo man eine Londoner Straße nachstellte –, da Basta! Oder nicht? Für den in dem damals kaum bekannten Städtchen der Reporteransturm und die Massenhysterie in Großbritannien die St. Tropez gedrehten Streifen konnten die Macher den Superstar Arbeiten unmöglich machten. Curd Jürgens verpflichten, der allein schon für internationales Flair sorgte. Er spielte die Rolle des zwielichtigen älteren Gentleman, der wie alle Männer den Reizen Juliettes (B.B.) verfallen ist. Es entsteht s waren jedoch nicht nur die Filme und der Lifestyle, die für ein komplexes Beziehungsgeflecht, das hochdramatisch endet, wobei B.B.s Popularität sorgten, sondern auch ihre Werke als Sängerin. eine Passage besonders hervorsticht, in der Juliette betrunken in Zahlreiche Singles und Alben manifestierten ihre Popularität, wie zum einer Bar einen sehr erotischen Mambo tanzt. Die gewagten Szenen, Beispiel der bekannte Hit "Harley Davidson". Ein Titel wurde aber aber auch die emotionalen Facetten von Brigitte, die alle Seiten ihres auf ihr Bestreben hin zurückgezogen! Zusammen mit ihrem ehemaerotischen Repertoires ausspielt, sorgten für Furore. Nun hatte die ligen Liebhaber, dem Enfant terrible Serge Gainsbourg, nahm sie im ihre Haare mittlerweile blond färbende Bardot ihr Image als Femme Mai 1967 die Wollust-Single "Je t’aime ... moi non plus" auf, deren fatale etabliert – auch in der Realität, denn sie ging eine Beziehung Veröffentlichung für den Dezember geplant war. Kurz vor Erscheinen
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B.B. auch während ihrer Ehe regelmäßig vor der Kamera stand, knüpfte sie nahtlos an ihre bisherigen Erfolge an. Nach dem noch erfolgreichen „Oh, diese Frauen" (1969) und dem skandalträchtigen „Die Novizinnen" (1970) mit Annie Girardot verblasste aber ihr Stern: Die Siebziger begannen, und eine mittlerweile 36-jährige Schauspielerin – deren Popularität in engem Zusammenhang mit den körperlichen Reizen stand – musste neuen Schönheitsidealen weichen. Es folgten der Weichspül-Western „PetroleumMiezen" (1971) mit Claudia Cardinale als Gegenspielerin, „Don Juan 73", bei dem man sie mit Jane Birkin im Bett erleben kann, und der letzte Film „L’Histoire très bonne et très joyeuse de Colinot TrousseChemise" (1973).
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bat sie Gainsbourg allerdings darum, die Single zurückzuziehen, woraufhin er 40.000 bereits gepresste Exemplare einschmelzen ließ. Bardot befürchtete eine negative Reaktion ihres damaligen Ehemanns Gunter Sachs. Letztendlich kam die Nummer 1969 auf den Markt, diesmal mit der Duettpartnerin Jane Birkin – und wurde ein europaweiter Hit. Die Originalfassung mit Bardot ist seit 1986 verfügbar.
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och zurück zu Gunter Sachs. Der deutsche Millionenerbe galt als Paradebeispiel des Playboys und bezirzte Brigitte nach allen Regeln der Verführungskunst, woraufhin die beiden 1966 heirateten (natürlich in Las Vegas), ein Jahr nach ihrem, der landläufigen Meinung nach, besten Film „Viva Maria". Sie machte die Bekanntschaft von Präsidenten, Königinnen, Künstlern, Schriftstellern, Malern, aber vor allem lernte sie die Schönen und Reichen kennen, die von der Partyhochburg St. Tropez aus zum Frühstück in die USA jetteten, in der Schweiz Ski fuhren oder mal eben in die Karibik flogen, um ein Sonnenbad zu nehmen. Millionen Zeitungs- und Magazinleser verfolgten ihre Eskapaden, doch für Bardot verlor das Leben des Jet Sets schnell seinen Reiz, besonders als sie die sinnentleerte Existenz zunehmend realisierte. 1969 ließ sie sich von Sachs scheiden. Da Jet Set der Sechziger: Gunter Sachs und Brigitte Bardot
n der letzten Szene sieht man sie mit einer Taube auf der Hand, der sie ein liebevolles Lächeln zuwirft, was in Anbetracht ihres künftigen Engagements für den Tierschutz symbolischen Charakter hat. Sie schreibt in ihren Memoiren die Schlussbemerkung: „Und nun war ich bereit, endgültig bereit, mich meiner neuen Lebensaufgabe zu stellen, indem ich zugunsten der Tiere meine Person und meinen Ruhm hinten anstellte. Mich in den Dienst ihres Überlebens zu stellen. Mich selbst völlig vergaß, um nur noch an sie zu denken. Indem ich eintrat in den Orden der Tiere." Sie beendete ihre Karriere 1973.
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on nun an sah man häufig Fotos von Brigitte Bardot, zurückgezogen mit ihren Hunden und Katzen auf ihrem Anwesen in St. Tropez, ein Robbenbaby in den Armen haltend, oder als Aktivistin bei Demonstrationen für den Tierschutz. Gelegentlich gab sie noch Interviews und machte Werbung, doch nur um ihre Projekte zu finanzieren. Dabei half ihr natürlich der hohe Bekanntheitsgrad, wodurch sie auch auf internationaler Ebene Gehör fand. 1992 heiratete B.B. Bernard d’Ormale, ein führendes Mitglied des extrem rechten Front National. Seit dieser Zeit verwirrt die Bardot viele ihrer Anhänger mit fremdenfeindlichen Hasstiraden, womit sie sich einige Prozesse einhandelte. Auch ließ sie sich auf Demonstrationen gegen die Homo-Ehe sehen, was irritiert, hatte sie doch selbst die sexuelle Revolution – die auch gleichgeschlechtliche Beziehungen einschloss – erlebt und die individuellen Entfaltungsmöglichkeiten für eine Frau genossen.
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as bleibt, ist nicht nur eines der bedeutendsten Images der Popkultur, sondern auch die Erinnerung an die Ära der Emanzipation der Frau. Nicht nur die Feministin Simone de Beauvoir zollte ihr Tribut, auch Frauen in aller Welt können sich aufgrund der vorgelebten Befreiung aus gesellschaftlichen Zwängen deutlich mutiger und offensiver geben als früher, als Männer so gut wie alle Lebensbereiche kontrollierten.
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or allem wirken aber ihre Bilder aus den wilden 60er Jahren weiter – einer Zeit, in der der Aufbruch zu neuen Horizonten nichts Außergewöhnliches darstellte, sondern zum täglichen Leben gehörte. Alan Tepper GoodTimes
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Von jetzt an immer chic frisiert ! Eine modische Frisur – in den 60er Jahren ein haarsträubend aufwändiges Unterfangen und zumindest für Frauen eine Wissenschaft für sich! Die Haare rückten damals schon allein deshalb in den Fokus, weil Hüte bei beiden Geschlechtern allmählich aus der Mode kamen. Als Gründe vermutet die Modehistorikerin Ingrid Loscheck die starke Verbreitung des Autos, in dem Hüte eher stören, und den Trend zu einem sportlich-ungezwungenen Lebensstil.
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ls erster US-Präsident schwor der jung-dynamische John F. Kennedy 1961 barhäuptig den Amtseid. Seine Gattin Jackie brachte derweil den kleinen, auf dem Hinterkopf befes tigten Pillbox-Hut in Mode, da sie nicht ganz auf die Kopfbedeckung verzichten, aber das Gesicht freihaben wollte. Eben jene Jackie Kennedy avancierte in den Sixties zum modischen Vorbild erwachsener Damen weltweit. Ihr „Bouffant", eine Volumenfrisur, die mit Lockenwicklern erzeugt, dann toupiert und schließlich locker frisiert wurde, war in den USA schon in den 50er Jahren entstanden, um die weit ausladenden Petticoats optisch auszubalancieren. Modejournalisten und Friseure zweifelten damals, ob der aufgeplusterte Look („bouffant" heißt wörtlich übersetzt „ausgebeult") von Dauer sei, zumal das Toupieren auch für die Haare eine ziemliche Strapaze bedeutete. Ungeachtet dessen war die Frisur eine der populärsten der Epoche, und keine Frau, die als Seite
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chic gelten wollte, kam in den nächsten zehn Jahren um Lockenwickler, Toupierbürste, Trockenhaube und dosenweise Haarspray herum. Gewaschen wurden die Haare nur rund alle zwei Wochen. Einerseits, weil in der einschlägigen Literatur die Auffassung vertreten wurde, häufigeres Waschen sei schädlich (stattdessen empfahl man die obligatorischen 100 Bürstenstriche am Tag). Andererseits, weil mit dem Legen der Frisur eine Menge Arbeit verbunden war. Wer diese Prozedur nicht alle zwei Wochen vom Friseur durchführen lassen konnte, musste selbst Hand anlegen, notfalls mit Hilfe von Nachbarin oder Tante. Gerade in ländlicheren Gebieten kam es zu höchst intimen Treffen, bei denen reihum Haare gewickelt und alle Neuigkeiten durchgehechelt wurden, die dann am nächsten Tag die Runde durchs Dorf machten. „Mädchen, mach dir Locken, dann bleibst du auch nicht hocken", hieß es, aber wilde Locken durften es auf keinen Fall sein. Der Sinn der aufgedrehten Haare war
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Frisur mit Haarteil oder Perücke vielmehr die Ordnung auf dem Kopf. In einer aufbesserte und über die Hälfte stets gleichen Reihenfolge nach festgelegaller deutschen Männer das „recht tem Schema wurden die Wickler festgezurrt. hübsch" fand. Als im selben Jahr das Danach ging es unter die Trockenhaube. Musical „Hair" auf deutsche Bühnen Die Journalistin Karin Michaeli erinnert sich: kam, kommentierte der „Spiegel": „Ein ordentlicher Kopf mit fest sitzenden „Die Blumenkinder schocken spät und Locken, gestärkt mit Taft, war das Ergebnis. rocken Modetore ein, die nicht nur in Das konnte kein Windsturm zerstören." München offenstehen. In der Altersklasse Anleitung für die Verschönerung im eigezwischen 30 bis 44 nennt noch jede nen Heim bot seit April 1967 das Fernsehen. Fünfte und zwischen 45 bis 59 fast jede An einem Donnerstag, Siebente Fremdhaar ihr eigen. Erst dann kurz vor halb lässt dieser Modetrend nach. Nur noch acht, öffnete jede 16. Matrone schmückt sich mit Locken aus dem Laden." mit dem „Gard-Haarstudio" der bald Perücken und Haarteile aus echtem Haar waren teuer; die Haare bekannteste deutsche Friseursalon seine stammten damals meist aus Balkanländern, wo Aufkäufer angestrengt Pforten. Erfinder der Werbekampagne nach bezopften Mädchen Ausschau hielten. In einem Schönheitsratgeber war die Düsseldorfer Agentur Dr. von 1972 liest man: „Die Krone der Perücken schluckt ein üppiges Hegemann, der wir so denkwürdige Monatsgehalt, und wenn man sie in Blond und lang haben möchWerbefiguren wie Frau Antje mit echte, muss man auch lange Wartezeiten in Kauf nehmen." Zudem war tem Käse aus Holland verdanken. Bis die Pflege aufwendig: „Echtes Haar gehört über Nacht auf einen zu 17 neue Folgen wurden pro Jahr Kunststoff- oder Schaumstoffkopf, sonst verliert produziert, in die Perücke ihre Form. Wenn man reist, braucht denen es um Jackie man einen Perückenkoffer." Als preisgünstige die grundlegenKennedy und pflegeleichte Alternativen boten sich bald den Probleme des Perücken aus Kunsthaar an, die in der ersten Waschens, Festigens Hälfte der 70er Jahre einen regelrechten Boom und Frisierens ging. „Ulla findet Festiger völerlebten. Kanekalon, Modacryl und Fancykalon lig überflüssig, weil sie das Haar nur splissig hießen fortan die Zauberwörter. „Wenn man machen. Ulla kennt die neuen Gard-Kurfestiger sich eine Perücke aus modischen Gründen nicht. ... Kommen Sie ... Petra probiert gerade kauft, wird man diese Art wählen; sie ist sehr einen aus ... Sie wissen es, meine Damen, am leicht und lässt sich zusammenknüllen und in besten pflegt man das Haar mit dem Garddie Handtasche stopfen, ohne dass es ihrem System." guten Sitz schadet." Waschen im Wollgang der Als Zwischenlösung bis zum nächsten Waschmaschine, trocknen auf der Leine neben Frisiertermin erfreute sich Trocken-Shampoo den Socken, alles kein Problem. Schon Teenager großer Beliebtheit. Bereits 1911 hatte Hans griffen zu falschen Zöpfen. Unter dem Motto Schwarzkopf seinem Unternehmen die Rechte „Du bist schöner, als du glaubst!" wurde zum an einer Erfindung gesichert, die nun unter Beispiel in der „Bravo" 1968 ein eher burschidem Produktnamen „Frottee" Furore machte. kos wirkendes Mädchen damit Das Prinzip war einfach: Ein Puder wurde mögumgestylt: „Wir kauften lichst gleichmäßig auf dem Kopf verstreut, nach für Jutta ein Haarteil, kurzer Einwirkzeit mit den Händen gut „durchdas sie sich selbst leicht frottiert" und schließlich samt Fett und Schmutz einfrisieren kann. Am ausgebürstet. Alternativ konnte man sich mit Abend steckt sich „Polyset Schnellfrisur" zwischendurch ganz flott Jutta ihre ‚Locken' eine neue Frisur machen, ganz ohne Wasser, mit ein paar Nadeln ohne Haube und ohne Fön. Eine Erfindung der am Hinterkopf fest und verwandelt sich im Nu DDR war die Methode Betonfrisur: Das VEB Zitza-Werk Zeitz stellte mit in eine romantische 17-Jährige." „hair-sitt" einen Dauerfestiger her, welcher der Frisur für ganze sechs Zweitfrisuren waren vor allem über Tage tadellosen Sitz verleihen sollte. den Versandhandel erhältlich; Quelle Derweil war die Allzweckwaffe für den Bad-Hair-Day schon auf dem und Neckermann hatten Modelle in allen Vormarsch: Längst hatte sich herumgesprochen, dass First Lady Jackie, Farrah Fawcett Preiskategorien im Angebot. Als die Zeitschrift als sie im Februar 1962 mehr als fünf Millionen Fernsehzuschauern das „Burda-Moden" im März 1971 eine Kurzhaar-Frisur mit Weiße Haus von innen zeigte, eine Perücke trug. Zwischen all den kunstabtrennbarem Nackenteil für den Kampfpreis von 65 DM anbot, war die voll arrangierten Volumenfrisuren fiel gefaktes Haar kaum auf. Selbst Nachfrage so groß, dass die Aktion mehrere Monate verlängert werden Experten konnten nicht genau sagen, ob eine Frau ihr musste. 1973 schließlich startete Ulrich Degenhardt, eigenes Haar oder eine Zweitfrisur trug. Mitte der ein findiger Friseurmeister aus Darmstadt, den 60er Jahre wurde dies sogar in der WDR-Sendung Versandhandel mit Lofties Zweitfrisuren, einer „Magazin für die Frau" vor laufender Kamera der wenigen Firmen, die (unter dem Namen unter Beweis gestellt. Fazit des Moderators: Lofty) bis heute existiert. „Immer mehr Frauen werden sich eine Perücke Den „Frisuren-Stil der Saison" im Katalog zulegen. Sie werden die Sonntagsfrisur griffbereit aussuchen, bestellen und in aller Ruhe in der Schublade liegen haben. Kein geschäftlizu Hause ausprobieren, war die Devise, cher Termin, keine plötzliche Einladung, kein mit der auch andere Hersteller lockNieselregen kann sie dann noch aus der Ruhe ten. „Ihre Freunde, Verwandten und bringen." Bekannten werden diese Perücke Und so sollte es dann auch tatsächlich komnicht von echtem Haar unterscheimen. Schon 1969 stellte das Allensbacher Institut Seit Jackie Kennedy den falschen Wilhelm" " den. Bestellen Sie die Erfolgsfarbe! für Demoskopie in einer Umfrage fest, dass gesellschaftsfähig gemacht hatte, gehörten jede vierte Frau zwischen 16 und 29 ihre Haarteilkoffer und Perückenkopf zum Reisegepäck. Im Zweifelsfall schicken sie uns GoodTimes
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eine Haarsträhne!", empfahl 1971 der Hersteller der „Queen-Meisterperücken". Die Firma Fancy hair setzte hingegen auf Exklusivität: „Unsere
Elura-Modelle aus Modacrylfaser von Monsanto (die sich ganz individuell frisieren lässt) sind als Fancyhair-Elura-Modell oder Fair-ladyElura-Modell in Fachgeschäften zu kaufen." Diesen Satz muss man sich auf der Zunge zergehen lassen; selbst Loriot hätte es nicht trefflicher formulieren können. Auch im Kino waren weibliche Zweitfrisuren kein Tabu. In einer Szene des James-Bond-Films „Diamantenfieber" von 1971 wechselt Jill St. John als Tiffany Case innerhalb von wenigen Minuten Frisur und Haarfarbe, was Agent 007 wie folgt kommentiert: Bond: „Vorhin kamen Sie mir blond vor.” Tiffany: „Schon möglich.” Bond: „Ich achte auf solche Nebensächlichkeiten. Es interessiert mich, ob eine blond ist oder brünett.” Tiffany: „Und was bevorzugen Sie?” Bond: „Oh, wenn die Garderobe geschmackvoll gewählt ist ...” Auch Bond-Darsteller Sean Connery hatte man spätestens seit „Goldfinger" 1964 ein mehr oder weniger glaubwürdiges Toupet verpasst, um seine schwindende Haarpracht zu kaschieren. Bemerken sollte das selbstverständlich niemand. Denn während Frauen mit Zweitfrisuren und falschen Zöpfen experimentieren durften, blieb die Haartracht der Männer über weite Strecken Stiefkind der Mode. Bis weit in die 60er Jahre hatten die meisten Figaros für Männer gefühlte drei Schnittvarianten parat, die sich nicht sonderlich voneinander unterschieden. Die Seiten und der Nacken mussten kurz sein, längere Partien am Oberkopf präzise gescheitelt und mit BriskFrisiercreme an Ort und Stelle zementiert. Spätestens durch die Beatles und das Musical „Hair" breitete sich jedoch der Trend zu längeren, ungebändigten Haaren aus. Beklagenswerte Opfer der Langhaarwelle waren die Herrenfriseure. Nach Aufführungen des Musicals „Hair" in Wien 1970 verzeichneten sie Umsatzeinbußen von 60 Prozent, in deutschen Metropolen dürfte es nicht viel anders gewesen sein. Einige Wagemutige eröffneten Langhaarsalons für Männer und fuhren damit nicht schlecht. „Bald wird man von Lockenwicklern für harte Männer, von männlich herbem Haartaft und vom frischen Fön der Erfolgsgeneration hören", so damals die Prognose eines ORF-Fernsehreporters. Auch die Hersteller von Haarpflegeprodukten sprangen auf den Zug auf und präsentierten neu entwickelte oder zeitgemäß modifizierte Produkte. Mit der neuen BriskSeite
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Frisiercreme etwa sollten die Haare nun lässig in Form gehalten werden, „ohne Schwere, ohne Fettglanz, ohne Strähnen. Man trägt nicht mehr angeklatscht, Männer!" Ob Männer grundsätzlich lange Haare haben sollten oder nicht, darüber wurde bis in die 70er Jahre hinein viel und kontrovers diskutiert. In einem Punkt waren sich jedoch alle einig: Gepflegt und ordentlich musste es sein. Als goldenen Mittelweg zwischen Langhaarfrisur und militärischem Kurzschnitt empfahl 1973 die Firma Wella: „Am Oberkopf und an den Schläfen soll das Haar ganz locker und voll liegen, das Schläfenhaar wird dann in großzügigem Schwung nach rückwärts geführt. Die Partie vor den Ohren zeigt oft einen Backenbart. Er hört am Ende der seitlichen Kinnpartie auf und wirkt dann meist ‚gebändigt'." Wer wissen will, wie dieser Modetrend in geballter Form aussah, dem sei ein Blick auf Gruppenfotos von Fußballmannschaften Anfang der 70er Jahre empfohlen. Oder auf das Konterfei von Günter Netzer, der in den 70er Jahren mit seiner supercoolen Frisur mit tiefem Seitenscheitel Standards setzte und diese bis zum heutigen Tag fast unverändert beibehalten hat. Nicht vielen Männern waren über die Jugendzeit hinaus indes noch genug Haare für einen solchen Look vergönnt. Frisiersalons propagierten für die weniger Glücklichen eine „Stützwelle", der Schritt zur flächendeckenden Einführung der Dauerwelle war nicht mehr weit. Im Laufe der 70er Jahre zeichnete sich auch für Frauen ein Ende des TrockenhaubenTerrors ab. Spätestens nach Ausstrahlung der TV-Serie „Drei
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Engel für Charlie" wurden luftige Föhnfrisuren à la Farrah Fawcett modern. Der Look brauchte zwar immer noch Rundbürste, Fön, Haarspray und jede Menge Zeit, aber Wickler und Toupierkamm konnten nun getrost in die Abstellkammer wandern. Dort dürfte dann auch der überwiegende Teil der „Zweitfrisuren" verschwunden sein. Heute werden Perücken überwiegend von Frauen und Männern gekauft, die ihre eigenen Haare durch Krankheit oder eine Chemotherapie verloren haben. Falsches Haar trägt man aus Not und auf Rezept, nicht etwa aus Spaß, Zeitmangel oder Experimentierfreude. Eine Ausnahme bilden Perücken für Verkleidung und Cosplay, die in asiatischen Ländern billig hergestellt werden und sich auch hier zu Lande großer Beliebtheit erfreuen. Auf der CosplayConvention wie die Lieblings-AnimeFigur aussehen? Kein Problem, die passende Haartracht in Pink oder Hellblau kommt preisgünstig aus China. Das Angebot über Versandshops im Internet ist riesig und lässt keine Wünsche offen. Auch der 60er- und 70er-Jahre-Look lässt sich so auf unkomplizierte Weise nachstylen. Mit Popstar-Perücke „Björn" in Pilzkopf-Form sind Sie für das nächste Beatles-Event bestens gerüstet, und Modell „Retro Look Groovy Baby" macht den Jackie-Kennedy-Look perfekt. Mit Perücken wie diesen werden Sie auf der nächsten Feier garantiert Aufsehen erregen. Und spätestens am nächsten Morgen die verschwitzte Kopfhaut kratzen, unter die Dusche springen und genau wissen, warum die Zweitfrisuren vor 40 Jahren sang- und klanglos von der Bildfläche verschwanden … Susanne Buck 1/2017
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UNENDLICHE WEITEN Star Trek" fasziniert " Millionen Fans weltweit und feiert 2016 Jubiläum: Vor 50 Jahren lief im US-TV die erste Folge der Originalserie. kult! feiert mit und hält Rückschau auf ein halbes Jahrhundert Captain Kirk und Co. Von Thorsten Schatz
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er Weltraum – unendliche Weiten ..." So beginnt das deutsche Intro „ von 39 Folgen der zum „Raumschiff Enterprise" eingedeutschten „Star Trek"-Reihe, die das ZDF am 27. Mai 1972 mit der Ausstrahlung der Episode „Morgen ist gestern" startete. Wie erfolgreich „Star Trek" sich entwickeln würde, ahnte damals niemand, weder in Deutschland noch in den USA, wo die Enterprise beim Serienstart eine satte Bruchlandung hinlegte. Dort hatte US-Drehbuchautor Gene Roddenberry, inspiriert durch die TV-Western-Reihe „Wagon Train", die Romane um den Seehelden Horatio Hornblower und „Gullivers Reisen", Anfang der 1960er Jahre die Idee zu „Star Trek". Die gefiel dem Sender NBC, der „Star Trek" als TV-Serie startete: „The Man Trap" (deutscher Titel: „Das Letzte seiner Art") wurde am 8. September 1966 als erste Folge im US-Fernsehen ausgestrahlt. Die Einschaltquoten waren gut, gingen aber rasch in den Sinkflug, was sich bei Staffel zwei nicht besserte. NBC wollte die Serie einstellen, doch dagegen protestierte eine Captain Kirk und die Crew der Originalserie kleine Fanschar Seite
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mit 6000 Briefen, was den Sender veranlasste, eine dritte Staffel zu zeigen. Doch die lief ebenfalls nicht gut, und das bedeutete 1969 das Aus nach 79 Episoden. Die Paramount Studios kauften die „Star Trek"-Lizenz und verscherbelten die Serie an viele Sender zur Ausstrahlung. 1972 wiederholten 170 Sender weltweit „Star Trek" immer wieder – was eine internationale Fangemeinde hervorbrachte. Das aufgeflammte Interesse ließ Paramount dann eine „Star Trek"Zeichentrickserie („Star Trek: The Animated Series", 1973–1974) produzieren, die als „Die Enterprise" 1976, gekürzt und flapsig synchronisiert, im ZDF-Kinderfernsehen lief. Dann kam das Jahr 1977 und mit ihm der phänomenale KinoErfolg von „Star Wars". Der brachte Paramount darauf, mit der Enterprise einen ähnlichen Science-Fiction-Hit zu versuchen. Erst plante man eine „Star Trek"-Wiederauflage („Star Trek: Phase II"). Doch dann wurde die Enterprise 1979 in „Star Trek: The Motion Picture" (deutsch: „Star Trek – Der Film") mit den Originalschauspielern auf die Kinoleinwand geschickt. Der Film war ein internationaler Erfolg, dem zwölf weitere „Star Trek"-Kinohits folgten, der letzte davon „Star Trek Beyond" (2016). Sie spielten 1,94 Milliarden Euro ein, was „Star Trek" zu einer der populärsten Kinoreihen überhaupt machte.
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Flankiert wurde sie von erfolgreientwickelt werden, verstehen heutchen TV-Serien: „Star Trek: The Next zutage zwar Fragen nicht vollständig, Generation" (1987–1994), „Star Trek: aber sie reagieren auf Stichworte und Deep Space Nine" (1992–1999), „Star spucken dazu Informationen aus. Eine Trek: Voyager" (1995–2001) und „Star echte Unterhaltung ist tatsächlich noch Trek: Enterprise" (2001–2005). Im Mai Zukunftsmusik. Doch bei „Star Trek" 2017 kommt in den USA eine weitere tauchte die Idee zum ersten Mal in der Serie dazu: „Star Trek: Discovery". Filmgeschichte bereits in den 1960er Was das Publikum weltweit anzieht Jahren auf. und den Erfolg erklärt, sind die Das Handy zu fragen wird langsam Alltag, Vielschichtigkeit und Tiefe der „Star was mit Tablets bereits geschehen ist. Die zweite Star Trek"-Besatzung mit Captain Picard " Trek"-Abenteuer. Denn genau das sind Tatsächlich gibt es die schon Anfang der sie bereits auf den ersten Blick: Abenteuer, spannendes, actionreiches 1990er Jahre in „The Next Generation" zu sehen. Captain Picard hantiert Entertainment, getragen von überzeugend ausgearbeiteten Charakteren. darin mit einem Gerät, das modernen Tablets sehr ähnelt. Doch „Star Trek" geht darüber hinaus, weil Gene Roddenberry eine Essen aus dem Computer optimistische Utopie vermitteln wollte: In der Originalserie haben die Menschen des 23. Jahrhunderts Kriege, Umweltverschmutzung, RassenWenn Captain Picard dann nach getaner Arbeit zum Replikator schritt, und Frauendiskriminierung und Energiekrisen überwunden. In diesem damit der ihm etwas zu essen zubereitete, nahm auch das eine Technik Umfeld lösen die ersten beiden Enterprise-Besatzungen Konflikte mit von heute vorweg: Essen aus dem 3-D-Drucker. Der kann zum Beispiel fremden Zivilisationen durch Vernunft, Kommunikation und den Willen Pfannkuchen oder einfache Pizzen herstellen und bald auch kompliziertezu friedlicher Übereinkunft – ein Verhalten, in dem sich der Humanismus re Gerichte. Die Rezepte gibt man mittels Computer dem Drucker weiter, widerspiegelt, dessen Anhänger Roddenberry war. genauso wie in „Star Trek" seit 1987. Die Replikatoren (lateinisch für: wieDas trotz aller Gegensätzlichkeiten friedfertige Miteinander spiegelt derherstellen) setzen dort Proteinmoleküle und Kohlenhdyrate zusammen, sich auch in der Mischung der Brückencrew wider. Die bestand in der und der Bordcomputer ordnet sie als die Speise an, die vorher ausgewählt, Originalserie aus einem Amerikaner, einer Afrikanerin, einem Schotten, das heißt einprogrammiert wurde. einem Asiaten, einem Russen und einem Alien. Das Prinzip ist: Materieteile werden zur Erzeugung von Gegenständen Ein US-Captain und ein Russe – eine Provokation in den USA durch zuvor programmierte Vorgaben zusammengesetzt – womit wir bei zu Zeiten des Kalten Krieges. Aber nicht nur das: Mit Lieutenant einer Technik angekommen sind, die untrennbar mit „Star Trek" verbunUhura, gespielt von Nichelle Nichols, den ist: dem Beamen. stand eine Afroamerikanerin als Beam mich hoch, Scotty" Kommunikationsoffizierin auf der " Brücke, die auch noch 1968 in der Nein, das hat Captain Kirk in keiner Folge gesagt, aber genutzt hat die Folge „Platons Stiefkinder" beim ersten Crew das Beamen in allen Serien und Kinofilmen. Es beruht auf der Kuss in der US-TV-Historie zwischen Transportertechnologie, bei der Masse (Menschen, Tiere, Gegenstände) einer Schwarzen (Uhura) und einem in Energie umgewandelt wird. Im Film sieht man, wie Kirk und seine Weißen (Captain Kirk) zu sehen war Leute im Transporterraum der Enterprise in Energie zerlegt, durch – ein Tabubruch mit der Konsequenz den Weltraum gejagt und sofort auf dem fremden Planeten in der eines „Star Trek"-Boykotts durch rasUrsprungsform wieder zusammengesetzt werden. sistische TV-Sender in den Südstaaten. Geklaut hat Gene Roddenberry die Idee des Beamens (englisch für Hauptdarsteller Doch es war damals ein wichtiges „strahlen") oder auch Teleportierens (Fernübertragung) aus dem Film aus Deep Space Nine" Signal für die Afroamerikaner, eine „Die Fliege". Die „Star Trek"-Produzenten waren heilfroh darüber, " schwarze Frau in einer Führungsposition im TV zu sehen, ein Zeichen, weil das Budget nicht ausdass Gleichberechtigung und Gleichbehandlung für sie möglich waren. reichte, um jedesmal pomDie illustre Crewzusammensetzung blieb bis heute erhalten, doch die „Star pös inszenierte Starts und Trek"-Inhalte änderten sich. Standen in „The Next Generation" noch die Landungen der Enterprise Weltallerforschung und ethisch-moralische Fragen wie zum Beispiel die zu filmen. Das Beamen zu nach der Gleichheit der Menschen im Zentrum, machte „Deep Space zeigen war billiger. Nine" den Krieg zum zentralen Thema und rückte von der Friedfertigkeit Aber funktioniert das ab, genau wie der Nachfolger „Voyager". Man griff in den Serien der Beamen in der Realität? 1990er Jahre schneller zu den Waffen und verhandelte weniger, was ein Nein, noch nicht. Denn das Spiegel der damals schwelenden Kriege war (wie der Erste Irak-Krieg, der Auseinandernehmen der Kosovo-Krieg). Atome der Körper würde Auch die Kinofilme bildeten das Zeitgeschehen ab, bis dahin, dass die den Transporter so heißlaufen lassen, es würde eine solch enorme „Star Trek"-Filme der 2000er Jahre innere Sicherheit und Terrorismus Strahlung entstehen, dass er und alles ihn Umgebende zerstört würden. thematisierten. So entwickelt sich „Star Trek" beständig – und wird das Doch selbst wenn die Zerlegung gelänge, wüsste man laut heisenbergPublikum noch viele Jahre entführen in die unendlichen Weiten des scher Unschärferelation nicht, wohin und wie schnell die subatomaren Weltraums. Partikel sich bewegen, das heißt, wie sie sich genau nach dem Beamen wieder zusammensetzen. In der Realität ist man dem Beamen jedoch auf der Spur. In der Quantenteleportation kann man bereits Eigenschaften eines atomaVisionäre Star Trek"-Technik in der Gegenwart ren Teilchens auf ein anderes übertragen, was mittlerweile laut einem " Forscherteam der Universität Jena auch bei Laserstrahlen funktioniert. Die „Star Trek"-Macher der ersten beiden Serien waren echte techniIn kleinen sche Visionäre. Sie zeigten Innovationen, die heutzutage zu unserem Schritten Alltag gehören, und das gilt vor allem für die Kommunikationstechnik. kommt die So sind die schnurlosen Kommunikatoren der Mannschaft nichts Wissenschaft anderes als unsere Handys, die Videotelefonie auf den Schiffen heißt so dem heutzutage Skype, und sogar die Gespräche mit dem Bordcomputer, „Star Trek"den bereits Captain Kirk in der Originalserie befragte, haben heute ihr B e a m e n Pendant in Spracherkennungsprogrammen wie „Cortana", „Siri" oder näher. „Jeannie" für das Handy. Diese Programme, die seit den 1960er Jahren
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STAR TREK VON A BIS Z A wie Abrams, J.J. Jeffrey Jacob Abrams, geboren am 27. Juni 1966 in New York, erfolgreicher TV-Produzent („Alias", „Lost") und Regisseur („Star Wars VII: Das Erwachen der Macht"), inszenierte in drei Filmen („Star Trek" (2009), „Star Trek Into Darkness" (2013), „Star Trek Beyond" (2016) die Vorgeschichte von Captain Kirk und seiner Crew mit viel Tempo, Action und Humor. Die Prequels waren die erfolgreichsten „Star Trek"-Kinofilme.
B wie Borg Die Borg sind fast unbesiegbare Cyborgs (Mischwesen aus Maschine und lebendem Organismus), die in einem Kollektiv vereint sind, das von einer Königin regiert wird. Sie sind alle vernetzt und besitzen ein gemeinsames Bewusstsein. Ihr einziges Ziel: andere Wesen und deren Wissen zu assimilieren, um selbst körperlich und technisch perfekt zu werden. Dafür greifen sie andere Zivilisationen an, nehmen Gefangene, die sie über Implantate in Borg verwandeln und ins Kollektiv einbinden. Seit „The Next Generation" gehören die Borg zu „Star Trek".
Kirk als charmanten, ironischen Draufgänger und Frauenhelden. Später mimte Chris Pine die Rolle des jungen, ungestümen Kirk im „Star Trek"-Reboot von J.J. Abrams (s. unter A). Der ebenfalls beliebte Captain Jean-Luc Picard, bedächtig und energisch gespielt von Patrick Stewart, folgte Kirk in „The Next Generation". Nach ihm kam in „Deep Space Nine” der ernste schwarze Captain Benjamin Sisko, verkörpert von Avery Brooks. Im Seriennachfolger „Voyager" trat erstmals eine Frau als Kapitän auf: Captain Kathryn Janeway, von Kate Mulgrew mit herbem weiblichem Charme dargestellt. Ihr folgte der zurückhaltende Captain Jonathan Archer, gespielt von Scott Bakula, in „Enterprise".
D wie Data In „The Next Generation" verkörpert Brent Spiner den bei Fans beliebten Androiden Data. Er will als Maschine menschlicher werden, indem er zum Beispiel Sex ausprobiert, musizieren lernt und sich einen Emotions-Chip einsetzen lässt, der ihn Gefühle empfinden lässt.
E wie Enterprise Vier verschiedene Enterprise-Modelle fliegen durch „Star Trek"Filme und -Serien. Zwei von ihnen wurden im Kino zerstört (in: „Auf der Suche nach Mr. Spock", „Treffen der Generationen"). In „Star Trek"-Büchern, Comics u.a. existieren viele weitere Modelle. Außer der Enterprise erleben in den Verfilmungen die Raumstation Deep Space 9 und das Raumschiff Voyager Weltraumabenteuer.
C wie Captain Sechs Kapitäne standen bisher im Mittelpunkt der „Star Trek"Serien und -Filme: In der Originalserie spielte William Shatner den beim Publikum sehr beliebten Captain James Tiberius Seite
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K wie Klingonen
Sie alle gehören zur Sternenflotte der Föderation (s. unter F). Ihre Aufgaben sind unter anderem die Weltraumerkundung zur friedlichen Ausdehnung der Föderation, die Sicherung des Handels, Friedenswahrung und die Verteidigung der Föderation.
F wie Föderation
Die Klingonen gehören seit der Originalserie zu „Star Trek". Die stolze, angriffslustige Kriegerspezies wandelt sich vom Feind zum Verbündeten der Föderation. Der wichtigste Klingone in „Star Trek" ist Sicherheitsoffizier Worf, von Michael Dorn verkörpert. Er ist der erste Klingone, der der Sternenflotte dient, erst unter Captain Picard, dann auf Deep Space 9. Bei den Fans sind Klingonen so beliebt, dass viele von ihnen das extra für „Star Trek" als Sprache ausgearbeitete Klingonisch lernen. Es gibt Sprachkurse, ein Wörterbuch, eine „Hamlet"-Übersetzung und sogar eine Translator-App für das Handy.
L wie La Forge, Geordi
Die Vereinigte Föderation der Planeten, kurz Föderation, ist ein interstellares Bündnis aus über 150 Welten und mehr als 1000 Kolonien, das von der Erde aus regiert wird. Ihr gemeinsames Ziel: ein friedliches und freiheitliches Zusammenleben, das Handel, Wissenschaft und gegenseitige Verteidigung einschließt.
Geordi La Forge, gespielt von LeVar Burton, ist eine wichtige Nebenfigur in „The Next Generation". Der Name stammt von dem querschnittsgelähmten „Star Trek"-Fan George La Forge, der 1975 starb. Geordi La Forge, der Chefingenieur der Enterprise, ist blind und trägt einen Visor über den Augen, mit dem er seine Umwelt elektronisch dargestellt sieht. La Forge wurde zu einer Vorbildfigur für Afroamerikaner und angesichts seiner Blindheit auch für behinderte Menschen.
G wie Guinan Guinan erscheint erstmalig in „The Next Generation". Dargestellt wird sie von US-Filmstar Whoopie Goldberg, die die Figur erfand, weil sie in „Star Trek" mitspielen wollte. Die El-Aurianerin Guinan, die geheimnisvolle Fähigkeiten besitzt und sich sogar gegen Q wehren kann (s. unter Q), ist die Bardame des Enterprise-Vergnügungsraumes „Zehn Vorne". Sie berät die Crewmitglieder, wenn sie Probleme haben, Captain Picard eingeschlossen.
H wie Holodeck Die Crew der Enterprise verbringt erstmals in „The Next Generation" ihre Freizeit auf dem Holodeck, einem Saal, in dem ein holografischer Simulator virtuelle Personen, Objekte oder ganze Landschaften erzeugt. Die Crew nutzt die Simulation für Freizeitprogramme, Sportaktivitäten oder Forschungszwecke.
I wie Impulsantrieb
M wie Merchandising Als sich das weltweite „Star Trek"Fieber ab Anfang der 1970er Jahre ausbreitete, kam das Merchandisinggeschäft ins Rollen. Zu „Star Trek"Artikeln gehören u.a. Comics, Romane, Sachbücher, Spielfiguren, Videospiele, Uniformen oder Spocks Ohren aus Plastik.
N wie Nausikaaner Die humanoiden Nausikaaner sind eine schlecht gelaunte, zwei Meter große, kräftige Spezies, die als Söldner, Schläger und Leibwächter arbeitet. Als Captain Picard ein junger Fähnrich war, provozierten ihn drei Nausikaaner und stachen ihm einen Dolch ins Herz. Picard überlebte dank eines eingepflanzten künstlichen Herzens. Als Captain muss er als Spätfolge der Verletzung am Herzen operiert werden, was beinahe schiefgeht (in „Das Herz eines Captains", „Willkommen im Leben nach dem Tode").
O wie Orioner
Meist fliegt die Enterprise mit Impulsantrieb, der das Schiff bis knapp an die Lichtgeschwindigkeit bringen kann. Noch schneller geht es mit dem Warp-Antrieb (s. unter W).
Die grünhäutigen humanoiden Orioner erscheinen seit dem „StarTrek"-Start oftmals in den Serien. Die männlichen Orioner sind groß, wuchtig und haarlos, die Orionerinnen dagegen langhaarig, attraktiv und als Sklavinnen eine begehrte Ware. Sie senden sexuell stark stimulierende
J wie Jem'Hadar Die Jem'Hadar tauchen erstmals in „Deep Space Nine" auf. Sie sind genetisch entstandene, gnadenlos brutale und ihren Erzeugern bis in den Tod hinein treue Krieger, die gegen die Föderation kämpfen. GoodTimes
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Pheromone aus, die männliche Wesen enorm anziehen, bei weiblichen Wesen aber Kopfschmerzen auslösen.
P wie Phaser
Foto: Bildarchiv Hallhuber
Der Phaser ist seit der Originalserie die Alltags-Handfeuerwaffe der Schiffscrew, die es in vielen Modellen gibt. Sie feuert Energiestrahlen ab, die von „Betäuben" bis „Töten" abgestuft werden. Mit größeren Waffen können Raumschiffe zerstört werden.
Q wie Q
X wie Xindi Die Xindi setzen sich aus sechs unterschiedlichen Spezies zusammen, die reptilienartig, humanoid, insekten-, vogel-, fisch- oder faultierähnlich aussehen. Die Xindi führen in „Enterprise" einen Krieg gegen die Menschen, der mit ihrem Beitritt in die Föderation endet.
S wie Spock
T wie Trekkies
Trekkies oder Trekker nennen sich die echten „Star Trek"-Fans. Sie treffen sich seit 1972 weltweit auf „Star Trek Conventions", bei denen, oft in den Kostümen von Kirk und Co., manchmal bis zu 10.000 Fans erscheinen. Die Trekkies bringen Fanzines heraus oder drehen Fan-Filme, genau wie die „Star Wars"-Anhänger, die sie oft als Konkurrenz ansehen.
U wie Uniformen
In der Sternenflotte existieren viele Varianten von Uniformen:
Y wie Yridianer Die Yridianer sind Händler, die Informationen in allen Ecken der Galaxie verkaufen. Sie sind in „The Next Generation", „Deep Space Nine" und „Voyager" zu sehen.
Mr. Spock, dargestellt von Leonard Nimoy, ist einer der populärsten „Star Trek"-Charaktere. Spock steigt vom Wissenschafts- und Ersten Offizier auf der Enterprise unter Captain Kirk, mit dem er befreundet ist, zum Captain und vulkanischen Botschafter in der Sternenflotte auf. Da Spock zwar einen Vulkanier (s. unter V) als Vater hat, aber eine menschliche Mutter, setzt er sich mit der Emotionalität von Menschen intensiv auseinander. Berühmt geworden ist sein Ausspruch: „Faszinierend."
Z wie Zeitreisen In diversen „Star Trek"Serienfolgen und Kinofilmen („Zurück in die Gegenwart", „Treffen der Generationen", „Der erste Kontakt", „Star Trek") kommen Zeitreisen vor. Sie verändern den Lauf der Geschichte und schaffen so alternative Zeitlinien und Realitäten, die in den entsprechenden „Star Trek"-Abenteuern wieder geradegerückt werden.
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W wie Warp-Antrieb Der Warp-Antrieb lässt die Enterprise mit Überlichtgeschwindigkeit fliegen. Wird er eingeschaltet, presst er den Raum zusammen, den das Schiff in kürzester Zeit durchfliegt. Theoretisch geht das, technisch noch nicht, weil der Antrieb für das Komprimieren heutzutage unmöglich zu erzeugende Energiemengen in der Größenordnung von bis zu 30 Sonnenmassen benötigen würde (eine Sonnenmasse = 332.946 Erdmassen).
R wie Roddenberry, Gene Eugene Wesley „Gene" Roddenberry, geboren am 19. August 1921 in Texas, war im Zweiten Weltkrieg B-17Bomberpilot in der US-Army, danach Pilot der Fluggesellschaft PanAm und PolizeiSergeant in Los Angeles. Seit den 1950er Jahren schrieb der bekennende Humanist als Drehbuchautor für US-TV-Serien wie „Highway Patrol" oder „Have Gun – Will Travel". 1964 erfand er „Star Trek". Er starb 1991 an Herzversagen und prägte bis zu seinem Tod alle „Star Trek"-Produktionen maßgeblich.
V wie Vulkanier
Vulkanier unterdrücken und kontrollieren Gefühle und richten ihr Verhalten nur nach logischem Denken aus. Sie bevorzugen gewaltfreie Konfliktlösungen, wozu auch der vulkanische Nackengriff gehört, der den Gegner ohnmächtig zusammensacken lässt. Sie sehen Menschen sehr ähnlich, haben aber auffällig lange und spitze Ohren. Sie sind Vegetarier, dreimal so stark wie Menschen, können 200 Jahre alt werden und sind als Telepathen zur Gedankenverschmelzung in der Lage. Der bekannteste „Star Trek"-Vulkanier ist Mr. Spock (s. unter S).
Die Q, die alle Q heißen, sind gegenüber Menschen allmächtig. Sie vermögen jede Gestalt anzunehmen, die Borg zu besiegen (s. unter B), Raum und Zeit zu beeinflussen, Gedanken zu manipulieren, Materie zu formen. Sie können sich nur gegenseitig töten, sind sonst aber unsterblich, es sei denn, sie verwandeln sich in niederere, verwundbare Lebensformen. Ein Q in Menschengestalt, verkörpert von John de Lancie, ging als arroganter, gern mit seiner Macht spielender Charakter zuerst Captain Picards Crew, dann den Deep-Space-Nine- und Voyager-Mannschaften auf die Nerven.
von normaler Dienstbekleidung bis hin zur Gala-Robe, alle versehen mit dem Schiffslogo, Rangabzeichen und je nach Abteilung unterschiedlichen Farben. Das Aussehen der Uniformen wandelte sich vom Schlafanzuglook bei den Männern zu Zeiten von Captain Kirk bis hin zum knallbunten, körperbetonten Design im aktuellen Kinofilm „Star Trek Beyond".
Meine Singles
Spannende Ausflüge in unbekanntes Terrain
Von Christian Simon
Schon in den 60ern und bis weit in die 80er Jahre hinein war es gang und gäbe, dass Sportler, Schauspieler, Moderatoren und sogar Politiker Schallplatten aufnahmen. Wer einen bekannten Namen hatte, wurde ins Plattenstudio bestellt". 1860 München-Torwart Petar " Radi" Radenkovic, Franz Beckenbauer, Gerd Müller, Martin Lauer, Pierre Brice, Horst Frank, " Tommi Ohrner, Heike Makatsch, Walter Scheel, Thomas Gottschalk ... die Liste ließe sich unendlich lang fortsetzen.
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einen ersten Kontakt zur Plattenindustrie hatte ich 1975 bei Radio Luxemburg. Programmdirektor Frank Elstner kam auf die Idee, mit einer Schallplatte die Deutsche Krebshilfe zu unterstützen. Schlagersänger Peter Orloff komponierte und textete den Song "Wir singen weiter", eingespielt wurde die Nummer dann vom deutschen Radio-Luxemburg-Team. Alle Erlöse der Single gingen an die Krebshilfe, und deren Gründerin Mildred Scheel schrieb auf der Rückseite des Covers: „Die Sprecher von RTL sind für die Deutsche Krebshilfe unter die Sänger gegangen. Dafür danke ich ihnen herzlich. Der Platte wünsche ich erste Plätze auf allen Hitlisten – Ihre Mildred Scheel." Die B-Seite war die Erkennungsmelodie der Sendung „RTL – 12 Uhr mittags", ebenfalls eine Komposition von Peter Orloff. Die damalige große Fangemeinde von Radio Luxemburg machte die Platte dann auch wirklich zu einem ansehnlichen Erfolg, und das Lied schaffte sogar den Sprung auf die LPs EMI SUPER-HITPARADE ’75 und DAS FREIZEIT-HITMAGAZIN '76. 1978 startete meine ZDF-Show „Rockpop" und lief zehnmal pro Jahr über die Bildschirme. Mein Bekanntheitsgrad wurde höher, und so trudelte bald auch die eine oder andere „nicht musikalische" Anfrage ein – Dressman für ein Modemagazin, Präsentator eines Buchclubs, eines Videovertriebs und eines Getränkeherstellers, Jurymitglied bei mehr oder weniger skurrilen Wettbewerben … Doch eines Tages besuchte mich ein gewisser Horst Bork, damals Plattenmanager der Teldec sowie persönlicher Manager von Adamo, später auch Personalmanager von Falco und bis heute jedenfalls ein Name im internationalen Unterhaltungsgeschäft. „Wir wollen mit dir einen Plattenvertrag machen. Was könntest du dir denn da so vorstellen?", meinte er. Die Frage traf mich so überraschend, dass ich mir etwas Zeit erbat, um alles in Ruhe zu überdenken. Auch fragte ich Udo Jürgens und Peter Maffay, worauf besonders zu achten sei. Beide rieten sie mir zu einem Garantievertrag, was bedeutet, dass unabhängig vom Erfolg eine Summe X über einen vereinbarten Zeitraum an den Künstler gezahlt wird. Als ich dies der Teldec und Horst Bork mitteilte, schluckte man wohl, doch akzeptierte letztendlich meine Forderung. Nun ging es darum, die richtigen Songs für mich zu finden, und glücklicherweise hatte ich ein 100-prozentiges Mitspracherecht. Ich wollte keine deutsche Cover-Version eines Superhits machen und hörte mir deshalb tagelang internationale Produktionen an. Dann entschied GoodTimes
ich mich für zwei Titel: "You May Be Right" von Billy Joel und "Cracking Up" von Nick Lowe. Die deutschen Texte dazu schrieb ich selbst. Es galt dann noch, die richtige Band zu finden, die die Songs mit mir einspielen sollte. In „Rockpop" hatte ich die Hamburger Gruppe Lucifer’s Friend kennen gelernt und fragte die Jungs, ob sie Lust hätten. Sie hatten – und also buchte die Teldec das Aufnahmestudio in der Hansestadt. Und dann der Hammer! Ich hatte Udo Lindenberg von der ganzen Sache erzählt, und er ließ es sich nicht nehmen, höchstpersönlich spätabends im Studio vorbeizuschauen. Er gab mir noch ein paar Tipps, hörte sich die Produktionen an und „segnete" sie ab. So erschien 1980 meine erste Single mit "Ich bin bereit" und "Hau doch ab". Die Teldec machte ordentlich Promotion – Interviews mit Thomas Gottschalk im Bayerischen Rundfunk, mit Frank Elstner bei Radio Luxemburg, Pressetermine, Auftritte. Aber das Ding wollte einfach nicht anlaufen. Später meinte man, ich sei mit der Platte zu rockig und der Zeit voraus gewesen. Ein Jahr später wurde dann meine zweite Single produziert. Diesmal keine Cover-Versionen, es wurden zwei Songs eigens für mich geschrieben. Mit den Demos fuhr ich zu Peter Maffay nach Tutzing. Wir diskutierten über die Texte, und Peter bot seine Hilfe an. Seine damalige Frau Chris Heinze und „Star-Texter" Bernd Meinunger stiegen in das Projekt ein und schrieben für mich "Ich will nicht, dass du weinst" und "Die Hitze der Nacht" – eine Ballade und ein knalliger Rocksong. Neben der üblichen Radio- und Pressepromotion bekam ich diesmal auch einen Fernsehauftritt im „WWF-Club" des WDR. Die Platte lief besser als die erste, aber die Verkaufszahlen blieben weit unter unseren Erwartungen. Da wurde es Zeit, sich zu entscheiden, und ich stellte die Ampel auf Rot. Es war ein kurzer Ausflug ins Plattengeschäft, aber es hat viel Spaß gemacht, und ich wurde um eine Erfahrung reicher: Schuster, bleib bei deinen Leisten! 1/2017
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Mode-Reklame
80er
Schulterpolster und schrille Schönheit
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in Blick auf den Beginn der 80er Jahre irritiert. Beinahe wirkt es, als habe die Kreativen der Mut verlassen. Nur gut, dass Popper, Punker und Ökos jeweils ihren eigenen neuen „Look" in die Welt trugen, als die Hippies der 70er in der Berufswelt ihre Bärte und langen Locken ließen. Die Jugend dokumentierte ihre Gesinnung jetzt auf Buttons an der Jeansjacke, die Auswahl von Frisur und Turnschuhen war eine todernste Sache. In der Reklame galt das Fröhliche zunehmend als albern, Bügelfalten und stählerne Blicke, gestylte Frisuren und arrogante Haltung machten den Auftritt perfekt. Die Coolness war erfunden. Auf Kinderfiguren und naive Fröhlich keit der 70er Jahre folgten in der neuen Dekade Business und Stress. Besonders beliebt war die Debatte über Frauen in Führungspositionen, für die Margaret Thatcher, britische Premierministerin von 1979 bis 1990, genannt „Eiserne Lady", als Paradebeispiel diente. Sie trug bei ihren Amtsgeschäften in der Regel Kostüme oder überknie lange Kleider mit Schulterpolstern in Unifarben und hob sich so (ein bisschenwie die Queen) von den dunk len Anzugträgern um sie herum ab. Das Thatcher-Zeitalter bestimmte – zumindest in Modefragen – auch die Seite
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Ära Kohl in Deutschland: Als der damals noch nicht ganz so birnen förmige Kanzler 1982 das Ruder übernahm, sah es so aus, als seien quasi über Nacht den meisten Frauen breite Schultern gewachsen. Die Blickwinkel änderten sich. Die Farbe verschwand an einigen Stellen wieder aus der Werbefotografie und machte einer als „künstlerisch" empfundenen Bildsprache Platz, in der Perspektiven das Design bestimmten. Hier sehen breitschultrige, gepflegte Männer in die Kamera oder an den Betrachtenden vorbei in die Ferne, die Kleidung umspielt die Körper, ihre Haltung ist souverän. Kein Wunder, dass Boss in der Herrenmode mit Chefdesigner Werner Baldessarini einen sagenhaften Aufstieg feiern konnte. Die Erben des Namensgebers mach ten das Unternehmen trotz dessen unrühmlicher Nazi-Vergangenheit ab 1975 zu dem bis heute florierenden Unternehmen, das inzwischen neben Herren- auch Damen- und Kindermode sowie Uhren und Parfum anbietet. In den Boss- (und Gross-)Reklamen der 80er sind die Damen eher Dekor, sie schmiegen sich von der Seite an die Männer, die lässig ihre Hände in die Hosentaschen stecken, und unterstrei chen so deren machtvolle Aura: Der Boss trägt eben „Boss". Und wenn er entspannt, liegt er mit einem Strickpulli
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mit V-Ausschnitt im Liegestuhl und träumt davon, wie er das Bruttosozialprodukt steigern kann ... Übrigens hieß es damals nicht „Style", sondern „Look" – allen falls hatte man „Stil" (so nannte sich in den Achtzigern das, was vorher als „ete petete" galt ...). „Der hohe Anspruch", dem sich die Modewelt nun verschrieb, wurde zum Slogan einer Kampagne der Firma Windsor („Man and Lady", 1984), in der immer eine schwarz-weiße Modefotografie von einem Klassikerzitat getitelt wurde. Das eine waren die inzwi schen in der Werbung ziemlich überstrapa zierten Sätze Oscar Wildes: „Ich habe einen ganz einfa chen Geschmack. Ich bin immer mit dem Besten zufrie den." Ein anderes stammte von Hugo
genoss seine Freiheit ganz allein. Später gingen die DresslerGekleideten dann in die Luft: Auffällig viele Fotos der Endachtziger zeigen Menschen im Sprung – hatten sie etwa „den Boden unter den Füßen verloren" und standen nicht mehr „mit beiden Beinen auf der Erde", oder waren sie einfach leichter, weil sport licher geworden und auf „Light"-Getränke umgestiegen? Sportausstatter wie Bogner und Lacoste eroberten jedenfalls den Markt. Das klei ne grüne Krokodil der französischen Marke hatte ab etwa 1984 einen enorm hohen Bekanntheitsgrad. Jogginganzüge in Türkis oder Zitronengelb, gerne satiniert schimmernd, wurden von beiden Geschlechtern, oft auch im Partnerlook, getragen. Knallige Aerobic-Anzüge (natürlich mit Stulpen dazu) ermöglichten den sportlichen Auftritt, der mit Diätprodukten und Light-Zigaretten ergänzt wurde (denn jeder wollte ja „so bleiben, wie ich bin", und dazu „Du darfst!" hören). Männer wiesen am besten Muskeln und ein kantiges Kinn auf; lange schlanke Gliedmaßen bei breiten Schultern waren das weibliche Ideal. Die Schulterpolster (Schaumgummi-Einlagen unter schiedlichster Qualität, die bei Billigprodukten auch mal verrutschten und unansehnliche Knäuel bilde ten, bevor sie mühe voll wieder gerich tet und festgeheftet wurden) ragten oft mehrere Zentimeter an den Seiten heraus und formten ganz neue Personen aus eigentlich eher schma len Frauen: Die pas
von Hofmannsthal: „Der gute Geschmack ist die Fähigkeit, fortwährend der Übertreibung entge genzuwirken." Die Firma Dressler setzte komplett auf Unterstatement: Nur ganz weit weg ließ sich in ihren Naturfotografien ein Mensch erahnen, gekleidet in ein „maß geschneidertes Stück Freiheit". Wer Dressler trug, hatte es nicht nötig, sich der Welt so zu präsentieren wie die anderen, son dern kaufte bei seinem „Herrenausstatter" und GoodTimes
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Lange und schlanke Beine wie die Schiffers wurden idealisiert, und extrem hohe Beinausschnitte bei Bademoden und Dessous dienten zu ihrer Betonung. Haarspray und Styling produkte nahmen den Frisuren das Verspielte und spitzten sie zu oder formten sie eckig. „Ohnehin hatten wir in den 80er Jahren mit Haarspray schon ein schö nes Loch in die Ozonschicht gesprüht", meint Helene Mierscheid und erklärt wei ter: „Das war auch nötig, damit unsere aufgedon nerten Frisuren hielten" (in „Vokuhila", S. 95). Die Modewelt versuchte,
sende typische Pose in der Werbefotografie war der Selbstbewusstsein anzei gende „Hüftstütz". Frauen in Jeans bevöl kern die Reklame, wenn es lockerer wird, sie rau chen cool allein in Kneipen, fahren Rad und machen Picknick im Grünen. Weit häufiger aber erobern sie die Männerwelt und stützen die Hände in die Hüften. In den Achtzigern war die Zeit reif! Die Powerfrau war geboren und musste nicht nur erfolgreich, sondern auch attraktiv sein. Sogar Hüte und Handschuhe wur den wieder getragen, über dimensionale Haarschleifen
betonten beinahe selbstironisch gestylte Weiblichkeit. Und der Hosenrock (der gerade ein Revival erlebt) tarnte radfahrtaugliche Unabhängigkeit in extrem femininem Anblick. Ein weiterer Clou der Mode-Industrie war die Karottenhose: An den Hüften und Oberschenkeln weit, verschmälerte sie sich möhrenartig zu den Stiefeletten oder halbhohen Turnschuhen hin; gern wurde sie auch mit Ballerinas und Söckchen kombiniert. Die französische Mode-Illustrierte „Vogue" erschien nun ab 1979 auch als deutsche Ausgabe (zwar gab es das elegante Modemagazin bereits 1928/1929 einmal versuchsweise in Berlin, offenbar war die Konkurrenz durch „Die Dame" oder „Die neue Linie" aber damals noch zu groß). 1982 hieß es in der „Vogue" dement sprechend: „Erfolg! Frauen, die Unternehmen leiten, die Mode machen, die tonangebend sind in der Kunst- und Kulturszene, in Politik und Wirtschaft – Frauen also, die Regie führen und das höchst erfolgreich, sind heute beileibe keine Seltenheit mehr" (S. 177). Das deutsche Mannequin Claudia Schiffer gehörte Ende der 80er Jahre zu den bekanntesten Models der Welt: Schön, blond und sehr langbeinig mit 1,80 m posierte sie beispielsweise für Guess-Jeans. 1988 hatte Karl Lagerfeld sie erstmals für Chanel auf den Laufsteg geholt, 1989 zierte sie bereits die Titelseite der „Vogue". Seite
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sich kühl und glatt zu präsentieren, der Körper wurde sportlichkarrieretauglich. Als prominente Werbeträger boten sich daher die Tennis-Asse an: Sportausstatter Adidas benannte glatt die ganze „collection 86" nach Ivan Lendl, dem Weltranglistenersten bei den Herren zwischen 1985 und 1987. Und die junge Steffi Graf, seit 1987 Weltranglistenerste der Damen, posierte für Gerry Weber Fashion. Dargestellt mit Telefon in der Hand und Schulterpolstern, mimte sie perfekt die Businesslady, obwohl sie als knapp 20-Jährige in ihrem Anzug doch ein bisschen verloren wirk te. Aber diese Art Unschuld schadete nicht: Die Süße einer jugendlichen Prominenten wie Diana Spencer, die mit ihrer Trauung mit Prinz Charles 1981 als Kronprinzessin zunehmend zur ModeIkone wurde, durfte gerne auch durch weiße Blüschen und einen charmanten Schuss Naivität hervorgehoben werden. Unzählige Modedesigner versuchten, sich in diesen Jahren einen Namen zu machen und auf allen möglichen Wegen unverwechselbar aus der Menge hervorzustechen. Die große Zeit von Wolfgang Joop und Madonnas Leib- und Magendesigner Jean-Paul Gaultier brach an. In „Tempo", der Kult-Zeitschrift der Yuppies, hieß es im Dezember 1988 rückblickend: „Die Revolution der 80er Jahre fand im Kleiderschrank statt. Vorbei waren die Zeiten, als man mit fetti
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Mädchentoilette in der Schule lag, um eine sol che Jeans zuzumachen! Helene Mierscheid schil dert dies als eine der Peinlichkeiten ihrer Jugend: „Ich hatte meinen falschen Schimanski-Parka an und die enge Jeans, weil ich Eindruck schinden wollte. Leider hinterließ die Jeans eher Eindruck auf meinen Hüften" (S. 159). „New Wave" hieß eine weitere Spielart der Mode, eng verwoben mit der Disco-Kultur, dem „Nightclubbing", wie es Sonnet Stanfill im Rückblick auf die „80s Fashion" als wesentli che Inspirationsquelle der Designer ausmacht. Hosenträger, Hüte und Handschuhe gehör ten zur Ausstattung der Breakdancer, die ihre eckigen Bewegungen zur Show erhoben. Seit den frühen Achtzigern, parallel zum kometen haften Aufstieg von Boy George, dem Sänger von Culture Club, betonte der New-WaveLook vor allem das Androgyne, bunt und schrill mit stark, oft auffällig pink geschmink ten Wangen. Auch die Wiederentdeckung von Wolfgang Amadeus Mozart, dem unangepassten öster reichischen Wunderkind des 18. Jahrhunderts, durch den gefeierten Film „Amadeus" von Miloš Forman (1984) und den Hit "Amadeus" von Falco (1985) gehört dazu. Benetton knüpfte bei seinen United Colours zunächst hier in der bunten Popkultur an, aber für den Knalleffekt sorg te dann Fotograf Oliviero Toscani mit provozierenden Schockfotos, die nur sehr bedingt mit Mode zu tun hatten: Er zeigte eine dunkel häutige Mutter, die ein weißes Baby stillt, später sogar eine Hautpartie, auf die „H.I.V. positiv" aufgedruckt ist, eine blutgetränkte Uniform, zwei verschränkte Hände verschiedener Hautfarben in Handschellen, einen ölverschmierten sterbenden Seevogel ... „Was darf Werbung?", wurde nun diskutiert, und Benetton war bis Mitte der 90er in aller Munde und sogar mehrfach deswegen vor Gericht. Das Beste, was einem Unternehmen passieren kann! Zum Weiterlesen lohnt sich „Die Werbung ist ein lächelndes Aas", ein Fischer-Taschenbuch (1997) des Benetton-Fotografen Oliviero Toscani. Im Klappentext heißt es: „Dieses rücksichtslos-provokante Buch ist seine Generalabrechnung mit einer eitlen Branche." Wem es nur um die 80er-Kleidung geht: Das Buch „80s Fashion: From Club To Catwalk" von Sonnet Stanfill aus dem Londoner Victoria & Albert-Museum (2013) thematisiert zwar nur britische Mode, ist aber auf jeden Fall ein echtes Highlight für Modefans. Und für den Zeitgeist empfehle ich das oben zitierte köstliche Buch „Vokuhila. Als scheiße aussehen Mode war" (2014) von Helene Mierscheid. Kathrin Bonacker
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gen Haaren und schmierigen Jeans Eindruck schinden konnte. Man trug nicht mehr Gesinnung, man trug Gaultier. Der Designeranzug wurde zum Banner eines neuen Individualismus, die Modemacher stürzten sich mit Enthusiasmus ins Stil-Gemetzel" („Tempo" 12/1988, S. 28). Wer anders sein wollte, eiferte Indiana Jones nach, spielte „Jäger des verlorenen Schatzes", rauchte Camel in den passen den Boots und trug die ersten Outdoor-Labels wie Globetrotter. Die Resthippies und jungen „Ökos" kombinierten ihre Jeans mit Flohmarkthemden, batikten selbst und kauften ihre weiten indi schen Baumwollkleider, lila Pluderhosen und Jesuslatschen mit Räucherstäbchenaroma in kleinen Independent-Läden mit klingen den Namen wie Artesano oder Patchouli, an der Uni wurde in den Vorlesungen und Seminaren noch gestrickt und geraucht. In diese Atmosphäre platzte nun 1989 eine Kampagne, wie sie noch nie da gewesen war. Die Firma Benetton hatte zunächst zwar nicht unbemerkt, aber doch noch im Rahmen des halb wegs Konventionellen ab etwa 1984 ihre United Colors am Markt platziert. „Alle Farben dieser Welt" lautete der Slogan; das war schon durchaus neu und zog an. Kinder und junge Erwachsene aller Hautfarben und Ethnien wurden unterschiedslos in Benetton gekleidet und posierten homo gen miteinander. So wirkte das Wort „Farbe" – durch den Bezug auf die bunte Kleidung in Beziehung zur Hautfarbe gesetzt – plötzlich ganz anders! Farbe an sich war in den Achtzigern meist uni zu haben, Pastelltöne, Caribic-Knallfarben oder Schwarzweiß-Kontraste dominierten. Braun-lila-orange mit Grün oder große Blumen wie in den 70ern, das war absolut unmöglich! Dafür erlebte die Wespentaille in Form der Stretchgürtel-Quetschung ein Revival, so dass die Frau im coolen Overall (wie im Kult-Film „Flashdance" von 1983) geradezu X-Form bekam. Andererseits ließen weite Hemden und große Pullover wenig Rückschlüsse auf die weiblichen Formen am Oberkörper zu, während die Hosen bei Männlein wie Weiblein nicht eng genug sein konnten und die Schrumpf-Jeans aus der Badewanne es bei Levi's in die Werbekampagne schaffte. Der Jeansträger liegt auf dem Anzeigenbild voll bekleidet im Wasser, damit das gute Stück am Ende tatsächlich „wie angegossen" passt. Nie werde ich vergessen, wie eine meiner sportlichsten Freundinnen 1982 rücklings auf dem Boden der 1/2017
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Wie ein Held mit Maske, Degen und viel Charme weltweit Eindruck machte Von Malte Ristau
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Schon vor fast 100 Jahren hatte eine Erfolgsstory ihren Anfang genommen, die in Deutschland wie vieles andere auch, bedingt durch die NS-Zeit, erst mit ziemlicher Verspätung breit bekannt wurde: In einer Ausgabe des Magazins All-Story Weekly" war am 9. August 1919 ein maskierter Held aufgetreten, der bis heute immer wieder fasziniert. " Der ehemalige Polizeireporter Johnston McCulley versuchte sich nach dem 1. Weltkrieg als Autor von Trivialgeschichten und bewies dabei ein ähnliches Talent wie zuvor schon Edgar Burroughs mit Tarzan. Das in Amerika seinerzeit ungeheuer erfolgreiche Genre, in dem er sich mit seiner Fantasiefigur Zorro rasch auszeichnete, hieß Pulp Fiction", was sich sowohl auf die schlechte Papierqualität wie auch auf die schrillen Titel bezog. "
ielleicht wäre der fünfteilige „Mantel- und Degenverfasste McCulley bis zu seinem Auftritt" längst vergessen, wenn nicht einer der Tod 1958 über 60 Zorro-Storys meistbewunderten Männer jener Zeit, der Pro sowie mehrere Drehbücher und duzent und Schauspieler Douglas Fairbanks, jene Hefte wurde damit zum wohlhabenden Die charakauf seiner Hochzeitsreise begeiMann. teristische stert verschlungen hätte. Ein Die Abenteuer siedelte er in Silhouette: Zorro auf seinem Jahr nach der anregenden den 1820er Jahren im seinerRappen Lektüre war sein Film in den zeit noch spanisch-mexikaniTornado Studios der United Artists schen Kalifornien an: Der junge bereits fertiggestellt. Als Don Diego de la Vega, sein Autor McCulley führt Zorromarkante „trade mark" Darsteller Williams 1958 in die Protagonist, hat sich in Spanien Rolle ein wurde dabei jenes „Z" in allen „männlichen" Künsten als signifikantes Detail zum Meister entwickelt. Nach längerer hinzugefügt, das sich bis Abwesenheit kehrt er auf die Hazienda heute im wahrsten Sinne des seines wohlhabenden Vaters zurück. Die Stimmung in der Region Wortes eingeprägt hat. Unter dem ist gedrückt und ängstlich, weil die Bevölkerung von Militärs, diesbezüglichen Titel „Das Zeichen genauer: einem Capitano, dauerhaft drangsaliert und von anderen des Zorro" kam der Streifen im November Schurken situativ bedroht wird. Während genaue Zeitangaben 1920 in die Kinos. Er prägte für zwei genauso fehlen wie realhistorische Personen oder Ereignisse, Jahrzehnte die Wahrnehmung des Helden, wird der Schauplatz beziehungsreich angegeben. Im Pueblo Los zumal er 1925 eine ähnlich erfolgreiche Ángeles ist das regionale Militärhauptquartier ebenso angesiedelt Fortsetzung fand. Drehbuchberater McCulley wie der zivile Amtsträger und das regionale Marktgeschehen. In wählte den Titel deshalb auch für die erste Das Buchcover von 1924 der Story ist bei dem entlegenen Provinzkaff der Akzent noch präsentierte Zorro ohne Buchveröffentlichung im Jahre 1924. Insgesamt spanisch gesetzt; aber die zukünftige Metropole mit dem Vorort Maske. Seite
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Casts auch für eine Reihe sehr erfolgreicher Events Hollywood wurde 1919 gerade jedem in Amerika in Disneyland. Ein Rechtsstreit zwischen Studio und geläufig. Sender setzte der Produktion ungeachtet hoher Don Diego gibt sich zur Tarnung als kultivierter, Publikumsresonanz dann jedoch ein vorzeitiges aber verweichlichter Müßiggänger, dessen Interessen Ende. Neue Folgen wurden nicht mehr gedreht, der Literatur und der Musik gelten. Bei Bedarf aber die alten immer wieder auf unterschiedlichen verwandelt er sich in einer versteckten Höhle mit Sendern gezeigt. schwarzem Kostüm, Umhang, Maske und Degen Schon unmittelbar nach der Erstausstrahlung in den geheimnisvollen El Zorro, auf Spanisch „Der hatten Kinder überall in Amerika begonnen, ihren Fuchs". Das Kostüm soll erschrecken, es soll seine Helden zu imitieren. Sie entwickelten sich zu Meistern Anonymität gewährleisten, und es gibt ihm die der Fechtkunst und gravierten das „Z" ein, wo immer Möglichkeit, „ein anderer" zu sein. Das Doppelspiel sich eine Fläche anbot. Disney hatte sich auf eine dergewinnt an zusätzlicher Spannung, weil Diego es artige Nachfrage bedarfsgerecht vorbereitet und über auch gegenüber der eigenen Familie praktiziert. Lizenzvergaben genügend Kostüme und Spielzeug in Selbstverständlich hilft Zorro, wie Robin Hood, Warenhäusern bereitstellen lassen. Da dieser Boom den Armen, den Schwachen, den Gerechten. Als über mehrere Jahre andauerte und mehrfach wiederhistorische Vorbilder sollen McCulley zwei berühmtauflebte, können sich amerikanische Sammler heute berüchtigte Outlaws, Joaquín Murietta sowie über mehr als 500 Merchandisingartikel, darunter Salomon Pico, inspiriert haben. Batman-Kenner Kinoplakat von 1940: erfolreiches Remake mit Tyrone Power Brettspiele, Lunchboxen und Spielfiguren freuen. wiederum werden andere Bezüge herstellen, wenn Wer die Abenteuer nachspielen will, greift am besten auf ein Spielset sie sich daran erinnern, wie dessen Eltern ums Leben kamen: nach einem von Marx zurück. In viele Länder verlief der Export von Fernsehserie und Kinobesuch mit dem kleinen Sohn – sie sahen einen Zorro-Film. Merchandisingprodukten über viele Jahre Ein meisterliches Remake des ersten gleichfalls erfolgreich. Vor allem trifft das Kinofilms brachte 1940 der 20th Century auf die Comic-Adaption zu, an deren Beginn Fox einen prächtigen A-Format-Klassiker ein 1958 der talentierte Zeichner Alex Toth und dem eleganten Hauptdarsteller Tyrone stand. Power Ruhm und Geld. Diese Verfilmung, Manches schaffte auch den Sprung nach erneut unter dem bewährten Titel „Im Westdeutschland; dazu zählten zum Beispiel Zeichen des Zorro", löste bald einige Comicein Hörspiel auf einer Schallplatte oder ein Serien in Europa und Amerika aus. In der mit Figuren und Gebäuden ansprechend Alten Welt versuchten sich ebenfalls diverse ausgestaltetes Brettspiel, das bei SchmidtFilmproduzenten und Regisseure an dem Spiele aufgelegt wurde. Den Anfang aber erfolgsträchtigen Stoff. Das meiste davon, mit Hauptdarstellern von Alain Delon bis Die Kinder in den 60er Jahren erlebten Zorro noch in Schwarz-Weiß. machte bei uns 1965/66 der Comic zunächst Heute sind auch die TV-Versionen koloriert. in den Micky-Maus-Beilagen und dann in Pierre Brice, ist zu Recht vergessen. Der Held Micky-Vision. Von 1979 bis 1982 wurden die Folgen vom Verlag Ehapa wird dabei zuweilen in andere Epochen oder Kontinente verpflanzt und als eigenständige Reihe nachgedruckt und ergänzt. Ausschließlich die erlebt gemeinsame Abenteuer unter anderem mit den drei Musketieren. von Toth gezeichneten Episoden wurden 2015 bei Classic Heroes neu Bis heute sind es wohl an die 80 Verfilmungen, die als Adaptionen des veröffentlicht. Im Unterschied zum Comic erreichten die TV-Staffeln erst Zorro-Stoffes gelten können. Dabei bewährten sich Zorro-Verschnitte auch 1994 Deutschland, als sie bei RTL 2 über die Mattscheiben flimmerten. als Futter für die so genannten Serials, 20-Minüter, die in den 30er Jahren „Frei von Blut und Brutalitäten", wie der Katholische Filmdienst damals als Vorfilme eingesetzt wurden. In Deutschland liefen sie zeitlich versetzt beifällig urteilte, können die Babyboomer heute die erst zwei Jahrzehnte später. Zusammen mit Fuzzy und Streifen gemeinsam mit ihren Enkeln genießen. Auch die ähnlichen Figuren beeindruckten sie Kinder um 1960 rasanten Fecht- und Reitszenen haben bis dato nichts am Sonntagmorgen in Kneipensälen und Vorstadtkinos. an Frische eingebüßt, ebenso wenig wie der augenAls „Western von gestern" begegnen wir ihnen heute in zwinkernde Humor. Eine sauber kolorierte Fassung wird Kompilationen wieder. mitsamt einem Comic und zwei Booklets seit 2015 Kurz vor seiin einer opulent ausgestatteten Holzkiste angeboten. nem Tod 1958 Schon der synchronisierte Einstiegssong versetzt in eine durfte McCulley verheißungsvolle Stimmung: „Tief in der Nacht, wenn dann noch mitder Vollmond erwacht ..." erleben, wie sein Eine neue TV-Version knüpfte 1989 in den USA Held stärker als je Banderas, Hopkins und Zeta-Jones überzeugten im Kinofilm 1998 mit Duncan Regehr in der Titelrolle an den Flair des zuvor amerikaweit Klassikers von Disney an. In Deutschland liefen die euphorisierte. Die Ein von Alex Toth 1958 gezeichneter typischer Zweikampf mit dem Degen. Folgen ab 1992 auf Sat1 und wurden von einer ComicDisney Studios Reihe des Bastei-Verlages begleitet. Eine DVD-Box mit besorgten nämlich mit hoher 25 Episoden dieser Serie ist mittlerweile im Handel ebenProfessionalität eine bis heute falls erhältlich. Tatsächlich noch einmal bemerkenswerte nachhaltig auf Vorstellungen Akzente setzte dann Regisseur wirkende TV-Serie des Stoffes, Steven Spielberg 1998 und die sich aufgrund ihrer hohen 2005. Anthony Hopkins und Quoten als ungeheuer lukrativ Antonio Banderas schlugen alle Altersgruppen erwies. Woche für Woche verfolgten etwa 35 von Fans in ihren Bann. Der Zorro-Job wurde Millionen Menschen in den USA die Episoden. Guy von Vater zu Sohn weitergereicht, und auch Williams als Titelheld überzeugte ebenso wie die Catherine Zeta-Jones bewies ihre Schlagfertigkeit anderen Besetzungen, Halunken und Sidekicks, würmit dem Degen. Eine anderweitig prominente Frau, dige Dons und schöne Frauen, bis in Nebenrollen die Schriftstellerin Isabel Allende, adelte schließlich hinein. Der eingängige Song zum Film stürmte die Pulp-Figur literarisch, indem sie den Helden zum parallel die Charts in den USA. Diverse konkurTitel eines eigenen Romans machte, der in deutrierende Serien mussten kapitulieren und wurden scher Sprache 2005 im renommierten Suhrkamp eingestellt. Entsprechend der typischen DisneyVerlag erschien. Geschäftsphilosophie nutzte das Unternehmen die GoodTimes
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Von Michael Klein
Fliegen auf eigene Gefahr Vollständig schön, bezaubernd, faszinierend, anziehend " und komplett unmöglich von Beginn bis Ende. Jede Regel des realistischen Dramas wird gebrochen, aber alle Regeln des Märchenlands bleiben intakt, und das Ergebnis: vollkommen überzeugend!" Das schrieb ein hingerissener Mark Twain, nachdem er die New Yorker Premiere von James M. Barries Peter Pan" gesehen hatte. Seine Begeisterung tei" len Generationen von Lesern und Zuschauern.
verschoben werden, und bei der Premiere fehlen zweieinhalb Szenen, weil das Risiko ihres Misslingens zu groß ist.
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harles Frohman lebt in New York, er kann der Premiere in London selbst nicht beiwohnen. Ein enger Mitarbeiter aber ist angewiesen, sofort nach Ende des Stücks ein Telegramm zu schicken. Frohman sitzt wie auf glühenden Kohlen. Die Kosten! Die ark Twain wird sich jedoch kaum ausgemalt haben Seilartistik verschlingt Unsummen, können, wie riesengroß die Anspannung bei den ein ganzes Piratenschiff muss Beteiligten – den Theaterleuten, dem Produzenten Obwohl Peter natürlich auf die Bühne, jede Menge Charles Frohman und auch beim Autor – fast ein ganzes Jahr Schauspieler und Kostüme sind ein Junge ist, wird er auf zuvor, am 27.12.1904, vor der Weltpremiere des Stücks im der Bühne traditionell von notwendig, das ganze fantastische Londoner Duke Of York’s Theatre war: Es handelt sich nicht jungen Frauen gespielt: Nimmerland will aufgebaut sein. Nina Boucicault, die erste um irgendeine Inszenierung wie andere, es handelt sich um ein Peter-Pan-Darstellerin Ein Theaterkollege, dem Barrie Schauspiel, von dem alle Beteiligten wissen, dass man damit überhaupt (1905) James M. Barrie das Stück gezeigt hatte, warnte künstlerisch, artistisch und finanziell ein extrem hohes Risiko Frohman im Vorfeld dringend: „Barrie ist verrückt geworden!" Aber eingeht. Die Geschichte scheint völlig absurd: Es geht um einen Jungen, Frohman geht es wie dem Autor: Er glaubt an die Magie der verzwickten der nie erwachsen wird; um eine Märchenwelt der Feen und „verlorenen Geschichte, hat sich in die Figuren und Schauplätze verliebt, und trotz Jungs", die in einer fantastischen Welt namens Nimmerland leben; um aller Rückschläge und Widrigkeiten investiert einen finsteren Piraten namens Hook und ein Krokodil, das einen Wecker er immer höhere Summen. Wenn die Premiere verschluckt hat. Und es geht um eine Familie namens Darling, die einen allerdings missglückt – es ist nicht auszuHund als Kindermädchen hält! denken. Dann endlich trifft das Telegramm ein. Frohman liest: „Riesenerfolg! Publikum ährend des Stücks müssen etliche Darsteller etwas tun, das es bis völlig begeistert!" Es ist der Beginn eines dahin auf einer Bühne noch nie gegeben hat: fliegen! Und zwar an Welterfolgs. hochkomplizierten Seilsystemen im Bühnenschatten, und obwohl alles während des Spiels völlig natürlich wirken soll, müssen die Schauspieler sich immer wieder in Blitzesschnelle unbemerkt in die Seilkonstruktionen m Publikum der Londoner Premiere saßen ein- und aushaken und nach dem Flug ohne Sturz elegant landen. Die übrigens auch die Kinder der mit Barrie Proben bringen alle bis an den Rand der Erschöpfung, und bis zum befreundeten Familie Llewelyn Davies, mit letzten Moment ist nicht klar, ob die Anforderungen alle zu meistern denen er sich bei seinen Spaziergängen im Wendy und Peter in sind – keine einzige Probe läuft ohne gravierende Probleme ab, der Kensington Park angefreundet hatte und für einer frühen Start des Stücks muss wegen technischer Schwierigkeiten um fünf Tage die und mit denen er die Figur Peter Pan Buchillustration (1907) © Alice B Woodward, The Peter Pan Picture Book
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zog geradezu eine Welle weiterer Barrie-Verfilmungen nach sich.
erfand und ausformte. Seinen ersten Auftritt hatte Peter Pan bereits in Barries Roman „Kleiner Weißer Vogel" (1902), da kann Peter zwar schon fliegen, ist aber noch ein Kleinkind, und seine Insel ist nicht Nimmerland, sondern ein Vogelnistplatz mitten im Runden See im Kensington Park.
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ames M. Barrie besaß im Übrigen selbst Züge seiner Figur Peter Pan: Ein Teil seiner Persönlichkeit wollte einfach nicht erwachsen werden. Er liebte das Spiel, die Fantasie und die nicht durch Gewöhnung eingeschränkte Neugier der Kinder und blieb – obwohl er als Erwachsener ein scharfsinniger, kluger und gebildeter Zeitgenosse war –, in seinem Innern stets ein Kind, das es liebte, mit anderen Kindern Spiele auszuhecken und erdachte Abenteuer zu erleben. Selbst seine Physis schien dies ausdrücken zu wollen: Zeitlebens kleinwüchsig, wurde Barrie nur etwa 1,50 Meter groß.
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© Bruce K. Hanson, The Peter Pan Chronicles", NY 1993 "
ach der glanzvollen Premiere wird „Peter Pan" in London auf Jahrzehnte hinaus zu jeder Weihnachtszeit neu angesetzt, in New York stürmisch umjubelt (und anschließend zusätzlich mit mehreren Ensembles dauerhaft durch die USA touren), zur festen Attraktion des Pariser Theaterpublikums. Barrie hat bald ein unerwartetes Problem, das ihn zu pädagogischen Hinweisen zwingt. Die Begeisterung nimmt bei manchen Kindern derart überhand, dass sie die Szenen nachspielen und ein übertriebenes Vertrauen in ihre Fähigkeit zu fliegen gewinnen – es kommt zu schwerwiegenden Unfällen, und Barrie ist zu öffentlichen Wendy (Mary Brian) näht Peter Pans Warnungen gezwungen. (Betty Bronson) Schatten an
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(Szene aus dem Film von 1924)
eine Peter-Pan-Wiedeaufführung zu Barries Lebzeiten war übrigens mit der des Vorjahres identisch. Die offene, episodische Struktur des Stücks gab dem Autor Gelegenheit zu immer neuen Änderungen und Ergänzungen, die „Peter Pan" von Jahr zu Jahr „runderneuerten" und das Publikum mit unerwarteten Überraschungen erfreuten. Alte Bühnenfotos zeigen heute völlig unbekannte Szenen wie den „Wettbewerb der schönen Mütter" – und geradezu legendär wurde ein eigener letzter Akt („An Afterthought"), der nur ein einziges Mal am Ende einer Spielzeit aufgeführt wurde. Geht man die Besetzungslisten der großen „Peter Pan"-Aufführungen in London und New York durch, gibt es übrigens etliche Jahrgänge, für die man gerne eine Zeitreise unternehmen würde: ins Jahr 1936 beispielsweise, als Charles Laughton einen besonders fürchterlichen Käptn Hook gab. Oder ins Jahr 1961, als die Schauspielerin und spätere PaulMcCartney-Freundin Jane Asher Wendy spielte.
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chon seit den frühen 1910er Jahren wurden Barrie gigantische Summen für die Verfilmungsrechte geboten, doch er zögert lange. Erst 1924 inszeniert Herbert Brenon eine Adaption, die einerseits den Zauber des Stücks und den Charme der Figuren einfängt, andererseits weitgehend theaterhaft bleibt. „Sie wiederholt, was auf der Bühne passierte, aber der einzige Grund für einen Film sollte sein, Dinge zu zeigen, die die Bühne nicht zeigen kann", schrieb Barrie in einer privaten Kritik. Die „New York Times" wählte den Film dennoch unter die zehn besten Filme des Jahres, und sein großer Erfolg
o erfolgreich „Peter Pan" in Großbritannien, den USA und Frankreich auf Anhieb wurde, in Deutschland taten sich das Stück, der 1911 auf seiner Grundlage geschriebene Roman und der Autor überhaupt lange schwer. Noch zu Beginn der 50er Jahre, als Erich Kästner das Stück übersetzte und in München auf die Bühne brachte, schrieb er enttäuscht: „Dass sich das vom Verfasser übersetzte Bühnenmärchen in Deutschland nicht einbürgern konnte, muss hier nicht nur festgestellt, sondern darüber hinaus tief bedauert werden. Man macht den deutschen Theatern und dem deutschen Publikum gelegentlich zum Vorwurf, dass sie Stücke aus dem Ausland allzu kritiklos übernähmen. Bei ,Peter Pan' ist der entgegengesetzte Vorwurf am Platze."
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eter Pans Erfolg in Deutschland begann allerdings wenige Jahre später, auf dem Umweg über Amerika. Walt Disney hatte in jungen Jahren mit Begeisterung eine der „Peter Pan"-Tournee-Aufführungen gesehen und später ebenso hingerissen Brenons Film. 1939 kaufte er die Filmrechte und begann mit seinem Team sogleich die Arbeiten. Ursprünglich sollte seine Version vermitteln, dass der Erfolg von Barries Stück, das für Kinder und Erwachsene gleichermaßen geschrieben war, nicht zuletzt auf dem Hintergrund ernster Themen beruhte. So geht es um das Ausgeschlossen-Sein aus dem Leben der anderen, um die dunkle Erfahrung des Todes, um das für Barrie typische Motiv einer Melancholie der Ungleichzeitigkeiten. Doch der II. Weltkrieg unterbrach dann die Arbeiten, und als sie Disney in den späten Vierzigern wiederaufnahm, setzte er ganz auf turbulente Schauwerte, cartoonhafte Komik und die familiengerechte Mischung aus zuckersüß animierten Figuren, dynamischer Fantasie und glitzernder Romantik. „Peter Pans heitere Abenteuer" – so der deutsche Titel bei Filmstart – brachte einen breiten Erfolg, flankiert u.a. von Comic-Varianten in Disneys weltweit verbreiteter ComicZeitschrift „Micky Mouse".
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ine größere literarische Erfolgs geschichte als „Peter Pan" lässt sich kaum denken. Die Welt, die Barrie vor mehr als einem Jahrhundert erfand, ist heute zum Allgemeingut geworden, zu einem unerschöpflichen Fundus, aus dem, offenbar nie endend, die spannenden Abenteuer und romantischen Motive fließen – für Filmadaptionen von Steven Spielbergs „Hook" (1991) bis Joe Wrights „Pan" (2015), für Musicals, Roman-Prequels und -Sequels, für Animationsserien (aktuell u.a. „Peter Pans neue Abenteuer" und „Disney’s Tinkerbell") oder Comic-Varianten wie Régis Loisels sechsteiligen „Peter Pan"-Zyklus (ab 1989). Seit dem sensationellen Erfolg seiner Premiere hat der Siegeszug von „Peter Pan" eben nie aufgehört ...
Werbe-Ikonen – Teil 3
Von Andreas Kötter
Herr Kaiser – Gut (für mich), "dass ich Sie treffe ..."
Dieser Mann war mir immer suspekt. Herr Kaiser" war von 1972 bis 2009 " auf dem Bildschirm zu sehen und gab sich immer freundlich, immer hilfsbereit. Eigentlich keine schlechten Charaktereigenschaften. Aber Herr Kaiser" war " Versicherungsvertreter für die Hamburg-Mannheimer. Und das war nun wirklich nichts, was mich damals hätte beeindrucken können.
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enn obwohl ich Mitte der 70er Jahre logischerweise längst noch nicht wusste, dass die 1997 im Ergo-Konzern aufgegangene, seinerzeit zweitgrößte deutsche Lebens- und Unfallversicherung 2007 einen der ganz großen Skandale der Versicherungsbranche lostreten sollte, war die betont korrekte, fast devote und vermeintlich vertrauenserweckende Ausstrahlung, die „Herr Kaiser" an den Tag legte, alles andere als dazu angetan, meine Sympathie zu gewinnen. Zur Erinnerung: Freie Mitarbeiter des Unternehmens hatten sich 2007 auf einer so genannten Incentive-Reise nach Budapest von Prostituierten ausgiebig für ihre guten Leistungen belohnen lassen. Drogen sollen damals ebenfalls im Spiel gewesen sein, auch wenn das Unternehmen dies dementierte. „Bild" titelte jedenfalls genüsslich: „Hier kokst der Kollege von Herrn Kaiser." Wenigstens „Herr Kaiser" selbst aber war nicht anwesend bei dieser Orgie nach historischem Vorbild in der berühmten Gellert-Therme, die die findigen Mitarbeiter der Versicherung kurzerhand zum Luxus-Puff hatten umfunktionieren lassen … Doch zu diesem Zeitpunkt war mein Urteil über „Herrn Kaiser", den Mann mit dem (Akten-)Koffer, ohnehin längst gefällt. Ein solcher Anzugträger war einem wie mir, der in diesen frühen Jahren kaum einmal ohne Cowboyhut oder Federschmuck das Haus verließ, ein Graus und ein Zeichen für Spießigkeit und den späten, noch aus den 60er Jahren herüberwehenden Muff der Nachkriegszeit. Wenn ich nur sein typisches „Gut, dass ich Sie treffe ..." vernahm, drehte sich mir schon der Magen um. Obwohl ich damals vom Versicherungsgeschäft noch kaum etwas verstand (daran hat sich bis heute nichts geändert), ahnte ich wohl bereits, dass der Einzige, für den ein solches Treffen etwas Gutes hätte bringen können, „Herr Kaiser" selbst bzw. die Hamburg-Mannheimer war. Die Tatsache, dass „Herr Kaiser" (bzw. Günter Geiermann, der Schauspieler, der den
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Versicherungsvertreter ab 1972 gab) 2013 noch einmal in den Medien auftauchte, weil er nicht ausreichend versichert war und sich daher keine neuen Zähne leisten konnte, mutet da beinahe – je nach Sichtweise – als komische Wendung des Schicksals oder als ironischbittere Quintessenz seines Wirkens an. Erneut titelte „Bild", wohl nicht ganz ohne die dem Blatt eigene Herr Kaiser – Häme: „Schlecht versichert? die personi Werbestar Herr Kaiser kann fizierte deutsche sich keine Zähne leisten." Spießigkeit Immerhin war Geiermann der mit Abstand prägendste „Herr Kaiser" gewesen, und das nicht nur, weil er der erste und der am längsten amtierende war. Erst 1990 übergab er seine ikonische Aktentasche an einen Nachfolger. Denn ähnlich wie etwa der „Marlboro-Mann" hatte auch „Herr Kaiser" buchstäblich viele Gesichter. Auf Geiermann folgten Michael Schwarzmann und 1996 Nick Wilder. Einen Vornamen bekam „Herr Kaiser" im Übrigen erst 1980. Günter sollte es sein, so dass Günter Geiermann möglicherweise die eine oder andere Identitätskrise durchmachen muss te und sich vielleicht manches Mal tatsächlich gefragt haben mag, wer er nun eigentlich wirklich ist, Geiermann oder doch „Herr Kaiser"? Jedenfalls soll der Schauspieler seine 18 Jahre „Herr Kaiser" auf Papier festgehalten haben. Erschienen ist dieses Manifest einer in der Fernsehwerbung gelebten Biederkeit aber nie. Er habe es in erster Linie für sich selbst geschrieben, sagte Geiermann einmal in einem Interview. Und schließlich ging auch „Herr Kaiser" den Weg alles Irdischen. 2009 hauchte er sein Leben aus. Für den biederen und immer etwas farblosen Anzugträger war in unserer grellen Zeit einfach kein Platz mehr.
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– Teil 4 –
Von Andreas Kötter
Unvergessene TV-Charaktere
Theo Kojak – Einsatz in " Manhattan"
Foto: Bildarchiv Hallhuber
Ich will ganz ehrlich sein. Ein wenig komisch kam er mir zunächst vor, dieser Theo Kojak. Der Cop mit der blitzblanken Glatze und der Vorliebe für Lollis war nicht gerade der Held, den ich damals, Anfang der 70er Jahre, als besonders attraktiven Vertreter seiner Gattung wahrgenommen hätte.
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Marotte, die damals den Absatz dieser süßen Schlecker um 500 Prozent gesteigert haben soll. Und auch sonst war Kojak ein Mann, der bei „Süßem" nicht nein sagen konnte. So lag ihm das weibliche Geschlecht häufig zu Füßen. Selbst die Damen, die er irgendwann dingfest machen musste, konnten sich der betont männlichen Ausstrahlung des stets wie aus dem Ei gepellten Lieutenants kaum entziehen. Und der genoss das sichtbar. Nie aber ging dieser Genuss so weit, dass Kojak seine Pflichten vergessen hätte. Im Gegenteil: Wenn es darauf ankam, war er ganz rechtschaffener, notfalls auch knochenharter Cop. So meine ich mich an eine Schlussszene erinnern zu können, in der er seinem weiblichen Gegenüber, das er zu diesem Zeitpunkt nicht überführen konnte, eine besonders prägnante Warnung mit auf den Weg gab: „Und wenn es das Letzte ist, was ich tue", so Kojak, „ich sorge dafür, dass du auf der Müllkippe landest, Baby!" Mit „Baby" hatte er es ohnehin: Sein Ausruf „Entzückend, Baby!" wurde ebenso zu seinem Markenzeichen wie die Lollis und die – wohlgemerkt im Zeichen der Zeit – stilsichere Wahl seiner Anzüge. Alles in allem
Diese Bewegung hatte vor allem in den 50er und 60er Jahren für die Gleichberechtigung der schwarzen Bevölkerung gekämpft. Und eine sozial-politische Kompetenz sollte Kojaks Wirken auch in den kommenden fünf Jahren und 118 Folgen stets auszeichnen. Dass sich der Mann angesichts des vielen Elends, das er tagtäglich auf den Straßen New Yorks miterleben musste, hin und wieder einen Zigarillo, vor allem aber auch einen Lolli gönnte, war eine kleine, aber doch sympathische
wurde mir Theo Kojak im Laufe der fünf Staffeln (viel später sollte es noch einige weitere TV-Movies geben) so doch noch zu einem meiner guten Freunde aus Übersee. Und wie es guten Freunden aus fremden Landen nun mal eigen ist, war Kojak nicht nur ein aufrechter Cop und feiner Kerl, sondern auch ein guter Reiseführer. Denn „Einsatz in Manhattan" wurde zumindest teilweise an Originalschauplätzen gedreht, so dass mich Kojak – ähnlich seiner Kollegen von der Westküste, Lt. Mike Stone (Karl Malden) und Inspector Steve Heller (Michael Douglas), die mir zur selben Zeit „Die Straßen von San Francisco" nahe brachten – mit großer Expertise durch die berühmte Stadt führte, die bekanntlich niemals schläft.
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ass Lt. Theo Kojak (Telly Savalas) tatsächlich über einen ungeheuren Sex-Appeal verfügte, dafür hatte ich – angesichts meines damaligen Alters wohl verständlich – noch kein Auge. Was mir allerdings sehr wohl schnell klar wurde, war der Umstand, dass es sich bei diesem Kojak um einen Mann handelte, dem seine Integrität und sein Sinn für Gerechtigkeit über alles gingen. Weshalb er sich auch schon mal über die eine oder andere unsinnige Anweisung seiner Vorgesetzten hinwegsetzte. Bereits sein erster Fall gehörte zu den großen TV-Ereignissen jener Zeit. „Der Mordfall MarcusNelson", der Pilotfilm zur Serie und auf einem wahren Fall basierend, war ein beeindruckendes Beispiel dafür, dass sich Lt. Kojack (damals noch mit einem „c") nur der Gerechtigkeit und sonst nichts und niemandem verpflichtet sah. Manche Kritiker glaubten gar, dass diese Story, wäre sie nicht im TV, sondern im Kino gelaufen, das Zeug für einen Oscar gehabt hätte. Das ist schon deshalb bemerkenswert, weil TV-Produktionen damals – im Gegensatz zu heute – noch nicht als das bessere, weil intensivere und atmosphärisch dichtere Filmerlebnis im Vergleich zum Kino galten. Zudem war „Der Mordfall Marcus-Nelson" (den ich allerdings erst Jahre nach der eigentlichen Serie gesehen habe) ein Plädoyer gegen Vorverurteilung und Rassismus und stand damit ganz im Geiste der Civil Rights Movement in den USA.
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Billy Jenkins Billy Jenkins kann als deutsche Legende gelten. Er war ein talentierter Schauspieler, Zirkus- und Varietékünstler, Wildwestreiter, Lassowerfer, Peitschenschwinger, Illusionist, Clown und ein besonders hervorragender Kunstschütze sowie begnadeter Greifvogel dompteur. Jenkins schien süchtig nach Abenteuern und besaß ein gewaltiges Showtalent, eine blühende Fantasie, feierte als Buchautor und Titelheld der Romanserie Billy Jenkins" Erfolge. "
König der Cowboys
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enkins, der mit bürgerlichem Namen Erich Rudolf Otto Rosenthal hieß, wurde am 26. Juni 1885 in Magdeburg geboren und entstammte einer Artistenfamilie. Bereits im zarten Alter von fünf Jahren hatte der kleine Erich ein Schlüsselerlebnis, das sein späteres Leben entscheidend prägen sollte: Im Sommer 1890 gastierte in Berlin „Buffalo Bills Wildwest-Show", und der kleine Junge durfte, auf den Knien des berühmten Büffeljägers sitzend, durch die Manege reiten. Immer wieder erzählte er seinen Mitschülern mit großer Begeisterung von dieser Begegnung – und bald schon wurde er nur noch Billy genannt. Die Schule war nicht so sein Ding, weshalb er eine Metzgerlehre begann, die er aber sehr schnell wieder abbrach, denn Billy war ein großer Tierfreund. Er wollte unbedingt nach Amerika und schlug sich dann ohne einen Pfennig immerhin bis Hamburg durch. Jenkins' eigenen Aussagen zufolge heuerte er als 15-jähriger Schiffsjunge auf einem Handelsschiff an und gelangte so nach Südafrika. Dort arbeitete er auf einer Ranch, nahm am Burenkrieg teil und geriet in englische Kriegsgefangenschaft. Die Engländer brachten ihn nach Ceylon, aber er konnte fliehen und gelangte auf einem deutschen Schiff nach Hongkong. In China nahm er am Boxeraufstand teil und kehrte 1901, zusammen mit den Truppen von Feldmarschall von Waldersee, nach Deutschland zurück. Sein großer Traum aber – Cowboy-Artist zu werden – bestimmte weiterhin sein Handeln.
der Schwester seiner Mutter, die mit einem Amerikaner namens Jenkins verheiratet war. Auf einer Ranch in Laredo lernte er die Arbeit der Cowboys kennen und gewann sogar einen Wettbewerb bei einem Rodeo. Er bekam einen Vertrag bei der 101. Ranch Show und reiste kreuz und quer durch Amerika. Billy war von ständiger Unrast getrieben, und so trat er eines Tages in die Military Volunteer Cadet School ein, bei der es sich um eine Elitetruppe handelte, die für Amerika werben sollte. Billy trat bei den Darbietungen als Kunstschütze auf. Die Reise ging quer durch die USA und weiter nach Kanada – und führte ihn 1907 schließlich nach Deutschland. In Berlin lernte er seine spätere Partnerin Olly Egidy kennen, und die Kadetten aus Amerika mussten ohne ihn weiterreisen. Die junge Artistin war eine bildschöne Frau und die einzige Kunstschützin der Welt. Schon sehr bald gingen die beiden unter dem Namen „Miss Margo Astoria und Captain Billy Jenkins" auf Tournee. Jenkins bereiste mit seiner Wildwest-Schau ganz Europa und trat in Zirkussen und Varietés als unübertroffener Kunstschütze auf. Auch zeigte er seine Lassound Bullpeitschenkünste und andere Cowboytricks. Als einziger Dompteur der Welt brachte er dressierte Adler und andere Raubvögel auf die Bühne. Dabei trug er ein Bühnendress aus weißem Leder mit echten
Schon bald reiste Jenkins dann mit einem Dampfer von Hamburg nach New York und weiter zu Seite
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indianischen Stickereien und natürlich seinen unverkennbaren Westernhut mit der gewaltigen Krempe. Billy Jenkins war Halbjude. Um sein Überleben in Deutschland zu sichern, wurde er unter dem Namen Erich Fischer nach der Machtübernahme Mitglied der NSDAP. Warum er nicht in die USA auswanderte, wo er doch angeblich bereits viele Jahre dort gelebt und gearbeitet hatte, wird für immer ein Rätsel bleiben. Es könnte jedoch auch ein Indiz dafür sein, dass seine angeblichen Erlebnisse in fremden Ländern tatsächlich nur seiner Fantasie entsprungen waren. Sicher ist jedoch, dass Jenkins mit seinen Auftritten das Publikum begeisterte. Schein und Wirklichkeit lagen nahe beieinander, und er spielte seine Rolle so gut, dass niemand mehr genau sagen konnte, was nun gespielt oder echt war. Am 5. August 1940 nahm das Leben für Billy Jenkins dann eine schicksalhafte Wende. Mit dem Zirkus Busch reiste der Artist von Stadt zu Stadt. Auf der Fahrt von damals Litzmannstadt nach Waldenburg in Schlesien stoppte der Sonderzug plötzlich auf freier Strecke, und Schreckensrufe waren zu hören. Der Wagon mit den dressierten Adlern stand lichterloh in Flammen. Jenkins versuchte alles, um seine geliebten Tiere zu retten, und erlitt dabei schwerste Brandverletzungen. Viele Monate schwebte er zwischen Leben und Tod und wurde sechsmal operiert. Ein Teil seines Brustkorbs hatten die Ärzte entfernt, weshalb er seitdem ein Stahlkorsett mit Metallplatten tragen musste, um überhaupt gehen zu können. Nach dem Krieg wurden Vermutungen laut, dass es sich bei diesem Unglück um einen gezielten Terroranschlag der SS gehandelt haben könnte, um den Halbjuden Billy Jenkins unauffällig aus der deutschen Öffentlichkeit zu entfernen. 1942 war er wieder auf der Bühne zu sehen, und ab Oktober 1949 tingelte er mit seiner eigenen Wildwest-Schau von Volksfest zu Volksfest. Zuletzt verschlug es ihn nach Köln. Zusammen mit seiner Lebensgefährtin lebte er in einem Wohnwagen. Für die damalige Zeit hatte er ein relativ gutes Einkommen, denn er bekam für die Namensgebung der „Billy Jenkins"Heftserie pro Exemplar einen Pfennig.
Billy Jenkins starb am 21. Januar 1954. Ein 500 Meter langer Trauerzug folgte seinem Sarg auf den Kölner Melaten-Friedhof. Darunter waren Abordnungen der deutschen Indianer- und Cowboy-Vereinigungen. Am Kopfende seines Sarges lag sein breiter, leuchtend weißer Cowboyhut, ohne den er sich niemals fotografieren ließ. Bei diesem Begräbnis erklangen für einmal keine Kirchenlieder, sondern die Songs der Prärie, wie sie die Cowboys nach langem Ritt am Lagerfeuer singen. Das Grab von Billy Jenkins findet man, wenn man von der Aachener Straße durch das Tor III geht, auf der linken Seite im Flur 55. GoodTimes
So richtig berühmt wurde Billy Jenkins natürlich durch die Romanhefte, die hohe Auflagen erzielten und ungeheuer beliebt waren. Bereits im Rahmen der Heftreihe „Hans Stosch Sarrasani. Fahrten und Abenteuer", die von 1923 bis 1931 lief, erschienen vier Hefte mit Billy-Jenkins-Geschichten. Ab 1934 veröffentlichte der Werner Dietsch Verlag in Leipzig bis zum Ausbruch des 2. Weltkrieges insgesamt 264 kleinformatige Romanhefte und 56 Bücher. Die ersten vier Romane soll Billy Jenkins angeblich selbst geschrieben haben, aber er war nicht der Mensch, der die Arbeit am Schreibtisch liebte. Zu den Autoren soll er gesagt haben: „Schreibt über mich, was immer ihr wollt, nur nichts Unehrenhaftes!" Originalfotos auf dem Titelbild und der Satz: „Nach Berichten des Westmannes Billy Jenkins" suggerierten den Lesern, dass der Titelheld die Abenteuer selbst erlebt hatte. Die Hefte sind im Format von 13,5x16,5 cm gehalten, weisen 96 Seiten Umfang auf und kosteten damals 30 Pfennige. Die Serie musste dann zum Bedauern vieler Leser eingestellt werden, weil sie nicht ins Konzept der NS-Propaganda passte. Ab 1949, als es mit Deutschland wieder aufwärts ging, gab es auch wieder „Billy Jenkins"Heftromane und -Bücher im Zeitschriftenhandel zu kaufen. Bis 1963 veröffentlichte der Uta- bzw. Pabel-Verlag 370 Hefte und 116 Bücher. Die ersten 159 Hefte mit 32 Seiten Umfang kosteten 40 Pfennig. Ab Nummer 161 wurde die Seitenzahl auf 48 erweitert, mit Nummer 265 sogar auf 64, und ab der Ausgabe 208 waren die Umschläge mit farbigen Bildern versehen. Auch der Preis für ein Romanheft stieg mit der Formatänderung nach und nach bis auf 70 Pfennige. Unter den Autoren waren so bekannte Größen wie G.F. Unger und Rolf Randall. Die Titelbilder der „Billy Jenkins"-Hefte stammen alle vom Bremer Kunstmaler Heinrich Berends (1894–1973). Die gute Nachricht: Die Legende von Billy Jenkins lebt. Die Begeisterung für Wildwest geschichten ist besonders in Deutschland sehr groß. Sowohl die VorkriegsHeftserie und die Bücher als auch die Hefte aus den 50er Jahren gibt es als liebevoll aufbereitete Faksimile nachdrucke für kleines Geld überall im Fachhandel, zum Beispiel bei der Sammlerecke (www. sammlerecke.de) oder der Bremer-ComicMafia (www.comicmafia.de) sowie dem Comicladen-Kollektiv in Hamburg (www. comic-antiquariat.de). Besonders spezialisiert auf den „Zeitsprung zurück in die unbeschwerte Kindheit" hat sich Dieter Kirchschlager mit seinem Comic-Versand (www.nostalgiecomics.de) für Faksimilenachdrucke von Comics und Romanheften der 50er und 60er Jahre. Hier findet der Interessierte auch kompetente Beratung, und die Möglichkeit von Lieferungen im Abo ist jederzeit, sogar rückwirkend, möglich. Hans-Joachim Neupert 1/2017
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Borussia Mönchengladbach vs. FC Liverpool
Geliebter Feind Zum zweiten Mal in Folge spielt Borussia Mönchengladbach in dieser Saison in der lukrativen Champions League. Ein riesiger Erfolg für den Klub vom Niederrhein, der noch vor fünf Jahren mit anderthalb Beinen in der Zweiten Liga stand. Da mag manch einer beinahe vergessen haben, dass die Borussia einst, in den 70er Jahren, nicht als Außenseiter in den internationalen Wettbewerben antrat, sondern als eines der besten Teams Europas. So gewannen die legendären Fohlen" zwischen 1975 und 1980 zweimal den UEFA-Cup. Im " Europa-Pokal der Landesmeister aber, dem Vorgängerwettbewerb der Champions League, mussten sich die Borussen ihrem damaligen Dauerkonkurrenten, dem übermächtigen FC Liverpool, stets geschlagen geben. Im Exklusiv-Interview mit kult! erinnert sich der heutige Vize-Präsident und damalige Mittelfeldstar der Gladbacher, Rainer Bonhof, an die unvergessenen Rasenschlachten gegen den Klub von der legendären Anfield Road. Herr Bonhof, wird das Verhältnis von Borussia Mönchengladbach zum FC Liverpool in den 70er Jahren am besten durch den schönen Begriff „geliebter Feind" charakterisiert? Das könnte man so oder ähnlich ausdrücken. Vielleicht spricht man aber besser noch von einer großen Rivalität, die von ebenso großem Respekt geprägt wurde. Beide Mannschaften hatten damals eine Riesenzeit, aber der FC Liverpool war von der Anlage her einfach das robustere Team. Die hatten ein paar Jungs wie Ray Kennedy, die man sich auch sehr gut in unseren Reihen hätte vorstellen können. Die Spielanlage der Mannschaft war aber typisch englisch: immer lange Bälle in die Spitze, wo mit John Toshack zentral und mit Steve Heighway und Kevin Keegan auf den Flügeln Top-Leute standen. Diese Jungs waren nicht nur flott zu Fuß, sondern auch so robust, dass man beim Versuch dagegenzuhalten eher sich selbst wehtat als dem Gegner. Andererseits hat Kevin auch später, als er längst beim HSV spielte, immer wieder betont, welch großen Respekt die Engländer vor unserer Spielanlage hatten.
Von Andreas Kötter
Landesmeister 1977 in Rom und auch ein Jahr später im Halbfinale des Landesmeister-Wettbewerbs.
Welches Aufeinandertreffen oder welcher Moment hat sich Ihnen am tiefsten eingeprägt?
Europapokal 72/73 – Begrüßung: Netzer und Smith. Mitte: Schiedsrichter Linemayr. UEFA-Cup-Finale 1973: Kevin Keegan auf den Schultern der Fans
Gerade auch die ersten beiden Aufeinandertreffen, in den UEFA-PokalEndspielen der Saison 1972/73. Wobei dieses Finale genaugenommen nicht in zwei, sondern in „zweieindrittel" Spielen ausgetragen wurde. Das Hinspiel an der Anfield Road musste nach knapp 30 Minuten wegen sintflutartiger Regenfälle abgebrochen werden. An Fußball war nicht mehr zu denken. Deshalb wurde für den kommenden Tag ein Wiederholungsspiel angesetzt. Und in diesem Spiel haben uns die „Reds" beim 0:3 einen ordentlichen Einlauf verpasst, den wir im Rückspiel trotz eines 2:0-Sieges nicht mehr wettmachen konnten.
Und bei dieser Dramaturgie – mal ein Sieg im Heimspiel, in der Addition aber stets das Nachsehen zu haben – sollte es bleiben ... Leider. In der Saison 1977/78 trafen wir im Europa-Pokal der Landesmeister im Halbfinale auf Liverpool. Damals konnten wir die „Reds" zu Hause, bzw. im Düsseldorfer Rhein-Stadion, wo wir unsere internationalen Spiele austrugen, mit 2:1 schlagen. Der Siegtreffer gelang uns aber erst in der vorletzten Spielminute, als ich einen Freistoß direkt verwandeln konnte. Das bedeutete zwar einen Prestige-Erfolg. Aber in den Gesichtern meiner Teamkollegen konnte ich bereits lesen, dass wohl keiner so recht daran glauben mochte, dass dieser Vorsprung fürs Rückspiel reichen würde. Und genauso kam es beim 0:3 in Liverpool schließlich auch.
Borussias „Fohlen" waren in den 70er Jahren mit begeisterndem Offensivfußball auf nationaler Ebene erfolgreicher als der FC Bayern München und gewannen international zweimal den UEFA-Cup. Gegen den FC Liverpool aber hatte man letztlich immer das Nachsehen ... Das ist richtig. Wir konnten zwar mal ein Spiel gewinnen, in der Summe aber waren die Engländer immer vorne. Das war bei den beiden UEFA-Cup-Endspielen so (das UEFA-CupFinale wurde in Hin- und Rückspiel ausgetragen; Anm. d. Autors), im Finale des Europa-Pokals der
Europapokal der Landesmeister 1976/77: Gladbacher Spieler nach dem Spiel Seite
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Sie waren damals für Ihre extrem hart geschossenen Freistöße bekannt. Und bis heute hält sich die Anekdote, dass Liverpools Keeper Ray Clemence Tränen der Wut vergossen haben soll, weil er gegen Ihre Geschosse machtlos war ... Bonhof: Ob das wirklich so war, weiß ich
UEFA-Pokal 72/ 73: l. Rupp, Nr. 6 Hughes, r. Bonhof Unsere Akkus waren nach München einfach noch nicht wieder aufgeladen. In meiner Erinnerung segelte in den letzten 20 Minuten ein langer Ball nach dem anderen in unseren Strafraum. Und selbst wenn wir mit drei Mann an ihnen hochkletterten, gaben sich Ray Kennedy, Ian Callaghan und Co. völlig unbeeindruckt und legten diese Bälle auf Keegan und Heighway ab. Und dieses Finale war nur der Anfang von Liverpools ganz großer Zeit. In der Folge gewannen die Jungs von der Anfield Road die LandesmeisterTrophäe bis 1985 noch drei weitere Male.
nicht. Ich war ja nicht in der Kabine der „Reds" (lacht). Aber geärgert hat sich Ray damals ganz bestimmt. Vor allem, weil er nur eine Woche später beim Länderspiel Deutschland gegen England in München erneut einen Freistoß von mir passieren lassen musste. Er hatte nach dem Halbfinaltreffer wohl großen Respekt vor meinen Schüssen, so dass er im Länderspiel die Mauer seiner Meinung nach anders positionieren musste. Letztlich gab mir genau das aber die Chance, den Ball an der Mauer vorbei in die kurze Ecke zu pfeifen. Man konnte sehen, dass Ray wirklich genervt war. Wohl auch, weil England lange 1:0 geführt hatte und erst in der 79. Minute durch Ronnie Worm den Ausgleich hinnehmen musste. Und kurz vor Schluss war es dann wieder so weit: Freistoß für uns, drin, 2:1 gewonnen. Kurioserweise also eine ähnUEFA-Europapokal 1973: FC Liverpool Fans liche Dramaturgie wie eine Woche zuvor im Halbfinale des Europa-Pokals. Die bitterste Niederlage war Torwart Wolfgang Kleff im Regen
wohl das 1:3 im Finale des Landesmeister-Wettbewerbs ein Jahr zuvor. Manche Experten glaubten damals, dass Trainer Udo Lattek die Borussia ihrer größten Qualität, der ungestümen Offensivpower, mit einer zu vorsichtigen Spielweise beraubt hatte ...
Wie aber konnte bei all dieser Rivalität schließlich eine so enge Verbindung zwischen den beiden Klubs entstehen?
Eine große Rolle hat nicht zuletzt die Haltung der Engländer nach diesem Finale gespielt. Trotz aller Überlegenheit der „Reds" gegen Ende der Partie hatte das Spiel zuvor lange auf der Kippe gestanden. Und vielleicht kam Kevin nach Schlusspfiff in den Katakomben auch deshalb zu Berti Vogts und mir und meinte: „Jungs, kommt doch mit in unser Hotel, dann trinken wir einen zusammen, das habt ihr euch wirklich verdient." Wir haben das gerne angenommen und UEFA-Cup 2. Finale: Günter Netzer resigniert auf einen Whiskey vorbeiTorschütze geschaut. Diese Einladung Europapokalendspiel der Landesmeister '77 in Rom. Die Liverpooler Simonsen war es letztlich, die mir Spieler v.l.: Case, Hughes u. Jones mit dem Pokal auf der Ehrenrunde und Bonhof noch einmal ganz deutlich bejubeln den gezeigt hat, dass sich beide Ausgleichs- Mannschaften, aber auch die treffer jeweiligen Verantwortlichen zum 1:1 der Klubs stets mit großer gegenseitiger Achtung und Fairness begegnet sind. Und das war und ist ein sehr gutes Gefühl.
Es ist sicher richtig, dass Udo uns beigebracht hatte, auch mal mit einem 1:0 zufrieden zu sein. Aber darin sehe ich nicht den Grund für unsere Niederlage. Die Niederlage in Rom hatte mit unserer Spielweise wenig zu tun, sondern war eher der besonderen Situation geschuldet, in der wir uns damals befanden. Nur vier Tage zuvor ging es für uns noch darum, den deutschen Meistertitel zu sichern. Schalke 04 war uns hart auf den Fersen, und wir hatten am letzten Spieltag bei Bayern München anzutreten. Nach einer 2:0-Führung mussten wir uns am Ende zwar mit einem 2:2-Unentschieden zufriedengeben. Dieser eine Punkt reichte aber schließlich aus, die Schalker um wiederum einen Punkt auf Distanz zu halten. In diesen 90 Minuten hatten wir uns voll ausgepowert und waren danach schlichtweg fertig – nicht zuletzt, weil an diesem Tag in München mit 34 Grad eine Affenhitze herrschte. Während wir deshalb erst zwei Tage vor dem Finale nach Rom reisen konnten, war der FC Liverpool bereits drei Tage vor Ort und hatte sich gut akklimatisieren können.
Europapokal der Landesmeister 1977/78 Halbfinale: Rainer Bonhof
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Am Ende fehlte der Borussia also vor allem die Kraft? Zumindest waren die Umstände alles andere als ideal. Nichtsdestotrotz konnten wir Liverpools Führung kurz nach der Pause durch ein Granatentor von Alan Simonsen von halblinks oben in den Winkel egalisieren. Als Liverpool aber erneut in Führung ging, hatten wir nichts mehr entgegenzusetzen.
Europapokal der Landesmeister 1977/78: Halbfinale: Rainer Bonhof gegen Ryan Kennedy, links Wilfried Hannes GoodTimes
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Später resultierte aus dieser gegenseitigen Achtung auch eine große Fanfreundschaft, wie sie eher ungewöhnlich ist für englische Teams. Und bis heute besuchen sich die Fangruppen einmal im Jahr gegenseitig. Was aber ist auf ganz persönlicher Ebene geblieben?
Während meiner Zeit als Co-Trainer von Berti Vogts bei der Nationalmannschaft und später als Trainer der schottischen U21Nationalmannschaft habe ich bei verschiedenen FIFA- oder UEFA-Terminen den einen oder anderen der „Reds" immer mal wieder getroffen. Wie Ray Clemence, der damals längst wieder lachen konnte über seine Missgeschicke bei meinen Freistößen. Und Kevin Keegan ist mir eine Zeit lang ständig über den Weg gelaufen (lacht). Ich habe häufig Urlaub in Marbella gemacht, und Kevin lebte zu dieser Zeit dort. Also haben wir uns regelmäßig verabredet, mal zum Golfen, mal zum Essen. Am schönsten für mich ist aber, dass auch unsere Fans untereinander eine so enge Beziehung pflegen. Das ist für mich ein wichtiges Zeichen dafür, was der Fußball nicht nur über Vereins-, sondern sogar über Ländergrenzen hinweg bewirken kann.
DIE MUMINS
Von Michael Fuchs-Gamböck
Die sagenhafte Welt freundlich-friedlicher Trolle Das Snorkfräulein. Der Hemul. Die Morra. Der Schnupferich. Die Filifjonka. Die Hatifnatten. Schließlich der Muminsohn, die Muminmutter, der Muminvater. Es sind bereits die ungewöhnlichen Namen, die darauf hinweisen, dass es sich bei den Protagonisten, die den eigens für sie geschaffenen Mikrokosmos bewohnen, nicht wirklich um solche aus der schnöden Realität handelt. Tove Jansson
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© Verlag Urachhaus
umindest Zeitgenossen jenseits der 40, die eskapistisch veranlagt sind und sich von Literatur, Comics und Filmen liebend gern in eine andere, harmonischere, friedfertigere Welt katapultieren lassen, reagieren bis heute verzückt, wenn in ihrer Anwesenheit auch nur der Name „Mumin” fällt. Und mit Blick auf alle Unwissenden wird es nun eben höchste Zeit, diesen schrulligen Clan und seine nicht minder skurrilen Freunde einer Öffentlichkeit vorzustellen, für die Wunder, Empathie, Freundschaft, Zusammenhalt, aber auch maximale individuelle Freiheit eine immer geringere Rolle zu spielen scheinen. Es geht also letztlich auch darum, die Frau vorzustellen, die dieses außergewöhnliche, schillernde Reich kraft ihrer unbändigen Fantasie erschaffen hat!
Bildhauer. Als Tove auf die Welt kam, war der Erste Weltkrieg gerade ausgebrochen. Die Eltern setzten dem Grauen von Gewalt und Tod dann so entschlossen wie ohnmächtig ihre Kunst entgegen. Als Tove Jansson Jahrzehnte später, Ende der 30er Jahre, daran ging, den Mumins-Kosmos zu kreieren, herrschte bezeichnenderweise wieder Krieg. Jansson hatte in dieser Zeit eine Menge Aufträge als Illustratorin und war mitunter gar beunruhigt, weil ihr vielleicht zu wenig Zeit für ihre eigentliche Obsession, das Malen, bleiben würde. Und dennoch begann sie in den Zeiten der grässlichen Kriegswirren, von denen auch ihre Heimat Finnland nicht verschont blieb, mit den ersten Vorarbeiten für Kinderbücher. Steckten wirtschaftliche Gründe dahinter? Nein, erklärt die finnische Jansson-Biografin Tuula Karjalainen in dem hervorragenden Werk „Tove Jansson. Die Biografie” (Urachhaus-Verlag, 2014, 350 Seiten, 36 Euro). „Vielmehr schrieb sie die Mumin-Bücher für sich selbst, zumindest am Anfang”, stellt die Autorin fest. Es ist offensichtlich, dass wir die Mumins und ihre Mitstreiter dem Krieg verdanken. Zwar waren die meisten der liebenswerten Gestalten bereits Mitte der 1930er Jahre entstanden. „Aber erst während des Krieges schuf Tove Jansson aus ihnen eine eigene Welt, in der auch sie selbst als Schriftstellerin Zuflucht fand”, mutmaßt Karjalainen.
Tove Jansson heißt die geniale Schöpferin, geboren am 9. August 1914 als Tochter einer Schwedin und eines Finnen, die Mutter Zeichnerin, der Vater Seite
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Tove Jansson erklärte die Entstehungsgeschichte ihrer Mumin-Welt in einem ihrer zahlreichen Tagebücher – die Passage ist kurz vor ihrem Tod niedergeschrieben worden – wie folgt: „Obwohl ich in meinem tiefsten Inneren Malerin bin, fühlte ich mich Anfang der 1940er Jahre, während des Kriegs, so verzweifelt, dass ich anfing, Märchen zu schrei-
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Suzi Quatro
kult!
Borussia MĂśnchengladbach 1972
kult!
Foto: Š Horstmueller
Die erste Mumin-ähnliche Gestalt malte Jansson interessanterweise bereits als junges Mädchen an die Wand eines Toilettenhäuschens in ihrer Heimatstadt Helsinki. Daneben schrieb sie: „Freiheit ist das Beste von allem.” Der erste Mumin-Cartoon der Hochbegabten sollte übrigens den Verfasser dieses Satzes, den Philosophen Immanuel Kant, darstellen, bis ans Ende ihrer Tage die große Ikone der Künstlerin. Eigentlich hatte das Wesen mit der Nilpferd schnauze ja ziemlich wenig mit dem Porträtierten zu tun, stattdessen eher eine gewisse Ähnlichkeit mit einem Troll. Sei’s drum. Jenes frühe Mumin-Porträt entstand noch zu Janssons Schulzeit. Die Schule, ach ja – Tove fühlte sich dort alles andere als wohl, richtiggehend eingesperrt, ihrer Freiheit beraubt. Schließlich wuchs sie zwischen waghalsigen Bildern und Skulpturen in der finnischen Hauptstadt auf. Als Hitler in Deutschland an die Macht kam, zeichnete die politisch links orientierte junge Frau dann Karikaturen des Diktators, etwa als quengelndes Kind, das immer mehr vom Kuchen will. Tove Jansson machten die radikalen, von Aggression geprägten politischen Umstände der 30er Jahre Angst. Ja, sie war geradezu angewidert davon. Aus dieser Ablehnung von Gewalt und weltpolitischem Chaos resultierte schließlich das Mumin-Tal mit seinen zwar gelegentlich undurchsichtigen, letztlich aber immer liebevollen Individuen. „Dabei ging es nicht um eine endgültige Abkehr von der Realität, sondern darum, sich an einem anderen Ort aufzuhalten, von dem man immer wieder zurückkehren konnte”, schreibt Tuula Karjalainen in ihrer Biografie. Die Mumin-Geschichten sind definitiv von jenen Büchern beeinflusst, die Tove Jansson als junges Mädchen verschlungen hatte, etwa „Die wunderbare Reise des kleinen Nils Holgersson” von Selma Lagerlöf oder dem Klassiker „Alice im Wunderland” von Lewis Carroll. Beide Meisterwerke werden vorrangig als Kinderbücher gehandelt – sind es aber nicht wirklich, weil sie Erwachsene, wenn auch aus anderen Motiven als die kleinen GoodTimes
Doch der Mumin-Kosmos ist nicht durchwegs eine Idylle, wie Tove Jansson immer wieder erklärt hat: „Ich will nichts von dem weglassen, was zur Welt der Kinder auch gehört: das Geheimnisvolle, Zärtlichkeit oder Grausamkeit”, hält sie fest. „Ich glaube, dass es in jedem ehrlichen Kinderbuch etwas gibt, das einem Angst macht. Das fasziniert auf eine unbewusste Art und Weise ängstliche und selbstsichere Kinder gleichermaßen, ebenso wie das Destruktive.”
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ben.” Tatsächlich vermochte sie dem Krieg nicht zu entfliehen. Aber dank ihres Eintauchens in eine Idylle – als Illustratorin wie als Autorin – konnte sie dem unfassbaren Schrecken wenigstens kurzzeitig entkommen. In der selbst geschaffenen Fantasiewelt ließ es sich leichter atmen und an etwas anderes denken.
Leser, ebenfalls in ihren Bann ziehen. Und so geht es einem auch bei den Werken von Tove Jansson. Nicht umsonst hat sie im Interview mit einer finnischen Tageszeitung einmal betont: „Wenn meine Geschichten eine besondere Anziehungskraft auf einen bestimmten Typ Leser ausüben, dann vielleicht auf Sonderlinge. Ich meine damit Menschen, denen es schwerfällt, sich einzuordnen, solche, die abseits oder am Rande stehen. Die schüchtern sind. Jene Art von Schrulligkeit, die man erfolgreich hinter sich gelassen oder unterdrückt hat.”
Und dennoch: Das Mumin-Tal selbst ist ein Hort der Glückseligkeit, ein Vorgeschmack auf eine Art biblisches Paradies. Was nicht nur an der satten Natur liegt, stark von Janssons beinahe unberührter skandinavischer Heimat geprägt, sondern auch an den so unterschiedlichen Charakteren, die darin wohnen, die sich zwar nicht immer grün sind, doch spätes tens wenn Gefahr von außen droht, bedingungslos zusammenstehen. Trotzdem verirren sich die Bewohner des MuminTals schon mal auch ans wilde Meer, wo Katastrophen drohen. Oder sie gehen ganz bewusst auf Abenteuerreise, weil ihnen das gelegentlich etwas zu beschauliche Dasein im Tal eintönig wird. Exakt in diesem spannungsreichen Mit- und auch Gegeneinander jener höchst unterschiedlichen Welten bringen die Mumins und ihre Freunde ihr Leben zu. Exakt diese so verschiedenen Sphären machen auch den originellen Reiz der Mumin-Werke aus. *Der Abdruck erfolgt mit freundlicher Genehmigung durch den Verlag Urachhaus
*Kunstmuseum Tampere / Jari Kuusenaho
*picture alliance / Lehtikuva / Reino Loppinen
Selbstportrait (1940)
1945 erschien das erste Mumin-Buch, dem rasch weitere Bände folgten. Die kauzigen Trolle und ihre Freunde wurden schon bald weltberühmt. Anfang der 1950er Jahre erhielt Tove Jansson von der renommierten englischen Associated Press dann den Auftrag, die Abenteuer der kauzigen Gesellschaft in Comics umzusetzen. Daraus wurde ab 1954 die bis heute erfolgreichste finnische Serie, veröffentlicht in 120 Zeitungen in 40 Ländern weltweit. Und Jansson mehrte den Ruhm ihrer Kreaturen in den nächsten Jahrzehnten, indem sie maßgeblichen Anteil an der Verbreitung der Mumin-Saga in Form von Theaterstücken, Gesellschaftsspielen oder Fernsehserien hatte.
So sehr die Trolle Tove Jansson anfangs glücklich gemacht hatten, so sehr wurde sie ihrer im Laufe der Jahre allerdings dann überdrüssig. Nach neun Mumins-Romanen kehrte sie ihren liebenswerten Gestalten endgültig den Rücken, kehrte zurück zur Malerei und begann, Literatur nur für Erwachsene zu schreiben. Am 27. Juni 2001 starb sie, obwohl Kettenraucherin, im hohen Alter von fast 87 Jahren. Auf die Frage, wie sie sich das Leben nach dem Tod vorstelle, soll sie nur gegrinst und gemeint haben: „Ich hoffe, dass es eine fröhliche Überraschung wird.” 1/2017
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Boeing 747 – Jumbo-Jet
Aus dem Leben eines Buckelwals A
Seattle am 9. Februar 1969: Ein Monstrum rollt auf die Startbahn – bucklig, über 70 Meter lang und mit einer sagenhaften Spannweite von fast 60 Metern. Die völlig neuartige Boeing 747 ist doppelt so groß wie alle anderen Flugzeuge, die in den späten 60er Jahren im Liniendienst sind. Bis zu 550 Passagiere finden im Bauch der Boeing Platz. Trotzdem startet der Gigant lässig seine vier Triebwerke und erhebt sich mit spielerischer Leichtigkeit in den Himmel.
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Von Nicolas von Lettow-Vorbeck
ber wie in aller Welt kam Boeing eigentlich dazu, seinem Flugzeug diese Beule zu verpassen? Die Motivation, die 747 überhaupt zu konzipieren, ging Mitte der 1960er Jahre von der damals allmächtigen US-Airline Pan Am aus. Deren Boss Juan Trippe drängte den damaligen Boeing-Chef William Allen immer wieder dazu, ein Flugzeug zu bauen, das die Dimensionen aller damaligen Passagierflieger weit übertreffen sollte. Erst als Pan Am am 13. April 1966 jedoch endlich eine Festbestellung über 25 Flugzeuge abgab, erhielt Boeing eine hinreichende Sicherheit, um mit der Entwicklung des Mammutprojekts zu beginnen. Zunächst
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och wer in aller Welt braucht ein dermaßen riesiges Flugzeug, fragen sich Ende der Sechziger viele. Ihr Pessimismus wird sich indes nicht bestätigen. Allen Unkenrufen zum Im Oberdeck der 747 residiert traditionell die erste Klasse Trotz ordern ab den frühen Siebzigern immer mehr Airlines die Boeing 747: Sie wird schnell zu einem vertrauten Anblick am Himmel und erhält bald den liebevollen Spitznamen Jumbo. Sieht die 747 wirklich wie ein großer Elefant aus? Oder nicht doch eher wie ein Buckelwal? Fest steht, dass sich die 747 aufgrund ihres auffälligen Knubbels deutlich von allen anderen Flugzeugen absetzt. Selbst Laien erkennen auf Flughafen-Terrassen den Jumbo meist auf Anhieb.
plante man ein komplett doppelstöckiges Flugzeug, doch dann kamen Überlegungen über die langfristige Zukunft der Luftfahrt ins Spiel. Nach damaligen Prognosen ging Boeing davon aus, dass bis Mitte der 1970er Jahre ausschließlich Überschallflugzeuge den interkontinentalen Verkehr dominieren würden. Demnach legte man die Boeing 747 von vornherein als kurzlebige Übergangslösung aus. Nach wenigen Jahren im Passagierbetrieb sollten die Jumbos ohne großen Aufwand zu reinen Frachtmaschinen umgebaut werden können. Hierbei erwiesen sich die Die Geräumigkeit des Jumbos setze in den geplanten zwei Decks bald als Siebzigern neue Maßstäbe Pferdefuß: Zum einen würde eine Evakuierung im Passagierbetrieb zu viel Zeit in Anspruch nehmen, zum anderen wäre die Beladung des Oberdecks im Frachteinsatz äußerst problematisch. So entstand ein Rumpf, der breit genug für zwei gebräuchliche Acht-FußContainer war. Um eine schnelle Beladung zu garantieren, würde ein einzelnes Frachttor hinter den Flügeln allerdings nicht ausreichen. Und so entwarfen die
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sind auch die Schreckensbilder aus dem schottischen Lockerbie: Im Dezember 1988 zerrissen libysche Terroristen einen Jumbo der Pan Am durch den Einsatz von Plastiksprengstoff.
Boeing-Ingenieure eine Bugklappe und verlegten das Cockpit einfach eine Etage nach oben.
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ie Ölkrise und der damals immer stärker boomende Luftfahrtmarkt machten Boeings Planungen für die Siebziger dann bald obsolet. Statt dem Überschallverkehr Platz zu machen, wurde der Jumbo in zahlreichen Versionen weiter verbessert und sein Oberdeck immer mehr gestreckt. Die Airlines benutzten die nur über eine Treppe zu erreichende zweite Etage bald begeistert als exklusive Sektion für die gut betuchten Passagiere der ersten Klasse. Über 1500 Exemplare der 747 – in den verschiedensten Versionen als Passagierflieger und Frachter – sind bis heute ausgeliefert worden. Und auch in der Popkultur hat die Boeing 747 sichtbare Spuren hinterlassen: Über drei Jahrzehnte lang war der Jumbo in Kinofilmen, TV-Serien oder Comics beinahe Synonym für das Verkehrsflugzeug. Gleichzeitig machte die 747 mit ihrem gigantischen Sitzplatzangebot Flugreisen für immer breitere Schichten erschwinglich – und das sogar auf kurzen Strecken. So flog die deutsche Condor in den Siebzigern mit ihrer 747-200 planmäßig von Düsseldorf nach Palma de Mallorca. Und auch eine weitere Technikikone, das amerikanische Space Shuttle, flog auf dem Jumbo, denn zwei 747-100 wurden in den 70er Jahren von der Nasa zum Shuttle Carrier Aircraft (SCA) umgebaut. Mit ihm konnten die Raumfähren nach einer Ausweichlandung in Kalifornien huckepack zum Kennedy Space Center in Florida zurücktransportiert werden. Übrigens: Erst seit 1990 fliegen zwei umgebaute Boeing 747-200B auch die US-Präsidenten unter dem Rufzeichen Air Force One durch die Welt ...
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en Titel des größten Verkehrsflugzeugs der Welt hatte die Boeing 747 bis zum 27. April 2005 inne. An diesem Tag absolvierte der Airbus A380 im französischen Toulouse seinen Erstflug. In ihm wurde die Vision, die Boeing in den Sechzigern für seine 747 hatte, endlich verwirklicht: zwei durchgehende Passagierdecks. Für bis zu 853 Passagiere ist der A380 zugelassen, seine heutige Spannweite liegt bei sagenhaften 79,80 Metern. Auch er löste im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrtausends wahre Begeisterungsstürme der Passagiere aus. Einmal mit dem Riesen-Airbus zu fliegen, ist für viele bis heute etwas ganz Besonderes. Doch wie sieht es mit der Eleganz aus? Nüchtern betrachtet, wirkt der A380 recht plump, eher wie ein Moppelchen, der Obelix der Lüfte! Die 747 hingegen ...
747-400 der Transaero auf dem Flughafen Berlin-Tegel
UPS-Frachtjumbo auf dem Flughafen Köln-Bonn
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ut, über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten, und möglicherweise ist der Autor dieser Zeilen ein wenig voreingenommen, denn als Kind wollte er immer gerne mit dem Jumbo fliegen, es ergab sich aber leider nie. Erst 2010, längst erwachsen, durfte er endlich als Passagier im Buckelwal mitreisen – Airbus A380 der Emirates auf dem Flughafen Frankfurt am Main wenn auch nur auf der Kurzstrecke von Berlin nach Frankfurt! Egal, der A380 verkauft sich auf jeden Fall insgesamt weit schlechter als von Airbus erwartet. Bis September 2015 wurden erst 317 Boeing 737 der Air Berlin, Maschinen bestellt – ob der Doppeldecker im Hintergrund jemals seine Entwicklungskosten hereineine 747SP holt oder eine Optimierung erleben wird, steht in den Sternen. Seit November 2005 bietet Boeing seinerseits den Airlines die neueste, weiter optimierte Version n den technologiegläubigen Siebzigern seines Klassikers an: die 747-8. Nur 51 und Achtzigern war der Jumbo-Jet Bestellungen für die Passagiervariante – ähnlich wie die Raumfähren oder trafen bis November 2015 ein, lediglich das Überschallflugzeug Concorde – ein die Frachtversion hält das Programm Symbol für die Macht und die Perfektion augenblicklich noch am Leben. Wenn der Technik. War es nicht unglaublich – nicht ein Wunder geschieht, dürfte das fast schon ein Wunder –, welch riesige Ende der Luftfahrtlegende 747 in weniMasse an Menschen und Maschinen gen Jahren besiegelt sein. Zumal immer anscheinend spielend einfach in die Lüfte mehr Fluggesellschaften – wie im Januar gehoben werden konnte? Doch über 500 2016 die Air France – ihre betagten Menschen auf relativ engem Raum, das Jumbos in Rente schicken. Sparsamere ist auch eine unheimliche, ja beklemmenzweistrahlige Flugzeuge wie die Boeing de Vorstellung. 777 oder der Airbus en ersten 747-Flugzeugverlust mit Todesopfern verzeichnete ausge- Ein umgebauter Jumbo erwies sich als zuverlässiger Transporter für Raumfähren A 3 3 0 dominieren heute den Lang rechnet die für ihre hohe Sicherheit berühmte Lufthansa: Durch das streckenverkehr. Aus dem Nichtausfahren der Krügerklappen stürzte der Lufthansa Jumbo Buckelwal ist ein Flugsaurier „Hessen" kurz nach dem Start in Nairobi aus geringer Höhe ab. 59 geworden – allerdings einer Menschen verloren im November 1974 ihr Leben. Am 27. März 1977 mit einem Ehrenplatz in der wiederum kam es bei schlechter Sicht zur Kollision zweier vollbeGeschichte der Luftfahrt. setzter Jumbos auf einer Startbahn: Mit 583 Todesopfern ist die Und in den Herzen der Flugzeugkatastrophe von Teneriffa bis heute das schwerste Unglück Menschen. der zivilen Luftfahrt ohne terroristische Beteiligung. Unvergessen
Fotos: © Nicolas von Lettow-Vorbeck
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Die Front des A380 erinnert an ein Ei.
Das Jahr 1976
RAF, Robert De Niro & ein verschossener Elfmeter
Nachdem sich Ulrike Meinhof von der Roten Armee Fraktion im Hochsicherheitstrakt der JVA Stuttgart-Stammheim erhängt hat, nimmt die zweite Generation der RAF diesen Suizid zum Anlass, mit heftigen Aktionen gegen die Bundesrepublik vorzugehen. Das ist der Auftakt zum so genannten Deutschen Herbst ein Jahr später, der in Terror und Gewalt enden wird. Doch es gibt auch linksorientierte Bestrebungen in der Welt, die von Erfolg gekrönt sind: Helmut Schmidt von der SPD wird erneut zum Bundeskanzler gewählt, in den USA wird der friedensorientierte demokratische Kandidat Jimmy Carter zum Präsidenten gekürt. Und sonst? Die Emanzipation
Zeitgeschehen
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Alle anschnallen! Am 1.1. wird in der BRD die Gurtpflicht auf PkwVordersitzen eingeführt. *** Der Tindemans-Bericht, der am 7.1. veröffentlicht wird, schlägt eine Weiterentwicklung der EG zur Europäischen Union vor. 1993 wird aus dieser Idee Realität. *** Beim Massaker von Damur/Libanon sterben am 20.1. ungefähr 330 Menschen. Palästinensische und moslemische Milizen rächen sich mit diesem Anschlag für das Massaker von Karantina, bei dem es zwei Tage zuvor mehr als 1000 Tote gab. *** Schnell, schneller, Concorde: Ab 21.1. wird das Überschallflugzeug von Air France und British Airways im regulären Flugverkehr eingesetzt. *** Am 12.2. beschließt der Bundestag eine Reform des § 218. Von nun an bleibt eine Abtreibung innerhalb der ersten drei Monate straffrei, wenn sich die Schwangere beraten lässt und eine sozi- Isabel Perón ale/ethische/medizinische Notlage festgestellt wird. *** Der Bundestag verabschiedet am 18.3. das so genannte Mitbestimmungsgesetz. Ab jetzt haben Arbeitnehmer mehr Mitsprachemöglichkeiten in den Unternehmen. *** In Argentinien wird die umstrittene Präsidentin Isabel Perón am 24.3. bei einem Militärputsch festgenommen und fünf Jahre unter Hausarrest gestellt. Die politische Lage bessert sich indes nicht: Infolge der argentinischen Militärdiktatur („Prozesses der Nationalen Reorganisation") werden bis 1983 etwa 30.000 Oppositionelle ermordet. *** Am 26.4. wird in Ost-Berlin der Palast der Republik eröffnet. Er dient bis 1990 als Sitz der Volkskammer und als Veranstaltungsort. Zwischen 2006 und 2008 wird das Gebäude abgerissen. *** Die RAF-Terroristin Ulrike Meinhof wird am Seite
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der Frauen in Deutschland nimmt dank der Reform des Abtreibungs-Paragrafen" " 218 weiter Gestalt an, der anarchische österreichische Kriminaler Kottan" ermittelt " erstmalig, die Biene Maja" summt sich in die Herzen nicht nur ihrer kleinen Fans, " und Robert De Niro legt als Taxi Driver" neben Jodie Foster eine schauspieleri" sche Meisterleistung hin. Musikalisch gesehen schaffen Abba den Durchbruch in Deutschland, und auch der Höhepunkt der Disco-Welle wird erreicht. Außerdem verschießt Uli Hoeneß den wohl wichtigsten Elfmeter seiner Karriere. Von Matthias Bergert und Michael Fuchs-Gamböck 9.5. in ihrer Zelle im Gefängnis Stuttgart-Stammheim erhängt aufgefunden. In der Folgezeit kommt es im In- und Ausland zu Demonstrationen und Anschlägen auf deutsche Einrichtungen. *** Juan José Torres Gonzáles, Ex-Präsident von Bolivien, wird am 3.6. von der Operation Condor (sechs lateinamerikanische Geheimdienste, die von den USA unterstützt werden), entführt und ermordet. Unklar ist, ob der nachrückende Präsident Hugo Banzer Suárez bei dieser Aktion seine Hände im Spiel hatte. *** Am 19.6. beginnt in der Nähe von Johannesburg der Aufstand in Soweto. Dabei demonstrieren mehr als 10.000 Schüler, weil Afrikaans (die Sprache der weißen Herrschaftsschicht) als Unterrichtssprache eingeführt werden soll. Der Aufstand wird blutig niedergeschlagen und fordert 575 Todesopfer. Seit 1995 ist der 19.6. ein öffentlicher Feiertag in Südafrika („Youth Day"). *** Jubel in Schweden: Am 19.6. ehelicht König Carl XVI. Gustaf die Deutsche Silvia Sommerlath, die er 1972 bei den Olympischen Sommerspielen in München kennen gelernt hatte. *** Als Reaktion auf Anschläge der RAF verabschiedet der Bundestag am 24.6. das so genannte Anti-Terrorismus-Gesetz. Die „Bildung terroristischer Vereinigungen" ist von nun an strafbar. *** Am 27.6. entführen zehn Terroristen (darunter auch zwei Deutsche) ein in Athen gestartetes Flugzeug nach Carl XVI. Gustav & Silvia Entebbe/Uganda. Eine Woche später wird die Entführung durch die Operation Entebbe beendet, für die israelische Soldaten nach Uganda eingeflogen werden. *** Am 1.7. wird Adolfo Suárez der erste demokratisch gewählte spanische Ministerpräsident nach dem Tod des Diktators Francisco Franco. *** Der Oberste Gerichtshof
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der USA führt am 2.7. die Todesstrafe wieder ein – obwohl er sie 1972 für verfassungswidrig erklärt hatte. *** Ebenfalls am 2.7. proklamiert die Kommunistische Partei Vietnams die Sozialistische Republik Vietnam – womit der Staat wiedervereinigt ist. *** Der niederländische Prinz Bernhard zieht sich infolge des Lockheed-Skandals am 26.8. von allen öffentlichen Ämtern zurück. Auslöser sind Schmiergelder in Höhe von 1,1 Millionen US-Dollar, die flossen, damit die „Koninklijke Luchtmacht" Starfighter-Maschinen kauft. Schon vorher hat sich der Prinz nicht mit Ruhm bekleckert: In den 1930er Jahren war er Mitglied der SA, der Reiter-SS und der NSDAP. *** Landesweite Feierlichkeiten begleiten am 4.7. den 200. Jahrestag der US-amerikanischen Unabhängigkeit. *** Am 3.10. gewinnt Helmut Helmut Schmidt Schmidt (SPD) bei den Bundestagswahlen. Seinen späteren Nachfolger Helmut Kohl (CDU) kann er vorerst noch in die Schranken verweisen. *** In den USA wird am 11.10. der höchste Dienstgrad General Of The Armies Of The United States" eingeführt. Kurios " dabei: Der erste US-Präsident George Washington ist der einzige, der diesen Preis posthum verliehen bekommt. Von nun darf kein US-Offizier höherrangig sein als Washington. *** Erich Honecker, Generalsekretär der SED, wird am 29.10. von der Volkskammer zum Staatsratsvorsitzenden gewählt. *** Stunk bei der CSU: Am 19.11. beschließen die CSUBundestagsabgeordneten die Aufkündigung der Fraktion mit der CDU. Drei Wochen später revidieren sie ihre Meinung. *** Am 2.11. kommt es bei der US-Präsidentschaftswahl zu einem Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Präsident Gerald Ford und seinem Herausforderer Jimmy Carter, der sich letztlich durchsetzen kann. *** Auch in Deutschland kommt es zu einem knappen Wahlergebnis: Am 15.12. wird Helmut Schmidt (SPD) mit 250:243 Stimmen als Bundeskanzler wiedergewählt.
Sport
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Im österreichischen Innsbruck gehen am 15.2. die elf Tage zuvor begonnenen XII. Olympischen Winterspiele zu Ende. Knapp 1370 Sportler nehmen daran teil. Dabei ist die Hauptstadt des Bundeslandes Tirol eigentlich gar nicht als Austragungsort vorgesehen gewesen, denn zunächst waren die Spiele nach Denver vergeben worden. Doch die Bevölkerung des US-Bundesstaats Colorado sprach sich gegen die Verwendung von Steuergeldern für die Veranstaltung aus. So kam Innsbruck zum Zug. *** Im Finale der Fußball-Europameisterschaft unterliegt die bundesdeutsche Elf am 20.6. in Belgrad der CSSR im Elfmeterschießen mit 3:5 (2:2 nach Verlängerung). Pechvogel Uli Hoeneß vom FC Bayern München geht in die Annalen der Historie des runden Leders ein, als er seinen Elfer weit über das Tor schießt. *** Der Schwede Björn Borg gewinnt am 4.7. in London das Finale der Tennismeisterschaften von Wimbledon gegen den Björn Borg Rumänen Ilie Nastase. Bis 1980 gewinnt der Stockholmer weitere viermal in Folge das legendäre Turnier. *** Der 37-fache deutsche Nationalspieler Günter Netzer wechselt am 13.7. vom spanischen Klub Real Madrid zum schweizerischen Team Grasshopper Zürich. Es soll seine letzte Station als aktiver Fußballspieler sein, im Jahr darauf beendet er dort seine Karriere. *** Im kanadischen Montreal endeten am 1.8. die XXI. Olympischen Spiele, die am 17.7. eröffnet worden waren. Am erfolgreichsten schneidet die UdSSR ab, gefolgt von der DDR und den USA. Die Bundesrepublik Deutschland wird mit Niki Lauda 39 errungenen Medaillen Vierter. *** Am selben Tag erleidet der österreichische Formel 1-Rennfahrer Niki Lauda bei einem Unfall auf dem Nürburgring schwere Verbrennungen vor allem im Gesicht, die ihn bis heute entstellen und gesundheitlich belasten. Das Rennen muss danach abgebrochen werden. *** Ein Paukenschlag für die Anhänger geballter Fäuste im Ring: Am 1.10. erklärt der Weltmeister im Schwergewichtsboxen, Muhammad Ali, erstmalig seinen Rücktritt vom Boxsport. Nur einen Tag zuvor hatte der Amerikaner seinen Titel gegen Landsmann Ken Norton dank eines Punktsiegs verteidigt. Der Rücktritt dauert allerdings nur wenige Monate. *** Die belgischen Radrennfahrer Freddy Maertens und Patrick Sercu gewinnen am 19.10. das legenGoodTimes
däre Dortmunder Sechstagerennen. *** Durch einen dritten Platz beim „Großen Preis von Japan" gewinnt der Brite James Hunt am 23.10. die Automobilweltmeisterschaft mit einem Punkt vorsprung vor dem Österreicher Niki Lauda. Bereits 13 Tage zuvor hatte Hunt, der als „Playboy des Rennsports" in die Annalen eingehen wird, in den USA mit seinem McLaren das Grand-Prix-Rennen von Watkins Glen für sich entscheiden können. *** Der am 3.11. in Münster entführte Springreiter Hendrik Snoek wird zwei Tage später gegen eine Zahlung von fünf Millionen D-Mark Lösegeld freigelassen. Kurze Zeit später werden die Nadia Comaneci Entführer gefasst und zu langen Haftstrafen verurteilt. *** Die internationale Sportpresse wählt am 1.12. die rumänische Kunstturnerin Nadia Comaneci und den kubanischen Leichtathleten Alberto Juantorena zu den „Sportlern des Jahres". „Wunderkind" Comaneci ist zum Zeitpunkt der Preisverleihung gerade mal 15 Jahre jung. *** Der FC Bayern München gewinnt am 21.12. den Weltpokal gegen den brasilianischen Klub Cruzeiro Belo Horizonte mit 2:0. Eine Schmach für die Südamerikaner, denn die Partie findet bei ihnen quasi zu Hause in Rio de Janeiro statt. *** Am 27.12. wird Franz Beckenbauer von den Sportjournalisten zu „Europas Fußballer des Jahres" gekürt. Er war damals Kapitän der deutschen Fußballnationalmannschaft. Sein Teamkamerad vom FC Bayern München, Torwart Sepp Maier, wird zu „Deutschlands Fußballer des Jahres" gewählt.
Funk & Fernsehen
1976
„Eine in Cap Canaveral lebende neugierige Maus gerät mit einer Rakete auf den Planeten Mars und kann nicht wieder zurück." Das ist die Ausgangsposition für einen Ideenwettbewerb, bei dem über 22.000 Einsendungen von Kindern aus fünf Ländern beim Bayerischen Rundfunk eingehen. Daraus entstehen die 52 Folgen der Zeichentrickserie Die Abenteuer der Maus auf dem Mars", " die in zwei Staffeln im BR ab dem 7.1. ausgestrahlt wird. Die kleine graue Maus mit großem Kopf und noch größeren Ohren avanciert zum Liebling der kleinen TV-Zuschauer in den 1970ern. *** Für die etwas älteren Kinder startet das ZDF nur zwei Tage später das halbstündige Reportage-Magazin Die große blaue Murmel", das " im Nachmittagsprogramm bis ins Jahr 1978 läuft. Darin werden Berufe von Erwachsenen und Hobbys von Kindern aus allen Kontinenten vorgestellt, ebenso interessante Ereignisse, Eigenarten und Bräuche. Die Vorwegnahme der Globalisierung, wenn man so will. *** Ebenfalls im ZDF läuft ab dem 18.1. die amüsante 13-teilige amerikanische ComedySerie Paper Moon" an, frei nach dem gleichnamigen Kinofilm von " 1973. Darin wird die Geschichte des Bibelverkäufers und Witwers Moses Pray erzählt, der mit seiner elfjährigen Tochter Addie durch das Kansas der 1930er Jahre zieht. Beide sind chronisch knapp bei Kasse und versuchen auf nicht immer ganz legale, aber stets charmante Weise, ihren Kunden das Geld aus der Tasche zu ziehen. *** Noch einmal eine Serie, noch einmal im ZDF: Am 13.2. wird die erste von 45 Episoden über den amerikanischen Staranwalt Tony Petrocelli gesendet, der sich für die Nöte vor allem der kleinen Leute einsetzt. Das Besondere an dieser Reihe: In den Folgen wird jeweils in Rückblenden die Perspektive der Personen im jeweiligen Fall deutlich gemacht. Und auch die Versionen der Polizei und der Staatsanwaltschaft werden in Rückblenden vorgeführt. Bis heute spannend! *** Die Plattenküche" ist fünf Jahre lang Kult für junge und " alte Musikbegeisterte. Ab dem 23.2. zunächst nur im WDR ausgestrahlt, wird sie im Herbst 1977 ins Erste übernommen. Moderiert wird die Show von Helga Feddersen und Frank Zander. Das Spezielle an der „Plattenküche": Hier erhalten Musiker nicht nur eine Plattform, um ihre neuesten Songs vorzustellen, sondern die Sendung ist Petrocelli auch in das Konzept einer Ulkshow gepresst, die auf absurde Komik und gelegentlich hanebüchene Knalleffekte setzt. *** Die ARD will dem kantigen Anwalt Petrocelli etwas entgegensetzen und schickt ab dem 11.3. den noch kantigeren Privatdetektiv Jim Rockford für 123 Episoden unter dem Untertitel „Anruf genügt” ins Rennen. Für 1/2017
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200 Dollar pro Tag plus Spesen übernimmt der von James Garner Gemimte jeden Fall. Der Clou an der Sache: Nicht selten muss der Eigenwillige zur Klärung eines Falls auf seine guten Kontakte zur Unterwelt zurückgreifen. *** Ein echter Straßenfeger ist die ab 30.5. in der ARD einmal wöchentlich ausgestrahlte Reihe Unsere kleine Farm". Diese umfasst 210 " Episoden und erzählt die Geschichte einer neuzugezogenen Bauernfamilie im amerikanischen Westen um 1870. Vor allem die weiblichen TV-Konsumenten sind begeistert, denn die Serie James Garner besticht durch Beschaulichkeit und Behaglichkeit – sowie durch den attraktiven Farmer Charles Ingalls, gespielt von Michael Landon. *** Am 1.6. wird der Journalist Joachim Braun der erste ARD-Hörfunkkorrespondent in Südafrika. *** Ab dem 8.8. wird es schräg, skurril, manchmal etwas zotig und immer sehr lustig bei der ARD: An diesem Tag startet die 19-teilige Spielfilmreihe Kottan ermittelt" rund um den unkonventionellen " gleichnamigen österreichischen Kommissar. Sämtliche Charaktere sind auf liebenswerte Art durchgeknallt, sämtliche Fälle sind mehr oder weniger absurd – und dennoch auf merkwürdige Weise spannend. *** Eine bis heute kultig verehrte Zeichentrickserie für Kinder und junggebliebene Erwachsene rollt ab dem 9.9. beim ZDF an: Die Biene Maja", frei nach " den Erzählungen des deutschen Autors Waldemar Bonsels, die sich rund um das liebenswerte Wald- und Wiesenvolk um Summerin Maja, ihren Freund Willi, Grashüpfer Flip oder Regenwurm Max und viele weitere liebenswerte Tiercharaktere dreht. Insgesamt 104 Folgen werden ausgestrahlt. *** Einer der intensivsten, verstörendsten und umstrittensten Streifen des Jahres läuft ab dem 20.9. im ZDF, aufgeteilt in drei spielfilmlange Folgen, die an vier Abenden ausgestrahlt werden: Szenen einer Ehe" " des schwedischen Regisseurs Ingmar Bergman. Darin geht es um ein akademisch geprägtes Ehepaar um die 40, welches nach außen das perfekte Team verkörpert – doch in den eigenen vier Wänden kriselt es gewaltig, man betrügt sich gegenseitig mit anderen Partnern, zu häuslicher Gewalt kommt es auch schon mal, innerhalb der Beziehung brodelt es an allen Ecken und Enden. Bergman löst mit seinem Beitrag eine heftige Diskussion über den Sinn der Ehe als solche aus. *** Der Bayerische Rundfunk bezieht am 1.10. seinen Hauptsitz in der Münchner Arnulfstraße, im Herzen der bayerischen Metropole, nahe dem Hauptbahnhof. Die Zentrale ist dort bis heute ansässig. *** Am 20.12. wird der ARD-Korrespondent Lothar Loewe wegen eines kritischen Kommentars zu den sich im kommunistisch regierten Land befindlichen Grenzbefestigungen aus der DDR ausgewiesen.
Film
1976
In der BRD entstehen 1976 insgesamt 60 Filme (davon 24 im Bereich des Neuen Deutschen Films), während in der DDR immerhin 14 Filme gedreht werden. Glaubt man der US-amerikanischen Wochenzeitschrift „Newsweek", so hat der deutsche Film gerade Hochkonjunktur: „Mehr als 40 Jahre, nachdem der Nationalsozialismus den goldenen Zeiten des deutschen Films ein Ende bereitet hatte, bringt eine engagierte Mannschaft junger Regisseure, die oft kein anderes Produktionsquartier als die Wohnung eines Freundes haben und in improvisierten Schneideräumen arbeiten, Deutschland auf die kinematografische Landkarte zurück." Auch die Professionalisierung der deutschen Filmbranche funktioniert prächtig. Bestes Beispiel dafür ist die Deutsche Film- und Fernsehakademie, die am 17.9. ihr zehnjähriges Bestehen feiert. *** Die populärsten bundesdeutschen Filme sind die beiden Heinrich-Böll-Adaptionen „Die verlorene Ehre der Katharina Blum" und „Ansichten eines Clowns" sowie „Berlinger – Ein deutsches Abenteuer". Die eigentlichen Blockbuster werden jedoch anderswo produziert, nämlich in Frankreich oder in den USA. Hier die Top 5: „Asterix erobert Rom" Die verlorene Ehre der ..." " (7,2 Mio. Besucher), „Einer flog über das Kuckucksnest" (5,6 Mio. Besucher), „Brust oder Keule" (3,1 Mio. Besucher), „King Kong" (3 Mio. Besucher) und „Her mit den kleinen Engländerinnen" (2,4 Mio. Besucher). *** Was Fernsehfilme angeht, ist 1976 ein interessantes Jahr. Der DFF – die staatliche Fernsehanstalt der DDR – bringt im April den fünfteiligen Fernsehroman „Daniel Druskat" Seite
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(mit Manfred Krug). Die ARD sendet kurz darauf das Fernsehspiel „Die neuen Leiden des jungen W." (nach einem Roman von Ulrich Plenzdorf). Vor Weihnachten wird auf diversen westdeutschen TV-Sendern der Dokumentarfilm „Die Leute von Mümmelmannsberg" ausgestrahlt, für den Horst Königstein und Hansjürgen Rosenbauer das Leben der Bewohner eines Hamburger Stadtteils porträtierten. *** Am 29.3. werden in Los Angeles zum 48. Mal die Oscars verliehen. Die großen Gewinner des Abends sind Miloš Formans Tragikomödie „Einer flog über das Kuckucksnest" (fünf Preise) und Stanley Kubricks Adaption eines Romans von William Makepeace Thackeray, „Barry Lyndon" (vier Preise). „Einer flog über das Kuckucksnest" wird dabei in allen wichtigen Kategorien ausgezeichnet: bester Film, beste Regie, bester Hauptdarsteller (Jack Nicholson), beste Nebendarstellerin (Louise Fletcher). Den Preis für die „Beste Filmmusik" erhält John Williams („Der weiße Hai"). *** Bei den 29. Internationalen Filmfestspielen von Cannes (13.–28.5.) geht die Goldene Palme an Martin Scorseses Drama „Taxi Driver", in dem Robert De Niro eine darstellerische Meisterleistung abliefert. Als beste Schauspieler werden jedoch José Luis Gómez, Dominique Sanda und Mari Törőcsik ausgezeichnet. Den Preis für den besten Regisseur darf Ettore Scola für „Die Schmutzigen, die Hässlichen und die Gemeinen" (Hauptrolle: Nino Manfredi) mit nach Hause nehmen. Auch der deutsche Regisseur Alexander Kluge hat Grund zur Freude, da er für die Satire „Der starke Ferdinand" einen FIPRESCI-Preis erhält. Als Jurypräsident fungiert der US-amerikanische Dramatiker Tennessee Williams.*** Beim Deutschen Filmpreis (25.6.) erhält Peter Lilienthal für sein Drama „Es herrscht Ruhe im Land" die Goldene Schale sowie ein Preisgeld von 500.000 D-Mark. Hans W. Geißendörfers „Sternsteinhof" und Klaus Kirschners „Mozart – Aufzeichnungen einer Jugend" werden sowohl mit dem Goldenen als auch mit dem Silbernen Filmband belohnt. *** Die 26. Berlinale (25.6.–6.7.) steht dagegen ganz im Zeichen des 200. Jahrestages der US-amerikanischen Unabhängigkeitserklärung. Dies spiegelt sich auch in den gezeigten Filmen wider, darunter Robert Altmans „Buffalo Bill und die Indianer" (prämiert mit dem Goldenen Bären) und Alan J. Pakulas „Die Unbestechlichen" (eine Aufarbeitung der WatergateAffäre). Ein weiterer Film, der in Berlin vorgestellt wird, ist Nicolas Roegs „Der Mann, der vom Himmel fiel" (Hauptrolle: David Bowie). Silberne Bären gehen an Gerhard Olschewski (bester Darsteller) und Jadwiga Barańska (beste Darstellerin). Während des Festivals kommt es auch zu einem handfesten Skandal: Nagisa Ōshimas Film „Im Reich der Sinne" wird von der Staatsanwaltschaft als „harte Pornografie" beschlagnahmt – was bei einem internationalen Filmfestival noch nie vorgekommen ist. *** Abschließend noch einige Kassenknüller, die 1976 für Aufsehen sorgen. Zu einem Überraschungserfolg wird Sylvester Stallones Boxerfilm Rocky", der im Folgejahr drei Oscars erhält. Regiekoryphäe " Martin Scorsese gelingt mit Taxi Driver" einer seiner eindrücklichsten " Streifen, der die 13-jährige Jodie Foster zum Star macht. Bei Richard Donners Gruselklassiker Das Omen" und Brian De Palmas Stephen" King-Adaption Carrie – Des Satans jüngste Tochter" kommen " Horrorfans voll auf ihre Kosten. Liebhaber von Kriegsfilmen werden mit Jack Smights Schlacht um Midway" und John Sturges’ Der Adler " " ist gelandet" bestens bedient. Wer es gern spaßig mag, erfreut sich dagegen an Claude Zidis Feinschmecker-Küchen-Persiflage Brust oder " Keule" (brillant: Louis de Funès).
Musik
1976
1976 wird das Jahr von Abba, obwohl der Vierer 1975 als skandinavisches Phänomen und „One-Hit-Wonder" totgesagt worden war. Jedenfalls belehren die beiden (damals noch) Ehepaare der Gruppe die Musikwelt eines Besseren – die Singles "Mamma Mia” (9.2.), "Fernando” (3.5.), "Dancing Queen” (20.9.) und "Money, Money, Money” (20.12.) landen alle auf Platz 1 der deutschen Charts, die Kompilation GREATEST HITS, Anfang des Jahres international veröffentlicht, entert (nicht nur) in Deutschland die Pole Position der Hitparade und ist bis heute das erfolgreichste Album des Quartetts. *** Doch Deutschland steht auch im Zeichen der Disco-Welle, was ein Blick in die Hitlisten demons triert: Penny McLean und "Lady Bump", Donna Summer und "Could It Be Magic" oder Silver Convention und "Get Up And Boogie" sind nur die Spitze des
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Tanz-Eisbergs – das gesamte Jahr über tummeln sich diese Künstler weit oben in den Top 20. Doch schon bald werden sie von Punk und New Wave aus dem Pop-Olymp vertrieben. *** 1976 ist das einzige Erfolgsjahr der britischen Formation Sailor: Das Quartett hält mit "A Glass Of Champagne" (12.3.) und "Girls Girls Girls" (23.4.) Einzug in die Top Ten der (nicht nur) deutschen Single-Hitparade. Es sollen die einzigen Top-Ten-Erfolge der Band bleiben. *** "In 't kleine café aan de haven” ist ein Schlager aus Holland, den Pierre Kartner alias Vader Abraham in seiner Heimat 1975 veröffentlicht hatte und der dort ein großer Erfolg wurde. Ein Jahr später nimmt sich Michael Kunze des Texts an und überträgt ihn ins Deutsche. Nun heißt das Stück "Die kleine Kneipe" (27.5.) und wird von Peter Alexander intoniert. Es wird die erfolgreichste Single des Jahres in Deutschland. Der gebürtige Österreicher sahnt mit dem Stück doppelt ab, indem er noch eine Version in seinem Heimatdialekt einspielt: "Das kleine Beisl" belegt in Österreich ebenfalls die Nummer 1. *** In Bayreuth werden am 23.7. die 100. Richard-Wagner-Festspiele eröffnet. Der Opernzyklus „Der Ring des Nibelungen" wird in einer aufsehenerregenden Inszenierung von Patrice Chéreau inszeniert. Am Pult steht kein Geringerer als der kontrovers diskutierte französische Dirigent und Komponist Pierre Boulez. Bis heute wird diese Aufführung als „Jahrhundertring" bezeichnet, obwohl sie große Teile des Publikums schockiert und sogar zu spontanen Protestaktionen führt. *** Am 31.7. tritt zum ersten Mal ein gerade mal 24-jähriger namens Wolfgang Petry in der „ZDF-Hitparade" auf. Im Gepäck hat er seine Debütsingle "Sommer in der Stadt", die es bis auf Position 16 in den Charts schafft. Das Lied wird von den TV-Zuschauern nach Jürgen Drews’ "Ein Bett im Kornfeld” auf Rang 2 gewählt. *** Zwischen dem 28.6. und dem 12.9. spielt sich an der Spitze der Singlecharts eine interessante Geschichte ab: Die ersten fünf Wochen halten die Bellamy Brothers mit "Let Your Love Flow" das Zepter fest in der Hand. In den darauffolgenden sechs Wochen werden sie von Jürgen Drews und "Ein Bett im Kornfeld” abgelöst. Es ist die deutschsprachige Version von "Let Your Love Flow". *** Als am 3.9. das fünfte Studio-Album der Bay City Rollers namens DEDICATION auf den Markt kommt, bedeutet das den Höhepunkt der „Rollermania", geprägt von hysterischen weiblichen Fans und dem ständigen Konkurrenzkampf um den Titel der Teenie-Ikonen mit The Sweet. DEDICATION hält sich unglaubliche 42 Wochen alleine in den deutschen Charts. Das schottische Quintett verwirrt die Eltern ihrer jugendlichen Anhängerschaft mit Aussagen wie: „Wir tragen prinzipiell keine Unterhosen." *** In New York legen die Musiker der legendären Metropolitan Opera am 28.9. die Arbeit nieder. Das Orchester fordert höhere Löhne und verbesserte Sozialleistungen. Nach kurzen intensiven Verhandlungen einigt man sich auf einen Kompromiss. *** Stolze zwölf Wochen, zwischen dem 27.9. und dem 19.12., steht der lässige "Daddy Cool" von Boney M. an der Spitze der Charts, davon zehn Wochen am Stück. Nur eine Woche lang muss er den Thron an David Dundas und dessen One-Hit-Wonder "Jeans On" abtreten. *** Der Ost-Berliner Regimekritiker Robert Havemann wird wegen seiner Unterstützung des ausgebürgerten Liedermachers Wolf Biermann vom DDR-Regime am 26.11. unter Hausarrest gestellt. Bereits zehn Tage zuvor hatte die kommunistische Regierung dem Lyriker und Liedermacher Biermann wegen „feindseligen Auftretens in der Bundesrepublik" die Staatsangehörigkeit entzogen. *** Eine Inszenierung von Richard Wagners Oper „Rheingold" durch den deutschen Regisseur Peter Stein wird bei der Premiere am 5.12. mit Ablehnung und Buh-Rufen aufgenommen. Der musikalische Leiter Georg Solti hingegen erhält stürmischen Applaus.
Vermischtes
1976
Am 2.1. werden bei der Renovierung der San-Lorenzo-Basilika in Florenz unbekannte Renaissance-Fresken freigelegt, die möglicherweise von Michelangelo stammen. *** Sara Jane Moore, die am 22.9.1975 ein Attentat auf US-Präsident Gerald Ford verübt hat, wird am 15.1. zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt. Dennoch kommt sie 2007 frühzeitig frei. *** Millionenerbin Patty Hearst, Enkelin des US-Medienmoguls William Randolph Hearst, wird am 20.3. wegen Bankraubs zu einer Gefängnisstrafe GoodTimes
verurteilt. 1974 war sie von der linksradikalen Symbionese Liberation Army entführt worden, der sie sie sich – offensichtlich unter Zwang – anschloss. Hearst kommt 1979 frei und wird 2001 von Präsident Bill Clinton vollständig begnadigt. *** Es ist der Start in eine große Zukunft: Steve Jobs und Steve Wozniak gründen am 1.4. die Firma Apple. Am selben Tag stellt Wozniak bei einem Treffen des Homebrew Computer Clubs den „Apple I" vor, der für 666,66 Dollar erhältlich ist. *** Am 3.4. wird in Paris erstmals der Filmpreis César verliehen, der den „Etoile de Cristal" ablöst. *** Beim Erdbeben von Friaul (6.5.) kommen in Norditalien fast 1000 Menschen ums Leben.*** Im US-Staat Idaho kommt es am 5.6. ebenfalls zu einer Katastrophe, da der Teton-Staudamm bricht. Dabei sterben elf Menschen und 13.000 Nutztiere. *** Ab dem 1.7. gilt in der BRD ein neues Namensrecht. Ehepartner können nun wählen, ob sie den Nachnamen des Mannes, der Frau oder einen Doppelnamen annehmen. *** Am 2.7. tritt in der BRD das Adoptionsvermittlungsgesetz in Kraft. Das adoptierte Kind hat nun die rechtliche Stellung eines ehelichen Kindes, allerdings erlöschen damit die verwandtschaftlichen Beziehungen zur Ursprungsfamilie. *** Münchens Oberbürgermeister Hans-Jochen Vogel legt am 7.7. in der bayerischen Hauptstadt den Grundstein für das Europäische Patentamt. *** Die unbemannte Nasa-Sonde Viking 1 landet am 20.7. auf dem Mars und sendet Bilder von der Oberfläche des roten Planeten. *** Bei einem Erdbeben der Stärke 7,8 in China kommen am 27.7. etwa 700.000 Menschen ums Leben – so viele wie bei keiner anderen Naturkatastrophe des 20. Jahrhunderts. *** Sensationelle Entdeckung im schweizerischen Kanton Wallis: An einem Stausee werden am 23.8. Fußabdrücke von Dinosauriern gefunden. Das Alter der Spuren wird auf 250 Millionen Jahre geschätzt. *** Der Schweizer Schriftsteller Max Frisch erhält am 19.9. den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. *** In Berlin wird am 1.11. das erste Frauenhaus eröffnet, das Frauen Zuflucht bietet, die von ihren Männern misshandelt wurden. *** Am 16.11. tritt der Liedermacher Wolf Biermann bei einer Veranstaltung der IG Metall in Köln auf. Zur Strafe wird er aus der DDR ausgebürgert – „wegen grober Verletzung der staatsbürgerlichen Pflichten". *** Gegen Jahresende sorgt ein spektakulärer Entführungsfall für Aufsehen: Der Student Richard Oetker wird am 14.12. in Freising entführt. Sein Vater, der Fabrikant Rudolf-August Oetker, zahlt ein Lösegeld von 21 Millionen D-Mark. Der Entführer Dieter Zlof kann zwei Jahre später gefasst werden und wird zu 15 Jahren Haft verurteilt. *** Apropos Verbrechen: 1976 wird der Weiße Ring gegründet, der es sich zur Aufgabe macht, Verbrechensopfer und ihre Familien zu unterstützen. Gründungsmitglied ist TV-Journalist Eduard Zimmermann („Aktenzeichen XY"). *** 1976 wird außerdem der UN-Entwicklungsfonds für Frauen gegründet. Ziel ist die Chancengleichheit und Gleichstellung von Frauen bei allen UN-Entwicklungsprojekten. *** Weitere wichtige Ereignisse: In Deutschland wird der Montag als erster Wochentag festgelegt, IBM stellt den ersten Laserdrucker vor, und der US-amerikanische Schriftsteller Saul Bellow erhält den LiteraturRichard Oetker Nobelpreis. *** Geburtstage 1976: Comedian Bülent Ceylan (4.1.), Box-Weltmeister Wladimir Klitschko (25.3.), Schauspieler Colin Farrell (31.5.), Hollywood-Aktrice Diane Kruger (15.7.), „Sherlock Holmes"-Darsteller Benedict Cumberbatch (19.7.), Radrennfahrer Jörg Jaksche (23.7.), Schauspielerin Audrey Tautou („Die fabelhafte Welt der Amélie"; 9.8.) Tennis-Ass Gustavo Kuerten (10.9.), Fußball-Legende Ronaldo (22.9.), Fußball-Nationalspieler Michael Ballack (26.9.), Sängerin Judith Holofernes (Wir sind Helden; 12.11.), Fußballer Torsten Frings (22.11.), Boxerin Regina Halmich (22.11.) *** Verstorben 1976: „Queen Of Crime" Agatha Christie (12.1.; 85 Jahre), Revue- und Tonfilmkomponist Friedrich Hollaender (18.1.; 79 Jahre), Physiker Werner Heisenberg (1.2.; 74 Jahre), Philosoph/Soziologe Arnold Gehlen (30.1.; 72 Jahre), Regisseur Luchino Visconti (17.3.; 69 Jahre), Maler Max Ernst (1.4.; 84 Jahre), Luftfahrtpionier Howard Hughes (5.4.; 70 Jahre), Protestsänger Phil Ochs (9.4.; 35 Jahre), Regisseur Carol Reed (25.4.; 69 Jahre), Dichter Eugen Roth (28.4.; 81 Jahre), Architekt Alvar Aalto (11.5; 78 Jahre), Philosoph Martin Heidegger (26.5.; 86 Jahre), Bundespräsident Gustav Heinemann (7.7.; 76 Jahre), Regisseur Fritz Lang (2.8.; 85 Jahre), Mao Zedong, Gründer der Volksrepublik China (9.9.; 82 Jahre), Schauspieler Jean Gabin (15.11.; 72 Jahre); Komponist Benjamin Britten (4.12.; 63 Jahre). 1/2017
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Vor 70 Jahren schlug er ein wie eine (Atom-)Bombe Im prüden Amerika hatten Stars wie Marilyn Monroe längst am Strand mit ihm posiert. Doch um ihn auch in Deutschland salonfähig zu machen, musste erst Ursula Andress 1962 vor den Augen von James Bond (alias Sean Connery) in Dr. No" " früher auf der Kinoleinwand aus den Fluten steigen. Der ebenso berühmte wie eben auch berüchtigte Bikini hat es zum -70. Geburtstag mittlerweile längst nicht nur Frauen auf der ganzen Welt angetan – Jürgen Kraft hat von ihm sogar eine Sammlung aus etlichen Epochen angelegt.
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schon immer eine Tradition für Bademode gegeben", sagt Kraft, der hauptberuflich als Fahrlehrer arbeitet. Doch was heutzutage zum Alltagsbild am Meer wie am Baggersee dazugehört, führte im Juli 1946 zu einem Aufschrei. Der gelernte Automechaniker Louis Réard präsentierte den ersten Bikini in Paris Nacktmodel Micheline Bernardini traute sich mit dem knappen in einem Schwimmbad. Zweiteiler 1946 in die Öffentlichkeit Nun ja, zumindest in der damaligen Form aus vier Dreiecken, die mit Kordeln zusammengehalten wurden, war er ein Novum – die Römerinnen trugen einen Zweiteiler bereits vor mehr als 1600 Jahren.
Foto: © Claudia Tupeit
ie Leidenschaft des 53-Jährigen für historische Bademoden begann allerdings mit einem durchgehenden Stück Stoff: einem Erbstück von der Oma. „Eigentlich war der Badeanzug richtig hässlich", gibt der gebürtige Zwickauer zu. Doch er habe ihn unbedingt aufheben wollen. Das gute Stück war aus Dederon, einem Stoff, der als Pendant zum BRD-Perlon und zum Nylon aus den USA in der Deutschen Demokratischen Republik auf den Markt kam – 1959, also 20 Jahre später als die Vorbildstoffe. Er wurde für alles verwendet, vor allem aber für geblümte Kittelschürzen, Einkaufsbeutel und Kleider. Sein Vorteil: Dederon – zusammengesetzt aus dem Wort D(e)D(e)R plus „on" – ist so dünn und auch leicht durchsichtig, dass aus ihm gefertigte Teile platzsparend zusammengefaltet werden können. Doch wer nun glaubt, ein Kleid sei dadurch auch besonders geeignet, um es im Hochsommer als luftige Alternative zu Baumwolle zu tragen, der irrt. In dieJürgen Kraft sammelt seit sem Stoff schwitzt frau Jahren historische Bademoden gemeinhin „wie Hölle". und zeigt diese auch bei Foto: © Jürgen Kraft
Modenschauen.
Polka-Dots sind zunächst in den USA aufgekommen
Über 300 Bademodenstücke zählt Jürgen Kraft zu seiner historischen Sammlung. Der Sachse lebt heute passenderweise auf der Insel Usedom, wo an den endlosen Stränden ständig Bikinis vor ihm herspazieren. „An der Küste hat es Seite
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Marilyn Monroe, Foto: © Interfoto / Friedrich
Der Bikini
Die Kreation des Franzosen nur ein Jahr nach Ende des Zweiten Weltkriegs war ob des schmalen, kaum etwas bedeckenden Stücks Stoff so gewagt, dass das Modell kein Model vorführen wollte. Als Mannequin nahm er sich schließlich eine Nackttänzerin namens Micheline Bernardini, die das Teil am 5. Juli der Öffentlichkeit präsentierte. Übrigens: Réard benannte die zwei „Stofffetzen" um Hüfte und Brüste nach dem gleichnamigen Atoll im Pazifik, wo die Amerikaner Atomtests durchführten. Sehr passend, wie auch Sammler Kraft bemerkt: „Der Bikini schlug ja tatsächlich ein wie eine Bombe", resümiert er im Gespräch und lacht.
In Italien und Frankreich wurde der Bikini Réards zeitgleich verboten. In den 1950er Jahren wagten sich dann „Vollweiber" wie Hildegard Knef und Brigitte Bardot für Foto-Aufnahmen an den Zweiteiler, in Deutschland schlich sich der Bikini als Strandmode langsam tatsächlich erst nach der Kinoaufführung des ersten James-Bond-Films mit dem unvergessenen Auftritt des ersten Bondgirls ein. Der berühmte
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Rosveta aus dem Jahr 1944 gilt als sein besonderer Schatz. Das Original ist gut und sicher verstaut im Textil- und Rennsportmuseum im sächsischen Hohenstein-Ernstthal. „Das ist wahrscheinlich das älteste noch original erhaltene Modell", vermutet der passionierte Sammler.
Marilyn Monroe, Foto: © Interfoto / Friedrich
Zweiteiler von Honey Ryder hat sogar seinen eigenen Namen erhalten: „Dr. No Bikini", eine Kombi, bei der um das Höschen ein schmaler Gürtel geschnürt ist. Das Modell von damals ist heute im Besitz von Robert Earl, dem Erfinder und Geschäftsführer der Planet Hollywood Restaurants. Er hat ihn 2001 im Auktionshaus Christie's in London für 60.000 Dollar (heute umgerechnet etwa 53.000 Euro) ersteigert. Nur drei Jahre hielt er mit dieser Summe jedoch den Rekord, Besitzer des teuersten Bikinis der Welt zu sein. 2004 kreierte Designer Scott Henshall nämlich einen über und über mit Diamanten besetzten für stolze 2,8 Millionen Dollar. Wenngleich dieser genaugenommen auch kein Bikini, sondern ein Monokini war ... Womit wir zur Vielfalt der heutigen Bademodenmodelle kommen. Denn was frau am Strand so trägt, kann (begrifflich) ganz schön verwirren. So ist ein Monokini ein Zweiteiler, dessen Teile allerdings mit einem schmalen Stoffstreifen in der Mitte und seitlich entlang der Taille miteinander verbunden sind. Ein Tankini wiederum ist die Kombination aus einem Oberteil, das wie ein Unterhemd mit Spaghettiträgern anmutet, und dazu einem „Schlüpfer". Und der Microkini ist – wie der erste Wortteil vermuten lässt – winzig klein: Das Oberteil bedeckt mit Stoff gerade so die Brustwarzen, das Unterteil ist ein Tanga, der vorn gerade noch den Schambereich verhüllt. Louis Réard hätte so etwas Minimalistisches gefallen, meinte er doch, dass ein Bikini so klein sein solle, dass man ihn durch einen Ehering ziehen kann. Und auch Sammler Jürgen Kraft weiß von Modellen mit 45 Quadratmillimetern Größe, die in eine Streichholzschachtel passen. „Wobei wir da von solchen reden, die größer waren als die heutigen", betont Kraft gleichzeitig. Sein Vorzeigemodell, auf das er ganz besonders stolz ist, könnte diese Vorgaben sicherlich nicht erfüllen. Ein Badezweiteiler der Marke GoodTimes
Da er es für seine regelmäßig auf Usedom ni sierten Bademodenschauen unbedingt im orga Repertoire haben wollte, ließ Kraft das Teil der Firma Rössel & Vetter nachschneidern. Von keinem Geringeren als Thomas Riedel, der in dritter Generation in Apolda die Firma Riedel exklusive Strickmode führt und – wie Kraft erzählt – tagelang daran werkelte, um es nur mit Hilfe von Fotos dem Vorbild nachzuempfinden. Die Replik ist mehr als gelungen: Nicht nur der Schnitt und die Details wie ein weißes Schnürband durch die Hose in „Hot-Pan"-Form passen, auch die blaue Farbe ist fast eins zu eins kopiert. 1944 übrigens kostete der Zweiteiler 7,05 Reichsmark, wie Kraft im Museum erfahren hat.
Jürgen Kraft sammelt mittlerweile von jeder Marke, ob von den einst führenden Herstellern von Bademoden – Triumph und Heinzelmann – im Westen oder Oluba und Sporett aus der DDR. Ein Badeanzug aus den 1930er Jahren sei ebenso dabei wie solche aus den 70ern. „Bei diesem Jahrzehnt höre ich dann aber auch auf, danach finde ich das alles nicht mehr so spannend", gibt er zu. Die Modelle seiner Sammlung sucht er nicht nur auf Flohmärkten oder bei eBay. „Mich kontaktieren auch Leute, die im Keller oder auf dem Dachboden alte Badezweiteiler oder Badeanzüge beim Ausmisten finden. Die stellen sie mir dann für meine Sammlung zur Verfügung." Viele Bikini-Modelle von einst sind indes längst wieder an den Frauenkörper von heute zurückgekehrt. Züchtige Varianten, bei denen das Höschen die gesamte Hüfte und die Pobacken verdecken sind genauso wieder „in" wie solche, die aus Wolle gefertigt werden. Nur ins Wasser sollte man mit denen besser nicht – sie trocknen ewig nicht und hängen nach dem Untertauchen einfach nur noch schwer am Körper. Selbst dem Dederon-Stoff wird bei Nostalgikern wieder Beachtung geschenkt. Das „hässliche Teil" von Krafts Oma, der Badeanzug mit dem bei ihm alles angefangen hat, existiert allerdings nicht mehr ... Claudia Tupeit 1/2017
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Mobile Stars On The Road! Zum klassischen Rock'n'Roll-Lifestyle gehören seit jeher nicht nur Sex & drugs & laute Musik – sondern immer auch ein adäquater, möglichst cooler fahrbarer Untersatz, der den Ausnahmestatus des Künstlers zementiert. Hier erzählen zehn ganz unterschiedliche Stars über ihren persönlichen Umgang mit dem Thema "Mobilität". am liebsten in meiner eigenen Karre und selbst am Steuer. Tja, da ich bislang keinen Flugschein besitze, fahre ich eben rasend schnel le Autos, das erzeugt beinahe genauso viel Adrenalin wie ein Flug. Wobei Autos nicht nur zum Fahren gut sind. Auch wenn sie stehen, kann trotzdem eine Menge in ihnen passieren. Vor allem dann, wenn die Liegesitze schnell runter gehen ... Das ist wichtig, schließlich hatte ich meinen ersten Sex mit 15 in einem Auto. Eigentlich war ich auf die Karre der Lady heiß, doch ich war noch zu jung, um damit zu kutschieren. Da habe ich mich eben der Besitzerin angenommen, die war uralt in meinen Augen, nämlich 18. Doch sie lenkte diesen unglaublichen Chevrolet. Dafür ließ ich mich gerne von ihr entjungfern – wichtig war, dass sie mich in ihrer Karre mitnahm. Und um ehrlich zu sein, gelegentlich ließ sie mich damit sogar fahren …”
Foto: © Helmut Ölschlegel
MARK KNOPFLER „Ich bin ein eher träger Mensch. Um das auszuglei chen, brauche ich ein Auto unter dem Hintern, das Energie und Wut besitzt. Beides besitze ich nämlich nicht in hohem Maße. Ich lasse beim Autofahren sozusagen die Sau raus, um meine Langweiligkeit zu überwin den. Ganz ehrlich, ich bin ein ziemlich langweiliger Typ. Fragen Sie meine Frau, haha. Aber ich habe mich ganz gut damit arran giert. Immerhin bin ich ein langweiliger Typ mit Kohle. Also einer, der sich einen Porsche Carrera leis ten kann. Das ist nicht schlecht, oder? 2003 hatte ich wegen meiner for schen Fahrweise übrigens einen schlimmen Unfall mit meinem Motorrad, einer 800er Honda. Ich weiß noch, dass ich dabei plötzlich dem Tod ins Auge gesehen habe. Dass ich mir sehr schmerzhaft meiner eigenen Sterblichkeit bewusst geworden bin. Das ist zwar keine sehr angenehme Empfindung. Aber man lernt letztendlich daraus, dass alles vergänglich ist. So auch ich. Und: Ich habe trotzdem das Motorradfahren nicht Seite
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aufgegeben. Ich brause wieder mit Leidenschaft auf einer neuen Honda herum. Weil ich dem Schicksal sagen will: ‚Hey, ich mache Fehler. Und ich habe das Recht dazu. Ich will nicht aus allen Erfahrungen etwas lernen müssen.' Ich habe bei dem Unfall einige Knochen gebrochen. Doch die sind geheilt. Nichts ist so schlimm, wie es manchmal erscheint.”
MIDGE URE „Meine Leidenschaft für Motorräder wurde
nur einmal ganz kurz entfacht, als ich so 17 oder 18 war. Mein älterer Bruder und ich bekamen von unseren Eltern, obwohl wir eine sehr arme Familie waren, 100 Pfund geschenkt, damit wir uns gemeinsam damit einen Motorroller kaufen konnten. Das taten wir auch, frisierten das Ding bis zum Äußersten auf – und zwei Wochen später war der Traum vom Biken zu Ende, weil mein Bruderherz unseren Roller im Suff zu Schrott fuhr. Tja, so ist der Lauf der Dinge. Sex im Auto hatte ich übrigens auch ein mal, sogar in einem noblen Jaguar. Es war die Luxuskarre einer ziemlich reichen Schnepfe, mit der ich kurz zuvor zusam mengekommen war. Die Frau ließ mich mit ihrem Ding fah ren, während sie sich ... nun ja ... mit mei nem Ding beschäftig te. Allerdings war ich dabei dermaßen nervös, dass ich zu stark auf die Bremse trat, das Bremsseil riss, und ich brachte den Wagen erst an einer Leitplanke zum Stehen. Tja, das war meine erste und letzte Erfahrung mit Intimkontakt im Auto. Und die Lady neben mir hat noch am selben Tag mit mir Schluss gemacht. Seither bevorzuge ich für Sex mein Bett oder die freie Natur, da kann weniger passieren.” Foto: © Brian Bowen Smith
LIONEL RICHIE „Ich bin ein Mann der Mobilität, immer in Bewegung,
MIKE RUTHERFORD „Ich fahre ausschließlich Autos mit Allradantrieb.
Nun ja, ich bin nicht sehr stolz auf den Hintergrund dieses Umstands, doch verheimlichen möchte ich ihn trotzdem nicht. Also: Irgendwann in den 80er Jahren fuhr ich mit meinem top-modernen BMW gegen die Wand meines Hauses. Und das nicht, weil ich total betrunken gewesen wäre, sondern weil die ebenfalls top-moderne Elektronik meines Wagens komplett versagte. Ich konnte die Karre einfach nicht
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mehr steuern! Meine Ehefrau hat danach nur trocken zu mir gemeint: ‚Mike, such dir ein Auto aus, das gut fährt und diese Blinklichter auf der Armatur nicht besitzt.' Ein schlauer Rat, finde ich. So kam ich auf Range Rover, eine Firma, der ich seither die Treue halte. Die liefern mit ihren Autos Fahrvergnügen pur, verzichten auf irgend welchen elektronischen Quatsch und lassen dich trotzdem nie im Stich. Range Rover ist nicht billig, aber diese Firma steht für unprätentiösen Stil. Ich mag inzwischen schlichte Autos.”
PHIL COLLINS „Also: Ich bin kein Schumi, den ich als Sportler im
Übrigen immer sehr bewundert habe, doch ich fahre ganz gerne mal eine flotte Sohle und oftmals schneller, als es erlaubt ist, obwohl ich das meist gar nicht bemerke. Andererseits bin ich ein sehr vorausschauender Fahrer, ich denke immer für die Leute in den anderen Autos mit und überlege, wie dieser und jener reagie ren würden. Ansonsten höre ich liebend gerne Musik im Auto, gerne auch die eige ne, wenn sie gerade im Entstehen ist. Das spart viel Zeit im Studio zu Hause. Außerdem finde ich so raus, ob die neuen Songs auch Auto-kompatibel sind. Meine erste Karre war übri gens ein Austin 35, gebaut Anfang der 60er, den mir meine Eltern 1969 zum 18. Geburtstag geschenkt haben. Die Kiste hatte zuvor mein Vater, danach meine Mutter gefah ren. Sie hatte eine Scheiß-Kupplung, das weiß ich noch gut! Und trotzdem ist es bis heute mein Lieblingsauto, weil ich sehr viel damit erlebt habe.”
NICOLE: „Mein erstes Auto war ein Ford Escort Cabrio, ich habe es mir
Foto: © obs/Ford-Werke AG
mit 18 von dem Geld geleistet, das ich beim Sieg des Grand Prix ein Jahr zuvor mit dem Lied 'Ein bisschen Frieden' verdient hatte. Ein tolles Auto, vor allem an sonnigen Tagen. Ich liebe es, wenn ich mit offenem Dach unterwegs bin. Das hat was vom Gefühl der Freiheit und Unendlichkeit. Übrigens bin ich eine recht flotte Fahrerin, Tempo 200 ist mir nicht fremd. Wenn ich das Gaspedal durchtre te, höre ich am liebsten meine eigenen Lieder. Die beruhigen mich dann und bringen meinen Adrenalinspiegel etwas runter. Schlager bei Höchstgeschwindigkeit – diese paradoxe Kombination ist großartig!”
KLAUS MEINE/RUDOLF SCHENKER (SCORPIONS)
KLAUS MEINE: „Motorräder waren eine Zeitlang meine große Leidenschaft! Aber Bikes sind nun mal was für junge Leute – und da wir in der Band weit jenseits der 60 sind, sind sie für uns kein Thema mehr. Da würden wir uns doch lächerlich machen, wenn wir auf einer Honda oder Harley rumdüsen würden, das wäre ja ein grässliches Klischee.” RUDOLF SCHENKER: „Doch da wir durchaus auf Geschwindig GoodTimes
keitsrausch stehen, fahren wir eben flotte Autos. Klaus und ich etwa preschen gerade in einem Mercedes 500-SL durch die Gegend.” MEINE: „Dieser Mercedes 500-SL ist tatsächlich ein rasantes Sportgerät – und zugleich ein extrem komfortables Teil, um damit auch längere Reisen zu machen. So eine Kombination macht den 500-SL für mich zu einem perfekten Auto. Außerdem bin ich ein eher kleiner Mann, da kommt mir das überschau bare Cockpit im SL natürlich sehr ent gegen.” SCHENKER: „Okay, ich bin größer als Klaus, daher ist mein Traumauto auch ein Mercedes SLR. In dem Teil hat man jede Menge Platz. Und die Flügeltüren sind einfach geil zum Angeben, haha!”
TANITA TIKARAM „Meine ‚Karriere' als Autofahrerin ist gepflastert von Unfällen, ich bin wohl so eine Art Unfallkönigin. Kein einziges der Autos, das ich mir je gekauft habe, ist heil geblieben. Ich fuhr eine Reihe von VW Golf GTIs, und keiner hat sich ohne Beulen von mir verabschiedet. Vor eini ger Zeit habe ich die Marke gewechselt und mir einen Mercedes der A-Klasse gekauft, weil ich dachte, ich könnte den unglücklichen Bann brechen. Aber von wegen, die Karre ist auch schon wieder total lädiert von zwei Unfällen, die ich hatte. Sogar als Beifahrerin setze ich meine tragische Serie fort. Menschen, die bislang noch nie Probleme im Straßenverkehr hatten, wurden durch mich in Unfälle verwickelt. Scheint, ich ziehe diese Art von Pech geradezu magisch an …” ZUCCHERO „Als ich noch ein kleiner Junge war, in den 60er Jahren,
hatte ich einen absoluten Helden: meinen Onkel. Der war Kfzund Motorradmechaniker und natürlich ‚musste' er alle Wagen und Maschinen, die bei ihm zur Reparatur landeten, Probe fahren, sobald er sie wieder auf Vordermann gebracht hatte. Das wusste keiner sei ner Kunden offiziell, doch natürlich ahn ten sie es. Es war eine Art offenes Geheimnis, aber keiner traute sich etwas zu sagen, da mein Onkel der beste Mechaniker der Gegend war. Jedenfalls, zu vielen seiner ‚Ausflüge' hat er mich Steppke mitgenommen, egal, ob zwei- oder vierrädrig. Mein Onkel war ein richtig cooler Typ. Er hat mir auch das Reparieren beige bracht, was ich bis heute beherrsche. Allerdings nur alte Motoren, mit der modernen Technologie komme ich überhaupt nicht klar. Aktuell habe ich drei Uralt-Karren bei mir rumstehen, einen VW Käfer, einen NSU Prinz und einen Fiat 500, an denen ich immer wieder rum schraube. Bei Motorrädern schwöre ich auf betagte italienische Teile, in meinem Rennpark findet man eine Ducati 900, eine Moto Guzzi V-750 und einen Vespa-Roller, Baujahr 1955. Letzteren hat mir übrigens mein heldenhafter Onkel vererbt. Das Ding läuft noch immer und wird von mir in Ehren gehalten.” Michael Fuchs-Gamböck
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Chaplin’s World
Charlie spricht – erstmals
Von Roland Schäfli
1952 wurde Charlie Chaplin unfreiwillig zum Exilanten. Als in den USA unerwünschte Person nahm er Zuflucht in der Schweiz. Fast 40 Jahre nach seinem Tod öffnet sein Refugium nun die Tore.
Bekannte Szenen mit viel Liebe zum Detail nachgebildet: Der Friseur aus dem großen " Diktator" wartet auf Kundschaft.
16 Jahre Planungs- und Bauzeit hat es gedauert, bis dieser Blick für alle zugänglich wurde, sprich: bis sein selbst gewähltes Schweizer Exil seine Pforten öffnen konnte. „Chaplin's World" nennt sich das Freiluftmuseum, doch eine Verwandtschaft mit „Disneyworld" ist ausgeschlossen. Denn erfreulicherweise haben die Initiatoren jeder Versuchung zur Verkitschung widerstanden: Der Besucher kommt dem Privatmann Chaplin sehr nahe, wird aber dennoch in respektvoller Distanz gehalten. Denn immerhin darf man in der Villa Manoir de Ban wie in einem Schweizerischen „Graceland" die Privaträume besichtigen: die Wohn-, Schlaf- und Badezimmer. Dabei bleibt es nicht bei einer reinen Hausbesichtigung. Die Stationen des Privatlebens werden in originellen, aufwändig inszenierten Situationen nachgestellt. Der renommierte Wachsfigurenhersteller Grévin Seite
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ermöglicht die fast persönlich anmutende Begegnung mit dem Hausherrn. Wer nahe genug rangeht, stellt fest: Beim älteren Charles Spencer Chaplin sitzen selbst die Altersflecken punktgenau!
© Pressefoto
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haplin schloss seine Autobiografie „Mein Leben" mit folgenden Zeilen: „Von solchem Glück erfüllt, sitze ich manchmal bei Sonnenuntergang draußen auf unserer Terrasse und blicke über den weiten grünen Rasen zum fernen See hinunter und darüber hinaus auf die Zuversicht einflößenden Berge, und in dieser Stimmung denke ich an nichts und freue mich ihrer großartigen Gelassenheit."
Vier Hektar Park nannte der sein Eigen. Auf 1350 Quadratmetern entstand dann ein Museum, das durch „Charlot"-Szenen führt. Leibhaftig betritt man den Nachbau der Holzhütte aus „Goldrush", die sich gefährlich dem Abgrund zuneigt. Dann wieder darf man sich wie der kleine Arbeiter fühlen, der ins Räderwerk der eigenen Maschine gerät. Dem verschwenderischen Perfektionisten Chaplin hätte der Aufwand gefallen. Ein Einführungsfilm beginnt mit den Worten „Charlie Chaplin spricht zu Ihnen", worauf Charlots Stimme zu hören ist. Was für einen Stummfilmstar überrascht, der sich der Erfindung des Tons beharrlich verweigerte. Wohltuend, dass sich die Ausstellung dann bei Begleitkommentaren zurücknimmt
Das Wohnzimmer im Manoir de Ban: Die Investoren ließen es sich 16 Millionen Franken kosten, aus dem Wohnsitz "Chaplins World" zu machen. GoodTimes
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Im Räderwerk von "Moderne Zeiten": Besucher geraten in Charlies Maschinerie.
noch ein Zuhause für meine Familie finden", schrieb er dazu eher lapidar. Ein Freund hatte die Schweiz vorgeschlagen, nachdem ihm als „unerwünschter Person" die Wiedereinreise in die USA verweigert blieb. Er gestand in seinen Memoiren offen, dass er sich Sorgen wegen der Devisenbestimmungen mache. So gesehen, folgte er dem Weg anderer Steuerflüchtlinge, die sich am Genfer See niederließen. „So kam es, dass wir nun im Dorf Corsier leben, das 1350 Einwohner hat." Seine Tochter Geraldine, später durch „Dr. Schiwago" selbst weltberühmt, und die weiteren Kinder besuchten artig die Dorfschule. Seine vielen Nachkommen leben noch heute im Kanton Waadt. Und obwohl Chaplin zeitlebens britischer Staatsbürger blieb, wurde er auf dem Dorffriedhof bestattet. Das Museum verzichtet glücklicherweise auf den Hinweis, den Besuch mit einer Pilgerreise zur letzten Ruhestätte
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Chaplin, der Privatmann, setzt zum Sprung in die Badewanne an.
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IN DIESER AUSGABE NEU: Volksbibliothek-Hefte 187067 GoodTimes 1/2017 ab Seite n
Fotos: © Roland Schäfli
– und damit etwas erreicht, das Chaplin selbst einmal „the beauty of silence" nannte. Da stört es auch nicht, wenn in der originalgetreuen Nachbildung seines Schneideraums 35-mmFilmstreifen aufgehängt sind, die eine Tonspur aufweisen. Und natürlich wird man durchgehend von seinen sentimentalen Kompositionen umschmeichelt. Wie "Smile", dem eingängigen Thema aus „Modern Times", das auch von Michael Jackson intoniert wurde – der als Bewunderer selbst des Öfteren zu Gast war. Manoir de Ban beherbergte die intellektuelle Elite. „Wären wir nicht so viel mit unserer Familie Chaplins Wohnsitz in Corsier am Genfer See: beschäftigt, könnten wir in der Hotspot der intellektuellen Elite. Schweiz ein sehr reges gesellTruman Capote und Sophia Loren waren schaftliches Leben haben, denn regelmäßige Gäste. ganz in unserer Nachbarschaft abzurunden. lebt (…) die Königin von Spanien. Außerdem lebt eine ganze Anzahl Stattdessen von Filmstars und Schriftstellern in der Nähe. Ein Nachbar ist auch findet der Noel Coward. Oft schaut Truman Capote, der gelegentlich in der Rundgang seiSchweiz arbeitet, zu uns herein." nen Abschluss im „Gift Nun sind die Gäste noch internationaler, freilich aber weniger Shop". So viel bekannt: Man rechnet mit wahren Touristenströmen. Dafür wurde Amerikanismus auf dem Gelände eigens eine Straße mit Parkplätzen angelegt. Was muss halt Chaplin nun freilich weniger gefreut hätte, der im Winter seine Kinder sein, anwies, den jungfräulichen Schnee nicht mit Fußstapfen zu verunstal sogar bei Chaplin ... ten. Warum er ausgerechnet im welschen Dorf siedelte? „Ich musste
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kult! Von Alan Tepper
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Bücher
Kultbücher – Geschätzt, geliebt, gelobt
n der kalten Jahreszeit hat das Buch wieder Hochkonjunktur. Die
Zeit der leichten Sommerlektüre ist vorbei, und der Leser sucht wieder nach intensiveren literarischen Erlebnissen. Eingeläutet von der Frankfurter Buchmesse scheint eine immense Flut an neuen Veröffentlichungen den Interessenten zu überschwemmen, der die Qual der Wahl hat. Hier sollte man sich immer offen zeigen, denn zwischen der Vielfalt der angepriesenen Werke schillern so eini-
Benoîte Groult – auf unserer Haut" "Salz ls der Roman der in diesem Jahr
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ge Edelsteine hindurch. Allerdings erfordert eine lohnende Entdeckung immer viel Zeit, denn es fällt schwer, das Labyrinth zwischen der kreischenden Werbung der großen Publikumsverlage und den eher versteckten Titeln zu erkunden. Doch wie so oft im Leben verspricht allein schon die Suche eine Auseinandersetzung mit mannigfaltigen Themenkomplexen und einen nicht zu unterschätzenden Wissensgewinn. Lassen Sie sich anregen und inspirieren!
Richard Russo – gottverdammten Träume" "Diese er amerikanische Autor Richard Russo (geb. 15. Juli 1949) hat mit
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verstorbenen Schriftstellerin Benoîte Groult (31. Januar 1920 – 20. Juni 2016) erschien, rief er die Sittenwächter auf den Plan. Pornografie bzw. lite rarischer Schund lautete ihr Urteil – dem die Leser offensichtlich widersprachen, da sich der erotische Roman über zwei Jahre in den Bestsellerlisten platzierte und auch heute noch häufig gelesen wird. Natürlich fin den sich zahlreiche „prickelnde" Szenen, doch davon abgese hen, kann man ihn als sozialkritisches und feministisches Werk einordnen. Groult schildert die Liebe und Anziehungskraft zwischen der französischen Intellektuellen George und dem bretonischen Fischer Gauvain, die allerdings niemals eine lang anhaltende Erfüllung findet, sondern im Verlauf der Jahre manchmal zufällig, manchmal beabsichtigt wieder aufflackert. Beim tragischen Ende – Gauvain verstirbt kurz nach einer Operation – wird George bewusst, dass sie nur während der gemeinsamen Momente intensiv gelebt hat. Ein moderner Klassiker mit Charme und Raffinesse.
diesem 2001 veröffentlichten Roman den angesehenen PulitzerPreis 2002 gewonnen. Das deutsche Publikum musste geschlagene 15 Jahre warten, bis eine gelungene Übersetzung des grandiosen Werks erscheint, das – wie bei Russo üblich – die Schicksale und den alltäglichen Kampf der Menschen aus der Arbeiterschicht darstellt. Neben zahlreichen Nebenpersonen schil dert der Autor das triste Dasein von Miles Roby, einem Studienabbrecher, der ein Restaurant in der kleinen Stadt Empire Falls betreibt, wo er durch die Begegnung mit seinen Gästen mit dem ganz normalen Leben konfrontiert wird. Er scheint seinem Schicksal ausgeliefert zu sein, kann aber durch eine unerwartete Wendung mit seiner Tochter nach Martha’s Vineyard auf brechen. Die lebendige und realitätsnahe Darstellung der Charaktere, der Blick hinter die Maske der Protagonisten und vor allem seine sorg fältig ausgearbeitete Struktur stellen das Werk Richard Russos schon jetzt auf das Podest Kult-Roman.
Ransom Riggs – Insel der besonderen Kinder" "Die er amerikanische Autor Ransom Riggs (geb. 3. Februar 1979) hatte
J.R.R. Tolkien – des Tom Bombadil" "Dieit Abenteuer seinem „Herr der Ringe" hat John Ronald
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schon mit seinem zweiten Roman – zugleich der Beginn einer Trilogie, die komplett ins Deutsche übersetzt wurde – einen Riesenerfolg. Ähnlich wie sein britisches Pendant Neil Gaiman vermengt er Elemente der Fantasy mit dem Schauerroman, nicht zu vergessen eine leichte Prise Fantastik. Riggs fabuliert die Geschichte von Jacob, des sen Großvater ihm bizarre Erzählungen mitteilt von einer Insel, auf der Kinder mit außer gewöhnlichen Fähigkeiten leben, die aber zugleich auch durch scheinbar unwirkliche Wesen bedroht werden. Als sein Großvater unter mysteri ösen Umständen ums Leben kommt, stellt sich Jacob die Frage nach dem mögli chen Wahrheitsgehalt des Mitgeteilten und beginnt seine Erkundungen, die ihn in eine unbekannte Welt führen. Ransom Riggs verführt den Leser nicht allein durch den packenden und realistisch anmutenden Text, sondern auch durch die zahlreichen im Buch abgedruckten Fotos, die vermutlich aus den Jahren 1910 bis 1940 stammen. Brillant. Apropos: Am 6. Oktober 2016 kam die Romanverfilmung von Tim Burton in die deutschen Kinos. Seite
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Reuel Tolkien (3. Januar 1892 – 2. September 1973) Literaturgeschichte geschrieben und sich einen riesigen Kreis von Fans gesichert. Auch „Der Hobbit" setz te sich – insbesondere an den Kinokassen – durch. Dass Tolkien nicht nur ein begna deter Erzähler war, belegt indes diese von Insidern geschätzte, doch im Gesamtwerk oft übersehene Sammlung von Gedichten, bei denen sich die Vorliebe des Autors für ungewöhnliche Metren, Wortspiele und Reime zeigt. Nun in einer zweisprachigen Ausgabe erschienen und mit Illustrationen geschmückt, darf der Leser in die zauber hafte Welt eintauchen. Neben zwei Tom Bombadil gewidmeten Gedichten finden sich kleine Abenteuer („Irrfahrt"), ein nied liches Märchen („Der Mann im Mond kam viel zu früh"), eine auf Mittelerde anspielende Geschichte in Versform („Der Hort") oder ein Text, der aus dem „Herr der Ringe" stammt („Olifant"). Eine schöne, fantasievolle und vor allem überaus kreative Sammlung, die den Herbst und den Winter erträglicher macht.
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H.G. Wells – "Die Insel des Dr. Moreau" eben Jules Verne gehört H.G. Wells (21. September 1866
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Die Sprechblase
– 13. August 1946) zu den wichtigsten Autoren, die für das Genre Science Fiction grundlegende Ideen lieferten. Während bei Verne die Abenteuergeschichte und die wissenschaftliche Plausibilität großge schrieben wurden, standen bei Wells gesellschaftliche Zusammenhänge, das Fabulieren und die Sozialkritik im Vordergrund. Die Wenigsten wissen allerdings, dass der Autor neben seinen ScienceFiction-Erzählungen ein opulentes Gesamtwerk veröffentlicht hat, in dem er sich mit den unter schiedlichsten Themen auseinandersetzte. Doch es sind Romane wie die mehrfach verfilmten „Die Zeitmaschine" (1895) oder „Der Krieg der Welten" (1898), mit denen er bedeutende Topoi anschnitt. Mit „Die Insel des Dr. Moreau" veröffentlich te Wells 1896 einen düsteren Roman, dessen visionäre Kraft bis in die Moderne ausstrahlt. Er erzählt die Geschichte des Schiffbrüchigen Edward Prendick, der im Pazifik von einem Arzt namens Montgomery gerettet wird. Dieser befindet sich auf der Reise zu einer Insel mit einer vorgeblichen Forschungsstation, geleitet von Dr. Moreau. Dort angekommen, erkundigt sich Prendick nach dem Grund für die Forschungen, stößt aber auf eine Mauer des Schweigens. Eines Nachts hört er markerschütternde Schreie, flieht, wird aber wieder einge fangen. Dr. Moreau erklärt ihm in der Folge seine wahren Absichten. Er operiert Tiere, die dann zu Mischwesen werden, die Menschen ähneln, lehrt sie eine rudimentäre Sprache und manipuliert sie weiter, bis sie sich seinem Ideal nähern. Doch die Experimente scheitern. Moreau wird von seinen Geschöpfen getötet, und Prendick kann letztendlich entkommen. Der Titel der leider schwachen Verfilmung von 1996 mit Marlon Brando – „D.N.A.: Experimente des Wahnsinns" – deutet den zeitgenössischen Bezug an. Wells warnt – wie auch andere Schriftsteller des Viktorianimus – vor der Übermacht der Naturwissenschaft und vor Allmachtsfantasien der Menschen. Bedenkt man die nicht einschätzbare Gefahr der aktuellen Genmanipulationen, ist der Roman mehr als aktuell ... Die wunderbare Welt der
Comics
Der bekannte MICHEL VAILLANT
Der unbekannte MICHEL VAILLANT
DC-Comics: Der Neustart vom Neustart • Russ Mann ings TARZAN • MIKE SIGURD-Comic: Das Finale ! • ROCKY-Zeichner Gallie no Ferri verstorben
WO ZUM TEUF EL IST
MICH EL?
Der neue MICHEL VAILLANT
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Autoren, die schon in der Frühphase der amerikanischen Science Fiction tätig waren, denn er verfasste Kurzgeschichten für das wegwei sende Magazin „Astounding Science Fiction", herausgegeben von John W. Campbell. Übrigens: Einwandfrei erhaltene Originale des kultigen Magazins sind heute kaum noch erschwinglich. Im Gegensatz zu ande ren Autoren, für die die Maxime der wissenschaft lichen Ausrichtung bestand, suchte Heinlein nach neuen Themenkomplexen und fand sie in der sozialkritisch geprägten SF. Hier bestimmten Gedankenspiele, Extrapolationen, Kritik an herr schenden Zuständen (verlagert in die Zukunft) und Nonkonformismus die Erzählungen. Sein Werk „Fremder in einer fremden Welt" zähl te in den Sechzigern zu den meistgelesenen Kult-Büchern. „Die Tür in den Sommer" (1957) erzählt die Geschichte des Ingenieurs und Erfinders Daniel Boone Davis, der herausfin den muss, dass er von seiner Verlobten Belle Darkin und seinem Geschäftspartner Miles betrogen wurde, die sich durch eine Finte die Aktien des gemeinsamen Unternehmens Hired Girl Inc. sicherten, das innovative Haushaltshilfen und Roboter produziert. Davis lässt sich in einen Kälteschlaf versetzen, aus dem er im Jahr 2000 erwacht und dann herausfindet, wie populär die von ihm erfundenen Produkte sind. Doch er hat Glück, kann sich wieder in die Vergangenheit zurückverset zen lassen und die von ihm begangenen Fehler korrigieren. Ein kurzer Abriss des Romans hört sich nicht vielversprechend an, denn es sind die Details, die ihn so lesenswert machen. Die Handlung spielt in den USA nach einem Atomkrieg, das Militär hat eine zentrale Position übernom men und der Kapitalismus gesiegt. Mitmenschlichkeit spielt keine große Rolle mehr (das konterkariert der Autor durch eine Liebesgeschichte), und Drogen werden zu Verhören eingesetzt. Damit übte Heinlein klar Kritik an den USA der 50er Jahre, die auch heute noch partiell ihre Berechtigung hat.
Noch im Okt. erscheinen 2 Highlights:
Im Windscha tte MICHEL VAILL n von ANT
Okt. 2016 € 9,90 41. Jahrg. Nr. 236
Robert A. Heinlein – "Die Tür in den Sommer" obert Anson Heinlein (7. Juli 1907 – 8. Mai 1988) gehört zu den
SPRECHBLASE 236 100 Seiten geballte Information, Schwerpunkt Nostalgie EUR 9,90
Hansrudi Wäscher
100 Seiten
SIGURD – Der Fluch von Rothenstein Gerhard Förster Martin Frei Eine Hommage besonderer Art 96 Seiten, HC, EUR 22,90. Mit exlusivem Bonuscomic und Making of! Erhältlich im Comicfachhandel
DER FLUCH VON ROTHENSTEIN
in Frei
Gerhard Förster • Mart Edition Sprechblase
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Von Andreas Kötter
So war der Wilde Westen wirklich Er war anders als all die anderen großen, verehrten Comic-Western-Helden meiner Kindheit. Während die Blueberrys, Comanches oder Cartlands unablässig einen verbissenen Kampf gegen das Böse führten, hatte er für derlei Luxus gar keine Zeit. Buddy Longway, der Trapper, der irgendwann Mitte des 19. Jahrhunderts durch die Weiten der Rocky Mountains und der Great Plains streifte, hatte genug damit zu schaffen, Tag für Tag das (Über-)Leben in der Wildnis zu meistern.
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ch erinnere mich noch sehr gut daran, wie ich zum ersten Mal auf Buddy Longway traf: Anfang der 70er Jahre hatte mich „Zack" mit „Leutnant Blueberry" sowie „Comanche" und „Primo" mit „Manos Kelly" bekanntgemacht und mir eindrucksvoll bewiesen, dass „Buffalo Bill", „Silberpfeil" oder „Lasso" nicht das Ende der Fahnenstange in Sachen WesternComic bedeuten mussten. „Blueberry" und Co. wirkten erwachsener, ihre Abenteuer waren komplexer und damit für jemanden an der Schwelle vom Knaben zum jungen Mann altersgerechter als die bisweilen arg eindimensional erzählten Geschichten der 30-Seiten-Heftchen aus dem Bastei-Verlag. Seite
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Als nach „Zack" und „Primo" 1975 mit „Yps" ein weiteres Comic-Magazin auf den Markt kam, waren für mich weder die Comics noch die beiliegenden Gimmicks zunächst ein Kaufargument, so dass „Yps" schnell als allenfalls zweitklassig ad acta gelegt wurde. Etwa ein Jahr später aber bekam ich bei einem Freund noch einmal ein „Yps"-Heft in die Hand, und jetzt wartete mit „Buddy Longway" (Erstveröffentlichung in Deutschland ab 1976 in „Yps", später u.a. in Kult Editionen, Finix, Carlsen Verlag) ein Western-Comic auf mich, der formal und inhaltlich völlig anders war als alles, was ich bisher kannte. Diese Bilder zeigten mir eine Natur von überbordender, wenn auch rauer Schönheit und strahlten eine wundersam anmutende Poesie aus. Dabei setzte der mir damals
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bei den Filmfestspielen von Cannes gezeigt wurde. Die „Süddeutsche Zeitung" schrieb damals: „Rousseau'scher Zauber, zwischen Fallenstellern, Indianern, Grizzlys ein Paradies als gerade noch erträgliche Hölle, ohne zivilisatorische Gemeinheit zwar, aber mit der ganzen Gemeinheit der Wildnis, zweideutig ... Auch die Indianer stellen nichts dar, weder Gegenwelt noch bessere Welt. Für Johnson sind sie einfach ‚da', als eine Bedingung seines Lebens wie Schnee oder Hunger." Und so sieht auch Derib, der „Jeremiah Johnson" definitiv kannte, die Welt seines Helden. Ob und inwieweit ihn der Film bei der Arbeit an „Buddy Longway" beeinflusst hat, oder ob es sich bei der Ähnlichkeit beider Werke einfach nur um einen Zufall handelt, ist nicht bekannt. Bekannt dagegen sind die ganz deutlichen Parallelen, die es zwischen Derib selbst und Buddy Longway gibt, so dass man mit Blick auf Buddy durchaus von einem Alter Ego des Künstlers sprechen darf.
noch völlig unbekannte Zeichner auf eine neue Technik, bei der die typischen Kästen der einzelnen Bilder (den Begriff Panel würde ich erst viele Jahre später kennen lernen) teilweise aufgebrochen oder auch ineinander verschachtelt waren und auf diese Weise für eine ganz neue, dynamische Bildsprache standen. Die noch weit größere Lektion aber hatte die Geschichte selbst für mich parat. „Buddy Longway" machte mir schlagartig klar, dass das größte Abenteuer noch immer das Leben selbst ist. Noch dazu, wenn sich dieses Leben in der Wildnis abspielt. Eine auf den ersten Blick entbehrungsreiche Existenz, geprägt von den elementars ten Bedürfnissen und nicht zuletzt den harten Jahreszeiten unterworfen, zeichnete diesen Buddy Longway aus. Eine Existenz, die vermittelte, wie reich gerade ein solches Leben sein kann.
Neu editierte integrale Gesamtausgabe
Der Schweizer Comic-Künstler Claude de Ribeaupierre, Kennern weit besser bekannt als Derib, hat diesem Helden des etwas anderen Alltags ein bildgewaltiges Epos in 20 Bänden gewidmet, an dem er – mit Unterbrechungen – von 1973 bis 2006 arbeitete. Die Egmont Comic Collection hat Derib und „Buddy Longway" eine neu editierte, vorbildlich umgesetzte Integral-Gesamtausgabe gewidmet, die zudem einen umfangreichen redaktionellen Teil aufweist. Zu Recht! Denn Derib, Autor und Zeichner in Personalunion, hat mit „Buddy Longway" nicht nur einen der ersten Autoren-Comics geschaffen, der diesen Namen wirklich verdient, sondern vor allem auch den ersten und bis heute einzigen naturalistischen Western-Comic. Der Schweizer konfrontiert seinen ungewöhnlichen Helden mit einer Natur, die weder feindlich noch freundlich gesonnen, sondern einfach nur da ist. Buddy Longway ist selbst Teil dieser Natur, aber er ist ihr auch unterworfen. Und, ungewöhnlich genug für einen Comic-Helden, er altert. So darf der Leser Buddy über den Verlauf der 20 Bände hin dabei zuschauen, wie er sein Leben lebt. Wie er seine indianische Frau Chinook kennenlernt, wie die beiden Eltern zunächst eines Sohnes, Jeremiah, und später einer Tochter, Kathleen, werden. Im redaktionellen Teil des erstes Bandes der Gesamtausgabe heißt es: „Derib schuf, sicher zum ersten Mal in der Geschichte des Comic, eine Chronik: zunächst die eines Paares, dann die einer Familie, die auf einfachste Art ihren Alltag bewältigt. In gewisser Weise die Jahreszeiten eines Lebens." All das (und längst nicht nur der Vorname des Sohnes) erinnert nicht von ungefähr an „Jeremiah Johnson", Sydney Pollacks wunderbaren Trapper-Western mit dem jungen Robert Redford. „Jeremiah Johnson" war 1972 der erste Western überhaupt, der GoodTimes
Alles Glück der Erde liegt auf dem Rücken der Pferde
Derib, aufgewachsen im kleinen Städtchen La Tour-dePeilz, im Kanton Waadt am Genfer See gelegen, hat stets die Nähe zur Natur gesucht und lebt heute mit seiner Frau Dominique in einem Chalet im Wallis ... ein wenig also wie Buddy Longway und Chinook in ihrer Blockhütte in den Wäldern an den Hängen der Rocky Mountains. In einem Interview im redaktionellen Teil erzählt er: „Man muss wissen, dass ich seit meiner Kindheit vom Ideal des Ehepaars fasziniert bin ... während wir uns mitten im Zeitalter der sexuellen Revolution befanden, wollte ich eine Geschichte über Liebe und Familie erzählen, in die ich mich völlig hineinversetzen würde ... Buddy und ich sind uns so nahe, dass er eine besondere Rolle in meinem Leben spielt."
Bereits seit Kindheitstagen war Derib auch fasziniert von Pferden und Indianern (u.a. stammt auch der für Kinder konzipierte Indianer-Comic „Yakari" aus seiner Feder). „Eigentlich habe ich Cowboys nie wirklich gemocht", resümiert er. „Das ging so weit, dass ich als Kind nur Indianer spielen wollte. Ich war immer etwas wütend, wenn man sie in den Hollywoodfilmen als Wilde darstellte." Und über seine Beziehung zu Pferden sagt er: „Meine Liebe zu Pferden wurde sicher noch früher geweckt. Als ich erst zwei Monate alt war, hatten mich meine Eltern auf dem Rücken eines Maultiers mit in die Berge genommen, wo ich einige Monate verbrachte ... Ich stelle mir vor, dass meine Liebe zu diesen Tieren eine bedeutungsvolle Erinnerung an den langen Ritt auf dem Maultierrücken ist. Mit der Zeit ist es eine meiner Leidenschaften geworden, sie hinter den Nüstern zu kraulen, da, wo es so weich ist und so gut riecht." Selbst Buddy Longway hätte das wohl kaum schöner ausdrücken können. 1/2017
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Triumph - ale Reise in die Vergangenheit Motorradhersteller Triumph hat die Retro-Idealspur gefunden. Mit der Neuauflage der Bonneville T120 verströmt er quasi den Benzingeruch der rebellischen 50er Jahre.
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er Traditionshersteller hat sich selbst überrascht: Die Vorbestellungen der neuen „Bonnie" übertreffen alle Erwartungen. Denn mit dem Comeback der legendären Bonneville-Baureihe holt Triumph jene Nostalgie-Biker zurück in den Sattel, die dem Freizeitsport eigentlich schon abgeschworen hatten. Die Asphaltlegende blieb in ihren Köpfen aber anscheinend stets lebendig. Was auch daran liegt, dass im kollektiven Bewusstsein jene Filmhelden eingebrannt sind, deren Feuerstuhl in den britischen Werkhallen geboren wurde ... Die Lovestory zwischen Triumph und Hollywood begann 1953. Marlon Brando, in den Startlöchern seiner jungen Karriere, ließ sich in eine schwarze Motorradkluft gießen, nannte sich „Johnny" und knatterte auf seiner persönlichen Triumph Thunderbird 6T durch den Kultfilm „Der Wilde". Die Jugendlichen waren hin und weg. Als nuschelnder Rocker, die Motorradmütze schräg in die Stirn gezogen, prägte der Method Actor der ersten Stunde auch gleich die Rebellen-Fashion. Dabei hatte dieser aus heutiger Sicht recht moralinsaure Streifen gerade das Gegenteil im Sinn: den jungen Wilden Vernunft predigen! Brandos Weggefährte, damals noch in dessen Windschatten, war James Dean – und nicht weniger ein Seite
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Motorradfreak als Marlon. Das letzte Motorrad, das Jugendikone Jimmy fuhr, war eine Triumph Trophy TR5. Zu ihrem legendärsten Höhenflug setzte die Triumph dann 1963 an: Ein Kriegsgefangener leiht sich ein deutsches Motorrad und springt über einen Stacheldrahtverhau in die erhoffte Freiheit. Der Mann im Sattel: Steve McQueen. Sein Fluchthelfer: eine Triumph TR6 Trophy. Der Film: „Gesprengte Ketten" (siehe Ausgabe kult! 10). „Wir hatten vier Motorräder zur Verfügung", berichtete der Star einst, dessen Name noch heute als Synonym für Speed und Motoren steht, „ich fuhr eine TT Special 650 Triumph. Wir malten sie olivgrün an und setzten ihr einen Gepäckträger und einen alten Sitz auf, damit sie aussah wie eine BMW aus Kriegszeiten." Eine echte BMW war in McQueens Augen für eine rasante Filmfahrt untauglich, „nicht bei den Geschwindigkeiten, die ihr abverlangt wurde, denn diese alten Babys hatten ein steifes Gestell. Das hätte die Stöße nicht ausgehalten." McQueen brachte seinen Triumph-Händler und Freund Bud Ekins mit an den deutschen Drehort Füssen. Die authentische Geschichte einer Massenflucht um eine Motorradjagd zu erweitern, war McQueens Idee gewesen. Anwohner wissen noch heute zu berichten,
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Foto: © From Wikimedia Commons, Spurzem
Foto: © INTERFOTO, Friedrich
Der Granddaddy der jungen Wilden: Marlon Brando fuhr im Film seine eigene Triumph.
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EINE INTERGALAKTISCHE FREUNDSCHAFT:
Steve McQueen wie der rebellische Star tagelang auf seiner Triumph das Gelände durchmaß und auch Sprünge ausführte – doch den Stunt, der im Filmklassiker zu sehen ist, absolvierte sein Biker-Buddy Bud Ekins.
Kollegen zurückzustehen. Pamela Anderson wählte für „Barb Wire" 1996 wieder wie schon Brando eine Thunderbird (die allerdings in Szenen später im Film zu einer Triumph Tiger wird). Auf eine Nostalgiefahrt ließ sich Brad Pitt 2008 als Benjamin Button ein: Im Film durchlebt er mehrere Dekaden der Geschichte, wozu er äußerst passend auf dem 1956er Modell einer 650cc Triumph T110 Platz nimmt. Als Angelina Jolie 2010 im Film „Salt" dringend einen fahrbaren Untersatz benötigte, schwang sie sich ihrerseits auf eine Triumph Street Triple R. Deren charakteristischer Sound wurde allerdings auf der Tonspur durch einen ganz gewöhnlichen Töff ersetzt.
CAPTAIN KIRK ÜBER MR. SPOCK
2014 und 2015 erlebte Triumph weitere Gastausritte auf der Leinwand: In „Edge Of Tomorrow" bretterte Tom Cruise auf dem Modell Thruxton durch Londons verlassene Straßen, gefolgt von Chris Pratt, der in „Jurassic World" auf einer Triumph Scrambler sogar prähistorischen Echsen um die Nase fährt.
Nach diesem Kickstart war Triumph nicht mehr zu stoppen. Clint Eastwood sorgte auf einer Triumph Bonneville für seinen eigeDie „wiedergeborene" nen Motorradmoment Bonneville T120 – eben in der Filmgeschichte, die „Bonnie", wie Fans sie die Verfolgungsjagd in liebevoll nennen – setzt „Coogans großer Bluff" die Tradition der ersten (1968). Richard Gere, der Filmauftritte nahtlos fort. auch nicht gerade als scheu Linienführung und Details gilt, wenn man sich cool wie die klassisch gehaltenen in Szene setzen kann, fuhr Instrumente orientieren 1982 als „Offizier und sich deutlich an den 50er Gentleman" eine 750 cc Jahren. Die Formgebung Triumph T140E Bonneville. Pamela Anderson folgt dem 59er Modell, Doch die 80er Jahre erlebdas Fans als ten auch, wie Triumph Brad Pitt Höhepunkt im buchstäblich abgewürgt Design dieser wurde. Der englische Epoche ansehen. Hersteller ging in die Knie. Selbst der Lack Bauunternehmer John ließ sich von den Bloor übernahm die zahModellen der lungsunfähige Firma kurz 50er und 60er vor der „Verschrottung". Jahre inspirieNoch 1985 sicherte er ren. Unnötig zu sich aus Lagerbeständen erwähnen, dass Einzelteile von alten das Bike nur ausBonnevilles. In den 90ern sieht, als ob der böse „Johnny" es eben an brachte er Triumph dann zurück auf die der Ecke abgestellt hätte, denn die Technik Straße. Und lancierte die zweizylindrige unterm Chassis ist natürlich auf der Höhe der Neuauflage der Bonneville im Retrostil. Zeit. Was man eben auf gut Neudeutsch ein „Modern Classic Bike" nennt! Endlich brauchten dann auch die Heldinnen Roland Schäfli des Kinos nicht mehr hinter ihren männlichen
304 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag, mit Bildteil € 19,99 [D] · ISBN 978-3-453-20143-9 Auch als E-Book erhältlich
Der Schauspieler Leonard Nimoy wurde als Mr. Spock in der Serie Star Trek berühmt. Er schuf einen Charakter, der wie kaum ein zweiter die Popkultur bis heute prägt. Und er blieb sein Leben lang eng befreundet mit William Shatner, dem Darsteller von Captain Kirk. Das Leben zweier Filmikonen in einer berührenden Biografie – nicht nur für Star-Trek-Fans!
Leseprobe unter heyne.de
VEB Deutsche Schallplatten
Von Kati Naumann
Musikalische Schätze aus der DDR 2 – eine für alles Teil
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eine allererste Schallplatte kaufte ich im Sommer 1975. Sie steckte in einer psychedelisch bunten Hülle und trug den Titel 48 CRASH. Sie war nicht etwa das Original von Suzi Quatro, sondern eine Scheibe mit Cover-Versionen internationaler Hits, interpretiert von Gisela Dreßler, den Puhdys, der Horst-KrügerBand, Hauff & Henkler und anderen, erschienen beim Label Amiga, und das ist kein Zufall. Amiga deckte schließlich das gesamte Spektrum aller unterhaltungsmusikalischen Genres für die deutschen demokratischen Musikfans ab. Egal ob Rock, Pop, Jazz, Kinderlieder, Folk, Schlager, Musical oder Operette, alles, was irgendwie der Unterhaltung diente, erschien bei Amiga. Amiga wurde 1947 von Ernst Busch gegründet, Gesellschafter der Lied der Zeit Schallplatten GmbH, dem späteren VEB Deutsche Schallplatten. Die erste Amiga-Platte kam im Mai 1947 in die Läden. Es war eine Aufnahme der Capri-Fischer, gesungen von Kurt Reimann, mit rotem Etikett. In den Anfangsjahren kennzeichnete dieses rote Etikett die Richtung konzertante Tanzmusik, Volkslieder, Tango, Walzer und Kleinkunst. Reine Tanz- und Jazzmusik erschien in der Edition „Sonderklasse" mit blauem oder blaugrünem Label. Eine Welle neuartiger Schlager und von Jazz und Swing beeinflusster Musik schwappte aus Amerika herüber. Amiga adaptierte in den Nachkriegsjahren Songs aus Amerika, brachte aber auch Stücke neuer deutscher Komponisten heraus und produzierte Hits mit Walter Dobschinski, Bully Buhlan und Rita Paul. In den Anfangsjahren erschienen bei Amiga zahlreiche Schlager mit Swing-Bigbands, inspiriert vonamerikanischen Swing-Standards. Mit der Gründung der DDR veränderten sich die Bedingungen für das Label Amiga, das innerhalb der DDR nun ohne Konkurrenz war. Die Geschichte von Amiga ist damit gleichbedeutend mitder Geschichte der Unterhaltungsmusik der DDR auf Tonträgern und kann deshalb hier nicht einmal annähernd vollständig beschrieSeite
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ben werden. Die Monopolstellung bedeutete natürlich auch, dass der VEB deutsche Schallplatten die einzige Firma war, bei der Künstler in der DDR veröffentlichen konnten. Wer dort abgelehnt wurde, bekam keine weitere Chance auf eine Schallplattenveröffentlichung. Andererseits standen die Künstler bei Amiga aber auch nicht so stark unter Verkaufsdruck wie ihre westdeutschen Kollegen. Ab 1953 wurden in der wöchent lichen Sendung „Schlagerlotterie" Neuproduktionen von Amiga und des DDR-Rundfunks vorgestellt. 1958 wurde sie in „Schlagerrevue" umbenannt, weil die Bezeichnung für Glücksspiele nicht ins Bild der sozialistischen Gesellschaft passte. In all den Jahren des Bestehens des VEB Deutsche Schallplatten konnten die Kapazitäten für Pressung und Druck der Cover die Nachfrage oft nicht befriedigen. Die Regierung der jungen DDR wollte, dass die bei Amiga veröffentlichten Schlager nicht an aktuelle Engpässe erinnerten oder etwa Reiselust in die Ferne weckten. Sie sollten von sozialis tischer Moral und Solidarität geprägt sein. Es entwickelte sich eine eigenständige DDRSchlagerlandschaft, angloamerikanische Tanzmusik war nicht mehr erwünscht. Um dem westlichen Rock’n’Roll etwas Sozialistisches entgegenzusetzen, erfand 1958 ein Leipziger Tanzlehrer einen neuen Tanz, den Lipsi. Helga Brauer sang den Hit "Heute tanzen alle jungen Leute den Lipsi-Schritt". Der Tanz verschwand allerdings schnell in der Versenkung. Neben Helga Brauer waren Julia
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Axen, Ruth Brandin, Bärbel Wachholz und Fred Frohberg die AmigaStars der frühen Jahre. Der AMIGA-EXPRESS war eine Kompilation, welche die Spitzenschlager des Jahres auf einer Langspielplatte versammelte, und erschien von 1953 bis 1975. Ab 1976 gab es dann DIE GROSSEN ERFOLGE mit den Schlagerhits des Jahres. In den Sechzigern hatten vor allem Schlager und Musik aus Defa-Filmen Hochkonjunktur. 1968 sangen Frank Schöbel und Chris Doerk in dem legendären Musikfilm „Heißer Sommer" den gleichnamigen Hit. Er wurde von einem der erfolgreichsten Schlagerund Musicalkomponisten der DDR geschrieben, Gerd Natschinski. Die Interpreten machte der Sommerhit nicht reich, denn damals wurden die Künstler nur einmalig für das Einsingen bezahlt und waren nicht an den Plattenverkäufen beteiligt. Das änderte sich später für einige. 1971 wurde Frank Schöbel mit "Wie ein Stern" zu einem der erfolgreichs ten Schlagerinterpreten der DDR, und er war der erste Schlagersänger, der mit dem Nationalpreis geehrt wurde. Von "Wie ein Stern" verkaufte Amiga 400.000 Platten und vergab eine Lizenz an das westdeutsche Label Philips, bei dem über 150.000 Singles verkauft wurden. Für die beim Publikum beliebten Amiga-Schlager schrieben ernsthafte Künstler aller Genres, mitunter unter Pseudonymen. So verfasste Manfred Krug unter dem Namen Clemens Kerber seine eigenen Schlagertexte, zum Beispiel "Twist in der Nacht". Natürlich gab es in der DDR auch eine Beatbewegung. Neben den Butlers und dem Diana Show Quartett waren die Sputniks eine der führenden „Gitarrenbands". Das Label Amiga wurde schnell auf die junge Band aufmerksam und schnitt eines ihrer Konzerte in einem Berliner Twistkeller mit. Amiga veröffentlichte zwei Sampler unter dem Namen BIG BEAT mit den Sputniks, der Theo Schumann Combo, den Butlers, dem Franke Echo Quintett, den Alexanders und anderen. BIG BEAT war die erste LP mit so genannter Jugendtanzmusik, die bei Amiga produziert wurde. Walter Ulbricht lehnte die Beatmusik allerdings rigoros ab und kommentierte das auf dem 11. Plenum des ZK der SED mit dem berühmten Satz: „Ist es denn wirklich so, dass wir jeden Dreck, der vom Westen kommt, nu kopieren müssen? Ich denke, Genossen, mit der Monotonie des Je-Je-Je, und wie das alles heißt, ja, sollte man doch Schluss machen." Die Butlers erhielten 1965 Auftrittsverbot. Die Sputniks lösten sich unter dem Druck der DDR-Führung 1966 auf. 1965 erschien die erste Ausgabe der legendären LP JAZZ UND LYRIK. Darauf sang Manfred Krug den BiermannSong "Ballade vom Briefträger William L. Moore". Als Biermann im selben Jahr Berufsverbot erhielt, wurden die nicht verkauften Platten geschreddert, um daraus neue Platten zu pressen, denn das Rohmaterial war kostbar und knapp. Manfred Krug veröffentlichte in den Siebzigern bei Amiga zusammen GoodTimes
mit Günther Fischer noch weitere sehr erfolgreiche Platten, die eine Mischung aus Jazz, Chanson und Pop boten. Ein weiterer ostdeutscher Superstar veröffentlichte natürlich ebenfalls bei Amiga, Herbert Roth. Er schrieb volkstümliche Lieder über seine Heimat, den Thüringer Wald, und schied damit die Geister. Die einen liebten und verehrten ihn, die anderen erklärten seine Lieder für Kitsch und Gefühlsduselei, die in einem Arbeiter- und Bauernstaat nichts zu suchen habe. Die Zeitung „Freies Wort" schoss gegen Amiga und schrieb, es sei unverantwortlich, eine solche Musik zu produzieren und zu verbreiten. Walter Ulbricht selbst beendete den Streit um Herbert Roth. Sein Urteil zum "Rennsteiglied": „Mir gefällt's eigentlich", brachte für Herbert Roth den kulturpolitischen Durchbruch, und bei Amiga wurden vier Langspielplatten mit mehreren Nachauflagen sowie zahlreiche Singles gepresst. Zu den beliebtesten Amiga-Platten im Genre Musical, Operette und Filmmusik zählten die Aufnahme des erfolgreichen Musicals „Mein Freund Bunbury" von Gerd Natschinski und Jürgen Degenhardt, die Ausgaben der „Musikalischen Rumpelkammer", präsentiert von Willi Schwabe und IM ZAUBERREICH DER OPERETTE. Außerdem erschienen Chansons, interpretiert von Gisela May, Marlene Dietrich oder Juliette Greco. Denn es erschienen nicht nur DDR-Künstler bei Amiga, auch wenn die Devisen für Lizenzausgaben beschränkt waren. 1965 wurde in einer vergleichsweise niedrigen Auflage eine Lizenzplatte von den Beatles gepresst. Es bildeten sich lange Schlangen vor den Plattenläden, und nur wenige hatten Glück und konnten diese Rarität zum Einheitspreis von 16,10 Markergattern. Ebenfalls in den 60er Jahren erschien eine Lizenz-LP von Bob Dylan. In den 70er Jahren wurden weitere Lizenzplatten veröffentlicht, so eine weitere von den Beatles, außerdem Fleetwood Mac, Abba und einige andere. Lizenzpressungen aus dem sozialistischen Ausland waren einfacher zu finanzieren. So erschien in dieser Zeit bei Amiga eine LP-Kompilation mit Songs von verschiedenen Alben von Omega. Bei Amiga wurde auch das sogenannte politische Liedgut veröffentlicht, „Rote Lieder", Produktionen vom Festival des politischen Liedes. Dazu gehörten auch Platten des Oktoberklubs, den ich immer als schrecklich agitatorisch empfunden habe, aus dem aber so interessante Künstler wie Barbara Thalheim, Tamara Danz und Jürgen Walther hervorgegangen sind, die dann natürlich auch wieder bei Amiga veröffentlichten. 1/2017
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Der Schlager war auch in den 70er Jahren nach wie vor äußerst beliebt, und es veröffentlichten alle namhaften DDR-Interpreten bei Amiga, wie Dagmar Frederic, Regina Thoss, Aurora Lacasa, Andreas Holm, Thomas Lück, Michael Hansen, Hans-Jürgen Beyer, Monika Hauff & Klaus Dieter Henkler sowie der Michaelis-Chor. 1974 erschien bei Amiga "Du hast den Farbfilm vergessen", die erste Single mit dem künftigen Weltstar Nina Hagen und der Gruppe Automobil. Ich kann mich noch genau erinnern, wie ich im Radio zum allerers ten Mal diesen Song hörte, der völlig anders als alles bisher Gehörte war. Auch wenn Nina Hagen kurz darauf die DDR verließ, kein Schlager danach kam jemals über die hohe Latte, die sie gelegt hatte. Zunehmend wurden bei Amiga Bands der immer stärker werdenden Rock- und Popszene veröffentlicht. Ab 1972 gab es mit den legendären „Hallo-LPs" die innovativste Samplerreihe des Amiga-Labels, auf denen Songs von Progressive Rock über Folk Rock bis zu Pop erschienen. Bis 1976 wurden in dieser Reihe 16 Langspielplatten veröffentlicht, die für viele Bands das Sprungbrett zu ihrer Karriere waren, zum Beispiel für die Puhdys, Renft oder Electra. Allein von den ersten sechs „Hallo"-Langspielplatten wurden bis Juli 1973 rund 360.000 Exemplare verkauft. Auf ihnen fanden sich über 60 Bands und Solokünstler, die die Rock- und Popszene der DDR Anfang der 70er Jahre repräsentierten, außerdem die besten Bands der sozialistischen Bruderländer wie Polen, Ungarn und der Tschechoslowakei. Die legendäre Klaus Renft Combo veröffentlichte von Anfang der 70er Jahre bis zu ihrem Verbot 1975 zwei Langspielplatten und acht Singles bei Amiga. Ebenfalls auf Single trat 1974 Herbert Dreilich, der spätere KaratSänger, zum ersten Mal in Erscheinung, und zwar auf einer Veröffentlichung mit der Gruppe Panta Rhei. Mit Panta Rhei debütierte auch Veronika Fischer im selben Jahr bei Amiga. 1974 veröffentlichten Lift und Electra-Combo ihre erste Single bei Amiga, und das erste Album der Puhdys erschien. Darauf enthalten ist der Titel "Geh zu ihr", in den die DDR-Jugendlichen, die es gewohnt waren, zwischen den Zeilen zu lesen, wilde Fantasien hineininterpretierten. Von den Puhdys erschienen in den 70er Jahren noch fünf weitere LPs, darunter STURMVOGEL und PERLENFISCHER. 1975 kam die erste Langspielplatte von Veronika Fischer und Band mit dem Hit "Dass ich eine Schneeflocke wär" und setzte damit neue Maßstäbe für den Popschlager. 1978 wurde die erste Langspielplatte von Karat veröffentlicht. 1979 folgte die LP ÜBER SIEBEN BRÜCKEN, die unter dem Namen ALBATROS auch in der BRD erschien. 1977 kam die erste LP der Stern-Combo Meißen. 1978 erschien das revolutionäre Album AM FENSTER von City. Der melancholische Titelsong mixte Geigenklänge mit lyrischen Texten und läutete eine neue Ära der Rockmusik ein. Ein weiterer bedeutender Amiga-Künstler war Stefan Diestelmann, der in der Bluesszene der DDR äußerst beliebt war. Obwohl Diestelmann bereits zu einer Bewährungsstrafe Seite
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wegen „Staatsverleumdung" verurteilt worden war und Auftrittsverbote wegen seiner Texte bekommen hatte, die den tristen DDR-Alltag widerspiegelten, durfte er 1978 und 1980 bei Amiga zwei Langspielplatten mit seiner Folk Blues Band veröffentlichen. Bei Amiga erschienen in dieser Zeit außerdem zahlreiche großartige Künstler, die sich zwischen den Musikrichtungen bewegten und Jazz mit Folk, Soul und Rock verbanden, dazu gehörten Holger Biege, Angelika Mann, Reinhard Lakomy und Uschi Brüning. Nach 1979 wurden für Amiga jährlich rund 20 Millionen Tonträger hergestellt. Es wurden noch mehr Lizenzen eingekauft, so dass in den 80ern Platten von Emerson, Lake & Palmer, AC/DC (HIGHWAY TO HELL), Bap, Kate Bush, Cat Stevens, den Beach Boys und wenigen anderen erschienen. Lizenzplatten waren in der DDR ebenso selten wie begehrt. Wenn wir in einen Plattenladen kamen, fragten wir nicht nach einer bestimmten Band, sondern einfach nur: „Haben Sie Lizenzplatten?" Wenn diese Frage bejaht wurde, kaufte man vorsichtshalber, auch wenn man den Künstler manchmal gar nicht kannte und beim Anhören möglicherweise enttäuscht wurde, denn nicht jedem gefiel Czeslaw Niemen oder Angelo Branduardi. 1980 erschien bei Amiga der TRAUMZAUBERBAUM, die erste GeschichtenliederPlatte für Kinder von Reinhard Lakomy und Monika Ehrhardt, die heute noch genauso beliebt ist wie damals. Die in den 80er Jahren bei Amiga veröffentlichten Hits waren witzige Popsongs, wie Inka Bauses "Spielverderber", Jörg Hindemiths "Bitte, bitte, Hanni" oder Arnulf Wennings "Eisdame". Außerdem wurde eine Reihe von Rockballaden veröffentlicht, deren bekannteste Interpreten IC und Ralf „Bummi" Bursy waren. Seit dem Ende der 70er Jahre war bei Amiga die SamplerReihe „Kleeblatt" erschienen. Darauf wurden jeweils vier Newcomer mit mehreren Titeln auf einem Album vorgestellt. Von manchen Künstlern hörte man danach nie wieder etwas, andere wurden weltberühmt, wie Flake Lorenz und Paul Landers, heute Rammstein, damals bei der Punkband Feeling B. Sie schafften es 1988 unter dem Titel "Die Anderen Bands" zusammen mit den Cottbuser Avantgarde-Rockern Sandow, Hard Pop und WK13 aufs „Kleeblatt Nr. 23". Auf der Amiga-
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„Kleeblatt"-Kompilation Nr. 11 erschienen mit Mona Lise und Juckreiz zwei New-Wave-Bands. 1986 erschien die Reihe „Startschuss" als sogenannte Quartett-Platte im Single format bei Amiga mit jeweils vier Tracks von neuen Bands. Auf „Startschuss 2" ist das Amiga-Debut von Rosalili zu hören, der Band um zwei Puhdys-Söhne, die später bei Bell, Book & Candle spielten. Ebenfalls auf dieser Platte wurden zum ersten Mal Amor & Die Kids vorgestellt, deren Schlagzeuger Tobias Künzel später einer der Sänger der Prinzen wurde. In den 80er Jahren kamen bei Amiga die legendären Alben von Silly, City, Karat und den Puhdys heraus, ebenso wie Pankow und Rockhaus. 1988 wurde der Musikpreis die „Goldene Amiga" etabliert, der eigentlich alle zwei Jahre vergeben werden sollte, es blieb aber dann bei diesem einen Mal. Preisträger waren unter anderem Silly mit BATAILLON D’AMOUR, Frank Schöbel mit WEIHNACHTEN IN FAMILIE, City mit CASABLANCA, IC mit TRAUMARCHIV, Gerhard Schöne mit KINDERLIEDER AUS ALLER WELT und Helga Hahnemann mit DICKE DA. Die Kunst des Textens in dieser Epoche bestand vor allem darin, Aussagen zwischen den Zeilen zu verstecken, damit sie vom Lektorat nicht zensiert wurden. Trotzdem schafften es immer wieder erstaunlich offene Texte auf Amiga-Platten. Das Konzeptalbum CASABLANCA von City war revolutionär, und wir alle haben uns gefragt, wie jemand plötzlich von Atlanta und Palmen singen durfte und es ein Text wie "Wand an Wand" auf eine Amiga-Platte geschafft hatte. In diesem Text fanden wir unsere
Sehnsüchte in Worte gefasst, lebten wir doch auch Wand an Wand mit unseren deutschen Nachbarn und konnten sie nicht erreichen. Im Februar 1989 erschien bei Amiga das Album FEBRUAR von Silly. Es fing den Zeitgeist der untergehenden DDR ein und wurde zum letzten „Album des Jahres" und zum Soundtrack der Wende. Insgesamt erschienen bei Amiga ca. 2500 Titel. Der meistverkaufte steht wohl in jedem ostdeutschen Plattenschrank und natürlich auch bei uns: WEIHNACHTEN IN FAMILIE mit Frank Schöbel, Aurora Lacasa und ihren Töchtern Odette und Dominique. Sie verkaufte sich 16 Millionen Mal. Somit hatte jeder DDR-Bürger von Kleinkind bis Rentner mindestens eine davon. 1993 kaufte BMG für vier Millionen D-Mark das Label Amiga zusammen mit dem Plattenarchiv vom insolventen Rechtsnachfolger des VEB Deutsche Schallplatten. Ende 2004, nach der Fusion von Sony und BMG, wurde das Label personell abgewickelt, seitdem wird nur noch der Archivkatalog ausgewertet. Der ehemalige Amiga-Mitarbeiter Jörg Stempel hütet heute als Label-Manager den Amiga-Schatz für uns. 2016 wurden bei Amiga die AlbenMeilensteine der vier großen Ost-RockLegenden Puhdys, Silly, City und Karat auch wieder neu als Vinylplatten aufgelegt, womit sich der Kreis schließt. Neben Amiga und Eterna gingen aus dem VEB Deutsche Schallplatten noch vier weitere Labels hervor: Litera für das künstlerische Wort, Hörspiele und Lesungen sowie die Label Nova, Schola und Aurora. Um diese geht es in der nächsten Ausgabe …
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Kino-Bösewichte: Teil 3 Herbert Lom
Der universell einsetzbare Bösewicht Er war der erste Bösewicht, der Winnetou das Indianerleben schwermachte, und der letzte, der Inspektor Clouseau nach dem Leben trachtete. Als Bösewicht war Herbert Lom fast unschlagbar!
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uletzt ist nur noch seine Hand zu sehen: Als finsterer „Cornel" hat Herbert Lom – statt den „Schatz im Silbersee" zu heben – ein feuchtes Grab gefunden. Wenn man es sich genau überlegt, haftet dem etwas Slapstickhaftes an, wie Loms Hand grotesk gekrümmt im Schlammbad versinkt. Und für diese Art des skurrilen Slapsticks sollte er ja noch berühmt werden: als ewiger Widersacher von Peter Sellers in der Pink-Panther-Reihe. Lom erleidet da als schwer gebeutelter Chefinspektor Dreyfus über drei Dekaden hinweg Schicksalsschläge, die schlimmer sind als sein Ende im „Silbersee". Doch der Reihe nach. Auch mit einem Namen wie Herbert Karel Angelo Kuchacevič ze Schluderpacheru schafft man es aufs Filmplakat – wenn man ihn ändert. In Herbert Lom. 1917 in Prag geboren, österreichisch-tschechischer Herkunft und mit einem Aussehen beschenkt, das ihn in der Filmindustrie nie arbeitslos werden ließ. Das heißt, solange exotische Gangster aus dem Orient oder schmierige Schieber aus Soho gefragt waren. 1939 muss er sich selbst indes erst vor ganz anderen Kriminellen auf die Flucht machen: Er flieht vor den Nazis aus Prag nach Großbritannien, weil seine Freundin Didi Jüdin ist. Da sie keine korrekten Reisepapiere Seite
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hat, wird sie bei Dover zurückgeschickt – und endet im KZ. Ihren Tod wird Herbert Lom sein Leben lang nicht verkraften. Den Grundstein für seine Karriere legt er dann gleich durch die Verkörperung eines der größten Bösewichte kleiner Statur: Napoleon. 1942 in „The Young Mr. Pitt". Das Schicksal will es, dass er den Despoten später auch noch ein zweites Mal spielen soll, in seiner ersten internationalen Großproduktion: 1956 in „Krieg und Frieden". Da reitet er durchs brennende Moskau, und Henry Fonda legt aus dem Hinterhalt auf ihn an – bringt es aber nicht über sich, auf ihn abzudrücken. In diesem großen Schinken ist Herbert Lom der unverzichtbare Exot: In „El Cid" bringt er ebenso wie in „Spartacus" die Titelhelden so in Rage, dass sie ihm als muslimischem Fanatiker am liebsten das Messer an die Kehle setzen wollen. Neben den Halsabschneidern der Antike und des Mittelalters war Lom aber auch auf Gauner der Neuzeit abonniert. In „Die Ratte von Soho" sieht er 1950 als griechischer Mob-Boss seelenruhig zu, wie Richard Widmark auf seinen Befehl hin in der Themse versenkt wird.
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steht sein Name direkt neben Lex Barker – und über dem von Pierre Brice. Herbert Lom erinnerte sich später gut an die Dreharbeiten: Wie er aus den USA in Jugoslawien ankam, bringt ein Einheimischer ihm sein Pferd. „Wenn's Ihnen nichts ausmacht, schaue ich mir das Pferd morgen an, denn ich bin müde", meint er. Am folgenden Tag stellt Lom fest, dass der Mann einen großen Verband um seinen Kopf trägt. „Das Pferd hat mir ein Ohr abgebissen", verrät der Unglückliche. Lom verlangt: „Bitte bringen Sie mir ein anderes!" Dann endlich, 1955, kann er als einer der „Ladykillers" im britischen Klassiker beweisen, dass selbst das abgrundtief Böse noch zum Lachen zu reizen vermag. Als tapsiger Schurke landet er tot im vorbeifahrenden Eisenbahnwaggon – die schwarze Komödie erweist sich als unsterblich. Sein Partner Alec Guinness gibt ihm den guten Rat: „Probe nicht zu viel." Denn von der Bühne kommend, ist Lom es gewohnt, einen Dialog zu üben, bis er sitzt (er trägt im Übrigen den ganzen Film über einen Hut, weil er sich für die Bühnenrolle von „Der König und ich" eine Glatze rasiert hat).Von Guinness lernt er, dass ein Schauspieler nicht zu viel über eine Szene wissen darf – sonst höre der Spaß auf. Am 6. August 1962 steht Herbert Lom am Kaludorevac-See in Jugoslawien, einmal mehr an der Spitze einer Bande
von Desperados. Noch ahnt niemand, dass hier die erste Klappe zu Deutschlands größtem Nachkriegserfolg fällt. Doch als der deutsche Produzent Horst Wendlandt ihn an den „Silbersee" holt, hat der Name Herbert Lom bereits einen guten Klang. Tatsächlich erhält er mit 78.000 DM die zweithöchste Gage nach Lex Barker und so viel wie Pierre Brice und Götz George zusammen (Karin Dor ist schon für 20.000 DM zu haben). Auch bei der Vermarktung im Ausland verspricht man sich etwas von Loms Zugkraft: In England und den USA
Am Drehort herrscht babylonisches Sprachgewirr: Die Drehbücher liegen in verschiedenen Sprachen vor, jeder Darsteller spricht seine Muttersprache, synchronisiert wird später im Studio. Nur Herbert Lom spricht sich auch in Deutsch selbst. „Variety" schreibt, er sei als Hauptbösewicht „ganz gut zu Hause", Pierre Brice wirke dagegen „zu mild". Als damit die Welle der Karl-May-Filme anläuft, versucht man, Lom zurückzuholen. So ist er im Juli 1964 wiederum als Schurke in „Unter Geiern" angekündigt, für den „Schatz der Aztekten" wird er ebenfalls ins Spiel gebracht, und für die May-Adaption „Trapper Grünschnabel" ist er – gemeinsam mit Mario Adorf – erneut vorgesehen. Doch aus einem weiteren Auftritt in der Reihe wird nichts. Denn der „Schatz" wird auch für Lom zur Investition in die Zukunft. Es folgt die Rolle, die für ihn zum größten Triumph seiner Laufbahn wird: als Lieblingsfeind von Peter Sellers. Sein Inspektor Dreyfus zuckt schon nervös mit dem Auge bei der bloßen Erwähnung von Clouseau. An Peter Sellers erinnerte sich Lom als „kindischen Typ. Aber wenn man Gefallen an Kindern hat, gefallen einem auch kindische Männer ..."
Der vielseitige Künstler betätigt sich neben der Schauspielerei auch als Autor, verfasst zwei Romane. Herbert Lom stirbt kurz nach seinem 95. Geburtstag in London. In seiner 50-jährigen Karriere hat er sein Talent zwar auch oft in den Dienst von Billigproduktionen gestellt, am Ende tritt er gar in Horrorfilmen in Erscheinung – aber sein Credo als Schauspieler lautete eben: „Ich tue immer mein Bestes, ganz egal, welche Qualität der Film hat." Roland Schäfli GoodTimes
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Ein Buddy fürs Leben Er hatte Dampf in den Fäusten. Aber die reine Gutmütigkeit sprach aus seinen schmalen Äuglein. Diese Kombination machte Carlo Pedersoli zu Bud Spencer.
r war der Mann mit dem Dampfhammer. Den er bevorzugt von oben auf die Köpfe seiner Widersacher niederfahren ließ, die umfielen wie vom Blitz getroffen. Er mobilisierte die Massen, als von Kinosterben noch keine Rede war. Wie ein italienischer Obelix, der das Zertrümmern liebt. Dessen Zaubertrank die Pfanne voller Bohnen war. Der dem Schlagabtausch kultige Einzeiler vorausschickte: „Jetzt gibt’s was auf den Nuckel!" Eines waren seine Filme nie: Überraschungen. Eine ganze Kinogeneration fühlte sich bei Bud Spencer so gut aufgehoben wie bei einem guten Bekannten, der immer der Alte bleibt. Dabei war Carlo Pedersoli als Mensch vielfältiger als der grobschlächtige Haudruff vermuten lässt, den er so oft darstellte. Als Textilfabrikant stellte er Fashion nach eigenen Entwürfen her, die „Bud Spencer"-Kindermode. Daneben war er Jurist und Erfinder, Gründer einer Airline, Besitzer des Pilotenscheins und Musikproduzent (die Songs zu „Man nannte ihn Mücke" waren von ihm selbst komponiert). Und auch als Autor hatte er Ambitionen. Filme wie „Banana Joe" hatte er sich selbst auf den fülligen Leib geschrieben Seite
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(auf die Nennung als Co-Autor jedoch jeweils verzichtet). Spät im Leben schrieb er dann doch noch: zwei Autobiografien. Mit dem Kochbuch „Ich esse, also bin ich" verpasste er seinen Fans keine leichte Kost. Hätte er also mit 37 Jahren nicht Bud Spencer erfunden, wäre er als Carlo Pedersoli erfolgreich gewesen, ist zu vermuten. Tatsächlich hatte der Neapolitaner (auf diese Differenzierung legte er Wert) vor der Kinolaufbahn auch schon eine beachtliche Sportlerkarriere hinter sich. © Pressefoto
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• Selbstfindung durch Arbeit • 1952 schwamm er für Italien bei den Olympischen Spielen in Helsinki. Carlo hatte hart trainiert, doch seine Wünsche erfüllten sich nicht. 1956 reichte es bei den Spielen in Melbourne für den elften Platz. Seinen ersten Meistertitel hatte er sich 1950 im 100-Meter-Freistil geholt – als erster Italiener, der diese Distanz unter einer Minute schaffte! Elfmal verteidigte er dann den Titel, bis er vom aktiven Sport zurücktrat.
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einen gemeinsamen Film. So beglückten sie ihr Publikum auch solo – Bud etwa in der populären „Plattfuß"-Reihe –, obwohl sie vor allem als Duo die Kassen zum Klingeln brachten. Ausflüge ins Charakterfach wie in „Vier Fliegen auf grauem Samt" blieben selten. Ein „erns ter" Spencer zeigte sich in „Der Sizilianer". Man kann annehmen, dass der Mafia-Film dem Sozialdemokraten am Herzen lag, der in Interviews oft die Kriminalität in Italien anprangerte.
Es lief insgesamt gut für Carlo Pedersoli. Doch mit 27 schmiss er alles hin. Zur Selbstfindung verordnete er sich harte Arbeit in Südamerika. Schuftete bei der Straßenbaugesellschaft, die die Panamericana baute. Nach neun Monaten Schweiß hatte er eine Demut gelernt, die ihn später auch als Star auszeichnen sollte. „Was auch immer kommen wird", der junge Mann wusste es jetzt, „ich werde es richtig anzupacken wissen."
• Aus Carlo wird Bud •
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Foto: Bildarchiv Hallhuber
einem bärenhaften Kerl für einen Dutzendwestern namens „Gott vergibt – Django nie", wie sie damals in der Wüste Spaniens billig heruntergekurbelt wurden. Carlo hatte schon Statistenauftritte in den römischen Cinecitta-Studios absolviert (im Sandalen-Epos „Quo Vadis" etwa war er 1951 als Neros Leibwächter eingeteilt). Aber eigentlich traute er dem Filmgeschäft keine Zukunft zu und sah seine zögerliche Zusage für 4000 Mark Gage als einmalige Ausnahme. Da sein bürgerlicher Name in einem Western einen Stilbruch bedeutet hätte, erfand Carlo Pedersoli sich neu – als Bud (je nach Quelle stand sein Lieblingsbier Pate oder die Bedeutung von Bud als „Knospe") und Spencer (nach seinem Lieblingsschauspieler: Spencer Tracy). Filmpartner Terence Hill war schon filmerprobt, hatte unter dem Namen Mario Girotti etwa in Winnetou-Verfilmungen mitgewirkt. Der gemeinsame Streifen besaß dann allerdings noch nichts von der Chemie späterer Hill-Spencer-Filme. Anschließend machte Carlo sich Gedanken über seine neueste „Erfindung": „Ich habe viel über die Positionierung der Kunstfigur Bud Spencer nachgedacht, habe viel ausprobiert, Abstriche gemacht, Ergänzungen vorgenommen." Erst unter der Regie von Enzo Barboni (alias E.B. Clucher) fand das Prügelduo in „Die rechte und die linke Hand des Teufels" zur neuartigen Form des Spaß-Westerns, der den harten Spaghetti-Western ablösen sollte. Der Reifeprozess war dann mit dem Hit „Vier Fäuste für ein Halleluja" 1970 endgültig abgeschlossen. Das Paar, das bald auch privat wie „Zwei wie Pech und Schwefel" war, verbrachte Stunden im Vorführraum. Sie studierten die Harmonie von Laurel und Hardy. Spencers „Slowburn" ist dabei vergleichbar mit Hardys Reaktion auf eine Fehlleistung von Laurel.
Mischung aus Jugendsprache und Kneipenjargon bezeichnet, was der Berliner Synchronsprecher Rainer Brandt zur Kunstform erhob. Dabei orientierten sich die Dialoge gar nicht mehr am Orginaltext – sie waren frei formuliert, und wer genau aufpasst, stellt fest, manchmal wurde sogar in stillen Passagen ein Spruch eingebaut. Als das Gespann zu seiner Form der Komik gefunden hatte, wurden auch die früheren Filme neu im „Schnodderstil" synchronisiert, um etwa mit der deutschen Neufassung ihres Erstlings „Zwei vom Affen gebissen" schnell Kasse zu machen. Spencers langjähriger Synchronsprecher Wolfgang Hess starb übrigens kurz vor ihm. Spencer wusste, dass er ihm in deutschen Landen viel zu verdanken hatte. Die Kinopopularität nahm schließlich ab, weil das einstige Erfolgsrezept – flapsige Sprüche und Dresche für dumme Ganoven – sich im Fernsehen totgelaufen hatte. 1994 scheiterte der Wiederbelebungsversuch mit „Die Troublemaker" kläglich. In späteren Jahren bewies Carlo/Bud auch als Unternehmer nicht immer ein glückliches Händchen. Mehrere Patente erloschen wegen Nichtzahlung der Gebühren (1981 ersann er das Jagdgewehr mit drei Läufen). Seine Kandidatur bei den italienischen Regionalwahlen 2005 scheiterte. Rom war immer sein Lebensmittelpunkt geblieben. Der Neapolitaner war als Elfjähriger in die Landeshauptstadt gezogen. In den römischen Clubs war er als Liedermacher aufgetreten, in Rom hatte seine Firma ihren Sitz, und in Rom ist er nun auch bestattet worden. Zur Titelmusik von „Zwei wie Pech und Schwefel" wurde er in die Kirche getragen, Terence Hill gab ihm das letzte Geleit. Carlo Pedersoli war öffentlich aufgebahrt, im offenen Sarg. Bud Spencers legendäre Dampfhämmer waren friedlich gefaltet. Roland Schäfli
• Zwei Asse im Filmgeschäft • Der Rest ist die bekannte Erfolgsgeschichte: Es ging Schlag auf Schlag weiter. Die beiden wechselten den Schauplatz vom Wilden Westen zu den exotischen Lokalitäten ihrer Abenteuerpossen. Allerdings setzten sie die Hochkonjunktur nicht durch Inflation aufs Spiel – pro Jahr machten sie nur GoodTimes
Jetzt gibt’s Dresche!" • "
Während Hill/Spencer auf dem europäischen Kontinent die Kassengaranten schlechthin waren, konnten sie in den USA nie Fuß fassen. Wie viel Einfluss die Vertonung auf den Erfolg beim deutschen Publikum hatte, ist nicht zu unterschätzen. Denn die deutschen Übersetzer brachten eine zusätzliche Dimension ein: die Kalauer. Als „Schnodderstil" wurde diese
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Bud Spencer 2015
© Michel Buchmann
Und zu helfen wusste er sich dann wirklich, mit zwei Fäusten, die Filmgeschichte schreiben würden. Carlo hatte inzwischen seine Jugendliebe geheiratet, Maria war die Tochter eines wichtigen Produzenten im italienischen Nachkriegsfilm – und Regisseur Giuseppe Colizzi, der als Türöffner ins Filmbiz fungierte, war ein Freund der Familie. Colizzi suchte nach
Edel-Seifenopern der 80er Jahre FOLGE 2 Von Thorsten Hanisch
verändert die Fernsehlandschaft
Auch eine so grandiose Serie wie Der Denver-Clan" " (siehe Folge 1 dieser Artikelreihe in der letzten Ausgabe) fällt nicht einfach vom TV-Himmel, zuvor mussten die Sehgewohnheiten der Zuschauer umgekrempelt, der Weg für Formate dieser Art geebnet werden – Ladies and Gentlemen, Vorhang auf für die Edel-Seifenoper, die den Startschuss gab: Dallas"! " Seite
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– Aller Anfang ist schwer –
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„Dallas" wurde Ende der 1970er Jahre von David Jacobs erfunden, ehemals Mitarbeiter von Grolier, einem der erfolgreichsten Verlage für Enzyklopädien in den USA. Jacobs machte sich nach seiner Zeit im Verlag als freier Autor selbstständig und bekam eines Tages die erfolgreiche Miniserie „Szenen einer Ehe" des schwedischen Regietitans Ingmar Bergman zu sehen, von der er, wie so viele andere auch zu dieser Zeit, zutiefst beeindruckt war. David Jacobs wollte etwas Ähnliches für das amerikanische Fernsehen, hielt Bergmans Werk aber für viel zu tiefgründig und realistisch für das heimische Fernsehpublikum. Sein erster Serienentwurf war „Unter der Sonne Kaliforniens" (was später zum „Dallas"-Spin-off werden sollte), allerdings war der den Senderchefs nicht glamourös genug. Sie gaben ihm den Rat, sein Drama in der Welt der Reichen und Mächtigen spielen zu lassen. Bei „reich" und „mächtig" dachte man damals automatisch an Texas – und in Texas wurde man reich und mächtig dank Öl. Also sollte sein Epos nun in einem Staat spielen, den er gar nicht kannte (und natürlich hatte er erst recht keine Ahnung vom Ölgeschäft). Zeit für ausführliche Recherche blieb allerdings nicht, denn Jacobs wollte die Gunst der Stunde nutzen. Die komplexe Welt von „Dallas" nahm aber erst nach und nach Gestalt an, die ursprüngliche Idee von Jacobs war noch relativ simpel: Pamela Barnes, ein blutjunges Mädchen an der Schwelle zur Frau aus nicht begütertem Elternhaus, heiratet in die stinkreiche Fami lie Ewing ein. Geschildert werden sollte, wie das Mädchen in dieser ganz anderen Welt ankommt und sich darin z u re c h t f i n d e t . Doch im Laufe des Entwicklungs prozesses, als er die Familiengeschichte der Ewings schrieb und weitere Hintergründe und Charaktere in die Welt von „Dallas" einfügte, merkte der Schöpfer, dass sein Werk wohl doch etwas umfangreicher und vielschichtiger geraten würde als ursprünglich angenommen. Also schmückte er es entsprechend aus. Ein bemerkenswerter Umstand ist dabei nun aber, dass Jacobs, auch wenn „Dallas" auf ihn zurückzuführen ist, trotzdem nicht zum Showrunner wurde: Er schrieb lediglich vier der ersten sieben Episoden und überarbeitete die anderen drei, verließ die Produktion dann jedoch, um den „Dallas"-Ableger „Unter der Sonne Kaliforniens" weiterzuentwickeln. „Dallas" wurde anschließend von Leonard Katzman, der als Produzent, aber auch oft als Autor und Regisseur in Erscheinung trat, bis zum Ende im Jahr 1991 betreut. An dieser Stelle muss kurz der Rückwärtsgang eingelegt werden. „Dallas" war nicht nur eine der langlebigsten amerikanischen Primetime-Soap-Operas überhaupt, was viel wichtiger ist: Die Saga revolutionierte das Serienformat. In den 1970ern war das serielle Erzählen im Fernsehen keine Option, es hatte – mit Ausnahme von „Peyton Place" (1964 –1969) – noch nie eine erfolgreiche Sendung mit fortlaufender Handlung zur Hauptsendezeit gegeben; die Verantwortlichen bei den Fernsehsendern glaubten, dass das Publikum ein solches Format nicht annehmen und erst recht nicht während der Ausstrahlung dazustoßen würde. Also setzte man den Zuschauern permanent Gleiches, Vertrautes vor: Der Plot der aktuellen Folge wurde immer innerhalb der Folge zu Ende gebracht, die Charaktere veränderten sich nicht, zudem wurde auf thematische Aufhänger gesetzt, die die Inhalte von selbst lieferten: Sprich Polizei- und Arztserien waren angesagt, denn der Vorteil lag auf der Hand: jede Woche abgeschlossene Fälle, die in GoodTimes
flexibler Reihenfolge gesendet werden konnten. So wurden weniger gute Folgen in Wochen, in denen Konkurrenzsender mit einem attraktiveren Programm aufwarten konnten, auch schon mal ganz unauffällig „versenkt", während man sich die Highlights für einen passenden Zeitpunkt aufhob. Anfang der 1970er Jahre tauchten mit „Die Waltons" oder „Unsere kleine Farm" aber dennoch die ersten Sendungen auf, die den Fokus auf die Charaktere legten: Die machten nun Entwicklungen durch, weswegen die Serien nun zwangsläufig in chronologischer Reihenfolge gesendet werden mussten. Echtes serielles Erzählen wurde aber immer noch nicht betrieben, die Charaktere veränderten sich jetzt zwar, der Plot der Episode (meist ein aktuell existierendes Problem innerhalb eines größeren Storybogens) wurde jedoch trotzdem abgeschlossen. Diese Form des Erzählens wurde auch in den ersten Episoden von „Dallas" übernommen: In der ersten Folge mit dem Titel „Die Familie" zum Beispiel versucht Bösewicht J.R., Pam zu schaden, um ihre Hochzeit mit Bobby zu boykottieren. Er schafft es nicht: aktuelles Problem gelöst, Episode zu Ende. Aber J.R. gibt sich mitnichten geschlagen, sein Kampf gegen Pam geht in den anschließenden Folgen weiter. Doch geplant war eigentlich etwas anderes: „Dallas" war von Anfang an als ein rein serielles Erzählformat angedacht, man musste sich aber wegen der geschilderten TV-Landschaft erst einmal an das Ziel heranpirschen und schauen, ob man die bisher überwiegend an statische Produktionen gewohnten Zuschauer an Bord holen konnte. Das gelang dann auch, allerdings mit einem holprigen Start. Die Ausstrahlung der Pilotepisode auf CBS war ein Erfolg auf ganzer Linie, die zweite verlor gegen die NBC-Erstausstrahlung des TV-Films „Was soll nur mit Vater werden?" mit dem legendären Fred Astaire etwas an Boden, und in der dritten und der vierten Woche zog man dank der Miniserie „Holocaust" erneut den Kürzeren gegenüber dem Konkurrenzsender NBC, wobei das ölige Drama allerdings immer noch gute Quoten einfuhr. Endgültig in die Gewinnerzone kam man dann mit der letzten Folge des fünfteiligen „Testballons": „Dallas" machte mit einem Marktanteil von satten 39 Prozent das Rennen, die zweite Staffel war gesichert, und man konnte langsam, aber sicher auf reines serielles Erzählen umstellen. Auch wenn es, wie beschrieben, schon vorher Vorstöße in diese Richtung gab, der große und in den kommenden Jahren immer größer werdende Erfolg des Epos bewies, dass die Zeit nun endgültige reif war für diese Form von Unterhaltung. Das prägte nicht nur die Serien der folgenden Generationen (wie zum Beispiel „The West Wing – Im Zentrum der Macht", „Die Sopranos" oder „Sex And The City"), auch die bis dahin so unbeweglichen Polizeiund Arztserien wurden entsprechend neu ausgerichtet.
– Worum geht’s? – Im Kern dreht sich alles um den ewigen Kampf zwischen den Familien Ewing und Barnes, der in den 1930er Jahren seinen Anfang nahm (und auf den im 1986 entstandenen PrequelFernsehfilm „Dallas: The Early Years" ausführlich eingegangen wird), als John Ross „Jock" Ewing Sr. seinen damaligen Geschäftspartner Willard „Digger" Barnes übers Ohr haute, ihn aus der gemeinsamen Firma Ewing Oil drängte UND auch noch Barnes’ große Liebe Eleanor „Miss Ellie" 1/2017
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– Der Mythos – Mit der Kritik zur ersten Folge lieferte das US-Branchen magazin „Variety" eine der größten Fehleinschätzungen in seiner über 100-jährigen Geschichte, denn die fiel ausgesprochen negativ aus: Man glaubte nicht an eine Zukunft der Sendung und lag damit so daneben, wie man nur danebenliegen kann. „Dallas" wurde schließlich nicht nur in über 130 Ländern ausgestrahlt, sondern war während der gesamten Laufzeit fast immer in den Top 10 der US-TV-Charts zu finden. 1980, 1981 und 1983 saß man sogar auf dem Thron, vor allem 1980 führte die Frage, wer auf J.R. geschossen hat, zu einer gigantischen Quote: Allein in den USA warteten rund 90 Millionen Menschen (zu dieser Zeit ca. 76 Prozent aller Fernsehzuschauer) gespannt darauf, wer denn nun am Ende der dritten Season die Pistole auf den beliebten Oberbösewicht richtete. Man konnte bei Buchmachern sogar Wetten einreichen, und die Schauspieler wurden von Zeitschriften und Talkshows mit großen Geldsummen geködert, um aufzuklären. Weltweit wurde „Wer hat auf J.R. Seite
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geschossen?" (Episode 4, Staffel 4) von 360 Millionen Menschen gesehen. Der kaum noch zu toppende Erfolg hinterließ Spuren in der Fernsehlandschaft, die von „Dallas" ein weiteres Mal geformt wurde: Von nun an waren Cliffhanger ein gern genutztes Mittel, um Staffeln abzuschließen. Einen weiteren, allerdings auch extrem umstrittenen Cliffhanger-Coup (der sich in seinem leichten Irrsinn der „DenverClan"-Konkurrenz annäherte) landeten die Macher am Ende der neunten Staffel, denn da tauchte Bobby Ewing, der am Ende der achten Season von seiner eifersüchtigen Ex-Schwägerin überfahren und auch ordnungsgemäß für tot erklärt und begraben wurde, plötzlich unter der Dusche seiner Geliebten Pamela wieder auf. Das Ende ließ die Zuschauer natürlich mit weit aufgerissenen Augen und einem großen „Hä?" auf den Lippen zurück. Der Background: Schauspieler Patrick Duffy hatte 1985 genug von „Dallas" und wollte andere Karrierepläne verfolgen, also ließ man Bobby Ewing sterben. In der darauffolgenden Staffel bröckelten allerdings die Einschaltquoten, weswegen man, auch auf Intervention von Larry Hagman, Duffy, der abseits von „Dallas" ohnehin nicht so recht Fuß fassen konnte, wieder zurückholte und in einer Blitzaktion die Duschszene filmte. Offiziell für einen Seifen-Werbespot – selbst Pam-Darstellerin Victoria Principal realisierte erst am Abend der Ausstrahlung, wer das da unter der Brause ist, ihr Teil der Szene wurde nämlich mit leerer Kabine gedreht! Zu Anfang der zehnten Staffel wurde die VorgängerSeason keckerweise einfach zu einem Traum von Pamela erklärt. Das war natürlich dreist, sorgte für allerhand hitzige Diskussionen, rettete die Serie aber über weitere Staffeln. Allerdings wandelte sich die Rezeption: „Dallas" wurde (selbst von den Kritikern) nicht mehr halb so ernstgenommen wie zuvor noch, was letztendlich für ein schleichendes Ende sorgte: Selbst aufwändige Drehorte wie Wien oder Moskau und Gaststars wie Lesley-Anne Down (bestens bekannt aus „Fackeln im Sturm") oder Barbara Eden (Larry Hagmans damalige Partnerin in der zauberhaften 60er-Jahre-Sitcom „Bezaubernde Jeannie") konnten den langsamen Niedergang nicht aufhalten. Die Serie lediglich als sehr erfolgreiche Seifenoper zu bezeichnen, würde ihr indes nicht ganz gerecht. Es ist in der nun völlig veränderten Medienlandschaft mit ihren wöchentlichen meist eher von cleveren Marketingagenturen denn von echtem Publikumsinteresse erzeugten Hypes kaum noch vorstellbar, aber „Dallas" wurde zu mehr als nur einem langanhaltenden Einschaltquotenerfolg, die Serie wuchs über sich selbst hinaus, was in vielerlei Hinsicht zu bemerken war. Als sich zum Beispiel der ehemalige Ostblock Anfang der 90er Jahre auch für westliches Fernsehen öffnete, erreichte „Dallas" (die Serie lag wohlgemerkt zu diesem Zeitpunkt eigentlich schon in ihren letzten Zügen!) in Ungarn einen durchschnittlichen Marktanteil von 81 Prozent (!), und auch in Ländern wie Bulgarien oder Tschechien fegte die Texas-Truppe regelmäßig die Straßen leer. Im schwer zensurgeplagten Deutschland der 1980er Jahre wurde die Soap-Opera zum Politikum, denn die Sittenwächter hatten es nicht nur auf die ach so schwer jugendgefährdenden ZombieFilme abgesehen, nein, man witterte auch allerschwerste Unmoral in „Dallas"! Das ZDF lehnte die Serie von vornher-
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Southworth ehelichte. Da seine Angetraute aus einer Familie naturverbundener Rancher kommt, wurde die Southfork Ranch das neue Domizil der Ewings, auf der dann dreimal Nachwuchs fabriziert wurde: Gary, Bobby und John Ross „J.R" Ewing Jr. Natürlich, wie es bei Brüdern nun mal so ist, bleiben Konflikte da nicht aus, vor allem nicht, wenn sie so grundverschieden sind wie J.R. und Bobby: Bei dem unglücklich mit Sue Ellen Shepard, der ehemaligen Miss Texas, verheirateten J.R. fließt Eiswasser durch die skrupellosen Adern, Bobby, der vom Vater bevorzugte Sohn, bringt wiederum all die guten Eigenschaften mit, die seinem Bruder fehlen. Er ist integer bis in die Knochen. Gary ist Ellies Lieblingskind, weil er ihr am meisten ähnelt, befindet sich aber im Dauerkonflikt mit seinen Brüdern, auch weil er ausgerechnet mit Kellnerin Valene die erste Erbin, Lucy, gezeugt hat. Diese wurde von den Großeltern aufgezogen, da die Ehe ihrer Eltern wegen eines Alkoholproblems ihres Vaters in die Brüche ging (sie finden im Ableger „Unter der Sonne Kaliforniens" aber wieder zusammen). Valene und ihre Tochter wurden auf der Southfork-Ranch von Gary alleine zurückgelassen und dann von J.R. vertrieben, der aber Lucy später zurückholt, die in den ersten Episoden ein Techtelmechtel mit Ranchvorarbeiter Ray Krebbs hat, der sich später als Lucys Onkel entpuppen wird (da Jock Ewing während des Zweiten Weltkriegs seiner Frau nicht immer ganz so treu war …). Ray wiederum hatte zuvor auch eine Beziehung mit Pamela Barnes, der Tochter von Digger Barnes, die sich dann jedoch in Bobby Ewing verliebt, was wiederum von J.R. gar nicht gern gesehen wird; aber auch Pams Bruder Cliff ist überhaupt nicht einverstanden mit dieser Verbindung, denn dieser hat vom Papa den Hass auf die Ewings eingeimpft bekommen und will Rache. Das ist in etwa die Ausgangskonstellation – natürlich ufert die Geschichte im Laufe von 357 Episoden gewaltig aus, aber den Kern bilden die ewige Feindschaft der beiden Familien und auch die Konflikte innerhalb der Familien, vor allem natürlich zwischen den ungleichen Brüdern J.R. und Bobby: Wer mag, kann hier durchaus einen biblischen Konflikt sehen.
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– Spin-off – Das bereits angesprochene Spin-off „Unter der Sonne Kaliforniens" (Originaltitel: „Knots Landing") ging Ende 1979 an den Start und wurde bis 1993 gesendet. Inhaltlich drehte sich alles um Gary Ewing, den Sohn von Jock und Miss Ellie Ewing und Vater von Lucy Ewing, der als Versager und schwarzes Schaf der Familie gilt und deswegen beschließt, die Southfork Ranch zu verlassen. Er heiratet seine Ex-Frau Valene Clements Ewing erneut GoodTimes
und zieht mit ihr in ein Haus am Seaview Circle in der kalifornischen Kleinstadt Knots Landing, das den beiden von Miss Ellie zur Hochzeit geschenkt wurde. Am Seaview Circle wohnen außerdem vier weitere Parteien (eine Familie und drei Ehepaare), und das Schicksal all dieser Charaktere ist in 344 Folgen mehr oder weniger (natürlich gibt es noch zahlreiche weitere Figuren) das Dauerthema. Die Verzahnung mit „Dallas" brachte vor allem beim geträumten Tod Bobbys ein großes Problem mit sich: Wer beide Serien schaut, wird bei „Unter der Sonne Kaliforniens" reichlich irritiert sein, denn dort bleibt Bobby tot. Der Grund: Da einiges der Handlung auf dessen Ableben aufbaut und die Macher der Mutterserie es nicht für nötig hielten, die Verantwortlichen des Ablegers rechtzeitig zu informieren (weswegen diese natürlich sehr sauer waren, weil man ja nicht einfach behaupten konnte, dass ihre aktuelle Staffel ebenfalls von Pam geträumt wurde), sah man keine andere Möglichkeit, als das Ableben dieser Figur einfach zu ignorieren, verzichtete aber zukünftig vorsorglich auf weitere Verzahnungen mit der Mutterserie. Foto: Bildarchiv Hallhuber
Welt, allerdings bekam man hier zu Lande die Serie trotzdem nie komplett zu sehen: Sieben Folgen waren der ARD immer noch nicht brav genug und wurden stillschweigend unter den Teppich gekehrt (was natürlich zu Brüchen in der Kontinuität führte). Weiterhin stutzte man die im Schnitt ca. 47 Minuten langen Episoden auf 43 runter, damit die Serie besser in das Programmschema passte (das ZDF fuhrwerkte später auf ähnliche Weise im „Denver-Clan" herum). Seit 2004 ist allerdings eine DVD-Edition erhältlich, die sowohl die deutschen TV-Fassungen als auch die Originalversionen enthält (freigegeben ab zwölf Jahren – so ändern sich die Zeiten). Der Kult um „Dallas" hielt aber nicht nur die Zuschauer in Atem: Psycho- und Soziologen sowie Programmgestalter rund um den Erdball beschäftigten sich mit der Frage, wieso ausgerechnet ein nicht so wirklich sympathischer Zeitgenosse wie Bösewicht J.R. Ewing zu einem Quasi-Nationalhelden wurde (während die Ölbarone im wahren Leben über einen schweren Imageverlust klagten). Zur Überraschung vieler übte der sardonisch grinsende Cowboyhut-Träger auch eine besonders große Anziehungskraft auf Frauen aus. Die fiktive Rolle schwappte so sehr ins echte Leben, dass Schauspieler Larry Hagmann 1991 während eines Wien-Aufenthalts auf eine zufällig zur selben Zeit stattfindende Opec-Konferenz eingeladen und dort um eine Einschätzung zu einem vernünftigen Ölpreis gebeten wurde. Hagmans Antwort: „36 Dollar pro Barrel" beeindruckte die Anwesenden zutiefst – dabei stammte die Angabe lediglich aus einem der aktuellen Drehbücher, von einem Autor geschrieben, der nicht die geringste Ahnung vom Ölgeschäft hatte ...
Foto: Bildarchiv Hallhuber
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ein ab, der Bayerische Rundfunk wollte die Ausstrahlung der ARD nach wenigen Folgen stoppen, da man wieder einmal von größten Ängsten um das Seelenheil der Bevölkerung geplagt war! Die Aufregung legte sich aber natürlich wieder, und Deutschland wurde ebenso vom Ewing-Fieber erfasst wie der Rest der
– Comeback –
„Dallas" wurde 1991 eingestellt, aber Legenden verschwinden natürlich nicht einfach, und so war es natürlich kein Wunder, dass die heißgeliebten Figuren etwas später erneut auf dem Bildschirm auftauchten – und zwar in Form von zwei Fernsehfilmen und einer neuen Serie, die direkt an die alte anschließt. Den Anfang machte 1996 „Dallas: J.R. kehrt zurück": Die Doppelfolge „Endspiel" hatte die Fans (mit Recht) nicht zufriedengestellt, da viele Handlungsfäden in der Luft hingen, das Finale war eher ein aufgepumptes, aber typisches Cliffhanger-Season-Ende als ein echter Abschied. Nachdem die Konkurrenz mit dem Fernsehfilm „Denver – Die Entscheidung" 1991 hervorragende Quoten holte, versuchten die Produzenten Leonard Katzman und Lee Rich, der Autor Arthur Bernhard Lewis und die Darsteller Larry Hagman und Patrick Duffy, CBS von einem Sequel im Filmformat zu überzeugen. Drei Jahre später gaben die Entscheidungsträger dann auch tatsächlich grünes Licht. Natürlich konnten nicht alle Darsteller wieder zurückgeholt werden: Barbara Bel Geddes (Miss Ellie) war im Ruhestand und alles andere als scharf darauf, diesen zu unterbrechen, Victoria Principal (Pamela Barnes Ewing) fand den Serienabschluss perfekt (so, wie er war). Charlene Tilton (Lucy Ewing) und Steve Kanaly (Raymond „Ray" Krebbs) hingegen wurden erst gar nicht gefragt – da in einem Fernsehfilm natürlich nur begrenzter Raum zur Verfügung steht, musste man eine Auswahl treffen, und so standen natürlich zentrale Figuren wie J.R. oder Bobby Ewing Foto: Bildarchiv Hallhuber im Vordergrund. 1/2017
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Auch heute noch sehenswert? In der letzten Folge wurde in einem längeren Abschnitt erläutert, wieso „Der Denver-Clan" auch heute noch sehenswert ist, diese Frage kann man bezogen auf „Dallas" recht knapp beantworten: Njein. „Dallas" macht dank der guten, aber nur in einem Fall wirklich herausragenden Besetzung (die Ausnahme ist natürlich – na klar – Larry Hagman) und dem erwähnten Hang zu knallig-frechen Cliffhangern auch heute noch Spaß, aber nicht durchgängig: Die Serie ist unterm Strich doch deutlich konventioneller als Aaron Spellings Protzepos, und das in visueller wie Seite
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auch in inhaltlicher Hinsicht – „Dallas" fehlt einfach der Hang zum schillernden Irrsinn, der den „Denver-Clan" auch oder gerade heutzutage noch so vergnüglich macht. Das wird besonders in den letzten Staffeln deutlich: Während sich die Konkurrenz langsam, aber sicher endgültig in den Wahnsinn verabschiedet, geht dem Ölepos doch sehr die Puste aus: Von den alten Charakteren sind nur noch wenige übrig, und die Episoden werden immer einfallsloser. Trotzdem: Spaß macht’s immer noch, ein Reinschauen lohnt definitiv!
– Fun-Facts – • Für die Rolle der Pamela Barnes war ursprünglich Linda Evans, die spätere Krystle aus dem Denver-Clan", vorgesehen – der " Schauspielerin war das Drehbuch generell und ihre Rolle im Speziellen dann aber unter ihrer Würde. • Barbara Bel Geddes, die in der Serie die Frau und Witwe des Familienoberhaupts Jock Ewing spielt, wurde in der Season 1984/1985 wegen einer Krankheit vorübergehend durch Donna Reed ersetzt, was für leichte Irritationen sorgte. Vor allem bei den US-Zuschauern, in Deutschland behielt man die Synchronstimme bei, man musste sich lediglich an ein neues Gesicht gewöhnen. • J.R. benötigte während der ganzen Serie 53 Stetson-Hüte und 25 Frauen. • Insgesamt wurde sechsmal auf J.R. geschossen. • Es gab insgesamt acht Hochzeiten, 17 Scheidungen, sieben Mordanklagen, neun Beerdigungen und 20 Entführungen. • Neun Dallas"-Schauspielerinnen ließen sich für den Playboy" " " ablichten. • Es ist – unter anderem auch bei Wikipedia – immer wieder zu lesen, dass Dallas" ursprünglich als Mini-Serie geplant war und " dass erst der Erfolg CBS veranlasste, Dallas" zur vollwertigen " Serie zu machen. Das ist laut Erfinder David Jacobs falsch: Man wollte von Anfang an die volle Route fahren, musste aber (natürlich) erst mal abwarten, ob die Zuschauer das Konzept überhaupt annehmen würden. • Steve Kanaly (Raymond Ray" Krebbs) sprach ursprünglich für die " Rolle des Bobby Ewing vor. • J.R. sollte ursprünglich eigentlich ein Nebencharakter sein. Allerdings waren die Produzenten dermaßen von Larry Hagmans Vorstellung begeistert, dass J.R. unverzüglich zur Hauptattraktion gemacht wurde. • Larry Hagman ist der einzige Darsteller, der in allen 357 Episoden dabei war. • Die Southfork Ranch ist eigentlich eine Farm mit dem Namen Duncan Acres, die nach dem Erfolg der Sendung Ziel eines Touristenansturms wurde, der so groß war, dass der Besitzer das Gebäude verkaufen musste, das dann zum Dallas"-Museum " umfunktioniert wurde. • Susan Howard (Donna Krebbs) ist die einzige Darstellerin der Serie, die (zweimal) auch als Drehbuchautorin tätig war. • Barbara Bel Geddes (Miss Ellie) spielt zwar die Mutter von J.R., ist aber in Wirklichkeit gerade mal neun Jahre älter als Larry Hagman. • Der Trubel um die Frage, wer auf J.R. geschossen hat, floss sogar in die Präsidentschaftswahlen ein: So ließen die Republikaner Buttons mit dem Slogan A Democrat Shot J.R." herstellen. " • Larry Hagman wurden 1980 während eines England-Urlaubs satte 100.000 Pfund angeboten, wenn er verrät, wer auf J.R. geschossen hat – Hagman gestand, dass weder er noch sonst einer der Darsteller die Antwort wussten.
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Ursprünglich sollte im Sommer 1995 gedreht werden, allerdings wurde die Produktion verschoben, denn bei Larry Hagman, der, aufgrund exzessiven Alkoholkonsums an einer Leberzirrhose litt, wurde ein bösartiger Lebertumor diagnostiziert, der eine Transplantation notwendig und Hagman danach zum Abstinenzler machte, was übrigens auch in den Film eingebaut wurde und mit einer ganz leichten charakterlichen Modifizierung einherging: Der neue J.R. war einen Tick angenehmer als der alte, permanent trinkende, es bestand aber trotzdem kein Grund, sich nicht mehr in Acht zu nehmen, denn der Mann war noch immer mit allen Wassern gewaschen, allein das Auftreten war nicht mehr ganz so rabiat. Am 15.11.1996 wurde „Dallas: J.R. kehrt zurück" dann schließlich ausgestrahlt, und man konnte – wohl auch begünstigt durch die strategisch gut platzierte Wiederholung der Serie – einen Erfolg auf ganzer Linie verbuchen. Die Quoten waren hervorragend und sogar die Kritiken überwiegend wohlwollend. Der Film war aber mit einem wenig erfreulichen Ereignis verbunden: Leonard Katzman, der vielen Mitwirkenden als Motor der Serie galt, starb zwei Monate vor der Ausstrahlung im Alter von 69 Jahren an einem Herzinfarkt. Für Audrey Landers (die Darstellerin der Afton Cooper) bedeutete Katzmans Tod nicht ganz zu Unrecht das endgültige Ende von „Dallas". Doch der Erfolg von „Dallas: J.R. kehrt zurück" ließ CBS aufhorchen: Das Interesse am 80erJahre-Kult war offenbar immer noch sehr groß, auch die exzessiven Wiederholungen der Serie (der Sender TNN zeigte Anfang der 90er Jahre vier Jahre lang drei Episoden am Tag!) brachten sehr gute Quoten. Mit dem am 24.04.1998 veröffentlichten zweiten Fernsehfilm „Kampf bis aufs Messer" bewahrheitete sich dann allerdings das Sprichwort, dass man aufhören soll, wenn’s am schönsten ist: Die Quoten waren genauso schlecht wie die Kritiken, und auch die Darsteller und Produzenten Larry Hagman und Patrick Duffy äußerten sich im Rückblick wenig begeistert. Und in der Tat: „Kampf bis aufs Messer" entpuppte sich als lieb- und freudloser, biederer, unwürdiger Fernsehfilm mit 08/15-Plot. Was auch immer schlussendlich der Grund für diesen Fehlgriff war (für die Darsteller war es eindeutig das Fehlen Katzmans), „Dallas" war nun definitiv am Ende angelangt, und daran konnte auch das 2012 erfolgte erneute Aufbäumen in Form einer „Revival-Serie", die direkt an das Ende von 1991 ansetzte, nichts mehr ändern – nach drei Staffeln war Schluss.
Als die Frauen " noch Schwänze hatten"
Von Thorsten Pöttger
Sex und Witze aus der Steinzeit
Ende der 60er Jahre hatte das Thema Komische Erotik in " Ritterrüstungen" Rost angesetzt, so dass die italienischen SoftsexRegisseure sich eine weitere Epoche aus der Ära der Menschheit vorknöpften. Fortan wurde in einer Felslandschaft langhaarig und langatmig die Keule geschwungen, bis der Arzt hätte kommen sollen. Aus heutiger Sicht wirken nämlich nicht nur die Bilder, sondern wirkt auch die Sprache zur Höhlenmensch-Materie prähistorisch.
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omöglich inspiriert durch die Fantasy-Produktion „Eine Million Jahre vor unserer Zeit" aus den englischen HammerStudios, mit der Raquel Welch im Fellbikini den Durchbruch schaffte, traf 1970 in „Als die Frauen noch Schwänze hatten" Ulli (Giuliano Gemma) auf Filli (Senta Berger). Doch bis es so weit kommt, leben auf einer Insel zur Urzeit sieben Männer unter sich. Die Frage, ob zuerst das Huhn oder das Ei da war, beantwortete Regisseur Pasquale Festa Campanile mit dem Hahn. Wie auch immer die törichten HaudraufJungs auf die Welt gekommen sein mögen, aufgeklärt worden sind sie nicht. Erst eine Feuersbrunst treibt sie in die Arme eines exotischen Schwanz-Menschen und lässt sie das so genannte Pimmelspiel kennen lernen. Bevor sich die kraftstrotzenden Junggesellen aus Lust und Konkurrenzdenken die Köppe einhauen, merken sie immerhin, dass es zielorientierter ist, sich für die Begattung in Reih und, äh, Glied aufzustellen. Zu ihrem Glück gibt es in der neuen Heimat aber noch mehr Angehörige des neuentdeckten anderen Geschlechts, getreu dem gewissermaßen in Stein gemeißelten Motto: „Wer einmal pimmelt, pimmelt immer wieder." Der Film endet allerdings nicht mit der Geburtsstunde eines neuen Stammbaums, sondern der der Monogamie. Die auf diese Weise geäußerte Gesellschaftskritik muss man(n) erst einmal erkennen … Dass die zum Termin des Filmdrehs gerade in Hollywood bewährte Senta Berger – sie feierte im Mai dieses Jahres ihren 75. Geburtstag – in die weibliche Hauptrolle schlüpfte, kann wohl nur mit dem damaligen Zeitgeist erklärt werden. Doch egal, ob die Neandertalkomik gefällt oder nicht, den Synchronsprechern muss mindestens für die Kultivierung des Wortes „Schmackofatz" (Bedeutung: leckeres Essen) in der deutschen Sprache gedankt werden. Und dass die Begleitmusik positiv auffällt, ist keinem Geringeren als Ennio Morricone zu verdanken, der damals gefühlt zu jedem italienischen Film den Soundtrack beisteuerte. DVD-Sammler wissen, dass „Als die Frauen noch Schwänze hatten" drei weitere Teile nach sich zog. Diese haben mit Senta Berger jedoch gar nichts zu tun, teilweise nicht einmal mit weiblichen Schwänzen und der GoodTimes
Steinzeit. Die geschätzten Leser unseres Magazins werden bemerkt haben, dass es sich hierbei um eine beliebte Marketingmaßnahme handelt. „Als die Frauen noch Schwänze hatten 3" ist zwar im selben Jahr wie das Original auf die Leinwände gebracht worden. Hier zu Lande war der nicht minder urtümliche Film jedoch unter dem ebenso erfolgsträchtigen Titel „Als die Frauen das Bett erfanden" bekannt. Er dreht sich um ein beliebtes Erwachsenenspiel namens „Ding Dong" und um einen Wettkampf zwischen Feuer- und Wassermenschen. Der kurvenreiche Hauptgewinn in Gestalt von Nadia Cassini lässt die Durchschlagskraft eines Sexstreiks (!) nachvollziehen, wie ihn die Weibsbilder hier zwischenzeitlich praktizieren. Da ist nix mit Keule auf den Kopf hauen und an den Haaren in die Höhle ziehen … „Als die Frauen noch Schwänze hatten 2" ist jüngeren Datums als der vermeintliche dritte Teil, wie die enthaltenen Kalauer schnell verraten. In den deutschen Kinos lief er 1983 unter dem Titel „Grunz – schmatz – grunz… am Anfang war das Ei". Die Überlegung, dass am Anfang eines Films ein Drehbuch stehen sollte, wäre hier durchaus hilfreich gewesen. Nicht nur wegen der schlechten Qualität des Filmträgers ist das Machwerk rund um ein verzaubertes Ei (Regie: Andy Luotto) nüchtern kaum zu ertragen. Für die aufblitzende Situationskomik ließen sich mehrere bessere Beispiele nennen. „Als die Frauen noch Schwänze hatten 4" hingegen lebt erneut von den Sprüchen der deutschen Synchronisation, die ihn in Kombination mit der besten Bild- und Tonqualität der losen DVD-Reihe zur gelungenen Abendunterhaltung formen. Irgendwo angesiedelt zwischen „Asterix" und „Die Ritter der Kokosnuss", ohne freilich deren Niveau zu erreichen, handelt es sich dabei um „Wild trieben es die alten Hunnen" aus dem Jahr 1982. Genau, diesmal zieht kein Urmensch, sondern ein gewisser Attila samt leicht beschränkter (und bekleideter) Gefolgschaft durch die Lande – erfreulicherweise nicht mordend, nichtsdestotrotz mit dem unbändigen Willen, sich an den Römern zu rächen, die sein Dorf zerstört haben. Sein ursprüngliches Ziel löst sich am Ende zwar in Luft auf, aber um es mit den Worten Senta Bergers zu formulieren: „Eine Frau ist nicht zum Essen da." 1/2017
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MANOLITO Erotica Von Nicolas von Lettow-Vorbeck
Ein Antiquariat der besonderen Art mitten in Berlin Berlin ist im Kommen, Touristen aus aller Welt lieben die deutsche Hauptstadt heiß. Allein im Jahre 2014 wurden fast 29 Millionen Übernachtungen gezählt. Damit liegt die SpreeMetropole europaweit nur noch hinter Paris (36 Millionen Übernachtungen 2014) und London (53 Millionen). Kein Wunder, denn Berlin trumpft mit unzähligen Attraktionen auf: Kultur auf der Museumsinsel, Geschichte an der East Side Gallery, Partyleben in Kreuzberg, Modetrends im Prenzlauer Berg ...
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bwohl im Herzen von Berlin gelegen, profitiert der Stadtteil Moabit bisher recht wenig von diesem Boom. Im traditionellen Arbeiterviertel geht das Leben bis heute seinen ruhigen, bodenständigen und wenig touristischen Gang. Die Beusselstraße ist typisch für Moabit – kleine Restaurants, Dönerläden, Spielhallen und Getränkemärkte. Alles hier ist ehrlich und althergebracht, nicht schick und modern. Etwa in der Mitte der Straße befindet sich die gleichnamige S-Bahn-Station Beusselstraße. Sie ist eine Haltestelle der Berliner Ringbahn. Minütlich spucken die Züge hier Menschenmassen aus, die sich dann in alle Richtungen von Moabit ergießen. Mitten in diesem niemals endenden Strom – genauer gesagt an der Beusselstraße 44a – liegt ein außergewöhnlicher Laden: Manolito Erotica. Seine Fenster sind gänzlich mit schwarzer Folie verklebt, so dass der Neugierige noch nicht einmal einen winzig kleinen Blick in das Innere des Geschäfts werfen kann. Stattdessen schreien grüne Lettern dem Betrachter verheißungsvoll entgegen: „Sammeln, was das Zeug hält." Sandfarbene Buchstaben klären über das Produktangebot von Manolito auf: „Alte Hefte, Literatur, alte Videos, Spielzeug." Ein wenig aus der Zeit gefallen, seltsam nostalgisch wirkt das Ganze. An so einem Laden wären wir als Grundschüler vielleicht kichernd und feixend vorbeigeschlichen. Hätten uns ausgemalt, was dort drinnen – in der Welt der Erwachsenen – wohl für Geheimnisse Bei Manolito stehen auf uns lauern wür- auch Videokassetten den. Damals in den noch hoch im Kurs. Siebzigern und Achtzigern. Darf man heute aber, als erwachsener Mann, seit Jahren in einer glücklichen und moralisch gefestigten Partnerschaft, überhaupt einen Seite
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derartigen Laden betreten? Was dort wohl für ein Publikum verkehrt? Richtet sich dieses Angebot nicht eher an alleinstehende, ältere Herrschaften? Solche mit – nun ja – etwas ausgefallenen, speziellen Interessen? Egal, beiseite mit den Vorurteilen – und hinein in den Laden! Innen sieht es wie in einem typischen Trödelladen aus.
Auf den ersten Blick wirkt alles wie ein ganz normales Trödelgeschäft: große Regale voller Hefte, DVDs und Videokassetten. Verstaubte Pappkartons stapeln sich bis unter die Decke. Dazwischen stehen Tischchen mit Sonderangeboten, eine alte Hängelampe taucht alles in ein warmes, weiches Licht. Hinter dem Verkaufstresen steht ein freundlicher, erstaunlich junger Mann. Sein Name ist Martin. Seit gut einem Jahr arbeitet er bei Manolito Erotica. Das Verkaufsteam besteht aus ihm und zwei Kolleginnen. Das Trio wechselt sich ab. Der Sex-Shop ist jeden Tag, außer am Sonntag, von 11 bis 19 Uhr geöffnet. Martin: „Wir sind einer der letzten Läden in Deutschland, der sich auf alte Sexhefte und -videos spezialisiert hat. Mit unserem Angebot richten wir uns primär an Sammler. Zusätzlich verkaufen wir natürlich auch aktuelle Magazine und DVDs."
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Und wie sieht es mit dem Altersdurchschnitt der Manolito-Kundschaft aus? „Es sind fast nur Männer. Eher ältere, die mit dem Internet noch nicht so vertraut sind. Jüngere Leute stillen ihren Hunger nach Erotik heute ausschließlich im Netz. Das ist ja auch viel anonymer." Stichwort anonym: Ist es den Kunden eigentlich manchmal peinlich, dieses etwas andere Geschäft aufzusuchen? „Einige haben leichte Berührungsängste", meint Martin. „Vor allem bei ihrem ersten Besuch. Ich versuche deshalb, immer sehr diskret zu sein, damit sich meine Kunden von Anfang an wohlfühlen." Martins Hände stützen sich auf den Verkaufstresen. Seltsam: Die Hälfte des Tresens ist mit d icken Pappquadraten abgedeckt. Verstecken sich dahinter etwa besonders wertvolle, seltene Stücke? Martin schmunzelt: „Leider nein. Dort hat vor ein paar Tagen ein – etwas verwirrter – Kunde mit seinen Fäusten auf den Tresen eingeschlagen. Wir haben das erst mal notdürftig repariert. Trotzdem glaube ich, dass wir auch nicht verrücktere Kundschaft als andere Läden haben. Die meisten sind freundlich, zuvorkommend, fast schüchtern. Und manchmal kommen sogar junge Kunststudenten, die Material für ihre Aktzeichnungen suchen." Ein Mann in den Fünfzigern mit
alten Sexschuppen. Wir suchen deshalb verzweifelt nach einem neuen Standort. Wenn die Vermieter aber hören, was wir so verkaufen, ziehen sie sich meist ganz schnell zurück." Die Tür des Ladens öffnet sich langsam, ein sanfter Windhauch streift durch den Raum. Überraschenderweise betritt eine Dame den
Erotikladen. Ein Irrtum? Martin schüttelt den Kopf: „Keineswegs, das ist meine Kollegin Nina, sie arbeitet schon seit vier Jahren hier." Nina – schwarze Haare, resolut – lächelt: „Manolito gibt es schon seit 1991. Da sind vier Jahre doch gar keine so lange Zeit!" Trotzdem hat Nina im Laden natürlich schon viel gesehen und erlebt. Obwohl sie kein Abitur hat und niemals an der Uni war, referiert die junge Frau wie eine Wissenschaftlerin über das Phänomen und die Geschichte der Pornografie: „In den Sechzigern haben die ersten Staaten Pornografie legalisiert, Dänemark war hier ein Vorreiter. Ab den Siebzigern sind Erotikhefte und -filme in Westdeutschland legal zu erwerben gewesen. Vorher hat man diese Produkte aber auch kaufen können, nur eben unter der Hand. An einschlägigen Orten oder per Annonce gingen private Bilder oder Filme von Hand zu Hand. Damals kauften die Menschen meist die Katze im Sack." Was auf den Fotos oder Filmen genau zu sehen war, Schönheitsideale offenbarte sich den Nacktfans erst beim Konsum. aus den Achtzigern. Pornografie als eine Art Überraschungs-Ei. Nina: „Es ist ein Mythos, dass es vor 40 Jahren viel gesitteter schwarzem Kapuzenpullover schleppt einen großen Stapel Erotikhefte zuging als heute. Seit fast einem halben Jahrhundert hat sich – außer heran. Sorgfältig kontrolliert Martin jedes einzelne Heft und tippt die Frisuren, Mode und Intimbehaarung – fast nichts in der Darstellung und Preise in seinen digitalen Taschenrechner. der Härte geändert." Und was meint die Fast 100 Euro lässt dieser Kunde bei Erotikexpertin zum ewigen Klischee des einManolito Erotica, und für Martin gibt samen Sexshopkunden? „Natürlich sind hier es zusätzlich ein großzügiges Trinkgeld. auch einsame Menschen, aber nicht mehr als „Der hat kaum ein Wort gesprochen. Das in einem Kakteen- oder Motorradladen. Die war ein ziemlich typischer Klient. Steht Story von der gescheiterten Existenz, die sich wie viele in Berlin auf Fetisch." Neben mit Pornos vergnügt, ist ein moralisierendes Filmen und Heften führt Manolito Erotica Märchen. Hier wird ein Erklärungsmuster auch noch Privatfotos. In großen Kartons für eine angeblich abnorme Vorliebe konruhen abertausende, meist schwarz-weiße struiert. Übrigens sind fast alle Kunden Abbildungen von barbusigen Schönheiten keine Machos, sondern respektvolle und und frivolen Zusammenkünften. Einige dieeher ruhige Menschen." Sind die Produkte ser Aufnahmen haben bereits ein halbes von Manolito also ein menschliches Unter dem Tresen warten Grundbedürfnis? „Unsere Waren sind nur Jahrhundert auf dem Buckel. Eine komische spezielle Produkte auf Liebhaber. Vorstellung, dass diese vitalen, lebenslustidie Materialisierung von Fantasien. Zuerst gen Menschen heute entweder Senioren sind oder unsere Welt bereits existieren diese Wünsche in den Köpfen der Menschen. Wir erzeugen verlassen haben. Martin: „Ich habe das Gefühl, dass die Menschen auf hier kein künstliches Bedürfnis, wir sexualisieren keine unschuldigen den alten Bildern noch viel mehr Persönlichkeit haben. Sie sehen alle Menschen. Die Sexualität ist Teil des menschlichen Wesens, kein Add-on. sehr unterschiedlich aus, ihr Körperbau ist natürlich und nicht von einem Unser ältester Kunde ist fast 100 Jahre alt und kommt regelmäßig!" Bodybuilding-Studio geformt. Die Frauen und Männer wirken erotisch, Nina ist in ihrer Freizeit politisch aktiv. Sie steht dem Feminismus und aber nicht verfügbar oder billig. Sie haben Stolz. Heute hingegen sind einem linken Weltbild nahe. Vertragen sich diese Ideale mit ihrem Alltag die Protagonisten in erotischen Heften und Filmen austauschbar, achten bei Manolito? Nina lacht laut, überlegt kurz: „Also besser wird die Welt tut ohnehin niemand auf sie. Sie sind nur noch Körper und null Prozent durch meine Arbeit sicher nicht. Aber auch nicht schlechter – ich bilde Person." hier ja keine Kindersoldaten aus. Dass ich für keine große Kette arbeite, Wie schätzt Martin die Zukunft des Porno-Antiquariats ein? „Die gefällt mir natürlich. Ich bin relativ frei, kann in meinem Reich viele möchten uns hier raushaben. Das ganze Viertel wird aufgewertet, es Entscheidungen autonom treffen. Aber obwohl ich total links denke, gibt soll schicker und cooler werden. Da wollen die natürlich nicht so einen es bei mir nur maximal zehn Prozent Rabatt!" GoodTimes
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Der Super-8-Spielfilm
Er läuft und läuft und läuft ... Als im Jahr 1965 der Normal-8-Film vom Super-8-Film überholt und später auch abgelöst wurde, hätte wohl niemand damit gerechnet, dass auch im Jahr 2016 noch mit Super 8 gefilmt und in Zeiten von DVD und Blu-ray noch Spielfilme gesammelt und in heimischen Kinos" geguckt werden. "
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an merkt vor allem im Internet, wie beliebt Super-8-Filme heute nach wie vor sind, wenn auf bestimmten Auktionsplattformen die Super-8-Spielfilme zu enorm hohen Preisen verkauft werden. Natürlich gibt es auch etliche Super-8-Filme, die heute nicht mehr viel Geld wert sind, da sie zum Teil oft kopiert wurden oder die Kopierqualität nicht berauschend ist. Aber gerade die Titel, die zum Ende des Jahres 1981 kopiert wurden, sind besonders gesucht. Wichtig sind dabei die Bildschärfe, die Farben, der Zustand der Kopie und das Originalcover. Angefangen hat alles in den 70er Jahren mit Firmen wie Piccolo Film, Marketing Film, Ufa, Inter-Pathé, Revue Film und vielen weiteren kleineren Unternehmen, die vorwiegend Schnittfassungen herstellten, da ein kompletter Titel einfach zu teuer war. Diese Fassungen sind oft genial gemacht: Wer hat etwa schon einmal eine 35-minütige Fassung von „Buck Rogers" gesehen? Zuerst erschienen vorwiegend nur Einteiler von 45 bis 120 m Länge (wie „Der weiße Mustang", „Frau Holle", „Die Brücke am Kwai"), teilweise sogar ohne Ton und mit deutschen Untertiteln (z.B. „Der Marschall von Santa Fee", „Hände hoch Old Boy"). Somit dauerten diese Fassungen gerade mal
Szene aus Super 8" (USA 2011), der Originaltrailer ist " auch in Cinemascope auf Super 8 erschienen. Seite
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8 bis 20 Minuten. Um 1974/1975 kamen dann viele Zwei- und Dreiteiler dazu (z.B. „Winnetou", „Edelweißkönig", „Ein Käfer geht aufs Ganze", „Zwei Missionare"). Pro Rolle hatte man da 110 bis 120 Meter Länge, und ein Dreiteiler lief mit drei Rollen, dauerte also rund 50 bis 60 Minuten. Später gab es zudem einige Vierteiler (z.B. Bruce-Lee-Filme, „King Kong", „Die Wildgänse kommen") und K o m p l e t tf a s sungen („Die Abenteuer des Grafen Bobby", „M – Eine Stadt sucht einen Mörder", „Der große Diktator"). Die Kosten waren allerdings enorm: Bei einem Vierteiler kamen schon mal locker fast 600 DM zusammen. Wenn man sich also eine Sammlung aufbauen wollte, musste natürlich das nötige „Kleingeld" vorhanden sein. Ab 1978/79 kamen dann etliche Kino-Blockbuster und Filmklassiker als Zwei- und Dreiteiler auf den Markt („Der weiße Hai", „Ein ausgekochtes Schlitzohr", „Grease", „Steiner – Das eiserne Kreuz", „Plattfuss in Afrika", „Das Böse", „Ein Fremder ohne Namen"). Zu dieser Zeit konnte man die Filme mit den schönen Covern im Schaufenster eines jeden Kaufhauses und Fotofachgeschäfts begutachten. Ein Highlight war, als 1978 „Krieg der Sterne" als 180-MeterFassung von Marketing Film erschien, zwei Jahre später kam noch eine weitere 120-Meter-Rolle bei der Ufa heraus, die man mit der 180-Meter-Fassung kombinieren konnte. Kurze Zeit später erschien zum Kinostart in Deutschland auch noch eine 240-Meter-Fassung von „Das Imperium schlägt zurück". Es war schon toll: Man kam aus dem Kino, lief am Fotogeschäft vorbei – und da stand genau dieser Titel im Schaufenster; also kurz in die Geldbörse geschaut, und schon wurde man schwach … Als immer mehr die Videokassette in den Vordergrund trat, ließen die Super8-Verkäufe langsam nach, und dennoch brachten die Firmen 1981/82 weitere Top-Titel auf den Markt (z.B.
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„Die Zeitmaschine", „Kampf der Titanen", „Jäger des verlorenen Schatzes", „Der Große mit seinem außerirdischen Kleinen", „Das Boot", „Über den Dächern von Nizza"). Es gab auch einige Horrorfilme zu kaufen, die man heute kaum noch findet („Man Eater", „Ein Zombie hing am Glockenseil", „In der Gewalt der Zombies", „Zombies unter Kannibalen"). Die Unternehmen versuchten – allerdings vergeblich –, mit diesen Titeln auf Super 8 gegen den Vormarsch der Videokassette anzukämpfen. Gleichzeitig arbeiteten sie aber auch daran, das Super-8-SpielfilmProgramm langsam „sterben" zu lassen, um auf Video umzustellen. Mit Blick auf Preis und Filmlänge lag die Videokassette ganz klar vorn, und die Vertreiber merkten schnell, dass sich damit eine Menge Geld verdienen ließ. Ende 1982/Anfang 83 war der Markt für Super 8 dann so gut wie tot, ja, die bereits geplante Veröffentlichung von Titeln wurde sogar storniert. Somit landeten in Deutschland 1982/83 die ganzen Super-8-Filme auf Wühltischen, oder man konnte sie direkt bei den Firmen über Sonderlisten billiger bestellen (solange der Vorrat reichte). In anderen Ländern gab es genau das gleiche Problem. Auch dort wurden schon bald fast keine neuen Kopien mehr gezogen. Aber einige kleine Firmen haben dennoch weitergemacht, unter ihnen die englische Firma Derann, die in den 90er Jahren einen wahren Super-8Boom erlebte. Was zum einen daran lag, dass sie gute Deals mit Filmcompanys abschließen konnte, und andererseits an der sensationellen Kopierqualität – viele Titel erschienen auch in Cinemascope und mit Stereoton. Es wurden Trailer, Cartoons und vorwiegend Komplettfassungen veröffentlicht. Fast unglaublich war der Walt-Disney-Deal, der es erlaubte, fast jeden Disney-Titel auf Super 8 komplett zu veröffentlichen. Was hat es damals nicht alles gegeben: die ersten drei „Stirb Langsam"-Filme, „Highlander", „König der Löwen", „Mary Poppins", „Fantasia 2000", „Terminator 2" und viele andere Titel, die heute sehr gesucht sind. In Deutschland gab es auch noch einige kleine Anbieter wie Roger Vollstädt, Jörg Harnischmacher und Rainer Stefan Film, die komplette Filme (z.B. „Abyss", „Die unendliche Geschichte", „Geheimcode Wildgänse", „Abwärts"), Trailer und Cartoons verkauften. Viele Titel wurden auch aus dem Ausland importiert und hier mit deutschem Ton versehen. Unter anderen wurden auch die drei originalen „Star Wars"GoodTimes
Filme komplett auf Super 8 veröffentlicht, in Cinemascope und mit deutschem Stereoton. Natürlich ist im Laufe der Jahre der Kopierstandard enorm gestiegen, Polyesterkopien mit toller Bildschärfe und gutem Ton konnten nun auch zu Hause vorgeführt werden. Aber mit dem Auftauchen der DVD, später der Blu-ray – und auch den neuen Beamern – wurde Super 8 der Todesstoß versetzt. Heutzutage erscheinen nur sehr selten neue Titel auf Super 8, und wenn, dann sind sie einfach zu teuer. Aber auch hier zeigt sich, es gibt immer noch Sammler, die etwas Neues für den Filmprojektor haben wollen. Durch das Internet ist natürlich ein riesiger Gebrauchtmarkt entstanden, der langjährige Super-8Sammler immer wieder staunen lässt. Heutzutage ist vor allem das Ausland interessant (Italien, Spanien, USA); dort ist viel veröffentlicht worden, was es in Deutschland nie gegeben hat („Scorpio", „Hexenkessel", einige James-Bond-Filme). Auch die so genannten Airline Prints, die im Bordkino von Flugzeugen bis ins Jahr 1990 gezeigt wurden, haben heute eine große Fangemeinde („Ghostbusters", „Ferris macht blau", „Ein Ticket für zwei"). Einige Sammler haben sich in Clubs (z.B. Cine 8–16) zusammengetan, um neueste Informationen auszutauschen, Rezensionen zu alten Kopien zu lesen oder einen gemeinsamen Filmabend zu gestalten. Und es kommen immer wieder neue, vor allem junge Sammler hinzu, die alte Schnittund Komplettfassungen suchen, um in den eigenen vier Wänden großes Kino zu machen. Gerade diese Schnitt fassungen besitzen einen besonderen Reiz, denn so hat man die Filme noch nie gesehen. Im Moment erlebt die Super-8Fassung eines Spielfilms als Bonus-Material auf etlichen DVDs und Blu-rays übrigens ein Comeback. Und im Internet sind auch etliche Foren wie 8mmforum entstanden, in denen die Sammler miteinander in Kontakt stehen. Man kann also in gewisser Weise durchaus sagen: Der Super-8-Spielfilm läuft immer noch! Andreas Chmielewski 1/2017
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Dr. Fu Man Chu
Von Hans-Joachim Neupert
Die gelbe Gefahr" geht um " Dr. Fu Man Chu ist die Inkarnation des Bösen. Er hypnotisiert einen Doppelgänger, damit dieser an seiner Stelle hingerichtet wird. Er erteilt den Befehl, die jungen Töchter einflussreicher Persönlichkeiten zu entführen, um die Väter zu erpressen. Er testet tödliche Flüssigkeiten an den Bewohnern eines ganzen Dorfes. Er lacht über die bürgerliche Ordnung, macht seine eigenen Gesetze und foltert die Menschen, die ihm im Weg sind, zu Tode. Er ist ein supergescheiter, diabolisch-erfinderischer und grausamer Chinese. Er will die Weltherrschaft, und jedes Mittel ist ihm dabei recht. Dr. Fu Man Chu ist der hinterhältigste, gemeinste und fürchterlichste Verbrecher aller Zeiten, und trotzdem geht von dieser fiktiven Person eine kaum erklärbare Faszination aus. Vielleicht sind es die perfekte Mischung aus Glamour und Grauen, der erregende Kontrast zwischen Schönheit und Abscheulichkeit, die Spannung zwischen tödlichen Apparaturen und lebendigen Menschen, die den besonderen Reiz ausmachten.
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er Schöpfer dieser abartig bösen, zugleich aber auch ungemein faszinierenden Roman- und Filmfigur ist der britische Journalist und Autor Arthur Sarsfield Ward. Fu Man Chu ist allerdings keine reine Fiktion. Im Jahre 1911 hatte der damals 26-jährige Londoner Zeitungsreporter von seiner Redaktion den Auftrag bekommen, über eine Serie mysteriöser Morde zu berichten. Scotland Yard war es nicht gelungen, den Verbrecher zu fassen. Die Beamten wussten jedoch, dass ein Chinese namens „King" das Glücksspiel, einen Geheimbund und den gesamten Rauschgifthandel zwischen Europa und Asien kontrollierte. Der junge Reporter durchstreifte daraufhin das Londoner Chinesen-Viertel, als eines Tages plötzlich vor ihm ein schwerer Wagen stoppte. Blitzschnell versteckte sich Ward in einer Mauernische und beobachtete, wie ein hochgewachsener Mann mit einer Lammfellmütze und einem lanSeite
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gen Mantel aus dem Auto stieg. Ein junges Mädchen folgte der geheimnisvollen Person, und der Reporter war sich sicher, gerade eben den Chinesen King gesehen zu haben. Im selben Augenblick noch hatte er eine folgenreiche Idee, die ihn zu einem reichen Mann machen sollte. Arthur S. Ward schrieb einen Roman über seine Fantasiegestalt, den „gelben Teufel" Dr. Fu Man Chu. Er wurde auf Anhieb ein Bestseller, und die Leser verlangten begeistert nach einer Fortsetzung. Der junge Schriftsteller quittierte seinen Job bei der Zeitung, nannte sich fortan Sax Rohmer und dachte sich immer neue Gräueltaten aus, die sein Tyrann mit dem Basiliskenblick aus Machthunger beging. Zwischen 1912 und 1959 erschienen im englischsprachigen Raum insgesamt 13 Fu-Man-Chu-Romane, die überaus populär wurden und Rohmer zu ungeahntem Reichtum verhalfen.
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Erfolg spricht sich besonders auch in Hollywood schnell herum, und so schien es nicht weiter verwunderlich, dass es bereits zur Stummfilmzeit einen ersten Fu-Man-Chu-Film gab. Vier weitere folgten im Laufe der Jahre, und in den 50er Jahren entstand dann sogar eine Fernsehserie. Anschließend wurde es erst einmal wieder still um den düsteren Fiesling Fu Man Chu. In Deutschland sind übrigens nur die ersten beiden Romane veröffentlicht worden, vermutlich ohne großen Erfolg, und im Kino war kurzzeitig ein billiges Serienprodukt aus Hollywood zu sehen. Bis 1965 war der Name Fu Man Chu in der BRD deshalb so gut wie unbekannt, was sich jedoch schon sehr bald ändern sollte. 1965 erwarb der britische Filmproduzent Harry Allen Towers von der Witwe Sax Rohmers für nur 20.000 Dollar die Filmrechte an der Figur Fu Man Chu. Towers war ein Mann, der Filme mit großer Leidenschaft und mit viel Engagement, aber mit kleinem Budget produzierte. Deshalb schrieb er auch die meisten Drehbücher zu seinen Filmprojekten selbst. Obwohl er bereits seit Ende der 50er Jahre ein wohlhabender Mann und auch in Hollywood tätig war, kehrte er aber doch immer wieder nach London zurück. Neben den Fu-ManChu-Filmen produzierte er auch einige EdgarWallace-Streifen, verfilmte Agatha Christies Geschichten und nahm sich Sax Rohmers „Sumuru" an. Am 6. August 1965 hatte der erste Fu-Man-Chu-Film der TowersFilmproduktion, ein dynamischer ActionKracher mit dem Titel „Ich, Dr. Fu Man Chu", seine Deutschlandpremiere. Das Drehbuch stammte von Harry Allen Towers persönlich, enthielt zwar einige Logikfehler, war aber insgesamt recht passabel. Für die Titelrolle konnte man den bereits für seine Darstellung des Grafen Dracula bekannten englischen Schauspieler Christopher Lee gewinnen. Ein echter Glücksfall. In weiteren Hauptrollen verknüpften Joachim „Blacky" Fuchsberger und Karin Dor die Produktion mit den damals überaus erfolgreichen Edgar-Wallace-Filmen. Die Dreharbeiten zu diesem 175.000 Pfund teuren Farbfilm im Breitwandformat fanden im März 1965 in der irischen Provinz sowie in der Nähe von Dublin statt. Dort fanden die Filmleute eine Kulisse vor, die dem London der 20er Jahre entsprach. In der Filmhandlung startet der verbrecherische Bösewicht den Versuch, mit Hilfe seiner beträchtlichen Geistesgaben die Herrschaft über die gesamte Welt zu gewinnen. Er residiert in einem imposanten Laboratorium unter der Themse und trifft Anstalten, zunächst einmal die Herrschaft über Großbritannien zu übernehmen. Dabei bedient er sich eines geheimnisvollen tibetanischen Mohngewächses, mit dem man die Bevölkerung ganzer Landstriche vernichten kann. Seine Widersacher sind ein unerschrockener junger Wissenschaftler (Joachim Fuchsberger) und ein Mann von Scotland Yard (Nigel Green). Am Ende siegen natürlich die Guten. Die Festung in den Bergen von Tibet wird gesprengt, aber Fu Man Chu verkündet, dass die Welt noch von ihm hören werde. Der Film war für seine Zeit ein echtes Erlebnis und GoodTimes
so erfolgreich, dass noch vier weitere Sequels folgten. Christopher Lee war vom Drehbuch zum nächsten Projekt mit dem reißerischen Titel „Die 13 Sklavinnen des Dr. Fu Man Chu" begeis tert. Bereits im Januar 1966 begannen in den Londoner Bray-Filmstudios die Dreharbeiten. Die Werbetrommel für den Film wurde diesmal weltweit gerührt, indem man wettbewerbsmäßig nach jungen Schauspielerinnen Ausschau hielt. Weitere Hauptrollen wurden mit international populären Stars jener Jahre wie Rupert Davis (Kommissar Maigret), Marie Versini (Winnetous Schwester) und Heinz Drache (bekannt aus Edgar-Wallace-Filmen) besetzt. Der Film ist eigentlich eine echte Perle. Leider wurde dieser Streifen aus Kostengründen nicht mehr in Cinemascope, sondern in Eastmancolor gedreht. Dadurch wirken die Farben etwas ausgewaschener. An der Kinokasse war der Film jedoch überaus erfolgreich, und schon bald folgte der 3. Teil der Reihe. Am 25. Mai 1967 fand die deutsche Erstaufführung von „Die Rache des Dr. Fu Man Chu" statt. Das Publikum aber, das so erwartungsvoll den Kinosaal betreten hatte, war schwer enttäuscht. An der deutsch-britischen Co-Produktion waren diesmal auch die Shaw Brothers aus Hongkong beteiligt, die Dreharbeiten hatten in den Shaw Studios in der britischen Kronkolonie stattgefunden. Der Film profitiert zwar von der guten Location, Drehbuch und Regie sind jedoch eine einzige Katastrophe. Immerhin bietet die Schauspielerin Maria Rohm, die Ehefrau des Produzenten, etwas fürs Auge, und auch Horst Frank macht seinen Job gut. „Der Todeskuss des Dr. Fu Man Chu" wurde dann im Dezember 1967 und Januar 1968 in Madrid und Rio de Janeiro unter der Regie des Billigfilmers Jess Franco gedreht. Das Drehbuch war noch abstruser als zuvor, und die exotischen Drehorte wirken im Film billig und schmutzig – wie der gesamte Film. Besonders das übertriebene „Gezoome" nervt. Das Publikum strömte jedoch noch einmal in ausreichend großer Zahl in die Kinos, und eine weitere Fortsetzung ging in Planung. Ende Mai 1969 kam dann mit „Die Folterkammer des Dr. Fu Man Chu" der fünfte und letzte Fu-Man-Chu-Film von Harry Allen Towers in die deutschen Kinos. Leider wurde dieser Film erneut von Jess Franco grottenschlecht und unglaublich schlampig inszeniert. Die Dreharbeiten fanden zwar in Barcelona und Istanbul statt, aber die zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel waren sehr eingeschränkt. Etliche Szenen wurden aus anderen Filmproduktionen eingefügt, das Drehbuch ist dürftig, und in filmischer Hinsicht wird wieder hemmungslos gezoomt. Schlechter kann man einen Film eigentlich gar nicht mehr machen! Fazit: Die Fu-Man-Chu-Reihe begann sehr vielversprechend und endete im totalen Dilettantismus. Schade eigentlich, denn die Serie hatte Potenzial für weitere Filme. Trotzdem sind die fünf Filme aus der Werkstatt von Harry Allen Towers heute „Nostalgie pur". Sie gewähren einen guten Einblick in europäische Co-Produktionen der 60er Jahre, mit denen man gegen die amerikanische Konkurrenz erfolgreich bestehen wollte. Wer mehr über Dr. Fu Man Chu wissen möchte, dem seien wärmstens der 4. Band aus der Reihe „Der klassische Kriminalfilm" mit dem Titel „Fu Manchu" empfohlen sowie die DVD-Kollektion mit allen fünf Streifen aus den 60er Jahren. Buch und Filme sind hervorragend aufbereitet, sehr zu empfehlen und vor allem für kleines Geld überall im Fachhandel zu bekommen. 1/2017
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Als die Rennbahn im Wohnzimmer Einzug hielt Carrera ist seit 1963 der Inbegriff für die Rennbahn zu Hause und durfte damals (wie heute) auf keinem Wunschzettel fehlen – weder bei den kleinen noch bei den großen Kindern im Erwachsenenalter. Wer das Kind im Manne entdecken will, braucht nur ein Wort in die Runde zu werfen – Carrera! Und sofort blitzen Augenpaare auf, hinter denen sich ganze Kindheitsfilme abspielen.
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m den Mythos zu ergründen, stecke ich aber zunächst den Trafostecker in die Steckdose und brause zurück zu den Anfängen dieser Kult-Bahn: Als Hermann Neuhierl 1962 von seinem Vater eine Fabrik für mechanische Spielwaren übernimmt, muss er umdenken. Denn statt aufziehbaren Blechspielzeugs wünschen sich Kinder immer öfter elektrisch betriebene Plastikmodelle. Während einer USA-Reise schnappt Neuhierl dann die Idee der schlitzgeführten Autorennbahn auf und entwickelt sie im fränkischen Fürth weiter. Neu ist die Idee zu diesem Zeitpunkt übrigens nicht, da Scalextric-ModellRennbahnen bereits seit den 1950er Jahren in England verkauft werden. Aber erst Neuhierl schafft es, einen wahren Boom mit dieser Idee auszulösen! Denn er kreiert sein eigenes unverwechselbares System, indem er die Bahn mit einem dritten Stromleiter versieht, was zu diesem Zeitpunkt völlig neue Spielmöglichkeiten eröffnet. Die Carrera-Autos führt ein frei drehbarer Leitkiel, der waghalsige Drifts und Schleudereinlagen ermöglicht. Dieser sitzt in einem Schlitz in der Schiene. Die legendäre Universal – Carreras erste Bahn – war noch als Dreileitersystem ausgelegt, später setzten sich dann die bis heute üblichen Zweileiterbahnen durch. Inspiriert von der Porsche-Rennwagenabteilung tauft Neuhierl seine Autobahnen „Carrera" – die spanische Vokabel für „Rennen". Getreu dem Motto „Heute Nürburgring, morgen Monza und mit Carrera immer zu Hause" erweist sich diese Namensgebung als wahrer Glücksgriff, denn sie steht für schnelles Autofahren. Seite
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Die Carrera-Bahn startete im Maßstab 1:32 und wurde in den Folgejahren konsequent ausgebaut. Bis zu zehn Fahrspuren waren bald möglich, außerdem Überholbahnstücke, Kreuzungen und Überführungen. Aber auch Rundenzähler bis hin zu Gebäuden und Figuren zur Gestaltung der Piste sollten keine Wünsche der Hobby-Rennfahrer offen lassen. 1967 erweitert Carrera dann seine Produktlinie um Modellautos im Maßstab 1:24 und nennt diese entsprechend dem Maßstab schlicht „124". Die 124er bleiben zwar das Aushängeschild der Marke, der Massenumsatz wird jedoch mit der wohnraumverträglichen 1:32er-Bahn gemacht. Die wird ab 1967 in Abgrenzung zum großen System mit der Bezeichnung „132 Universal" vertrieben, unter der sie uns Kindern der 60er bzw. 70er Jahre noch in guter Erinnerung sein dürfte. „Experten fahren Carrera": Mit cleveren Marketingslogans und -aktionen gelang es Hermann Neuhierl, seine Botschaft in jedes Kinderzimmer zu tragen. Massive Werbespots im deutschen Fernsehen trugen zudem ihren Teil dazu bei, dass zahlreiche Renncenter wie Pilze aus dem Boden schossen. Carreras größter Coup allerdings war die Einführung der Carrera-Bundesmeisterschaft 1966, an der sage und schreibe 600.000 Kinder und Jugendliche teilnahmen. Es war irgendwie unmöglich geworden, sich der Faszination der fahrenden ModellBoliden zu entziehen. Oder wer erinnert sich nicht an die Carrera-Gratis-Prospekte, bei denen man nur ein Kreuzchen an seine Favoriten zu setzen brauchte – und schon wusste jeder Träger von Kaufentscheidungen in der Familie darüber Bescheid,
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rige Hermann Neuhierl die Abgase seines Opel Senators in den Innenraum des Wagens und beging Selbstmord. Mit an Bord seine 85-jährige blinde Mutter. Das vorläufige Ende einer Ära.
was zu Weihnachten oder sonstigen Anlässen gewünscht wurde. Mit über 70 Prozent Marktanteil stieg Carrera Anfang der 1970er Jahre zum Marktführer auf. Zu diesen Spitzenzeiten produzierten die Franken über 7000 Autos pro Tag. Und auch wenn andere Spielzeughersteller wie Gama, Märklin oder Fleischmann ähnliche Rennbahnen im Angebot hatten – Carrera verfolgte den mit Abstand konsequentesten Markenauftritt. Hinzukam, dass im Heimbahnbereich jeder Hersteller sein eigenes Konzept besaß. Das heißt, die Autos konnten nur auf der Bahn des jeweiligen Systems störungsfrei eingesetzt werden, was unter Freunden schnell zum Problem wurde, wollte man seine Rennautos miteinander vergleichen. Und Gewinner setzten nun mal auf Carrera, denn längst war der Name zum Synonym für die ganze Gattung der Rennbahnen geworden. Und daran hat sich bis heute nichts geändert!
Es folgten düstere Jahre, in denen sich Carrera weit von Neuhierls Qualitätsansprüchen entfernte. Die Wende stellte sich dann 1999 ein, als der österreichische Spielwarenimporteur Stadlbauer das Ruder übernahm und endlich wieder Produkte in den Handel brachte, die den großen Namen auch verdienten. Wie es der Zufall will, war der Vater des heutigen Geschäftsführers Andreas Stadlbauer eng mit Neuhierl befreundet. Es ist entsprechend davon auszugehen, dass die Renaissance des Labels also eine Herzenssache war und blei-
1978 wurde das neue Servo-System vorgestellt, mit dem die Autorennbahn nochmals neu erfunden wurde. Die Fahrzeuge wurden nun nicht mehr in einer Bahn geführt, sondern konnten über ein Lenkrad am Regler die Spur wechseln. Doch die neuen Rekordumsätze, die die lenkbaren Bahnen zunächst bescherten, ließen sich nicht halten: Was in den Werbespots so spektakulär aussah, bot in der Realität nur wenig Spannung, da das realistische Fahrgefühl der traditionellen Bahnen irgendwie verlorengegangen war. 1980 gab es dann mittlerweile rund 130 Fahrzeuge in sechs verschiedenen Kategorien. Das Sortiment überforderte den Fachhandel jedoch zunehmend, und er konzentrierte sich lieber auf den Boom der Funk-Automodelle. Zudem kamen weitere Alternativen im Spielzeugbereich auf, unter anderem die ersten Videospiele. Was folgte, war ein U msa t z r ü c k g a n g innerhalb weniger Jahre um rund 70 Prozent. Das Unternehmen kam schließlich in Existenznot und musste im Jahr 1985 Konkurs anmelden. Keine sechs Tage später leitete der zwischenzeitlich 57-jähGoodTimes
ben wird. Und mit den jüngsten FestspurModellen ist Carrera heute wieder auf der Pole-Position. Aber auch die Zukunft hat bereits begonnen: Autos mit Computerchips ermöglichen originalgetreue Qualifyings – nur nicht ganz so gefährlich wie im 1:1-Maßstab. Und wer eine High-End-Lösung vom Schreiner sucht, der lässt sich seine Bahn eben aus MDF-Platten individuell fertigen und aufbauen. Nicht zu vergessen: Die erwachsen gewordenen Experten von einst fahren auch heute noch Carrera! Und auch ich bin dank meines Freundes Markus Wendel seit meinem 40. Geburtstag wieder unter den Rennbahnfahrern … Markus Nöth
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Udo Jürgens
Ein Keller voller Kult!
Dominik Beckmann lebt nicht nur in einem Haus im Münchner Westen, sondern er beherbergt dort auch eine schier unglaubliche Sammlung von Udo-Jürgens-Schätzen. kult! hat den Wegbegleiter und Fotografen von Udo Jürgens besucht.
Wann fing diese Leidenschaft an, wie kam es zu dieser außergewöhnlichen Udo-JürgensSammlung? Ich habe die Liebe zu Udo Jürgens’ Musik bereits im Alter von sieben Jahren entdeckt. 1984 nahm mich meine Mutter mit zu einem Konzert in der Münchner Olympiahalle. Eine Jugendfreundin meiner Mutter besorgte uns Ehrenkarten aus dem Ticketkontingent des Künstlers, so dass ich sehr nah dran war. Ich kann mich noch gut erinnern, dass ich fast vor Ehrfurcht erstarrte, als wir eine Reihe vor Blacky Fuchsberger saßen. Daneben mit ihrer Mutter Panja Jenny, die 16-jährige Tochter von Udo, die auf ihren Gastauftritt bei "Liebe ohne Leiden" wartete. Welche Beziehung hatten Sie selbst zur Musik? Da ich selber seit dem sechsten Lebensjahr Orgel- und Klavierunterricht Foto: © Dominik Beckmann
Foto: © BMC-Archiv
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Einer von drei Archivräumen
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hatte, war meine Begeisterung für Musik früh geweckt. Die Musik von Udo Jürgens zog mich in ihren Bann, als ich 1982 die TV-Show „Udo live - Lust am Leben" sah. Ab da war meine Begeisterung riesig, und ich weiß noch genau, wie ich in der Leihbücherei die Musikkassetten UDO 70 und ES WAR EINMAL EIN LUFTBALLON mit vertonten Kinderliedern von James Krüss entdeckte. Schon bald darauf bekam ich meine erste eigene LP, HAUTNAH, und ich entwickelte den Ehrgeiz, auf Flohmärkten nach nicht mehr im Handel erhältlichen Udo-Jürgens-Platten zu suchen, um das Werk möglichst vollständig zu bekommen. Dass diese „Vollständigkeit" eine unerfüllbare Vision ist, musste ich wenige Jahre später einsehen – dennoch verfolge ich sie bis zum heutigen Tag. Ein im Grunde unerreichbares Ziel!? Im Laufe der Zeit erkannte ich die Dimension dieses unglaublichen Werkes des Künstlers Udo Jürgens. Zunächst fanden sich die regulär gelisteten Vinyl-LPs, doch dann entdeckte ich Singles mit so genannten Single-OnlyTracks, also Titel, die nicht auf LP erhältlich waren. In den folgenden Jahren sammelte sich ein beachtlicher Fundus an, doch durch Auslandskontakte und Sammler erhielt ich ständig neue Informationen über immer kuriosere Tonträger. Da gab es Pressungen aus Russland, Kolumbien, Rumänien, Japan und Südafrika. Als Udo Jürgens mir klar wurde, und Dominik Beckmann im dass Udo-JürgensAugust 2011 Tonträger auf der bei einer ganzen Welt erschieGoldverleihung nen sind, entstand
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Künstler verdient ein Museum, und ich habe es mir schon sehr früh zur irgendwann in den frühen 90er Jahren die Idee, eine Art Discographie Aufgabe gemacht, sein Lebenswerk vollständig zu dokumentieren, damit zu erarbeiten, da es keinerlei offizielle Dokumentation über Udo Jürgens’ es für die nächsten Generationen erhalten und am Leben bleibt. Wien Werk gab. Im Laufe der Zeit weitete sich der Umfang der Sammlung wäre sicherlich eine ideale Stadt für so ein Projekt, denn dort hatte Udo immens aus, und ich beschloss, ein richtiges Archiv aufzubauen. Jürgens’ Karriere ihren Ursprung, und dorthin ist er 2014 nach seinem Tod Beschränkte sich das auf Tonträger? zurückgekehrt. Ich würde so ein Projekt gerne unterstützen und fördern. Zu den Tonträgern kamen nun sämtlich verfügbares Material über Wann haben Sie Udo Jürgens letztmals gesehen? den Künstler – egal ob Plakat, Programmheft, Merchandisingartikel, Das war bei seinem vorletzten Konzert in Wien. Wir haben vor dem Werbemittel, Zeitschriften, Artikel, Memorabilien oder weit über 50.000 Konzert in seiner Garderobe noch ein Teamfoto geschossen, und ich Fotos und Negative. Nach über 30 Jahren haben sich nun weit über 2500 hatte kurz danach noch ein sehr persönliches und schönes Gespräch mit verschiedene Udo-Jürgens-Tonträger in allen Formaten angesammelt. ihm. Ich wusste in diesem Moment nicht, dass es ein Abschied für immer Darüber hinaus entstand im Laufe der Zeit neben dem Udo-Jürgenswar, aber ich hatte schon damals ein komisches Gefühl – als ob er etwas Archiv ein gigantisches Musikarchiv mit Schwerpunkt Deutsch-Rock, geahnt hätte ... Austro-Pop und Liedermacher. Wo waren Sie die Todesnachricht gehört? Wann haben Sie Udo Jürgens kennen gelernt? Ich erhielt die Todesnachricht, die noch keine Udo Jürgens begegnete ich zum ersten Mal Ende fünf Minuten alt war, von einem Freund, der der 80er Jahre persönlich, als mich Heinz Allhoff, mich im Zug anrief. Ich war auf der Rückreise von der Pianist seiner ersten Tourneeband und einer Düsseldorf nach München, wo ich mir am Vortag seiner engsten Weggefährten, nach einem Konzert den Nachlass eines riesigen Udo-Jürgens-Archivs in Augsburg zum gemeinsamen Essen mitnahm. angeschaut hatte. Da ich als Ansprechpartner für Augsburg war für Udo Jürgens eine wichtige Stadt, da Fans und Website natürlich auch eine gewisse dort die meisten Musiker seiner ersten Tourneeband Verantwortung trage, musste man ab diesem lebten. Von da an begegnete ich dem Künstler Zeitpunkt für die nächsten Tage erst mal nur öfter, bei TV-Shows und verschiedensten Anlässen. „funktionieren" – da war nicht viel Raum für Udo Jürgens erfuhr von meiner großen Sammlung Emotionen und Trauer. und sah sich die zu diesem Zeitpunkt noch recht Sie haben an der zur Veröffentlichung anstemagere Discographie an. Er erteilte mir persönlich henden Reihe MERCI, UDO! mitgewirkt – was den Auftrag, eine Art Köchelverzeichnis, also ein kann man erwarten? Gesamtwerkverzeichnis seiner Karriere, zu erstellen. Bei den Arbeiten an MERCI, UDO! habe selbst In diesem Zusammenhang kam es auch zum ersten ich das Werk von Udo Jürgens noch mal neu Kontakt mit seinem Management, das mir diesen kennen gelernt. Die Herausforderung bestand Auftrag dann ganz offiziell erteilte. Ab Ende der 90er darin, eine für alle Jahre betreute ich dann gemeinsam mit einem Team Udo Jürgens komponiert an Zielgruppen attraktive den offiziellen Udo-Jürgens-Webauftritt www.udo- seinem legendären Klavier Compilation zu gestaljuergens.de konzepten, die sich von bereits tionell, grafisch und erhältlichen Produkten redaktionell. In diesem abhebt. Erstmalig haben Zusammenhang und in wir hier ein Produkt erarVerknüpfung mit meibeitet, auf dem wirklich nem Hauptberuf hatte alle großen Erfolge in Originalversion vereint ich auch immer häusind, insbesondere die großen ESC-Erfolge der figer die Gelegenheit, 60er Jahre wie "Merci Cherie", "Siebzehn Jahr, den Künstler zu fotoblondes Haar", "Warum nur, warum", "Sag’ ihr, grafieren. Oft wurde ich lass sie grüßen". Sie waren bislang noch nie Bildmaterial von mir für auf einer offiziellen Udo-Jürgens-CD erhältlich. CD-Cover, Programm Neben Evergreens wie "Was ich dir sagen will", hefte, Plakate und "Griechischer Wein", "Aber bitte mit Sahne", PR-Bilder verwendet. "Mit 66 Jahren" oder "Ich war noch niemals in Was ist Ihr liebstes New York" sind aber auch unbekanntere Songs Stück? wie "Lust am Leben" oder das Helmut SchönEin Schimmel-Klavier, Tribute "Der Mann mit der Mütze" enthalten. Wir haben uns bemüht, auf dem Udo in seinem ersten Haus in München Allach Anfang der 60er eine konzeptionelle Dramaturgie zu erarbeiten. Das Album startet gleich Jahre Welthits wie "Warum nur, warum" oder "Siebzehn Jahr, blondes legendär wie modern mit dem frühen Disco-Sound der 80er Jahre mit Haar" komponierte. Ein Stück Musikgeschichte! einer Supersound-Version von "Ich weiß was ich will", dem "Paris – einWas hat es mit diesem Klavier im Flur auf sich? fach so nur zum Spaß" folgt. Das Album umfasst alle Schaffensdekaden Als Udo Mitte der 60er Jahre mit seiner Familie in ein größeres Haus von Udo Jürgens, vom ersten Erfolg "Jenny" von 1960 bis zu den Songs nach Vaterstetten bei München gezogen ist, wurde dieses Klavier in das seines letzten Albums MITTEN IM LEBEN von 2014. Die Premium 3er-CD Büro seines damaligen Managements gebracht. Als die Produktionsfirma mit 63 Songs im Ecolebook mit legendären und unbekannten Fotos aus Montana Ende der 60er Jahre umzog, nahm sein Privatsekretär und 60 Jahren Künstlerkarriere enthält 21 Songs, die bislang nie offiziell auf Bandleader Willy Uebelherr dieses Klavier zu sich. Über 40 Jahre stand CD erschienen sind, plus fünf unveröffentlichte Versionen. es zunächst am Ammersee und danach in Uebelherrs Wohnung in Gibt es das Ganze nur auf CD? Augsburg. Ich habe es ihm letztes Jahr für viel Geld abgekauft – er ist Nein, erstmals seit 2004 erscheint diese Edition auch wieder im Anfang des Jahres nach schwerer Krankheit gestorben. Vinylformat als 3er-LP für Sammler in einer wertigen Box mit großforStimmt es, dass Sie sogar eine Hose und Krawatte von Udo Jürgens matigem Fotobuch. Das ist der Startschuss der Aufbereitung des musikabesitzen? lischen Lebenswerks von Udo Jürgens. Wir wollen in den nächsten Jahren Das stimmt, neben Hose und diversen Krawatten auch zwei Bühnenanzüge weitere große Projekte realisieren – ich hoffe, dass wir dem einmaligen mit dem legendären Einstecktuch. Künstler Udo Jürgens auf diese Weise ein Denkmal setzen können. Wird es mal ein Museum geben, würden Sie Ihre Sammlung dafür Dürfen wir von kult! einige ihrer Teile verlosen? hergeben? Das wäre mein großer Wunsch! Udo Jürgens war ein Jahrhundertkünstler Ein Fanpaket inklusive Originalautogramm, Foto und Kult-LP stelle ich der alten Schule, der einmalige Musikgeschichte geschrieben hat. So ein gerne zur Verfügung. (siehe Verlosung Seite 98) GoodTimes
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kult! -Preisrätsel
Lösungswort: 1
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kult! verlost unter allen Einsendungen des Lösungswortes: 5
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GEWINNSP IEL So machen Sie mit:
je 1x Brettspiel
Füllen Sie das Kreuzworträtsel aus. Die Buchstaben in den mit Ziffer und Kreis markierten Kästchen ergeben das Lösungswort. Senden Sie uns eine E-Mail, ein Fax oder eine frankierte Postkarte mit dem Lösungswort an: NikMa Verlag · Kennwort kult!-Verlosung" " Eberdinger Str. 37 · 71665 Vaihingen/Enz Fax: 0 70 42/37660-188 · E-Mail: goodtimes@nikma.de
1x Udo-JürgensFan-Paket (siehe Seite 97) 5x LP-Box
Einsendeschluss: 13. Januar 2017 Die Gewinner werden schriftlich benachrichtigt. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Gerichtsstand ist Stuttgart.
Viel Glück!
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5x Nostalgie-Edition, Band 1
3x Blu-ray
Lösungswort kult!-Nr. 14: Personal Computer
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GoodTimes
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4x Buch
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