kult! 60er · 70er · 80er
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Impressum Anschrift:
NikMa Verlag Fabian Leibfried Eberdinger Straße 37 71665 Vaihingen/Enz Tel.: 07042/37660-160 Fax: 07042/37660-188 E-Mail: goodtimes@nikma.de www.goodtimes-kult.de www.facebook.com/goodtimeskult
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Herausgeber und Chefredakteur:
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Fabian Leibfried
Mitarbeiter:
Norbert Arndt, Matthias Auer, Matthias Bergert, Jens-Uwe Berndt, Horst Berner, Kathrin Bonacker, Lothar Brandt, Susanne Buck, Petra Czerny, Michael Fuchs-Gamböck, Hans-Jürgen Günther, Thorsten Hanisch, Michael Klein, Andreas Kötter, Madita Leibfried, Niklas Leibfried, Nicolas von Lettow-Vorbeck, Kati Naumann, Hans-Joachim Neupert, Markus Nöth, Helmut Ölschlegel, Jörg Palitzsch, Manfred Prescher, Thorsten Pöttger, Sven Rachner, Malte Ristau, Philipp Roser, Traugott Roser, Roland Schäfli, Thorsten Schatz, Ulrich Schwartz, Daniel Stroscher, Alan Tepper, Uli Twelker, Egon Wachtendorf, Thomas Wachter
Abonnements, Shop, Social Media: Andrea Leibfried – goodtimes@nikma.de
Grafische Gestaltung:
Andrea Zagmester – kult@nikma.de Kathleen Müller – grafik@nikma.de
Anzeigenverkauf:
Petra Czerny – anzeigen@nikma.de
Vertrieb:
IPS Pressevertrieb GmbH Postfach 1211 53334 Meckenheim Tel.: 0 22 25/88 01-0
Druckerei:
Druckhaus Kaufmann Ernst Kaufmann GmbH & Co. KG Raiffeisenstraße 29, 77933 Lahr
Erscheinungsweise:
2x jährlich
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Abba: © Bubi Heilemann Weiterverwendung aller in GoodTimes kult! erschienenen Artikel, Interviews, Fotos, Rezensionen etc. nur mit der Zustimmung des Herausgebers gestattet. Gerichtsstand: Stuttgart Wir drucken auf umweltfreundlichem, chlorfrei gebleichtem Papier. Bei Bestellungen und Teilnahme an Verlosungen werden Ihre Daten zur Vertragserfüllung und Kundenbetreuung verarbeitet und gespeichert. Ihre Daten können zu den genannten Zwecken an Dienstleister weitergegeben werden. Ausführliches zum Datenschutz und zu den Informationspflichten finden Sie unter www.goodtimes-magazin.de/pages/datenschutz
Ausgabe April 2020 2/2020 (Nr. 22)
Editorial
Die einen sprechen von komischen", die anderen von ver" " rückten" Zeiten. Jedenfalls ist wegen Covid-19 nichts mehr, wie es war. Viele Menschen, vor allem auch Künstler, kämpfen ohne Einnahmen ums nackte Überleben. Ebenso all diejenigen, die es normalerweise ermöglichen, deren Konzerte, Lesungen, Aufführungen, Ausstellungen zu erleben. Die meisten sind in die eigene Wohnung, nach Hause verbannt", arbeiten im Home-Office oder " müssen zwangsweise kurzarbeiten – und haben vielfach mehr Zeit als unter gewöhnlichen Umständen. Auch das Haus NikMa mit seinen Publikationen ist von der Corona-Krise betroffen. Viele Aktivitäten, über die wir sonst ausführlich berichten, sind auf Eis gelegt. Wie bei praktisch allen Publikationen ist das Anzeigenaufkommen zusammengebrochen, doch die alltäglichen Kosten laufen weiter. Ja, wir haben in der Tat darüber nachgedacht, diese kult!-Ausgabe aus wirtschaftlichen Gründen auf den Herbst zu schieben – auch, weil es für viele potenzielle Leser in Zeiten der Ausgangsbeschränkungen schwierig ist, das Magazin überhaupt zu erhalten. Glücklich darf sich da schätzen, wer kult! abonniert hat und frei Haus geliefert bekommt. Deswegen wäre gerade in diesen schwierigen Zeiten meine Bitte: Weisen Sie Freunde und Bekannte auf unser Magazin hin und überlegen Sie, ob Sie selbst es nicht doch abonnieren wollen, falls Sie dies noch nicht getan haben. Wir haben uns im Interesse unserer Leserschaft dann aber doch dafür entschieden, die Ihnen nun vorliegende Ausgabe wie geplant zu veröffentlichen. Bietet sie doch die Möglichkeit, in der freien Zeit zu schmökern, in Erinnerungen zu schwelgen und vielleicht auch die eine oder andere Anregung mitzunehmen. Und angesichts der möglichst sinnvoll zu füllenden freien Zeit erlaube ich mir, Sie – neben unserem Flaggschiff GoodTimes – auch noch auf zwei weitere druckfrische Neuerscheinungen unserer Sondereditionen hinzuweisen: Bei den Discographien" ist nun Ausgabe 13 erhältlich " – mit der Auflistung praktisch aller Veröffentlichungen der ELO-Familie, von Traffic, Grobschnitt und Atlantis/Frumpy & Co. Und in den wenigen Tagen, die sie auf dem Markt ist, hat es bereits auch sehr positive Reaktionen auf die Edition Musikzeitschriften" " gegeben: Die bietet über 2500 Wiedergaben von Titelseiten der unterschiedlichsten Magazine, von Bravo", Melodie & Rhythmus" bis hin zu Pop" und Popfoto" ... " " " " Bleiben Sie gesund, wie man neuerdings aus gutem Grund zu sagen pflegt, und haben Sie viel Spaß mit dieser kult!-Ausgabe!
Fabian Leibfried – Herausgeber/Chefredakteur – Folgen Sie uns auch auf facebook: www.facebook.com/goodtimeskult
kult! GoodTimes
2/2020
Nr. 23 erscheint am 23. Oktober 2020 n
Seite
3
Inhaltsverzeichnis
Wer ist hier der Boss | S. 24
Jugend- & Musikzeitschriften | S. 26
Rubriken
22 | Der weiße Hai
3 Editorial | Impressum
Bruce Allgegenwärtig
24 | Sitcoms der 80er Jahre – Serie (Teil 3)
4 Inhaltsverzeichnis
6 Top 5 | Kindheitsidole Mitarbeiter & Prominenz
Poster, Pop & Petting
Wer ist hier der Boss?
26 | Jugend- & Musikzeitschriften
8 News from the past | Altes neu ausgepackt
18 kult!-Shop
34 | Stafette
Die brave Bravo" "
19 kult!-Abo-Bestellschein
36 | Micky Maus
51 kult!-Riesenposter Daliah Lavi & Agnetha Fältskog (Abba)
40 | Utopia in Heftform
64 Kultbücher | Geschätzt, geliebt, gelobt
Eine Insel mit zwei Bergen …
14 | Jim Knopf – 60 Jahre
Als der Wilde Westen noch östlich des Mississippi lag!
46 | Ampeln – Grün • Orange • Rot
16 | Steve McQueen
Als das Radio jung wurde
44 | Tecumseh, Daniel Boone und Davy Crockett
12 | Alltags-Kult
Damals im Party-Keller!
Geschichten aus der Welt von Übermorgen
42 | Sexauer, Laufenberg, Gottschalk und Co.
106 kult!-Preisrätsel
Ein Blick zurück in den Jahrgang 1970
Drei Farben regeln den Verkehr
48 | Pardon
The King Of Cool
20 | Sekt- & Champagner-Reklame
Mit der Wasserpistole gegen den Adenauer-Muff
50 | Werbe-Ikonen – Serie (Teil 9) Der Esso-Tiger
Glanz und Glamour im Glas
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GoodTimes
2/2020
kult!
Agnetha Fältskog | S. 86
Micky Maus | S. 36
59 | TV-Charaktere – Serie (Teil 10)
Al Bundy
60 | Dahinsiechende Traditionsvereine im Fußball
86 | Agnetha Fältskog (Abba-Serie – Teil 1)
Viel mehr als nur die Blonde von Abba" "
88 | Illustrierte Klassiker
Wo sind sie alle hin?
Weltliteratur in Comic-Form
90 | Flipperautomaten
62 | Margaret Rutherford – Miss Marple Tote und Täter zur Tea Time 66 | Valvo-Comic
94 | Die rote Zora und ihre Bande
Wenn es Nacht wird im Labor
68 | Ty Hardin
Der Witwenmacher" "
Der Urahn von Perry Rhodan
Einst und jetzt!
Fliegender Schotte mit Beatles-Frisur
100 | Pillbox-Hüte der 60er Jahre
Der sensible Polterer
Runde Schachteln auf dem Kopf?
102 | Ludwig II.
Willy Brandts Kniefall in Warschau, Gründung der RAF und Auflösung der Beatles
80 | Kino-Bösewichte – Serie (Teil 10)
76 | Das Jahr 1970
Schwarze Zahlen mit der roten Zora" "
98 | Jackie Stewart
74 | Charles Bukowski
Die Stimme der Musik
96 | Die Zack-Helden
72 | Der Luftpirat
Der Zauber der Silberkugel
92 | Peter Urban
Vom Paulus zum Saulus
70 | Kawasaki 750 H2 Mach IV
Königlicher Kult
Ein Schnellrestaurant erobert die Welt
104 | McDonald's
Maximilian Schell
82 | Ein ausgekochtes Schlitzohr
Der Stuntman und sein Superstar GoodTimes
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Seite
5
Kindheitsidole
Bestenliste | Top 5
Petra Czerny
1. James Dean 2. Black Beauty 3. Hansi Müller 4. Halla (Pferd von Hans-Günther Winkler) 5. Winnetou
Michael Klein
1. Huckleberry Finn 2. Prinz Edelhart (Comic-Figur) 3. Der Kommissar (Erik Ode) 4. Jupp Heynckes 5. Chingachgook
Foto: © Dana Barthel
Fabian Leibfried
1. Brian Connolly (The Sweet) 2. Gerd Müller 3. Ron Ely (Tarzan) 4. Suzi Quatro 5. Christian Anders
Matthias Bergert
1. David Hasselhoff 2. Phil Collins 3. Michel aus Lönneberga 4. Pippi Langstrumpf 5. Patrick Pacard
Nicolas von Lettow-Vorbeck 1. Jeff Goldblum 2. Hulk Hogan 3. Dagobert Duck 4. Manfred Krug 5. Scooby-Doo
Kathleen Müller
1. Patrick Swayze 2. Jason Priestley 3. Madonna 4. Chesney Hawkes 5. Richard Dean Anderson
Tobias Künzel Horst Berner
1. Winnetou 2. Old Shatterhand 3. Ivanhoe 4. Tibor, Held des Dschungels 5. Lurchi
1. Carl Palmer (ELP) 2. Manfred Krug 3. Roger Taylor (Queen) 4. Louis de Funès 5. Ottokar Domma
1. Akim 2. Nick der Weltraumfahrer 3. Ivanhoe 4. Mike Nelson (Abenteuer unter Wasser) 5. Old Shatterhand
Kathrin Bonacker
Michael Fuchs-Gamböck 1. Günter Netzer 2. Bilbo Beutlin 3. Udo Lindenberg 4. Momo 5. Francoise Hardy
1. Winnetou 2. Chingachgook 3. Ben Cartwright 4. Audra Barkley (Big Valley) 5. Andy Cayoon (Bessy)
1. Dagobert Duck 2. Silberpfeil 3. Kojak (Telly Savalas) 4. Pippi Langstrumpf 5. Ilja Richter
Susanne Buck
Thorsten Hanisch
Andrea Leibfried
Jörg Palitzsch
1. Old Shatterhand 2. Dolly (Enid Blyton) 3. Nanni (Enid Blyton) 4. Malin (Saltkrokan) 5. Miss Piggy
1. Pierre Massimi 2. Hellmut Lange 3. Paula Tracy (Daktari) 4. Adam Cartwright 5. Don Martin ( MAD"-Cartoonist) "
1. James Bond 2. Tarzan/Tim (TKKG) 3. Batman 4. Rüdiger von Schlotterstein (Der kleine Vampir) 5. Dan Fielding (John Larroquette)
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GoodTimes
Andreas Kötter
Hans-Joachim Neupert
1. Winnetou 2. Old Shatterhand 3. Lassie 4. Das letzte Einhorn 5. Pippi Langstrumpf
2/2020
Markus Nöth
1. Elizabeth Taylor 2. Superman 3. Der Kommissar (Erik Ode) 4. Lassie 5. Lex Barker
Mitarbeiter & Prominenz
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Die Sprechblase
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1. Donald Duck 2. Petar Radenkovic 3. Mücke (Burg Schreckenstein) 4. Hoss Cartwright 5. Freddy Quinn
1. Karl Sternau (Karl May) 2. Allan Simonsen 3. Brian Connolly (The Sweet) 4. Little Joe 5. Captain Kirk
Sven Rachner
Daniel Stroscher
1. Die rote Zora 2. Captain Future 3. Winnetou 4. Pan Tau 5. Pippi Langstrumpf
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1. Sepp Maier 2. Ferdinand Nandl” Wenauer (1. FC Nürnberg) " 3. Wolfgang Paul (Borussia Dortmund) 4. Ben Cartwright 5. Fury
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News
from the past
Bücher & Comics 40 JAHRE NUR VERARSCHT
baut wurden, dass sie regelrecht zu Kuriositäten geworden sind. Der Bildband ist definitiv nicht nur für Trabi-Fans empfehlenswert.
TITANIC – DAS ENDGÜLTIGE TITEL-BUCH
MICHAEL CAINE
2019, Kunstmann ISBN 978-3-95614-330-4 416 Seiten; 40,00 €
2019, Alexander Verlag ISBN 978-3-89581-503-4 314 Seiten; 24,00 €
Von Hardy Burmeier, Leonard Riegel, Martina Werner
Da ist sie wieder, unsere Zonen-Gaby", und " – 25 Jahre später – im Gespann mit Flücht" lings-Joe". Allein an diesen beiden CoverAbbildungen lässt sich schon die Respektlosigkeit der Titanic" ablesen, die wirklich alle " auf die Schippe nimmt, und zwar von rechts (bevorzugt), aber auch von links. Mit der Sammlung aller Cover wird nicht nur Zeitgeschichte lebendig, sondern auch durch Überspitzung, Satire und Ironie auf bestehende Missstände aufmerksam gemacht. Neben den Titelbildern verführen die begleitenden Texte – ähnlich respektlos und manchmal tief unter der Gürtellinie (und das ist auch gut so) – zur Auseinandersetzung mit politischen, sozialen und ökologischen/ökonomischen Verwerfungen, die im Strudel der Jahre allzu schnell verschwunden sind. Vorausgesetzt man hat den richtigen" Humor, wird dieser als Hardcover " erscheinende Band [rotes (!) Lesebändchen)] ein wahrer Brüller sein.
TRABI LOVE
Von Thorsten Elbrigmann 2019, Delius Klasing ISBN 978-3-66711-696-3 208 Seiten; 49,90 €
Entweder man verachtet ihn oder ist ihm total verfallen: Der Trabi, ein Urgestein aus der ehemaligen DDR, hat sich in den Herzen vieler Autofahrer verewigt. Über 30 Jahre nach Produktionseinstellung prägen diese skurrilen Kleinwagen zwar nicht mehr das Straßenbild, sind aber dennoch omnipräsent. Thorsten Elbrigmann lässt in diesem großformatigen Bildband Zeitzeugen und Liebhaber zu Wort kommen. Dabei vermittelt er nicht nur Zeitgeschichte, sondern berichtet von Trabis in New York und Indien, von einer Weltreise, von Scheunenfunden und von geplanten Nachfolgemodellen, die dann verständlicherweise nie gebaut wurden. Dass Udo Lindenberg den wohl letzten ausgelieferten Trabi besitzt und so manche Prominenz noch heute den Trabi hegt und pflegt, ist sicher auch nicht jedem bekannt. Viele Trabi-Besitzer stellen ihre Lieblinge vor, die zum Teil so umge-
DIE VERDAMMTEN TÜREN SPRENGEN – UND ANDERE LEBENSLEKTIONEN
Über ein halbes Jahrhundert im Geschäft, rund 170 Filme im Köchelverzeichnis" – wenn ir" gendjemand Lektionen erteilen darf, dann Michael Caine. Der legendäre britische Schauspieler mit dem unverwechselbaren Aussehen und der prägnanten Stimme blickt in Die verdammten " Türen sprengen – und andere Lebenslektionen" auf uneitle, kluge, trockenhumorige Weise auf seine Karriere zurück, berichtet von den Anfängen in bitterster Armut, von Aufstieg und Fall, und was er bei all dem gelernt hat. Das ist nur zum Teil berufsspezifisch, sondern in vielen Punkten – was zum Beispiel den Umgang mit Mitmenschen betrifft – auch allgemeingültig. Deutlich wird dabei vor allem eins: Caine ist nicht nur ein ungeheuer charismatischer, versierter Schauspieler, sondern schlicht und einfach ein toller Typ, von dem man liebend gern Ratschläge entgegennimmt.
THOMAS GOTTSCHALK
KLEINE ANEKDOTEN AUS DEM LEBEN EINES GROSSEN ENTERTAINERS Von Ulli Wenger
2020, Riva Verlag ISBN 978-3-74231-275-4 120 Seiten; 7,99 €
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GoodTimes
Von Thorsten Elbrigmann und von Nadja Kneissler 2019, Delius Klasing ISBN 978- 3-66711-726-7 / 727-4 112 / 120 Seiten; 29,80 € / 34,90 €
Der Delius Klasing Verlag hat sich mit diesen beiden Boxen etwa Feines ausgedacht. Jede Box beinhaltet nicht nur einen liebenswert gestalteten Bildband, sondern auch ein Modell des jeweiligen Automobils. Beim Käfer ist das ein exklusives Sondermodell im Maßstab 1:38 im schwarzroten Blechkleid. Genau wie der auf dem Buchtitel abgebildete Käfer Typ 113 Export aus dem Jahr 1956. Thorsten Elbrigmann hat für den Bildband Fotos aus der ganzen Welt zusammengetragen. Der Käfer hat nicht nur die deutschen Herzen und die der Europäer erobert, sondern er hat seine Fans auch in den USA, in Indonesien, Ecuador, Neuseeland und vielen weiteren Ländern. Dort ist er zum Teil schon seit Generationen ein Mitglied der Familie. Auch die Landy-Box beinhaltet ein tolles Sammlerstück: einen schwarz-weißen Land Rover Defender 110 aus dem Jahr 2005 – ebenfalls im Maßstab 1:38. Beim Defender handelt es sich um den Weltenbummler schlechthin, und daher ist es nicht verwunderlich, dass in dem Bildband Anhänger aus vielen exotischen Ländern wie zum Beispiel Indien, Kuba und Kenia ihren Land Rover präsentieren. Seine Beliebtheit kennt einfach keine Grenzen. Beide Forever"-Boxen " sind tolle Geschenkideen für Fans dieser Autos – und auch für sich selbst.
HARLEY-DAVIDSON
Thomas Gottschalk wird im Mai 70 Jahre alt! Dass schon zwei Generationen mit dem legendären Showmaster aufgewachsen sind, der zu Beginn seiner Karriere das Radio revolutioniert und in Folge auch frischen Wind in die Fernsehunterhaltung gebracht hat, ist kaum zu glauben. Vor der Kamera versprüht er wie eh und je Witz und Charme, und seine Spontaneität sucht seinesgleichen. Dieses Büchlein zeigt Gottschalk von einer privaten und neuen Seite. Ulli Wenger gibt darin Informationen über Ereignisse preis, die auch hinter den Kulissen stattgefunden haben und bislang eher unbekannt sind. Die erste Liebe, diverse Fettnäpfchen, Erfolge, Rückschläge und viele Emotionen – alles ist vertreten. Die Anek doten sind äußerst interessant und auch sehr amüsant zu lesen und ergeben in Summe eine Kurzbiografie von Deutschlands beliebtestem Entertainer. Seite
KÄFER + LANDY FOREVER
2/2020
Von Darwin Holstrom
2020, Motorbuch Verlag ISBN 978-3-61304-270-4 240 Seiten; 29,90 €
Zum Thema Harley Davidson sind schon zahlreiche Bücher erschienen, die entweder die Technik und die verschiedenen Modelle oder den Kult um den Donnerflitzer darstellen. Darwin Holstrom hat die beiden Themen grundsätzlich gelungen verknüpft, wobei man sich tendenziell eine intensivere Dokumentation der Modelle gewünscht hätte. Dafür entschädigen aber die Fotos aus über 100 Jahren, die die Harley in der Popkultur, beim Kriegseinsatz oder im alltäglichen Leben zeigen. Auch die alten Werbe-Anzeigen und Comic-Cover (Captain America saust auf einer Harley durch die Luft und verpasst einem Rocker einen Fausthieb) tragen zum positiven
Gesamteindruck bei. Tja, wer noch nie einen Ausritt auf einer Harley machte, wird sich jetzt wahrscheinlich dazu berufen fühlen. Kultig.
DEUTSCHE AUTOS 1975–1995
JAHRHUNDERTMANNSCHAFTEN
2019, Motorbuch Verlag ISBN 978-3-61304-162-2 608 Seiten; 49,90 €
Von Matthias Brügelmann 2019, Delius Klasing ISBN 978-3-66711-700-7 224 Seiten; 19,90 €
Jeder Fußballfan sollte sich auch der Fußballgeschichte widmen, denn diese ist spannender, als man denkt. In Kooperation mit Sport Bild" " hat der Delius Klasing Verlag in diesem Bildband die besten Teams der letzten 100 Jahre zusammengetragen und wartet mit spannenden Geschichten um Träume, Tränen und Tore auf. Beginnend mit den 20er Jahren und dem 1. FC Nürnberg wird jede Dekade bis zum Jahr 2019 ausgeleuchtet, die besten Teams werden präsentiert. Neben den Helden von Bern sind vom österreichischen WunderTeam über die goldene Mannschaft Ungarns bis zum weißen und blauen Ballett alle vertreten. Aber auch Clubmannschaften wurden mit aufgenommen. Den krönenden Abschluss bilden die deutschen Weltund Europameister sowie die 18 deutschen Europacup-Sieger. Viele historische Fotos lassen die Vergangenheit gegenwärtig werden und ältere Fan-Generationen in Erinnerungen schwelgen.
BERÜHMTE KINDERBUCHAUTORINNEN UND IHRE HELDINNEN UND HELDEN Von Luise Berg-Ehlers
2019, Elisabeth Sandmann Verlag ISBN 978-3-45836-449-8 160 Seiten; 12,95 €
Ab und zu mal ein Kinderbuch in die Hand nehmen und sich an vergangene Tage erinnern – das ist doch herzerwärmend! Luise BergEhlers erinnert mit diesem geschmackvoll illustrierten Band an die wichtigsten Schriftstellerinnen, die meisten von ihnen weltbekannt, einige längst vergessen. Daddy " Langbein" von Jean Webster ist im deutschen Sprachraum weniger populär, wohingegen die grandiose Frances Hodgson Burnett vor allem mit Der kleine Lord" für Furore sorgte, obwohl " ihr Der geheime Garten" noch mehr Denkanstö" ße und Gefühle vermittelt. Und dann wären da ja noch Enid Blyton mit Fünf Freunde", Astrid " Lindgren und Pippi Langstrumpf", Anna Sewell " mit Black Beauty", aber auch moderne Auto" rinnen wie J.K. Rowling und die Harry Potter"" Serie oder Selma Lagerlöf und Nils Holgers" sons wunderbare Reise mit den Wildgänsen". Wunderschön.
Genres wie z.B. Classics, Music & Culture, Rarities, Fashion und weitere. Darunter wird mit Sicherheit jeder sein eigenes Modell, das er früher trug oder noch heute trägt, wiedererkennen. Ganz nebenbei also eine Zeitreise in die eigene Vergangenheit!
Von Werner Oswald und Eberhard Kittler
Das waren wirklich noch Karossen! Vor vielen, vielen Jahren gab es eine Zeit, in der die deutsche Automobilindus trie nicht durch Skandale auf sich aufmerk" sam" machte, sondern durch kreatives Design und Qualität wie zum Beispiel den unglaublich robusten Mercedes Benz E-Klasse 124, den kultigen Ford Capri (immer noch fetzig) und natürlich den obligatorischen Opel Manta. Der mit über 800 Fotos illustrierte Hardcover-Prachtband dokumentiert die Ära zwischen 1975 und 1995 (und gelegentlich einige Jahre danach) und stellt alle Modelle mit tabellarisch aufgeführten technischen Daten vor. Dazu noch einige erklärende Texte zu den Modellen, und schon werden einige Oldies" ins " Schwärmen geraten. Ja, früher war vielleicht nicht alles besser, aber eine ganze Menge!
THE ADIDAS ARCHIVE
THE FOOTWEAR COLLECTION Von Christian Habermeier und Sebastian Jäger 2020, Taschen Verlag ISBN 978-3-83657-195-1 644 Seiten; 100,00 €
Alle Fans der Kult-Marke mit den drei Streifen erhalten hier einen noch nie publizierten Einblick in das umfangreiche Archiv des Sportartikelherstellers Adidas. Dieser hochwertig aufgemachte, großformatige und schwere Bildband enthüllt auf rund 650 Seiten nicht nur sämtliche AdidasSchuhe, sondern auch eine Geschichte voller Innovationen, Erfolge, Rückschläge und neuer Technologien und Designs. Damit bietet sich die Gelegenheit, die Marke zu verstehen und mehr über die Gründer und ihre Ursprünge, ihre Kultur und ihr Vermächtnis zu erfahren. Über die Produkte hin aus vermittelt das Buch den Leitgedanken, die menschliche Seite der Marke und zeigt, was diese ausmacht und einzigartig macht. In der leergeräumten Waschküche der Eltern von Adi und Rudolf Dassler wurden die ersten Schuhe gefertigt. Das waren neben Fußball- und Laufschuhen auch Schlittschuhe und Bergwanderstiefel. In den 50er Jahren ging es dann im Zeichen des Wirtschaftswunders so richtig voran. Bis ins 20. Jahrhundert sind sämtliche Schuhmodelle in Jahrzehnt-Kapitel eingeteilt und abgebildet. Danach folgt eine weitere Auflistung der SchuhGoodTimes
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9
EINE HOMMAGE AN LEUTNANT BLUEBERRY DAS TRAUMA DER APACHEN
Von Christophe Blain, Yoann Sfar 2020, Egmont Comic Collection ISBN 978-3-77044-103-7 64 Seiten; 15,00 €
Ersonnen von den Comic-Großmeistern JeanMichel Charlier und Jean Giraud, erlebt die Titelfigur bereits seit 1963 mitreißende WildwestAbenteuer. Mike S. Donovan alias Blueberry ist der rebellische (Anti-)Held der wohl bedeutendsten Serie, die das Medium Comic im WesternGenre hervorgebracht hat. Seine Beliebtheit resultiert nicht zuletzt aus seinem raubeinigen Charakter, der ihn eher dazu bringt, sich um seine eigenen Angelegenheiten zu kümmern, anstatt Gerechtigkeit herzustellen. Ungekämmt, unrasiert, ständig pleite, mit breitgeschlagener Nase und zum Ärger aller im Fort schlecht Trompete blasend, zieht er viele Fans auf seine Seite. Nun kehrt die Kult-Figur des franko-belgischen WesternComics endlich zurück! Nach 15 Jahren beleben die Comic-Größen Christophe Blain und Yoann Sfar Leutnant Blueberry wieder. Der erste Band der zweiteiligen Hommage Das Trauma " der Apachen" beginnt düster: Der Anschein des Friedens zwischen den Apachen und den weißen Pionieren wird mit einer grauenhaften Gewalttat an zwei Frauen des Stammes durch eine Gruppe weißer Jugendlicher zerstört. Ein Doppelmord, der die Region durch den Beginn eines neuen Krieges zu entzünden droht. Leutnant Blueberry muss die Täter festnehmen, ehe es zur Eskalation kommt. Schafft er es rechtzeitig?
MOTORLEGENDEN – JAMES BOND Von Siegfried Tesche
2020, Motorbuch Verlag ISBN 978-3-61304-261-2 242 Seiten; 29,90 €
Wer erinnert sich nicht an den Lotus Esprit, mit dem 007 im Streifen Der " Spion, der mich liebte" mal eben auf Tauchstation ging und danach locker über den Strand kutschierte? Oder den Moon Buggy aus Diamantenfieber", mit " dem James Bond durch die Kulissen kurvte? Ja, heiße Schlitten gehören zu jedem BondFilm wie das obligatorische Bond-Girl und die
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from the past
lockeren Sprüche. Siegfried Tesche hat in dem empfehlenswerten Hardcover-Band die zehn kultigsten Autos aufgelistet und erzählt von ihrem Einsatz in den jeweiligen Filmen, illustriert mit zahlreichen raren Fotos und Abbildungen von Memorabilia wie Kinderspielzeug oder alten Plakaten. Darüber hinaus dokumentiert der Autor die Geschichte der einzelnen Darsteller und ihr Verhältnis zu den Karossen, nicht zu vergessen knappe Kapitel zu den Bond-Waffen und Reisen zu den Drehorten. Lobenswert.
DAS GROSSE 11 FREUNDE BUCH Von Philipp Köster
2020, Heyne Hardcore ISBN 978-3-45327-236-1 458 Seiten; 25,00 €
Das Berliner Magazin 11 " Freunde" steht für Spaß am runden Leder und für einen charmant ungezwungenen Zugang zum Thema, bei dem man noch den Fan spürt und nicht einen rein auf Profit ausgerichteten Hofberichterstatter. Nun ist ein Hardcover-Band erschienen, der alle Aspekte des Fußballlebens darstellt und von Spielerporträts über Interviews mit wichtigen Protagonisten bis hin zu Porträts der Fans reicht. Neben dem eindeutigen Schwerpunkt Deutschland ergänzen aber auch einige Abstecher ins Ausland den Reiz der Dokumentation. Gegensätzlich zu gestylten Layouts kommt trotz aller Professionalität immer noch
Gewinner
kult!
Unsere Gewinner der Verlosung aus kult! Nr. 21 – 1/2020 Lösung: Reifezeugnis CD "Mireille Mathieu": Moni Held, Leesten Walter Neher, Ebersbach Emil Meisel, Bad Berneck Hörspiel "Playmobil": Axel Kuhn, Flensburg Rainer Schuran, Sehnde Peter Hennekes, Verden Hörspiel "Jan Tenner": Renate Glasmacher, Oberhausen Reinhold Wimberger, Leonding (Österreich) P. Graupner, Wernigerode Buch "Sein Name ist Tonino Valerii": Bernhard Müller, Aschaffenburg Martha Hartmann, Melle Roland Kohl, Freiberg am Neckar
Herzlichen Glückwunsch!
das Fanzine durch, als das 11 Freunde" startete. " Dadurch entsteht eine Nähe zum Thema, die wieder den Spaß fokussiert und nicht Millionengehälter, fragwürdige Strippenzieherei oder das Abkassieren durch die großen Vereine. Auch für Nicht-Fußball-Fans.
DAS SCIENCE FICTION JAHR 2019 Von Melanie Wylutzki
2020, Hirnkost ISBN 978-3-94738-068-8 576 Seiten; 28,00 €
Das lange Jahre bei Heyne beheimatete Science-Fiction-Jahrbuch hat eine wahre Odyssee hinter sich und landete nun beim Berliner Hirnkost-Verlag. Das ist offensichtlich eine gute Entscheidung gewesen, denn sowohl in der Aufmachung als auch der Qualität der Texte bleibt (fast) alles beim Alten. Neben niveauvollen und klasse geschriebenen Texten ( Biopunk: Gene" tik und die SF", Perry Rhodan und Posthuma" nismus" – liest sich leichter, als der bombastische Titel vermuten lässt) finden sich unendlich viele Rezensionen fiktionaler Werke und von Sachbüchern, die alle belegen, wie lebendig das Genre ist. Dazu noch Specials zu den Themen Comic, Serien, natürlich Film und Listen wichtiger Preise sowie eine Gesamtbibliografie der 2019 publizierten Bücher – und schon ist der Leser rundum aufgeklärt. Doch nicht nur das: Die unterschiedlichsten Themen bieten auch Denkanstöße, Spaß an Spekulationen und Ideen zum Weiterspinnen. Essenziell!
DVDs + Blu-rays ICH WAR NOCH NIEMALS IN NEW YORK Das populäre Lied von Udo Jürgens ist Namensgeber des Jukebox-Musicals, das 2007 in Hamburg Weltpremiere feierte. Auf diesem Musical basiert der gleichnamige Film, der 2019 erfolgreich in den Kinos lief und dort auch die Nicht-Udo-Jürgens-Fans zum Mitsummen animierte. Von Universal Pictures Germany ist nun endlich die DVD/Blu-ray erhältlich. Schon allein das Starensemble mit Heike Makatsch, Moritz Bleibtreu, Katharina Thalbach und Uwe Ochsenknecht verspricht einen absoluten GuteLaune-Film. In pastellfarbenen Bonbontönen gehalten, wimmelt es singend und tanzend auf der Leinwand und verleitet zum Mitschunkeln und Mitklatschen. Die Handlung weicht zwar stark von der Bühnenvorlage ab, hat dadurch aber ihren ganz eigenen Charme bekommen: Lisa Wartberg ist Fernsehmoderatorin und als Zicke verschrien. Als ihre Mutter bei einem Seite
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GoodTimes
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Unfall das Gedächtnis verliert und nur noch den Gedanken an New York im Kopf hat, verschwindet sie aus dem Krankenhaus, um an Bord eines Kreuzfahrtschiffs zu gehen. Dabei folgt ihr Lisa zusammen mit ihrem Maskenbildner, ihrem einzigen Freund. Als blinde Passagiere entlarvt, müssen sie für die Überfahrt arbeiten und begegnen dabei den Männern ihres Lebens. Diese Reise nach New York lässt sie den wahren Sinn des Lebens erkennen und was wirklich wichtig ist. Die größten Lieder von Udo Jürgens begleiten den Film und sorgen dafür, dass dieser so richtig ans Herz geht!
DERRICK
COLLECTOR'S BOX FOLGE 1–15
Keine andere deutsche Fernsehserie war jemals beliebter, über fast drei Jahrzehnte dermaßen erfolgreich und erfreut sich auch heute noch einer riesigen Fangemeinde wie Derrick". Jung " und Alt kennen und lieben den Oberinspektor Stephan Derrick und seinen Assistenten Harry Klein, die gemeinsam in Mordfällen in Münchner Nobelvierteln ermitteln und mit ihrem BMW die Gegend unsicher machen. Der Satz Harry, hol schon mal den Wa" gen" wurde zwar in keiner der insgesamt 281 Folgen jemals benutzt, ist aber trotzdem zum geflügelten Wort geworden. Die Krimiserie mit der bekannten Titelmelodie von Les Humphries verkaufte sich in über 100 Länder, und in den meisten davon ist Horst Tappert seither der bekannteste Deutsche – noch vor der Bundeskanzlerin oder Michael Schumacher. Im Fernsehen ist es schon lange still geworden um das beliebte Ermittlerpaar. Aber dank der Collector’s Box"-Reihe können alle Derrick" Fans die Kriminalfälle ihres Helden komplett und in chronologischer Reihenfolge wiedererleben. Diese erste Derrick-Box enthält fünf DVDs mit den ersten 15 Episoden, die zwischen Oktober 1974 und Dezember 1975 im ZDF erstausgestrahlt wurden. Ein Fest für die ganze Familie!
ANNA – DER FILM
Nach dem sensationellen Erfolg der ZDFWeihnachtsserie aus dem Jahr 1987, die einen regelrechten Balletttanz-Boom auslöste, wurde die Fortsetzung der Story kurze Zeit danach mit Silvia Seidel und Patrick Bach als Anna und Rainer fürs Kino produziert: Zwischen Anna und ihrem gelähmten Freund hat sich eine tiefe Liebe entwickelt. Während des Tanztrainings lernt sie jedoch David kennen, der sich ebenfalls in sie verliebt. Bei Proben in der Münchner Staatsoper fällt Anna dem New Yorker Tanzpapst George Mamoulian auf – der Weg nach New York scheint gesichert. Doch Anna möchte nur mit David tanzen, der von Mamoulian aber lediglich als Trainingspartner akzeptiert wird. Rainer reagiert eifersüchtig auf die enge
STAFFEL 4 + 5
Welch ein Glück, dass das Studio Hamburg nach den ersten drei Staffeln der Kult-Erfolgsserie Neues vom Süderhof" nicht halt gemacht, son" dern konsequent mit der 4. und 5. Staffel die Veröffentlichung der Serie auf DVD vollendet hat. Lange haben Fans darauf gewartet. Wer in den 1990ern Kind war oder in der Pubertät steckte, wird an Neues vom Süderhof" kaum " vorbeigekommen sein. Die Kinder- und Jugendserie, die auf den gleichnamigen Romanvorlagen der Hamburger Autorin Brigitte Blobel basiert, ist nun komplett erhältlich und ein Lichtblick für Groß und Klein. Wie in Staffel 1 bis 3 steht die Familie Brendel, die auf einem nicht mehr bewirtschafteten kleinen Bauernhof in der Lüneburger Heide lebt, im Zentrum. Zu ihr gehören Tierarzt Dr. Günther Brendel, seine Frau Sonia, ihre beiden Töchter Bimbo und Molle, die Großeltern Martha und Heinrich sowie die Kinder von Günthers tödlich verunglücktem Bruder, Peggy, Dany und Ben. Beziehung zwischen Anna und David, schafft es aber, durch seinen beruflichen Erfolg darüber wegzukommen und die Beziehung zu retten. Vor dem Solo-Auftritt Annas verliert David bei einem Balance-Akt das Gleichgewicht und stürzt in den Tod. Völlig verzweifelt ist Anna dazu entschlossen, nie wieder in ihrem Leben Tanzschuhe anzuziehen. Doch Rainer lässt es nicht zu, dass sie alles, wofür sie so hart gearbeitet hat, hinwirft. Letztendlich überzeugt er sie, doch nach New York zu gehen und diese Chance zu nutzen.
Verschiedenes EUROVISION SONG CONTEST 2020
Vom 12. bis 16. Mai hätte der diesjährige Eurovision Song Contest in Rotterdam ausgetragen werden sollen. Open Up" wäre das Motto der " 65. Auflage des Wettbewerbs gewesen – und wieder wäre Peter Urban dabei gewesen. Also der Mann, der seit 1997 den ESC für die ARD während der TV-Live-Übertragung kommentiert. kult! hatte den 72-Jährigen in Hamburg interviewt (siehe S. 92), ehe die Corona-Krise voll ausbrach und die European Broadcasting Union (EBU) den ESC am 18. März absagte. Ich hatte es zwar schon geahnt, aber als die " Absage kam, tat sich ein Riesenloch auf – ich kommentiere den ESC wirklich gern und liebe die knisternde Atmosphäre. Und 2020 wäre ein sehr guter Jahrgang gewesen, auch für Deutschland", sagte Urban kult! nach Bekanntwerden
Teil der Hofgemeinschaft sind zudem viele Tiere. Auch die letzten beiden Staffeln von Neues vom " Süderhof" überzeugen mit sehr unterhaltsamen Geschichten. Es gibt jede Menge neue Abenteuer für die eingeschworene Gemeinschaft, aber auch jede Menge Konflikte mit Klassenkameraden und anderen Mitmenschen stehen auf dem Plan. In Staffel 4 will Molle unbedingt die Hauptrolle im Schulmusical ergattern und hat Ärger mit einem lästigen Verehrer. Ben und Patrick finden eine Schatzkarte auf dem Dachboden. Peggy tritt in die Freiwillige Feuerwehr ein und erlebt zusammen mit Bimbo und ihren geliebten Pferden so einiges. Dany findet die große Liebe in Kiyo, einer Klassenkameradin von Peggy. Aber auch die Großeltern kommen nicht zur Ruhe. Opa Heinrich geht einem mysteriösen Katzensammler auf den Leim, und Oma Marthas Lieblingshuhn
wird von einem Bogenschützen gemeuchelt. Nach all diesen Ereignissen, die noch frisch im Hinterkopf gespeichert sind, geht es ohne Verschnaufpause in die 5. Staffel. Bimbo ist als Austauschschülerin in die USA geflogen, und Lili Bents verstärkt nun die lebhafte Truppe auf dem Süderhof. Auch sie erlebt hier vielerlei und verliebt sich zuletzt in einen Jungen mit nicht ganz einwandfreiem Ruf. Sowieso steht die Liebe in dieser Staffel ziemlich im Vordergrund. Dany lernt die Eifersucht um seine Kiyo kennen, Molle schwärmt penetrant für ein Mitglied einer Boygroup, Peggy begeistert sich für Robin, einen engagierten Tierschützer, und zum krönenden Abschluss gesteht Mutter Sonia, dass sie Zwillinge erwartet – was allen die Sprache verschlägt. Gerne hätte man noch mehr Folgen von der Süderhof-Bande gesehen, aber wie heißt es doch: Man soll aufhören, wenn " es am schönsten ist." Zum Trost gibt es als Bonus Wie war's ... damals auf dem Süderhof?" Ein " Besuch am Drehort.
der Entscheidung. Und er meldete sich unmittelbar vor Redaktionsschluss dieser Ausgabe noch einmal mit folgender Information: Am " 16. Mai bin ich aber dennoch in der ARD zu hören, es gibt eine Ersatzsendung der EBU aus Holland, die ich kommentiere: ‚Europe, Shine A Light’!"
Spedding Gitarre spielte. Und dann wären da ja auch noch Künstlerinnen wie die Geigerin Vanessa-Mae oder Sängerin Katie Melua, deren Karrieren Batt wesentlich mit aufbaute. „All diese nicht ganz so bekannten Seiten meines Schaffens sind auf der zweiten CD von THE PENULTIMATE COLLECTION dokumentiert, während die erste die Hits enthält", erläutert der Musiker.
CDs
GORDON LIGHTFOOT
MIKE BATT
THE PENULTIMATE COLLECTION
‚Best Of’-Scheiben gibt es ja schon mehrere " von mir, vor allem mit den Aufnahmen aus den Zeiten bei Sony Music, aber THE PENULTIMATE COLLECTION ist wirklich die erste Werkschau, die über die Sony-Jahre hinaus reicht, Label übergreifend alle Facetten meines Schaffens enthält." Sagt Mike Batt, der unter eigenem Namen so erfolgreiche Hits wie "Ride To Agadir", "Summertime City", "Lady Of The Dawn", "The Winds Of Change" landete, aber "Bright Eyes" für Art Garfunkel, "Run Like The Wind" für Roger Chapman oder "Feels Like Buddy Holly" für Alvin Stardust schrieb. Orchesterarbeiten, Musicals (Batt schrieb den Titelsong für „Phantom Of The Opera" mit Andrew Lloyd-Webber), TV-Musiken (u.a. die Titelmelodie für „Wetten, dass ...?") waren weitere Betätigungsfelder des heute 71-Jährigen. Und dann wären da ja noch die Wombles, die in der ersten Hälfte der 70er Jahre die gleichnamige BBC-Serie von Puppentrickfilmen musikalisch illustrierten – Batt war der musikalische Kopf und schuf hier seine ersten Hits, bei denen Chris GoodTimes
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© NDR/Studio Hamburg Enterprises
NEUES VOM SÜDERHOF
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SOLO
16 Jahre hat der kanadische Troubadour Gordon Lightfoot seine Fans auf ein neues StudioAlbum warten lassen. Das gibt es jetzt in Gestalt von SOLO. Dabei handelt es sich mit Ausnahme einer ganz frischen Neukreation um Songs, die der singende Gitarrist um die Jahrtausendwende geschrieben und als Demo aufgenommen hatte. Dann bekam ich gesundheitliche Probleme, " die mich zweieinhalb Jahre ausbremsten", blickt der heute 81-Jährige zurück. Er lag länger im Koma, kämpfte im wahrsten Sinne des Wortes um sein Leben. Kein Wunder, dass die Songs nach der Genesung angesichts reichlich LiveAktivitäten sowie des 2004 kurzfristig eingeschobenen Albums HARMONY in Vergessenheit gerieten. Bis ihm vor zwei Jahren die Aufnahmebänder zufällig wieder in die Hände gerieten. „Ich habe überlegt, ob ich sie um weitere Instrumente ergänze, hier und da orchestriere – am Ende habe ich mich aber entschlossen, sie so zu belassen, wie ich sie ursprünglich eingespielt hatte." Womit er qualitativ nahtlos an seine Klassiker "Sundown", "If You Could Read My Mind" oder "The Wreck Of The Edmund Fitzgerald" anschließt.
Alltags-Kult
So feierte man in den 60ern und 70ern Von Daniel Stroscher
Fotos: Privatarchiv Daniel Stroscher
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Damals im Party Party -Kelle Kellerr !
arty-Time" – auch in den 60er und 70er Jahren wollte man hin und wieder ausbrechen aus „ dem Einerlei des Alltags und fand gern und oft einen Anlass, im Kreis netter Menschen unbekümmert zu tanzen, zu lachen, zu spielen, zu essen und zu trinken. Da es weder PC noch Handy gab, traf man sich häufiger mit Freunden, Bekannten und Verwandten. Während wir heute gern auswärts feiern, war die damals typische Location der legendäre Party-Keller – hier konnte man „dufte" Feten steigen lassen, „schmissige" Platten auflegen und einen prickelndheiteren Abend voller Überraschungen erleben. Es wurde ausgelassen getanzt, geplaudert, geflirtet, gegessen, getrunken und oftmals auch gespielt. Stimmungsvoll dekoriert und aufgepeppt mit den seinerzeit zur Verfügung stehenden Mitteln, ließ man es im Keller der Eltern oder auch in der eigenen Bude richtig krachen. Gern traf man sich zum Fondue-Essen, machte Spiele-Abende oder feierte Partys aller Art – die Bottle-Party, zu der jeder Gast eine oder mehrere Flaschen alkoholische Getränke beisteuerte, die Teenager-Party, oftmals die erste eigene und deshalb nicht selten von Lampenfieber bei dem/der Gastgeber/in begleitete, oder die Stehblues-Party, bei der zu schmusigen Popballaden und abgedunkelter Beleuchtung eine prickelnd-intime Atmosphäre geschaffen wurde. So hatten diejenigen, die sich gerade erst kennengelernt hatten, die Gelegenheit, sich körperlich näher zu kommen und so die damals noch allgemein vorhandene spießige Verklemmtheit zu überwinden. Aber auch zu Beat und Schlagern durfte ausgelassen und stimmungsvoll getanzt werden. Zur Errichtung einer Tanzfläche entfernte man nicht selten die Möbel aus dem Raum und platzierte Matratzen entlang der Wände, die als Sitzf lächen dienten. Als Deko durfte eine Discokugel oder eine Lichtorgel ebenso wenig fehlen wie bunte Lichterketten, Girlanden und Luft Seite
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ballons sowie Tropfkerzen, welche auf leere Getränkeflaschen gesteckt wurden. Zum Knabbern standen kleine Schälchen mit Salzstangen, Erdnussflips und Crackern bereit, und am „kalten Buffet" wurden Mett- und KäseIgel, belegte Brote, selbst gemachte Salate, gefüllte Eier, Frikadellen sowie Schinkenröllchen serviert. Neben Cola, Fanta und Bier trank man gerne Eierlikör, Persico oder Bowle. Der Teewagen wurde zur Hausbar umfunktioniert, fürs Mixen von Cocktails und Long-Drinks. Zum feuchtfröhlichen Beisammensein gehörten neben Tanz und Beköstigung auch Spiele, welche dem geselligen Treiben die besondere, nicht selten auch erotisch- prickelnde Stimmung verliehen. Der Klassiker unter ihnen war Flaschendrehen: In der Mitte der im Kreis sitzenden Teilnehmer wurde eine leere Flasche schwungvoll gedreht, und derjenige, auf den der Flaschenkopf nach dem Stehenbleiben gerichtet war, musste eine zuvor festgelegte Aufgabe ausführen – das konnte die Beantwortung einer brisanten Frage sein, die Verpflichtung, jemanden der Anwesenden zu küssen oder sogar ein Kleidungsstück auszuziehen. Bei Kindern und Erwachsenen gleichsam beliebt war das Tanzspiel „Die Reise nach Jerusalem". Hier wurden Stühle – einer weniger, als Spieler vorhanden sind – im Kreis aufgestellt. Während die Musik lief, wanderten die Spieler um die Stühle herum – sobald die Musik plötzlich verstummte, versuchte jeder, sich schnellstens auf einen der Stühle zu setzen. Derjenige, der keinen erwischte, schied aus. Für besonders ausdauernde Gäste, die bis in die frühen Morgenstunden blieben, war es ratsam, nach langem feucht-fröhlichen Feiern ein Katerfrühstück bereitzustellen: salzige Rollmöpse, saure Gurken oder ein Heringsalat, dazu ein starker Kaffee, allesamt die perfekten Fitmacher, denn – die nächste Party kam bestimmt!
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PINK FLOYD
PINK FLOYD Grosses ///
Interview
mit
Nick
Mason
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Von Thorsten Schatz
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1960 erschien die Erstausgabe von Michael Endes Jim Knopf " und Lukas der Lokomotivführer", 1962 folgte Jim Knopf und " die Wilde 13". Beide Bücher wurden Welterfolge und bezauberten Generationen von Kindern. Aus Anlass des 60-jährigen Jubiläums blickt kult! zurück auf die Entstehung und den Werdegang dieser Klassiker der Kinderliteratur, die neben der faszinierenden Geschichte auch wichtige Botschaften vermitteln.
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igentlich wollte Michael Ende (1929–1995) nur einen kurzen Text für Illustrationen eines befreundeten Künstlers schreiben. Doch daraus wurde zwischen 1956 und 1958 ein Kinderbuch mit 500 Seiten. Das bot Ende gut einem Dutzend Verlagen an, die alle abwinkten, weil der Text zu lang war. Doch dann erkannte die Verlegerin Lotte Weidbrecht, die damalige Leiterin des Thienemann Verlages, die Qualität der Geschichte. Sie überzeugte Ende, sie in zwei Bücher aufzuteilen, und so entstand als Teil 1 „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer". Der handelt von einem schwarzen Waisenjungen, der als Baby in einem Paket versehentlich auf der kleinen Insel Lummerland ankommt. Er wird Jim Knopf genannt, wächst dort auf, muss die Insel aber mit 14 Jahren verlassen, weil sie für alle Bewohner zu klein wird. Zusammen mit seinem besten Freund Lukas, dem Lokomotivführer, und Lokomotive Emma macht er sich auf eine abenteuerliche Reise. Im fernen Mandala freunden sie sich mit dem Scheinriesen Tur Tur und dem Halbdrachen Nepomuk an und helfen dem dorSeite
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tigen Kaiser, seine Tochter Li Si und viele festgehaltene Kinder aus den Fängen des Ober-Drachens Frau Mahlzahn, die in Kummerland mit anderen Drachen und der Piratenbande „Wilde 13" herrscht, zu befreien. Daraufhin verwandelt sich Frau Mahlzahn in einen weisen Drachen und weist ihnen den Weg zu einer kleinen schwimmenden Insel, die zu Neu-Lummerland wird und ihr Platzproblem löst. Jim und Li Si verloben sich. Emma bekommt als Kind die Lokomotive Molly, deren Lokomotivführer Jim wird. An dieses Ende schließt die Handlung von „Jim Knopf und die Wilde 13" an: Neu-Lummerland braucht einen Leuchtturm, damit kein Schiff dagegenstößt. Daher reisen Jim und Lukas mit Emma und Molly und holen den Scheinriesen Tur Tur als geeigneten Leuchtturmwärter. Dabei erleben sie fantastische Abenteuer. So reparieren sie für magische Meerwesen das Meeresleuchten. Doch das aktiviert Magnetfelsen, was Schiffe anzieht, die an ihnen zerschellen. Daher bleibt Molly als Wärterin dort, um das Leuchten notfalls zu deaktivieren, während Lukas, Jim und Emma Tur Tur holen und auch Nepomuk, der der Wärter der Magnetfelsen wird. Als sie dort ankommen, ist Molly verschwunden. Sie suchen nach ihr unter Wasser, werden wegen Luftknappheit ohnmächtig und erwachen auf Lummerland. Dort erfahren die Abenteurer, dass die „Wilde 13" Molly versehentlich als Lohn bekommen hat. Also reisen Lukas und Jim nach Mandala zur
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„Wilden 13", um sie zu befreien. In einer Seeschlacht werden sie von den Piraten besiegt. Jim versteckt sich auf deren Schiff. Er überlistet sie und erfährt, dass sie ihn als Baby aus dem Meer retteten, auf dem er in einem Körbchen trieb, und an Frau Mahlzahn schicken wollten – und dass er der Prinz Myrrhen von Jamballa ist, einer versunkenen Insel, deren Spitze Neu-Lummerland bildet. Die erhebt sich aus dem Meer und wird in Jimballa umbenannt. Jim regiert fortan auf ihr als Prinz Myrrhen mit Li Si, die er heiratet. Schließlich finden die Meerwesen Molly im Ozean und verwandeln ihr Eisen in unzerstörbares Glas.
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Jim Knopf" wird zum Welterfolg
„Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer" erschien 1960 im Thienemann Verlag, illustriert von Franz Josef Tripp (der später u.a. auch „Räuber Hotzenplotz" von Otfried Preußler bebilderte). Er schuf den Charakteren und Szenerien genau entsprechende, kindgerechte Bilder, die auch in heutigen Editionen zu finden sind, obwohl seit 1983 auch andere Zeichner Neuausgaben illustrierten. Schnell entwickelte sich das Buch zu einem Bestseller und erhielt 1961 den Deutschen Jugendbuchpreis. 1962 kam es auf die Ehrenliste des „Hans Christian Andersen Preises", dem heimlichen Nobelpreis der Kinderliteratur, der eine internationale Würdigung ist, zumal der erste „Jim Knopf"-Roman wie auch 1962 der Nachfolger „Jim Knopf und die Wilde 13", der ebenfalls bei Thienemann erschien, weltweit erfolgreich waren. Beide Bücher verkauften sich über fünf Millionen Mal und wurden in 33 Sprachen übersetzt, was Michael Ende den Durchbruch brachte, der mit weiteren Bestsellern (u.a. „Momo" [1973], „Die unendliche Geschichte" [1979]) zu einem der angesehensten deutschen Kinderund Jugendbuchautoren avancierte. Im deutschsprachigen Raum zählen die „Jim Knopf"-Romane zu den erfolgreichsten Kinderbüchern. Allein in Deutschland verkauften sie sich über drei Millionen Mal. Ihre Popularität hierzulande beförderte besonders das Marionettentheater der Augsburger Puppenkiste mit für das Fernsehen produzierten Adaptionen beider Bücher (Regie: Manfred Jenning). 1961 wurde der erste, 1962 der zweite Teil ausgestrahlt, beide in Schwarzweiß (fünf Folgen pro Roman, 28 bis 35 Minuten Episodenlänge). 1976 und 1977 verfilmte die Augsburger Puppenkiste die Bücher für das Fernsehen neu, diesmal in Farbe (Regie: Manfred Jenning, vier Folgen pro Roman, ca. 30 Minuten Episodenlänge). Die Farbversion gewann ein großes neues junges Publikum, wie auch eine 1999 von der ARD mitproduzierte deutsch-französische Zeichentrickfassung in 52 Folgen, die regelmäßig in der ARD wiederholt wurde. In anderen Medien war „Jim Knopf" ebenfalls präsent, etwa in Hörspielen und zwei MusicalFassungen: zuerst 1970 auf Schweizerdeutsch als „Jim Knopf und Lukas de Lokiführer" (Autor: Jörg Schneider, Musik: Emil Moser), dann in einer hochdeutschen Version beider Teile (1999/2000, Autor: GoodTimes
Christian Berg, Musik: Konstantin Wecker). Darin kam auch das 1961 aufgenommene Originaltitellied der TV-Reihe der Augsburger Puppenkiste vor: "Eine Insel mit zwei Bergen", auch "Lummerland-Lied" genannt (Musik: Hermann Amann/Text: Manfred Jenning). Der Dancefloor-Act Dolls United machte aus dem Ohrwurm 1995 eine Eurodance-Nummer, die Platz 2 der deutschen Charts erreichte. Auch die Bücher erlebten beständig Neuauflagen. Dazu kamen seit 2015 zudem Bilderbücher nach „Jim Knopf"-Motiven mit neuen Geschichten, „Jim Knopf"-Sachbücher zu Themen wie Lokomotiven oder Vulkane und die Originalgeschichten als Bilderbuch heraus. 2004 veröffentlichte der Hessische Rundfunk die beliebte „Jim Knopf"-TV-Serie der Augsburger Puppenkiste aus den 1970er Jahren als DVDs. Schnell waren über 600.000 Stück verkauft, wahrscheinlich vor allem an die erwachsenen Fans von früher, da die damalige Puppen-Inszenierung Kindern von heute zu langweilig, zu behäbig erscheint, weil sich die Sehgewohnheiten geändert haben. Daher läuft die Originalserie nur sehr selten auf dem Kinderkanal KiKa, wo die schneller geschnittene, moderne Zeichentrickfassung deutlich bessere Quoten schafft.
Besondere Botschaften Ob als Buch, Hörspiel oder im TV: „Jim Knopf" fasziniert immer neue Kindergenerationen, und das bis heute, wie es die erfolgreiche Realfilm-Kinofassung des ersten Romans 2018 bewies, die 1,5 Millionen Zuschauer hatte. Der Grund für die anhaltende Beliebtheit ist die Mischung der Geschichten aus Märchen und Abenteuer, die äußerst fantasievoll, spannend und spielerisch erzählt werden. Darüber hinaus vermitteln die Romane eine tiefergehende Botschaft, wie die Journalistin Julia Voss 2018 in ihrem Buch „Darwins Jim Knopf" erläuterte. Sie schreibt, dass Michael Ende, der in der NS-Zeit Schüler war und kurz vor Ende des Zweiten Weltkrieges desertierte und in den Widerstand ging, in „Jim Knopf" einen Gegenentwurf zur rassistischen Ideologie der Nazis darstellt. So heißt es u.a. auf dem Schild am Eingang zu „Kummerland": „Der Eintritt ist nicht reinrassigen Drachen bei Todesstrafe verboten." Die bösartigen „reinrassigen" Drachen lässt Ende untergehen, den Mischlingsdrachen Nepomuk glücklich werden und Menschen und Tiere auf Jimballa friedlich zusammenleben, ohne dass ihre Herkunft eine Bedeutung hätte. Und so scheint Michael Ende selbst zu sprechen, wenn er Tur Tur in Teil 1 über Jim sagen lässt: „Warum soll man nicht schwarz sein? Aber so denken leider die meisten Leute nicht. Wenn sie selber zum Beispiel weiß sind, dann sind sie überzeugt, nur ihre Farbe wäre richtig, und haben etwas dagegen, wenn jemand schwarz ist. So unvernünftig sind die Menschen bedauerlicherweise oft." Ende ging es offenbar darum, eine Botschaft der Toleranz und Friedfertigkeit zu vermitteln. Dazu kommt, dass Tur Tur, Nepomuk, Jim und alle anderen Figuren ihren Platz, ihre Aufgabe im Leben finden, wie das jeder schaffen kann. Und auch das ist eine der nicht nur für Kinder wichtigen Botschaften in „Jim Knopf", die beide Bücher neben der erzählerischen Qualität zu einer lohnenden Lektüre machen – früher, heute und für weitere 60 Jahre. 2/2020
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Steve McQueen Von Alan Tepper
THE KING OF COOL D
er am 24. März 1930 in Beech Grove, Indiana, unter dem Namen Terence Stephen McQueen geborene Schauspieler gehörte zu den wenigen Charakterköpfen in einem Geschäft, in dem viele Kollegen den Verlockungen des leicht verdienten Geldes allzu schnell erlagen. Er stritt sich mit Regisseuren, bot Produzenten die Stirn und pochte auf künstlerische Selbstverwirklichung – ein rebellisches Verhalten, dessen Wurzeln in seiner Kindheit lagen. Sein Vater, ein Kunstflieger, verließ McQueens Mutter Julia Ann noch vor der Geburt des gemeinsamen Sohnes. Unfähig, den Erfordernissen der Mutterschaft und den durch die erste schwere Wirtschaftskrise ausgelösten Problemen gerecht zu werden, gab sie Steve in die Obhut ihrer Eltern, die eine Farm in Slater, Missouri, bewirtschafteten. Hier erlebte der Junge Geborgenheit und Fürsorge. Im Alter von acht Jahren holte die frisch vermählte Julia Ann den Sohn dann wieder zu sich, doch die Beziehung zu seinem Stiefvater verwandelte sich schnell in einen Horrortrip, da dieser ihn ständig verprügelte. Steve verübte Kleinverbrechen, woraufhin die Mutter ihren Sohn wieder zu den Großeltern schickte – und ihn mit zwölf Jahren erneut zu sich und Mann Nummer drei holte. Allerdings glich die familiäre Situation der Hölle auf Erden, denn der Stiefvater schlug seine Mutter und ihn fast täglich – mit der geballten Faust. McQueen schloss sich daraufhin Straßengangs an, bis man ihn in die California Junior Boys Republic brachte, eine Schule für schwer erziehbare Kinder und Jugendliche. Die strenge, aber dennoch einfühlsame Führung vermittelte dem orientierungslosen Teenager, der nach eigener Aussage aus einer Welt der rohen Gewalt kam, einen Leitfaden, woraufhin er ein positiveres Selbstwertgefühl aufbauen konnte. Bis zum Ende seines Lebens unterstützte der karitativ eingestellte Schauspieler die Schule, um anderen Heranwachsenden ebenfalls eine Chance zu bieten. Seite
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1974 war Steve McQueen der am besten bezahlte Schauspieler der Welt, obwohl er dem Filmgeschäft partiell schon den Rücken gekehrt hatte. Sein genereller Stil, die unverkennbare Lässigkeit, das Draufgängertum und die geradezu magnetische Anziehungskraft auf Frauen begeisterten die Kinogänger. Doch wie so oft in seinem Leben brach er mit Konventionen, verweigerte sich den Erwartungshaltungen und verbrachte die letzten Jahre seines Lebens eher zurückgezogen.
Mit 16 verließ er das Institut und führte ein unstetes Leben als Türsteher in einem Bordell, Hilfsarbeiter und Holzfäller. Halt versprach sich McQueen vom Militärdienst beim United States Marine Corps, doch auch hier zeigte sich sein aufsässiger und rebellischer Charakter. Von 1947 bis 1950 wurde er siebenmal befördert und wieder degradiert. Statt seinen Dienstpflichten nachzugehen, entfernte er sich sogar einmal von der Truppe und vergnügte sich zwei Wochen mit einer Freundin, was man mit mehr als 30 Tagen im Bau „belohnte". Dennoch wurde McQueen ehrenhaft entlassen, da er bei einem Manöver in der Arktis unter höchster Gefahr fünf Kameraden das Leben gerettet hatte. Durch eine neue Freundin ermutigt, die sein Potenzial augenblicklich erkannte, nahm der mittlerweile schon 22-Jährige Schauspielunterricht an der Neighborhood Playhouse School Of The Theatre und sicherte sich gleichzeitig die Unterstützung anderer Lehrer. Um das Armee-Stipendium aufzubessern, fuhr er in seiner Freizeit erfolgreich Motorrad- und Autorennen, eine Leidenschaft, die ihn sein ganzes Leben lang begleiten sollte und ihm das Image eines Draufgängers einbrachte. Nach einigen winzigen Rollen durfte McQueen schließlich in „Die Hölle ist in mir" 1956 an der Seite von Paul Newman auftreten. Doch auf den mittlerweile in Kalifornien lebenden und mit Neile Adams verheirateten Darsteller (Tochter Terry Leslie, geboren 1959, und Sohn Chad, geboren 1960, gingen aus der Ehe hervor) wartete schon die nächste Rolle. Sie „lauerte" geradezu in dem schrägen B-Movie-Kult-Streifen „Blob – Schrecken ohne Namen" (1958), der Story eines riesigen, alles auffressenden Schleimbergs, der sich durch die Gegend wälzt. Das brachte zwar nicht das große Geld, machte ihn aber zum Liebling des Teenager-Publikums, das Filme wie „Die Dämonischen" („Invasion Of The Body Snatchers", 1956) oder „Tarantula" (1955) geradezu verschlang. Der lakonische Kommentar des Mimen: „Die schauspielerische Herausforderung bestand darin, mit
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Gene Hackman (übrigens: aufgerissenen Augen herDer klapperige Donnerhobel umzulaufen und zu schreiwurde im Januar 2020 en: ‚Hey Leute, nehmt euch für sage und schreibe vor dem Blob in Acht.'" 3,74 Millionen Dollar verDen endgültigen Durchbruch steigert). Seine Rolle als – und zwar im Fernsehen – Autonarr konnte der immer gelang McQueen mit den präsente Schauspieler auch über 90 Folgen von „Josh: in „Le Mans" (1970) ausleDer Kopfgeldjäger" (1958– ben, der aber aufgrund sei1961). Hier etablierte sich ner Eindimensionalität zum der Sportschütze als knallJosh: Der Kopfgeldjäger" Die glorreichen Sieben" Flop geriet. harter Bursche mit großem " " Danach wechselte McQueen erneut die Seiten und spielte mit der hochatHerzen. Diesen Ruf untermauerte auch einer der größten Western aller traktiven Ali McGraw in „Getaway" (1972) einen Kriminellen auf der Flucht. Zeiten, „Die glorreichen Sieben" (1960), eine Adaption von Akira Kurosawas Die expliziten Gewaltdarstellungen des Meisterregisseurs Sam Peckinpah, „Die sieben Samurai" (1954). McQueen spielte nicht nur an der Seite von die als Gegenpol zur fragilen Beziehung von Carter McCoy (McQueen) und unter anderem Yul Brunner, Horst Buchholz und Charles Bronson, sondessen Frau Carol (Ali McGraw) ihre Wirkung entfaldern ließ bei seinem Spiel die bislang klare Trennung ten, machten das Werk zu einem Kinoklassiker. Neben zwischen Gut und Böse verschwimmen. Trotz aller aufflammenden Gewehr- und Pistolenläufen sprang Qualitäten des Streifens plagte den Darsteller erneut noch ein ganz anderer Funke über, denn McQueen seine tief in ihm verwurzelte Unsicherheit: „Ich könnte verliebte sich unsterblich in Ali McGraw. mich umbringen, wenn ich meine Filme sehen muss 1972 ließ er sich von Neile Adams scheiden, und [...] Jedesmal denke ich: ‚Mann, das Ding wird an der schon ein Jahr darauf heiratete er „die Liebe meines Kasse floppen ...'" Lebens". Die Beziehung hielt zwar nur fünf Jahre, Eine Niederlage musste er dann allerdings einstecken, stellte aber eine der intensivsten und erfülltesten und zwar anlässlich des eher albern wirkenden Films Phasen im Leben des Schauspielers dar. Es ist „Die Heiratsmaschine" (1961). Doch danach ging es sicherlich kein Zufall, dass er während dieser Zeit wieder steil nach oben. Die tatsächlichen Schrecken zwei seiner populärsten Filme drehte. Dabei half des Zweiten Weltkriegs waren für das amerikanische ihm natürlich seine Top-Kondition, denn McQueen Kinopublikum schon in weite Ferne gerückt, woraufwar ein leidenschaftlicher Bodybuilder, was man hin das Sujet des Kriegsdramas populär wurde. Nach zuerst nicht vermuten mag, denn er forcierte den „Die ins Gras beißen" (1962) und „Wir sind alle verMuskelaufbau eines Schwimmers und nicht den eines dammt" (1962) kam 1963 „Gesprengte Ketten" in die „Strand-Macker-Protzes". Und Ausdauer benötigte Lichtspielhäuser, ein auch in Deutschland bekanntes er besonders für den Klassiker „Papillon" (1973) Werk, das die Flucht von Kriegsgefangenen aus Thomas Crown ist nicht zu fassen" mit Dustin Hoffman, der Geschichte von zwei einem Inhaftierungslager darstellt. Statt vordergrün" Strafgefangenen, die sich aus ihrer menschenunwürdigen Lage befreien diger Action stand hier eine ausgearbeitete Charakterdarstellung im wollen. Ein Kassenschlager war auch der Katastrophenfilm „Flammendes Fokus, ausgenommen eine Szene, in der ein Stuntman mit einer Triumph Inferno" (1974) mit unter anderem Paul Newman. einen Sprung über 18 Meter hinlegt. McQueen wollte die Sequenz natürDoch danach zog sich McQueen aus der Öffentlichkeit lich selbst spielen, was man ihm aber aus versichezurück und drehte nur noch selten. Das schien seirungstechnischen Gründen untersagte. nen Marktwert aber nur noch zu erhöhen, denn Nach „Cincinnati Kid" mit „Knollennase" Karl Malden man bot ihm Rollen in künftigen Blockbustern an (1965), dem Western „Nevada Smith" (1966) und wie „Unheimliche Begegnung der dritten Art" und dem weiteren Kriegsfilm „Kanonenboot am Yangtsesogar „Apocalypse Now". Nach der Scheidung von Ali Kiang" (1966) kam der Film „Thomas Crown ist nicht McGraw und der neuen und intensiven Beziehung zu zu fassen" (1968) in die Kinos. Er brachte ihm den Barbara Minty, die er 1977 kennenlernte und 1980 Titel „The King Of Cool" ein. War McQueen bislang heiratete, schien er allerdings seinen inneren Frieden auf die Rolle des raubeinigen Kämpfers geradezu Getaway" gefunden zu haben. Er verbrachte die meiste Zeit abonniert, spielte er mit der wunderschönen Faye " auf seiner Ranch, fuhr mit nacktem Oberkörper auf einer Enduro in die Dunaway an seiner Seite einen Gentleman-Ganoven, der sich die Zeit Wüste, flog mit einem Doppeldecker über sein Anwesen, lud Freunde zum mit einem Bankraub vertreibt. Besonders der unterschwellige Touch von
© Pressefotos
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Gesprengte Ketten"
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Flammendes Inferno"
James Bond, knisternde Erotik und eine perfekte Garderobe machten den Reiz des Kult-Streifens aus. Ein Jahr später saß er wieder in einem heißen Schlitten – einem Mustang Fastback – und jagte bei dem Streifen „Bullitt" einen Ganoven durch die Straßen von San Francisco. Nicht nur war es die bisher längste Auto-Verfolgungsjagd der Kinogeschichte, sondern auch gleichzeitig die Steilvorlage für den 1971 veröffentlichten Film „French Connection" mit GoodTimes
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Bullit"
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Le Mans"
gemeinsamen Jazzhören ein oder machte Ausflüge in seinem Wohnmobil. 1978 begann der Kettenraucher und Kiffer (ein Joint am Tag war die Regel), einen permanenten Husten zu entwickeln. Ende 1979 erhielt er die niederschmetternde Diagnose des unheilbaren malignen Mesothelioms, einer Ausprägung von Lungenkrebs, der schon Metastasen gebildet hatte. McQueen verstarb am 7. November 1980. Was bleibt, sind seine immer noch packenden Filme und die Erinnerung an einen wahren Charakterkopf. 2/2020
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Sekt& ChampagnerReklame
Glanz und Glamour im Glas Von Kathrin Bonacker
Es ist ja schon lange Sitte, bei freudigen Anlässen mit Sekt oder Champagner anzustoßen. Die feierlichen Worte „Ich erhebe mein Glas ..." werden meistens von einer großen Geste mit erhobenem Schaumweinkelch begleitet, und die Werbebilder für diese Art Getränke zeigen in der Regel eine festliche Szenerie mit strahlenden Menschen. Aber Sekt, Champagner oder – wie es in der ZaubererWelt der Potter-Filme so treffend heißt – „Giggel-Wasser" macht auch fröhlich und locker, und ist somit die perfekte Begleitung bei der ... Verführung.
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er verwöhnte Gaumen eines Kaviargenießers kennt die Details sicher gut: Sowohl Sekt als auch Champagner sind Schaumweine. Vom Wein unterscheiden sie sich durch ihre prickelnde Konsistenz, die perlende Kohlensäure, die zunächst Druck in der Flasche und nach dem ploppenden Öffnen das ersehnte Schäumen erzeugt. Traditioneller Sekt findet sich in Frankreich als „Crémant", in Spanien als „Cava", in Russland und der Ukraine als „Igristoje" oder in Italien als „Spumante" im Regal (der heute so beliebte „Prosecco" ist eine erst seit 2009 geschützte Marke italienischen Schaumweins). „Champagner" dagegen heißen nur Schaumweine, die in der französischen Landschaft Champagne nach einem bestimmten Gärverfahren hergestellt werden. So ist der Champagner eigentlich zwar auch ein Sekt, gilt aber wegen der strengen markenrechtlichen Limitierung als kostbarer und ist daher in der Regel entsprechend teurer. Angestoßen wird mit Sekt oder Champagner Seite
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auf einen neuen Job oder Geschäftsabschlüsse, natürlich auf das neue Jahr, die Hochzeit oder einen Geburtstag. Eine gesellige Runde bekommt gefüllte Gläser serviert, an eines wird zart geklopft, bis Stille eintritt, ein Trinkspruch benennt das Objekt des Feierns, und alle erheben ihren Sektkelch auf dessen Wohl und trinken erst dann den ersten Schluck. Schiffstaufen wurden schon früh mit zerschellenden Flaschen zelebriert, und inzwischen gibt es bei Sportwettbewerben oder Rennen Riesenflaschen, die geschüttelt zur Siegerehrung ihren Inhalt verschwenderisch verspritzen müssen, „Champagner dusche" steht inzwischen sogar im Duden. Manchmal jedoch (und vor allem in den Jahren um 1970) wurde in der Reklame direkt darauf angespielt, dass der verursachte Schwips auch einen erotisierenden Effekt haben könnte und sollte. Carstens warb 1968 für SC als den „Aber ein Kuss gehört auch dazu"-Sekt, Rüttgers Club empfahl sich 1971 direkt zum
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und kürte eine Zeichnung als Siegerbild, die das Auspacken einer Kiste mit MM-Sekt an der Front zeigt. Ein Soldat singt dazu mit Gitarrenbegleitung: Das Fest kann beginnen. Dieselbe Firma scheute sich nicht, 1970 eine aufreizend uniformierte Frau mit „Hurra! Heute Abend ist Mobilmachung" zu untertiteln und so die damals kritisch diskutierten ersten Großmanöver in Westdeutschland auf die Schippe zu nehmen. Das Bild war Teil einer Serie, für die MM bekannte Fotografen verpflichten konnte: Helmut Newton (1920– 2004), der damals bereits für die „Vogue" arbeitete, lichtete die Gestiefelte ab, der französische Modefotograf Jean Loup Sieff (1933– 2000) eine Nackte auf einem Plüschbett. In den Annoncen der Nach kriegszeit dagegen dominierte noch das häusliche Fest in freundlichen Bildern. Die Herrschaften sitzen fröhlich im Wohnzimmer, und ein Serviermädchen schenkt ein. Der Gebrauchsgrafiker Harry Maier prägte das Gesicht von Henkell mit solchen Motiven bis in die Mitte der 1960er Jahre; Traditionspflege hieß das Motto für den Sekt. Mit dem Erstarken der Fotografie entstand dann ein neues Interesse an der Außenwelt: Feuerwerk und Nachtszenen waren gefragt. Seit den späten 1970er Jahren ist die (Zweier-)Beziehung das beherrschende Thema. „Sex sells" gilt auch hier. Der Engel, ein beliebtes Motiv in der Schaum weinwerbung, brauchte neuen Pep. Das geflügelte Wesen kam nun – auch in Begleitung mehrerer Weihnachtsmänner – oft recht aufreizend daher. Aus dieser Zeit stammen auch die skurrilen MM-Mädchen mit Locken oder Goldbikini von 1969 („in die Hände meine Lieben wurde euch MM geschrieben"), die Horoskope („Rüttgers Club – und die Sterne stehen günstig", 1971), oder die bunten 1981er „...SSSEKT"Bilder von Deinhard Cabinet („aufregend prickelnd"). Heute ist es eher der Geldadel, der auf mondänen Partys gezeigt wird, wie bereits in der 1986er Fernsehserie „Kir Royal", die in der Münchner Schickeria spielte (der titelgebende Cocktail besteht aus Champagner mit Crème de Cassis). Ein beliebtes Reklamemotiv sind junge, draufgängerische Frauen, die den Festen die besondere Note geben: Die Koblenzer Kellerei Deinhard lancierte bereits 1990 einen ausgesprochen erfolgreichen Fernsehspot, in dem eine temperamentvolle Schöne im lila Abendkleid unerwartet mit einem Trommelwirbel eine gepflegte Party unterbrach und fordernd „Wo ist der Deinhard?" rief. Es entstand damit, so die Firma, „der unvergessliche Slogan für weiblichen, modernen Sektgenuss".
„Mädchenangeln" ... Der als Erfinder des Champagners geltende Dom Pérignon, ein französischer Benediktinermönch, der angeblich nicht einmal Alkohol trank, hat diese pri ckelnde Folgeerscheinung vermutlich weniger beabsichtigt, als er Ende des 17. Jahrhunderts mit neuen Flaschenverschlüssen experimentierte. Die Schaumweinherstellung war zwar bis dahin bereits durchaus üblich, aber es war schwierig, Verschlüsse zu finden, die dem zunehmenden Druck des gärenden Weines standhielten. Die Herstellung von Champagner begann im großen Stil also erst im frühen 19. Jahrhundert, als Familie Moët in Épernay in der Champagne ein in napoleonischen Zeiten enteignetes Kloster übernahm und dort ihre Kellerei ansiedelte.Das Kloster ist inzwischen Museum, aber Moët & Chandon gehört bis heute zusammen mit der ursprünglichen Konkurrenz Veuve Clicquot und anderen Produzenten zum weltweit größten Champagnerkonzern LVMH (Louis Vuitton Moët Hennessy). Champagner und Sekt werden auch als Luxusgüter für „Connaisseure" (Fürst Metternich) oder für „Genusskünstler" (Krimsekt) angepriesen, und der höhere Preis macht das offenbar auf eine eigene Art attraktiv. Wenn Champagnerflaschen als Reklame-Stillleben fotografiert werden, sind sie daher oft mit Hummer, Kaviar oder anderen Fünf-Sterne-Gaumenfreuden zu sehen. Aber die deutschen Sekthersteller nutzen auch gern die Prominenz: Der Bergsteiger Reinhold Messner prostete beispielsweise augenzwinkernd 1982 mit Deinhard in die Kamera, und Kupferberg verpflichtete Uschi Glas, Rosi Mittermaier mit Christian Neureuther sowie Senta Berger als Werbeträgerinnen, die um 1980 „Eine der schönsten Launen der Welt" verkörpern sollten. Ein namenloses Mädchen dagegen ist Rotkäppchen mit dem Sekt im Korb, das bereits 1900 neben dem Wolf durch den Wald spazierte. Seit 1857 wird in Sachsen-Anhalt bei Kloss & Foerster in der Freyburger Champagner-Fabrik-Gesellschaft Sekt hergestellt, der zunächst möglichst französisch klingende Namen wie „Crémant Rosé" oder „Sillery Grand Mousseux" bekam, weil es so en vogue war. Erst 1894 wurde er zum Rotkäppchen-Sekt. Dieser war eines der Dinge, die ab 1989 als beliebte DDRÜberbleibsel auf den westlichen Markt kamen. Wer heute an Rotkäppchen-Sekt denkt, assoziiert vielleicht eine junge Frau am Bahnhof, die ihn hinter sich versteckt hält. Der Kontrast von nacktem Rückenausschnitt des knallroten Kleides und beschlagener Sektflasche provoziert eine attraktive Heiß-und-KaltAssoziation. Diese Kombination von nackter Haut und kühlem Sekt gab es bereits 1980 in einer MM-Werbung. Der anzügliche Text fragte damals: „Sollte sie sich erwärmen? Oder wird sie mir auch weiterhin nur ihre schöne kalte Schulter zeigen?" Die Schaumweinwerbung hatte von Anbeginn alle Freiheit, Szenerien zu schaffen, in denen der Wunsch nach einer luxuriösen Aufmunterung besteht. Im Ersten Weltkrieg schrieb die Firma Matheus Müller sogar einen Reklame wettbewerb aus GoodTimes
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DER WEISSE
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Bruce Allgegenwärtig Ganz egal, ob an den Stränden von Mallorca oder am heimischen Baggersee. Wenn Menschengruppen gemeinsam im kühlen Nass paddeln, ist es nur eine Frage der Zeit, bis ein Witzbold, eine unverkennbare Filmmelodie intoniert: DAA-damm, DAAdamm, DAA-damm, DAA-damm, DAAdamm ... Alle schauen sich dann amüsiert bis leicht genervt an, lachen, nicken, es folgen vielleicht ein paar Hai-Witze. Humor befreit, vielleicht albern wir gegen unsere Urängste an, gegen unheimliche Bilder in unserem Kopf. Von Nicolas von Lettow-Vorbeck
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iese Bilder trägt jeder in sich, der Steven Spielbergs Film „Der weiße Hai" auch nur ein einziges Mal angeschaut hat. Meisterhaft skizziert der Streifen ein schreckliches Szenario: als Mensch bei lebendigem Leib aufgefressen zu werden. Hilflos wie eine kleine Maus, die einem Bussard zum Opfer fällt, hoffnungslos – trotz Mondraketen, Smartphones und Röntgenstrahlen – einem, scheinbar unsichtbaren, Gegner unterlegen. Einen Film zu kreieren, den die meisten Menschen auf der ganzen Welt kennen, dieses Kunststück gelingt nur ganz wenigen Regisseuren. Heute verbinden wir mit dem „weißen Hai" nicht nur Urängste, sondern auch sagenhaften Erfolg. Der Film ist eines der profitabelsten Hollywood-Werke aller Zeiten, auch fast ein halbes Jahrhundert nach seinem Erscheinen erwirtschaftet er noch harte Dollars. Doch so bekannt der Film ist, so unbekannt sind die chaotischen, äußerst unkonventionellen Begebenheiten, die sich um seine Entstehung ranken. „Der weiße Hai" basiert auf dem gleichnamigen Buch des US-amerikanischen Schriftstellers Peter Benchley. Im Original heißt der Roman – ebenso wie der
Film – „Jaws" (englisch „Kiefer"). Inspiriert wurde der Autor durch eine Serie von Hai-Attacken im US-Bundesstaat New Jersey, vom 1. bis zum 12. Juli 1916 wurden dort vier Menschen von einem oder mehreren Haien getötet. Wegen einer Hitzewelle und einer Polio-Epidemie hielten sich in diesem Zeitraum Tausende von Badegästen in den Küstenorten an New Jerseys Atlantikküste auf. Seite
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Vor den Angriffen gingen Experten davon aus, dass Menschen an diesen Küstenabschnitten keinerlei Gefahr durch Haie drohe. Bis heute diskutieren Wissenschaftler emsig, welche Hai-Art für die Todesserie von 1916 verantwortlich war. Viele Spezialisten meinen mittlerweile, dass vier verschiedene Tiere damals Angst und Schrecken verbreiteten, denn die Bissradien an den Opfern waren unterschiedlich groß. Die Presse scherte sich im Sommer 1916 freilich wenig um derartige Feinheiten. Für sie stand schnell fest, dass nur ein einzelner, speziell auf Menschenfleisch erpichter Hai für die Unfälle verantwortlich war. Benchley stöberte in alten PresseArchiven und verwob – als er „Jaws" anno 1970 und 1971 schrieb – raffiniert historische Fakten und überschäumende Fantasie. 1974 kam das Buch auf den Markt und hielt sich sagenhafte 44 Wochen in den Bestsellerlisten, bis 2006 hat sich das Werk weltweit über 20 Millionen Steven Spielberg und Bruce" Mal verkauft.
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man zusätzlich Aufnahmen von echten Bereits vor Veröffentlichung des Haien, die Ron und Valerie Taylor vor Romans gelangte das Manuskript in die der Küste Südaustraliens aufgenommen Hände der Filmproduzenten Richard D. hatten. Um den Hai in diesen Szenen Zanuck und David Brown. Sie waren größer erscheinen zu lassen, verwendete vom Stoff hingerissen und erwarben n die Australier einen Mini-Haikäfig, in 1973 die Filmrechte für rund 175.000 dem ein kleinwüchsiger Schauspieler im Dollar. Die Produzenten wussten, dass Tauchanzug stand. die Umsetzung von „Jaws" anspruchsDie Dreharbeiten in Martha's Vineyard voll und risikoreich werden würde. Als waren eigentlich auf 55 Tage festgelegt Regisseur kam ihnen ein junger, vielworden, endeten tatsächlich aber erst am versprechender Mann in den Sinn: der 6. Oktober 1974 – nach 159 Tagen. Statt damals erst 26-jährige Steven Spielberg. wie geplant vier hatte der Film am Ende Der mochte das Buch auf Anhieb, er neun Millionen Dollar verschlungen. Die nahm die Herausforderung an und Nerven aller Beteiligten lagen blank: Das überlegte, wie man die Geschichte Filmstudio war äußerst verärgert über auf der großen Leinwand am besten die Kostenexplosion, Spielberg fürcherzählen könnte. Benchley durfte den tete um das Ende seiner Karriere, die ersten Drehbuchentwurf schreiben, Schauspieler wollten zu ihren Familien, doch dieser überzeugte alle Beteiligten und selbst die Einwohner von Menemsha nur wenig. Spielberg kassierte Absagen hatten das laute, hektische Filmteam so von diversen Drehbuchautoren, bis richtig satt. Erst später im Schnittraum er sich schließlich an seinen Freund – mit ein wenig Abstand – erkannte Carl Gottlieb wandte. Eigentlich sollte Spielberg die Bildgewalt und das große Gottlieb das Drehbuch nur in ein paar Potenzial seines Sorgenkinds. Der Film Tagen aufpolieren, aber nach und nach funktionierte bereits ziemlich gut, aber wurde er ein beständiger Ideengeber für es fehlte noch eine packende, unverSpielberg. kennbare Musikkulisse, diese lieferAm 2. Mai 1974 begannen die Dreh te schließlich der Filmkomponist John arbeiten auf der Insel Martha's Vineyard Williams. im US-Bundesstaat Massachusetts), Als Williams dem Regisseur auf dem genauer gesagt im kleinen Städtchen Klavier zum ersten Mal sein Hai-Thema Menemsha. Die Filmleute entschieden vorspielte, lachte Spielberg herzlich und sich für Martha's Vineyard, weil dort glaubte an einen schlechten Scherz. der umliegende Ozean einen sandigen DAA-damm, DAA-damm, DAA-damm, Boden aufweist. Bis auf 19 Kilometer DAA-damm, DAA-damm? War das nicht vom Ufer entfernt fällt der Meeresboden viel zu eintönig ... Spielberg hörte sich hier nie unter elf Meter ab, so konndas Thema wieder und wieder an und ten die mechanischen Haimodelle auch revidierte seine Meinung. außerhalb der Sichtweite des Ufers „Jaws" kam am 20. Juni 1975 in den zum Einsatz kommen. Drei pneumatisch angetriebene Haie in voller Größe Robert Shaw, Roy Scheider und Richard Dreyfuss USA in die Kinos, auf Anhieb war das Publikum hingerissen. Überall auf der Welt brach der Film zahlreiwaren für „Jaws" konstruiert worden. Die Crew nannte sie schon che Rekorde, bis zum Erscheinen von „Star Wars" trug „Jaws" gar nach kurzer Zeit liebevoll „Bruce" – nach Bruce Ramer, dem die Krone des kommerziell erfolgreichsten Films aller Zeiten. Sogar Rechtsanwalt von Spielberg.
Um nicht vom Hai abzulenken, entschied sich der Regisseur bewusst dafür, die Hauptrollen nicht mit großen Stars zu besetzen. Bodenständige Protagonisten sollten der Handlung Glaubwürdigkeit verleihen, man besetzte die Hauptrollen mit Roy Scheider, Richard Dreyfuss und Robert Shaw, soliden und erfahrenen Schauspielern. Die Dreharbeiten gestalteten sich ungewöhnlich, denn das Drehbuch wurde ständig umgearbeitet. Jeden Abend aßen Spielberg, Gottlieb und Teile der Crew zusammen zu Abend und diskutierten die Handlung, das Drehbuch für den nächsten Tag entstand gewöhnlich mitten in der Nacht. Auch die Haie erwiesen sich als unberechenbar: Sie verweigerten regelmäßig ihren Dienst, denn die langatmigen Dreharbeiten im salzigen, unruhigen Atlantikwasser setzten den Robotern ordentlich zu. Aufgrund dieser Schwierigkeiten wurden die Haiszenen immer weiter reduziert, man ahnt das Monster oft, bekommt es aber nie zu Gesicht. Da die Roboter in Bewegung nicht immer sehr glaubhaft aussahen, verwendete GoodTimes
die Kritiker waren zufrieden und lobten besonders die Effizienz des Films, die seltenen Einsätze des Roboterhais – geboren aus purer Not – erwiesen sich als Trumpf. 1976 räumte „Jaws" drei Oscars ab – einen für die beste Filmmusik, einen für die beste Tonmischung und einen für den besten Schnitt. Die Entstehungsgeschichte des Welterfolgs ist Trost und Rechtfertigung für alle chaotischen Zeitgenossen: Auch wenn anscheinend nichts nach Plan verläuft, kann aus diesen Unwägbarkeiten am Ende etwas Geniales, Unsterbliches, Einmaliges entstehen! 2/2020
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Sitcoms der 80er Jahre | Teil 3
R E D R E I H T WER IS
Von Thorsten Hanisch
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I. Altmodisch, aber auch fortschrittlich In der dritten Folge unserer kleinen Reihe über die besten Sitcoms der 80er Jahre wandern wir auf dem Zeitstrahl zurück ins Jahr 1984, von der Arbeiterklasse zur oberen Mittelschicht und zu einer Serie, die bereits früh typische Geschlechterklischees auf den Kopf gestellt hat, ohne allerdings je in derbe Brachialkomik à la „Eine schrecklich nette Familie" zu verfallen oder den herb-realistischen Anspruch von „Roseanne" zu proklamieren. Einer Serie, die gleichzeitig so fortschrittlich wie altmodisch ist, was aber auch ihren nicht unbeträchtlichen Reiz ausmacht.
ein Liebesverhältnis, das aber nicht so ganz endet, wie Millionen Zuschauer erwartet hatten. Was jedoch nur konsequent ist, denn die – für die damalige Zeit – Besonderheit der Serie war die Umkehrung klassischer Gender-Rollen, und da hätte ein „klassisches" Ende kontraproduktiv gewirkt: Zwar sind Tony und Angela nicht verheiratet, aber sie sorgt für den Lebensunterhalt, und er erledigt den Haushalt. Zudem wurde mit Mona erstmalig eine Frau im mittleren Alter präsentiert, die sich nicht „altersgemäß" aufführt, sondern ihr Leben in vollen Zügen auskostet, das heißt, auch deutlich jüngeren Liebhabern nicht abgeneigt ist.
III. Premiere mit Barprügelei
© Pressefotos
II. Worum geht’s? Damit seine kleine Tochter ein besseres Leben hat, zieht der spontane, unkomplizierte Ex-Profibaseballspieler und Witwer Anthony „Tony" Micelli (Tony Danza) mit seiner kleinen Tochter Samantha (Alyssa Milano) von Brooklyn nach Connecticut und heuert dort als Haushälter bei Angela Bower (Judith Light), Chefin einer Werbe-Agentur und alleinerziehende Mutter ihres Sohnes Jonathan (Danny Pintauro), an. Dauergast im Hause Bower ist Mona Robinson (Katherine Helmond), die verwitwete Mutter Angelas, die mit ihrer jugendlich-lockeren Lebens- und Denkweise und einem überaus aktiven Sexleben ihre unbewegliche und zugeknöpfte Tochter gern fast in den Wahnsinn treibt. Natürlich führt der Zusammenprall der beiden Familien zu Schwierigkeiten und vor allem häufig zu der Frage, wer hier eigentlich der Boss (im gemeinsamen Haushalt) ist. Aber langsam, gaaaanz langsam und über viele Umwege und eine Reihe anderer Partner, wird aus dem unkonventionellen ArbeitsSeite
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„Wer ist hier der Boss?" lief in den USA am 20. September 1984 auf ABC an und wurde am 25.4.1992 wieder beendet. Die Kritiken waren durchwachsen, was aber vermutlich viel damit zu tun hatte, dass am selben Tag auf dem Konkurrenzsender „Die Bill Cosby Show" an den Start ging, die mit ihrer Porträtierung einer erfolgreichen und gut situierten schwarzen Familie bahnbrechend war. Dagegen wirkten die Umwälzungen der ABC-Produktion verhältnismäßig subtil und der Kern der Geschichte – im Wesentlichen dreht sich alles acht Staffeln lang um die Frage „Kriegen sie sich oder kriegen sich nicht?" – altmodisch. Die Sendung wurde dennoch erfolgreich, zwar nicht ansatzweise so sehr wie die Cosby-Platzhirsche, die in den ersten fünf Jahren an der Spitze der Quotencharts praktisch festgemeißelt waren, aber man hielt sich die meiste Zeit in den vorderen Rängen auf, zudem wurde eine ganze Reihe von internationalen Varianten produziert.
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Hotels in Manhattan zu helfen, was als Start zur eigenen Show dienen Entwickelt wurde die Show, die ursprünglich „You’re The Boss" sollte –, die aber dann doch nicht gedreht wurde, da die Senderchefs aus heißen sollte, von den Fernsehproduzenten und Geschäftspartnern Martin Cohan und Blake Hunter, die Anthony Tony" Micelli Sorge um die Hauptserie kalte Füße bekamen und Angelas " außerdem für den Titelsong "Brand (Tony Danza) Mama wieder zurück nach Hause schickten. und Angela Bower New Life" verantwortlich zeichneten, (Judith Light) Die kompletten, aus 196 Episoden bestehenden acht zu dem Larry Carlton und Robert Kraft die Musik komponierten. Tony Staffeln werden bezeichnenderweise größtenteils von der Danza, ein Ex-Profiboxer, der 1978 fünfköpfigen Hauptbesetzung bestritten. Während andere eine erfolgreiche TV-Karriere gestarSitcoms mit zunehmender Laufzeit viele weitere Charaktere tet hatte, war von Anfang an eine einführten, um über die Runden zu kommen, beließ man Wunschbesetzung, Judith Light, es bei eher kurzen Versuchen in Staffel sieben und acht Alyssa Milano und Danny Pintauro (der fünfjährige Billy, ein Waise aus Brookyln, zieht ein; wurden nach regulärem Vorsprechen Samanthas neuer Freund Hank). Etwas höher fiel dagebesetzt. Mona war zuerst als ältegen die Frequenz der obligatorischen Gaststars aus, unter re Schwester von Angela angeanderem schauten Frank dacht, da man aber keine geeignete Sinatra, Mike Tyson und Darstellerin fand, modellierte man Leslie Nielsen vobei. die Rolle mit Katherine Helmond im Hinterkopf um. Angela, Tony und Mona bilden jedenfalls das Die Pilotfolge wurde bereits im Dreigestirn, um das das November 1983 gedreht, ursprüngGeschehen kreist, mit den lich wollte man im Januar 1984 beiden Kindern verhält es auf Sendung gehen, doch wegen sich ein bisschen wie mit kreativer Differenzen zwischen den dem Nachwuchs in „Eine Produzenten und dem Sender wurde schrecklich nette Familie": die Premiere auf die nächste Saison verschoben. Während dieser unverzichtbares, gut besetztes und ungeplanten Pause wurde Danza Anfang 1984 in einer New Yorker gespieltes Beiwerk, mit dem die Autoren Bar in eine Schlägerei verwickelt, da einer der Besucher sich gegenallerdings immer weniger anfangen über der weiblichen Begleitung des Fernsehstars unpassend verhalten konnten. hatte. Der Gerichtstermin fiel allerdings auf den Juli und zudem zu Ungunsten des Schauspielers aus, der, statt gesiebte Luft zu atmen, Dass das Konzept nicht nur ungelieber gemeinnützige Arbeit ableisten wollte und das auch noch tat, als wöhnlich war, sondern gleichzeitig die Sendung schlussendlich über den Äther geschickt wurde. eine gewisse zeitlose Komponente hatte, sieht man an der Vielzahl der an die jeweiligen Märkte entsprechend IV. Ungewöhnlich, zeitlos angepassten oder gleich komplett neu Natürlich, es wäre vielleicht etwas zu viel des Guten, der Sitcom angegedrehten Versionen, die selbst mehr Potenzielle Bosse sichts der weiblichen Charaktere einen feministischen Anspruch zu als zwei Jahrzehnte später noch aufbeim Tanzen unterstellen, aber man ging Angela Bower (Judith tauchten – da wären zum einen nicht unbeträchtlichen Light) wird immer mehr zur Beispiel: Mutterfigur für Samantha Schritt nach vorn. Zudem (Alyssa Milano) | Indien: Neuverfilmung unter dem Titel „Saamne Wali überwand man die bis dato vorherrschende Darstellung Khidki" (2000) – Aus Ex-Profibaseballspieler Tony wurde von Italo-Amerikanern der strauchelnde Schauspieler Amit. als Macho-Proleten mit begrenztem Horizont, denn | In Großbritannien liefen sowohl das Original als auch eine so unkonventionell Tony in Neuverfilmung (1990–1996) unter dem Namen „The Upper dieser Umgebung anmuHand", in der 1993 die „echte" Mona, Katherine Helmond, tet: Er ist dennoch sensieinen Gastauftritt als Madame Alexandra hatte. bel, intelligent und kann in Gesprächen überraschend | In Deutschland liefen ebenso das Original wie die tiefgründig werden. Neuverfilmung „Ein Job fürs Leben" (1993), für die die Originaldrehbücher 1:1 und größtenteils Das ist von den charismatischen sogar die Kulissen adaptiert wurden. Hauptdarstellern extrem gut, mit viel Sinn für komödiantisches | 2006 war dann Russland mit dem Remake „Kto Timing gespielt – Tony Danza und vdome khozyain?" dran, das es auf eine zweiJudith Light bringen eine Chemie jährige Laufzeit und 150 Folgen brachte. und Dynamik mit, die an legendäre Leinwandpaare wie Spencer Tracy Die obligatorische Frage, ob sich die Sitcom und Katharine Hepburn oder Doris heute noch lohnt, kann man in diesem Fall kurz Day und Rock Hudson erinnert. Die und knapp mit „Ja!" beantworten. Natürlich rothaarige Katherine Helmond verist das unterm Strich recht harmlos-betulileiht als Dritte im Bunde ihrer eigen- Kleiner Mann (Danny Pintauro) zwischen zwei che Unterhaltung, die lange nicht so subvergroßen Frauen (Katherine Helmond, Judith Light) sinnigen Rolle mit exaltierten Gesten siv daherkommt wie „Eine schrecklich nette eine leicht abseitige Prägnanz, die ein bisschen an Schwiegervater Familie" oder „Roseanne", aber eben auch nicht so spießig und sittenArthur in „King Of Queens" erinnert. Es ist kein Wunder, dass ihr Monastreng wie „Die Cosby Show", und sie besticht zudem, wie erwähnt, mit Charakter kurz vor einer Spin-Off-Serie stand – in der dritten Staffel einem exzellenten Hauptdarsteller-Trio, das mit Leib und Seele bei der zieht sie kurzfristig weg, um ihrem Bruder Cornelius beim Start eines Sache ist. GoodTimes
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Jugend- &
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Poster, Pop & Petting Wohl die meisten kult!-Leserinnen und -Leser werden als Jugendliche Bravo"-, " Popcorn"- oder Neues Leben"-Hefte gelesen haben, denn diese und viele andere " " Jugend- und Musikzeitschriften waren aus dem Leben ganzer Teenager-Generationen hierzulande nicht wegzudenken. Wie sind diese Magazine entstanden? Wie haben sie sich entwickelt? Und warum waren sie für Jugendliche so wichtig? Dem geht kult! im Rahmen einer Reise durch die spannende, bunte Geschichte der deutschen Jugendund Musikmagazine nach. Von Thorsten Schatz
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ie Entwicklung deut- scher Jugendz eit schriften begann im 18. Jahrhundert. Damals spezialisierten sich die seit dem 17. Jahrhundert bestehenden Zeitschriften, so dass beispielsweise medizinische oder historische Fachmagazine, Frauen- und auch Jugendzeitschriften entstanden. Magazine, die sich, oft als Monatsschrift konzipiert, an Kinder- und Jugendliche richteten, wurden seit 1770 gedruckt [z.B. die „Monatsschrift für Kinder" (1770–71) oder die „Chronik für die Jugend" (1785–88)]. Deren junge Leserinnen und Leser wollte man – ganz im Zeichen der Aufklärung – dazu erziehen, ordentlich, sparsam, reinlich, pünktlich, kurz: tugendhaft zu sein. So präsentierten die Blätter entsprechend ausgewählte Erzählungen, fortgesetzte Romane, Gedichte, Naturgeschichte u.a. Das setzte sich im 19. Jahrhundert fort, etwa mit dem populären Jungenmagazin „Der Gute Kamerad" (1886–1968) oder der beliebten Mädchenzeitschrift „Das Kränzchen" (1888–1934). Dazu gesellten sich Jugendzeitschriften der Kirchen, Parteien und Verbände mit ihren religiösen, politischen oder ideologischen Botschaften. Anfang des 20. Jahrhunderts prägte die naturorientierte Jugendbewegung die Jugendpublikationen („Der Wandervogel", 1904–1927), bis die meisten dieser Magazine nach Hitlers Machtergreifung eingestellt wurden, da sie dem politischen Kurs Seite
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der Nationalsozialisten nicht folgten, die selbst Jugendpostillen herausbrachten. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und der Befreiung Deutschlands vom braunen Terror durch die Alliierten wollten diese das Land und damit auch die deutschen Medien entnazifizieren (was größtenteils misslang), bevor die Presse völlig neu aufgebaut werden durfte. 1949 erteilten die Besatzungsmächte in der Bundesrepublik eine Generallizenz für die Gründung von Zeitungen und Zeitschriften, was deren Produktion in Gang brachte. Für Jugendliche jedoch war in den ersten Jahren Zeitschriften-Lesestoff nur dürftig vorhanden und hatte zum Beispiel die biedere, altmodische Gestalt des vom bayerischen Lehrerverband gegründeten Schülermagazins „Jugendlust" (1876–1941, 1948–2018). Doch es ging spannender, als unterhaltende Publikumszeitschriften herauskamen, die auch junge Leser im Blick hatten – wie etwa die „Bravo".
Vom TV-Blatt zur Teenager-Bibel: die Bravo" "
Die „Bravo"-Erfinder, der Verleger Helmut Kindler und der Journalist und erste Chefredakteur Peter Boenisch, brachten das erste Heft des Wochenblattes mit Marilyn Monroe auf dem Cover am 26. August 1956 im Kindler & Schiermeyer-Verlag mit einer Startauflage von 30.000 Exemplaren heraus. Anfangs präsentierte die „Bravo" das Programm des sich ausbreitenden Mediums Fernsehen und Berichte über Kino- und TV-Stars.
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Doch schnell erweiterte sich die Themenpalette, als in Ausgabe 6/1956 Jazz aufgenommen wurde und in Heft 13/1957 die auch bei Teenagern populären Schlager. Das verjüngte die anfangs zwischen 20 und 30 Jahren angesiedelte Leserschaft, was die neue Chefredakteurin Liselotte Krakauer (ab 1959) aufgriff, die dann weiter in Richtung Jugend- und Musikzeitschrift ging. Ab 1959 kam der berühmte Starschnitt ins Heft, mit Brigitte Bardot als erster abgebildeter Berühmtheit in Lebensgröße. Danach bevölkerten Schlagerstars wie Peter Kraus, Caterina Valente und Freddy Quinn die Ausgaben, was beim jungen Publikum zog: Die Auflage stieg 1959 auf 381.853 Exemplare. Anfang der 1960er Jahre vollzog die „Bravo" endgültig den richtungsweisenden Schritt vom pädagogisch strengen Erwachsenenblick früherer Jugendzeitschriften zur Perspektive Heranwachsender. Sie wurde zum Generationenmagazin für Teenager beiderlei Geschlechts, das deren Lebenswelt, ihre Sprache, Freizeit und Probleme abbildete. So begannen 1961 (Heft 35/1961–34/1963) die Diskussionsrunde „Wir und ihr" zwischen zwei Jugendlichen und zwei Erwachsenen und ab Heft 52/1962 der „Knigge für Verliebte", die erste – noch zurückhaltende – Beziehungsratgeber-Reihe für Jugendliche in einer deutschen Zeitschrift. Diese Mischung als allgemeines Jugend- und Musikmagazin ließ die Auflage 1963 auf 600.00 Stück hochschießen, so dass die Redaktion die Inhalte noch stärker auf Jugendliche fokussierte und die Musik mehr in den Mittelpunkt rückte – aus gutem Grund. Schließlich entdeckte der Mainstream deutscher Jugendlicher Ende der 1950er Jahre Rock’n’Roll als lautstarken Ausdruck ihres Lebensgefühls, nachdem der sich als Sprache jugendlicher Rebellion von den USA ausgehend bereits seit Mitte der 1950er Jahre in der Welt ausgebreitet hatte. Noch mehr als über den RockProtagonisten Elvis berichtete die „Bravo" über deutsche Sänger wie Peter Kraus und Ted Herold als seine zahmen Nachahmer, die sogar die Elterngeneration akzeptierte, was die Verkäufe in die Höhe trieb. Die schossen erst recht durch die Beatlemania nach oben, die die „Bravo" sofort aufgriff. 1964 blickten die Beatles erstmalig vom Cover, die Rolling Stones und andere Beat- und Rock-Bands folgten – und die „Bravo" avancierte zur populärsten deutschen Teenager-Musikzeitschrift. Hinzu kamen exklusive Berichte über die erfolgreichen „Winnetou"-Filme. Das Resultat: Die Auflage stieg auf über 800.000 Exemplare. Die „Bravo" zielte auf aktuelle Trends, was jedoch nicht für Politik galt. Die blieb ausgeklammert, obwohl über kritische Musiker wie Bob Dylan am Rande berichtet wurde. Doch etwa die Schüler- und Studentenproteste ignorierte das Blatt – vielleicht, um nicht anzuecken und Leser zu vertreiben – völlig und setzte diese Linie, wie ähnliche Teenager-Magazine auch, bis heute fort. Dagegen erwies sich die „Bravo" mit der Aufklärungsreihe „Dr. Sommer" (seit 1969), die im Zeichen der sexuellen Revolution stand, aufgeschlossen und mutig. Die Jugendlichen trauten sich, „Dr. Sommer" offen wie noch nie in deutschen Medien Fragen über Sexualität und Liebe zu stellen, die Experten mit klaren Worten beantworteten. Das passte manchen Eltern nicht, die die Aufklärungsseiten zuklebten oder die „Bravo" verboten. Gelesen wurde das Magazin trotzdem vom Großteil der westdeutschen, aber nur wenigen ostdeutschen Teenagern, weil es in der DDR verboten war. Wurde man mit einem der raren eingeschmuggelten Hefte erwischt, gab es richtig Ärger. Aber die Ost-Jugend hatte auch eigene Magazine. GoodTimes
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Neues Leben": Lesestoff für DDR-Jugendliche
Nach Gründung der DDR hatte die Regierungs-Partei SED die ostdeutschen Medien fest im Griff. Dementsprechend folgten Printprodukte für Jugendliche den politischen SED-Vorgaben, zumal die meisten von ihnen der Verlag Junge Welt herausbrachte, das Zentralorgan der kommunistischen FDJ (Freie Deutsche Jugend), der einzigen staatlich anerkannten DDR-Jugendorganisation. Dazu gehörten „Die Trommel" (1958–1991), „Der junge Pionier" (1949–1958) und die „Die Schulpost" (1946–1990, 1958 in „Rakete", 1963 in „Technikus" umbenannt). Besonders beliebt war die an 10- bis 14-Jährige gerichtete „Trommel", die die Themen Politik, Schule, Musik, Sport, Literatur, Comics u.a. bot. Noch populärer wurde das Jugendmagazin „Neues Leben", das quasi die DDR-„Bravo" war. 1945 hatte der FDJ-Zentralrat ein gleichnamiges Schulungsblatt für FDJ-Funktionäre herausgebracht, das schnell wieder eingestellt wurde. 1954 kam „Neues Leben" als Jugendzeitschrift erneut im Verlag Neues Leben heraus, hinter dem der FDJ-Zentralrat stand. Trotz des Zieles der politischen Erziehung wurde das Blatt als ein für Teenager interessantes, buntes Magazin gestaltet – vielleicht, um die junge Generation nach dem Aufstand der DDR-Bevölkerung am 17. Juni 1953 bei Laune und im Land zu halten. In jugendlich lockerer Sprache ging es um Freizeit, Musik auch von englisch singenden westlichen Stars, Film, Mode, Literatur, Naturwissenschaft, Politik und seit 1970 in der Rubrik „Professor Borrmann antwortet" um Sex und Liebe. Das kam an. Die 540.000 gedruckten Exemplare waren regelmäßig rasend schnell ausverkauft. Doch nach der Grenzöffnung war die Westkonkurrenz zu groß, und „Neues Leben" musste 1992 eingestellt werden. Länger überlebte „Melodie & Rhythmus", das älteste deutsche Musikmagazin (Henschel Verlag). Das begann 1957 als Fachblatt für Tanz- und Unterhaltungsmusik, ganz auf der kulturpolitischen Linie der SED. Es sollte, wie es in Ausgabe eins hieß, die „leichte Muse" entwickeln, „Exzesse à la Rock’n’Roll" wollte man vermeiden und sich lieber Operetten und Tanzkapellen widmen. Aber dann durfte sich das Magazin öffnen und wurde bei der DDRJugend sehr beliebt, denn in den 1960er Jahren kam Jazz zusätzlich ins Heft, danach Schlager, und seit den 1970er Jahren brachte die Zeitschrift nur noch Berichte über Pop-, Rock- und Schlager-Stars aus dem In- und Ausland sowie Neuheiten des dominierenden DDR-Plattenlabels Amiga. Das Resultat: Die Auflage von bis zu 300.000 Exemplaren war meist bereits am Erscheinungstag ausverkauft. 1991 war zunächst Schluss, bis „Melodie & Rhythmus" 2004 wieder als Popmagazin mit dem Schwerpunkt Ost-Rock und -Pop erschien und nach mehreren Häutungen als Musik- und Kulturmagazin bis heute besteht.
Pop", Rocky", Mädchen": " " " Der Boom der Jugend- und Musikmagazine Gegenüber dem konstant dürftigen TeenagerZeitschriftenmarkt der DDR erschienen in Westdeutschland seit den 1960er Jahren etliche Jugendblätter im „Bravo"-Stil mit Inhalten wie Pop, Musik-, Film- und Sportstars, Charts, TV- und Filmtipps, Sex- und Liebesratgeber, Foto-Love-Storys, Berufstipps, Gewinnspielen und Leserpreis-Verleihungen. Dazu gehörte die „Musik Parade" (Bauer Verlag, seit 1962), die über deutsche und internationale Musik- und Filmstars berichtete und 2/2020
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Liebestipps gab, sowie „ok" (Bauer Verlag, seit 1965), die inhaltlich fast eine 1:1-Kopie der „Bravo" und sehr erfolgreich war: Die Startauflage von 300.000 Heften war sofort ausverkauft. Die „Bravo"-Auflage fiel daraufhin unter die 800.000er-Grenze. Der Springer Verlag übernahm 1965 die „Bravo" und die „Musik Parade", fusionierte beide und holte sich 1967 „ok", die er ebenso mit der „Bravo" vereinigte. Die ging 1968 zurück an den Bauer Verlag, und die Auflage stieg wieder auf über 800.000 Hefte. Weitere Beispiele sind das wenig verkaufte „hit" (1968–1970) und „Popfoto" (1968–1980), beide wie „ok" oder die „Bravo" allgemeine Jugend- und Musikmagazine. Zu denen kamen Jugendzeitschriften hinzu, die ein Thema in den Mittelpunkt stellten, das Teenager interessierte, etwa Sport, Film – und natürlich die für Jugendliche so wichtige Musik, also vor allem Rock, Pop und Schlager. Die erste für junge westdeutsche Musikfans interessante Zeitschrift in den 60er Jahren waren die „Star-Club News" (1964–1965), die die Beat- und Rock’n‘Roll-Gigs des legendären Hamburger Star-Club mit Porträts der auftretenden Bands ankündigten. Kurz darauf erschien das erfolgreiche Schweizer Magazin „Pop" (seit 1965), das sich auch in der Bundesrepublik behauptete. Als erstes deutsches Popmusik-Magazin gilt „Sounds" (ab 1966). Das begann mit Free Jazz, öffnete sich dann dem Rock und jeder progressiven Popmusik. Dem folgten Zeitschriften wie der „Musikexpress" (seit 1969), der sich schlagerfrei englischsprachigem Pop und Rock widmete, und das „Top Schlagertextheft" (1970–1990) mit Songtexten internationaler Hits und von Schlagern u.a. Danach erschienen „fab – Das Musikmagazin für Fans" (1972–1978) und der „Musik Joker" (1976–1979), die über Pop, Jazz, Rock, Schlager, Liedermacher und auch mal Klassik fundiert informierten. Der „Musik Joker" ging allerdings Ende der 1970er in eine Boulevard-Richtung, die die Leser nicht mehr interessierte. Ob Musikmagazine oder allgemeine Teenie-Blätter – sie alle boomten in den 1970er Jahren, allen voran die „Bravo", die 1979 eine Rekordauflage von 1.830.700 Exemplaren erreichte. Der Grund: Diese Zeitschriften waren damals die Hauptinformationsquelle für die für Jugendliche interessantesten Themen, also Sex, Liebe und Popmusik, bei der die Redaktionen mit der Zeit gingen und Schlager zugunsten internationaler Stars vernachlässigten. Jürgen Marcus und Costa Cordalis verschwanden vom Cover, das nun Alice Cooper, Abba und T. Rex zierte. Ein weiterer Erfolgsgrund: Die Leserschaft wuchs, weil sie sich aus den geburtenstarken Jahrgängen der 1960er Jahre rekrutierte. Das führte dazu, dass weitere allgemeine Teenie-Blätter auf den Markt geworfen wurden, wie die erfolgreichen „Rocky", „Popcorn" (beide 1977), das „Freizeit Magazin für junge Leute" (1972– 1979) sowie die Poster-Zeitschriften „Bravo Poster" (1973–1976) und „Super Poster" (1978–1980). Außerdem erschienen „Melanie" (1974–1978) und das populäre „Mädchen" (seit 1976) als reine Mädchenmagazine für Leserinnen zwischen 11 und 17 Jahren. Ende der 1970er ergab das eine „Drängelei" auf dem Markt, die die Verkäufe einiger Blätter kurzzeitig einbrechen ließen. Die Konsequenz: die Einstellung von Magazinen [„Bravo Poster" (1976), „fab" (1978), „Musik Joker", „Super Poster" (beide 1980)] oder eine kostensparende Fusion („Melanie" ging 1978 in „Popcorn" über, „Pop" und „Rocky" wurden 1980 zu „Pop/Rocky"). Eine Zusammenlegung erlebte auch „Sounds", das 1983 mit dem „Musikexpress" zu „Musikexpress/Sounds" vereinigt wurde. Der neue Mainstream-Kurs ließ etliche „Sounds"-Redakteure zu „Spex" (1980–2018) abwandern, der populärsten deutschen subkulturellen Musik- und Popkulturzeitschrift. „Spex" war kein Teenie-Blatt, wurde aber von Jugendlichen gern gelesen. Das gilt auch für Musikmagazine, die sich auf eine Richtung spezialisiert hatten und sich an junge wie ältere Fans richteten. So entstanden Seite
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beispielsweise 1983, als Heavy Metal eine Blütezeit erlebte, darauf fokussierte Zeitschriften wie „Rock Hard" und „Metal Hammer", ganz ähnlich wie etwa in den 1990er Jahren Magazine der Schwarzen Szene neu herauskamen [u.a. „Sonic Seducer" (seit 1994), „Orkus" (seit 1995)]. Sie wurden professionell produziert und vertrieben, wie z.B. der „Metal Hammer", der mit einer Auflage von 50.000 Heften begann. Oder sie wurden als Fanzine verbreitet, wie zunächst „Rock Hard", von dem anfangs 110 Stück verteilt wurden, das sich jedoch zum erfolgreichen professionellen Magazin mit einer Auflage von über 54.000 Exemplaren (1998) entwickelte. Als Alternative zu diesen Jugend- und Musikzeitschriften entstanden Magazine wie „Menschenskinder" (1984– 1990), dessen Redaktion entsprechend dem Zielpublikum aus Kindern und Jugendlichen bestand und das über Themen wie die Dritte Welt oder Umweltschutz informierte. Daneben veröffentlichten auch Jugendorganisationen und Krankenkassen Gratis-Jugendzeitschriften, die alle jedoch nie so populär wurden wie die kommerziellen großen TeenieMagazine. Die erkannten oder schufen als Erste neue Trends und förderten sie, wie Anfang der 80er Jahre, als Neue-Deutsche-Welle-Stars wie Nena oder Trio die Hefte eroberten, bevor die wieder von englischsprachigen Acts und oft TV-Serien („Alf", „Miami Vice", „Fackeln im Sturm") dominiert wurden. Der Verkauf lief gut und steigerte sich in den 1990ern Jahren, da durch die Grenzöffnung ostdeutsche Jugendliche als Leser hinzukamen. Dadurch schaffte die „Bravo" 1991 den Rekord von 1,58 Millionen verkauften Exemplaren. Sie hielt sich in den 90er Jahren stetig pro Woche bei etwa einer Million Hefte, weil der Höhenflug der Teenie-Blätter wegen der BoygroupHysterie (Backstreet Boys, Take That etc.) anhielt. Ähnlich konnten sich die spezialisierten Zeitschriften behaupten. Doch dann kam das Internet.
Die Zukunft: Der Überlebenskampf der Teenager-Zeitschriften Die Jugendlichen wandten sich seit den 2000er Jahren massiv den Online-Angeboten zu. Die Folge: Der Verkauf aller Jugend- und Musikzeitschriften stürzte dramatisch ab. Bei „Popcorn" sank die verkaufte Auflage von 1998 bis 2019 um 80,5 Prozent auf 39.178 Exemplare, bei „Mädchen" fiel sie in demselben Zeitraum um 79,8 Prozent auf 63.507. Und die „Bravo" verlor ebenfalls von 1998 bis 2019 ganze 92,1 Prozent und kam nur noch auf 76.932 verkaufte Hefte (Stand: 14.11.2019). Die Magazine reagierten darauf und sind heute vor allem online präsent. Ob sie als Printausgaben überleben, ist ungewiss. Doch weiterbestehen werden sie, on- oder offline, weil sie schon immer Antworten auf das parat hatten, was Teenager am meisten beschäftigt: Wie geht Sex? Was ist Liebe? Was macht mein Star? Welche Mode ist angesagt, welche Musik? Das fragt jede neue Teenager-Generation. Und wenn Erwachsene das nicht beantworten, dann übernehmen das – auch – die Jugendmagazine und begleiten ihre Leserinnen und Leser beim Erwachsenwerden. Und wir, die wir das hinter uns haben? Wir können uns zurückversetzen lassen in Pubertätszeiten, indem wir in alten Ausgaben dieser Zeitschriften blättern, die alle über das Internet zu erwerben sind. In dem „Rock&Pop Musikzeitschriften Preiskatalog" von 2007 finden sich Angaben zum Inhalt von Tausenden von Musikzeitschriften. Über 2500 Coverabbildungen diverser Musikzeitschriften enthält die gerade erschiene GoodTimes-Edition Musikzeitschriften" (s. jeweils Shop Seite 18). " Und wenn wir dann eine angejahrte „Popcorn"- oder „Mädchen"Ausgabe in der Hand halten, ist das wie eine Reise in eine der aufregendsten Phasen der eigenen Vergangenheit ...
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Jugend- & Musikzeitschriften
von A bis Z
A wie Autogrammkarten
Seit den 1970er Jahren waren Autogrammkarten von Stars aus dem In- und Ausland ein Kaufanreiz für die Leserschaft der Jugend- und Musikzeitschriften. Die „Bravo" (s. unter B), „Popcorn" (s. unter P) und andere Blätter wie das „top Schlagertextheft" (s. unter T) brachten Karten von Elvis, den Beatles, Michael Jackson, Falco, Pierre Brice, Boris Becker und Thomas Gottschalk mit vorgedruckten Unterschriften oder unbedruckt zum Verschicken des Autogrammwunsches heraus.
B wie Bravo
Die „Bravo" ist seit den 1960er Jahren für deutsche Teenager die prägendste Jugendzeitschrift und hierzulande richtungsweisend für die Entstehung moderner Jugendund Musikmagazine. Am 26. August 1956 brachten der Verleger Helmut Kindler und als Chefredakteur Peter Boenisch das erste „Bravo"-Heft (im Kindler & Schiermeyer Verlag, 1965–1968 im Springer Verlag, ab 1968 im Heinrich Bauer Verlag) als Film- und TV-Zeitschrift heraus. Ab Heft 6/1956 wurde auch über Jazz, ab Ausgabe 13/1957 über Schlager berichtet. Deutscher wie internationaler Pop und Rock und Schlager wurden seit den 60ern zu einem zentralen Inhalt. Dazu kamen Film und Sport, 1959 die Starschnitt-Reihe (s. unter S) und seit 1969 die erste deutsche Sex-Aufklärungsreihe für Jugendliche: „Dr. Sommer" (s. unter D). Politisches wurde ausgespart. „Bravo"-Ableger entstanden, wie u.a. „Bravo Girl" (seit 1988) oder im Privatfernsehen „Bravo TV" (1986–2002). Die Zeitschrift veröffentlichte eigene Charts (s. unter C) und vergab den Leserpreis „Bravo Otto" (s. unter L). Das Wochenblatt ist bis heute die erfolgreichste Jugend- und Musikzeitschrift für 12- bis 19-Jährige im deutschsprachigen Raum (s. unter E).
C wie Charts
Teenie-Magazine wie „Popfoto" oder „Pop/Rocky" (s. unter P) und die „Bravo" veröffentlichten in jedem Heft deutsche, britische und US-Pop-Verkaufs-Charts und in einer der letzten Ausgaben JahresHitliste, die die Leser Charts. Die „Bravo" hatte eine eigene Single- bestimmten. Sie wich manchmal von den offiziellen deutschen SingleVerkaufs-Charts ab, zeigte also nicht den tatsächlichen kommerziellen Erfolg der Stars.
D wie Dr. Sommer
Die „Bravo" startete als erste Jugendzeitschrift eine Aufklärungsr ubrik, in der offen Fragen von Leserinnen und Lesern vor allem zum Thema Sex, aber auch zu Beziehungen, Freundschaft, Eltern und Familie beantwortet wurden. „Dr. Sommer", so der Rubriktitel und der erfundene Name des beratenden Experten, des Arztes, Psychotherapeuten und Religionslehrers Martin Goldstein, kam am 20. Oktober 1969 erstmalig ins Heft. Er nannte die Dinge beim Namen („Glied", „Scheide"), was – nach der Unterdrückung des GoodTimes
Themas im Nachkriegsdeutschland – revolutionär war. Ab Anfang der 70er Jahre leitete er ein Expertenteam, weil er die Beantwortung von bis zu 5000 Briefen allein nicht schaffte. Freizügige Fotos illustrierten die Beiträge. 1972 kam die „Bravo" wegen „Dr. Sommer" zweimal auf den Index jugendgefährdender Schriften (s. unter I). Das Team wechselte über die Jahre. 2006 erreichten „Dr. Sommer" nur noch höchstens 400 Briefe, da sich die Jugendlichen heute online informieren.
E wie Erfolg
Den Erfolg der Jugend- und Musikzeitschriften zeigt die Auflagenentwicklung, die bei der „Bravo" am besten dokumentiert ist. 1956 betrug die Starauflage 30.000 Exemplare, 1963 waren 600.000, 1964 über 800.000 erreicht. Das Konkurrenzblatt „ok" schaffte 1965 aus dem Stand, 300.000 Hefte zu verkaufen. Der Absatz der Teenie-Blätter steigerte sich in den Folgejahren. 1979 schaffte die „Bravo" die Rekordauflage von 1.830.700 Exemplaren. In den 1980ern gingen die Zahlen kurzzeitig zurück, der Markt erholte sich aber. In derselben Zeitspanne erreichte in der DDR bis Anfang der 1990er Jahre das „Bravo"-Pendant „Neues Leben" die Spitzenauflage von 540.000 Exemplaren und „Melodie & Rhythmus" als Musikzeitschrift auch für junge Leser 300.000 Stück. Nach dem Mauerfall zog der Absatz an. 1991 schaffte die „Bravo" den Rekord von 1,58 Millionen verkauften Heften und hielt sich in den 90er Jahren regelmäßig bei etwa einer Million Auflage. Das Internet ließ den Absatz von Teenager-Magazinen um etwa 80 Prozent einbrechen. Bei der „Bravo" fiel die Auflage von 1998 bis 2019 um 92,1 Prozent auf 76.932 Exemplare. Heute erscheint die „Bravo" nur noch alle vier Wochen.
F wie Das FreizeitMagazin für junge Leute
„Das Freizeit-Magazin für junge Leute" (Burda Verlag, seit 1972) widmete sich Musikstars wie den Bee Gees, den Teens und Jürgen Drews oder Schauspielern wie Raimund Harmstorf und David Carradine und bot typische Teenie-Blattinhalte wie Charts, Mode, einen Kummerkasten, Rätsel. 1979 fusionierte Burda das Blatt mit dem hauseigenen Jugendmagazin „Rocky" (s. unter R).
G wie Girlfriend
Das vierteljährlich erscheinende australische Magazin „Girlfriend" ist exemplarisch für viele Jugendzeitschriften rund um den Globus. „Girlfriend" (Futura Publications, seit 1988) bringt, wie der Titel schon sagt, Inhalte für weibliche Teenager: Mode, seit 1990 einen Model-Wettbewerb, Schminktipps und Stars.
H wie Hit
Die Teenager-Zeitschrift „hit" (Verlag A. Beig, ab 1968) war mit seiner monatlich produzierten Mischung aus Pop, Schlager, 2/2020
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Ihn erhielten die beliebtesten Künstler des Jahres durch eine Leserwahl, wie Roger Moore, Madonna und Kim Wilde, die mit vier Trophäen die meisten „Schlümpfe" bekam. Ein weiterer Leserpreis war der Goldene Pinguin (seit 1988) der österreichischen Jugendzeitschrift „Xpress" (s. unter X). Zu dessen Positivkategorien kamen negative wie „Häßlichster Star" oder „Schlechteste Radiostimme".
Mode, Kosmetik, Aufklärungstipps und Lebensberatung gegenüber Platzhirschen wie „Bravo" oder „ok" durchaus konkurrenzfähig. Das Motto „hit ist nicht brav, hit ist kess und modern" verfing aber bei den Lesern nicht, so dass das Magazin 1970 eingestellt wurde.
I wie Index
Diverse Jugendmagazin-Ausgaben landeten auf dem Index jugendgefährdender Schriften wie 1972 zwei „Bravo"-Hefte, in denen die Normalität von Selbstbefriedigung betont wurde (6 und 7/1972). Die damals prüde Bundesprüfstelle meinte, besonders der Bericht „So erfüllt man seine ersten Liebeswünsche" (Heft 7) sei eine zu detaillierte Onanieranleitung. Es hieß: „Die Geschlechtsreife allein berechtigt noch nicht zur Inbetriebnahme der Geschlechtsorgane." Und: Onanie könne zu „depressiver Stimmung, paranoiden Reaktionen" und „Rückenmarkschwindsucht" führen. Schockiert war man auch, weil die „Bravo" 1972 die Foto-Love-Story als „Aufklärung zum Hingucken" einführte. Später kamen etwa in den 1990er und 2000er Jahren weitere Hefte der „Bravo", aber auch von „Popcorn" auf den Index.
M wie Mädchen
„Mädchen" ist die langlebigste deutschsprachige Zeitschrift für weibliche Teenager. 1976 gründete Ernst Kauka das Magazin. Später wechselten die Verlage (Jürg-MarquardGruppe, Springer Verlag, OZ Verlag, heute Egmont Ehapa). „Mädchen" zielt auf Leserinnen zwischen 11 und 17 Jahren mit Themen wie Stars, Pop, Mode, Kosmetik, Alltagsreportagen und Beratung zu Liebe, Sex und Pubertät. 1988 bekam „Mädchen" starke Konkurrenz durch „Bravo Girl" und musste auf eine vierzehntägige Erscheinungsweise ausweichen, blieb aber weiterhin erfolgreich.
N wie Nena
J wie Jugendlust
Bravo"-
Anfang der 1980er avancierte Popsängerin Nena als Shootingstar der Neuen Deutschen Welle zum Liebling der Teenie-Magazine. Sie zierte zahlreiche Cover von „Popcorn", „Pop/Rocky" und der „Bravo", wo sie 28 Mal auf der Titelseite war – so oft wie keine andere deutsche Musikerin. Zum Vergleich: Peter Maffay und Peter Kraus schafften es jeweils auf 14 „Bravo"-Cover.
" Die „Jugendlust" (1876–2018), die am längsten existente Starschnitt und im deutschsprachigen Raum bis in die 1950er Nena Jahre meistgelesene deutsche Kinder- und Jugendzeitschrift, ist ein Beispiel für ein Jugendmagazin mit starker pädagogischer Intention in der Tradition aufklärerischer O wie OK Zeitschriften. Vom bayerischen Lehrerverband Der Heinrich Bauer Verlag brachte das Jugendals „Wochenschrift zur Belehrung und und Musikmagazin „ok – ist okay" zwischen Unterhaltung" von Schülern gegründet, sollte 1965 und 1967 heraus. Die Rubriken entsprasie, so das erklärte Ziel, den „Kampf gegen chen denen der „Bravo". Als Spezial-Gimmick Kitsch, Schmutz und Schund" aufnehmen. lagen in drei Heften auf dem Plattenspieler 1941 stellten die Nazis das Magazin ein, 1948 abspielbare Schallfolien mit den Stimmen kam der Neustart. 1978 gab der Domino Verlag von Sean Connery (4/1965), Cliff Richard die Schulzeitschrift neu betitelt als „floh!" (5/1966) und den Beatles (1/1965) bei. 1966 für Jugendliche heraus. 2018 erzwangen dürftige Absatzzahlen die gab es ähnliche Folien auch in der „Bravo". Einstellung. Trotz guter Erstverkäufe setzte sich „ok" nicht durch. Mit Ausgabe 14/1966 fusionierte „ok" mit dem Star-Magazin „wir" (Bauer-Verlag) und ging ab Heft K wie Kosmetik 16/1967 in die „Bravo" über, die zu „Bravo/ok" wurde, aber ab Ausgabe Die allgemeinen Musik- und Jugend 42/1967 wieder nur noch „Bravo" betitelt war. zeitschriften sprachen Mädchen wie Jungen an. Ein Kaufanreiz für weibliche Teenager, die gut die Hälfte des Lesepublikums ausmachP wie Pop ten, waren Mode- und Schminktipps, die Der Schweizer Verleger Jürg Marquard gründete 1965 die fundierte auch in Mädchenmagazinen wie „Melanie", Jugend-Musikzeitschrift „Pop". Sie kam in der Schweiz gut an, dann „Bravo Girl" und „Mädchen" (s. unter M) auch in der Bundesrepublik. „Pop" übernahm 1974 Berichte des englivorkamen, wo sie größeren Raum einnahmen. schen „Melody Maker" und schluckte das Hamburger Magazin „Poster Press". 1980 fusionierte „Pop" mit den deutschen Teenie-Zeitschriften „Popfoto", „Rocky" (s. unter R) und dem L wie Leserwahlen „Freizeit-Magazin" (s. unter F) zu „Pop/ Der bekannteste Leserpreis für Musik- und andere Stars in TeenieRocky". Das neue Magazin behauptete sich als Zeitschriften ist der „Bravo Otto" in Gold, Silber und Bronze. Der seit Nummer zwei der Pop-Jugendzeitschriften 1957 jährlich vergebene Preis hat seit 1965 die Form eines Indianers, hinter der „Bravo", zu der der Unterschied der dem Spielfilm-„Winnetou" nachempfunden ist (s. unter W), da desin einer größeren Posterzahl bestand. 1998 sen Darsteller Pierre Brice „Bravo"-Stammgast war. Vorher war es eine fusionierte „Pop/Rocky" mit der JugendMedaille. Brice bekam zwölf Ottos, nur übertroffen und Musikzeitschrift „Popcorn". Die hatte von der Rockband Bon Jovi mit 13 Trophäen. Inge ebenfalls Jürg Marquard erfolgreich 1977 Meysel erhielt elf Ottos. Außerdem u.a. dabei: – mit denselben Inhalten wie die „Bravo" Smokie, Wham!, Joachim Fuchsberger. – gegründet. „Popcorn" gibt es bis heute. Das Pendant war der Hammerschlumpf in Gold, Silber oder Bronze von „Pop/Rocky" (s. unter P). Seite
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Q wie Q
Weltweit gab und gibt es viele reine PopmusikZeitschriften für ältere und junge Musikfans, wie in den USA die international tonangebenden Magazine „Rolling Stone" und „Billboard" und in Großbritannien den „New Musical Express" oder den „Melody Maker". Dazu gehört auch das Monatsmagazin „Q" (seit 1986), das sich mit fachlicher Tiefe und hoher Druckqualität von wöchentlichen Teenie-Print-Produkten abheben sollte. Dieses Ziel erreichten die Gründer Mark Ellen und David Hepworth. Eine Besonderheit: die Aufstellung vieler Listen (z.B. „Greatest Albums"). Und: Die Redaktion verleiht in verschiedenen Kategorien den Q Award (seit 1990) für herausragende Popmusik.
R wie Rocky
Das wöchentliche Jugendmagazin „Rocky" (Burda Verlag, ab 1977) war als Gegenstück zur „Bravo" gedacht und sofort erfolgreich. Die Inhalte: Stars, Musik, Charts, Mode, Kosmetik, Romane, Poster-Tapeten von Abba, den Beatles, AC/DC, dazu eine Rubrik „Motor + Sport". 1979 (Heft 40) ging das „Freizeit-Magazin" (s. unter F) in „Rocky" über, das 1980 mit „Pop" und „Popfoto" zu „Pop/Rocky" fusionierte (s. unter P).
S wie Starschnitt
Der Starschnitt war eine der erfolgreichsten „Bravo"Rubriken. Die Idee: Jede Woche kamen bis zu zwei Posterseiten eines Stars ins Heft. Die wurden gesammelt, ausgeschnitten und zu einem Poster in Lebensgröße zusammengeklebt. Der erste Starschnitt (Heft 13/1959) zeigte Brigitte Bardot. Bis 1992 erschien der Starschnitt regelmäßig, dann nur sporadisch. Dabei waren u.a.: Marilyn Monroe, Elvis, die Beatles, Roy Black, Udo Lindenberg, Wham!, Madonna, Nena, das Fußball-WM-Team von 1974, Filmfiguren wie E.T. oder Superman und als einziger dreimal Pierre Brice als „Winnetou" (s. unter W). Bis 2016 gab es 122 Starschnitte mit 2333 Einzelteilen. Nachgeahmt wurde der Starschnitt in der „Rocky" (s. unter R) als Postertapete.
T wie Top Schlagertextheft Das „top Schlagertextheft" begann 1949 als Broschüre „Dein schönstes Lied – Arcadia Liederheft" (Tempoton Verlag Sikorski) mit Texten von Schlagern und internationalen Hits. 1969 wurde es eingestellt, um 1970 als „top Schlagertextheft" (Musikverlag Sikorski) aufzuerstehen, das alle sechs, ab 1987 alle vier Wochen erschien. Der Inhalt: Pop-, Rock- und Schlagertexte, Autogrammkarten, Verlosungen, ein Star-Lexikon, „PopPlaudereien". 1990 kam das letzte Heft heraus.
Jahre: „Von zu Hause weg – aber wohin? Schülerkommunen", „Was tun gegen Zeugnisse?", „Zentralkartei für Lehrerverbrechen" und die Verleihung des „Schlagrings der Woche/des Monats", der an einen prügelnden Lehrer ging. 1969 kam das Blatt auf den Index jugendgefährdender Schriften, 1970 wurde es eingestellt.
V wie Verlage
Die Verlage, die den Markt der Jugend- und Musikzeitschriften seit den 1960er Jahren wirtschaftlich und inhaltlich dominierten, waren (und sind) der Heinrich Bauer Verlag („Bravo", „ok", „Musik Parade", „wir") und die Marquard Media Gruppe („Pop", „Pop/Rocky", „Popcorn", „Mädchen", „Metal Hammer") und zumindest in den 1970er Jahren der Burda Verlag („Rocky", „Das Freizeit-Magazin"). In der DDR prägten die FDJ-Verlage Junge Welt („Die Trommel", „Der Junge Pionier", „Die Schulpost") und Neues Leben („Neues Leben") die Magazinlektüre junger Leser. Hinzu kam der erfolgreiche Henschel Verlag („Melodie & Rhythmus").
W wie Winnetou
Der erste „Winnetou"-Film „Der Schatz im Silbersee" mit Pierre Brice als edler Apachen-Häuptling war 1962 in der Bundesrepublik ein Leinwandhit bei Jung und Alt. Die „Bravo" befeuerte die Teenagerbegeisterung. Sie berichtete von den Dreharbeiten aller „Winnetou"Filme, brachte Pierre Brice dreimal als Starschnitt ins Heft (1964, 1967, 1977) und ein Schnittmuster für ein „Winnetou"-Kostüm zum Selbstschneidern. Brice erhielt zwölfmal den Bravo Otto (s. unter L), dessen Form 1965 in Anlehnung an den Häuptling zur Indianerstatue verändert wurde. Außerdem wurden Star-Treffen mit dem Franzosen veranstaltet, und die „Bravo" steuerte die Leserbrief-Aktion „Winnetou darf nicht sterben". Die führte mit dazu, dass die „Winnetou"-Reihe nach „Winnetou 3", in der er, wie es der Roman vorgibt, eigentlich stirbt, bis 1968 weitergeführt wurde. Das brachte der „Bravo" hohe Auflagen, die andererseits zum Erfolg der „Winnetou"-Filme beitrugen.
X wie Xpress
Der „Xpress" war eine Jugend- und Musikzeitschrift aus Österreich. Karl Vilsecker, Wolfgang und Helmuth Fellner gründeten das Magazin 1968 unter dem Namen „RennbahnExpress" (RBX) als Schülerzeitschrift, die sich auch jugendpolitischer Themen annahm, dann mit Inhalten wie Starberichten, Pop, Charts, Sex und Liebe zur „Bravo"-Konkurrenz avancierte und nach ein paar Jahren in ganz Österreich erfolgreich war. Ab 1988 wurde der Leserpreis Goldener Pinguin verliehen (s. unter L). Im Jahr 2000 übernahm der Orac Verlag die Herausgabe und benannte das Magazin in „Xpress" um. Nach Verkaufseinbrüchen wurde das Magazin 2013 eingestellt.
Y wie Yes!
U wie Underground
1968 gründete der Verlag Bärmeier & Nikel (damals Herausgeber der Satirezeitschrift „Pardon") „Underground – Das deutsche Schülermagazin" als das genaue Gegenteil der politikfreien „Bravo". Das kommerzielle (Auf lage: 120.000 Exemplare), aber linke, antiautoritäre und provokante Schülermagazin brachte Nachrichten aus westdeutschen Gymnasien für 16- bis 21-Jährige. Die Inhalte empörten Jugendschutzverbände und passten zur Schüler- und Studentenrevolte der 60er GoodTimes
„Yes!" – ein weiteres Beispiel für fremdsprachige Jugendzeitschriften – war ein knallbuntes chinesisches Teenagermagazin (Megalink International Communications, ab 1990). Eine Besonderheit: „Yes!" erschien meist mit zwei Titelseiten, zweimal mit einem Dreifach-, zweimal mit einem Vierfach-Cover und dreimal mit einer Titelseite. Die Inhalte: viele chinesische und internationale Musik- und FilmJungstars. 2014 kam die letzte Ausgabe heraus.
Z wie Zuschriften
Alle Jugend- und Musikzeitschriften achteten durch die Möglichkeit von veröffentlichten Zuschriften auf eine enge Leserbindung. In den Briefen ging es um Lob und Kritik, Fragen für Ratgeberrubriken und Abstimmungszuschriften für Starwahlen. Hinzu kamen spezielle Aktionen wie die „Bravo"-Kampagne „Winnetou darf nicht sterben" (s. unter W). Das alles gab den Lesern das Gefühl, dass ihr Lieblingsmagazin ein Sprachrohr für sie war. 2/2020
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Von Michael Fuchs-Gamböck
Die "brave Bravo"
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n dem katholischen Internat, in dem ich von Ende der 70er bis Anfang der 80er meine Schulzeit verbrachte, gingen sie ein und aus: Die Abonnenten-Werber eines Kinder- und Jugendmagazins namens „Stafette". Sie fanden offene Türen vor, schließlich wurde das Augsburger Institut von Benediktinermönchen geleitet, und die „Stafette" war seit ihrer Gründung bekannt dafür, pädagogisch wertvoll jungen Leuten ein aufgeklärt-christliches Weltbild zu vermitteln. Woran sich bis heute nichts geändert hat. Die „Stafette" demnach eine Art Anti- oder auch „brave Bravo"?! Niemals hätte sich darin ein Dr.-Sommer-Team über Sexualpraktiken für Jugendliche ausgelassen, auch nackte, vor der Kamera posierende Teenager wären darin nicht vorgekommen. Dieses monatlich erscheinende Blatt setzte stattdessen darauf, bei Halbwüchsigen den Spaß am Lesen zu fördern, Wissen zu vermitteln, Kreativität zu wecken. Für das Leben der Pubertierenden „unter der Gürtellinie", in Form von „heißem" Rock'n'Roll, sowie das erotische Erwachen der 10- bis 14-Jährigen war tatsächlich das Wochenmagazin „Bravo" zuständig. Dieselbe Zielgruppe also. Aber eine ziemlich komplett andere Themenausrichtung. Yin und Yang irgendwie. Doch da der Mensch, vor allem der Teenager, komplett abhängig ist von Yin und Yang, schließlich verbringt er einen aufregenden Entwicklungskampf Tag für Tag, hin und her gerissen zwischen Geist und Körper, spendierten mir die Eltern ein „Stafette"-Abo. Während ich mein Taschengeld unmittelbar vor Schulbeginn jeden Donnerstagmorgen Seite
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am Kiosk meines Vertrauens in eine „Bravo"-Ausgabe investierte, die ich heimlich ins Internatzimmer schmuggelte. Es mag an dieser Stelle danach klingen, als wäre die „Stafette" die Plattform für angehende Priester, Nonnen und sonstige Heilige. Nein, war und ist sie nicht. Ich habe die Lektüre niemals bereut. Sie war anregend, abwechslungsreich und belebend. Wunderbare Hirnnahrung für Unter-18-Jährige, so etwas wie „Die Sendung mit der Maus" oder „Löwenzahn" in Printversion. Während ich für diesen Beitrag recherchierte, habe ich in ein paar Ausgaben des Blatts sowohl aus meiner Kindheit geblättert, als auch in einigen Exemplaren der letzten Monate. „Stafette – alles, was ich wissen will." So steht es auf dem Cover geschrieben. Als Mitt-50er, selbst Vater von drei Kindern, ist man erstaunt, welch eine Themenvielfalt abgedeckt wird bei der Lektüre. Man erfährt, in knapper und dabei pointierter Sprache, Aufschlussreiches etwa über „coole Ferienziele" in Europa. Über Lieblingsfußballspieler. Über Mondlandungen. Der Neugierige kann Experimente machen, beispielsweise dazu, wie man Strom aus einer Zitrone gewinnt. Leicht nachzumachende Rezepte sind Standardeinrichtung. Und das turbulente Gefühlsleben der potenziellen Leserschaft wird eh nie außen vor gelassen. Gestandene Psychologinnen und Psychologen stehen Rede und Antwort. Rätsel und (richtig lustige) Witze sind seit jeher obligatorisch. Das kurze Statement des Nürnberger Johann Michael Sailer Verlags, Herausgeber des Hefts, bringt ziemlich genau auf den Punkt, wofür die „Stafette" steht. Und warum sie bis heute über 50.000 Abnehmer
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hat, obwohl das Monatsmagazin ausschließlich über Abonnement erhältlich ist. Daher sei es an dieser Stelle zitiert: „Zum Ende der Grundschulzeit hin vergrößert sich der Radius unserer Kinder immer mehr. Die Ansichten von Mitschülern und Freunden bekommen einen neuen Stellenwert. Umso wichtiger ist es da, ein smartes Magazin an der Seite zu haben, das die eigene Meinungsbildung fördert. Ganz nebenbei entspannen unsere Kinder und klinken sich beim Lesen einfach mal aus." Die Historie dieses Blattes, das für Heranwachsende zwischen etwa 9 und 15 Jahren konzipiert ist, liest sich erstaunlich. Damit beginnen muss man im Oktober 1946: Der Nürnberger Sebaldus-Verlag bekommt in jenem Monat die „Lizenz zum Drucken" von den US-Besatzern, es erscheint die erste deutsche Jugendzeitschrift nach dem II. Weltkrieg überhaupt, genannt „Liliput". Schon bald ist die Postille zumindest in Bayern in ihrem Andrea Hösel und Segment führend. Exakt 15 Jahre späRonald Rothenburger ter, also im Oktober 1961, erscheint ein thematisch konkurrierendes Magazin mit dem Namen „Neue Stafette". Der Verlagssitz ist in Freiburg. Beide Zeitschriften laufen nebeneinander her, nehmen sich die Kundschaft weg. Doch 1967 setzen sich die Verleger und Redakteure an einen gemeinsamen Tisch. Mit dem Ergebnis, dass im September jenes Jahre die Debütausgabe von „Liliput/Neue Stafette" das Licht der Öffentlichkeit erblickt. Ab 1969 heißt das Projekt nur noch „Stafette". Und besitzt nach wie vor einen festen Platz im Genre der Kinder- und Jugendblätter. Interview mit Andrea Hösel und Ronald Rothenburger, Leitende Chefredakteurin bzw. Chefredakteur von „Stafette" Frau Hösel, Herr Rothenburger – wie lange halten Sie der Stafette" " als Angestellte schon die Treue? HÖSEL: Ich bin als Leitende Chef redakteurin seit gut zehn Jahren an Bord. ROTHENBURGER: Ich bin seit bestimmt 20 Jahren dabei. In führender Position etwa genauso lange wie Andrea. Wie viele Menschen arbeiten Monat für Monat daran, dass die Stafette" " entstehen kann? HÖSEL: Aktuell sind wir sechs Festangestellte, also Journalisten, Grafiker, Volontäre. ROTHENBURGER: Dazu gesellen sich freie Autoren sowie Psychologen und Pädagogen, mit denen wir uns regelmäßig austauschen. Hat sich die Mission der Stafette" in all den Dekaden ihres " Bestehens jemals gravierend verändert? HÖSEL: Der Slogan „Alles, was ich wissen will" war und ist das Ziel, das wir seit jeher verfolgen und in hoffentlich gelungene Geschichten umsetzen. Wir verändern uns zwar regelmäßig, auch im Layout, damit wir flexibel und zeitgemäß bleiben. Doch wir sind nicht umsonst von der Stiftung Lesen ausgezeichnet, von diversen Kultusministerien immer wieder empfohlen worden. Einfach weil wir die Latte ziemlich hoch ansetzen. GoodTimes
ROTHENBURGER: Wobei ich es interessant finde, dass sich die Themenmischung immer geähnelt hat. Wir wollten und wollen die Neugier unserer jungen Leserinnen und Leser befriedigen. Allerdings ist die Textlänge der Beiträge etwas geschrumpft. Weil leider die Spanne der Aufmerksamkeit bei den Kids zurückgegangen ist. Diese Information haben wir von etlichen Lehrkräften zugesteckt bekommen. Wir gehen ja regelmäßig in Klassenzimmer, bringen die Hefte mit. Wir schauen dann sehr genau, wo die Augen der Schüler kleben bleiben. Im Anschluss diskutieren wir mit den Jugendlichen. Wir betreiben permanente Feldforschung, um für die moderne Generation der Teenies ein spannendes Magazin zu produzieren. Wie bleibt man am Puls der Zeit von 9- bis 15-Jährigen, wenn man, wie Sie beide, Kinder im Erwachsenenalter hat? ROTHENBURGER: Wir haben regelmäßig zwei Volontäre beschäftigt, die niemals älter als Anfang 20 sind. Die transportieren jede Menge Input von der Teenie-Welt draußen in die Redaktion. Dann wird eindringlich debattiert. HÖSEL: Frische im Redaktionsalltag, Frische an Themen ist angesagt! Die jungen Mitarbeiter bei uns haben keine Scheuklappen auf. Die forschen in der Welt draußen. Und bringen die Ergebnisse nach drinnen. Schließlich entsteht eine neue „Stafette"-Ausgabe. Monat für Monat. Gemeinsam. Verfolgt die Stafette" eine Art Erziehungsauftrag"? " " ROTHENBURGER: Unbedingt! Wobei das nicht bedeuten soll, dass wir mit dem dauererigierten Moral-Zeigefinger herumlaufen würden. HÖSEL: Ich würde mir sogar wünschen, dass die Bundesregierung eine Art „Zwangs-Abo" für unser Blatt einführt (lacht). Spaß beiseite! Ich fürchte, Merkel und Konsorten haben derzeit ganz andere gesellschaftliche Probleme. Trotzdem ist es wichtig, dass junge Menschen gewisse moralische Vorgaben mitbekommen, ohne dass man deshalb spießig daherkommen muss. Ist es nicht schwierig, die Jugendlichen von heute für ein anspruchsvolles Magazin zu begeistern? HÖSEL: Das war zu keiner Zeit einfach. Vor allem, wenn man bei nicht wenigen Teenies als „uncool" gilt. TV-Moderator Günther Jauch hat mal festgestellt, dass er „Stafette" regelmäßig gelesen hat. Doch die lässigen Klassenkameraden holten sich die „Bravo". ROTHENBURGER: Unsere ersten „Fans" sind die Eltern. Gleich im Anschluss kommen die Kinder. Weil denen Mama und Papa beizubringen versuchen, dass man nicht die ganze Freizeit vor dem Computer oder am Smartphone hängen muss, um sich zu unterhalten und weiterzubilden. Da gibt es auch noch die „Stafette" … Wie christlich ist das Weltbild, das die Stafette" vermitteln möchte? " HÖSEL: Wenn unter „christlich" verstanden wird, dass es um Werte wie Menschlichkeit, Miteinander, Demokratie-Verständnis und solche Dinge geht, dann ist unser Blatt unbedingt ein christliches Magazin. Aber wir sind definitiv keine Dogmatiker. ROTHENBURGER: Es gibt gewisse Tabu-Themen. 2/2020
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Die größte Jugendzeitschrift der Welt
Ein Blick zurück in den Jahrgang 1970 Analoge Welt hin, digitale Welt her, es gibt Dinge, die behaupten sich selbst im Wandel der Zeit. Ein Beispiel dafür ist die hierzulande erstmals 1951 erschienene Micky Maus", die heute " noch im Zeitschriftenhandel angeboten wird. Das Magazin genießt Kult-Status, doch diese Charakterisierung galt auch schon vor 50 Jahren, als Ehapa zwischen Januar und Dezember nicht weniger als 2080 Seiten in den 52 Heften des 20. Jahrgangs publizierte. Nachfolgend ein Blick zurück ins Jahr 1970 und auf das Druckerzeugnis mit dem haptischen Charme, das in jenen Tagen noch selbstbewusst den Untertitel trug: Die größte Jugendzeitschrift der Welt". " Von Horst Berner
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eues Jahr, neues Jahrzehnt, neues Glück … Als es am 3. Januar 1970 die „Micky Maus" am Kiosk für 90 Pfennig zu kaufen gab – Abonnenten flatterte der bunte Lesespaß für den Preis von 46,80 Mark pro Jahr immer dienstags per Post ins Haus –, ließ die Redaktion verlauten: „Hoffentlich ein Jahr, das allen viel Gutes bringt! Wir wollen es nicht nur wünschen, sondern auch – im Rahmen unserer Möglichkeiten – unseren Beitrag dazu leisten. Und wir wollen das neue Jahr … lachend beginnen." Die „MMK-Zeitung", ein 13-seitiger Mittelteil in jedem Heft, trug dazu ihren Teil bei: mit launigen Berichten und Reportagen aus aller Welt, Rubriken wie „Briefe an die Redaktion", „Wer schreibt mir?", Fußball- und Olympia-Sammelbildern, Briefmarkeninfos, Witzen, Rätseln und Wettbewerben. Eine weitere Besonderheit auf diesen Seiten war der Seite
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in jeder Ausgabe abgedruckte MMK-Gutschein, der, in entsprechender Stückzahl gesammelt, gegen diverse Extras eingetauscht werden konnte. Beliebtester Artikel war das Micky-Maus-Klubabzeichen, das bei Einsendung von 15 Bons an die legendäre Adresse „7 Stuttgart 1, Postfach 1315" vom Ehapa-Verlag an die jungen Fans verschickt wurde.
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ei Weitem wichtiger als die Inhalte der mitunter sehr konservativ und instruktiv gestrickten „MMK-Zeitung" – die von Heft 1/1956 bis 1/1976 existiert hat und von der es 1970 die Nummern 682 bis 733 zu schmökern gab – waren jedoch die Comics, in denen Walt Disneys quietschfidele Figuren in Aktion traten. An erster Stelle ist da Micky Maus zu nennen, der 1928 im Trickfilm „Steamboat Willie" sein Leinwanddebüt feierte und ab 1930 als Comic-Held in den US-Tageszeitungen auftrat. Im deutschsprachigen Raum gab der 2/2020
Schweizer Bollmann Verlag 1936/37 erstmals eine „Micky Maus Zeitung" heraus, ehe dann Ehapa (seit 2014 Egmont Ehapa Media), eine Tochtergesell schaft der skandinavischen Egmont Medieng ruppe mit Sitz in Kopenhagen, im September 1951 das Magazin lanMicky Maus" von cierte, das noch " heute erscheint. Bis Ende 1955 zunächst einmal im Monat, dann zweimal und schließlich Murry-Cover, Heft 26 ab Dezember 1957 wöchentlich veröffentlicht, trug die angesehene „Micky Maus" mit dazu bei, das Medium Comics in Deutschland vom angekreideten Makel „der süchtig machenden Bilddrogen, die den Leser zugrunde richten" zu befreien.
Abbildungen: © 1970 Walt Disney Productions und Ehapa-Verlag / © 2020 Disney Enterprises, Inc. und Egmont Ehapa Media GmbH
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ie Abenteuer des Mäuserichs muteten schön und gut an, in der Gunst der Leserschaft rangierte freilich stets die DuckSippe vor dem zwangsläufig etwas tugendhafteren Titelhelden. Im Heft drückte sich das unter anderem aus durch den Abdruck eines größeren Anteils von Enten-Bildstreifen. Heimlicher Superstar war (und ist) Donald, der trotz seines Pechvogel-Images immer alles optimis tisch angeht, um dann doch nur weitere Katastrophen zu provozieren. Eine Konstellation, die ein Garant ist für nicht enden wollende Burlesken. An seiner Seite wuseln die pfiffigen Neffen Tick, Trick und Track, während Vetter Gustav Gans den ewigen Glückspilz und Nebenbuhler verkörpert – nicht zuletzt beim Werben um die Gunst von Daisy. Den Anstoß zu aberwitzigen Unternehmungen liefert vielfach der steinreiche alte Duck, von allen gefällig Onkel Dagobert genannt, durch seine unstillbare Gier nach noch mehr Talern, während die Panzerknacker nichts unversucht lassen, um seinen Geldspeicher anzuzapfen. Zusammen mit Daniel Düsentrieb, dem spleenigen Erfinder mit zündenden Ideen, Mickys zwar naivem, aber treuem Freund Goofy (der sich bisweilen in Supergoof verwandelt und dann unschlagbar ist) sowie dem verbrecherischen Kater Karlo sind die zentralen Figuren dieser illustren Gesellschaft genannt, die anno 1970 beste Unterhaltung garantierte. Werden alle ComicSeiten dieses Jahrgangs überschlagen, entfielen von den knapp 1130 gedruckten etwa 660 auf die Ducks und rund 360 auf Maus & Co. Die restlichen verteilten sich auf Charaktere wie Der kleine Wolf, Ahörnchen und Behörnchen, Strolchi, Die drei kleinen Schweinchen oder Klein Adlerauge.
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u den Textern und Zeichnern, die den Großteil dieser Comics gestaltet haben, gehörten die US-Künstler Pete Alvarado (1920– GoodTimes
2003), Jack Bradbury (1914–2004), Jim Fletcher (1930–2004), Paul Murry (1911– 1989), Tony Strobl (1915–1991) und Kay Wright (1919–1999). Daneben wirkten aber auch diverse europäische Autoren – etwa die Dänen Hans Højdorf, Nils Rydahl und Adrian Sørensen (*1930) oder der Niederländer Ed van Schuijlenburg (*1946) –, die Egmont direkt zuarbeiteten, wo ab 1959 eigenes Material kreiert wurde. Erwähnenswert sind des Weiteren die beiden Italiener Giovan Battista Carpi (1927– Gottfredson, Heft 9 1999) und Romano Scarpa (1927–2005), die den Verlag Mondadori, der damals die Lizenz zur Herstellung von Disney-Comics besaß, belieferten. Dagegen gab es im Jahrgang 1970 nur wenig Material von Publikumsliebling Carl Barks (1901–2000) – tatsächlich sind es gerade mal zwei Kurzgeschichten: „Retter in der Not" mit Donald Duck in Heft 10 (7. März) und „PicknickErfindungen" mit dem von ihm erdachten Daniel Düsentrieb in Heft 14 (4. April). Auch die Disney-Legende Floyd Gottfredson (1905–1986) ist nur mit drei halbseitigen „Micky"Comic-Strips in den Heften 9 (28. Februar), 24 (13. Juni) und 26 (27. Juni) vertreten. Aus der Feder des anderen großen Strip-Zeichners, Al Taliaferro (1905–1969), findet sich übers Jahr verteilt wenigs tens ein gutes Dutzend an Gags mit Donald Duck.
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ie attraktiv gestaltete Titelseite kann zum entscheidenden Argument beim Kauf einer „Micky Maus" werden, weshalb es in der Regel die populärsten Figuren sind, die es aufs Cover schaffen. Im Jahr 1970 waren Donald und die Seinen auch in dieser Hinsicht einsame Spitze und tummelten sich in Form eines witzigen Cartoons bei weit über der Hälfte der Hefte auf der ersten Seite. Micky und Goofy alias Supergoof brachten es gerade mal auf zehn Gala-Auftritte. Dafür prangte auf jeder Ausgabe, groß links oben, das runde Logo der Maus mit den markanten schwarzen Ohren. Daneben standen der Titelschriftzug „Micky Maus" mit der Unterzeile „Die größte Jugendzeitschrift der Welt" sowie weitere Angaben wie die Heftnummer, das Erscheinungsdatum und die Verkaufspreise für Deutschland und neun andere europäische Länder. Apropos Preis, der wurde mit Heft 26 vom 27. Juni auf eine Mark erhöht. Allerdings bemühten sich die Blattmacher, die Chefredaktion hatte die bis in die Gegenwart höchst verehrte Dr. Erika Fuchs (1906–2005) inne, das mit einem Mehr an Inhalt auszugleichen. Der sich über Wochen hinziehende Jubiläumswettbewerb anlässlich des Geburtstags des Titelhelden – wozu das 84-seitige Sonderheft „Micky: 40 Jahre jung!" aufgelegt wurde –, bei dem es als Hauptpreise zwölf Flugreisen nach USA und Disneyland zu gewinnen gab, war eine Idee; eine andere die fortan eingeklebten Sammelbilder der DisneyStars in Leuchtfarben. Derlei Gimmicks, also kurzweilige Beilagen oder Zugaben zur Zeitschrift, gab es einige 1970: beispielsweise eine Donald-Faschingsmaske (Heft 6; 7. Februar), eine Sonnenblende (Heft 32; 8. August), einen Stundenplan (Heft 36; 5. September) oder einen Adventskalender (Heft 48; 28. November). Außerdem 2/2020
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8 (21. Februar), 25 (20. Juni), 26 (27. fanden sich in allen 52 Ausgaben Juni) (alle von Murry), den Heften 9 (28. jeweils zwei Klappseiten mit Februar), 17 (25. April), 42 (17. Oktober), Bildstreifen zum Heraustrennen 44 (31. Oktober) (alle von Strobl) und bei und Sammeln, darunter die Heft 37 (12. September), für das eine Illustration von Serie „Mickys Puzzlespiel". Eine Barks herangezogen wurde. Auch von den franzöwesentliche Rolle spielten zudem sischen und niederländischen Disney-Zeitschriften, die Titelrückseiten, die dauernd „Le journal de Mickey" und „Donald Duck", wurden mit Reklamen für andere haus Motive entliehen. So stammten die vier Titelbilder mit eigene Produkte belegt waren. Düsentrieb und Daisy (Heft 5, 31. Januar), Düsentrieb Übers Jahr wurde damit das und Dagobert (Heft 7, 14. Februar), Oma Duck (Heft Interesse der Leserschaft für Titel 10, 7. März) und den Panzerknackern (Heft 11, 14. geweckt wie die Buchreihe „Walt Murry-Cover, Gold Key (1969) März) vom Künstler Carol Voges (1925–2001), der zu Disneys wunderbare Welt", die Lebzeiten in Amsterdam beheimatet war. Etliche der Ausgaben 20 bis 23 von „Die Covers aus dem Jahrgang 1970 gingen anschließend in tollsten Geschichten von Donald Rydahl-Cover, Heft 3 den Kreislauf der Wiederverwertung und wurden modiDuck", die Nummern 11 bis 14 fiziert in anderen Heftreihen nachgedruckt. Zwei Beispiele sind die von „Lustige Taschenbücher", die Hefte 19 bis Titelbilder von Heft 3 (17. Januar) und Heft 11 (14. März), die das Heft 24 der „Mickyvision", die Farbdia-Folgen „Apollo 84 von „Die tollsten Geschichten von Donald Duck" (1985) und die 11", „Apollo 12", „Dschungelbuch" oder die Nummer 5 der Taschenbuchreihe „Donald Duck" (1975) schmückten. Disney-Poster im Großformat mit den Motiven „Mogli und Balu", „Donald Duck", „Micky Maus und Pluto". Inzwischen gelten derlei Objekte für us heutiger Sicht sehr reizvoll wirken schließlich die in den Heften Disney-Fans als geschätzte Sammlerstücke, die eingestreuten zeitgenössischen Anzeigen, die einen Eindruck jedoch teuer gehandelt werden. So taxiert der davon geben, für welche Produkte sich Kinder und Jugendliche im „Comic Preiskatalog 2019" jedes einzelne Heft Jahr 1970 interessiert haben beziehungsweise welche ihnen suggeriert Strobl-Cover, der „Micky Maus" aus dem Jahrgang 1970 in wurden. Das reichte von beharrlich geschalteten Inseraten zum Hobby Gold Key (1969) sehr gutem Zustand auf über 20 Euro. Nummer eins Briefmarkensammeln von Unifil und Marken Paul bis zu Annoncen für Modelleisenbahnen von Märklin, Spielzeugautos von Matchbox, Mattel und Corgi, Plastik-Modellbau-Sätze von Revell, Kreuzer-Malfix-, Geha- oder Pelikano-Stifte, den Alleskleber Uhu, Ravensburger Taschenbücher, Jugendschuhe von Ricosta oder Torpedo-Dreigang-Fahrräder. Auch die Anpreisung von Süßigkeiten fehlte nicht: Ob Schokoriegel wie Duplo, Mounds oder Caravelle, der Nuss-Nougat-Brotaufstrich Xoxi, Trio-Fruchteis, Schokogetränke wie Kaba und Benco Instant, Erfrischendes von Sunkist, Fanta oder Unimalz, es gab Werbung für beinahe alles – selbst für Dosenmilch. Voges-Cover für Donald Duck" (Nr. 43/1968), Micky Maus" " " Wer mit Blick auf die Zielgruppe als Inserent (Heft 11/1970) und Donald Duck" (Nr. 5/1975) " besonders scharfsinnig vorgehen wollte, der setzte bei seiner Offerte auf die Sprache der it dem zeitlichen Abstand von 50 Jahren sind es vor allem die Comics. Bei Uhu gab's das Witzbild, bei Fichtel Titelbilder, deren Charme sich der Betrachter kaum entziehen & Sachs die Bildstreifen, Kreuzer machte auf kann, weil sie vom Gefühl her für pure Nostalgie stehen. In ihrer Pop Art, Unimalz auf Psychedelic und Duplo plakativen Schlichtheit sind sie erkennbar ein Druckerzeugnis aus auf Easy Rider. Erstaunlich, dass die Redaktion der einer Epoche, in der Entwicklungen, wie sie durch „Micky Maus" seinerzeit keine Veranlassung sah, sich die digitale Revolution ausgelöst wurden, allenfalls den Themen Musik, Beat, Platten und Tanz zu widim Rahmen von Science-Fiction vorstellbar waren. men, obwohl diese von der Leserschaft in der „MMKEine Begleiterscheinung dieses Zeitung" bei Anfragen in Sachen Brieffreundschaften Wandels, die Informationsflut, häufig als Interessengebiete genannt wurden. Das drückt sich heutzutage auch Höchste der Gefühle blieb hierzu die Anzeige von auf den Covers der seit 2001 am Hohner, wo es hieß: „Ein richtiger Cowboy hat seine Verlagsstandort Berlin produMundharmonika immer dabei. Wie jeder richtige zierten „Micky Maus" aus, die Junge." Gleichwohl ging das Konzept der „Micky mitunter so überladen wirken, Maus" auf. Mit der wöchentlichen Druckauflage von dass sie dadurch an „Lesbarkeit" über einer halben Million Exemplare und dem allseits verloren haben. Die meisten der bekannten Slogan „Jeden Dienstag in jedes Haus wohltuend sachlich gehaltenen das neue Heft der Micky Maus" war der Schmöker Grafiken auf den Titelbildern in Deutschland die erfolgreichste Comic-Serie und der Ausgaben von 1970 steueine Institution in Sachen Unterhaltungsliteratur. erte der bereits erwähnte Nils Die tollsten " Geschichten von Donald Rydahl bei. Nicht selten hat er Kein Vergleich zur aktuellen Situation, in der das Duck", Heft 84 Magazin – das seit Heft 35 vom 25. dazu ein Panel aus den von August 2017 wieder zweiwöchentlich Al Taliaferro nach Texten von Bob Karp (1911–1975) erscheint und 3,70 Euro kostet – laut gezeichneten Tagesstreifen mit „Donald Duck" herIVW-Zahlen vom 4. Quartal 2019 bei ausgegriffen und neu interpretiert. Selbstverständlich einer Druckauflage von 130.000 liegt, wurden aber auch Vorlagen, zuweilen spiegelverkehrt von der knapp 75.000 Exemplare verkauft oder farblich abgewandelt, aus den von Gold Key in den werden. Dagobert Duck wird darüber USA publizierten Disney-Serien übernommen. Unter nicht erfreut sein … anderem war das so bei den Heften 2 (10. Januar),
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Utopia
in Heftform Von Hans-Joachim Neupert
Geschichten aus der We lt von Übermorgen D
Utopisch-fantastische Geschichten wurden in nahezu allen Kulturkreisen seit Anbeginn der Zivilisation aufgezeichnet. Es waren dann aber Jules Verne und H.G. Wells, die mit ihren Zukunftsvisionen als geistige Väter und Impulsgeber für das Genre der Science Fiction dienen sollten. Auch im Heftformat war der Gattung ein großer Erfolg beschieden.
ie erste utopische Heftreihe speziell in Deutschland war „Mac Milfords Reisen im Universum" von Oskar Hoffmann, für die 1902/03 der Startschuss fiel. In rascher Folge kamen dann weitere Serien auf den Markt. Am erfolgreichsten war „Der Luftpirat und sein lenkbares Luftschiff", eine Reihe, die ab 1908 wöchent lich erschien, es auf 165 Ausgaben brachte und sogar in Russland und Italien die Leser begeis terte. Zwischen den beiden Kriegen gab es zwei Serien, beide verfasst von Paul Alfred Müller, die Bestsellerstatus er reichten: „Sun Koh, der Erbe von Atlantis" (150 Hefte) und „Jan Mayen, der Herr der Atomkraft" (120 Hefte), die zwi schen 1933 und 1939 erschienen. Obwohl beide Serien deutschnationales Gedankengut verbreiteten, gerieten sie auf die Liste der „unerwünschten Schriften" und mussten ein gestellt werden. Die 50er Jahre standen wie kein anderes Jahrzehnt für die Hoffnung auf eine bessere Zukunft und den ungebrochenen Glauben an Seite
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grenzenlosen technischen Fortschritt. „In 80 Tagen um die Welt", davon hatte Jules Verne noch 100 Jahre zuvor nur geträumt. Aber schon bald nach dem Zweiten Weltkrieg lie ßen Düsenflugzeuge die Reisezeit gewal tig schrumpfen, so dass jeder beliebige Ort auf diesem Planeten innerhalb eines Tages erreichbar war. Die Atomenergie versprach kostengünstig ungeheure Strommengen zu liefern. Der Kalte Krieg zwischen den USA und der UdSSR vermochte den techni schen Fortschritt regelrecht zu beflügeln. Das Unmögliche schien plötzlich möglich zu sein. Und dann gab es da auch noch den „RoswellZwischenfall" vom Juli 1947: Nach ersten Pressemeldungen war es der US Army gelun gen, in New Mexico ein havariertes UFO zu bergen. Aber nur einen Tag nach Bekanntgabe dieser Sensation wurde das Objekt von offi zieller Seite zum Wetterballon degra diert. Die UFOSichtungen aber hielten dennoch an, und das weltweit. Die Menschen fühlten förmlich, dass es da draußen noch etwas gab, das auf sie wartet. Die Menschheit war an der Schwelle zu einem neuen wissenschaftlich-technischen Zeitalter angekommen, stand aber gleichzei tig auch am Rande der atomaren Apokalypse. „Ad astra" (auf zu den Sternen) oder zurück in die finsterste Steinzeit, alles schien möglich.
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Dass es unter diesen Vorzeichen insbesondere in den USA zu einem regelrechten ScienceFiction-Boom kam, verwundert nicht. Allein 1950 wurden zehn neue Magazine auf den Markt geworfen, und nur zwei Jahre später hatte der Käufer schon die Auswahl zwischen 33 verschiedenen SF-Publikationen monatlich. Die Science-Fiction-Hochkonjunktur beschränkte sich aber nicht nur auf die Printmedien. Auch Hollywood nahm sich in verstärktem Maße des Genres an. Kinofilme und Fernsehserien popularisierten die SF. Ausgangspunkt war George Pals Weltraumfilm „Destination Moon" aus dem Jahre 1951, der eine ganze Reihe von ähnlichen Werken nach sich zog. Die UFO-Hysterie hatte ihren Höhepunkt erreicht, und der Koreakrieg war in vollem Gange. Die unterbewusste Angst, die der amerikanische Durchschnittsbürger vor einer drohen den Invasion durch die Kommunisten hatte, wurde von findigen Produzenten ausgenutzt, um mit Monsterund Invasionsfilmen das ganz große Geld zu scheffeln. Auch in Deutschland waren die Menschen von dem, was aus den USA nach Europa herüberschwappte, magisch angezogen. Der Heftchenverleger Erich Pabel aus Rastatt witterte als erster eine Marktlücke. Mit dem Werbeslogan „Ein amerikanischer Riesenerfolg – ganz neu für Deutschland" brachte der clevere Verleger ab 1953 die Heftserie „Utopia – Jim Parkers Abenteuer im Weltraum" heraus. Das Paradoxe dabei: SF-Heftromane gab es in Deutschland bekanntlich schon seit Beginn des Jahrhunderts, und die veröffentlichten Geschichten hatten sehr wenig mit amerika nischer Science Fiction gemein. Unter dem Verlagspseudonym Alf Tjörnsen wurden die Texte von zwei deutschen Autoren verfasst. Sie gaben sich dabei jedoch eher hausbacken im Stil früher deutscher utopisch-fantastischer Heftserien, wenngleich die Handlung von vornherein in den Weltraum verlagert wurde. Alle 14 Tage kam ein solches Heft mit anfänglich 48 Seiten zum Preis von 50 Pfennig an die Kioske. Die ersten 43 Bände widmeten sich aus nahmslos Jim Parkers Weltraumabenteuern, danach erschienen sowohl Ausgaben deutscher als auch Übersetzungen anglo-amerikanischer Autoren. Die „Utopia-Romane" waren in den 50er Jahren die Einstiegsdroge in das Medium Science Fiction und boten, wenn auch sehr ein geschränkt, erste Publikationsmöglichkeiten für Nachwuchsautoren. Viele der 596 erschienenen Titel waren geprägt von ganz banalen Produktionen und katastrophalen Übersetzungen, es gab aber auch Highlights von erlesener Qualität. Vereinzelt erschienen zwei Hefte unter einer Nummer, etwa Nr. 381, geschrieben vom Scientology-Gründer L. Ron Hubbard, mit dem Titel „Versklavte Seelen". 1962 versuchte der Pabel-Verlag, an den kolossalen Erfolg der „Perry Rhodan"-Serie anzuknüpfen und startete innerhalb der „Utopia"GoodTimes
Reihe eine Romanserie mit dem Helden Mark Powers. Auch viele der „Utopia"-Titelbilder sind wahre Eyecatcher und unter Sammlern sehr begehrte Objekte. Dazu zählen die Werke des wohl produktivsten deutschen SF-Zeichners Johnny Bruck, der zwischen den Verlagen Pabel und Moewig hin und her pendelte und später der Stardesigner der „Perry Rhodan"Cover wurde. Erst 1968 wurde die überaus beliebte Reihe „Utopia" eingestellt. Der „Utopia"-Heftserie war von Anfang an ein großer Erfolg beschieden, und so entschloss sich der Pabel-Verlag bereits nach einem Jahr Laufzeit zur Herausgabe einer zweiten Reihe, der „Utopia"Großbände. Die Serie war keinem Serienhelden verpflichtet und brach te von Anfang an Übersetzungen zumeist amerikanischer Autoren, die leider zum Teil rigoros gekürzt waren, um eine einheitliche Seitenzahl zu gewährleisten. Die Serie wurde von Walter Ernsting alias Clark Darlton redak tionell betreut und zu einem ersten Forum für Science-Fiction-Fans ausgebaut, gleichzeitig veröffentlichte der Redakteur seine eigenen Romane, jedoch unter Pseudonym. Ernstings frühe Geschichten „UFO am Nachthimmel", „Raum ohne Zeit" und besonders „Das ewige Gesetz", in denen die Theorien des Schweizer Erfolgsautors Erich von Däniken vorweggenommen wurden, waren bei den Lesern außerordentlich gefragt. Die Sonderband-Reihe brachte es auf insgesamt 204 Bände und wurde erst im Jahre 1963 eingestellt. Die Science-Fiction-Literatur boomte, und Mitte der 50er Jahre kamen deshalb in rascher Folge vermehrt SF-Leihbücher und Heftserien auf den Markt. Gemeinsam mit der Reihe „Utopia Kriminal" startete der Pabel-Verlag 1955 auch das erste deutsche Science-FictionMagazin, das „UtopiaMagazin" betitelt war. Das rund 100 Seiten dicke Heft kostete eine DM und brachte eine gut illustrierte Mischung aus Kurzgeschichten zumeist US-amerikanischer Herkunft, wis senschaftlichen Artikeln, Buchbesprechungen und Leserbriefen. Die Geschichten stamm ten teilweise von Spitzenautoren wie Isaak Asimov, Robert A. Heinlein, Arthur C. Clarke, Robert Silverberg, A.E. van Vogt und Ray Bradbury. Besonders interessant sind aus heutiger Sicht nicht zuletzt die Artikel, die den Lesern ein Bild der nahen Zukunft vermitteln sollten. Im „Utopia Magazin" Nr. 7 gibt es einen Bericht über das Leben im Jahr 1977. Da heißt es zum Beispiel: „In 25 Jahren gibt es keine Krankheiten mehr"; „Städte werden ihr eigenes Klima haben"; und: „Ausflüge zum Mond, zum Mars und auch zur Venus werden etwas ganz Alltägliches sein." Der Optimismus war eben grenzenlos. Das Jahr 1959 nahm der deutschen SF-Szene mit der Einstellung von „Utopia-Kriminal" und besonders mit dem Aus für das „Utopia-Magazin" dann jedoch ein bisschen das Salz aus der Suppe, und schon 1960 bahnte sich ein tiefgreifender Wandel an, der letztendlich die Hefte weitgehend in eine triviale Ecke drängte. In diesem Jahr begannen Goldmann und Heyne zeitgleich mit der Veröffentlichung von SF-Taschenbüchern, die qualitativ das bisherige Niveau weit hinter sich ließen. Die Hefte aus den 50er Jahren aber sind heute aufgrund ihres ungewöhnli chen nostalgischen Flairs bei Sammlern sehr gesucht und besonders die frühen Nummern in sehr gutem Zustand auch recht teuer. 2/2020
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Sexauer, Laufenberg, Gottschalk und Co.
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Von Manfred Prescher
Als das Radio jung wurde
er Beginn der Radioneuzeit erinnert an das kleine gallische Dorf aus „Asterix": Speziell vor den Nordseeküsten nutzten Piratensender wie das britische Radio Caroline, das dänische Radio Syd oder Radio Veronica aus den Niederlanden Gesetzeslücken und sendeten aus der neutralen Zone in Jochen, Frank und Helga ihr Heimatland. Manche, wie Caroline charmante „Luxemburger“ oder Veronica, hielten jahrelang durch, andere, wie Radio Dolfjin schafften es gerade mal drei Monate, auf Sendung zu bleiben. Was mit dem dänischen Sender Radio Mercur und seinem Schiff Cheetah 1958 begann, begeisterte aber die Jugend und sorgte so dafür, dass neue Songs schnell zu Hits wurden. Denn DJs wie Tony Withers oder Tom Lodge spielten die brandneuen Singles der Stones oder der Small Faces zuerst. Eigentlich ist Europas erster Privatrundfunksender Radio Luxemburg auch eine Art Piratensender. Denn bereits 1933 ging es los, aber richtig erfolgreich wurde man in den 1960er Jahren mit Sendungen für junge Leute: Am 14. Januar 1964 um 15.03 Uhr startete Frank Elstner mit der Sendung „Träumen am Nachmittag" in eine neue Radio-Ära. Danach übernahm er „Die großen 8" von Camillo Felgen, Seite
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Elstners Mikro-Hypnose
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führte durch die Morning-Show „Der fröhliche Wecker" und vieles mehr. Aber was war nun eigentlich das Neue? In „Das große Buch über Radio Luxemburg" brachte es Elstner 1972 auf den Punkt: „Wir sind Stegreifplauderer und reden so, wie uns der Schnabel gewachsen ist. Das fördert den guten Kontakt zu unseren Hörern." Elstner und seine Kollegen wie Jochen Pützenbacher, Helga Guitton oder Hans Meiser profitierten dabei von der Vorarbeit von Tony Prince. Der Mann aus Lancashire kam zwar erst 1967 zu Radio Luxemburg, aber vorher wurde er schon bei Radio Caroline als „your royal ruler" – „Ihr königlicher Herrscher" – zum Star. Außerdem prägten DJs wie John Peel und Tommy Vance dank des britischen Armeesenders BFBS (British Forces Broadcasting Service) die deutsche Radiolandschaft. Bei ihnen hörte man erstmals Pink Floyd oder konnte den jungen David Bowie für sich entdecken. Bereits ab Anfang der 1960er Jahre machte sich Robert Smith einen Namen: Als „Wolfman Jack" wurde der New Yorker zum Markenzeichen des Rock’n’Roll und über AFN (American Forces © Pressefoto
Man muss sich das so vorstellen: Während die Jugend die Beatles, die Stones oder die Who feierte, bekam man im Radio davon nichts mit. Diese Musik wurde kaum gespielt, und wenn, dann waren die Moderatoren noch genauso steif wie in der Nierentisch-Ära. Es spielte keine Rolle, ob sie nun “You Really Got Me“ von den Kinks, den „Königsjodler“ von Franzl Lang oder Mozarts “Der Hölle Rache kocht in meinem Herzen“ ansagten. Man gab sich seriös und sagte nur die Nummer im Köchelverzeichnis oder den Titel der nächsten Schallplatte an. Dies war freilich kein deutsches Phänomen, selbst im Heimatland von John Lennon oder Mick Jagger war man im Sendestudio förmlich und konservativ. Das galt zumindest für die öffentlich-rechtliche BBC.
Network) auch in Süddeutschland zum Kult. Die Soldatensender prägten die Jugend, weil sie – wie die Piratenradios in der Nordsee oder die Luxemburger – erfrischend anders waren als BR, WDR oder NDR. Bei AFN begann übrigens auch der spätere BR-Star Fritz „With The Hits" Egner seine Radiokarriere – erst als Toningenieur und dann, eher zufällig, 1974 auch als Moderator.
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markigen Worten „Man merkt es euren Discjockeys an, dass ihr sie Wer sich auf eine klingende Reise in diese goldenen Radiozeiten per Fragebogen sucht!" verweigerte Gottschalk die seinerzeit beim BR begeben will, kann das auf der altbacken wirkenden, aber liebevoll mit übliche Befragung – und wurde als „fester freier Mitarbeiter" angeHörbeispielen bestückten Privatseite www.rias1.de tun. Da findet man nommen. Gottschalk versuchte sich dort erst einmal mit ernsthaften Originalausschnitte, Jingles und ganze Sendungen von Piratensendern Beiträgen und als Sprecher der „Abendschau"-Nachrichten im dritten und von Radio Luxemburg, aber auch von BFBS und den deutschen TV-Programm des BR. Im Fernsehen konnte Stationen. Auch den großen Manfred Sexauer kann man da hören. Der man ihn von 1976 bis 1981 auch als Moderator ausgebildete Schauspieler moderierder „Szene" und des Nachfolgeformats „Pop te, bevor er ab 1972 durch den Stop" sehen, wo man bereits vor dem Sendestart „Musikladen" auch deutschlandweit von MTV Musikclips zeigte. Aber Gottschalk war bekannt wurde, für die Europawelle und ist Radiomann mit Leib und Seele, wie er Saar des Saarländischen Rundfunks noch heute immer wieder betont. Dass er aktuell die Sendung „Hallo Twen". In direkbeim SWR aktiv ist und vorher bei Bayern 1 am ter Konkurrenz zu Radio Luxemburg Radiomikrofon an alte Zeiten anknüpfte, bestäführte Sexauer vom 4. Oktober 1965 tigt dies. Auch der Riesenerfolg von „Wetten, täglich von 18 bis 19 Uhr locker und dass ...?" ändert daran nichts. doch profund durch das Programm 1976 stellte der BR Gottschalk fest an – und der Radioshow. Dabei brachte er die der startete dann richtig durch: Am 15. Juli Fritz got the Hits Platten zunächst von zu Hause mit. 1977 wurde seine Show „Pop nach 8" auf Sexauer spielte Blues, Soul, Rock und Folk und – das war damals wirkBayern 3 erstmals ausgestrahlt. Was dann nach der „Sendekennung", lich innovativ – hielt den Stilmix durch seine Moderatorenpersönlichkeit dem Instrumental "The Pelican Dance" von The Baronet geschah, zusammen. Nach insgesamt 1500 Sendungen wurde Sexauer las eher selten vom Blatt war anarchisch, spritzig, spontan „Hallo Twen" 1973 abgesetzt. Aber die „Beatmusik" und selbst bei Pannen so souvehatte längst schon die Europawelle und andere Sender rän, dass es den Hörer mitriss. erobert – mit dem „Club 16" (BR), mit den von HansGottschalk wusste genug über Jürgen Deutschmanns alias Barry Graves inszenierten Musik und war nicht nur wähReihen wie „See You Later Alligator" oder „Graves bei rend der „normalen" Sendung, Nacht" (beide Rias) oder – etwas „volkstümlicher" – sondern auch beim Wetter mit Mel Sondocks erfolgreicher „Diskothek im WDR". oder den Verkehrsmeldungen Der Texaner Sondock setzte, wie vorher kaum jemand, oft sehr witzig. Wenn es nicht auf ein wiedererkennbares Markenzeichen: Ab 1966 gerade um schwere Unfälle oder ging sein „Ihr alter Jockdiskey Em-A-El" als zugleich Geisterfahrer ging, moderierte er Begrüßung und erste Anmoderation „on Air". Sondock frisch von der Leber weg draufund Graves waren sehr unterschiedlich, aber Parallelen los – oft zum Leidwesen des gab es doch: Der Amerikaner gilt als Gründervater des Rundfunkrats: So sagte er anläsdeutschen Diskothekentums, und Graves war ein Szenegänger, der in slich der Eröffnung eines skandinavischen Möbelhauses: „Autobahn den mittleren 1970er Jahren Disco-Sound und später auch Techno ins München-Nürnberg: Fünf Kilometer Stau vor der Abfahrt Eching. Radio brachte. Wegen Ikea dort. Wird sicher bald Elching heißen." Frank Laufenberg, der wie Barry Graves auch mit Musiklexika Anfang der 1980er Jahre folgte er dem Ruf von Frank Elstner und bekannt wurde, war Künstlerbetreuer bei der Plattenfirma Electrola, ging zu Radio Luxemburg, wo er durch die „Hitparade" führte und bevor er Moderator „B3 Radioshow“ mit Gottschalk und Jauch den „Mister Morning" gab. Von 1983 bis 1989 moderierte er beim Südwestfunk in dann an jedem Werktag die „B3 Radioshow". Ab 1985 machBaden-Baden wurde. te er das gemeinsam mit Günther Jauch, wobei Gottschalk Allerdings hatte er von 14 bis 16 Uhr sendete und der gebürtige Münsteraner schon vorher beim Jauch danach bis Krause steht hinter Laufenberg Südfunk Stuttgart erste 17.30 Uhr weiterRadio-Erfahr ungen machte. Legendär gesammelt. Laufenberg sind die frotzeligen bewarb sich tatsächlich Übergaben, etwa: mit einer auf Tonband „Günther kommt grad aufgezeichneten Oldierein und sieht wieder Sendung beim SDR. mal ziemlich zerzaust Richtig los ging seine aus", oder: „Sollen Rundfunkkarriere allerwir uns jetzt um die dings erst über den Studiogäste prüUmweg Plattenfirma, denn der Kontakt zum SWF entstand am Rande geln?" Sicher ist, dass Gottschalk einer Interviewreise. Mit Kollegen wie Walther Krause oder Karlheinz und Jauch mit ihrer turbulentKögel wurde Laufenberg zum Miterfinder des modernen Radios. charmanten Verbindung ihrer Speziell die ab Januar 1970 gestartete und unter ihm auch beim SDR Programmblöcke absolut richausgestrahlte Sendung „Pop Shop" war immens erfolgreich und neutungweisend waren. Heute ist es artig: Comedy – etwa mit Else Stratmann –, Interviews und launige üblich, dass sich die Moderatoren Moderation prägten die Sendung, die bis 1995 lief und in den letzten gegenseitig ankündigen und dazu miteinander launig quatschen. sechs Jahren von Stefanie Tücking moderiert wurde. Damals war das ein neuer Schwung im Radio, und für den war bei der 1980 landeten Laufenberg und Sexauer als G.L.S.-United mit ihrer „Servicewelle" Bayern 3 Gottschalk bis zu seinem Ausscheiden im Jahr deutschen Version des Sugarhill-Gang-Hits „Rapper’s Delight" in den 1989 auch offiziell verantwortlich. Er prägte das Radio gemeinsam mit Charts. Das „G" stand für den dritten im Bunde – den „Radio-Gott" den „jungen Wilden" à la Jauch, Jürgen Herrmann oder Fritz Egner. schlechthin: „Grüß Gott, Herr Schalk" kalauerte der einmal. Der 1950 Der gebürtigen Münchner Egner wurde mit TV-Shows wie „Dingsda" geborene Franke, der eigentlich Lehramt für Deutsch und Geschichte oder die „Versteckte Kamera" zum Star. Bayerische Radiofans lieben studierte und in jungen Jahren als Kundenbetreuer und DJ arbeitete, ihn allerdings wegen seiner Interviews, denn Egner kennt nun mal kam 1971 als freier Mitarbeiter zum Bayerischen Rundfunk. Mit den Gott(schalk) und die Welt … GoodTimes
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Tecumseh, Daniel Boone und Davy Crockett
Um 1800 stellte Tecumseh die Expansion der USA in Frage.
Als der Wilde Westen noch östlich des Mississippi lag!
Von Malte Ristau
Nicht nur von Winnetou und Old Shatterhand zeigten sich in den 1960er Jahren viele Heranwachsende beeindruckt. Gemeint sind in diesem Fall drei Persönlichkeiten, die um 1800 in einem Wilden Westen tatsächlich Bemerkenswertes vollbracht hatten, der noch weit im Osten Amerikas lag. Vor allem gilt das für den Shawnee-Häuptling Tecumseh, der seinerzeit die Expansion der noch jungen Nation USA zu stoppen drohte. In Ostdeutschland geriet er vielleicht deshalb zum Titelhelden eines erfolgreichen Kinofilms. In Westdeutschland war der Indianer vielen Jungen wie auch schon ihren Vätern aus einer spannenden Buchreihe vertraut, deren acht Bände in Auflagen von jeweils mehreren hunderttausend Exemplaren verbreitet waren.
Wesentliche Personen und Ereignisse der Romane sind historisch belegt, wurden aber vom Autor ausgeschmückt und zeitgeistig geformt. Den Hintergrund der Geschichten von Steuben wie von Jürgen bildet der letztlich erfolglose Kampf der Indianer zwischen dem Ohio und Band 5 der Tecumseh- den Großen Seen gegen die amerikanischen Pioniere und Soldaten. Bis in die 20er Jahre Reihe (1962) des 19. Jahrhunderts erstreckte sich in dieser Region, also östlich des Mississippi, noch die „Frontier", der Wilde Westen Nordamerikas. Hier spielten weder Büffelherden noch Postkutschen oder Eisenbahnen eine Rolle. Indianer wohnten nicht in Zelten, sondern in Hütten. Forts und Blockhäuser der Weißen allerdings sahen so ähnlich aus wie später westSpielzeugbox der US-Firma Marx – lich des Mississippi. vorne rechts: Boone (60er Jahre)
ie Jugendbücher von Fritz Steuben sind ab 1949 neu gedruckt worden, nachdem sie von nationalsozialistischem Gedankengut einigermaßen befreit wurden. In der DDR hingegen sind Steubens Romane bis zum Schluss verpönt. Stattdessen gern gelesen wurde dort seit 1950 zum Beispiel der Roman „Blauvogel" von Anna Jürgen, von dem es auch in der Bundesrepublik eine bis heute mehrfach nachgedruckte Boone gründete 1775 mit Boonsborough Ausgabe gibt. Während die ostdeut- das erste Fort in Kentucky sche Defa 1979 aus der Story einen Kinofilm machte, strahlte die ARD erstmals 1996 eine 13-teilige Verfilmung aus. Strahlkraft für die Leser hatte die Titelfigur, ein Junge, der von Irokesen entführt wurde, nur begrenzt. Fritz Steuben wiederum hatte seine Saga, „alten Quellen folgend", zwar mit einer Episode zum zwölfjährigen Tecumseh Seite
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eingeleitet. Den Lebenslauf des 1768 geborenen Häuptlings stellte er dann aber als Entwicklung eines heldenhaften Charakters dar.
Die zu Tecumseh passenden „Westmänner" waren keine Cowboys, sondern sogenannte Trapper. In den Kinderzimmern hierzulande waren um 1960 solche Spielfiguren präsent. Sie trugen Mokassins statt Stiefel und anstelle des Stetsons mit breiter Krempe eine Mütze aus Waschbärenfell. Ihre bevorzugte Waffe war das Gewehr, nicht der Colt. Prominentester Vertreter dieser Spezies und bei Steuben gelegentlicher Widersacher Tecumsehs war Daniel Boone (1734–1820). Zwiespältigen Ruhm erntete 2/2020
Pop-Charts auf Platzt 1 und coverte u.a. von Donovan und Johnny Cash. Aus den Fernsehfilmen wurden zwei Kinofilme zusammengeschnitten, die auch in Deutschland liefen.
er, weil er die Heimat der Shawnees für die Siedler erschloss. In Kentucky legte er mit Boonsborough das erste Fort an. Der berühmte Pfadfinder diente James Cooper als Vorbild für Lederstrumpf und machte 130 Jahre nach seinem Tod eine zweite Karriere in Filmen und Comics sowie den Spielwelten der Babyboomer.
Noch einträglicher an den Kassen erwies sich der Film „Alamo" mit John Wayne in der In den USA belebte 1964 bis 1970 vor allem eine von Hauptrolle, der sich auf Crocketts legendäres Disney produzierte TV-Serie mit 156 Episoden seinen Ende konzentrierte. Der auch in Deutschland Ruf. In der DDR sendeten schon 1971 der DFF und erst erfolgreiche Streifen war für sieben Oscars 1989 bis 1991 Sat1 gesamtdeutsch diverse Folgen mit Fess Parker in der Titelrolle. In den frühen 60er Jahren Bildschriftenverlag (1968) nominiert und die Filmballade mit einem Trapper Globe ausgezeichnet. Wie Boone wurde Crockett druckte die „Recklinghäuser Zeitung" wie andere täglich einen Boonevon Elastolin (1962) in Deutschland außerdem über Bücher, Comics Comic-Strip ab; in der Reihe der „Illustrierten und Spielzeug bekannt. Spielzeugmarken wie Elastolin oder Klassiker" erschien Boone als frühe Nummer 5, Leyla produzierten angemessen gestaltete Trapper. Zwischen und im Bildschriftenverlag bereicherte von 1966 1959 und 1966 veröffentlichte der Weiss-Verlag insgesamt bis 1970 eine vielteilige Boone-Reihe das 15 weit verbreitete Bücher „für Jungen ab 8 Jahre". Comic-Programm. Zehn Jahre zuvor hatte Später wurden mehrere Bände noch einder Berg-Verlag ein Jugendbuch publimal vom Loewe-Verlag nachgedruckt. ziert, das den Titel „Unter den Rothäuten Nachdem schon die „Illustrierten Klassiker" am Ohio" trug. des Bildschriftenverlages auf Crockett gleich als Heft 12, Neuauflage als Nr. 56, gesetzt hatten, Während die Comics Ereignisse aus lernte die Generation YPS Crockett Mitte der 70er Kentucky in dem Mittelpunkt stellWeiss-Verlag (1962) über dieses Magazin in 44 Ausgaben kennen. ten, Auseinandersetzungen zwischen Siedlern und Indianern, läuft der Roman folgerichtig Crockett, Boone und Tecumseh beindruckauf die historisch belegte Flucht Boones vor der Zivilisation ten Jugendliche einer viel späteren Epoche über den Mississippi zu, wo sich ein neuer Wilder Westen à la durch Tapferkeit, Fairness und Talente. General Brook, Sitting Bull, Buffalo Bill und Wyatt Earp auftat. Zeitlich leicht In der Rückschau war wohl Tecumseh US-Firma Marx versetzt etablierte sich 1836 in Texas eine weitere Kultfigur der Eindrucksvollste. Der bedeutendste dauerhaft im US-Gedächtnis, die im Osten gestartet Indianerhäuptling der nordamerikanischen war: David Crockett trug ebenfalls eine charakteristiGeschichte hatte den Versuch unternomsche Fellkappe, und er bewährte sich in aufregenden men, eine Föderation indianischer Stämme Abenteuern zuerst im von Weißen noch dünn besiegegen die Expansion der Amerikaner zu delten Tennessee. Wie Boone war Crockett (1786–1836) schalten. Die letzten beiden Bände von ein ausgezeichneter Schütze und ein untadeliger Held. Steuben schildern, wie Tecumseh im Jahre 1810 seine Anhänger an die Seite Englands Als Parlamentsabgeordneter setzte er sich in Washington gegen die USA führte. Die Allianz scheiterfür die kleinen Siedler ein, und parallel wurde er überte nach anfänglichen Erfolgen auch, weil regional bekannt als Bärenjäger und Überwinder von Plakataufsteller (1956) die beiden fähigen Anführer, Tecumseh Flusspiraten. Als Scout im Kampf gegen Indianer eingeund General Brook, kurz nacheinander 1812 bzw. Ü-Ei-Tecumseh setzt, setzte er sich für deren Rechte ein. Seine Erlebnisse veröffentlichte 1813 in Gefechten fielen. Der englische er 1834 in Memoiren, die ein Jahrhundert danach als Grundlage für Filme, Einfluss beschränkte Bücher und Comics dienten. sich fortan auf Kanada, Endgültig im Mythenschatz und die Indianer östlich der amerikanischen des Mississippi hat man Geschichte landete Crockett, vertrieben oder ausgeals er in Texas amerikanische rottet. Siedler gegen die Soldaten Mexikos unterstützte. In Steubens Bücher aus Alamo wurde er im Jahr 1836 dem Franck-Verlag erschossen. Walt Disney wurden über meherkannte den Marktwert und Kinoplakat (1960) Tecumseh (1808) (1958) rere Jahrzehnte im machte den von ihm Davy Buchhandel gut verkauft. Auflagentreibend wurden parallel eine Genannten zum Titelhelden eines ungemein erfolgreichen TV-Vierteilers, Ausgabe des Bertelsmann-Buchclubs sowie eine Version von Tosa der 1954/55 über die Mattscheiben flimmerte. für Kaufhäuser vertrieben. Bilder vom historischen Tecumseh finden sich darin nicht. An zeitgenössischen Bildern haben sich amerikaCrockett löste in den USA eine wahre Flut von TV-Western aus, nische und deutsche Spielfiguren so orientiert wie bei Boone und die sich an die gesamte Familie wandten. Hauptdarsteller Crockett. Als authentisch gilt eine Darstellung, die war auch in diesem Falle Fess Parker. Das begleitende den Häuptling um 1808 in einer englischen Merchandising samt Comics und Spielzeug entGeneralsuniform zeigt. So präsentiert wickelte sich zu einer Goldgrube. Vieles davon ihn auch das Cover des Defa-Films schmückt heute Sammlungen, auch in von 1972. Für viele in Ostdeutschland Deutschland. Über viele Monate war Aufgewachsene sieht Tecumseh desdie Serie in den USA so populär, dass halb so aus wie der Schauspieler Gojko kaum ein Junge zwischen fünf und Mitic. Der spielte ab 1992 bei den zwölf Jahren auf eine Fellkappe à la Freilichtspielen in Segeberg den fiktiven Crockett verzichten wollte. Parallel Apachen Winnetou – womit schaffte es die von Parker gesunGojko Mitic – Crockett-Figur Tecumseh, DEFA (1972) gene Filmballade in den US- von Leyla (um 1960) sich der Kreis schließt.
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Ampeln GRÜN ORANGE ROT
Drei Farben regeln den Verkehr Von Markus Nöth Jeder kennt sie und steht tagtäglich vor ihr, ob im Auto oder zu Fuß. Aber was hat Scotland Yard mit der Erfindung der Ampel vor über 150 Jahren zu tun? Und warum war das erste Modell alles andere als verkehrssicher und wog über fünf Tonnen? Seit damals hat sich viel verändert, und der Siegeszug der Verkehrsführung nahm seinen Lauf.
M Verkehrsregelung
itte des 19. Jahrhunderts war die Zeit gekommen, eine für die Londoner Innenstadt zu finden. Täglich pendelten bis zu 750.000 Menschen ins Stadtzentrum – allerlei Droschken, Fuhrwerke und sogenannte Pferde-Omnibusse verstopften die Straßen.
John Peake Knight
Die erste Ampel 1868 in London Doch eine Lösung schien in Sicht, und so entschied sich der damalige Scotland-Yard-Chef 1868 kurzerhand dazu, die erste Ampel überhaupt in London aufzustellen. Die Abgeordneten sollten schließlich schnell und sicher über die Straße ins Parlament gelangen. Da kam die von John Peake Knight (1828–1886) erfundene gusseiserne Ampel gerade recht. Sie war sagenhafte acht Meter hoch, wurde mit Gas betrieben und wog fünf Tonnen. Seine Idee dahinter: An besonders gefährlichen Straßenkreuzungen sollten gut sichtbare Zeichen in Form von Semaphoren stehen, um den Verkehr zu regeln. Der Signalmast wurde optisch den Handbewegungen eines Verkehrspolizisten nachempfunden. Arme unten bedeutete „fahren", Arme ausgestreckt hieß „stop". Im Nachtbetrieb funktionierte das Ganze mit einer Gaslaterne und grün/rotem Licht. Die Farbwahl orientierte sich dabei an der Schifffahrt, wo sie Backbord und Steuerbord kennzeichneten. 10.000 Flugblätter waren damals Seite
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erforderlich, um die Einwohner Londons zu informieren und vor allem zu ermahnen, den Weisungen der neuen Ampel Folge zu leisten. Doch nicht alle waren begeistert von dieser neuen Erfindung. Die Taxi-Kutscher fluchten, denn sie mussten ihren Kunden fortan längere und teurere Fahrtzeiten berechnen wegen der Warterei an der Ampel. Und es kam noch schlimmer. Nur drei Wochen nach der Installation explodierte 1869 eine dieser Verkehrsampeln. Die Gasleitung war defekt und verletzte einen Polizisten dabei schwer. Die Semaphoren wurden daraufhin wieder abgebaut – und das Londoner Verkehrschaos war zurück. Traumatisiert durch diesen Unfall blieb London daraufhin über 40 Jahre ampelfrei.
Potsdamer Platz, November 1924
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Der Durchbruch erfolgte 1923 in den USA In den Vereinigten Staaten wiederum nahmen der Verkehr und insbesondere der Eroberungsfeldzug der Autos bereits seit Beginn des 20. Jahrhunderts deutlich schneller zu als in Europa. Um dem vorherrschenden Verkehrschaos wieder Herr zu werden, stellte man 1914 in Cleveland, Ohio, die erste elektrische Ampel der Welt auf. Auch sie zeigte lediglich die
Farben Grün und Rot an. Gelb gab es noch nicht, deshalb kündigte eine manuell bediente Glocke den Farbwechsel an. Ein Konzept, das jedoch durch den lärmenden Verkehr ständig überhört wurde. Erst 1923 konnten die Ampeln dann dank der Konstruktion von Garrett Morgen auch elektrisch ferngesteuert werden. Seine Erfindung verkaufte er für 40.000 US-Dollar an den Stromkonzern General Electric Company, der dann millionenfach Ampelanlagen produzierte. 1924 kam die Ampel auch nach Deutschland, auf den damals verkehrsreichs ten Platz Europas – den Potsdamer Platz in Berlin. Sie hatte aufgrund ihres fünfeckigen Designs und einer Höhe von über acht Metern noch immer wenig Ähnlichkeit mit der heutigen Ampel und musste noch umständlich von einem Polizisten manuell bedient werden. 1937: Premiere der Fußgängerampel 1937 wurde in Berlin die erste Fußgängerampel aufgestellt, welche ebenfalls noch manuell per Einzelschaltung betrieben wurde. Ab 1952 funktionierte der Passantenübergang dann bereits vollautomatisch – zumindest in New York. Die Schriftzüge „Walk" und „Don’t Walk" wechselten sich auf Knopfdruck ab und prägen bis heute das Stadtbild US-amerikanischer Städte. Ab 1969 regelten dann auch in der damaligen DDR die ersten „OstAmpelmännchen" den Straßenverkehr. Sie hatten bis dahin einen achtjährigen Genehmigungsprozess durchlaufen, bei welchem genauestens geprüft wurde, ob der von Karl Peglau vorgelegte Design-Entwurf auch allen Regelungen des Staates entsprach. Spätestens ab den 1970er Jahren kannte die Individualisierung der Ampelmännchen dann keine Grenzen mehr. In Bonn, der Geburtsstadt Ludwig van Beethovens, wurden entsprechende Ampeln mit Beethoven-Konterfei errichtet, in Trier mit Karl-Mar xMotiven und in Friedberg mit Elvis Presley. In Mainz gab es die „Mainzel männchen" und in Duisburg Bergmänner mit Laterne – als Erinnerung an die letzten Kohlezechen. Die Ampel wird uns wohl auch weiterhin erhalten bleiben – stehen wir schließlich doch rein statistisch gesehen schon heute rund zwei ganze Wochen im Laufe unseres Lebens vor ihr ...
Mit der Wasserpistole gegen den AdenauerMuff Politisch, bissig, ein bisschen frivol und vor allem herrlich anarchisch – all diese Eigenschaften zeichneten das 1962 gestartete Satiremagazin "Pardon" in seinen Glanzzeiten aus. Damit führten die Verleger Johannes Nikel und Erich Bärmeier ein Projekt zum Erfolg, das 13 Jahre nach Gründung der Bundesrepublik Deutschland scheinbar auf völlig verlorenem Posten stand: deren Bürger befreites Lachen zu lehren. Von Egon Wachtendorf
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Wie Millionen Altersgenossen hatte Nikel 1961 umor im Deutschland der 50er Jahre? Ein ziemlich tristes Thema. In Zeitschriften lieblose Witzzeichnungen, oft mit bereits bewegte Jahre hinter sich. Geboren im dem Untertitel „Ohne Worte" versehen. Im Kino auf Komödie Februar 1930 im oberschlesischen Bielitz, war getrimmte Heimatfilme wie „Peter schießt den er als Schüler sowohl im NS-Staat Vogel ab" oder „Die Mädels vom Immenhof". angeeckt als auch in der angehenden DDR. Ausgestattet mit Der CDU-Wahlslogan „Keine Experimente" schien auch für die Spaßindustrie zu gelten. einer tiefen Abneigung gegen jede Autoritätsgläubigkeit Sicher, es gab einen Heinz Erhardt, der sein Publikum mit genialem Wortwitz unterhielt. gelangte er 1947 über Umwege Auch Vicco von Bülow alias Loriot war schon nach Frankfurt am Main, wo aktiv. Die Reaktion auf sein im „Stern" er zunächst als Redakteur veröffentlichtes Frühwerk „Menschen sind für die „Süddeutsche an der Leine zu führen" ließ jedoch tief Zeitung" und dann für die blicken: Etliche Leser empfanden Loriots „Frankfurter Rundschau" Idee, Menschen und Hunde im Cartoon die Erich Bärmeier (links) und Johannes Nikel arbeitete. Mit Erich Bärmeier Rollen tauschen zu lassen, als „beschämend scheußlich" und schimpfgründete er 1954 den Verlag Bärmeier & ten über die „Herabsetzung des Homo sapiens". Daraufhin stellte Nikel (B&N), der mit preiswert produzierChefredakteur Henri Nannen dem freien Mitarbeiter erst einmal den ten „Schmunzelbüchern" schnell Erfolg hatte. Stuhl vor die Tür. Politisch engagierte sich Nikel damals vor allem gegen die Wiederbewaffnung Politische Satire gab es allenfalls in den Kabarettprogrammen der Bundesrepublik und half zeitweise französischen der Münchner Lach- und Schießgesellschaft und des Deserteuren des Algerien-Kriegs, in Deutschland abzuDüsseldorfer Kommödchens sowie im „Simplicissimus". tauchen. Letzterer hatte aber im Vergleich zu den Zeiten Kaiser Wilhelms arg an Schärfe und Originalität eingebüßt. Während Bärmeier für die kaufHöchste Zeit also für ein Magazin wie „Pardon" – auch männischen Fragen zuständig war, wenn die Lancierung im beschriebenen Umfeld betriebsübernahm Nikel die Chefredaktion. wirtschaftlich selbstverständlich Risiken barg. Für Initiator Die erste, am 27. August 1962 Johannes Nikel war sie jedoch spätestens dann ein Muss, in einer Auflage von 50.000 als Konrad Adenauer 1961 das vierte Mal in Folge zum Exemplaren erschienene Ausgabe Erstausgabe 1962 Bundeskanzler gewählt wurde. „Diese verkrustete Politik, kam noch relativ brav daher: Altdie ganzen alten Beamten und Generäle aus dem Dritten Reich – so Humorist Erich Kästner schrieb ein Editorial, ging das nicht", beschrieb er später seine Motivation. Loriot steuerte als Covermotiv eines seiSeite
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ner Knollennasenmännchen bei. Schon die nächste Nummer hatte es jedoch in sich. Auf dem Titelbild lupfte erstmals das zum Markenzeichen erkorene Teufelchen hinterhältig seine schwarze Melone zum Gruß, daneben blies die Illustration einer zur Brandfackel gedrehten „Bild"-Zeitung zum Großangriff auf den Hamburger Verleger Axel Springer. Die Weigerung einiger Zeitschriften-Grossisten, diese Ausgabe an den Handel auszuliefern, bot prompt Anlass zu einer Drei-Seiten-Story im „Spiegel". Zuvor hatte es bereits eine Klage des katholischen Volkswartbundes gegen einen in der Startnummer veröffentlichten Cartoon gegeben, in dem nackte Menschen an Bord einer vom Teufel gesteuerten Straßenbahn ausgelassen feierten. Eindeutig jugendgefährdend, so das Urteil der Kölner Moralapostel. Über mangelnde Publicity durfte sich das neue Medium also nicht beschweren. Was dem Verkauf guttat: Schon das dritte Heft erschien in einer Auflage von 110.000 Exemplaren. „In dieser Zeit konnte man mit aufmüpfigen oder frechen Dingen eine Wirkung erzielen, von der man heute nur noch träumen kann", schmunzelte Chef layouter und LogoErfinder Friedrich Karl Waechter einmal rückblickend. Zeichnerkollege Chlodwig Poth, ebenfalls von der ersten Nummer an dabei, beschrieb die Strategie wie folgt: „Unsere Waffe sollte die Wasserpistole sein. Wir wollten lächerlich machen, auf den Arm nehmen, vergackeiern."
von Günter Wallraff, der 1967 als angeblicher Chemiefabrikant durch die Beichtstühle der Republik tourte. Er habe einen Weg gefunden, auf besonders billige Weise Napalm herzustellen. Nun habe ihm die US-Armee einen Großauftrag erteilt, aber sei denn das moralisch überhaupt zu verantworten? Die meisten Gesprächspartner erteilten Absolution und hielten Gewissensbisse für unnötig: Mit dem Geld, das Wallraff auf diese Weise verdiene, könne er schließlich hinterher allerhand Gutes tun. Auch mit anderen Aktionen schlug sich „Pardon" auf die Seite der die Barrikaden stürmenden Studentenbewegung. So erschien im Sommer 1968 ein Extrablatt, das „Bild"-Lesern in bewusst einfach gehaltener Sprache zu erklären versuchte, warum die Studenten Springer partout enteignen wollten. Kaum Zufall deshalb, dass 1968 und 1969 ein Auflagenrekord den nächsten jagte: Mit bis zu 320.000 verkauften Exemplaren und 1,5 Millionen Lesern stieg „Pardon" zeitweilig zur größten Satirezeitschrift Europas auf. Lange bevor grün angehauchte Spontis eine eigene Partei gründeten, ließ Nikel zudem Zukunftsforscher Robert Jungk über Ökothemen philosophieren und seine Redakteure die Gefahren der Kernkraft aufzeigen.
Doch feuchtnasse Provokation allein und die reflexhafte Reaktion darauf konnten natürlich keinen dauerhaften Erfolg begründen. Das wusste auch Chefredakteur Nikel. Von Anfang an war er bemüht, namhafte Autoren ans Blatt zu binden. Tatsächlich schrieben im Laufe der Jahre so illustre Persönlichkeiten wie Günter Grass, Hans Magnus Enzensberger, Martin Walser, Erich Kuby, Ephraim Kishon oder Gerhard Zwerenz für „Pardon" und verschafften dem selbst so respektlosen Magazin Anerkennung. Umgekehrt bewies Nikel ein gutes Händchen für junge Talente. Zum Kernteam gehörten neben Waechter und Poth unter anderem Hans Traxler, Eckhard Henscheid, Robert Gernhardt und F.W. Bernstein – damals Nobodys, heute geschätzte Meister ihres Fachs. Auch für „Emma"-Herausgeberin Alice Schwarzer und „Werner"-Zeichner Rötger Feldmann alias Brösel war „Pardon" Durchlauferhitzer auf dem Weg zu bundesweiter Bekanntheit.
Zu Nikels Lieblingsgegnern zählten neben Axel Springer und CSU-Chef Franz Josef Strauß die Beamten der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften, die wegen zu viel nackter Haut immer wieder einzelne „Pardon"Ausgaben auf den Index setzten. Um sie zu provozieren, schloss Nikel 1968 einen Vertrag mit der jungen Tänzerin Andrea Rau, die über Monate hinweg als leicht bis gar nicht bekleidete „Anita" das Cover zierte und durchs Heft turnte. Durchaus zum Vergnügen der damals ausschließlich aus Männern bestehenden Redaktion, in der sich die spätere Mitarbeiterin Alice Schwarzer während ihrer kurzen Tätigkeit „sehr verloren" fühlte. Über die Frage, ob „Pardon" sich zu den Wegbereitern der sexuellen Revolution zählen darf oder angesichts sprunghaft steigender Auflagen als deren Nutznießer zu gelten hat, ist deshalb des Öfteren kontrovers diskutiert worden.
Waechter, Gernhardt und Bernstein etablierten 1964 die regelmäßig erscheinende Rubrik „Welt im Spiegel". Dort jonglierten sie mit diversen journalistischen und literarischen Gattungen und zündeten – vom Niveau her der britischen Komikertruppe Monty Python durchaus ebenbürtig – ein Feuerwerk an tiefgründigem Nonsens. Herauskamen herrlich anarchische Verszeilen wie „Die schärfsten Kritiker der Elche waren früher selber welche" oder „Der Kragenbär, der holt sich munter einen nach dem andern runter".
Mit dem Abklingen der Studentenproteste und der sie begleitenden Sexwelle ging es auch mit „Pardon" bergab. In den 70er Jahren verlor sich Chefredakteur Nikel zunehmend in esoterischen Gefilden und drückte 1977 gar eine Titelgeschichte über das „yogische Fliegen" ins Blatt. Den meisten Mitarbeitern wurde es daraufhin zu bunt, sie setzten sich ab und gründeten 1979 die Konkurrenzzeitschrift „Titanic". Zu deren aufsehenerregendsten Taten es wiederum gehörte, das ZDF mit einer Buntstift-Wette zu narren. Aber das ist eine andere Geschichte …
Allem Nonsens zum Trotz blieben breite Inhalte von „Pardon" stets politisch. Die Redaktion schrieb gegen den Vietnam-Krieg an und entlarvte die Bigotterie katholischer Würdenträger – etwa mit einer Undercover-Reportage GoodTimes
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Werbe-Ikonen | Teil 9
Der Esso-Tiger Von Andreas Kötter
Pack den Tiger " in den Tank!"
Ich mag Tiger. Sehr. Für mich war der König der Tiere schon immer der Tiger, nicht der Löwe. Dessen männliche Ausgabe mit dreckfarbener Zottelmähne erinnerte mich früher mal an den Struwwelpeter, mal an den Kleinen König Kalle Wirsch aus der Augsburger Puppenkiste oder, wenn es ganz schlimm kam, auch an Catweazle. Der Tiger dagegen, egal ob nun Männlein oder Weiblein, suggerierte mir schon immer nicht nur unbändige Kraft, sondern auch wahre Schönheit und Eleganz. Wenn also Raubkatze, dann Tiger! Genau das muss man sich einst auch bei Esso gedacht haben, als man das drittgrößte Landraubtier zur Werbe-Ikone machte.
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ur Einordnung: Die Deutsch-Amerikanische Petroleum Gesellschaft (DAPG) wurde 1890 in Bremen von deutschen Kaufleuten und dem legendären ersten Milliardär der Geschichte, John D. Rockefeller, gegründet. Rockefellers Unternehmen Standard Oil sollte so der Zugang zum deutschen Markt ermöglicht werden. 1950 wurde aus der DAPG Esso und 1999 die Esso Deutschland GmbH, die wiederum eine Tochter des US-Konzerns ExxonMobil ist. Der Name Esso aber taucht erstmals bereits 1911 auf, als der Oberste Gerichtshof der USA die Auflösung von Standard Oil anordnete. So entstanden zwei Unternehmen, die Standard Oil Company Of New York (Socony) und die Standard Oil Of New Jersey, die mit SO abgekürzt wurde – was gesprochen Esso ergibt. Und somit kommen wir endlich wieder auf den Tiger. Der gab seinen Einstand als Werbeträger zu Beginn der 1920er Jahre ausgerechnet in Norwegen (andererseits, warum nicht?! Tiger sind bekanntlich keine Weicheier und Kälte schließlich gewohnt). Die heimische Tochtergesellschaft des Konzerns nutzte eine realistische Zeichnung der Raubkatze als Unternehmenslogo und warb damit auf Zapfsäulen für „TigerBenzin". Der gedankliche Transfer, den die Kunden vollziehen sollten: Wer „Tiger-Benzin" tankt, der ist schneller, kraftvoller und geschmeidiger unterwegs als andere Autofahrer und tut seinem Fahrzeug obendrein etwas Gutes. 1959 startete man in den USA die Kampagne, die den Esso-Tiger endgültig weltberühmt machen sollte: „Put a tiger in your tank!" – „Pack den Tiger in den Tank!" Gleichzeitig hatte man dem Kätzchen aber ein freundliches Comic-Gesicht angedeihen lassen, denn wer wollte schon mit einer wilden Bestie im Auto unterwegs sein?! 1965 schlug der Tiger auch in Deutschland auf und bescherte Esso gute Geschäfte. Auch eine frühe Form von Merchandising spielte dabei eine Rolle. Plüschtiger und Tigerschwänze aus Fellimitat waren jetzt eine Weile lang ein Renner, bis die Begeisterung allmählich abflaute und die Seite
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Kampagne Ende der 60er Jahre allmählich auslief. Erst Mitte der 80er Jahre sollte der Esso-Tiger wieder flächendeckend auf der Bildfläche erscheinen, jetzt aber nicht mehr als ComicVersion, sondern als reales Abbild der wunderbaren Raubkatze. Besonders eindrucksvoll waren Ende der 90er Jahre die überlebensgroßen Tigerskulpturen (nun wieder mit freundlichem Gesicht), die die Dächer vieler Esso-Tankstellen schmückten. Mit ein bisschen Glück kann man solche Schmuckstücke noch immer finden. Esso leugnet den Tiger heute zwar nicht gleich. Das Geschäft der Tankstellen und damit auch ihr Selbstverständnis und ihr Image haben sich aber in den vergangenen Jahren fundamental gewandelt. „Vom Tiger im Tank zu Rewe to go" titelte etwa das „Handelsblatt" vor einiger Zeit. „Pack den Tiger in den Tank!", habe Esso seine Kunden Mitte der 60 Jahre aufgefordert, denn wer einen tierischen Freund an Bord habe, der profitiere davon gleich dreifach, mit erhöhter Kilometerleistung, besserer Beschleunigung und einem ruhigeren Motorlauf, habe es damals geheißen. Das Fazit habe gelautet: „Nur mit dem richtigen Sprit braust man spurtstark, temperamentvoll und geschmeidig wie ein Tiger durch die Gegend", so das Blatt. „Heute hingegen rückt man den Fokus auf die stationären Mehrwerte in den Tankstellen, wie Programme zur Kundenbindung, Bistro- und Shopsysteme", zitierte man den Sprecher einer großen Unternehmensberatung. Kurzum: Dem Tiger ist es nicht nur in freier Wildbahn an den Kragen gegangen. Was eine perfide Logik der Werbestrategen vermuten lassen könnte: Ein Tier, das vom Aussterben bedroht ist, kann wohl kaum noch taugen als Testimonial für ganz besondere Stärke und Überlegenheit. Armes, armes Kätzchen.
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TV-Charaktere | Teil 10
Al Bundy Von Andreas Kötter
Eine schrecklich " nette Familie" Der amerikanische Alltag als Albtraum, die Nachbarn von nebenan nichts anderes als eine nochmals mutierte Addams Family! Während der deutsche Titel dieser rüden Sitcom, Eine schreck" lich nette Familie", noch manche Deutungsmöglichkeiten offenließ, öffnete sich genau dort, wo im Originaltitel Married … " With Children" drei Punkte als Auslassungszeichen stehen, ein Abgrund des Grauens für Al Bundy (Ed O'Neill), das Familienoberhaupt dieser schrägen Sippe.
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Foto: Bildarchiv Hallhuber
erheiratet mit der Mega-Nervensäge Peggy (Katey Sagal) – schon das war allemal ein guter Grund für einen regelmäßigen Nervenzusammenbruch. Und dann auch noch diese Bälger, der pubertierende Bud (David Faustino) hier, das liebevoll „Dumpfbacke" gerufene Töchterchen Kelly (Christina Applegate), ein fleischgewordener Blondinenwitz dort – das bedeutete die Hölle auf Erden, selbst für einen, der als Schuhverkäufer ohnehin jeden Tag im Fegefeuer schmorte.
© Pressefoto
Dabei war Al Bundy selbst alles andere als ein Waisenknabe in Sachen galoppierender Schwachsinn. Mit „NO, MA’AM" (National Organization Of Men Against Amazonian Masterhood), seinem bizarren Versuch zusammen mit einigen Kumpels, dem Matriarchat der wütenden Vorstadt-Ehefrauen etwas entgegenzusetzen, entpuppte er sich als praktizierender Ober-Macho. Letztlich aber war Al ein bemitleidenswerter Tropf und erinnerte auf seiner ständigen Suche nach ein wenig (finanziellem) Glück bisweilen gar an den wohl berühmtesten Pechvogel der Welt, Donald Duck. Er war der Sisyphus der Suburbs, ein trauriger Hofnarr der Vorstadt, Prügelknabe für seine Familie und für sein Publikum. Tatsächlich aber
Ausweis von Wohlstand. Für die Bundys war die Grenze zum gesellschaftlichen Abstieg jederzeit in unmittelbarer Reichweite. Sie waren eine Klimbim-Familie, die amerikanischen Vorläufer der Flodders. Proleten ohne einen Hauch von wahrem Gefühl. Tatsächlich?
Das, was die Bundys 14 Jahre lang, von 1987 bis 1997, (er-)lebten, ist wahrscheinlich gerade heute, in Zeiten großer gesellschaftlicher Desorientierung, mehr denn je bittere Wahrheit. So waren und sind Al und seine Bande – jenseits allen Klamauks – das, wenn auch ein wenig verzerrte, Spiegelbild unserer (amerikanisch geprägten) Gesellschaft. Und so machen die Bundys heute, wenn man wieder einmal bei Al und Co. zu Besuch ist, beinahe mehr Angst als alle ausgewiesenen Psychopathen des Unterhaltungsfernsehens à la „Dexter" oder „Hannibal". Denn ganz plötzlich, vielleicht im Moment der größten Schadenfreude über eines der skurrilen Malheurs, die Al regelmäßig widerfahren, wird uns bewusst: Wir sind wohl alle ein bisschen Bundy. © Pressefoto
Foto: Bildarchiv Hallhuber
Nein. Denn immer dann, wenn es besonders dicke kam, dann stand man plötzlich doch fest zusammen, und für einen Moment schien die Welt im Einklang mit dem kleinen BundyKosmos. Und vielleicht war meine (wenn auch nur bedingte) Sympathie für Al schlichtweg dem diffusen Gefühl geschuldet, dass diese vermeintliche Horrorversion einer Familie stets am Rande des Nervenzusammenbruchs so realitätsfremd gar nicht war.
blieb einem das Lachen auch schon mal im Halse stecken bei all den bizarren Eskapaden der Bundys. Das hier war der amerikanische Albtraum, beinahe das Ende der Fahnenstange, gelegen unmittelbar an der Grenze dessen, was die Amerikaner „White Trash" nennen – weißer Müll, weißer Abschaum –, wenn sie diejenigen Mitbürger weißer Hauptfarbe meinen, die an der Armutsgrenze und meist in irgendwelchen Trailer Parks vor sich hinvegetieren. Denn auch wenn Al und seine Sippe im eigenen Haus wohnten – in den Vorstädten amerikanischer Mega-Cities ist das alles andere als ein GoodTimes
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Dahinsiechende Traditionsvereine im Fußball
1. Spieltag der Fussball-Bundesliga 24.08.1963: TSV München 1860 gegen Eintracht Braunschweig (1:1)
WO SIND SIE ALLE HIN? Am 24. August 1963 startete die Fußball-Bundesliga in schon nach der Debütsaison abstieg. Mittlerweile kämpfen ihre allererste Saison. Von den 16 Vereinen, die seinerdie Westfalen wieder mal um den Klassenerhalt, allerdings um den in der 3. Liga, während der 1. FC Saarbrücken aller zeit antraten, sind heute nur sechs noch oder wieWahrscheinlichkeit nach als Erster aus der Regionalliga der in der Eliteklasse spielberechtigt. Der damalige Südwest wieder in den Profifußball zurückkehren kann. Meister 1. FC Köln ist immerhin ins Oberhaus zurückAuch der Karlsruher SC hat vom Europacup bis zur 3. gekehrt, gilt aber längst als Fahrstuhlmannschaft, Liga schon alles erlebt. Der KSC, dessen Vorgängerverein die irgendwo zwischen den ersten beiden Ligen gefanPhoenix zu den Fußballpionieren gehörte und am 30. Mai gen ist. Denn bereits sechsmal sind die Domstädter 1909 Deutscher Meister wurde, versucht aktuell, als Aufsteiger in abgestiegen. Noch öfter im Aufzug steckengeblieben ist der der 2. Liga zu bleiben. Dann wäre da noch Eintracht Braunschweig, 1. FC Nürnberg. Der ehemalige Rekordmeister aus Franken stieg die Löwen aus Niedersachsen, die, wenn man nur auf die kurze bereits neunmal aus der Bundesliga ab und muss nun sogar Zeitspanne von 2010 bis jetzt blickt, vier Jahre in der 3., sechs in fürchten, in die Drittklassigkeit abzurutschen. Dorthin war man der 2. und eines in der Bundesliga verbrachten. Der Meister von schon einmal, in der Saison 1996/97, abgedriftet. Der neunmalige 1967 versucht derzeit, wieder zweitklassig zu werden. Die bayerischen Löwen wurden 1966, ein Jahr vor den Champion aus Franken ist sowieso einmalig, weshalb die Fans Braunschweigern, Meister: Der TSV 1860 München liegt derzeit – liebevoll der Glubb ist ein Debb" sagen: Denn als bisher einzigem " nach dem direkten Absturz von der 2. Verein gelang dem FCN das Kunststück, in die 4. Liga – im Mittelfeld der 3. Liga. unmittelbar nach einer Deutschen Nach einem Europacup-Finale 1965 und Meisterschaft abzusteigen. Das war dem Meistertitel im Jahr darauf ging 1968/69 – und seitdem wechseln Erfolge es mit den Löwen abwärts: 1970 stieg und Tragödien einander ab. man erstmals ab, und dann war bei Von Manfred Prescher dem Verein aus dem Münchner Stadtteil Giesing alles möglich: Misswirtschaft, nd wo stehen die anderen neun Querelen, Mauscheleien, fehlende Vereine, die 1963 die Bundesliga Unterlagen und damit verbunden ein mitbegründeten? Der Meidericher Zwangsabstieg, neun Jahre Bayernliga SV, der heute MSV Duisburg heißt, kämpft und neun erfolgreiche Jahre Bundesliga um den Aufstieg in die 2. Bundesliga, der unter Werner Lorant. Dazu kommen VfB Stuttgart und der Hamburger SV, noch eine Fehleinschätzung in Bezug den Spötter als „Tennisklub mit ange1. FC Köln – Meidericher SV 27.10.1963. (3:3). Helmut Benthaus (Köln/Mitte) setzt sich gegen zwei Zebras" durch. auf die Allianz Arena und ahnungslose schlossener Fußballabteilung" bezeich" Führungskräfte nebst Streit mit dem Investor – mehr Chaos geht nen, haben immerhin die Rückkehr ins Oberhaus im Blick. Der HSV, wohl nicht. Signifikant für die Achterbahnfahrt der Münchner ist die der als letztes Gründungsmitglied der Bundesliga erstmals 2018 in Aufstiegsrelegation zur Bundesligasaison 1977/78, die Ende Mai und die 2. Liga musste, ist somit das Gegenteil von Preußen Münster, das
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Fotos: © HORSTMÜLLER GmbH
Anfang Juni 1977 stattfand. Sie umfasst das Auf und Ab des Vereins kluge Leute das Ruder herumrissen. Aber oft sind es nur die Fans, die in rund 270 Spielminuten: Im ersten Match verlor 1860 bei Arminia einen längst totgesagten Verein durch „ewige" Treue und Jahrestickets Bielefeld – selbst ein Fahrstuhlverein, der aktuell auf dem Weg am Leben halten: So verfolgen durchschnittlich 10.794 Zuschauer die zurück in die Bundesliga ist – mit 0:4, das Rückspiel gewann man Heimspiele von Rot-Weiss Essen in der Regionalliga West. Ebenso 4:0. Ein drittes Spiel ging dann auf neutralem Frankfurter Boden mit traditionsbewusst wie die Unterstützer, die sich auf den Weg in den 2:0 an die Löwen, Jimmy Hartwig und Schorsch Metzger sei Dank. Stadtteil Bergeborbeck machen, ist auch der Anhang von 1860 und Mehr Chaos geht nicht, mehr Tradition ebenfalls kaum – es sei dem FCK: Während der Regionalliga-Saison 2017/18 pilgerten im denn, man blickt in den Südwesten, zum 1. FC Kaiserslautern. Schnitt 11.777 LöwenNach dem Zweiten Weltkrieg waren die „Roten Teufel" das Fans ins Stadion an Maß aller Dinge nicht nur der Grünwalder Straße. im Südwesten Deutschlands. Derzeit finden rund In dieser Phase stand man 15.000 Zuschauer zu den auch fünfmal im Endspiel Dr ittliga-Heimspielen der Deutschen Meisterschaft der „Sechzger", mehr – 1948, 1951 und von 1953 Menschen dürfen nicht bis 1955. Zweimal wurde man in die 1911 erbauChampion, dreimal verlor man te Traditionsarena, in – gegen Nürnberg, Hannover der früher auch der FC 96 und Rot-Weiss Essen, einen Bayern spielte. Und die Uwe Seeler in Aktion. weiteren Traditionsverein, der „Roten Teufel" ziehen heute in der Viertklassigkeit trotz ziemlich durchwachsener Leistungen pro Spiel immer noch herumdümpelt. Kaiserslautern knapp über 20.000 Zuschauer an, beim Ligakonkurrenten aus 1. Spieltag Bundesliga 1963/64: war der Club, der mit Werner Braunschweig sind es nur minimal weniger. lke 04 – VfB Stuttgart Kohlmeyer, Werner Liebrich, FC Scha Tatsächlich ist die Liebe der Fans oft das größte, manchmal sogar (l.) z Kreu und ) (VFB Geiger Ottmar und Fritz Walter 1954 vier das einzige Plus der Traditionsvereine – egal, ob in Offenbach, Weltmeister stellte. Das „Wunder von Bern" war also zu großen Mannheim oder Aachen. Man identifiziert sich auch im gemeinsaTeilen ein Wunder von Kaiserslautern. Natürlich gehörten die men Leid mit dem Verein, man folgt der Mannschaft in den wenigen Pfälzer auch zu den Gründungsmitgliedern der Bundesliga, wo sie guten wie in den vielen schlechten Zeiten. Es muss nicht unbedingt immerhin durchgehend bis zur Saison gegen Real oder Juventus, auch nicht 1996/97 blieben. Im Jahr darauf stieg gegen Dortmund, Bayern oder Eintracht man sofort wieder auf, um dann das Frankfurt gehen, man unterstützt die eigentliche „Wunder von Kaiserslautern" Vereine auch dann, wenn sie gegen zu starten: Getreu dem Motto „Das die SG Sonnenhof Großaspach, den VfB gibt’s nur einmal, das kommt nie wieHomberg, den Bahlinger SC oder den TSV der" wurde der FCK unter Otto Rehhagel Buchbach spielen. Die genannten Vereine als Zweitliga-Meister im Folgejahr auch freut das, denn man kann im Fall der Meister in der Bundesliga. Fälle eine Behelfstribüne aufstellen und Der derzeit dienstälteste Club in der ein paar hundert Bratwürste mehr auf Bundesliga ist der FC Bayern München. den Rost legen. Die Fans schauen derweil Seit dem Aufstieg im Jahr 1965, mit bei Google Maps nach, wo der Gegner „Bomber" Gerd Müller, Franz Beckenbauer eigentlich beheimatet ist, und stimmen Mannschaftsfoto 1860 München Saison 1963/1964 und dem „Maier Sepp", schreibt man eine die Lieder an, die sie auch in Gladbach beispiellose Erfolgsgeschichte mit 28 Deutschen Meisterschaften, 18 oder beim HSV singen würden. Man bleibt Fan, egal, wohin es geht. DFB-Pokalsiegen und sieben Europapokal-Triumphen. Die Bayern Oder um Flo Weber von den Sportfreunden Stiller zu zitieren, der auf sahen Vereine kommen und gehen und Tradition verschwinden die Frage des Magazins „11 Freunde", wie man in München eigentlich – vom Lokalrivalen und anderen Drittligisten wie Braunschweig, Löwen-Fan werde, so antwortete: „Ich bin damals geprägt worden Kaiserslautern oder dem SV Waldhof Mannheim bis zu heutidurch den Freund meiner Schwester. Ich habe von meiner Oma einen gen Viertligisten wie Rot-Weiß Oberhausen, 1. FC Saarbrücken, blau-weißen Schal bekommen, und Löwe sein fand ich auch irgendKickers Offenbach oder Rot-Weiss Essen. wie cool. Mittlerweile verteufle ich den Mancher Ex-Bundesligist, etwa der FC Freund dafür, dass er mich mitgeschleppt Homburg oder Tennis Borussia Berlin, ist hat zu den Löwen.” Aber es heißt nun sogar noch tiefer gefallen. Immerhin vier mal „Einmal Löwe, immer Löwe" – und Jahre Bundesliga schaffte die SG 09 aus das, was Weber da beschreibt, können dem Bochumer Ortsteil Wattenscheid, Fans aller Traditionsvereine von St. Pauli aber mittlerweile hat sich der Verein bis Karlsruhe, von Nürnberg bis Köln vollständig aufgelöst. Der Lokalrivale nachvollziehen. Es ist überall das Gleiche, VfL Bochum spielte stolze 34 Jahre im nur halt mancherorts in Grünweiß, Oberhaus, galt lange als „unabsteigbar" Rotschwarz oder Blaugelb. und kickt immerhin noch im Mittelmaß Traditionsvereine gibt es auch im Osten der 2. Liga. Deutschlands, aber deren Geschichte „Für Tradition kann man sich nichts ist eine ganz eigene. Das, was in Halle, 1. Spieltag Bundesliga '63/64: Preußen Münster – Hamburger SV (1:1) Werner kaufen." Dieser Satz wäre zwar wie geschafMagdeburg, Cottbus, Dresden, Ost-Berlin, Lungwitz (r. Münster), links Peter Wulf (HSV) fen für das Phrasenschwein der Sport-1Rostock, Jena oder in Leipzig speziell nach Sendung „Doppelpass", aber er stimmt schon. Was, wie bei den der Wende passierte, ist so spannend, dass man diese Story gesonMünchner Löwen oder in Kaiserslautern, krasse Managementfehler dert erzählen sollte. Denn die Vereine aus der ehemaligen DDR und Misswirtschaft über Jahre hinweg anrichten oder – wie bei haben mehr irrwitzige Zäsuren und Wirren durchlebt als fast alle Alemannia Aachen – ein völlig vermurkstes Stadionprojekt verur50 bisherigen Bundesligisten aus der BRD oder West-Berlin. Was sacht, lässt sich nicht ohne Weiteres korrigieren. Auf der anderen West- und Ostvereine indes vereint: Kein Verein stirbt wirklich, Seite standen allerdings auch Bundesligisten wie die Borussen aus man steht immer wieder auf – und schon wieder klappert es im Mönchengladbach und Dortmund schon mal am Abgrund, bevor Phrasenschwein. GoodTimes
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Margaret Rutherford – Miss Marple
Tote und Täter zur Tea Time Von Jörg Palitzsch
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ls die Schriftstellerin Agatha Christie 1930 Miss Marple als Hauptfigur in einen Krimi einführte, hatte sie zehn Jahre zuvor in ihrem Debütroman „Das fehlende Glied einer Kette" schon den belgischen Privatdetektiv Hercule Poirot geschaffen, der in seinem ersten Fall einen Giftmord löst. Während Poirot mit seinem Tick für Ordnung, seinem Eierkopf und dem schwarzen Schnauzer in insgesamt 33 Romanen von Agatha Christie wie eine Karikatur seiner selbst die Hauptrolle spielte, hatte sie bei Miss Marple eine klare Rolle vor Augen. In ihr präsentierte Agatha Christie ihrem Lesepublikum ein eigenes englisches, klares viktorianisches Weltbild, das sich in festen Hierarchien, familiären Rollen und einer Moral, die kleinlich und auch felsenfest sein konnte, abspielte. So fest umrissen diese Grenzen waren, so wenig hatten sie aber auch hier – wie bei Poirot – etwas mit der realen Welt zu tun. Miss Marple wurde von Anfang an in dem fiktiven Ort St. Mary Mead angesiedelt, dessen Schauplätze vor dem Auge des Lesers entstehen konnten und ihm mit jedem weiteren Roman ein wohliges Gefühl der Vertrautheit vermittelten. „Mord im Pfarrhaus" aus dem Jahr 1930 ist dann der erste von insgesamt zwölf Kriminalromanen mit Miss Marple, die vorher nur in rund 20 Kurzgeschichten aufgetaucht war. Das Buch liefert einen Einblick in den Personenkreis, in dem Miss Marple verkehrte. Darunter ist ihr treuer Freund und Begleiter Dr. Haydock, der in den Marple-Filmen mit Margaret Rutherford der Figur des fürsorglichen Mr. Jim Stringer sehr ähnlich ist, obwohl Stringer in der literarischen Vorlage gar nicht vorkommt. Der Schauspieler James Buckley Stringer Davis Seite
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war übrigens mit Rutherford von 1945 bis zu deren Tod 1972 verheiratet, seine Rolle musste in den Filmen auf Drängen der Schauspielerin dazugeschrieben werden. In „Mord im Pfarrhaus" tritt auch ein Inspektor namens Slack auf, der dem Irrtum erliegt, Miss Marple und ihren kriminalistischen Spürsinn zu unterschätzen. Der dienstbeflissene und gesetzestreue Inspektor Dermont Craddock, gespielt von dem australischen Schauspieler Charles Tingwell, Agatha Christie schenkt der Hobbydetektivin in den MarpleFilmen, etwa in „16 Uhr 50 ab Paddington", zunächst ebenfalls keinen Glauben, muss sich aber am Ende eines Besseren belehren lassen. Dabei beschrieb Craddock einen Wesenszug der Detektivin höchst charmant: „Miss Marple kann Mord und gewaltsamen Tod, ja alle Arten von Verbrechen mit der größten Gelassenheit betrachten." Craddock ging mit seiner Beraterin in Sachen Mord noch ein Stück weiter und bezahlte ihr in einem Fall sogar ein Honorar in Höhe von drei Pfund und drei Schilling. Das Verhältnis wuchs sich zu einer großen gegenseitigen Bewunderung aus. Sie sagte „mein lieber Junge" und er zu ihr „Tantchen", ein schlagfertiges Team, das bei der Jagd nach Mördern höchst erfolgreich war. So wurden mit Haydock und Slack zumindest zwei Figuren früh von Agatha Christie in ihren Romanen skizziert und weiterentwickelt, die
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Die Schauspielerin Margaret Rutherford prägte in nur vier Filmen die Rolle der Hobbydetektivin Miss Marple und wurde damit zu einer Kult-Figur. Auf den Ruhm musste sie lange warten. Erst 1964, im Alter von 72 Jahren, erhielt sie einen Oscar.
den Zug auf dem Parallelgleis in einem Abteil am Fenster eine Frau von einem Mann erwürgt wird. In dem 1957 erschienenen Buch ist es allerdings eine Mrs. Elspeth McGillicuddy, die mit dem Zug zu Miss Marple reist, um ein paar Tage bei ihr zu verbringen. Während der Fahrt erhascht sie einen flüchtigen Blick auf einen großen Mann, der im ErsteKlasse-Abteil des parallel fahrenden Zuges eine Frau erwürgt. Als McGillicuddy im Roman nach Ceylon abgereist ist, nimmt Miss Marple, wie im Film, den schwierigen Fall in die Hand. Zunächst gibt es nicht einmal eine Leiche, für die Detektivin hat damit „jemand ein sehr erfolgreiches Verbrechen begangen". Der Roman „16 Uhr 50 ab Paddington" war sehr erfolgreich und wurde zu einem Bestseller. Im US-Bundesstaat Maine sollen jährlich 5000 Morgen Wald abgeholzt worden sein, damit das Buch in den Vereinigten Staaten immer erhältlich war. Über die Verfilmung mit Margaret Rutherford war Agatha Christie aller-
Fotos: © Bildarchiv Hallhuber
Margaret Rutherford und Schauspielerkollege dings not amused. „Offen gesagt, es ist ein schlechMit ihren rudernden Armen, ihrem unverwechselRobert Morley beim Tanz. ter Film", urteilte sie nach einer Vorführung. Bei der baren Gesicht und ihrer kauzigen Note schlossen Premiere in London habe sie dies vor Margaret Rutherford aber nicht die Fernsehzuschauer die englische Komödiantin Margaret Rutherford sagen können, „vor allem, weil sie selbst so gut war". schnell ins Herz – und wussten kaum etwas über ihre eigene bizarre In den nachfolgenden drei Miss-Marple-Filmen nahm sich die Geschichte. Ihr Vater erschlug in einem Anfall geistiger Umnachtung Produktionsfirma MGM dann die allergrößten Freiheiten heraus und seinen eigenen Vater mit einem Nachttopf. Der Todesstrafe entkam er änderte die Vorlagen für die Filme einfach um, sehr nur, weil er für irrsinnig erklärt wurde. Rutherfords zum Missfallen von Agatha Christie. So weigerte sie Mutter erhängte sich in der britischen Kronkolonie sich, an der Premiere von „Der Wachsblumenstrauß" Indien, und ihr Adoptivsohn Gordon Langley Hall, ein teilzunehmen, weil der adaptierte Film eines HerculeTranssexueller, ließ sich Ende der 1960er Jahre zur Poirot-Falles – und nicht eines Miss-Marple-Falles Frau umoperieren. All diese Lebenswendungen mach– auch noch in einem Reiterhotel spielte. „Mörder ten aus Margaret Rutherford eine durchaus ernsthafte Ahoi" bezeichnete Agatha Christie nach Durchsicht Theaterschauspielerin, die 1925, mit 33 Jahren, ihr des Drehbuchs gar als einen „Mischmasch an Unsinn". Bühnendebüt gab. Erst im Alter von 44 Jahren starUnd sie fällte ein vernichtendes Urteil: „Warum tete sie ihre Filmkarriere, unter anderem spielte sie schreibt MGM nicht einfach eigene Drehbücher, heuin „Das doppelte College" (1950) und „Die Gräfin von ert Margaret Rutherford an, um eine alte Dame zu Hongkong" (1967) mit. Für „Hotel International" (1963) spielen, baut viele billige Witze ein und lässt mich und erhielt sie einen Oscar und meine Schöpfungen in Ruhe?" Trotz allem bewunbekam 1967 vom britiderten und mochten sich die Schriftstellerin und die schen Königshaus den Schauspielerin aber, wobei Agatha Christie alle Hebel Titel Dame Commander Of in Bewegung setzte, um der Filmreihe ein Ende zu setzen – was dann The British Empire verliehen. auch geschah. Die eingefleischten Leser der MissAm 12. Januar 1976 starb die Schriftstellerin an einem Schlaganfall. Marple-Krimis bemerkten sehr schnell, Die Auflage ihrer Bücher liegt bei unzähligen Millionen, damit ist dass sich die Verfilmungen nicht streng Agatha Christie eine der erfolgreichsten Autorinnen der Welt. Margaret an den Romanvorlagen ausrichteten. So Rutherford stürzte 1967 und war in der Folge an einen Rollstuhl gefeswird in „16 Uhr 50 ab Paddington" die in selt. Sie erhielt keine Engagements mehr und verarmte. Am 22. Mai einem Zug fahrende Miss Marple Zeugin, 1972 starb sie an einer Lungenentzündung. wie in einem etwas schneller fahrenMargaret Rutherford GoodTimes
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Autogrammkarte Norbert Arndt
in abgeänderter Form – als Stringer und Craddock – später in den Filmen als Hauptrollen Eingang fanden. Am Samstag, dem 17. Januar 1970, lernte das deutsche Fernsehpublikum die ungewöhnliche Miss Marple kennen. Und das ZDF beeilte sich, die Figur, gespielt von Margaret Rutherford, sehr schnell zu etablieren. Nach der Erstausstrahlung mit dem SchwarzweißFilm „16 Uhr 50 ab Paddington" folgten am 14. Februar „Der Wachsblumenstrauß", am 28. Februar „Vier Frauen und ein Mord" und am 21. März „Mörder ahoi!" Die Titelmelodie stammte von Ron Goodwin, dessen "Miss Marple's Theme" mit seinem verspielten Spinettanschlag zu einer unvergesslichen Erkennungsmelodie dieser vierteiligen Serie wurde. Die Filmproduktionsfirma Metro-Goldwyn-Mayer (MGM) präsentierte den Fernsehzuschauern mit Rutherford eine schrullige und altjungferliche Dame jenseits der 60, die außer Haus einen altmodischen Tweedmantel und dazu einen entsprechenden weiten Rock trug. Ergänzt durch einen kleinen Filzhut mit einer Vogelfeder und eine große Handtasche. In ihrem Haus, das sich in den vier Filmen nicht in St. Mary Mead, sondern in der Old Pasture Lane in dem fiktiven Ort Milchester befand, trug Miss Marple schwarze Spitzenhandschuhe mit halben Fingern und auf dem Kopf ein Spitzenhäubchen, unter der sich die schneeweißen Haare auftürmten. Mit Vorliebe strickte die Hobbydetektivin in ihrem großen Ohrensessel, um zur Tea Time über die Lösung eines Falles nachzudenken.
Kultbücher Von Alan Tepper
geschätzt . geliebt . gelobt
Streaming-Dienste oder das Fernsehen im Rennen vorn S liegen. Vielmehr erlebt das Buch eine Renaissance! Unerwar-
tudien zeigen, dass in Zeiten der Corona-Krise nicht die
tet, aber überaus erfreulich. Dabei werden nicht nur die obligatorischen Bestseller bevorzugt, sondern auch Bücher aus dem Literaturstapel, die man sich schon immer zu Gemüte führen wollte. Dabei erstaunt die Vielzahl von Titeln, die sich
immer noch auf dem Buchmarkt halten. Neben Jack London, der viel zu lange als Kinderbuchautor galt, hat sich natürlich das Werk von John le Carré und speziell Der Spion, der aus " der Kälte kam" bewährt. Doch auch Neuerscheinungen von John Grisham oder Thomas Wolfe bieten Lesegenuss auf hohem Niveau. Viel Spaß beim Lesen und Entdecken vergessener und aktueller Kultbücher ...
Thomas Wolfe – Eine Deutschlandreise" "Der amerikanische Schriftsteller Thomas Wolfe
Douglas Preston & Lincoln Child – Pharaoh Key – Tödliche Wüste" "Douglas Preston und Lincoln Child gehören zu den amerikanischen
(3. Oktober 1900 – 15. September 1938) – ja, der Mann, der Adolf Hitler als den „dunklen Messias" bezeichnete – hat zu Lebzeiten nur zwei Romane veröffentlicht. Posthum erschien auch diese Sammlung von Texten, die er auf seinen sechs Deutschland-Reisen zwischen 1926 und 1936 verfasste und die heute als eines der wichtigsten literarischen Dokumente eines Landes im radikalen Umbruch gelten. Mit Briefen, Postkarten, Tagebucheinträgen und Notizbuchaufzeichnungen zeichnet Wolfe ein Bild, das von romantischer Verklärung über realistische Darstellungen bis hin zur Parodie reicht (Letztere wird durch Beschreibungen von feisten und sich prügelnden „Germanen" kreiert). Ist der Autor in den frühen Jahren von der Idylle und „Verklärtheit" des Landes wie berauscht, überkommt ihn in den Jahren nach Hitlers Machtübernahme ein beklemmendes Gefühl, da er das sich zusammenbrauende Unheil erkennt. Ein literarisches Vermächtnis.
Tad Williams – Das Reich der Grasländer 1 / "Der letzte König von Osten Ard 2"
John Grisham – Die Wächter" "Zu Beginn seiner Karriere
Natürlich wird die moderne Fantasy von George R.R. Martin und seinem Mammutwerk „Game Of Thrones" dominiert, doch Tad Williams (*14. März 1957) ist ihm dicht auf den Fersen. Nicht nur das vierbändige Science-Fiction-Epos „Otherland" manifes tierte seinen Ruf als Kult-Autor, sondern vor allem die als „Osten Ard" oder auch „Das Geheimnis der Großen Schwerter" allgemein bekannten Erzählungen in mehreren Bänden. Mit dem aktuellen „Schinken" (satte 664 Seiten) bereist Williams wieder die so genannte High Fantasy, gekennzeichnet durch zahlreiche Schau plätze,ineinander verwobene Protago nisten-Biografien und verschlungene Handlungsstränge. Mythische Fabelwesen, kriegerische Darstellungen, unerfüllte Liebe und heroische Charaktere bestimmen das Buch, in dem die Geschichte von König Simon und Königin Miriamel geschildert wird. Durch Verrat wird ihr Reich bedroht, Prinz Morgan, ein Hoffnungsschimmer, irrt verloren durch die Wälder, ständig in Gefahr. Niveauvoll. Seite
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Thriller-Autoren, deren Romane stark visuell ausfallen und oft an Action-Reißer erinnern. Zwar trifft man gelegentlich auf einige Ungereimtheiten, doch das wirkt sich nicht negativ auf die Spannung aus. Neben der starken Pendergast-Serie, die regelmäßig fortgesetzt wird, erschien aktuell gerade im englischen Sprachraum der erste Band der Norah-Jones-Reihe. Mit „Pharaoh Key" wird hingegen die fünfteilige Gideon-Crew-Staffel beendet, die zu Beginn schwächelte, sich aber von Buch zu Buch steigerte. Hier begibt sich der Protagonist mit seinem ehemaligen Kollegen Manuel Garza auf eine gefährliche Mission, um im Grenzgebiet zwischen Ägypten und dem Sudan einem mysteriösen Rätsel nachzugehen. Natürlich müssen sie sich Geheimbünden und einer hinterlis tigen Geologin erwehren, doch letztendlich gelangen sie ans Ziel ihrer Mission. Kultig, spannend und oftmals an Indiana Jones erinnernd, ist speziell der letzte Band ein durchgehendes Lesevergnügen.
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wurde John Grisham (*8. Februar 1955) eine gewisse Trivialität nachgesagt – ein Werturteil, das sich im Laufe der Jahre wandelte. Nicht nur die Verfilmungen seiner Romane wie „Die Firma" (1993), „Die Akte" (1993) und besonders „Der Klient" (1994) trugen dazu bei, sondern auch sein Engagement hinsichtlich Fehlurteilen des Justizsystems und gegen den durch Donald Trump wieder aufflammenden und geduldeten Rassismus. Zweifellos wurde Grisham von der aktuellen politischen Lage in den USA zu seinem neuen Roman inspiriert. Er erzählt die Geschichte des Mordes an einem Anwalt, der dem Afroamerikaner Quincy Miller zur Last gelegt wird. Das schnell gefällte Strafmaß: lebenslänglicher Freiheitsentzug. Nach über 20 Jahren vergeblicher Bemühungen um eine Revision des Urteils erfährt eine junge Gruppe von Anwälten von dem Fall. Cullen Post, einer von ihnen, rollt den Fall wieder auf und stößt auf unglaubliche Zusammenhänge und Missstände. Spannend und zugleich aufrüttelnd.
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Jack London – Der Ruf der Wildnis" "Fällt der Name Jack London (12. Januar 1876 – 22. November 1916),
John le Carré – Der Spion, der aus der Kälte kam" "John le Carré wurde am 19. Oktober 1931 unter dem Namen David
denken die meisten an die Verfilmung seines Romans „Der Seewolf" im Rahmen der Weihnachtsvierteiler mit Raimund Harmstorff und besonders an die Szene, als dieser eine rohe Kartoffel zerdrückte. Dem versuchte natürlich jeder nachzueifern, ohne zu wissen, dass man die Erdknolle gut vorgekocht hatte. Übrigens: Harmstorff wirkte auch in anderen Umsetzungen von Londons Werk mit wie zum Beispiel bei der 72er-Adaption dieses Buches. Natürlich kennen viele Londons zahlreiche Romane als sogenannte Jugendliteratur, obwohl das eine eindeutige Verkürzung ist. Jack London hatte durch seine mannigfaltigen Tätigkeiten – unter anderem als Heizer, Goldschürfer, Journalist und Kriegsberichterstatter – eine Vielzahl an Einsichten gewonnen, die sein schriftstellerisches Werk beeinflussten. Es ist gekennzeichnet durch sozialistische Ideen, psychologische Studien und besonders frühe ökologische Lebensentwürfe, die sich weit vom christlichen Weltbild entfernten. Besonders seine „Vermenschlichung" der Tierwelt brachte ihm viel Kritik ein, speziell vom US-Präsidenten Theodore Roosevelt, der wie viele Amerikaner immer noch die Überzeugung vertrat, dass es sich bei Tieren um niedere Lebensformen handle, wohingegen Londons Ziel in der Sensibilisierung seiner Leser lag. „Der Ruf der Wildnis" (1903) erzählt die Geschichte des Bernhardiner/ Schäferhund-Mischlings Buck, der von Dieben in Kalifornien gefangen und in die raue Welt Alaskas entführt wird. Dort muss er sein Leben als gequälter Schlittenhund fristen, bis ihn der Goldgräber John Thornton kauft. Nun entwickelt sich eine weitaus intensivere Beziehung zwischen Mensch und Tier. Nach Thorntons Tod folgt Buck dem Ruf der Wildnis und schließt sich seinen frei lebenden Artgenossen an. Beeindruckend, auch noch nach über 100 Jahren.
John Moore Cornwell in Großbritannien geboren, legte sich aber aus offensichtlichen Gründen zu Beginn seiner Karriere schnell einen Künstlernamen zu. Während der Fünfziger und Sechziger arbeitete er für die beiden britischen Geheimdienste MI5 und MI6, was ihn für diesen Spionagethriller prädestinierte. Natürlich war „Der Spion, der aus der Kälte kam" (1963) nicht der erste Roman des literarischen Subgenres, denn schon William Sommerset Maugham hatte mit Ashenden einen Helden ins Rennen geschickt, nicht zu vergessen Graham Greene mit „Unser Mann in Havanna" (1958) und auch der James-Bond-Schöpfer Ian Fleming. Allerdings thematisierte Le Carré aktuelle politische Ereignisse – in diesem Fall den Kalten Krieg –, die zur damaligen Zeit hochbrisant waren, da man quasi minütlich einen Atomkrieg befürchtete. Damit gilt der Autor auch als Vorläufer von Frederick Forsyth, der mit ähnlich gelagerten Werken wie „Der Schakal" (1972) und besonders „Die Akte Odessa" (1973) für Furore sorgte. Le Carré erzählt die Geschichte von Alec Leamas, einem leitenden Angestellten des britischen Geheimdiensts, und dessen Kontrahenten in der DDR, Hans-Dieter Mundt. Die Handlung beginnt kurz nach Bau der Berliner Mauer. Mundt lässt alle Agenten von Leamas umbringen, die dieser mit viel Mühe in Ostdeutschland „installiert" hatte. Daraufhin wird der scheinbar unfähige Vorgesetzte nach London zurückbeordert, wo man ihn kaltstellt. Anschließend wird er von den ostdeutschen Spionen angeworben und flieht in die DDR. Zum tragischen Ende stellt sich heraus, dass alle Protagonisten nur Schachfiguren in einem weit größeren und komplexeren Schachspiel waren, plötzlich wertlose Marionetten der Mächtigen. Der Roman wurde aufgrund seiner großen Beliebtheit mit Richard Burton in der Hauptrolle 1965 verfilmt.
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VALVO-Comic
Von Susanne Buck
Mitte der 1970er Jahre, ich war ein bezopftes Schulmädchen, war es immer ein Highlight, wenn ich im Arbeitszimmer meines Vaters an Platinen herumbasteln durfte. Er war Fernsehtechniker, passionierter Funkamateur, und es blinkte und piepte dort wie auf der Kommandobrücke von Raumschiff Enterprise. Die Faszination von Oszilloskop und Lötkolben wurde jedoch noch getoppt durch die Comic-Geschichten auf der Rückseite der Zeitschrift Funkschau". Ohne technisches Verständnis, aber mit " großer Begeisterung verschlang ich die Abenteuer des findigen Elektronikers Trony und seiner gefräßigen Labormaus Ely.
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ie Comic-Reihe „Ely, Trony und die Ovlavisten" war eine Werbekampagne von Valvo. Die Firma war schon 1924, unmittelbar nach Einführung des Rundfunks in Deutschland, durch die Röntgenröhrenfirma Carl Heinrich Florenz Müller in Hamburg gegründet worden. Der Name Valvo leitete sich vom englischen Wort „valve" für Ventil oder Elektronenröhre her. Valvo schloss sich 1927 dem Philips-Konzern an, entwickelte und baute hochmoderne Verstärker- und Sender-Elektronenröhren. Sehr bald wurde das Fertigungsprogramm um elektronische Bauteile wie Bildröhren, Kondensatoren, Widerstände und Spezialröhren erweitert. Nach dem Zweiten Weltkrieg expandierte die Valvo GmbH. Schon 1953, sechs Jahre nach Erfindung des Transistors, wurden die ersten industriellen Transistoren für Verstärker endstufen entwickelt, die 1957 auf den Markt kamen. 1966 folgten integrierte Schaltungen, und Anfang der 1970er Jahre gehörte Valvo zu den Pionieren bei der Neuentwicklung von elektronischen und elektromechanischen Bauelementen für die automatische Bestückung. Parallel dazu entstanden technische
Dokumentationen, die sich bei Fernsehtechnikern und Bastlern großer Beliebtheit erfreuten. Bekannt und begehrt bis heute sind die Valvo-Taschenbücher, die die Betriebsdaten und Sockelbelegungen der meisten damals gebräuchlichen Röhrentypen enthalten. Weltweit galt Valvo als Synonym für technischen Fortschritt. Seite
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etreu dem Sprichwort „Erfolg wird an der Zahl der Feinde gemessen" machte sich die Werbe-Abteilung den Spaß, „kleine bösartige Steinzeitkobolde" (Valvo = Fortschritt, Ovlav = Rückschritt) zu erfinden. „Valvo Bauelemente sind eine Herausforderung für alle, die den Fortschritt nicht mitmachen wollen, und solche Mieslinge sind die Ovlavisten. Zurück zur Steinzeit! ist ihre Devise." Der stiernackige Häuptling der Bande hieß Bullerkopp, als zweiter Ovlavist fungierte sein Adjutant Feuerbacke. Auf der Seite des Fortschritts kämpften Trony, ein kindlich wirkender Blondschopf im Ingenieurkittel – „der gute Geist von Valvo" – und seine Freundin Ely, eine orange gestreifte Labormaus. Die Vorankündigung der Comic-Reihe erschien unter der Überschrift „Wenn es Nacht wird im Labor ..." 1971 in der Oktoberausgabe der „Funkschau", danach wurden insgesamt sieben Folgen produziert. Von wem die Dialoge und Zeichnungen stammen, konnte ich bisher nicht in Erfahrung bringen. Sehr auffällig finde ich die Ähnlichkeit von Trony mit den frühen PlaymobilFiguren. Der patentierte Entwurf des Entwicklers Hans Beck für die Männchen entstand 1972, und bis zur Markteinf ühr ung der Spielfiguren zogen noch zwei weitere Jahre ins Land. Ob Hans Beck die „Funkschau" las und sich von Valvo-Comics inspirieren ließ? Da er inzwischen verstorben ist, werden wir es wohl nie erfahren.
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ly, Trony und die Ovlavisten" erlebten ihre Abenteuer jedenfalls „ im ersten Halbjahr 1972. In jeder Story werden Eigenschaften und Vorzüge eines Valvo-Produkts in den Mittelpunkt gestellt. Den
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Auftakt in Folge 1 macht BDY 90, ein Leistungsschalter mit Durch gangsleistung 250 W. „So richtig wie geschaffen zum Kaputthaun" findet Häuptling Bullerkopp, und seine Bande grölt: „Holde Steinzeit komm wieder!" Als die „Steinzeitknilche" mit einem Rammbaum über den Valvo-Schalter herfallen, klemmt Trony eine Prüfspitze an den 25-Khz-Trafo und piekt sie dem Häuptling ins Gesäß. „Von 25 Khz beflügelt saust Bullerkopp das Kühlblech hoch", seine Kumpane lassen den Rammbaum fallen und fliehen mit dem Aufschrei „Nie wieder gegen BDY 90" aus dem Labor. Zurück bleiben Trony und Labormaus Ely, die sich über das knusprige „Ovlavisten-Lendenschurz-Schaschlik" hermacht. In Folge 2 geht es um temperaturfesteSpeicherkerne aus Ferroxcube 6. Bullerkopp, der nach der letzten Niederlage Kummerspeck angesetzt hat, mobilisiert seine Bande: „Computer ist Fortschritt (…) Lasst uns Feuersteine und Hölzer holen, wir wollen den Speicherblock verbrennen!" Wenig später haben Trony und Ely den Speicherblock in den Wärmeprüfschrank gestellt und dort wieder angeschlossen. Die Ovlavisten stürmen in den Schrank, werden dort bei 70 Grad eingesperrt. Bullerkopps Fettschürze schmilzt, und auf dem Labormonitor erscheint die Meldung: „Valvo Speicherkerne – Ganz heiße Ware."
mit denen über Lochkarten positionsgesteuerte Schreiber gesteuert werden. Am Schluss demonstrieren die Ovlavisten unfreiwillig mit Schiefertafeln, auf denen „Valvo euer bester Freund" steht.
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ach dieser Geschichte wurde die Reihe eingestellt, obwohl es gewiss noch Stoff für Fortsetzungen gegeben hätte. Denn die Firma Valvo wuchs weiter und war 1974 mit 8000 Mitarbeitern und einem Produktspektrum von rund 30.000 elektronischen und elektromechanischen Einzeltypen der größte Bauelemente-Lieferant in der Bundesrepublik. Den Nieder gang der deutschen ElektroIndustrie besiegelten am Ende nicht „bösartige Steinzeitkobolde", sondern Elektro konzerne aus Japan. Deren Manager und Ingenieure versuchten erst gar nicht, neue Produkte oder Märkte zu erschaffen. Stattdessen über nahmen sie Produktideen, um sie weiterzuentwickeln und preisgünstig umzusetzen. Vier Jahre nach der Erfindung durch die amerikanischen Bell Laboratories kaufte zum Beispiel Sony das Patent für Transistoren, optimierte die Fertigung weiter und baute sie ab 1959 in Radios ein.
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ie dritte Story ereignet sich in der Musterbau-Abteilung für elektronische Steuerungen, und Labormaus Ely spielt die Hauptrolle. Trony schnallt seine Freundin auf einen Tisch, wo sie elektronisch abgetastet wird. Die Mäusekonturen werden auf eine Fräse übertragen, wobei aus einem Block eine riesenhafte Ausgabe von Ely mit gebleckten Zähnen entsteht. Die Ovlavisten, die mit einer Mausefalle angerückt sind, flüchten vor der „Sauriermaus". In Folge 4 geht es um MOSFestspeicher mit 64 verschiedenen ASCII-Zeichen, wobei Ely ihre ganz eigene Erklärung für die Abkürzung MOS entwickelt: „Macht Ovlavisten Sauer."
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n Folge 5 hat Trony einen poetischen Anflug und dichtet eine „Ode an die Diode": „Erhaben über alle elektronischen Moden / Bax 12, ihr wunderbaren Dioden! / Wo immer ihr waltet und euch entfaltet / wird schnell geschaltet." In Folge 6 testet er im Kälteraum Temperaturfühler und formt eine Nachbildung von Bullerkopp aus Schokoladeneis. Das ruft den Ovlavistenhäuptling auf den Plan: „Erst hau ich den Eisheiligen kaputt, dann mach ich Valvo-TemperaturFühler fertig!" Erwartungsgemäß tappt Bullerkopp in die Kühlschrankfalle, so dass Trony kurz nach Mitternacht eine doppelte Geburtstagsüberraschung für seine Freundin parat hat. In Fall Nummer 7, dem letzten Abenteuer von Ely und Trony, geht es um Schrittmotoren, „Inbegriff der Präzision", GoodTimes
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rankreichs Präsident Charles de Gaulle verspottete die Japaner als „Volk von Transistorverkäufern", doch mit dem Hochmut der Europäer sollte es bald vorbei sein. Denn die Produkte von Nikon und Canon beendeten die Vorherrschaft der deutschen Optikindustrie; Technics und Sony lehrten Nordmende, Saba und Telefunken das Fürchten. Auch Valvo sah sich 1988 gezwungen, unrentabel gewordene Fertigungsstätten zu schließen. Ein Jahr später wurde die Valvo GmbH in Philips Bauelemente GmbH umbenannt, wobei der Handelsname Valvo zunächst bestehen blieb. 1992 teilte man die verbliebenen Bauelemente in zwei Bereiche auf: die passiven Bauelemente und die Bildröhren in Philips Components, die aktiven Bauelemente in Philips Semiconductors. Mit diesem Schritt verschwand der Handelsname Valvo endgültig vom Markt. „Ely, Trony und die Ovlavisten" wanderten zu den Valvo-Taschenbüchern ins Firmenarchiv. Glücklicherweise sind sie dort für die Nachwelt aufbewahrt. Denn die alten „Funkschau"Hefte von 1972 hat man meist zu Jahrbüchern gebunden und die Umschlagseiten entfernt. Vielleicht wird man ja nie das Geheimnis lüften, wer hinter dem Humor der Reihe steckte. Aber wie der Dichter Oscar Wilde sagte: „Lachen ist kein schlechter Anfang für eine Freundschaft und bei Weitem das beste Ende." 2/2020
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TY HARDIN Von Andreas Kötter
Vom Paulus z um Saul us
Er war Bronco" und wurde damit zur Ikone vieler " Western-Fans. Ty Hardin ist aus der Geschichte des klassischen TV-Westerns nicht wegzudenken und genießt gerade hierzulande bei einer kleinen, aber durchaus engagierten Fan-Gemeinde noch immer einen soliden Ruf. Doch der blendend aussehende Womanizer, der achtmal verheiratet war, hatte weitaus mehr zu bieten als nur den Auftritt im CowboyKostüm. Allerdings: Längst nicht alles davon war gut. Im Gegenteil.
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Während Hungerford die zweite Hälfte seines Künstlernamens, Hardin, erst sehr viel später bekommen sollte, war die erste, Ty, schnell gefunden. Weil der kleine Orison als Hansdampf in allen Gassen unterwegs war, nannte ihn die Großmutter Ty, was eine Abkürzung für Typhoon (deutsch: Taifun) darstellte, für einen Wirbelsturm also, wie er die südlichen Bundesstaaten der USA und damit auch Texas in unschöner Regelmäßigkeit heimsucht. In den folgenden Jahren zeigte sich, dass der gut gebaute, bald 1,88 Meter große und blendend aussehende junge Mann mit den blauen Augen ein echter Frauentyp war. Als Air-ForcePilot strahlte Hardin zudem eine Coolness und Lässigkeit aus, die ihn durchaus hätte als kleinen Bruder von Paul Newman, Steve McQueen oder, am ehesten sogar, Tab Hunter hätte durchgehen lassen.
Foto: Bildarchiv Hallhuber
eboren wurde Orison Whipple Hungerford Jr. als Neujahrskind am 1. Januar 1930 in New York. Der spätere TV- und Kino-Star war aber gerade einmal sechs Monate alt, da brachen seine Eltern mit ihm nach Texas auf, wo er alsbald auf der Farm seiner Großeltern aufwuchs.
ist im Englischen vielmehr der umgangssprachliche Ausdruck für Erektion, was vielleicht erklärt, warum er achtmal (!) verheiratet war und zehn Kinder hatte. Zu seinen Ehefrauen gehörte u.a. die US-Schauspielerin Andra Martin (1958–62), die 1959 an der Seite von Clint Walker in „Yellowstone Kelly" glänzen sollte, und die deutsche „Miss Universe 1961", Marlene Schmidt, (1962–65).
„Bronco” war Hardins Karriere-Highlight
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Foto: Bildarchiv Hallhuber
Kurzum: Die Frauen flogen auf Ty. Und er flog auf die Frauen. Unzählige One-Night-Stands werden ihm nachgesagt. Das sollte ihm später den Spitznamen „Ty Hard-On" einbringen, was jemand, der des Englischen nicht ganz so mächtig ist, mit „Ty Ständer" oder „Ty Latte" übersetzen könnte. Ein Möbelstück oder gar ein Kaffeegetränk aber war natürlich nicht gemeint. „Hard-on"
Apropos Clint Walker: Als der Titelheld des T V-Klassikers „Cheyenne" (1955–63) wegen fehlgeschlagener Gehaltsverhandlungen die Erfolgsserie 1958 verließ, setzten Warner Bros. auf Hardin (mittlerweile trug er diesen dem historischen Revolverhelden John Wesley Hardin entlehnten Namen). Wie die Jungfrau zum Kinde war der mittlerweile 28-Jährige nach Hollywood gekommen. Ein Talentscout von Paramount Pictures hatte ihn 1957 entdeckt, als sich Hardin für eine Halloween-Party als Cowboy einkleiden wollte. 2/2020
Als „Bronco" durfte er nun bei Warner Bros. unter dem „Cheyenne"Moniker über die TV-Bildschirme der Nation galoppieren. Das machte er so gut, dass die Zuschauerzahlen weiterhin stimmten. Und obwohl Walker schon 1959 zu „Cheyenne" zurückkehrte" durfte Hardin im Sattel bleiben.
Bronco Layne wird zum Hetzer Anfang der 1970er Jahre aber kehrte Hardin schließlich in die USA zurück und versuchte sich als „evangelistischer" Prediger. Seine Botschaft lautete jedoch nicht Versöhnung, sondern Ausgrenzung. So sehr hetzte er jetzt gegen Juden und Katholiken, dass frühere Schauspielkollegen meinten, Hardins wahres Gesicht sei nicht das des lässigen Cowboys aus „Bronco", sondern vielmehr das des Faschisten aus „Die letzte Schlacht". Zumindest berichtet davon „Shooting Stars Of The Small Screen" von Douglas Brode, die lesenswerte Enzyklopädie aller wichtigen TV-Western-Stars von 1960 bis heute. So weit, so schlecht. Aber wie heißt es so schön: Schlimmer geht immer. Und in Hardins Fall bedeutete das, dass ihm das Hass-Predigen bald nicht mehr genügte. Als er in Konflikt mit der Bundessteuerbehörde IRS (Internal Revenue Service) geriet, gründete er 1982 in Arizona kurzerhand eine Anti-Steuer-Bewegung, die alsbald als Arizona Patriots bekannt wurde.
Was sich ein wenig nach frühen Wutbürgern anhört, war aber noch deutlich gefährlicher. Denn die Gruppe richtete sich nicht nur gegen jegliche Form der Gleichberechtigung, sondern war auch deutlich antisemitisch ausgerichtet, was die kolportierte Verbindung zur gefürchteten, schwerst kriminellen „Aryan Nation" nur umso wahrscheinlicher macht. Weil man zudem Waffen hortete wie Eichhörnchen Nüsslein, galten die Patriots schon bald als so gefährlich, dass ihnen das FBI auch Bombenanschläge auf öffentliche Gebäude zutraute. Die Behörde infiltrierte die Gruppe und hob 1986 schließlich deren immenses Waffenlager aus. Während mehrere Mitglieder der Patr iots zu längeren Gefängnisstrafen verurteilt wurden, flüchtete Hardin zunächst nach Washington State und ging dann, nachdem ihm keine kriminellen Handlungen nachgewiesen werden konnten, nach Kalifornien. Später soll er sich von diesem Teil seiner Vergangenheit distanziert haben. Belegt ist, dass er Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre noch einmal für einige Rollen nach Hollywood zurückkehrte. 2017 war er in der Talkshow „Western Trails" auch noch © Pressefoto einmal im US-Fernsehen zu Gast. Kurz nach der Aufzeichnung der Sendung, am 3. August 2017, starb der Mann, der „Bronco" war, im Alter von 87 Jahren im kalifornischen Huntington Beach. Übrigens: Eine Gruppe, die sich AZ Patriots nennt, treibt heute, in Zeiten von Donald Trump, in Arizona längst wieder ihr Unwesen ...
oder „Die Verfluchten der Pampas". In ersterem, einem Streifen über die deutsche Ardennen-Offensive im 2. Weltkrieg, spielte der blonde Hardin an der Seite von Stars wie Henry Fonda, Robert Ryan, Dana Andrews und Charles Bronson typgerecht einen deutschen Nazi-Offizier. Später, als selbst solche Rollen ausblieben, ging Hardin zunächst 1968 nach Australien, wo ihm mit „Riptide", bei uns besserbekannt als „S.O.S. Charter boot", noch einmal ein kleinerer TV-Hit gelang. Dann zog es ihn, wie einige seiner US-Kollegen auch, die auf dem heimischen Markt keine ausreichende Beschäftigung mehr fanden (Lex Barker, Guy Madison, Gordon Scott etc.), weiter nach Europa. Hier stieg er für eine Reihe von ItaloWestern noch einmal in den Sattel. GoodTimes
© Pressefoto
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Ohne Frage war die Rolle des Loners Bronco Layne das Highlight in der Karriere des Ty Hardin. Mit „Bronco" hatte er sich Ruhm über die Grenzen der USA hinaus erspielt und war gerade auch hierzulande ein gern gesehener Gast auf den Bildschirmen. Was dann folgte, waren aber mehr oder weniger kleine Rollen in mehr oder wenigen gelungenen Filmen wie „Die letzte Schlacht"
Foto: Bildarchiv Hallhuber
„Bronco" lief zunächst unter eigenem Namen, wenn auch im regelmäßigen Wechsel mit „Sugarfoot", einer weiteren Western-Serie. Bereits 1960 aber holten die WB-Verantwortlichen beide Serien unter die Obhut von „Cheyenne" (zurück), das damit längst zu einer Anthologie geworden war. Und als „Sugarfoot" nur ein weiteres Jahr später ins Gras beißen musste, waren „Cheyenne" und „Bronco" schließlich wieder auf sich gestellt. 1962 war dann Schluss für „Bronco", und 1963 gab auch „Cheyenne" die Zügel aus der Hand.
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750 H2 Mach IV Von Andreas Kötter
Der "Witwenmacher" Gebrauchsfahrzeuge mit großvolumigen Zweitaktmotoren sind schon lange aus unserem Straßenbild verschwunden. Nahezu ausschließlich kleine Motorroller mit 50 ccm setzen heute noch auf dieses Motorenkonzept. Zu Beginn der 1970er Jahre aber war das noch anders. Damals hatten Umweltauflagen dem Zweitakter noch nicht die Luft abgeschnürt, und neben Suzukis GT-Reihe war es vor allem Kawasaki mit seinen 3-Zylinder-Modellen, das die berühmtberüchtigte Zweitaktfahne im Wind hielt. Für einen Wimpernschlag der Motorrad-Historie setzte sich der Schwerindustrie-Konzern aus Kobe mit der 750 H2 Mach IV" gar die Krone nicht nur der " Zweitakt-, sondern der Zweirad-Schöpfung überhaupt auf.
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timmt schon, Honda hatte bereits 1968 auf der Tokyo Motor Show die CB 750 Four vorgestellt, das erste Großserien-Motorrad mit einem Vierzylinder-ViertaktReihenmotor und damit das erste Superbike der Motorradgeschichte. Die „Four", wie sie alsbald nur noch genannt wurde, leis tete 67 PS und erreichte eine Spitze von knapp 200 km/h, so dass schon damals die Viertakt-Technik als das kommende Maß der Dinge galt. Konstruktionsbedingt wurden Motoren mit der
Kraft der vier Schläge nun einmal geschmeidigere Umgangsformen nachgesagt als ihren Verwandten, die „nur" im Zweitakt schlagen.
Fakt ist: Der Motorsound eines Zweitakters ist hochfrequenter, der Geruch des verbrannten Kraftstoff-ÖlGemisches nicht jedermanns Sache. Und der charakteristische raue, bisweilen unrunde Motorlauf, starke Vibrationen und ein hoher Verbrauch schreckten viele potenzielle Käufer schon damals ab. Wobei nicht verschwiegen werden soll, dass Suzukis „Wasserbüffel", die auf diesen Seiten vor einiger Zeit schon einmal vorgestellte GT 750, durchaus alles andere als ein Rabauke war. Dank einer sich aus dem Drehzahlkeller heraus kraftvoll entfaltenden Leistungskurve genoss die „Suzi" einen exzellenten Ruf als gepflegter Tourer. Schon bald aber würden dunkle Wolken am Himmel aufziehen: Die drohenden neuen Umweltauflagen auf dem wichtigen US-Markt waren von den großvolumigen Zweitaktern einfach nicht zu erfüllen. So erlebte das Zweitakt-Prinzip
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für Serienmotorräder mit den großvolumigen Bikes von Kawasaki und Suzuki eine letzte große, aber auch kurze Blütezeit (spätere Ausnahmen wie die Yamaha RD 250/350 LC bestätigen nur die Regel).
Furios, spektakulär und brutal – die Leistungsentfesselung der 750 H2
Kawasakis Mach"-Reihe – " (fast) so schnell wie ein Überschalljet
Vor allem die Art und Weise aber, wie die Kawa ihre 74 PS (später, im letzten Baujahr, 71 PS) entfesselte, das hatte es bis dahin noch nicht gegeben. Auf 203 km/h Spitze brachte es dieser wahre Feuerstuhl, der die 100 km/h schon nach etwas mehr als vier Sekunden erreichte. Damals ein geradezu magischer Wert und auch heute nicht von schlechten Eltern, wenn man bedenkt, dass Supersportwagen wie der Nissan GT-R, der Lamborghini Gallardo oder der Porsche 911 GT2 RS gerade einmal eine halbe Sekunde schneller sind. Nein. Furioser, spektakulärer und brutaler konnte man Anfang der 70er Jahre auf zwei Rädern nicht unterwegs sein, so dass die Art und Weise, wie die H2 ihre Leistung entfesselte, schnell zur Legende reifte.
Kawasaki hatte bereits 1968 mit der 500 H1 „Mach III" begonnen, eine ganze Modellreihe leichter und enorm schneller Motorräder mit Dreizylinder-Zweitakt-Motoren auf die Räder zu stellen. So folgten 1970 zunächst die 250 S1 „Mach I" sowie die 350 S2 „Mach II" und 1971 dann die 750 H2 „Mach IV". Abgerundet wurde die Reihe 1973 schließlich mit der 400 S3, die, wie zuvor die 350 S2, den Beinamen „Mach II" führte. Apropos Mach: Zwar sprintete bereits die kleine 250 S1 in gut sieben Sekunden von null auf hundert Stundenkilometer. Nichtsdestotrotz trugen Kawasakis Marketingexperten mit diesem „Mach"-Getöse doch etwas arg dick auf. Steht Mach I doch für Schallgeschwindigkeit, Mach II für zweifache Schallgeschwindigkeit usw. Aber auch wenn die 750 H2 nicht die Schnelligkeit von Überschalljets erreichte, stellte sie 1971 doch das Nonplusultra dar und war auf ihre Art ebenso ein Traum von einem Motorrad wie Hondas CB 750 Four. Der Vorteil der Kawasaki: In einer Zeit, als im Motorradbau stetig zunehmend in erster Line das „Höher, Schneller, Weiter" zählte,
war die 750 H2 genau das: noch schneller als die Honda und damit das schnellste Großserienmotorrad ihrer Zeit. Und so wechselte das Zepter des begehrenswertesten Bikes für einen kurzen Moment noch einmal zurück von einem modernen Viertakter zu einem vermeintlich und bald schon tatsächlich aus der Zeit gefallenen Zweitakter. Kawasaki selbst war es, das schon 1972 mit der wohl noch legendäreren Z1 / Z900 die ersten Sargnägel einschlagen sollte. Aber zurück zur H2: Spektakulär war schon ihr Erscheinungsbild mit der markanten, ikonischen Auspuffanlage. Während etwa die nur ein Jahr später auf den Markt gekommene, ebenfalls dreizylindrige 750er Suzuki ihre drei Krümmer in vier Auspuffrohre münden ließ und damit ähnlich wohlgeformt daherkam wie die 750er Honda, setzte man bei Kawasaki ganz auf Gewichtsersparnis. Gerade einmal 192 Kilogramm brachte das Bike auf die Räder und damit rund 25 weniger als die Honda oder die Suzuki. Mit der Folge, dass hier drei Krümmer auch nur drei Auspuffrohre generierten, zwei rechts und eins links. GoodTimes
Selbst im dritten Gang sollen noch Wheelies möglich gewesen sein. Und auch eine seriöse Quelle, Michael Pfeiffer, Chefredakteur bei Motor Presse Stuttgart („Motorrad", „Motorrad Classic" etc.), will damals Zeuge gewesen sein, wie ein Biker die Neuffener Steige nahe Reutlingen „mindestens 100 Meter auf dem Hinterrad" hinaufgefahren sein soll. Eine durchaus beliebte Übung mit der H2, bei der nicht wenige aber auf dem Hintern landen sollten. Immer wieder war auch zu lesen, dass die 750 H2 viel zu schnell gewesen sei für ihr Fahrwerk – was ihr alsbald den Ruf einbrachte, ein „Witwenmacher" zu sein. Ganz so schlimm war es wohl nicht – ihr Vorgänger, die 500 H1, muss diesbezüglich deutlich gemeingefährlicher gewesen sein – aber ab 130, 140 km/h soll sich durchaus ein übles Pendeln aufgebaut haben, wie ehemalige Besitzer noch heute mit einem leichten Schaudern berichten. Inzwischen, mit entsprechender Bereifung und fahrwerksseitigen Verbesserungen, wie sie etwa TGS Motorcycles in Rappenhof schon wiederholt durchgeführt hat, ist das aber in den Griff zu bekommen. Michael Pfeiffer selbst hat wohl nie eine 750 H2 besessen. Gefahren aber ist er vor einigen Jahren eine. Seine Erinnerung daran bringt die Faszination der „Mach IV" im Besonderen und des Zweitakters im Allgemeinen auf den Punkt: „Längst waren 100 PS und mehr zu kaufen, die schlanke Kawasaki bereits ein Oldie. Aber der Sound stellt einem schon im Stand die Nackenhaare hoch", so damals der Motorradjournalist. „Dieses unregelmäßige Brabbeln, wenn der Drilling nicht sicher ist, ob er zweioder viertakten soll, dieses leichte Schwirren der Kühlrippen, dieser unnachahmliche Geruch verbrannten Zweitaktöls, ich liebe es!" 2/2020
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Von Hans-Joachim Neupert
Der Urahn von Perry Rhodan Im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts machte die technische Entwicklung auf dem Gebiet der Luftfahrt gigantische Sprünge. An vielen Orten in Deutschland konnten die Menschen am Himmel bemannte Freiballone, die mit Gas gefüllt waren, und riesige Luftschiffe, die später auch Zeppeline genannt wurden, beobachten. Diese Luftfahrzeuge der frühen Pioniere waren jedoch, wenn überhaupt, nur unzureichend steuerbar. Das sollte sich jedoch schon sehr bald ändern.
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ach dem ersten Motorflug am 17. Dezember 1903 hatten Wilbur und Orville Wright bis 1905 an einem verbesserten Flugapparat gearbeitet, den sie dann an vielen Orten in den Vereinigten Staaten vorführen konnten. Ab da war dynamisches Fliegen für die interessierte Öffentlichkeit keine Utopie mehr. Im Juli 1908 kam Wilbur Wright mit dem neuen Flugzeug, dem Flyer III, zu Vorführungen nach Le Mans. Seit 1907 hatten nämlich Aviatiker in Frankreich ebenfalls flugfähige Maschinen konstruiert und erprobt. Der Flugpionier Delagrange schraubte den Streckenrekord am 16. September 1908 auf 24 Kilometer, wurde aber bereits eine Woche später von Wilbur Wright in Le Mans mit 66 Kilometern überboten. Wilbur schaffte 1909 den neuen Dauerflugrekord von zwei Stunden und 43 Minuten. Und sogar die letzten Skeptiker mussten aufhorchen, als Louis Bleriot am 25. Juli 1909 mit seiner Maschine über den Kanal nach England geflogen war. Seite
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Im Deutschen Kaiserreich war man zu dieser Zeit noch vorrangig am Bau von Luftschiffen interessiert. Als das Fluggerät LZ 4 des Grafen Zeppelin am 5. August 1908 des Nachts bei einem Unwetter aus seiner Verankerung gerissen und infolge einer Havarie zerstört wurde, stellte man bereits im September desselben Jahres innerhalb kurzer Zeit für den Bau eines neuen Zeppelins vier Millionen Mark an Spenden zur Verfügung. Für die damalige Zeit war das eine fantastische Summe. Sie beweist, wie intensiv und allgegenwärtig das Luftschifffieber in Deutschland grassierte, und auch die Unterhaltungsindustrie präsentierte den Zeppelin auf Postkarten, in Kinderbüchern und als Blechspielzeug, ja sogar als Baumschmuck zu Weihnachten. Kapitän Mors Seit dem Jahr 1906 waren Luftschiffe und frühe Flugapparate ein Thema sowohl in der Unterhaltungs- als auch in der anspruchsvollen Literatur. Die utopisch-fantastische Romanheftserie „Der Luftpirat und sein lenkbares Luftschiff" kam daher genau zum richtigen Zeitpunkt an die Kioske. Für viele Jugendliche der damaligen Zeit waren Groschenhefte eine der wenigen Möglichkeiten, etwas Abwechslung in ihren tristen Alltag zu bringen. Zehn Pfennige kostete damals im Kaiserreich ein Romanheft mit
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durchschnittlich 30 Seiten und einem reißerischen Titelbild, vor 100 Jahren war das eine Menge Geld. Aber der Hunger nach Abenteuergeschichten, nach einer Fluchtmöglichkeit aus dem oft harten Arbeitsalltag musste damals wie heute befriedigt werden. So konkurrierten sieben Verlage mit ihren Produkten um die Gunst und das Geld der Leser. Es erschienen Dutzende von Heftserien gleichzeitig! Die Verleger waren ständig bemüht, neue Serien mit ungewöhnlichen Ideen und unorthodoxen Helden zu produzieren. Viele dieser Heftserien sind in den Feuersbrünsten des zweiten Weltkrieges dann leider ein Opfer der Flammen geworden ... Obwohl die Serie „Der Luftpirat und sein lenkbares Luftschiff" zu ihrer Zeit sehr beliebt und weit verbreitet war, kann heute deshalb im Prinzip niemand mehr etwas Konkretes über diese faszinierende Reihe aussagen. Als Erscheinungszeitraum gilt Juli 1908 bis 1911/12. Insgesamt kamen in der Berliner Druck- und Verlagsgesellschaft 165 Romanhefte im wöchentlichen Rhythmus heraus. Wer Hefte aus der überaus beliebten Luftpiraten-Reihe besaß, der las die Geschichten immer wieder gerne und „verbrauchte" sie somit. Gedruckt auf billigem, dünnem Papier schwanden und bröckelten die Träume allmählich dahin. Heute zählen Hefte aus dieser Serie zu den seltensten und gesuchtesten deutschen Romanheften der Kaiserzeit. Ein einzelnes Originalheft kostet auf dem Sammlermarkt, je nach Zustand, zwischen 300 und 500 Euro. „Der Luftpirat undsein lenkbares Luft schiff" ist die erste SF-Serie mit einem durchgehenden Helden im Stil von Perry Rhodan. Der Held der Geschichte ist Kapitän Mors (lat. „Tod"), ein gutaussehender Kommandant in blau er Uniform, mit Mütze mit goldenem Streifen und immer mit Maske. Eine Mischung aus Nemo, Robin Hood und Zorro, dessen wirklichen Namen niemand kennt. Neben dem Kapitän agieren seine Ingenieure Stark und Terror sowie van Halen, ein Professor für Astronomie. Im ersten Abenteuer geht es um Vergeltung, um Rache an den Mördern seiner Frau und seinen Kindern. Nach dem Verlust seiner Familie widmet der Kapitän sich fortan dem Kampf gegen Unterdrückung und Ausbeutung. Zu seinen Charaktereigenschaften zählen Mut und Kaltblütigkeit sowie eine hervorragende physische Verfassung. Und der polyglotte Kämpfer ist GoodTimes
nicht ohne Macht, denn er besitzt ein riesiges Luftschiff, versehen mit einer metallenen Haut und ausgestattet mit den stärksten Motoren. Seinen Stützpunkt hat Kapitän Mors auf einer Insel im Stillen Ozean (Jules Verne lässt grüßen!). So kann er global agieren. Die Handlung der Heftreihe spielt zunächst nur auf der Erde, auf allen Kontinenten, aber Kapitän Mors hat weitaus höhere Ziele im Sinn. Er möchte die unbekannten Wunder des Weltraums erforschen. Ab Heft Nr. 32 dehnt er daher seinen Aktionsradius bis an die Grenzen des Sonnensystems aus. Auf dem Mond begegnen ihm aalartige Kreaturen, und auf dem Mars, unserem roten Nachbarplaneten, kommt es zu Kämpfen mit den Marsianern in ihren metallenen Gleitern. Auf dem Merkur wird das Weltenfahrzeug von riesigen Flug sauriern attackiert, und auf dem Planeten Neptun entdeckt Kapitän Mors faustgroße Diamanten. Die im Zuge der Weltraumfahrten auftauchenden Probleme und die Schilderungen fremder Planeten entsprechen den damals anerkannten wissenschaftlichen Erkenntnissen und sind aus unserer modernen Perspektive gesehen nicht mehr unbedingt korrekt. Aber gerade das macht ja auch zum Teil den Reiz dieser alten Geschichten aus. Die Titelbilder der Serie, geschaffen vom Hauszeichner des Verlages, sind auch für heutige Verhältnisse eine wahre Augenweide. Titelkopf und Cover stellen eine ideale Einheit dar, die Farben sind satt und kräftig, die Illustrationen wirken heute vielleicht etwas naiv, sind gerade deshalb aber so schön nostalgisch. Und genau diese bunten Umschläge waren dann auch der Anlass für die massenhafte Vernichtung des „Luftpiraten". Publikationen dieser Art galten – und gelten manchem auch heute noch – als „untergeistige Literatur", wurden von kulturbef lissenen Kreisen als „volksverderbend" bezeichnet, mit fanatischem Hass verfolgt und öffentlich, meist auf Schulhöfen oder Marktplätzen, verbrannt. Marianne Sydow-Ehrig, eine ehemalige Mitautorin der PerryRhodan-Serie, und ihr Sohn Ralph, die derzeitigen Rechte-Inhaber am Nachdruck der „Luftpiraten"-Serie, haben im Herbst 2009 damit begonnen, sukzessiv eine Neuauflage zu veröffentlichen. Der „Luftpirat" erscheint in kleiner, dem jeweiligen Bedarf angepasster Auflage im Eigendruck und ist nur im Direktverkauf über die Villa Galactica (www.villa-galactica.de) erhältlich. Der Nachdruck ist relativ preiswert und entspricht in etwa dem Original. 2/2020
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Charles Bukowski
Der sensible Polterer Vom Leichenwäscher und Postangestellten zur Kult-Figur der Underground-Lyrik: Vor 100 Jahren wurde Charles Bukowski im rheinland-pfälzischen Andernach geboren. Seine Gedichte werden bis heute gelesen. Von Jörg Palitzsch
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ein erstes Buch hat Charles Bukowski 1960 im Alter von 40 Jahren veröffentlicht. Einen Gedichtband mit dem Titel „Blume, Faust und Tiergeheul", ein finanzieller Misserfolg. Das passte zu seinem Leben und seiner Arbeit, es gab für Bukowski nur miese Jobs. Im Schlachthof, als Leichenwäscher, im Hafen, als Tankwart und Nachtportier, kein Platz für Illusionen. 1970 vollzog Bukowski eine Wandlung. Er betrat verspätet die literarische Bühne. Mit seinem Roman „Der Mann mit der die falschen Worte seien aus ihm herausgeprügelt worden. Sein Ledertasche" ergänzte er seine frühen Gedichte Vater, so Bukowski, habe ihm für sein Schreiben eine unvergessliche durch Prosa, das Buch gilt heute als Klassiker Lektion erteilt, die Bedeutung von Schmerz – Schmerz ohne Grund. der Untergrundliteratur. Darin beschreibt er ein In einigen Gedichten hat Bukowski den Hass auf den Vater reflekStück weit seinen eigenen Lebensweg. Der Held tiert. „Ich sah den Schlag nicht kommen. Mein Ohr brannte, mein Henry Chinasky (Hank), Bukowskis Alter Ego, ist Gesicht, ich lag auf dem Boden – hinter der Stirn ein roter Blitz. Ich wie er Postangestellter, in seiner Freizeit geht rappelte mich auf und warf mich mit beiden Fäusten auf ihn. Ich er zu Pferderennen, um zu wetten, er trinkt konnte ihn nicht umbringen. Einen Monat später brach ihm jemand viel und entschließt bei einer Schlägerei den Arm. Das machte Manche Menschen sind nie sich, den Dienst zu mich sehr glücklich." In einem anderen quittieren, um einen Gedicht beschreibt er den Bruch: „Als ich verrückt. Was für ein Roman zu schreiben. Für Bukowski war wahrhaft grauenvolles Leben! ein bisschen größer war, riss ich mit meidas Buch ein kleiner Erfolg. Mit knapp nem ersten Güterzug von zu Hause aus; Charles Bukowski 50 Jahren kündigte er auf Drängen des ich saß da auf Kalksäcken, und der Kalk Verlegers von Black Sparrow Press, John Martin, bei der Post, nach ätzte mir ins Bewusstsein, dass ich nichts hatte, und als es raus in den langen Jahren der miesen Jobs widmete er sich fortan ausdie Wüste ging, konnte ich zum ersten Mal singen." schließlich dem Schreiben. Welch ein Glück für ihn und seine Leser. Als Teenager las er sich durch die Weltliteratur: Tschechow, Und Bukowski schrieb und schrieb und schrieb. Sein Himmelreich Dostojewski, Schopenhauer. Später sagte er über diese Zeit, es war ein Drink, klassische Musik aus dem sei das einzige Paradies gewesen, das Radio und eine Schreibmaschine. Für ihn er je erlebt habe. Mit 24 Jahren wurde war das Wort wie ein Zaubertrank, der ihn seine erste Kurzgeschichte „Aftermath Of davor bewahrte, sich umzubringen. Kurz A Lengthy Rejection Slip" in der Zeitschrift nach seiner Geburt in Andernach in der „Story" veröffentlicht. Nach dem Abschluss Aktienstraße 12 zogen seine Mutter, eine an der Los Angeles Highschool belegDeutsche, und sein Vater, ein einfacher te Bukowski Literatur-, Journalistik- und Soldat und sadistischer Prügler, nach Los Kunstkurse am Los Angeles City College, Angeles. Palmen, Sonne und die Hölle. allerdings ohne Abschluss. Im Kurs für Wenn Hank beim Rasenmähen einen Halm kreatives Schreiben machten ihn die selbst übersah, wurde er im Badezimmer vom gehäkelten Gedichte seiner Kommilitonen Vater verprügelt. Bukowski sagte einmal im über Blumen, Familie und Picknicks fertig. Rückblick, wenn einem immer wieder und Es war nicht seine Welt, Bukowski hatte immer wieder die Scheiße aus dem Leib geprügelt wird, dann fange einen anderen Blick auf die Menschen und ihre Umgebung. man irgendwann einmal an zu sagen, was man wirklich denke. All Vor allem in East Hollywood, einem Stadtteil von L.A. So Seite
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schrieb er früh für alternative Zeitungen und Literaturzeitschriften: Seine Hauptfiguren waren Taschendiebe, Huren, Trinker und Penner. Geld verdiente er mit Lesungen, mit Sexgeschichten für Pornohefte und als Werbetexter für ein Luxusbordell. Dabei hackte er Nacht für Nacht mehr in die Maschine, als der Markt verdauen konnte. Über 70 Bücher verschiedener Textgattungen hat der Autor schließlich bis zu seinem Lebensende veröffentlicht, die den Leser zum allergrößten Teil hinab in eine schmutzige Halbwelt ziehen. Charles Bukowski schreibt in einer harten Sprache, schnell und in kurzen Sätzen, die wie Auf der Bühne stand ein Kühlschrank mit wohltemperiertem MüllerSalven aus einem Maschinengewehr in den Thurgau. In einem Film sieht man Bukowski auf der Bühne sitzen, Kopf gehämmert werden. Er ist ein genauer vor ihm drängen sich 1200 Gäste – in einem Saal mit 800 Plätzen. Beobachter und pflegt gleichzeitig das Bild Günter Grass hatte zuvor auch in der Markthalle gelesen und nur des saufenden und lauten Polterers, der tief 300 Leute angelockt. Während der Lesung kam es immer wieder zu im Herzen sensibel und persönlichen Beleidigungen Bukowskis. Nach Das Problem verletzlich ist. Bukowski seiner Begrüßung: „Hallo, tut gut, wieder hier dieser Welt ist, war vor allem in Europa zu sein", stürmte ein junger, hagerer Mann die dass die intelligenten Bühne und schrie: „Bukowski, du fette Sau, du beliebt und da insbesonMenschen so voller dere in Deutschland, Schwein, du alter Drecksack, ich hasse dich." wo er mehr als vier Er reagierte gelassen darauf und setzte seine Selbstzweifel und Millionen Bücher verLesung fort. Sein Übersetzer Carl Weissner, der die Dummen so kaufte. Es sind dies „Die auch Dylan und Ginsberg ins Deutsche übervoller Selbstvertrauen Aufzeichnungen eines tragen hat, berichtete darüber, wie Bukowski sind. Außenseiters", „Gedichte mit ungerührter Stimme vom Dreier mit Hund Charles Bukowski die einer schrieb, bevor las, ebenso die Geschichte von den Pennern er im 8. Stockwerk aus dem Fenster sprang", in New York, die im Winter unter die Autos krochen, die Kühler „Kaputt in Hollywood" und „Schlechte aufschraubten, das Zeug tranken, sich kurz daran erwärmten und Verlierer", die, erschienen im Maro Verlag dann starben. „Die Luft ist zum Schneiden, der Sauerstoffgehalt und in der Übersetzung seines Freundes Carl sinkt, die beiden Müller-Thurgau sind leer, letztes Gedicht, anhaltenWeissner, vielfach verkauft wurden. der Beifall, Trampeln, Johlen, Danke Trotz allem und nicht verwunderlich: schön ... and good night ... Chinaski Bukowski hat die Leserschaft gespalwas here", so Weissner über die ten. Während ihn viele als Trinker Hamburger Lesung. und obszönen Menschen beschimpfEs ist nicht nur die schonungsten, kürte ihn die „Los Angeles lose Offenheit, sondern das vielTimes" zum „wahrscheinlich größschichtige Ausloten von Grenzen ten Dichter seiner Generation". „Le der Selbsterfahrung und eigener Monde" ernannte ihn auf dem Titel Verwirklichung, die das Werk von zum „Majakowski des Pazifik" und Charles Bukowski bis heute prägen „La Stampa" schrieb „Una stella di und in Erinnerung halten. Der Inhalt prima grandezza" – ein Stern erster eines jeden Gedichts wurde auf Güte. Geadelt wurde der schreibendie moralische Waagschale gelegt de Kaiser des Underground auch – dann für gut und ehrlich oder von Henry Miller: „Jede Zeile von unsittlich und schmutzig befunden. Bukowski ist infiziert vom Terror Bukowski schrieb böse, zärtlich, des amerikanischen Albtraums." obszön und witzig über den ameBukowski artikuliere die Ängste einer rikanischen Albtraum, seine Texte in die Hunderttausende gehenden Charles Bukowski händchenhaltend mit Linda Lee zeichnen sich durch eine warmher1978 in Hamburg. Minorität im Niemandsland zwischen zige Grundierung aus, in der sich brutaler Entmenschlichung und ohnmächtiger Verzweiflung. Der Trauer mit einer genauen Beobachtungsgabe und Realitätssinn Dichter und Schriftsteller selbst bezeichnete verbindet. seine Landsleute von Natur aus als eingebilIm Jahr 1994 starb Charles Bukowski im Alter von 73 Jahren in seidet und entsetzlich wenig originell, ner Wahlheimat San Pedro an Leukämie. Auf seinem Grabstein blieb aber sonst unpolitisch, egosteht unter seinem Spitznamen „Hank" die Inschrift „Don't zentrisch und vulgär. Dabei war er Try", was als „versuche erst gar nicht, besser zu sein als auch tierlieb. Katzen bezeichneich", interpretiert werden könnte. „Der Tod ist süß", sagte te Bukowski als „meine Lehrer", der Kult-Dichter einmal. „Er ist der Punkt am Ende eines und er glaubte, die Gesellschaft Satzes. Da gibt es nichts, wovor man Angst haben müsste. dieser Haustiere wirke lebensverWenn ich sterbe, beginnt einfach das nächste Kapitel." längernd. 1977 lernte Charles Bukowski Linda Lee kennen, die Besitzerin eines Bioladens. Sie sorgte für etwas Ruhe und Wärme im Leben des schweren Alkoholikers und begleitete ihn auch nach Hamburg, wo er in der Markthalle am 18. Mai 1978 eine legendäre Lesung gab (seine einzige in Deutschland).
Das Jahr 1970
Von Matthias Bergert & Michael Fuchs-Gamböck
Willy Brandts Kniefall in Warschau, Gründung der RAF und Auflösung der Beatles Es ist ein Bild, das man in Deutschland niemals vergessen wird: Bundeskanzler Willy Brandt (SPD) kniet am 7. Dezember 1970 bei seinem Staatsbesuch in Warschau spontan vor dem Ehrenmal für die Toten des Ghettos dieser Stadt nieder. Er bittet um Verzeihung wegen der NS-Verbrechen im Zweiten Weltkrieg. Eine demütige Geste, die in der Geschichte Deutschlands einmalig ist. Währenddessen hat Brandt anno 1970 innenpolitisch ganz andere Probleme: Die Rote Armee Fraktion, kurz RAF, formiert sich offiziell am 14. Mai. Noch am Tag der Gründung befreien Ulrike Meinhof, Gudrun Ensslin und weitere Mitstreiter
Zeitgeschehen
Pünktlich zu Jahresbeginn wird am 1.1. in Großbritannien die Volljährigkeit von 21 auf 18 Jahre heruntergesetzt. Ausschlaggebend für diese Entscheidung war das Urteil eines Komitees, das vom englischen Lordkanzler eingesetzt worden war. Dieses bescheinigte den britischen Jugendlichen, sie seien „ehrlich", „nüchtern", „gebildet", „unabhängiger als seinerzeit ihre Eltern" und „imstande, selbstständig zu denken". *** Ebenfalls am 1.1. tritt der neue Allgemeine Römische Kalender der katholischen Kirche in Kraft. Dieser enthält den Oster- und Weihnachtsfestkreis, die Sonntage und Feste des Herrn sowie Gedenktage von wichtigen Heiligen. *** Am 26.1. beginnen in Manila anlässlich einer Rede von Präsident Ferdinand Marcos zweimonatige Studentenunruhen, die später als First " Quarter Storm" bezeichnet werden. Die Folge sind tausende Verhaftungen und Folterungen sowie mehrere Dutzend Ermordungen. *** Für Entsetzen sorgt am 13.2. ein Brandanschlag Bruno Kreisky auf das Altenheim der Israelitischen Kultusgemeinde in München. Sieben jüdische Hausbewohner sterben, darunter auch zwei Holocaust-Überlebende. Bis heute ist unklar, wer die Täter waren. *** Am 1.3. findet in Österreich die Nationalratswahl statt. Gewinnerin ist die SPÖ, die ihr bestes Ergebnis seit 1945 einfährt. Neuer Bundeskanzler wird Bruno Kreisky, der bis 1983 dieses Amt bekleidet. *** Dramatische Szenen spielen sich am 10.3. ab, denn an diesem Tag entführen die Eheleute Christel und Eckhard Wehage ein Flugzeug aus der DDR, um eine Landung in Hannover zu erzwingen. Der Pilot fliegt die Maschine allerdings unbemerkt wieder nach Seite
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den inhaftierten Genossen" Andreas Baader. Ab sofort ist " über Jahre hinweg militanter Terror angesagt. Kurz zuvor, am 10. April, sind Millionen von Fab-Four-Anhängern auf der ganzen Welt unsagbar traurig, denn an diesem Tag erklärt Paul McCartney, dass er die Beatles verlassen hat. Der Inbegriff von Popmusik ist damit aufgelöst, die Rockwelt ist bestürzt. Nichts ist mehr wie zuvor. In vielerlei Hinsicht ist 1970 ein Wendepunkt, was die westliche Welt betrifft. Übrigens auch in der deutschösterreichisch-schweizerischen TV-Welt: Am 29. November wird in der ARD die erste Tatort"-Folge ausgestrahlt. " Berlin-Schönefeld zurück, woraufhin die beiden Selbstmord begehen. *** Am 26.3. beginnen in Berlin die Verhandlungen für ein BerlinAbkommen, um den künftigen Status der Stadt zu klären. Beteiligt sind die Botschafter der vier Besatzungsmächte. *** Am 4.5. kommt es auf dem Campus der Kent State University im US-Bundesstaat Ohio zum sogenannten Kent-State-Massaker. Bei einer Demonstration gegen den Vietnam-Krieg werden vier Studenten von Nationalgardisten erschossen, weitere neun werden teils schwer verletzt. Es folgt der größte Studentenstreik der amerikanischen Geschichte (acht Millionen Teilnehmer). *** Traurige Szenen spielen sich auch in Israel ab, denn am 8.5. sterben bei einem Anschlag palästinensischer Terroristen neun Schüler und drei Lehrer. *** In Deutschland spielt der Terror ebenfalls eine immer größere Rolle. Am 14.5. wird in Berlin die Rote Armee Fraktion (RAF) gegründet, noch am selben Tag befreien Ulrike Meinhof, Gudrun Ensslin und andere den inhaftierten Andreas Baader, der wegen seiner Teilnahme an den Kaufhaus-Brandstiftungen in Frankfurt am Main (2.4.1968) im Gefängnis saß *** In Argentinien wird am 29.5. der frühere Präsident Pedro Eugenio Aramburu, der zwischen 1955 und 1958 die „Entperónisierung" seines Landes eingeleitet hatte, von einer radikalen peronistischen Gruppe entführt und einige Tage später hingerichtet. *** Am 18.6. finden in Großbritannien die Unterhauswahlen statt, bei denen die Conservative Party den Sieg erringt. Neuer Premierminister wird Edward Heath, der Harold Wilson ablöst – dieser wird allerdings 1974 erneut gewählt. *** Im WestOst-Verhältnis deutet sich im Sommer eine Verbesserung an, denn am 12.8. wird der Moskauer Vertrag zwischen der Sowjetunion und der BRD unterzeichnet. Ziel sind die Aufrechterhaltung des internationalen Friedens und die politische Entspannung in Europa. *** In Jordanien
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kommt es am 2.9. zu einem Aufstand der Palästinenser ( Aufstand des " Schwarzen September"), der am 22.9. mit einem Waffenstillstand zwischen König Hussein I. von Jordanien und Palästinenserführer Jassir Arafat endet. *** Am 5.10. wird James Richard Cross (britischer Handelskommissar in Kanada) von Terroristen der Front de libération de Québec entführt, wodurch die Oktoberkrise" ausgelöst wird. " Cross kommt nach 60-tägiger Gefangenschaft frei. *** Bei den Präsidentschaftswahlen in Chile setzt sich am 22.10. der Christdemokrat Salvador Allende durch. Drei Jahre später wird er durch einen Militärputsch gestürzt und begeht Selbstmord. *** Großes Glück hat Papst Paul VI.: Bei einem Philippinen-Besuch verübt der bolivianische Maler Benjamin Mendoza y Amor Flores am 27.11. ein Attentat auf ihn, Salvador Allende doch Paul VI. wird nur leicht verletzt. *** Ein weiteres wichtiges Ereignis in der West-Ost-Annäherung ist am 7.12. die Unterzeichnung des Warschauer Vertrags durch die BRD und Polen. *** Ebenfalls am 7.12. vollführt Bundeskanzler Willy Brandt den Kniefall von Warschau" – eine Geste, mit der er um Vergeben " für die NS-Verbrechen im Zweiten Weltkrieg bittet. *** Kurz vor Weihnachten kommt es in Polen wegen massiver Preiserhöhungen zu einem Arbeiteraufstand (14.–22.12.). Parteichef Wladyslaw Gomulka wird daraufhin gestürzt, Edward Gierek wird sein Nachfolger.
Sport
Der Schwede Björn Waldegård und sein deutscher Beifahrer Lars Helfer gewinnen am 23.1. mit einem Porsche 911 S die 39. Rallye Monte Carlo. Auf Platz 2 landet eine weitere Porsche-Mannschaft mit den Franzosen Gérard Larousse und Maurice Gélin. *** Am 25.1. feiern die deutschen Zweierbob-Fahrer bei den Weltmeisterschaften im schweizerischen St. Moritz einen doppelten Triumph: Horst Floth und Josef „Pepi" Bader sichern sich Gold, Wolfgang Zimmerer und Peter Utzschneider dürfen Silber mit nach Hause nehmen. *** Drei Wochen später, am 17.2., verteidigt Joe Frazier seinen Box-WM-Titel zum fünften Mal in Folge. Er wird in New York nach seinem K.o.-Sieg gegen Jimmy Ellis von sämtlichen Boxverbänden als Weltmeister im Schwergewicht anerkannt. *** Joe Frazier Die Bundesregierung beschließt am 9.4., die Inschrift der offiziellen Olympiamünze in Olympische Spiele 1972 " in München" zu ändern. Gegen die ursprüngliche Inschrift „Spiele der XX. Olympiade in Deutschland" hatte der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees, Avery Brundage, Einspruch erhoben. *** In Mainz wird am 25.4. der Vorsitzende des Deutschen Turner-Bundes, der 61-jährige Wilhelm Kregel, zum neuen Präsidenten des Deutschen Sport-Bundes (DSB) gekürt. Er folgt auf den überaus beliebten Willi Daume, den man zum Ehrenpräsidenten ernennt. *** Das Internationale Olympische Komitee (IOC) schließt Südafrika am 15.5. wegen seiner rassistischen Apartheidspolitik auf unbestimmte Zeit von den Olympischen Spielen aus. *** Der BRD-Judoka Klaus Glahn wird am 24.5. in der DDR-Hauptstadt Ost-Berlin zum dritten Mal in Folge Judo-Europameister im Schwergewicht. Die Bundesrepublik kann ihren Mannschaftstitel nicht verteidigen, sondern muss ihn an die Sowjetunion abgeben. *** Das finnisch-schwedische Team Hannu Mikkola/Gunnar Palm gewinnt am 27.5. mit einem Ford Mustang die sogenannte World Cup Rallye. Am Ziel angekommen, hat das Duo eine Strecke von 25.750 Kilometern zurückgelegt, ein Trip durch drei Erdteile. *** In der mexikanischen Kapitale Mexiko-Stadt wird am 31.5. die neunte Fußball-Weltmeisterschaft eröffnet – vor 110.000 begeisterten Zuschauern. Genauso viele finden sich im selben Stadion beim Finale am 21.6. zwischen Brasilien und Italien ein, das Brasilien mit 4:1 gewinnt. Deutschland wird Dritter, Gerd Müller mit zehn Treffern Torschützenkönig – womit er einmal mehr seinen Spitznamen „Bomber der Nation" unter Beweis stellt. *** Sieger des Giro d’Italia wird am 6.6. der Belgier Eddy Merckx. Am 19.7. legt er nach und gewinnt wie im Vorjahr auch die Tour de France. Merckx gilt gemeinhin als Jahrhundert-Radrennsportler. *** Die Bezwingung des Nanga Parbat, des mit 8125 Meter neunthöchsten Berges des GoodTimes
Himalaya, gelingt am 27.6. zum dritten Mal. Vier Teilnehmer unter Leitung des Münchner Arztes Karl Herrligkoffer erreichen den Gipfel. Auf dem Rückweg verunglückt der 24-jährige Günther Messner tödlich. Er ist der jüngere Bruder von Bergsteiger-Legende Reinhold Messner, der an der Mission gleichfalls beteiligt ist. Die exakte Todesursache ist bis heute ungeklärt. *** Am 2.7. finden in Halle/Saale die ersten offiziellen Sportgespräche zwischen DDR und BRD seit elf Jahren statt. Ziel ist die Wiederbelebung der deutsch-deutschen Sportbeziehungen. Doch die Unterredungen verlaufen ergebnislos. *** Nach Monaco, Zandvoort und Clermont-Ferrand gewinnt der in Mainz geborene, in Graz aufgewachsene Fahrer Jochen Rindt am 18.7. als vierten Grand Prix in der Saison auch noch den Großen Automobil-Preis von Großbritannien in Brands Hatch. Am 2.8. legt Rindt noch einen drauf, siegt beim 32. Großen Automobil-Preis von Deutschland, der erstmals auf dem Hockenheimring ausgetragen wird, und baut dadurch seinen Vorsprung in der Formel-1-Weltmeisterschaft auf 20 Punkte aus. Doch kurz darauf kommt es zur Tragödie: Beim Training zum Großen Preis von Italien verunglückt der Ausnahmefahrer am 5.9. tödlich, gerade mal 28 Jahre jung. *** Im schwedischen Karlkoga fliegen am 9.8. bei einem Sportwagenrennen trotz eines 1,80 Meter hohen Schutzwalls zwei Autos nach einer Kollision in die Zuschauermenge. Fünf Personen kommen ums Leben, weitere 25 Jochen Rindt werden zum Teil schwer verletzt. *** Zum dritten Mal nach 1960 und 1964 wird Uwe Seeler vom Hamburger SV am 21.8. zum deutschen „Fußballer des Jahres" gekürt. Am 9.9. erklärt der Hanseate nach seinem 72. Länderspiel beim 3:1-Sieg über Ungarn seinen Abschied von der deutschen Fußball-Nationalelf. *** In Hannover wird das Team von Kickers Offenbach, absoluter Außenseiter, am 29.8. durch einen 2:1-Sieg gegen den 1. FC Köln DFB-Pokalsieger. *** Der US-Profiboxer Muhammad Ali – bis 1965 Cassius Clay – erhält am 14.9. nach der Entscheidung eines Bundesgerichts in New York seine Boxlizenz wieder zurück. Diese war ihm aberkannt worden, nachdem Ali sich im Juli 1967 geweigert hatte, den Wehrdienst anzutreten.
Funk & Fernsehen
Pünktlich zum Jahreswechsel wird vom Südwestfunk Baden-Baden erstmals der Pop Shop", ein progressives Jugendmagazin, ausge" strahlt. Es ist eines der ersten Radiomagazine, in dem statt deutscher Schlager überwiegend internationale Popsongs gespielt werden. *** Am 19.1. strahlt das ZDF vor Millionenpublikum einen dreiteiligen Expeditionsbericht aus Westafrika aus, betitelt: Unsere armen " Vettern". Der Forscher Adriaan Kortlandt beobachtete sechs Monate lang mit seinem Team das Leben der Schimpansen, um deren Verhalten in Freiheit für den TV-Zuschauer zu dokumentieren. *** Nach Einführung des Farbfernsehens benutzen ARD und ZDF ab dem 29.3. für die Wettervorhersage eine Karte Europas ohne Grenzen. Bisher zeigten die beiden Sender auf ihren Wetterkarten die Grenzen des Deutschen Reichs von 1937. *** Am selben Tag startet im ZDF die vierteilige Reportagereihe Bilder aus dem deutschen " Familienleben". Darin werden für die damalige Zeit typische Formen von Familienalltag vorgestellt. *** Am 3.4. beginnt im ZDF die 13-teilige Komödienserie Meine Tochter – unser Fräulein Doktor", die " sich rund um das turbulente Arbeits- und Privatleben der Psychologin Dr. Karin Keller dreht, gemimt von Diana Körner. So charmant wie teilweise anarchisch. *** Am 21.5. zeigt das ZDF zum letzten Mal die populäre Unterhaltungssendung „Vergißmeinnicht". Moderator der Sendung ist der beliebte Peter Frankenfeld. *** Knapp sechs Wochen später, am 2.7., stellt das ZDF die Spielshow Der goldene Schuss" " ein. Es war die erste in Farbe ausPeter Frankenfeld gestrahlte Unterhaltungssendung im deutschen Fernsehen. Am Ende wurde sie von Entertainer Vico Torriani moderiert. Bekannt gemacht hatte sie in den 60ern Moderator Lou van Burg. *** Am 17.7. beginnt eine neue Ära im ZDF-Vorabendprogramm: Gezeigt wird die erste Folge von „Laurel und Hardy" alias Dick " und Doof", wie die beiden US-Komiker im deutschen Fernsehen 2/2020
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genannt wurden. 98 synchronisierte Schwarz/Weiß-Folgen flimmern im fernsehfreundlichen 25-Minuten-Format in regelmäßigen Abständen über nationale TV-Mattscheiben. *** Ab dem 2.8. stimmt das ARD einmal monatlich im Olympia" Magazin" auf die Sommerspiele ein, die 1972 in München stattfinden sollen. Geboten werden im Vorfeld des SportGroßereignisses Informationen und Musik, Rückblicke und Vorschauen. Moderiert Dick und Doof werden die Sendungen vom smarten Alexander von Bentheim. *** Schon im Vorfeld bahnt sich ein Eklat an, zu dem es letztlich nicht kommen wird: Denn das ZDF kündigt mit Wunder des Lebens – Faszination Liebe" eine zwölftei" lige Reihe mit zehnminütigen Aufklärungsfilmchen für Jungen und Mädchen im Alter von fünf bis elf Jahren an, in denen altersgerecht und trotzdem auf biologischen Erkenntnissen basierend die jungen Zuschauer am Nachmittag in die Welt der Sexualität eingeführt werden. Die Reihe startet am 20.9. *** Exakt eine Woche später geht es im Abendprogramm desselben Kanals um Erotik für Erwachsene, denn an jenem 27.9. wird der erste Part des Zweiteilers „Die Marquise von B." ausgestrahlt. Darin brilliert Heidelinde Weis als so gerissene wie sinnliche Adelige, mit sämtlichen blaublütigen Wassern gewaschen. *** Ab dem 12.10. – und immerhin bis zum Jahr 2006 – wird auf diversen dritten TV-Kanälen das Wissenschaftsmagazin Prisma" gezeigt. " Darin dreht sich alles um Dokumentationen aus Physik, Chemie, Medizin, Technik und Forschung, aufgearbeitet in verständlicher und unterhaltsamer Form. *** Neues von der Augsburger Puppenkiste", " stets ein Erlebnis für Jung wie Alt: Am 8.11. startet in der ARD das vierteilige Tatort Taxi nach Leipzig" abgefilmte Marionettenspiel „Kleiner " König Kalle Wirsch". Eine eher düstere Geschichte, die weitgehend in einer fiktiven Unterwelt spielt. *** Am 29.11. nimmt eine TV-Legende ihren Anfang: In der ARD wird die erste Tatort"-Episode ausge" strahlt. Diese wird vom NDR produziert und trägt den Titel „Taxi nach Leipzig". Walter Richter ist in dieser Folge als Hauptkommissar Paul Trimmel zu sehen. *** Und noch eine Kult-Reihe startet, gleichfalls in der ARD. Am 13.12. ist die erste von insgesamt 33 Folgen über den neben John Steed (alias Patrick Macnee) elegantesten Melonenträger der Welt zu bestaunen: Pan Tau". Dank seines Zauberhuts kann der " (beinahe immer) stumme Herr sich jederzeit bis auf Handgröße verkleinern und dadurch unbeachtet Abenteuer erleben.
Film
Von den wichtigen westdeutschen Filmproduktionen des Jahres 1970 sind folgende hervorzuheben: Maximilian Schells Regiedebüt „Erste Liebe" (nach Ivan Turgenjews gleichnamiger Novelle), Peter Lilienthals Anarchismus-Studie „Malatesta" sowie Michael Fenglers und Rainer Werner Fassbinders „Warum läuft Herr R. Amok?". Für Aufsehen sorgen außerdem Rosa von Praunheims „Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt" und der TV-Film „Das Millionenspiel" von Tom Toelle. *** Bei den ostdeutschen Filmproduktionen ragen besonders die Literaturverfilmung „Unterwegs zu Lenin" und „Meine Stunde Null" (Hauptrolle: Manfred Krug) heraus. An ein junges Publikum wenden sich dagegen „Wir kaufen eine Feuerwehr" und der Jugendfilm „Mein lieber Robinson". *** Von den internationalen Top-Produktionen überzeugen vor allem das Melodram „Love Story", der Katastrophenfilm „Airport", die bissige Komödie „M*A*S*H", der Kriegsfilm „Patton – Rebell in Uniform", die „Woodstock"-Dokumentation und der AntiWestern „Little Big Man". *** Die 42. Oscar-Verleihung findet am 7.4. im Dorothy Chandler Pavilion in Los Angeles statt. Vier Trophäen erhält „Zwei Banditen", gefolgt von „Asphalt-Cowboy" und dem FilmMusical „Hello, Dolly!", die beide mit je drei Oscars belohnt werden. Zwei Preise gehen u.a. an den Kultfilm „Easy Rider" sowie an „Die besten Jahre der Miss Jean Brodie" und „Goodbye, Mr. Chips". „Königin Seite
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für tausend Tage" und „Nur Pferden gibt man den Gnadenschuss" werden trotz zehn bzw. neun Nominierungen nur ein einziges Mal ausgezeichnet. Als „Bester Film" wird „Asphalt-Cowboy" prämiert, dessen Regisseur John Schlesinger auch den Preis für die „Beste Regie" erhält. Als beste Hauptdarsteller dürfen sich John Wayne („Der Marshal") und Maggie Smith („Die besten Jahre der Miss Jean Brodie") über die begehrte Trophäe freuen. Weitere bekannte Preisträger sind Goldie M*A*S*H" " Hawn („Beste Nebendarstellerin" in „Die Kaktusblüte"), William Goldman („Bestes Drehbuch" für „Zwei Banditen") und Burt Bacharach („Beste Filmmusik Drama/Komödie" für „Zwei Banditen"). Der Ehren-Oscar geht dieses Jahr an Cary Grant. *** Auch an der Côte d’Azur trifft sich die Elite der Filmindustrie, denn im Frühjahr finden die 23. Internationalen Filmfestspiele von Cannes (2.–16.5.) statt. Der Grand Prix geht an Robert Altmans satirische Filmkomödie „M*A*S*H" (in der Hauptrolle: Donald Sutherland). Als beste Schauspieler werden Marcello Mastroianni („Eifersucht auf Italienisch") und Ottavia Piccolo („Metello") ausgezeichnet. Als „Bester Regisseur" darf John Boorman („Leo, der Letzte") einen Preis mit nach Hause nehmen. Skandal am Rande: Robert Favre LeBret, der Gründer des Festivals, hat keine Lust mehr auf „slawische Spektakel und japanische Samurai-Streifen" und schließt daher Filme aus Russland und Japan von der Teilnahme aus. *** Noch skandalöser ist die Berlinale (26.6.–5.7.), die zwei Tage früher als geplant zu Ende geht. Viele der gezeigten Filme werden vom Publikum negativ aufgenommen, außerdem fordert der amerikanische Jury-Präsident George Stevens, dass Michael Verhoevens Antikriegsfilm „o.k." vom Festival ausgeschlossen werden solle, weil er „anti-amerikanisch" sei. Da sich die Jury nicht einigen kann, tritt sie zurück – ohne dass ein Preis verliehen wird, trotz prominenter Teilnehmer wie Bernardo Bertolucci und Brian De Palma. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte Michael Fenglers und Rainer Werner Fassbinders Film „Warum läuft Herr R. Amok?" als Anwärter auf den Goldenen Bären gegolten. In den Folgejahren öffnet sich die Berlinale stärker für künstlerische und unabhängige Filme sowie für Filme junger Regisseure. *** Bei den Bravo"-Ottos setzen sich wie schon im " Vorjahr der noch vom „Winnetou"-Ruhm zehrende Pierre Brice und die in diversen „Pauker"-Filmen mitwirkende Uschi Glas durch (auf Platz 2 folgen Joachim Fuchsberger und Gila von Weitershausen, auf Platz 3 Hansi Kraus und Marie Versini). *** Abschließend lohnt noch ein Blick auf die beliebtesten Filme des Jahres 1970 in Deutschland. Hierbei fällt eine Tendenz zu „Pauker"-Komödien, seichten Klamotten sowie Aufklärungsfilmen und Erotikstreifen auf. Mit weitem Abstand den ersten Platz belegt „Schulmädchen-Report – Was Eltern nicht für möglich halten" (7 Mio. Zuschauer), gefolgt von „Asterix und Kleopatra" (3,8 Mio.), „Oswalt Kolle – Dein Mann, das unbekannte Wesen" (3,5 Mio.) sowie „Flesh", „Die Nonne von Monza" und „Wenn die tollen Tanten kommen" (je 3 Mio.). Auf den Plätzen 6 bis 10 landen „Wir haun die Pauker in die Pfanne" und der Sexfilm „Liebesmarkt in Dänemark" (je 2,5 Mio.) sowie die Komödien „Nicht fummeln, Liebling" und „Unsere Pauker gehen in die Luft" (je 2 Mio.).
Musik
Mit dem Lied "All Kinds Of Everything" gewinnt die Irin Dana Brown, die bürgerlich Rosemary Brown heißt, am 21.3. in Amsterdam den Grand Prix Eurovision de la Chanson. Katja Ebstein aus der BRD sichert sich mit dem Schlager "Wunder gibt es immer wieder" den dritten Platz. *** Der Sänger, Bassist und Gitarrist der Beatles, Paul McCartney, erklärt am 10.4. bei einer Pressekonferenz in London seine Trennung von der Band. Durch dieses Statement ist die Gruppe endgültig passé. McCartney gibt Differenzen mit den anderen Bandmitgliedern sowie familiäre Verpflichtungen als Grund für seinen Ausstieg an. *** Der Komponist Mikis Theodorakis wird am 13.4. aus der Haft freigelassen. Er gilt als vehementer Gegner des griechischen Militärregimes. Seine Reaktion auf die Entlassung: Er reist nach Paris. „Nur weg hier aus diesem Wahnsinn", wird er von einer französischen Zeitung über den Grund für seinen Abflug zitiert. *** Exakt vier Wochen nach Auflösung der Band, am 8.5., erscheint posthum das letzte Album der Beatles, LET IT BE betitelt. *** Mit
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”Das schöne Mädchen von Seite eins" gewinnt der südafrikanische Schlagersänger Howard Carpendale am 4.6. souverän den „Deutschen Schlagerwettbewerb" in Mainz. *** Für die Erfolgsmelodie ”Dein schönstes Geschenk" wird der Augsburger Schlagersänger Roy Black am 14.7. nach dem Entscheid der Hörer und einer Fachjury mit dem Goldenen Löwen von Radio Luxemburg ausgezeichnet. Das Lied belegt im Anschluss neun Wochen lang die Pole Position der deutschen Single-Charts. *** Mit einer Aufführung von „Tristan und Isolde" werden am 24.7. die Bayreuther RichardWagner-Festspiele eröffnet, die bis zum 27.8. dauern. In einer Neuinszenierung werden auch „Der Ring des Nibelungen" (unter der Regie von Wagner-Enkel Wolfgang) und „Der fliegende Holländer" (unter Leitung von August Everding) aufgeführt. *** Die US-Band Creedence Clearwater Revival veröffentlicht am 25.7. ihr Album COSMO’S FACTORY, von dem es sechs Titel in die Top 5 der US-Single-Charts schaffen, darunter ”Run Through The Jungle" oder ”Travelin’ Band". *** Am 26.8. reisen zwischen 600.000 und 700.000 meist jugendliche Besucher zur dritten Ausgabe des britischen Isle Of Wight Festivals an. Gern spricht man vom bestbesuchten Festival in der Geschichte der Rockmusik. Zu hören sind Künstler wie Procol Harum, Ten Years After, The Doors oder The Who. Fünf Tage dauert die Mammutveranstaltung. *** Vor dem Konzert der Rolling Stones am 16.9. in der West-Berliner Deutschlandhalle kommt es zu schweren Auseinandersetzungen zwischen Fans und der Polizei. *** Die Musikzeitschrift „Melody Maker" berichtet einen Tag später, dass die Beatles zum ersten Mal seit acht Jahren nicht mehr die beliebteste britische Band seien. Bei einer Umfrage des Magazins hat die größte Zahl der Jimi Hendrix Befragten für Led Zeppelin gestimmt. *** Entsetzen bei Rockanhängern: Am 18.9. stirbt der US-amerikanische Jahrhundertgitarrist Jimi Hendrix in London nach einem AlkoholSchlaftabletten-Mix an seinem eigenen Erbrochenen. Er wird gerade mal 27 Jahre alt. *** Gut zwei Wochen später, am 4.10., folgt ihm die Blues-Urgewalt Janis Joplin in den Rockolymp. Auch sie erliegt einer Rauschgift-Überdosis. Auch sie wird nur 27 Jahre alt. *** Am 16.10. findet im Pacific Coliseum in Vancouver anlässlich einer AntiAtomtest-Kampagne der „Aktion Greenpeace" ein Benefizkonzert statt. Mitwirkende sind die Folk-Ikonen Joni Mitchell, James Taylor und Phil Ochs. Im Folgejahr wird aus der „Aktion Greenpeace" die weltweit agierende Umweltschutzorganisation Greenpeace. *** Höhepunkte im ereignisreichen Musikjahr 1970: die LP BRIDGE OVER TROUBLED WATER, das letzte gemeinsame Studiowerk von Simon & Garfunkel, das den weltweiten Nummer-1-Hit "El Condor Pasa” abwirft. Und die Debütsingle einer Band namens Mungo Jerry mit dem Titel "In The Summertime”, bis heute der Inbegriff des Sommerhits schlechthin. Weitere Evergreens aus jenem Jahrgang: "Lola” von den Kinks, "Paranoid” von Black Sabbath, "Suspicious Minds” von Elvis Presley und "Whole Lotta Love” von Led Zeppelin. Und das ist nur die Spitze eines pulsierenden Musikeisbergs.
Vermischtes
In der BRD sind ab dem 1.1. die Arbeiter den Angestellten gleichgestellt, so dass sie ab sofort ebenfalls Lohnfortzahlung im Krankheitsfall erhalten. *** Ebenfalls am 1.1. gelingt einer achtköpfigen Familie die Flucht aus der DDR nach Niedersachsen – und zwar über die zugefrorene Elbe. *** In China fordert am 4.1. ein Erdbeben der Stärke 7,5 ungefähr 10.000 Tote. *** Nach einem Bombenattentat stürzt am 21.2. der Swissair-Flug 330 in der Schweiz ab. 47 Menschen sterben, die zwei palästinensischen Haupttäter werden bis heute gesucht. Ziel des Anschlags war eigentlich die israelische Fluggesellschaft El-Al. *** Beim Erdbeben von Gediz, das eine Stärke von 7,6 erreicht, sterben am 28.3. in der West-Türkei 1100 Menschen. *** Am 11.4. startet die Apollo 13"-Mission zur geplanten dritten Mondlandung, doch der " Flug muss nach sechs Tagen abgebrochen werden. *** Grund zum GoodTimes
Feiern gibt es am 31.5. in Brasilien. An diesem Tag wird die kreisrunde Kathedrale von Brasília eingeweiht, die vom Architekten Oscar Niemeyer entworfen wurde. *** Zwei Astronauten der Sojus " 9"-Mission beenden am 19.6. nach 19 Tagen den bis dato längsten Raumflug. *** Die amerikanische Eisenbahngesellschaft Penn Central, die ein Drittel aller Reisezüge in den USA betreibt, muss am 21.6. Konkurs anmelden. Infolgedessen wird die halbstaatliche Gesellschaft Amtrak gegründet. *** Der norwegische Forschungsreisende Thor Heyerdahl startet am 17.5. auf einem Papyrusboot zu einer zweiten Ost-West-Überquerung des Atlantiks. Dieses Mal ist er erfolgreich und erreicht mit seiner Crew am 12.7. die Karibikinsel Barbados. *** Am 31.7., dem Black Tot Day", erhalten Seeleute der britischen " Marine zum letzten Mal Rum als Teil ihrer Ration. Damit endet eine 315 Jahre lange Tradition. *** Die Lagunenstadt Venedig wird am 11.9. von einem Tornado der Stärke F5 heimgesucht. 47 Menschen kommen ums Leben. *** Am 27.9. wird in Duisburg das Filmforum eröffnet, das erste deutsche kommunale Kino mit ganzwöchigem Programm. *** Der Amerikaner Gary Gabelich ist am 28.10. der erste Mensch, der mit einem Landfahrzeug eine Geschwindigkeit von mehr als 1000 km/h erreicht. Dieser Rekord gelingt ihm in der Großen Salzwüste im US-Staat Utah mit dem Raketenauto Blue Flame. *** Christoph 1, der erste zivile Rettungshubschrauber der BRD, wird am 1.11. in Dienst gestellt. *** Am 4.11. wird in Los Angeles das 13-jährige Wolfskind Genie entdeckt. Bis dahin hielt sich das Mädchen die meiste Zeit gefesselt zu Hause auf, war aber von dieser Erfahrung derart traumatisiert, dass alle späteren Sozialisierungsversuche scheiterten. *** In Bangladesch kommt es am 12.11. zu einer Katastrophe. Bei einem Zyklon mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 230 km/h sowie meterhohen Flutwellen sterben 300.000 Menschen. *** Am 15.11. eröffnet die niederländische Königin Juliana den fünf Kilometer langen Haringvlietdam, der seit 1958 gebaut wurde und vor Überflutungen schützen soll. *** Die britische Männerwelt darf sich am 17.11. freuen, denn die Boulevardzeitung „The Sun" veröffentlicht auf ihrer dritten Seite erstmals das Foto eines Page Three Girls". Der Erfolg ist immens, " denn es kommt zu einer Auflagensteigerung von 40 Prozent. *** Ebenfalls am 17.11. ereignet sich eine wichtige Episode der Computergeschichte, Douglas C. denn an diesem Tag erhält der amerikanische Engelbart Erfinder Douglas C. Engelbart ein Patent auf die Computermaus. *** Am Pariser Collège de France hält der Philosoph Michel Foucault am 19.12. seine Antrittsvorlesung „Die Ordnung des Diskurses". Bis zu seinem Tod im Jahr 1984 hat er dort eine Professur für die „Geschichte der Denksysteme" inne. *** Geburten-Mix 1970: Comedian Bernard Hoëcker (20.3.), Schauspielerin Anja Kling (22.3.), Sängerin Mariah Carey (27.3.), Tennisspieler André Agassi (29.4.), Schauspielerin Uma Thurman (29.4.), Fotomodell Naomi Campbell (22.5.), Komponist Yann Tiersen (23.6.), Regisseur Paul Thomas Anderson (26.6.), Politikerin Andrea Nahles (29.6.), Sänger Roger Cicero (6.7.; †2016); Radrennfahrer Erik Zabel (7.7.), Schriftsteller Tommy Jaud (16.7.), Biathlet Ricco Groß (22.8.), Jazzpianist Brad Mehldau (23.8.), Schauspieler River Phoenix (23.8.; †1993), Fotomodell Claudia Schiffer (25.8.), Schauspieler Matt Damon (8.10.), Rennrodlerin Silke Kraushaar (10.10.), Fußballspieler Mehmet Scholl (16.10.), Schauspieler Ethan Hawke (6.11.), Sängerin/Bluesgitarristin Susan Tedeschi (9.11.), Schauspielerin Anna Loos (16.11.) *** Verstorben 1970: Verleger Curt Frenzel (30.1.), Philosoph/Mathematiker Bertrand Russell (2.2.), Filmkomponist Alfred Newman (17.2.), Maler Mark Rothko (25.2.), Politiker Heinrich Brüning (30.3.), Lyriker Paul Celan (20.4.), Schriftsteller E.M. Forster (7.6.), Politiker Sukarno (21.6.), Schauspieler Fritz Kortner (22.7.), Dirigent George Szell (30.7.), Autorennfahrer Jochen Rindt (5.9.), Sänger/Gitarrist Jimi Hendrix (18.9.), Schriftsteller Erich Maria Remarque (25.9.), Schriftsteller John Dos Passos (28.9.), Schauspielerin Grethe Weiser (2.10.), Sängerin Janis Joplin (4.10.), Schriftsteller Jean Giono (9.10.), Schauspielerin Hertha Feiler (1.11.), Politiker Charles de Gaulle (9.11.), Boxer Sonny Liston (30.12.). 2/2020
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Kino-Bösewichte | Teil 10
Von Roland Schäfli
Maximilian Schell Auf den ersten Blick war er prädestiniert für die Rolle des Helden im Kino: markantes Äußeres, mysteriöser Charme. Doch Maximilian Schell bevorzugte die Rolle des faszinierenden Gegenspielers. Er war aus Österreich geflohen, in der Schweiz aufgewachsen – und er spielte Deutsche auf der Leinwand.
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Weltbürger und Kino-Bösewicht Autogrammarchiv Norbert Arndt
ie vergass er den Moment, als ein Moderator ihn fragte, wie er sich denn als Deutscher fühle angesichts der Millionen von Toten. Worauf er nur antwortete: „Ich bin Schweizer." Der Talkshow-Host aber beharrte darauf: „Das ist doch das Gleiche." Richtig ist: Maximilian Schell war Weltbürger. Geboren in Wien am 8. Dezember 1930, besaß er zwei Pässe. Aber er spielte auf der Leinwand tatsächlich vor allem Deutsche.
Nazis mit Marlon
Ein Nazi-Hasser also, der es ungemein faszinierend verstand, Nazis darzustellen. Wann immer möglich, legte er sie mit einem Zug von Menschlichkeit an. Wie die historische Figur des General Bittrich, den es in der „Brücke von Arnheim" 1977 größte Überwindung kostet, den Befehl zur Ausradierung von Anthony Hopkins' Truppe zu geben. Dann wieder konnte er, im selben Jahr noch, den neurotischen Nazi verkörpern, dem man die Die Brücke von Arnheim" Schandtaten anfangs " Seite
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Der Befehl" "
Foto: Bildarchiv Hallhuber
Steiner – Das Eiserne Kreuz"
Foto: Bildarchiv Hallhuber
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derum spielte er 1974 als verabscheuungswürdiger Kriegsverbrecher auf, der sich bis zuletzt seine Taten schönredet. Die wohl abstruseste Rolle als Herrenmensch übernahm er 1968 in „Der Befehl": Charlton Heston ist der Orchesterdirigent, der den Nazis in die Hände fällt, Schell der Kommandant, der dessen Exekution nur aussetzt, bis er für ihn ein Konzert gibt.
Im Schwarzen Loch des Bösen In Erinnerung blieb seine Tour de Force als verrückter Wissenschaftler im „Schwarzen Loch". Als Disney sich 1979 in Science Fiction versuchte, kam für die Rolle des Dr. Hans Reinhard, der am Ende des Universums über seiner Forschung brütet, nur Schell in Frage. Im selben Jahr stahl er als zwielichtige Type dem Heldendarsteller die Schau als russischer Doppelagent in „Avalanche Express". Und auch in „Top kapi" durfte er 1964 Schurke sein – aber für einmal Das schwarze Loch" ein charmanter:Als "
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Tiefgründige Bösewichte
nicht zutrauen würde, der aber über Leichen geht: In Sam Peckinpahs unterschätztem „Steiner – Das Eiserne Kreuz" war er der perfide Widersacher von James Coburn. In der „Akte Odessa" wie-
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Gleich in seinem ersten Hollywood-Film 1957 zog er sich an der Seite von Marlon Brando die deutsche Uniform an. Als verblendeter Nazi verlangte er von Brando in einer eindrücklichen Szene eine Pistole, um sich das Leben nehmen Die jungen " Löwen" zu können. Als man ihm „Die jungen Löwen" anbot, wollte er erst das Drehbuch lesen. Die Filmgewaltigen verstanden die Welt nicht mehr. Dieser dahergelaufene, unbekannte Schauspieler will das Script lesen? Brando unterstützte den jungen Kollegen: „Natürlich, er muss es zuerst lesen!" Worauf er Schell sein eigenes Script gab. Beginn einer Schauspielerf reundschaf t. Und Auftakt zu einer ganzen Reihe von Schurkenrollen. Das Nazi-Klischee konnte Schell nicht umgehen. Eine große Ironie des Schicksals, war seine Familie doch 1938 aus Österreich in die Schweiz emigriert. „Die Welt lag im Chaos, wir waren ja Flüchtlinge."
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Mit Brando spielte er ein weiteres Mal, 1990 in „Freshman"; Schell einmal mehr als exzentrischer Forscher. „Sein Ruhm hatte ihn nicht verändert", sagte er über Topkapi" Brando. Dieser Charakterzug war " auch ihm wichtig. Schon 1961 wurde er dem Star ebenbürtig, als ihm „Das Urteil von Nürnberg" den Oscar einbrachte (als erstem deutschsprachigen Schauspieler seit Emil Jannings). Als windiger Strafverteidiger versucht er, Nazi-Kriegsverbrecher vor der gerechten Strafe zu bewahren. „Natürlich hat sich durch den Oscar viel verändert. Nicht ich habe mich verändert. Aber die Welt. Die anderen haben sich verändert." Er wurde in späteren Jahren noch mehrmals für den Preis vorgeschlagen. 1984 selbst für den DokumentarfilmOscar: „Marlene" war die filmische Annäherung an seine „Nürnberg"-Partnerin Freshman" Marlene Dietrich. „Sie sind " eben ein Schweizer!", fauchte sie, als Schell sich in ihren Augen als penetranter Regisseur erwies. War er das? Manchmal bezeichnete er sich als „heimatlos". Einmal beschrieb er seine Identität so: „Wenn ich was Schlechtes mache, sagen die Schweizer: der Deutsche. Die Deutschen sagen: der Österreicher. Die Österreicher sagen: der Schweizer."
Die Bretter, die seine Welt bedeuten sollten, hatte er als Elfjähriger betreten, in der Theaterproduktion von „Wilhelm Tell". Als er 22-jährig am Stadtheater Basel wirkte, hatte er wohl noch nicht geahnt, dass er einmal im Londoner Old Vic auftreten würde. Brecht war seine Bibel, Shakespeare sein Herausforderer. Mit seiner Mitwirkung im „Jedermann" in Salzburg fand er den Weg in die Oper. Ins Regiefach wechselte er Mitte der 70er Jahre, ausgerechnet den urschweizerischen „Richter und sein Henker" verwandelte er in eine internationale Produktion, in der Schweiz Das Urteil von Nürnberg" gedreht, mit Jon Voight als " Schweizer besetzt (diese Freundschaft trug Schell die Patenschaft für dessen Tochter ein: Angelina Jolie). Autor der Vorlage war ein weiterer langjähriger Weggefährte: Friedrich Dürrenmatt. „Dürri" gehöre einfach zu seinem Leben, sagte Schell. „Undenkbar, dass er stirbt." 1993 verkörperte er selbst eine Dürrenmatt-Figur: Einen vielschichti-
Rückschau auf ein Lebenswerk
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In der Schweiz traf der Autor dieses Berichts den Weltbürger 2006 zum Interview. Das Filmfestival Solothurn ehrte ihn durch eine Retrospektive. Schells Rauschebart war in Ehren ergraut, er trug Künstlerschwarz und einen langen Schal. Und: Er schien vollkommen geerdet; Allüren waren ihm fremd, er war für jedermann zugänglich. Als er im Kino die Ovationen entgegenDer Richter und sein Henker" nahm, blickte er hin" ter sich auf die Leinwand, wo die Filmgrößen von „Das Urteil von Nürnberg" zu sehen waren, und meinte nur: „Die sind alle schon tot." Er selbst hatte 1990 die Annahme eines Lebenswerkpreises verweigert. Er suchte keinen Schlusspunkt. Die Kreativität beschränkte sich da längst nicht mehr aufs Kino. GoodTimes
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Justiz"
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Heimatlos
Auf der Bühne
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Schweizer Meistergaunerraubter gewieft das Museum von Istanbul aus. Schell ließ seinen Schweizer Dialekt einfließen, was an die frühere Karriere im Schweizer Film erinnerte. Nachdem er in Zürich aufgewachsen war, machte er sich einen Namen in den sogenannten Kleinbürgerfilmen, die einen hohen moralischen Anspruch geltend machten. Als gutaussehender Bursche fällt er in „Taxichauffeur Benz" der Versuchung des Geldes anheim. Darauf folgte das Hollywood-Angebot. Als er im damaligen Zentrum der Filmwelt ankam, schmiss Brando gleich eine Party für ihn, „so viel ich weiß, die einzige, die er je für einen Kollegen gegeben hat".
geren Bösewicht hatte er selten gemimt. In „Justiz" begeht er vor Zeugen einen Mord – und bringt als geschickter Manipulator doch die Öffentlichkeit dazu, ihn freizusprechen.
Zeitlos Da fand er die Regie bereits erfüllender als das Schauspielern. „Ich bin immer noch auf der Suche nach einem Beruf, der mich erfüllt." Als er 2012 seine Lebenserinnerungen niederschrieb, in „Ich fliege über dunkle Täler" springt er zwischen Ereig nissen und Epochen hin und her, ohne Lust, sie in einem großen Ganzen einzuordnen. Er beschrieb auch einen wiederkehrenden Traum: Als Junge ist er auf der Flucht vor Verfolgern und erreicht einen Bergvorsprung. Die Verzweiflung weicht der Erinnerung daran, dass er ja fliegen kann – „Ich bin frei. Niemand kann mich einsperren". Unüblich für einen Schweizer, trug er selten eine Uhr, lebte so zeitlos wie möglich. Maximilian Schell starb am 1. Februar 2014 auf der Alm in seiner alten Heimat Österreich. Bis zum Ende blieb er bekennender Fan des Schweizer Fußballclubs Grasshopper Club Zürich, für den er in jungen Jahren selbst gespielt hatte. „Ich halte mich für einen einfachen Menschen", hat er einmal über sich Auskunft gegeben. „Wie alle schwierigen Menschen." 2/2020
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Ein ausgekochtes Schlitzohr
Von Roland Schäfli
Der Stuntman und sein Superstar E
Burt Reynolds und sein Stuntman Hal Needham waren unzertrennlich. Ihre Freundschaft bildete die Basis für ein neues Genre: den Autorennfilm. Die gegenseitige Loyalität brachte beiden eine Truckladung Kohle ein – doch sie kostete Burt Reynolds die Karriere, die er gern gehabt hätte.
s war eine der engsten Freundschaften im Showbusiness, schrieb Reynolds in seiner Autobiografie „My Life". Als Hal Needham geschieden wurde und gerade mal wieder alles verlor, fragte er seinen Buddy Burt, ob er „ein paar Tage" bei ihm wohnen könne. Burt stellte ihm sein Gästehaus zur Verfügung. „zwölf Jahre später war er immer noch da!"
dass er ins Hospital geflogen werden musste. Doch der Hubschrauber konnte am Drehort, einem Canyon, nicht landen. Needham kletterte an einem Seil nach oben, den Star auf seinem Rücken. Bald darauf stand Burt erneut in Hals Schuld. Der Stuntman hatte beobachtet, wie die Effektleute seiner Meinung nach zu viel Schwarzpulver luden. Die geplante Explosion sollte einen Lastwagen in die Luft jagen – mit Reynolds in derselben Einstellung. Als der Star einen Test verlangte, verzehrte der darauffolgende Feuerball auch die Stelle, an der er hätte stehen sollen. Am Set von „The Man Who Loved Cat Dancing" („Der Mann, der die Katzen tanzen ließ") wiederum geschah ein Mord. Unter mysteriösen Umständen kam ein Geliebter der Hauptdarstellerin Sarah Miles ums Leben. Da Reynolds eine amouröse Verbindung mit Miles nachgesagt wurde, befürchtete er, der
Wahre Männerfreundschaft Kennen- und schätzen gelernt hatten die jungen Männer sich am Set der TV-Serie „Riverboat", in der Reynolds erstmals eine tragende Rolle bekommen hatte. Hal Needham war ein Jungspund, der sich mit seinen gewagten Stunts erst noch einen Namen machen musste. Zementiert wurde die Freundschaft durch gemeinsame Stunts, in denen Kopf und Kragen riskiert wurde. Als Reynolds einmal einen eher harmlosen Stunt selbst ausführte, verletzte er sich so erheblich, Seite
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ab. Nachdem er mit „Deliverance" („Beim Sterben ist jeder der Erste") seine Fähigkeiten als Schauspieler bewiesen habe, könne eine solch rüde Komödie ein Rückschritt sein. Doch Reynolds hielt Wort. Er selbst schlug Sally Field für die weibliche Hauptrolle vor. Die beiden sollten am Set eine stürmische Affäre beginnen. Später nannte Reynolds die Trennung von Field einen der größten Fehler seines Lebens. Erst hatte sie das Filmangebot ausSchnelle Liebe: Sally Field geschlagen, sie wollte nicht in etwas „so Lächerlichem mitspielen". Schließlich aber ließ sie sich von seinem Enthusiasmus anstecken.
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Bromance: Burt und Hal
Großerfolg aus heiterem Himmel Zwei Tage vor Drehbeginn kürzte das Studio das Budget um eine Million. Needham musste in aller Eile umschreiben. Da er sich „Bandit" am Steuer eines Trans Am vorgestellt hatte, rief er ganz einfach Pontiac an. Der Autobauer stellte ihm schließlich vier Fahrzeuge zur Verfügung (Needham schrottete sie alle). Doch dann geschah, was niemand hatte sehen kommen: „Smokey" („Ein ausgekochtes Schlitzohr") durchbrach die Schallmauer. Der Vier-Millionen-Film erreichte die magische Grenze, die bis dahin nur wenige Streifen geknackt hatten: die 100-Millionen-Grenze. Nur „Star Wars" war im Jahr 1977 erfolgreicher. Untersuchungsrichter könnte ihn wegen Mordverdachts verhaften. Needham schmuggelte den Star, versteckt in seinem Wohnwagen, über die Staatsgrenze, was Reynolds Zeit verschaffen sollte, seine Verteidigung durch Anwälte vorzubereiten (tatsächlich kam es nie zur Anklage).
Die zündende Idee
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Ein ausgekochtes Schlitzohr"
Needham hatte einen Rohentwurf mit dem Titel „Smokey And The Bandit" auf Notizpapier gekritzelt und Reynolds in die Hand gedrückt. „Der Geizhals hat es nicht mal abtippen lassen", lachte Reynolds. „Mein Gott, wir lebten länger zusammen als mit einigen unserer Frauen! Darum war es hart für mich, ihm mitzuteilen, dass sein Script das schlechteste war, das ich in meinem Leben je gelesen habe." Da ihm die Grundidee zusagte, sicherte er seinem Freund jedoch zu, die Rolle zu übernehmen, wenn er die Finanzierung auf die Beine stellen könne. Mit dem Namen Burt Reynolds ging Needham hausieren. Ein Studio sagte schließlich Ja zum Budget von fünf Millionen. Reynolds Agenten rieten ihm davon GoodTimes
Die Verkäufe von Trans Am schossen um 700 Prozent in die Höhe. Der dankbare Pontiac-CEO gab Reynolds ein feierliches Versprechen: jedes Jahr einen neuen Trans Am (was eingehalten wurde, bis Pontiac einen neuen Direktor erhielt). Alfred Hitchcock bezeichnete „Smokey And The Bandit" einmal als seinen Lieblingsfilm. Und Billy Bob Thornton ließ sich so zitieren: „Wir im Süden denken, ‚Smokey And The Bandit' sei ein Dokumentarfilm!" Ganz nebenbei hatten Needham und Reynolds ein neues Genre begründet. Zwar hatte mit dem Aufkommen von Polizeiserien im Fernsehen die Autoverfolgungsjagd schon einen festen Platz in der Dramaturgie. Doch in den Kinos galten schnell heruntergekurbelte Filme wie „Death Race 2000" oder „Cannonball" (beide mit David Carradine) als grimmiges Drive-In-Futter. Der Erfolg von „Smokey" allerdings hatte gezeigt, dass ein internationales Publikum auf gut gemachte, witzige Streifen dieser Art wartete. Die Kriterien, die bis heute von der Endlos-Serie „Fast And Furious" gepflegt werden, sind einfach: Machos und Motoren, eine Mischung aus Benzin und Testosteron.
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Needham hatte als Stunt-Koordinator bereits die Reynolds-Filme „Rough Cut" („Der Löwe zeigt die Krallen"), „Gator" („Mein Name ist Gator"), „White Lightning" („Der Tiger hetzt die Meute") und „The Longest Yard" („Die härteste Meile") verantwortet und sich 56 Knochen und zweimal den Rücken gebrochen, als er den Einfall hatte, der ihr beider Leben verändern würde. An einem Drehort im Bundesstaat Georgia hatte man Needham gebeten, in seinem Hotelzimmer ein paar Kästen Bier zu lagern. Der dachte sich nichts weiter dabei. Bis einzelne Flaschen verschwanden. Ihm dämmerte, dass es verboten war, Bier in diesen durstigen Landstrich zu schmuggeln. In seinem Kopf entstand die Figur eines Draufgängers, Rufname „Bandit", der sich mit dem Gesetz anlegt, indem er Bier über die Staatsgrenze bringt. Durch die Verletzung von Verkehrsregeln lenkt er die Highway Patrol vom Truck mit der Bierladung ab, der von seinem Freund „Schneemann" gesteuert wird.
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Wieder auf Achse Nach „Smokey" erhielt Burt Reynolds erstmals eine Million Dollar Gage pro Film. Die Rolle des „Bandit" hatte ihn an die Spitze katapultiert, eine Position, die er in den folgenden Jahren verteidigen würde. Zu dieser Zeit konnte er nicht ahnen, dass er sich danach am anderen Spektrum dieser Liste wiederfinden würde. Und mit ein Grund dafür war seine Rollenwahl in diesen „goldenen" Jahren. Das Duo wandte sein Erfolgsrezept gleich beim nächsten Film erneut an. Als „Hooper" („Um Kopf und Kragen", 1978) stellte Reynolds quasi sein Alter ego dar, einen Stuntman, der nochmals beweisen will, was er auf dem Kasten hat. Needham stiftete zudem eine Tradition, die seither von vielen Filmen übernommen wurde: Er hängte am Filmende die „Outtakes" an, jene komischen Zwischenfälle, die sich beim Drehen ergeben können. 1980 wurde die Fortsetzung „Smokey And The Bandit II" unausweichlich. Reynolds wurde noch stärker mit der Rollenfigur des HighwayRasers in Verbindung gebracht. Der deutsche Titel von „Stroker Ace" war bezeichnend für die Art Film, auf die er sich mit Needham spezialisiert hatte: „Der rasende Gockel". Burt Reynolds war in die Typecasting-Falle gegangen: Sein Kinopublikum und die Kritiker, deren Urteil ihm mehr ausmachte, als er zugeben wollte, sahen ihn als Sprüche klopfenden Rennfahrer. Schließlich erklärte er öffentlich: „Ich werde in keinem Film mehr schneller als 35 Meilen pro Stunde fahren!"
Wieder ist die Hölle los 1982 änderte Hal Needham die Meinung seines besten Freundes. Mit einem Scheck über fünf Millionen, einer Erfolgsbeteiligung und dem Versprechen, seine Szenen in nur 14 Tagen abzudrehen. Sein Privatleben hatte Needham erneut die Inspiration für einen Blockbuster geliefert. Denn dem Stuntman war das Risiko an Filmsets offenbar nicht genug. Er schrieb sich für das illegale „Cannonball"-Rennen ein, dessen einzige Regel darin bestand, die Fahrt von Küste zu Küste in der kürzesten Zeit zu absolvieren. „Cannonball Run" (in der Synchronfassung „Auf dem Highway ist die Hölle los" betitelt) war die Grundlage für den beliebten Autorennfilm, der noch einen Gang hochschaltete. Um den Gesetzeshütern zu entgehen, ließen sich die Fahrer Verkleidungen einfallen. Sich als Ambulanz zu tarnen, hatte Needham tatsächlich ausprobiert (und er ließ es sich nicht nehmen, in der Szene, in der Reynolds' Figur diese zündende Idee hat, selbst aufzutreten). Und noch ein weiteres Element hat Needham aus seiner ereignisreichen Fahrt kopiert – wenn der Krankenwagen von der Polizei angehalten wird und ein falscher Arzt die haarsträubende Erklärung abgibt, die Patientin müsse auf dem Landweg befördert werden, weil ihre Lungen sonst kollabieren könnten.
Jahres selbst „Jäger des verlorenen Schatzes" hinter sich. Nach den Gesetzen der Logik Hollywoods musste eine Fortsetzung entstehen. Mit noch mehr Stars und noch mehr infantiler Komik. „Cannonball II" war Reynolds in seinen Memoiren aber kaum noch eine Erwähnung wert.
Sinkende Sterne Schließlich gründeten Needham und Reynolds auch noch gemeinsam einen Rennstall bei der Nascar. 1984 ließen sie ihren Wagen, dem sie natürlich den Namen „Bandit" verpassten, in den offiziellen Rennen mit großem Erfolg mitfahren. Doch dann sank der Stern von Burt Reynolds. Und irgendwie glühte auch Hal Needhams Stern aus, der danach weiter versuchte, das „Bandit"-Franchise in TV-Movies auszuschlachten. Da niemand den Erfolg von „Smokey" vorausgeahnt hatte, waren ihm Prozente am Einspielergebnis zugesichert worden. Und da das Einspielergebnis unterdessen 300 Millionen Dollar überschritten hatte, saß Needham zeitlebens auf einem komfortablen Finanzpolster.
Zu viel Spaß, zu wenig Ernst Needhams halsbrecherische Stunts sind in 4500 TV-Episoden und über 300 Kinofilmen zu sehen. Am Ende hatte Needham, was Reynolds sich sehnlichst gewünscht hatte: einen Oscar (für seine Innovationen im Stuntgewerbe). 2015 veröffentlichte Reynolds seine zweite Autobiografie, „But Enough About Me", verglichen mit den ersten, 20 Jahre davor erschienenen Memoiren eine sehr viel tiefer gehende Auseinandersetzung mit sich selbst. „Ich hatte zu viele Angebote angenommen, nur weil ich die Location mochte", schrieb er selbstkritisch, „oder die Hauptdarstellerin." Oder: weil er mit Freunden arbeiten wollte. „Falls das Drehbuch Mist war, redete ich mir ein, ich könne das dann noch verbessern. Aber meist war es dann einfach besserer Mist." Die Filme mit Needham hatten ihn – rückblickend gesehen – bessere Rollen gekostet. Indem er Engagements mit persönlichem Spaßfaktor den Vorzug gab, verpasste er Filme, die Kritikererfolge wurden – und damit die Möglichkeit, als Schauspieler ernst genommen zu werden. „Ich bin darum nicht verbittert", wiederholte er in seinen letzten Lebensjahren in Talkshows oft. „Aber ich war dumm." Burt Reynolds verstarb 2018, fünf Jahre nach seinem besten Freund Hal Needham.
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Eine Nonstop-Party Der Klamauk entstand ebenfalls in einem Höllentempo: in nur 35 Tagen für 15 Millionen Dollar. Für die weibliche Hauptrolle schlug Reynolds Farrah Fawcett vor allem darum vor, weil er zu jener Zeit sein Bett mit ihr teilte. Die Dreharbeiten seien eine „Nonstop-Party" gewesen, verriet Reynolds, was sicher damit zu tun hatte, dass als Stargäste die Party Animals Dean Martin und Sammy Davis jr. gewonnen werden konnten. Dass Jackie Chan in einer vergleichsweise kleinen Rolle auftritt, hat damit zu tun, dass Needham chinesische Investoren gefunden hatte, die ihren Martial-Arts-Star damit im US-Kino lancierten. In Deutschland ließ „Highway" als kassenträchtigster Streifen des Seite
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Agnetha
Viel mehr als nur „die Blonde von Abba"
Abba-Serie Teil 1
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in junges Mädchen aus einer schwedischen Kleinstadt, das als Teenager von einer Karriere als Schlagersängerin träumt, macht mit einer Popgruppe Weltkarriere und wird sogar in die Rock’n’Roll Hall Of Fame aufgenommen. Aber es wird ihr nicht genügen, für immer „die Blonde von Abba" zu sein. Als Lebensleistung ist es auch nicht genug, einmal als Frau mit dem attraktivsten Hintern der Welt gegolten zu haben. Nicht, wenn dieses Mädchen musikalische Ambitionen hat! Agnetha Fältskog hatte eine veritable musikalische Karriere vor und nach Abba. Die umfasst fünf Jahrzehnte, mit Neuerscheinungen in jedem Jahrzehnt. Zumindest in Schweden ist es ihr gelungen, mehrfach das erfolgreichste Album des Jahres abzuliefern. Verglichen mit den phänomenalen weltweiten Verkaufszahlen der Platten mit Anni-Frid „Frida" Lyngstad, Benny Andersson und Björn Ulvaeus wirken die Erfolge als Solokünstlerin freilich bescheiden. Doch das vielfach gefällte Urteil, nach Abba sei Agnethas Karriere wenig erfolgreich verlaufen, wird ihr nicht gerecht. Am 5. April 1950 in bürgerlichen Verhältnissen im schwedischen Jönköping geboren, erhielt Agnetha Åse Fältskog schon mit sieben Jahren Klavierunterricht. Erste Erfolge mit selbst geschriebenen Songs hatte sie ab 1967, arbeitete aber zunächst noch als Telefonistin. Versuche, in Deutschland als Schlagersängerin Fuß zu fassen, blieben erfolglos. 1969 begegnete sie erstmals Björn Ulvaeus, den sie 1971 heiratete und mit dem sie – gemeinsam mit dem anderen Paar Frida und Benny – ab 1972 als Abba auftrat. Bis in die Anfangsjahre von Abba hinein veröffentlichte Agnetha eigene Platten, zum großen Teil mit eigenen Songs, bis der Erfolg als Gruppe alle Solo-Ambitionen in den Hintergrund drängte. Lediglich ein Mitschnitt der Abba-Konzerte in der Londoner Seite
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Wembley-Arena, der 2014 neu abgemischt veröffentlicht wurde, enthielt mit "I’m Still Alive" auch einen Auftritt Agnethas mit einem selbst geschriebenen Stück, bei dem sie nicht nur sang, sondern auch Klavier spielte. Das Ende von Abba als Quartett war zum Teil durch den abnehmenden Verkaufserfolg und anderweitige musikalische Ambitionen der beiden Männer bedingt, zum Teil aber auch durch die mangelnde Bereitschaft Agnethas, auf Tour zu gehen. Der Beinahe-Absturz eines Fliegers während einer US-Tournee führte bei ihr zu einer vielpublizierten Flugangst. An der scheiterten Pläne für eine erste Zusammenarbeit mit Barry Gibb, dessen Aufnahmen mit Barbra Streisand ("Guilty") Agnetha begeisterten. Die Gibb-Brüder kannte Agnetha von gemeinsamen Auftritten; die Bee Gees hatten bereits als Vorbild für Abbas Album VOULEZ-VOUS gedient. Aber Agnetha wollte nicht nach Florida fliegen müssen, um ihr erstes Solo-Album nach Abba von Barry Gibb produzieren zu lassen. Vielmehr bestand sie darauf, in den Polar-Studios Stockholms bleiben zu können. Dazu kam der Wunsch, Zeit für ihre beiden Kinder Linda und Christian zu haben. Die Medienöffentlichkeit Schwedens interessierte sich in den folgenden Jahren meist für das Liebesleben Agnethas, gescheiterte Beziehungen bis hin zu einer bizarren Affäre mit einem Stalker, die vor Gericht endete. Nach einem kurzen Ausflug in die Schauspielerei ging es schließlich mit Soloprojekten voran. Ein erstes Duett ("Never Again") mit Tomas Ledin, einem früheren Abba-Backgroundsänger, feierte Erfolge in Skandinavien und Südamerika. So ermutigt, begannen im Januar 1983 in Stockholm die Aufnahmen für WRAP YOUR ARMS AROUND ME mit Mike Chapman als Produzenten. Die Wahl Chapmans zeigte,
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Sie war der blonde Blickfang bei Abba, als das schwedische Quartett 1974 beim Eurovision Song Contest mit "Waterloo" abräumte und eine kurze, aber umso erfolgreichere Weltkarriere startete. Heute lebt Agnetha Fältskog zurückgezogen in ihrer schwedischen Heimat in der Nähe von Stockholm, und auch ihren 70. Geburtstag hat sie am 5. April anders als viele Kollegen der Showbranche eher zurückhaltend begangen. Im Rahmen einer vierteiligen Serie hier ein Porträt der Sängerin. Von Traugott Roser
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und belegten ihre Eigenständigkeit. Ihren Gesangsvorbildern der 60er Jahre widmete sie 2004 ein Retro-Album mit Coverversionen von Klassikern ihrer Kindheit und Jugend wie Petula Clark, Sandie Shaw oder Barbra Streisand. Anders als bei den vorherigen Solo-Alben schien Agnetha sich ihrer Stimme inmitten einer bewusst sentimentalen Orchestrierung sicher zu fühlen. Ja, sie schien sogar ihren Frieden mit den Abba-Jahren gemacht zu haben. In Interviews gewährte sie Einblicke in ihr Erleben und zeigte sich erfreut über den Erfolg der „Mamma-Mia"-Jahre. Das Retro-Album erfuhr eine ausgesprochen positive Rezeption in England, die Single-Auskopplungen bescherten ihr dort die höchs ten Chartplätze ihrer Solokarriere. Agnetha konnte als gereifte Frau auf eine erfolgreiche Karriere verweisen, verfügte noch immer über eine großartige Stimme. Die Fangemeinde, insbesondere die Gay-Community, erwies sich als treu. Das schwedische Produzentenduo Jörgen Elofsson und Peter Nordahl besuchte Agnetha in ihrem Landhaus und spielte ihr drei Titel vor, die sie ihr für ein neues englischsprachiges Album vorschlugen. Die Sängerin fing Feuer und ließ sich auf das Experiment ein. Diesmal war nicht sie auf der Suche nach einem angesagten Produzenten, sondern wurde durch stimmiges Material und eine junge Produktion gewonnen, zum Teil mit großem Orchester. Der Titel des 2013 veröffentlichten Albums A spielt mit dem ersten Buchstaben der schwedischen Pop-Ikonen und suggeriert – obwohl es ihr zwölftes Studio-Album ist – zugleich einen Neuanfang. Von neu erwachter Kreativität zeugt ihre erste Eigenkomposition seit zwei Jahrzehnten: "I Keep Them On The Floor Beside My Bed", in der sie erneut mit Sentimentalität und Erinnerungen spielt. Als Duettpartner ließ sich Gary Barlow gewinnen, der sich über Take That! hinaus längst als britischer TopStar etabliert hatte und "Should’ve Followed You Home” geschrieben hatte. Barlow und Fältskog trafen sich allerdings erst bei einem gemeinsamen Live-Auftritt zu Wohltätigkeitszwecken, das erste Mal seit Jahren, dass Agnetha live vor großem Publikum sang. Nun kamen auch Auftritte bei Gay-Pride-Festivals dazu, das Publikum hatte Agnetha schließlich gefunden – und die von Ängsten geplagte Sängerin fand zu ihrer Stimme zurück. Ein Titel, "Dance Your Pain Away", entwickelte sich in verschiedenen Abmischungen zu einem veritablen Dancefloor-Hit; er spielt zwar mit dem Klischee der vermeintlich traurigen und einsam alternden Diva, reagiert aber vielmehr auf den Toiletten-Skandal, der zu George Michaels Coming Out und schließlich dem selbstironischen Video „Outside" geführt hatte. Agnetha greift die Situation auf, plötzlich der Klatschpresse ausgesetzt zu sein, darauf aber mit einem Lachen einzugehen und sich als Dancing Queen zu inszenieren. Agnetha Fältskog feierte im April ihren 70. Geburtstag; ihre Karriere umfasst fünf Jahrzehnte und lässt sich sicher nicht reduzieren auf die rund zehn Jahre, in denen sie mit Abba Erfolge feierte, die bis heute anhalten. Auch wenn die Musik, die sie außerhalb des Quartetts veröffentlichte, weder in Qualität noch nach Verkaufszahlen dem gleichkam, was sie mit Abba erreichte. Dass sie sich deutlich mehr im Studio zu Hause fühlte und die Bühne scheute, hat sie sicherlich einige Anerkennung gekostet. Dennoch: Sie ist weit mehr als „die Blonde von Abba". In der nächsten Ausgabe lesen Sie ein Porträt von Anni-Frid rtikel Abba-Fan-A „Frida" Lyngstad. te 18 ei im Shop S © Pressefoto
welche Richtung Agnetha einschlagen wollte: gefällige Popmusik, die allerdings Anfang der 80er Jahre nicht mehr ganz auf der Höhe der Zeit war. So setzte Chapman seine Erfolgsband Smokie – noch mit Chris Norman – als Backgroundchor bei einigen Tracks ein. Chapman zeichnete als Komponist für einen Titel verantwortlich, immerhin den Titelsong des Albums (gemeinsam mit Holly Knight), Agnetha steuerte eine Eigenkomposition bei ("Man"), ein Titel stammte von Russ Ballard ("Can’t Shake Loose", in den USA sogar Platz 29 in den Billboard-Charts). Agnethas unverkennbare Stimme und ein verhalten eingesetztes Erotik-Image sorgten für einigen Erfolg: immerhin 1,5 Millionen verkaufte Tonträger im ersten Jahr und einige Spitzenplätze in Europa. Die weichgespülte Produktion und die Zurückhaltung Agnethas, die sich gegen Promotion-Touren sträubte, sorgten jedoch dafür, dass nicht das volle Potenzial ausgeschöpft wurde. Auf der Rückfahrt von einem Werbe-Auftritt in London erlitt die Schwedin einen schweren Verkehrsunfall, der zu einem beinahe völligen Rückzug aus der Öffentlichkeit führte. Sie versagte – außer Videos – jedem der folgenden Albumprojekte Unterstützung durch Promotion-Auftritte. 1985 entstand ein zweites Studio-Album, diesmal produziert von Eric Stewart (10cc), mit dem sie die Single "I Won’t Let You Go" schrieb. Auch für dieses Album, erneut im Polar-Studio aufgenommen, konnten Titel prominenter Popgrößen gewonnen werden, darunter eine Nummer von Jeff Lynne (ELO), die Agnetha beim Montreux Jazz Festival präsentierte. Dagegen verzichtete sie auf den von Elvis Costello angebotenen Titel "Shatterproof". Trotz einiger positiver Kritiken (wie im „Melody Maker") und 800.000 verkauften Einheiten im ersten Jahr konnte das zweite Post-Abba-Album nicht an den Vorgänger anknüpfen. Agnetha suchte ein neues Publikum. Doch die übermäßig auf Bombast ausgelegte Produktion verpasste den Anschluss an den musikalischen Zeitgeist. Auch tanzbare Titel wie "I Won’t Let You Go" klingen im Vergleich zur Hi-NRG-Welle wenig ambitioniert. Sie versuchte es – neben zwei Alben mit Kinderliedern mit Linda und Christian – dann weiter im AdultContemporary-Bereich, diesmal mit dem ehemaligen Chicago-Frontmann Peter Cetera und Bruce Gaitsch, der schon mit Madonna gearbeitet hatte und zu dem ihr eine Beziehung nachgesagt wurde. Für das neue Projekt ließ sie sich sogar zu einer Flugreise nach Kalifornien überreden. In fünf Wochen nahm sie I STAND ALONE auf, erstmals ohne eigene Songs, da ihr das Komponieren zunehmend schwerer fiel. Das 1987 veröffentlichte Album bot entspannten Westcoast-Sound, der am besten in den Balladen der Hitgaranten Albert Hammond und Dianne Warren zur Geltung kommt ("Are You Gonna Throw It All Away" und "If You Need Somebody Tonight"). In Schweden wurde die Scheibe zur bestverkauften Platte des Jahres, in den USA hievten Radiosender das Titelduett mit Cetera auf einen guten Platz in den Adult Contemporary Charts. Danach legte die Sängerin eine lange Schaffenspause ein, bis mit dem Abba-Revival schließlich auch für sie die Zeit zu einem Comeback gekommen war. Deutlich entspannt konnte Agnetha auf ihre lange Solokarriere und ihre Wurzeln in der schwedischen Schlagerwelt verweisen. Wiederveröffentlichungen ihrer früheren Titel fanden Käufer
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Illustrierte Klassiker
Weltliteratur in Comic-Form
Die umfangreiche und langlebige Comic-Reihe Illustrierte " Klassiker" zählt zweifellos auch heute noch zu den faszinierends ten und interessantesten Werken der Neunten Kunst". Mit diesen " Comics wollte man in einer Zeit, in der das Fernsehen immer populärer wurde, Kindern und Jugendlichen die großen Meisterwerke der Literatur nahebringen. Wer hätte damals – und das Gleiche gilt auch für die heutige Zeit – schon freiwillig Hamlet", Romeo " " und Julia" oder Jane Eyre" in Buchform gelesen? Am Ende eines " jeden Comic-Heftes hieß es dann jedenfalls immer: Jetzt hast du " die Illustrierte Klassiker'-Ausgabe gelesen. Versäume auf keinen ' Fall, dir die Original-Ausgabe dieses Buches zu besorgen. Es wird sicher in jeder guten Buchhandlung, Leihbücherei oder städtischen Bücherei vorrätig sein." Von Hans-Joachim Neupert
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n den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts erlebten in den USA die sogenannten Comic Books einen kometenhaften Aufstieg. Nicht selten wurden Auflagenhöhen von 250.000 bis 500.000 Heften pro Titel erzielt. Albert Kanter, ein literaturbesessener Mitarbeiter der Elliott Publishing Company, musste zu seinem Bedauern immer wieder feststellen, dass seine Söhne viel lieber in den trivialen Heften schmökerten, statt anspruchsvolle Jugendbücher zu lesen. Kanter wollte deshalb mit Hilfe von Comics der Jugend die Literatur schmackhaft machen und überzeugte seinen Arbeitgeber von seiner Idee. Im Oktober 1941 kam das erste Heft der „Classic Comics" genannten Reihe auf den US-Markt. Die Debütausgabe präsentierte „Die drei Musketiere" und wurde ein Seite
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Riesenerfolg. Im März 1942 gründete Kanter mit zwei Partnern dann seinen eigenen Verlag Gilberton Publications. Ab der Nummer 35 wurden eine Titeländerung von „Classic Comics" zu „Classic Illustrated" vollzogen und das markante gelbe Logo eingeführt. Im August 1962 stellte der Verlag die Neuproduktion nach 21 sehr erfolgreichen Jahren schließlich ein. Neuauflagen der Serie erschienen aber noch weitere zehn Jahre lang, bis April 1971. Nach dem Zweiten Weltkrieg eroberte die amerikanische Lebensart immer stärker den europäischen Kontinent. Coca-Cola war das Getränk der 50er Jahre, Rock’n'Roll begeisterte die Jugend, im Kino liefen US-Western, und am Kiosk sah man immer öfter bunte Bilderhefte, heute Comics genannt. Mit zu den ersten Serien der Nachkriegszeit gehörten auch die „Illustrierten Klassiker". Den ersten Versuch, diese in Amerika ungeheuer populäre Reihe in Deutschland zu etablieren, unternahm der Rudl-Verlag. Von September 1952 bis Juni 1953 erschienen acht Hefte. Obwohl Titel wie „Die Schatzinsel", „Robin Hood" und „Marco Polo" die Jugendlichen eigentlich zum Kauf hätte animieren müssen, blieb der Erfolg jedoch aus, und die Serie wurde eingestellt. Unter Sammlern sind diese Hefte jedoch gesucht und entsprechend teuer.
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Wenige Jahre später gab es erneut an den deutschen Kiosken die „Illustrierten Klassiker" zu kaufen. Die Serie erschien von 1956 bis 1972. Die ersten 30 Hefte brachte der Verlag Internationale Klassiker heraus, dann übernahm der Bildschriftenverlag Aachen die Bearbeitung der amerikanischen Vorlagen sowie die Auslieferung der Hefte. Insgesamt kamen 204 verschiedene Titel in den Zeitschriftenhandel, und es gab diverse Neuauflagen. Die Hefte kosteten damals alle eine DM – und es hat nie eine Preiserhöhung gegeben. Das war in den 50er Jahren indes sehr viel Geld. Die Kinder waren damals froh, wenn sie 20 Pfennig für ein Piccolo-Heft auftreiben konnten. Zum Ende der Serie hin waren die Klassiker im Vergleich zu anderen Comics wieder günstig. Obwohl die Reihe bei vielen Kindern damals nicht unbedingt zu den beliebtesten Comic-Serien zählte, so besaß doch fast jeder, der gerne Bilderhefte las, auch ein paar „Illustrierte Klassiker". Denn gerade bei dieser Serie waren viele Eltern oder Großeltern eher bereit, sie für die Kinder zu kaufen. Comic-Hefte waren in den 50er Jahren überaus beliebt, aber auch sehr umstritten. Gelesen wurden sie überwiegend von Kindern und Jugendlichen. Gutgeheißen wurden sie jedoch nicht, denn ein amerikanischer Psychiater namens Fredric Wertham etwa behauptete in einem Buch, Comic-Hefte seien die Hauptursache für steigende Jugendkriminalität. Viele Erwachsene schenkten ihm Glauben. In den Schulen konfiszierten Lehrkräfte gar die Hefte. Anschließend wurden sie dann öffentlich verbrannt, denn der Schund verderbe ja den Charakter der jungen Leute. Horror-, ScienceFiction- und Kriminal-Comics ächtete man besonders, denn die mussten ganz ohne Frage jedes gesunde Kind in einen Gewaltverbrecher verwandeln. Die einzige Ausnahme bildeten Disney-Comics, in Deutschland entsprechend Micky-Maus-Hefte. Sie gingen in der Regel als harmloser Spaß durch. Auch über die „Illustrierten Klassiker" stritten Kritiker und selbst ernannte „Zensoren". Einige waren der Meinung, sie seien eine gute Sache, weil sie die Kinder an die „wahre Literatur" heranführten. Andere beharrten darauf, dass ein Comic eben doch nur ein Comic sei und die Bearbeitungen den großartigen Originalen Gewalt antäten, sie herabwürdigten und den Leser des Genusses beraubten, den man bei der Lektüre des Originaltextes empfinde. Der ComicBand „Macbeth" beispielsweise habe ganz offensichtlich nichts, aber auch gar nichts mit William Shakespeare zu tun, meinten sie. Damit hatten sie einerseits Recht – aber gleichzeitig lagen sie auch vollkommen falsch. Der Comic „Macbeth" war in der Tat kein Shakespeare und konnte auch niemals ein Shakespeare sein. Ein Comic-Heft ist nicht das klassische Original. Wenn eine Geschichte von einem Medium in ein anderes transferiert wird, sind Veränderungen immer unvermeidlich. Der Plot jedoch ist derselbe, und wer den Comic „Macbeth" gelesen hatte, trug einen Gewinn davon, denn er hatte ein großes Werk der Weltliteratur kennengelernt. Für viele Jugendliche stellten die „Illustrierten Klassiker" denn auch die Einstiegsdroge dar, die sie manchmal, und wenn auch erst viele Jahre später, auf den harten Stoff brachte: die Originale. Von August 1991 bis Juni 2002 erschien im Norbert Hethke Verlag ein Nachdruck der deutschen „Illustrierten Klassiker". Die Veröffentlichung GoodTimes
der Hefte war jedoch nicht nummerngleich mit den BSVAusgaben, da der Hethke Verlag die bei Sammlern besonders beliebten Hefte mit den utopisch-fantastischen Titeln als attraktiven Anschub der Reihe nutzen wollte. Die Reprints erschienen sowohl in einer Soft- als auch einer Hardcover-Ausgabe, und auch die „Rudl-Reihe" wurde neu aufgelegt. Mit der Nummer 67, „Frankenstein", und der Nummer 90, „Das Dschungelbuch", testete der Verleger zudem die Veröffentlichung von hierzulande bisher unveröffentlichten amerikanischen Ausgaben. Der Erfolg blieb jedoch aus. Zehn Jahre später dann die Sensation. Die ComicSzene war wie elektrisiert – und die „Illustrierten Klassiker" kamen zurück: Der Bildschriftenverlag Hannover (vormals CCH) bringt seitdem in einer kleinen, liebevoll gemachten Sammleredition alle Geschichten, die in Deutschland bisher nicht veröffentlicht wurden, auf den Markt. Neben der regulären Reihe erscheinen zudem auch eine „Sonderband"Reihe und eine „Extra"-Reihe. Der Comic-Fan und Verleger Eckhard Friedrich sicherte sich die Namensrechte „bsv" und das traditionsreiche gelbe Logo, denn er wollte möglichst einen nostalgischen Namen für sein gewagtes Projekt. Ende November 2012 wurden dann die ersten beiden Hefte veröffentlicht: „Illustrierte Klassiker" Nummer 207 („Der Erste Punische Krieg") und Nummer 208 („König Haralds Saga"). Ab Nr. 223 erschienen schließlich die in Deutschland bislang unveröffentlichten Geschichten. Die Serie, die immer noch läuft, wird bis etwa Nr. 245 gehen, genau kann man das jedoch zu diesem Zeitpunkt nicht sagen, da noch nicht alle Rechte gesichert sind und auch nicht alles Bildmaterial vorliegt. In der Reihe „Illustrierte Klassiker Sonderband" gelangt zum größten Teil Material aus Mexiko zum Abdruck. Die alten Zeichnungen werden selbstverständlich aufbereitet, und auch der Text wird übersetzt. In vielen Fällen werden neue Cover benötigt, die der bekannte Illustrator Ertugrul Edirne anfertigt. Und dann gibt es da noch die Reihe „Illustrierte Klassiker Extra". Von dieser Hardcover-Reihe sind bisher bereits drei 100-seitige Comics auf dem Markt. Titel wie „Der Erste Weltkrieg", „Der Zweite Weltkrieg" und „Das Leben von Jesus Christus" sind auch für Nicht-Comic-Fans von Interesse. Die Nachdrucke der alten Serie findet der Interessierte im Comic-Fachhandel. Spezialisiert auf den „Zeitsprung zurück in die unbeschwerte Kindheit" hat sich Dieter Kirchschlager mit seinem ComicVersand (www.nostalgiecomics.de) für FaksimileNachdrucke von Comics der 50er und 60er Jahre. Neues aus dem Bildschriftenverlag gibt es im Internet unter www.cch-bsv.de
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FLIPPERAUTOMATEN
Der Zauber der Silberkugel
Er gehörte zu den Freuden unserer Jugend, fraß freilich gern empfindliche Löcher ins Portemonnaie: der Flipper. Ab Mitte der 60er Jahre zierte er regelmäßig eine Ecke in fast allen Kneipen und wurde der Star in den aufkommenden "Spielhöllen". Bumperklackern, Schellenklingeln, Punkterasseln und das beglückende Tock-Geräusch eines Freispiels – eine Erinnerung an die Glanzzeiten der Silberkugel. Von Michael Klein
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er Oktober 1947 war die Geburtsstunde des Flippers. Harry Mabs von der Chicagoer Spielautomatenfirma Gottlieb kam auf die zündende Idee, einem seit den frühen 30er Jahren erfolgreichen Spiel einen völlig neuen Dreh zu geben. Pinball, benannt nach dem labyrinthartigen Nagelwald, der sein Spielfeld bildete, basierte auf einem Jahrhunderte alten französischen Zeitvertreib namens Bagatelle: An einem Spieltisch schoss man eine Kugel ab, die sich auf leicht abfallender Ebene durch das Nagellabyrinth wand und auf ihrem Weg entweder in einer mit einer Punktzahl versehenen Mulde oder einem als Halbrund genagelten Nest landete, andernfalls erfolglos geben könnten? Das erste Gerät, das Mabs’ geniunten ins Aus lief. Wir kennen das Spiel aus ale Innovation enthielt, erwies sich als Sensation unserer Kindheit, als Plastikversionen für die und stellte über Nacht alle vergleichbaren Hand eine billige Belustigung darstellten. Spieltische in den Schatten. Es hieß Humpty Seit 1931 hatten findige Entwickler diesem Spiel Dumpty, wurde in genanntem Oktober 1947 ausneue Reize einverleibt. Aus Nägeln wurden elekgeliefert und alarmierte die im selben Augenblick tromechanische Bumper; traf die Kugel sie, gab gestrig gewordene Konkurrenz, die begriff, dass es Punkte, und die Kugel erhielt zusätzlichen sie so schnell wie möglich nachziehen musste. Drive. Bestimmte Treffer ergaben Freibälle. Binnen vier Monaten hatten alle anderen groAus manchem Ziel wurde die Kugel von einem ßen Spielautomatenhersteller wie Bally, Williams, Hebel wieder herausgekickt und sammelte freuGenco und Chicago Coin eigene Modelle mit dig Zusatzpunkte. Es blinkte und leuchtete Flippern auf dem Markt. Die Anordnung der schon damals elektrisch. Aber es fehlte eben Ballyhoo von Bally, die Urform des Pinball-Spiels Flipper von Humpty Dumpty dürfte Spieler einer am Entscheidenden: Die Einflussmöglichkeiten Quelle: Rotterdam Pinball Museum späteren Zeit übrigens verwirren: Es gab sechs des Spielers waren verschwindend gering. Bälle Stück, auf jeder Drittelhöhe des Spieltischs blieben nur kurz im Spiel, das Spielergebnis war weitgehend vom jeweils zwei seitlich angebracht – und obenZufall bestimmt. Lediglich die Stärke des Abschusses konnte ausdrein schossen sie nicht von innen, sondern tariert werden, und bei Variationen des Spiels, die an die Wand von außen ab. Aber die Grundidee war gehängt werden konnten, besaßen Spieler die Wahl zwischen verumwälzend und begeisterte die Spieler auf schiedenen oberen Einwurflöchern und konnten der Kugel Schub oder Anhieb. Anschnitt geben. Der Machtlosigkeit, dem Über ein Jahrzehnt lang experimenfreien Lauf der Kugel zuzusehen, wurde tierten die Hersteller anschließend mitunter rabiat durch Klopfen, Ruckeln und mit immer neuen Möglichkeiten, die Zerren am Spieltisch entgegengewirkt, wesFlipper auf dem Spielfeld zu platzieren. halb Spielautomatenpionier Harry Williams Erstaunlich verbreitet blieben seitlich bereits 1937 den Tilt-Mechanismus erfand, angebrachte Flipper, mit punktezähder die Elektrik bei zu großer Erschütterung lenden Auslaufbahnen, Bumpern oder unterbrach. Pins in der Fläche zwischen ihnen. Aber wie wäre es, fragte sich Harry Mabs, Die Punktestände wurden noch bis wenn der Weg der Kugel noch auf dem Eine originellere Variante bestand in die 60er Jahre durch unveränder- Spielfeld beeinflussbar wäre? Zum Beispiel in zwei Flipperpaaren unten auf liche, vom Hintergrund her der Spielfläche gleich nebeneinandurch kurze, bewegliche Stäbe, deren beleuchtete Zahlen angezeigt: der (erstmals 1952 bei Quartette). Der erste Flipper: Humpty Dumpty (1947) Space Ship (1961) von Williams Hochschnellen der Kugel eine neue Richtung Seite
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von Gottlieb. Quelle: Pinball Database, Foto: Raphael Lankar
das frappant an Fotos sittenstrenger Obwohl US-Politiker erinnert, die demonstrativ schon zu Geräte mit dem Hammer einschluBeginn gen. Immer mehr amerikanischen der 50er Entscheidungsträgern schwante, Jahre erste dass die Zeit an ihnen vorbeilief. 1976 Geräte wurde das Flipper-Verbot zuerst in die unten New York und anschließend fast zentral in den ganzen USA aufgehoben. positioDie Popularität des Flippers in nierten Die Flipper waren bis Ende der 60er Jahre noch kurz: North Star von Gottlieb (1964) dieser Zeit bei uns spiegelte sich und von auch in der Werbung. Anzeigen innen abschießenden Flipper aufwiesen (beispielsweise K.O. und nutzten den Coolness-Faktor von Minstrel Man von Gottlieb), wurde dies erst ab Ende der 50er zum Menschen an durchgängigen Standard. Flippern für ihre Zu Beginn der 60er Jahre prägte sich die klassiProdukte, und sche Grundform aus, wie wir sie kennen: zentrale Von Tommy inspiriert: Captain Fantastic (1976) von Bally Firmen versprachen Flipper unten, auf dem Spielfeld kurze parallele die Erfüllung eines Traums, den damals so mancher Einlauf- und seitliche Durchlaufbahnen (Roll-overs), hegte, aber nicht finanzieren konnte: den Flipper für eine Bumpergruppe und kleine, meist runde Targets, zu Hause, als Top-Preis eines Marken-Gewinnspiels. die man anschießen konnte. Aus diesen Möglichkeiten Die rasant fortschreitende Technik ermöglichte dem wurden komplexe Raffinessen gestrickt, bestimmFlipper ab 1976/77 immer neue Steigerungen an te Reihenfolgen der Treffer ergaben Bonuspunkte, Komplexität von Spiel und Sound. Das dichte Gewirr Vervielfältigungen der Punktzahl, Freibälle und aus Kabeln und Kontakten im Innenleben eines elekFreispiele, und schon 1956 trumpfte beispielsweise tromechanischen Flippers wurde zunehmend durch ein Spiel namens Balls-a-Poppin’ von Bally mit dem Elektronik ersetzt. Umfangreiche Klangwelten aus später so beliebten Multiball auf (damals Wild Balls Musik, Geräuschen und Sprache ertönten, die einst genannt). Mit diesen Verbesserungen begann die weltweite Erfolgsgeschichte der Flipper, und auch bei Ein typischer Flipper der späten 60er Jahre: plane Spielfläche bekam eine zweite, später dritte Etage, in die Bahnen hinaufführten, oder es senkuns schossen die Geräte wie Pilze aus dem Boden, "Fun Park" von Gottlieb (1968) ten sich beim Treffen bestimmter Ziele zierten unzählige Kneipenecken und sumRampen zu eigenen, zweiten Spielflächen, mierten sich zu immer längeren Reihen in häufig mit eigenen Flippern versehen. dem, was wir in schicker Übertreibung gern Zusatzherausforderungen wurden auf „Spielhöllen" nannten. dem Digitaldisplay ausgefochten, grafiWobei es zwischen Gaststätten- und sche Artwork wurde durch Figuren auf Spielhallen-Flippern einige gewichtige dem Spielfeld ergänzt, die auf verschiedene Unterschiede gab. Nicht nur, dass Flipper Weise ins Spiel eingreifen konnten. Flipperin den Spielhallen das Doppelte pro Spiel Spieler erinnern sich gewiss vergnügt an kosteten, obendrein bestand es lediglich „das Händchen" des erfolgreichsten Flippers aus drei Kugeln (gegenüber fünf in den aller Zeiten, das ihnen die Kugel raubte: Der Kneipenflippern), und die Elektromagnete 1991 von Bally produzierte Addams Family in den Seitenleisten, die die Kugeln in verkaufte sich an die 100.000 Mal. Richtung Aus zogen, waren Wüstenrot verlost den Flipper für zu Hause (in der "Bravo" 17/1978) Freilich fiel dieser Höhepunkt bereits mit einem Wandel zusammen, der die Flipper-Industrie in eine Krise oft hochaggressiv eingestellt. Wer mit führte. Video- und Computerspiele wurden zum boomenden Trend, den Mitteln des Taschengelds operieren die realen Flipper hatten zunehmend das Nachsehen. Binnen wenimusste, wusste Kneipenflipper stets zu ger Jahre waren die großen Flipper-Hersteller zur Einstellung ihrer schätzen. Produktion gezwungen, zuletzt 1999 Williams. Immerhin ließen sich Die späten 60er und 70er Jahre wurvöllig neue und zahllose klassische Flipper-Modelle nun an Konsole den zur Blütezeit der Flipper-Euphorie. oder Computer spielen oder dank entsprechender Programme selbst Kurios: Während wir in Deutschland virtuell nachbauen. An das Spielvergnügen, das ein echter Flipper munter die Kugel rotieren ließen, war Fortschritt der Technik: Cleopatra der Flipper in weibietet, reicht das freilich kaum heran. Wenn (1977) von Gottlieb wurde zunächst ten Teilen der USA auch Spieltische heute nur noch dünn verbreitet noch mit Zahlenrädern für die sind, gibt es sie nach wie vor, die Modelle des verboten, so in den Punktezählung ausgeliefert, dann aber letzten verbliebenen Flipper-Produzenten Gary bereits mit Digitalanzeige ausgerüstet größten Städten Quelle: Werbeflyer von Gottlieb New Stern aus Chicago ebenso wie gut in Schuss York, Los gehaltene Klassiker. Wer das alte Spielgefühl noch Angeles und sogar in seiner Geburtsstadt Chicago. einmal erleben möchte, findet Anlaufstellen in Er fiel unter das Glücksspielgesetz und galt den Flipper-Museen und Flipper-Klubs, in denen sittenstrengen Politikern als Mittäter in Sachen sich restaurierte Geräte aus allen Jahrzehnten Gesellschaftsverfall und Jugendverführung. Da der Flipper-Geschichte nicht nur bestaunen, sondas Verbot jedoch nicht flächendeckend, sondern dern – ausdrücklich gewünscht – auch spielen lediglich regional galt, entstand ein regelrechter lassen. Solche Museen locken in Deutschland Flipper-Tourismus. Die Begeisterung schwappte u.a. in Berlin, Neuwied und Schwerin, internaauch prächtig in die Popkultur. Die Who widtional in Paris, London oder Rotterdam. Und meten dem Spiel im Mai 1969 ihre Rockoper natürlich gibt es immer noch große Turniere, die „Tommy" über einen blinden jungen Mann, alljährlich die Flipper-Könige küren, sowie eine der durch intuitives Spiel zum Flipper-Messias offiziell geführte Weltrangliste. Ständig in einer aufsteigt. 1974 wurde sie in feinster Besetzung Spitzenposition ist ein Deutscher: Johannes ebenso schrill wie provokant verfilmt. Der Film Ostermeier aus München. endet mit einem Flipper-Zerstörungsmassaker, GoodTimes
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Peter Urban
Von Philipp Roser
Die Stimme der Musik
Seine Stimme kennen nicht nur die NDR-Hörer seit vielen Jahren. Schließlich überträgt Peter Urban seit 23 Jahren regelmäßig den Eurovision Song Contest" für die ARD. " Und der Mann weiß, wovon er redet: Hat er doch mit der auch als Buch erschienenen Arbeit Rollende Worte – Die " Poesie des Rock" über die Texte anglo-amerikanischer Populärmusik promoviert. Der 72-Jährige ist auch als Keyboarder aus der Hamburger Musikszene nicht wegzudenken. Das Interview mit kult! fand übrigens kurz vor der Absage des diesjährigen ESC in Rotterdam statt.
voll aufgedreht waren, bei der Sendung dann aber aus Angst vor Feedback heruntergedreht wurden – die Leute haben sich auf einmal nicht mehr gehört auf der großen Bühne. Das hat sich geändert, alle haben In-ear-Systeme, hören sich also per Knopf im Ohr, vernehmen sich bestens und singen besser. Ich kann mich erinnern, dass ich Rod Stewart in den 70er Jahren mal in Hamburg im CCH gesehen habe, als es noch keine In-ear-Systeme gab – oh, hat der schlecht gesungen! Schief! Dann sah ich ihn in den 80er Jahren bei einem Open Air mit einem In-ear-System und dachte: Was ist denn jetzt passiert? Jeder Ton saß, es war Wahnsinn! Da ist es für Sie ein großer Vorteil, so etwas beurteilen zu könDer Eurovision Song Contest" lässt Sie nicht los? nen, beispielsweise die Erfahrungen mit Monitorsystemen " Nein. Das ist ja auch Spaß. Das mache ich einmal im Jahr. Mittlerweile auf der Bühne – Sie sind ja selbst Musiker. ist die Vorbereitung richtig aufwenDas ist schon ein Vorteil, das eindig, Termine vorher, Sendungen, ordnen zu können, was man hört. Interviews – die Informationslage Auch woran einen etwas erinnert ist ja viel offener als früher, man – es wird ja oft ein Klischee nach kann alle Videos und Stücke vordem anderen benutzt, Ideen und her anschauen. Ich mache das ja Melodien von früheren Liedern. auch nicht als Fan, sondern eher Wenn man sich da ein bisschen als manchmal amüsierter, manchmal auskennt, ist das sicher ein Vorteil. sehr interessierter Beobachter, weil Das versuche ich einzubringen, ohne ich tatsächlich finde, dass die musioberlehrerhaft oder klugscheißernd kalische Qualität zugenommen hat. das Wissen preiszugeben. Man kann Sie ist nicht so divers und manchmal das auch ironisch verkaufen. abenteuerlich wie früher, sondern es Diese Süffisanz ist ja auch Ihr sind viele interessante Sachen dabei. Markenzeichen! Auch wenn man musikalisch damit Ja. Da muss ich aber eines sagen: nichts anfangen kann, ist die techDas habe ich einige Jahre ein biss Mit Günter Fink (l.) kommentierte Peter Urban nische und musikalische Qualität chen weniger gemacht, weil ich die Live Aid"-Übertragung bundesweit fürs Radio. " gestiegen. Liegt natürlich an der gemerkt habe, dass etliche Leute Produktionsweise – heutzutage produziert jeder überall technisch mit doch sehr empfindlich reagieren, die dann meinen, man könne die internationalen Standards. Künstler doch nicht ein bisschen ins Lächerliche ziehen ... Auch die technischen Voraussetzungen sind heute für die Zuschauer? Künstler ja wohl besser? Zuschauer. Aber ich habe es gemacht, wenn es sich anbot, wenn ich Das ist richtig. Früher war es oft so, dass Leute schief gesungen haben meinte, auch der Zuschauer könnte die gleiche Idee haben. Denn man – das lag aber an den Monitorsystemen, die zwar bei den Proben kommentiert das, was der Zuschauer auch sieht. Durch die gestieSeite
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Fotos: © Privatarchiv Peter Urban
Ihre andere große Liebe ist das Radio. Sie sind immer noch gene Qualität, auch gesangliche Qualität, fallen inzwischen aber ein aktiv, machen zwei Sendungen in der Woche – und haben paar Angriffspunkte weg. Konnte man früher sagen: „Hier wird live dabei wohl als einer der letzten Moderatoren-Mohikaner gesungen, wie man offensichtlich hören konnte", kann man das heute freie Hand? fast kaum noch sagen, weil sie fast alle richtig singen. Insofern ist Ja. „Nachtclub" bei NDR Info ist eine musikjournalistische Sendung. das ein bisschen schwieriger geworden. Manche dieser Auftritte sind Da stellt jeder der Moderatoren oder Journalisten seine eigene auch nicht mehr so absolut schrill und geschmacklos, wie es früher manchmal war, sondern Die Moderation von Musik vor. Das ist das Prinzip der die haben alle einen NDR-Open-Airs wie hier „Peter Urban Shows". Bei NDR 2 bin 1986 gehörten ebenfalls zu ich seit 46 Jahren, ich war dort ja auch gewissen Stil, manchmal Peter Urbans Job lange Jahre Musikredakteur, so dass ein bisschen überkandidelt, aber man kann es ich das selbst aussuchen und bestimnicht so ins Lächerliche men kann. Das ist der Spaß an der oder Lustige ziehen – Sache. Heutzutage sind die meisten das ist eine Sache, Moderatoren ja nicht mit der Auswahl die sich geändert hat. der Musik beschäftigt, sondern nur Und der dritte Punkt: mit den Zwischentexten. Ich stelle Durch die Einführung Neuerscheinungen aus verschiedenen der Halbfinals scheiGenres vor, auch Singles irgendwelden schon 17, 18 der 43 cher normaler Popkünstler, wozu man Länder aus, und das sind auch was sagen kann: Ist es besser oft die richtig schrillen, oder schlechter? Da kann man schon über die man sich richoffen sein. Und je später der Abend tig schön ironisch äußern ist – die Sendung dauert von 21 bis 24 könnte – die sind im Uhr –, wird auch das, was ich vorstelle, Finale nicht mehr dabei, was eigentlich schade ist. etwas spezieller, auch aus Spielarten wie Roots Rock, Americana, Wie viel Arbeit steckt in der Übertragung, wie lange bereiten Folk bis zu jazzigeren Dingen. Sie sich vor? Sie senden live? Ich sammle vorab Informationen, schaue mir aber nicht unbedingt Ja. Das wird so gewünscht. Das aufzuzeichnen ist aufwendiger, als 1000 Mal diese Videos an, die geben auch nicht den richtigen wenn man hingeht und es live macht. Bei NDR-Info-„Nachtclub" werEindruck wieder. Das sind ja im Studio aufgenommene Versionen, den CDs eingelegt, bei NDR 2 bringe ich zwar meine CDs mit, um die selten live. Ich schaue mir lieber alle Proben an und bilde mir dann Cover in der Hand zu halten, um Sachen noch mal nachzuschauen. Ich ein Urteil. Man hat den Song dann vor der Sendung dreimal gesehen. spiele die Titel aber aus einem Speicher, den ich vorher bestückt habe. Da kann man sich den Auftritt einprägen und auch sehen, wie ist Sie haben in all den Jahren alle Musikgrößen irgendwann vor der Song, wie ist die Performance, wie wird gesungen? Das ist die dem Mikro gehabt und interviewt – machen Sie das heute Hauptarbeit. auch noch? Sie übertragen nicht nur den ESC, sondern haben auch interHeute weniger. Früher habe ich eben auch Interviews aufgenommen, nationale Musikgroßveranstaltungen live kommentiert, beiindem ich irgendwo hingefahren bin und lange Gespräche geführt spielsweise Live Aid" ... habe. Heute kommen sie live in die Sendung, wenn ich Interviews " Das war damals 1985, ja. Und auch „Live Aid 2005", das 20-Jahremache, auch deutsche Künstler. Sie sind dann eine Stunde zu Gast, Jubiläum, das habe ich damals in Berlin für den RBB noch zusammen und wir reden auch über Dinge, die neben der Musik liegen. mit Peter Radszuhn kommentiert, dem leider viel zu früh verstorbeSie haben ja auch immer selbst Musik gemacht, in Bands nen Musikchef von RBB. „Live Aid" 1985 ging damals von mittags um gespielt – heute auch noch? eins bis nachts um fünf, so lange saßen der NDR2-Kollege Günter Fink Ich würde gern mehr Musik machen, aber unsere Band Bad News und ich da im Studio. Das ging ja von London nach Philadelphia, wir Reunion hat 2018 das letzte Mal gespielt, zum 40-jährigen Jubiläum nur mit Kopfhörer – wir hatten kaum in der Hamburger Fabrik. Seitdem Infos, keinen korrekten Ablauf, wir reden wir zwar darüber, ob wir noch wussten nicht, was kommt. Wir hatmal spielen, aber ich bin mir da nicht ten nur die Regie auf dem Kopfhörer, so sicher. Live zu spielen macht Spaß, die den Kameraleuten Anweisungen ist aber ein Riesenaufwand. gab, und dann hörten wir: „Jetzt Für Sie war es damals in Hamburg kommt das und das" – also wirkmit Abi Wallenstein losgegangen? lich ein Chaos! Wir haben es im Mit Abi ging’s los, den lernte ich Radio übertragen – im Fernsehen 1968 kennen. Wir haben miteinander hatte das für Deutschland das NDReine Band gegründet mit dem heutFernsehen übernommen, und da es zutage untragbaren Namen Pussy. ja um Hilfe für Afrika ging, wurden Ich weiß nicht, was uns da geritten dann pflichtgemäß Beiträge eingehat. 1975 stieg die Sängerin Caro ein, spielt, so dass viele wichtige Acts die gerade als junge 17-Jährige aus Peter Urban (l.) ist nahezu allen Großen der Rockmusik nicht im Fernsehen auftauchten, weil Gießen gekommen war. Irgendwann wie hier Keith Richards 1988 bei Interviews begegnet gerade eine Doku über Afrika lief, stieg Abi aus, weil es ihm zu komeine Diskussion oder irgendein Korrespondent interviewt wurde. Das merziell wurde, und der Name wurde in Caro & JCT Band umgewar zwar ehrenwert und in der Sache richtig und sicher wichtig, aber wandelt. Aber mit Abi bin ich immer noch verbunden – wir haben für die Musikkonsumenten war es eine Katastrophe. Die konnten dann1978 Bad News Reunion gegründet, das hat sich 40 Jahre das Ding überhaupt nicht richtig miterleben – die einzige Chance gehalten. Heute mache ich zu wenig, würde gern mehr machen, aber war im Radio. 1988 war ich dann beim NDR fest angestellt und für das ist auch eine Zeitfrage, da ich immer noch gut zu tun habe. Ich die Übertragung des Mandela-Konzerts zu dessen 70. Geburtstag kommentiere auch für andere Fernsehsender, zum Beispiel gab es im Londoner Wembley-Stadion zuständig, das von fast allen dritda einen Eurovisions-Wettbewerb der Chöre, den ich für das WDRten Programmen übernommen wurde. Damals habe ich auch den Fernsehen moderiert habe. Gerade habe ich in Berlin die Laureus Fernsehkommentar gesprochen – man konnte das Fernsehbild haben Sport World Awards für den RBB kommentiert – ich war ja auch mal und dazu den Stereoton des Radios, das auch live übertrug. stellvertretender Stadionsprecher beim Hamburger SV! GoodTimes
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Die rote Zora und ihre Bande: Die Mitspieler wurden mit Laien besetzt. Zora-Darstellerin Lidija Kovacêvic ist selbst unter die Pädagogen gegangen. Branco-Darsteller Nedeljko Vukasović (vorne links), der die Gendarmen an der Nase herumführte, arbeitet heute als Polizist einer Spezialeinheit in Belgrad.
Von Roland Schäfli
Foto: © BR/Horst Prange
und ihre Bande
Schwarze Zahlen mit der roten Zora" " D ie meisten Besucher biegen noch vor dem Dorfeingang von Senj ins Landesinnere ab, auf die Straße zu den weltberühmten Plitvizer Seen, Drehort von „Der Schatz im Silbersee". Doch wer der Küstenstraße der Adria weiter folgt, landet am Hafen von Senj. Wirkt eigentümlich vertraut. Natürlich – direkt an der Mole, mit dem Leuchtturm im Hintergrund, stand doch der Fischmarkt! Wo der arme Branko beschuldigt wurde, einen Fisch gestohlen zu haben. Worauf die rote Zora ihn aus den Händen der Gendarmen befreite. Und war nicht die Burg, die über dem Hafenstädtchen thront, das Versteck ihrer Bande, der Uskoken? Stimmt: Hier lebte nicht nur die TV-Zora, sondern auch ihr leibhaftiges Vorbild. Wer vor 40 Jahren ein jugendlicher Fernsehzuschauer war, hat mit großer Wahrscheinlichkeit die Serie „Die rote Zora und ihre Bande" gesehen. Und damit auch Senj.
In denselben gepflasterten Gassen ließ sich Kurt Held zu seinem sozialkritischen Buch inspirieren. Künftig soll der Themenweg auch mit einer App für „Augmented Reality" aufgepeppt werden. Die städtische Tourismusbehörde hat nämlich festgestellt, dass die älteren Fans ihre Begeisterung auf ihre eigenen Kinder übertragen ...
Rote-Zora-App Eine Begeisterung, die Senjs knapp 7000 Bewohner – fast ausnahmslos Kroaten – lange nicht teilten. Denn obwohl Held die kroatische Kinderfigur schlechthin schuf, wurde „Zora" doch nie ins Kroatische übersetzt (bis 2017, als der Direktor der hiesigen Stadtbücherei seine Übertragung herausbrachte). Auch die Synchronisation der TV-Serie ließ damals zwei Jahre auf sich warten. TV Zagreb strahlte eine serbokroatische Version aus, in der Amtssprache des ehemaligen Jugoslawiens. Das kroatische Publikum hatte wenig dafür übrig. So ging der TV-Erfolg ausgerechnet an Senj unbemerkt vorbei. Und dann kam der Jugoslawien-Krieg dazwischen.
Personen um die 50" " Hochglanz-Reiseführer zu allen „Zora"-Stationen
Vom hat das Touristenbüro immer genügend vorrätig. Es sind vor allem Personen um die 50, die danach fragen. Besucher also, die das rothaarige Mädchen auf der Mattscheibe genau im richtigen Alter entdeckten, um sich mit dem rebellischen Teenager zu identifizieren. Die großformatige Wegbeschreibung führt durch die Altstadt, zu uralten Steinhäusern, an denen neue Hinweistafeln auffallen. Neu wurden die elf Stationen zusätzlich mit QR-Codes versehen. Hier die Bäckerei, wo die ausgemergelten Kinder trockenes Brot stehlen. Da die Gendarmerie, wo die Polizisten sich ausnehmend dumm anstellen, wie sie das in Kinderfilmen eben tun. Seite
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Soziales Empfinden Vor dem linken Gedankengut im „subversiven" Buch hatten Pädagogen ursprünglich noch gewarnt. Doch Regisseur Fritz Umgelter galt als Unterhaltungsprofi. Auf die jüngere Zielgruppe hatte er sich zwar noch nie eingelassen. Als sein Sohn ihm den Stoff ans Herz legte, musste er jedoch zugeben: „Ich kenne kaum ein Jugendbuch, in dem soziales Empfinden so geweckt wird." Umgelter übernahm Kurt Helds erzieherische Absicht. Den Erkenntnisprozess, dass man sich
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Treffpunkt von Fiktion und Realität Senj-Einwohner Branko Svast war vor Ort, als viele aus dem Dorf als Statisten auftraten. „Es war interessant für uns, denn es spielten auch jugoslawische Schauspieler mit, die damals sehr angesagt waren." Heute ist Svast Sekretär des Gymnasiums, das seit jeher für sich in Anspruch nimmt, das beste in ganz Kroatien zu sein. Durch diesen Hochmut machten sich die Gymnasiasten ja schon Zora zur Feindin. In einer Episode verjagen die elitären Schüler die sozialen Außenseiter aus dem Strandbad. Als Beach Bar Banja existiert diese wellenumspülte Einrichtung bis heute. Wichtigster Schauplatz ist die mittelalterliche Burg Nehaj, die 1558 auf dem Hügel über der Stadt erbaute Trutzburg, der geheime Zufluchtsort der Bande. Sie war damals gerade frisch renoviert, aber, ganz Senj hat von den Dreharbeiten nichts im Sinne der Filmemacher, idealerweise noch nicht behalten – außer den Drehorten. Das für die Öffentlichkeit geöffnet. Heute beherbergt die Innere der Uskoken-Festung Nehaj. Uskoken-Festung ein Museum. Auf die Erfolgsserie nimmt die Ausstellung allerdings nicht Bezug.
vor der Kamera zu erleichtern, wurde ein Haus eigens für sie angemietet. Die erhoffte Wirkung stellte sich ein: Die 12- bis 14-jährigen Darsteller entwickelten genau das Gemeinschaftsgefühl, das ihren Rollen entsprach. „Es wurde eine echte Bande aus ihnen", sagte damals Umgelter über seine Schützlinge. Als störend empfanden die Kinder nur, dass nach den langen Dreharbeiten abends ein Lehrer erschien, der den versäumten Schulstoff nachholte.
Senjs wahre Straßenkinder
Rückblickend erwiesen sich die Dreharbeiten für die ju gend lichen Darsteller als einmalige Gelegenheit, nicht als Karrieresprungbrett. Zora-Darstellerin Lidija Kovaćević war danach lange im Kinderprogramm von Radio Belgrad tätig und wurde später Gymnasiallehrerin, schließlich Direktorin eines privaten Gymnasiums in Belgrad. Die Zeit als Zora nennt sie „das schönste Erlebnis meiner Kindheit". Nedeljko Vukasović, der Branko verkörperte, tat später Dienst in einer Sondereinheit der Zagreber Polizei. Vor „Zora" hatte Umgelter bei mehreren Kinofilmen Regie geführt, war aber im Kino nie so erfolgreich, wie er es als Fernsehmacher werden sollte. Für den Bildschirm lieferte er über 100 Werke, die vom zeitgenössischen Publikum nicht selten als große Fernsehereignisse wahrgenommen wurden. Insbesondere verantwortete er zahlreiche „Tatort"-Folgen. Sechs Episoden der ZDF-Reihe „Das Traumschiff" markierten das Ende seiner langen Regiekarriere. Die eingängige Titelmusik der Serie stammte vom erfolgreichen deutschen Komponisten Christian Bruhn. Er schrieb für praktisch alle bekannten deutschen Schlagerkünstler und veröffentlichte insgesamt gut 2000 Songs. Seine erste Goldene Schallplatte brachte ihm der Hit "Zwei kleine Italiener" ein. GoodTimes
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Die lange Treppe zum Hotel Zagreb, Dreh- und Angelpunkt der Serie, ist in fast jeder der 13 Episoden zu sehen.
Eine prominente Rolle spielte das Hotel Zagreb (heute das Restaurant Krešimir), im Fernsehen Sitz der Reichen und Mächtigen, erreichbar nur über eine hohe Treppe. Im wahren Leben war das Hotel auch Schauplatz für eine schicksalhafte Begegnung: Auf dieser Hafenterrasse lud der Schriftsteller einen verschmutzen Waisenjungen zum Essen ein: Branko. Bald gesellte sich, uneingeladen, ein rothaariges Mädchen dazu: Zora, Anführerin Auch die romanische Kathedrale bot der Straßenkinder. In ihrem Versteck der Bande der roten Zora" " vertrauten sie Held ihre Geschichte keinen Unterschlupf. an. Der Autor wollte Branko in die Schweiz mitnehmen. Es kam anders. Branko wurde nicht Adoptivsohn, sondern Romanfigur. Kurt Held starb in der Schweiz, 20 Jahre, bevor „Zora" über den Bildschirm lief. Und die echte Zora, seine leibhaftige Inspiration zum Buchklassiker? „Die rote Zora und ihre Bande" wurde 1941 veröffentlicht. Zwei Jahre später wurde Senj im Weltkrieg bombardiert. Vielleicht kamen Zora und ihre Buben damals schon ums Leben. Mit großer Wahrscheinlichkeit dürften sie nie erfahren haben, dass sie auf diesen Buchseiten verewigt wurden. Foto: © Roland Schäfli
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Keine Starkarrieren
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Laien wurden TV-Stars Unterhaltungsprofi Umgelter übersetzte die 380 Seiten starke Vorlage im Rahmen der deutsch-schweizerisch-jugoslawischen Co-Produktion in 13 turbulente TV-Episoden. Für heutige Produktionsverhältnisse mutet die Herkulesarbeit fast unmöglich an: Kurze 14 Wochen Drehzeit, eine vergleichsweise kleine Crew von 34 Personen, und die Kinderrollen mit Laien besetzt. Auf den Aufruf hatten sich 400 Jugendliche aus allen Teilen Jugoslawiens gemeldet. Die Anforderungen waren eher sportlicher denn schauspielerischer Natur: Zoras Bandenmitglieder durften keine Angst vor Tieren haben, mussten hervorragend schwimmen und klettern können.
Eine echte Bande" " Um den Filmneulingen die Arbeit
Foto: © BR/Horst Prange
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gegenseitig braucht, wollte er ebenfalls in der Serie deutlich machen, „das war mein Hauptanliegen". In allen Episoden geht es darum, wie jeder Einzelne die Gruppe stärker macht.
Die Burg Nehaj auf dem Felsenhügel über Senj. 2/2020
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Die -Helden
Von Michael Klein
Ein st und ! t z t e j
Die Zeitschrift Zack" ebnete zahlreichen franko- " belgischen Comic-Figuren den Weg zu ihrem Klassikerstatus auch in Deutschland. Neben alten Helden, die bis heute lediglich in ihren damaligen Abenteuern nachgedruckt werden, gibt es andere, die von einer aktuellen Welle der Erneuerung erfasst sind. Wie präsentieren sie sich heute? Freuen wir uns auf eine aktuelle Begegnung.
ist. Und sie präsentieren bewusst eine mit Augenzwinkern versehene Mischung aus nostalgischem Rückblick und pfiffiger Modernisierung.
Der Rennfahrer Michel Vaillant eröffnete das erste „Zack"-Heft und bildete ebenso den Auftakt, als im Juli 1999 „Zack", nunmehr im Steinchen-für-Steinchen-Verlag, sein zweites Leben begann (das inzwischen bereits mehr als doppelt so lange währt wie das des Vorbilds). Als Michels Schöpfer er in den 70er Jahren aufwuchs und gern spanJean Graton in die Jahre kam, nende, abenteuerliche Comics las, landete fast stellte er klug mit seinem Sohn zwangsläufig bei „Zack". Das auflagenstarke Magazin Philippe, der ab Mitte der 90er aus dem Koralle Verlag entführte uns zunächst allwöJahre bereits an den Szenarios chentlich, später 14-tägig von unserem Jugendzimmer mitgearbeitet hatte, die aus rasant und abwechslungsreich in ferne Länder Weichen für ein Weiterleben und fremde Welten, mal fesselnd, mal komisch und seines Helden. Nach sechsjähriger Veröffentlichungspause stets im Rahmen lebensgefährlicher Berufe seiner Hauptfiguren. Eben noch wurden wir als Rick Master erschien 2012 das erste Album Michel Vaillant Staffel 2" von „Michel Vaillant Staffel 2". " in einen tödlich scheinenden Hinterhalt gelockt, schon im neuen Zack" " stürzten wir mit Mick Tangy in der Wüste ab, sahen Philippe Graton und Denis Lapière schreiben die Stories, uns als Luc Orient einer feindlichen Alien-Übermacht die Marc Bourgne und Benjamin Benéteau in aufgefrischter Ästhetik umsetzen. Das neue Team transferiert auf unbekanntem Planeten gegenüber, um im nächsten Zack"-Klassiker unter sich: Michel Vaillant vollständig in Moment als Teil des Kommandos Kaiman gegen die bis Michel " Vaillant, Bruno Brazil, an die Zähne bewaffnete Mafia anzutreten. Herrlich. unsere Zeit der E-Motoren, Mick Tangy (1973) Und in Fortsetzungen voller Cliffhanger. Handys und Computer, was verblüffend gut gelingt. Das Personal wird um zahlreiche Figuren erweitert und verjüngt, u.a. Ein knappes Jahrzehnt lang erschien „Zack", von der Ausgabe 17/1972 bis zum Juli 1980. Die Comic-Serien, die es bei uns breit um die attraktive Nachwuchsfahrerin Elsa. In den Stoffen knüpfen die Geschichten bekannt machte, werden bis heute gebührend in immer neuen Gesamtausgaben in Ehren gehalten, inzwischen fast durchweg fein bewusst an Jean Gratons beste Arbeiten gebunden und in besserer Ausstattung denn je. an und sind geprägt von einer pointierten, von ernsten Themen durchsetzSeit einigen Jahren weht jedoch zusätzlich ein frischer Wind durch ten Erzählweise. So sehen wir die Firma die Zeichenstudios. Ein Trend zur erfolgreichen Wiederaufnahme alter Vaillant in Krisenzeiten oder erleben den Reihen lässt zwischenzeitlich müde gewordene Helden in nagelneue Tod von Michels Bruder Jean-Pierre. Acht Die Themen werden Abenteuer aufbrechen. Erfreulich: Die heutigen Zeichner und Autoren stark erzählte Alben dieser Staffel 2 sind erwachsener: Michel Vaillants bisher bereits erschienen. wissen, dass die Leserschaft von einst längst erwachsen geworden Gefährliche Liebschaft" "
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fortführte. „Das Trauma der Apachen", erstes Album der Reihe „Blueberry Hommage", wurde nach einer Idee von Johann Sfar von Christophe Blain getextet und gezeichnet, der mit seiner gewitzten WesternSerie „Gus" bereits bewiesen hat, dass er dem Genre kühne neue Aspekte und Einfälle verleihen kann. Blains Strich lehnt sich an den frühen Giraud-Stil an und kombiniert ihn mit der leicht karikaturhaften, aber ungemein präzisen Zeichenweise seines „Gus". Die alten „Blueberry"Leser werden einen Moment der Umgewöhnung brauchen, dann aber voll belohnt. Rick Masters erster Auftritt
Die Wiederkehr Michel Vaillants zeigt die eine Möglichkeit, eine klassische Comic-Figur am Leben zu erhalten: Beinahe alterslos übersteht sie unbeschadet die Jahrzehnte und bleibt stets in der jeweils aktuellen Gegenwart. Erlebte Vaillant im Sommer 1957 mit Anfang 20 seinen ersten Auftritt, so ist er heute, fast 65 Jahre später, immerhin in den Vierzigern. Beneidenswertes Anti-Aging!
Die zweite Möglichkeit, eine Figur intelligent fortzuschreiben, lässt sich an Rick Master zeigen. Als Tibet (Gilbert Gascard), der über ein halbes Jahrhundert lang seinen Journalisten und Gelegenheitsdetektiv durch alle möglichen brenzligen Recherchen und verzwickten in Zack" (Heft 50/1972) Kriminalfälle jonglierte, 2010 " starb, war Masters Schicksal erstmals ungeAm längsten mussten die Leser von Bruno Mick Tangy in "Zack" 5/1980 wiss. Nach fünf Jahren Pause kehrte er in Brazil auf eine Wiederkehr ihres Helden warten. Zwischen 1967 dem verschmitzt „R.I.P., Rick Master” betiund 1976 bestand seine Einsatztruppe, das Kommando Kaiman, telten Album zurück. Szenarist neun albenlange Agentenmissionen. Die letzte um „Die Zidrou (Benoît Drousie) und Myxin-Formel" endete ungewöhnlich düster. Statt eines Zeichner Simon van Liemt siedeln siegreichen Happy Ends war das gesamte Kommando Masters Fälle in den späten 60er auf Madagaskar in einen Kugelhagel aus einem Der Auftakt der neuen Fälle Jahren an. Das gibt Gelegenheit, Hinterhalt geraten. Ein ruhmloses Finale voller Toter und für Rick Master an Motive seiner Glanzzeiten anzuknüpfen (so taucht Schwerverletzter. Gute Nachrichten: Nach über 40 Jahren sein langjähriger Gegenspieler, das „Chamäleon”, wieder setzen nun die „Nouvelles Aventures" unmittelbar bei auf) und das Flair einer dynamischen Zeit zu zelebrieren. diesem Ende an und beginnen 1977. Bruno Brazil, psyZudem verblüffen überraschende Erkenntnisse. Die Waise chisch durch das zurückliegende Desaster, in dem sein Rick stellt verdutzt fest, dass sie einen Vater hat – und Bruder Billy starb, schwer angeschlagen, muss dennoch zwar auf der anderen Seite des Gesetzes. Eine erfreuein neues Kommando zusammenstellen. Schwerwiegende liche Veränderung ist zudem Entwicklungen zwingen ihn dazu. Madison Ottoman, Tang(u)y fliegt auch Masters Freundin Nadine, die einer der reichsten Männer der Welt und ehemaliger im neuen Zack" " alles Backfischhafte abgelegt hat und angeStaatsfeind Nr. 1 der USA, wird ermordet – nehm frech, tatfreudig und durchaus sexy kein Grund zur Erleichterung, denn mit diesem daherkommt. Van Liemts Zeichnungen sind Akt taucht ein noch skrupelloserer Nachfolger hell, klar und lebendig, Zidrou kombiniert in auf. Zeitgleich verschwindet ein hochrangiger seinen Szenarien Finesse der Komposition Nasa-Wissenschaftler, der ein Geheimprojekt mit Anspielungsreichtum und namens „Black Program" leitete, einer deutlich gesteigerten spurlos. Und auf einem Bahnhof Prise Humor. bei Chicago ereignet sich ein tödliches Zugunglück, das sich als Mick Tangy und sein tollpatschigezieltes Attentat erweist. Alle drei Band 1 von Tanguy und " ger Freund René – beide Offiziere Ereignisse scheinen irgendwie mit- Premiere für Blueberry Laverdure Klassik" " der französischen Luftwaffe, die ein ums andere Mal feindeinander zusammenzuhängen. Na Hommage" lichen Spionen, Attentätern oder Umstürzlern das Handwerk klar, Bruno Brazil versucht, die Überlebenden des alten legen mussten –, bildeten ebenfalls einen Dauerbrenner in Kommandos Kaiman zurück ins Team zu holen. Gaucho „Zack". Altmeister Jean-Michel Charlier schrieb die Storys, zuerst. Whip Rafale sitzt, von mehreren Kugeln getrofdie der spätere Asterix-Zeichner Albert Uderzo und nach fen, nun im Rollstuhl. Ein weiterer Überlebender ist Tony ihm Jijé (Joseph Gislain) visualisierten. Nach Jijés Tod 1980 Blueberry in "Zack" 6/1978 Nomade, der jedoch innerlich völlig aus dem Tritt geraten kriselte die lange erfolgreiche Serie, nach Charliers Tod 1989 holist. Angeschlagene Helden – das liegt obendrein im aktuellen Trend perte sie in gelegentlichen Versuchen, mit und funktioniert hier vorzüglich und durchweg neuen Autoren noch einmal Fahrt aufzuspannend. nehmen, beträchtlich. Jetzt endlich ist der Durchbruch geschafft, gleich auf doppelte Dass diese neuen Abenteuer der klassischen Weise. Aus der Feder von Patrice Buendia und „Zack"-Helden erfreuen, ist nicht etwa bloß der Frédéric Zumbiehl und mit den exzellenten Nostalgie geschuldet, sondern würdig arbeiZeichnungen von Sebastien Philippe erscheint tenden neuen Zeichnern und Szenaristen, die erstens die Hauptserie wieder regelmäßig mit die Vorzüge der Originale bewahren und mit jährlichen Alben. Und dass Charlier selbst ein der Gereiftheit einer modernisierten Sichtweise nicht mehr realisiertes Mick-Tangy-Szenario verbinden. In dieser Qualität würde man sich Packender Thriller: noch als Roman veröffentlichte, bot zweitens so manchen weiteren alten „Zack"-Helden zu Bruno Brazil und das Black Program" neuem Leben gebracht wünschen. Luc Orient Bruno Brazil in „Zack" (1973) den standesgemäßen Auftakt für das Spin-Off " „Classic”. Der Name weist keineswegs auf altes Material hin, sondern ist seit einem Vierteljahrhundert verschollen, doch um ihn und die darauf, dass diese Abenteuer des Fliegerduos in den 50er und 60er Forschungsstation Eurocristal mit ihren Mitarbeitern Doktor Kala Jahren spielen und sich Zeichner Matthieu Durand stilistisch stark an und Lora ließen sich noch etliche treffliche Szenarien stricken. Der Uderzo anlehnt. Buendia schreibt auch hier die Szenarios. Drei Alben Western „Comanche" um die Ranch einer Indianerin unter Weißen sind seit 2016 erschienen, das vierte ist für dieses Jahr angekündigt. und ihren zugelaufenen Vormann Red Dust liegt bedauerlicherweise seit 18 Jahren brach. Und Andy Morgans Yacht „Cormoran" verdiente Neuigkeiten gibt es auch von einer weiteren Charlier-„Zack"-Serie zu ebenfalls, flottgemacht zu werden, auf dass Andy, Barney und Kim vermelden, die nach seinem Tod Zeichner Jean Giraud in den Szenarien weitere schauerlich schöne Gefahren erleben können. GoodTimes
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Jackie Stewart
Fliegender Schotte mit Beatles -Frisur
Als Sex noch sicher und die Formel 1 gefährlich war" lautet der Titel eines aktuellen Buches über den Automobilsport der 60er und 70er Jahre. " Niemand kann mehr über diese Zeit erzählen als Sir John Young ( Jackie") Stewart, der älteste noch lebende Weltmeister der Königsklasse. " Zwischen 1965 und 1973 gewann er 27 seiner 99 Grand-Prix-Rennen – verlor dabei aber fast ebenso viele enge Weggefährten an den Tod.
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ätte Jackie Stewart am 12. Juni 1966 nicht mindestens zwei Schutzengel gehabt, sein Name würde in den Annalen der Formel 1 wohl nur als Fußnote auftauchen. An diesem Tag bestritt der tags zuvor 27 Jahre alt gewordene Schotte in Spa-Francorchamps den Großen Preis von Belgien. Es regnete in Strömen. Stewart war gleich in der ersten Runde von der Piste abgekommen und – hinter dem Lenkrad eingeklemmt – in seinem Wagen liegen geblieben. Die zu Hilfe geeilten Kollegen Nur noch ein Haufen Schrott: Graham Hill und Bob Bondurant schafften es Stewarts zerstörter zunächst nicht, ihn zu befreien – und weil das Formel-1-Bolide 1966 Cockpit voll Benzin gelaufen war, konnte der Bolide jeden Moment in die Luft fliegen. Erst mit Hilfe eines von einem Zuschauer geliehenen Schraubenschlüssels gelang 25 Minuten später die Rettung. Feuerfeste Kleidung? Bergungsteams? Einsatzbereite Ärzte vor Ort? All das gab es im Rennzirkus der 60er Jahre nicht. Bis endlich ein Krankenwagen eintraf, verbrachte Stewart weitere qualvolle Minuten auf einer Pritsche. Zu allem Überfluss verloren die Sanitäter dann auf dem Weg ins Hospital auch noch die Polizei-Eskorte und irrten orientierungslos durch Lüttich. Dass der Jackie Stewart 1969 aufstrebende Nachwuchspilot am Ende mit Seite
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angeknacksten Rippen, verätzter Haut und gebrochenem Schlüsselbein davonkam, gleicht einem Wunder. Vielleicht wünschte Stewart in diesen Stunden kurz, bei seinem alten Sport geblieben zu sein, dem Tontaubenschießen. Dort hatte er es als Teenager nach einer weitgehend verkorksten Schulzeit weit gebracht und in Großbritannien mehrere Landesmeisterschaften gewonnen. Daneben begeisterte sich der junge Jackie aber auch früh für schnelle Autos. Kaum weiter verwunderlich: Vater Robert betrieb in der nahe Glasgow gelegenen Kleinstadt Dumbarton eine Jaguar-Werkstatt, und der acht Jahre ältere Bruder Jimmy war ebenfalls im Rennsport aktiv. Nach zwei schweren Unfällen konnte Mutter Jean Jimmy allerdings überzeugen, dieses gefährliche Hobby an den Nagel zu hängen. Nicht so Jackie. Nachdem er 1960 erstmals an einem Rennen teilgenommen und den zweiten Platz belegt hatte, ließ ihn die Leidenschaft nicht wieder los. Um seine Mutter nicht zu beunruhigen, startete er zunächst unter dem Pseudonym A.N. Other („Noch einer"). Zu den ersten, die außerhalb der Familie auf Stewarts Talent aufmerksam wurden, gehörte Ken Tyrrell. Der britische Geschäftsmann, in den 50er Jahren als mittelmäßig erfolgreicher Fahrer in der Formel 2 unterwegs, hatte zwischenzeitlich ein Formel-3-Team aufgebaut und nahm Stewart 1963 unter Vertrag. Schon im nächsten Jahr sicherte dieser sich die britische Formel-3-Meisterschaft.
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Angesichts der Dominanz, mit der Stewart den Titel herausfuhr, buhlten gleich mehrere namhafte Formel-1-Ställe um ihn. Er entschied sich für das BRM-Team, für das auch Ex-Weltmeister Graham Hill auf Punktejagd ging. Bei seinem Grand-Prix-Debüt am 1. Januar 1965 in Südafrika landete Stewart prompt auf Rang 6. Mit einem Sieg beim Großen Preis von Italien und vier weiteren Podiums-Platzierungen belegte er am Ende der Saison hinter Hill und dem neuen Weltmeister Jim Clark Platz 3 – ein echter Achtungserfolg. Zum Auftakt der neuen Serie im Mai 1966 setzte Stewart als Sieger des Grand Prix von Monaco gleich ein weiteres Ausrufezeichen. Dann brems te ihn der Unfall von SpaFrancorchamps brutal aus. Zwar saß er bereits Mitte Juli Regenschlacht auf dem Nürburgring am 4. Juli 1968 wieder hinter dem Lenkrad. Doch fortan kreisten seine Gedanken nicht mehr allein darum, auf der Ideallinie als Schnellster ins Ziel zu kommen. Sondern auch darum, wie sich die Sicherheit auf den Rennstrecken verbessern ließ. Wie dringend nötig das war in einer Zeit, in der neu entwickelte Formel-1-Flitzer statt 1000 Kilogramm nur noch 550 Kilogramm wogen und bei 400 Pferdestärken Geschwindigkeiten von bis zu 290 Stundenkilometer erreichten, zeigt neben den heute wie ein schlechter
Freund Stewarts – bei den Trainingsläufen zum Großen Preis von Italien in den Tod. Bis 1970 bereits eingeführte oder kurz darauf zur Pflicht erhobene Sicherheitsstandards wie Sechspunktg urte, Integralhelme, Thermo bekleidung und Fangzäune gingen entscheidend auf Stewarts Beharrlichkeit zurück. Was ihm nicht jeder dankte: Bei den MotorsportMagazinen häuften sich die Briefe von Formel-1-Fans, denen ihr Sport zu „lauschig" geworden war. Selbst Fahrerkollegen äußerten Kritik. Innes Ireland – der erste Schotte, der 1961 ein Grand-Prix-Rennen gewann – nannte Stewart gar öffentlich einen Feigling. Der jedoch ließ sich nicht beirren. Und blieb erfolgreich: Am Ende der Saison 1971 stand der auf Tyrrell-Ford souverän herausgefahrene zweite Weltmeistertitel, dem 1973 der dritte Triumph folgte. Letztlich ein bitterer Erfolg: Auf das Saisonfinale in Watkins Glen verzichtete der in der Wertung bereits uneinholbar vorn liegende Champion, weil am Tag zuvor Teamgefährte
Jackie Stewart 1974 mit dem späteren Weltmeister Niki Lauda
Witz anmutenden Begleitumständen von Stewarts Rettung exemplarisch das Jahr 1968. Zwischen April und Juli ließen gleich vier Piloten ihr Leben auf der Piste: der große Jim Clark, Mike Spence, Ludovico Scarfiotti und Jo Schlesser. Letzterer verbrannte vor Stewarts Augen, als sein sicherheitstechnisch nicht ausgereifter Honda RA302 beim Großen Preis von Frankreich in Rouen gegen eine Mauer prallte und Feuer fing. Noch beugte sich Stewart den mehr als fahrlässigen Regeln, die andere bestimmten. So trat er am 4. Juli 1968 auf dem Nürburgring zum Großen Preis von Deutschland an, obwohl dieser seiner Einschätzung nach „niemals hätte stattfinden dürfen". Es regnete wie aus Kübeln, bei dichtem Nebel herrschten Sichtweiten von teils weniger als 50 Metern. Trotzdem kamen 14 der 21 gestarteten Fahrer ins Ziel – als erster Stewart mit einem Vorsprung von über vier Minuten. Den vielleicht größten Sieg seiner Karriere führte er später auch auf seine erst im Erwachsenenalter diagnostizierte Legasthenie zurück. Sie habe es ihm ermöglicht, sich quasi im Blindflug jeden Schalt- und Bremspunkt auf der Rennstrecke zu merken: „Statt Worten haben sich bei mir Erfahrungswerte ins Gedächtnis gebrannt." Einen ersten Höhepunkt erreichte die Popularität des „fliegenden Schotten", als er 1969 überlegen die FahrerWeltmeisterschaft gewann. Sofort nutzte Stewart seinen gestiegenen Einfluss, um in puncto Sicherheit den Druck noch einmal zu erhöhen. Als die Betreiber des Nürburgrings sich im Frühjahr 1970 kategorisch weigerten, von der Fahrervereinigung GPDA angemahnte bauliche Veränderungen umzusetzen, organisierte er nach den tödlichen Unfällen von Bruce McLaren (2. Juni) und Piers Courage (21. Juni) erfolgreich einen Rennboykott. Der Große Preis von Deutschland fand am 2. August auf dem Hockenheim-Ring statt. Nur fünf Wochen später raste WM-Favorit Jochen Rindt – wie Jim Clark ein enger GoodTimes
François Cevert im Training tödlich verunglückt war. Es wäre Stewarts 100. WM-Rennen gewesen, bei insgesamt 24 Todesfällen seit seinem Debüt Anfang 1965. Aus Rücksicht auf Ehefrau Helen und die 1965 und 1968 geborenen Söhne Paul und Mark stand da Stewarts Entschluss zum Rücktritt schon monatelang fest. Er verkündete ihn am 13. Oktober 1973 in London. Dem Formel-1-Zirkus blieb Stewart danach aber treu: Bis Mitte der 90er Jahre trat der seit 1969 überwiegend in der Schweiz residierende „Beatle am Lenkrad" („Die Zeit") regelmäßig als TV-Kommentator auf, anfangs noch immer mit langen Koteletten, Sonnenbrille und seiner zum Markenzeichen gewordenen dunklen Schirmmütze. So ist er auch im 1979 gedrehten Video zu George Harrisons Single "Faster" zu sehen. Den Rennsport-begeisterten Ex-Beatle und Stewart verband bis zu Harrisons Tod 2001 ebenfalls eine enge Freundschaft. Zusammen mit Sohn Paul rief Stewart 1996 ein eigenes Grand-Prix-Team ins Leben, das vier Jahre später von Ford übernommen wurde. Ob er dafür, wie von der „Auto-Zeitung" kolportiert, wirklich 123 Millionen Pfund kassierte, sei einmal dahingestellt. Nötig hatte der heute 80-Jährige, den Queen Elizabeth 2001 zum Ritter schlug, diese Finanzspritze kaum: Schon in seiner aktiven Zeit war Sir Jackie Großverdiener und schloss langfristige Werbeverträge mit Nobelfirmen wie Rolex oder Moët & Chandon. Das Kämpfen freilich hat Stewart auch im Alter nicht verlernt. Als Ehefrau Helen vor einigen Jahren an Demenz erkrankte, gründete er die Organisation Race Against Dementia. Ihr widmet er seither seine ganze Energie: „Das ist meine größte Schlacht. Wir müssen diese Krankheit besiegen, auch wenn ich es selbst nicht mehr erlebe." Egon Wachtendorf 2/2020
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Pillbox-Hüte der 60er Jahre
Runde Schachteln auf dem Kopf? Bei der Überlegung, wozu ein Hut eigentlich gut ist, denkt ja niemand an Aufbewahrung. Wozu sollte also ein Hut die Form einer Dose haben? Aber es gab sie, und es gibt sie immer mal wieder: runde oder scheinbar runde, ovale, Gebilde, die den Kopf gerade nach oben verlängern, um dann in einer Platte zu enden. Der Pillbox-, also tatsächlich Pillendosen-förmige Hut war besonders zu Beginn der 1960er Jahre beliebt und wurde vor allem zu den zweiteiligen Damenkostümen in „Kastenform“ getragen, die damals en vogue waren. So betrachtet, konnte die Bekleidung einer Puppe eigentlich aus Schachteln gebaut werden.
oder leichten Stoffen. Die Generation derer, die Anfang der 1960er Jahre jung waren, setzte sich mit ihren ausgesprochen schlichten Hutformen von den skurrilen Gebilden der 1940er und 1950er Jahre ab, in
Hut geschicht e
Hüte hatten über die Jahrhunderte die verschiedensten und verrücktesten Formen. Wagenrad-große, in schwindelnde Höhen ragende und ausgesprochen üppig geschmückte Formen hatten die Köpfe geziert, es gab Dreispitze und Zylinder, Schutenhüte mit bunten Bändern, Federbusch- und Strohhüte. Im 20. Jahrhundert setzte sich für kühlere Jahreszeiten der eher schlichte Hut aus Wollfilz in verschiedenen Formen durch, denn er hielt warm und schützte den Kopf vor Regen, Schnee und sogar herunterfallenden Tannenzapfen. Für den Sommer gab es immer noch Kreationen aus Stroh oder anderem Gef lecht, auch aus Seide Seite
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denen unter anderem der konisch zulaufende sogenannte Vulkanhut die Damenfrisuren gekrönt hatte. In den 1950er Jahren waren an den Seiten aufgerollte, Pfannkuchen-ähnliche Objekte mit Dekor aller Art in die Löckchen gesteckt worden, die dem heutigen, vollkommen
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funktionslosen und rein dekorativen Fascinator schon sehr nahe kamen. Sie saßen kokett schräg über dem Ohr und vervollkommneten den Auftritt, indem sie farbgemäß an die Garderobe anschlossen, vor allem aber weiteren Schmuck boten. Künstliche Blumen, zarte Federn oder schillernde Gablonzer Glassteine waren daran befestigt oder bedeckten die gesamte Oberfläche. Sich von all diesem Zierrat abzusetzen, war das Hauptkonzept der Mode in den 1960er Jahren.
Abb. Archiv www.kabinettstueckchen.de
Form und Fig ur
Nachdem die Damen und Herren zur Wirtschaftswunderzeit die Geschlechterdifferenz extrem nach außen gezeigt hatten, indem breitschultrige Herrenkleidung von Damenmode im taillenbetonten, extrem femininen „New Look" konterkariert wurde, näherten sich die Geschlechter jetzt einander immer mehr an. Schwarz-weiße Pepita-Muster sowie unifarbene Kostüme und Anzüge ebneten die Bürogarderobe auf der Geschlechterebene ein, Frauen mussten nicht mehr den fehlenden Schmuck ihrer Männer tragen oder gar bilden. Mit der zunehmenden Gleichberechtigung ging offenbar einher, dass Frauen jetzt auch physisch als gleich groß wahrgenommen werden durften: Die relativ hohen Hüte trugen optisch zu diesem Eindruck bei. Eine Pillbox machte jedenfalls die Frau nicht zu einem dekorierten Objekt, sondern bot im Gegenteil sogar die Möglichkeit, dem Traumberuf Stewardess ein Uniformelement zu geben, das das Berufsbild noch lange prägen sollte. Jeder andere Hut als ein krempenloses Gebilde (im Fachjargon „Toque" genannt) wäre ja beim Kabinenpersonal im beengten Luftraum der Flugzeuge total hinderlich gewesen. Aber die Pillbox verlängerte den Anblick der aus der Froschperspektive des Fluggastes ohnehin großen „Kellnerin der Lüfte" noch weiter in schwindelnde Höhen und bildete so ihr zwar schmuckloses, aber sehr kleidsames Krönchen, ohne ihre Berufstätigkeit zu beeinträchtigen. Verschiedene Prominente machten die Pillbox in der internationalen High Society bekannt, allen voran Jacqueline Kennedy (-Onassis), zunächst als amerikanische First Lady, später als extrem reiche Reedersgattin „Jackie O." eine gefeierte Mode-Ikone. Aber auch Doris Day, Amerikas blondes Leinwand-Sweetheart der 1960er, ließ sich mit antoupierten Haaren und Pillbox sehen. Und Audrey Hepburn, über deren Hüte es ein ganzes Buch gibt, trug selbstverständlich ebenfalls Pillbox. Aber sie hätte wahrscheinlich alles auf den Kopf setzen können, vom Nudelsieb bis zum Pappkarton, und wäre damit angehimmelt worden. In „Charade", der starbesetzten Krimikomödie von 1963, in der sie an Cary Grants Seite eine reiche junge Witwe spielt, trägt die zierliche Schauspielerin einen recht weiten, hellen Mantel mit der passenden Pillbox, ein rotes oder ein dunkelblaues Kleid mit weißen Handschuhen und ebenso weißer Pillbox, jedenfalls eine ausgesprochen schmucklose GoodTimes
Garderobe in klaren Farben, und die Zeitgenossinnen wollten es ihr gleichtun. Im Benimmbuch „Der gute Ton in allen Lebenslagen" hieß es: „Die Kleidungsstücke müssen stets sauber und gepflegt wirken, und alle Kleinigkeiten wie Schuhe, Hut und Handtasche müssen in Schnitt und Farbe zum Anzug passen." Die Pillbox war demnach eine „Kleinigkeit", die auf die taillenlose Grundgarderobe abgestimmt werden sollte. Diese schlichte, krempenlose Hutform reichte allerdings nicht allen Modebegeisterten, und so gab es darüber hinaus Varianten in allen Farben, aus Fell, Plüsch, Federn oder mit buntem Dekor. Manche gar waren aus versteiften Organzabändern halb
durchsichtig genäht, so dass sie eine Badehauben-ähnliche, nachgiebige Form hatten. In Weiß ergänzten sie sogar Brautkleider. Wer mal eine aufprobiert hat, weiß, dass die Haltung sich mit einer Pillbox auf dem Haupt zwangsläufig ändert: Ganz automatisch kommen die Schultern zurück, geht die Brust raus, und die Nase weist geradeaus. Sonst fällt das Objekt höchstwahrscheinlich herunter. Es sei denn, es ist so auf den Oberkopf oder den toupierten Knoten auf dem Hinterkopf gestülpt, dass es ohne Peinlichkeit nicht öffentlich abnehmbar ist, weil es deutliche Druckspuren in der (damals meis tens stark mit Haarspray besprühten) Frisur hinterlassen hat. Wenn also in den 1960er Jahren ein Pillbox-Hut getragen wurde, war oft ein möglichst dezenter Gummifaden im Hutband angebracht, der ihn sichern sollte. Wenn er aber doch herunterfiel, konnte er sogar wegkullern! Nur Pillen waren keine darin. Kathrin Bonacker
Literatur
Irmgard Wolter-Rosendorf: Der gute Ton in allen Lebenslagen Ein Knigge von heute. Falken-Verlag o.J., (etwa 1962) Rose Q. Jamieson/Joanne E. Deardorff: High Fashion Hats 1950–1980 Schiffer Publishing, 2006 2/2020
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LUDWIG II.
Königlicher Kult
Es sind überlieferte Zitate wie diese, welche aus dem einstigen bayerischen Regenten Ludwig II. eine Kult-Figur werden ließen, einen wahrhaftigen Märchenkönig", wie er von Anhängern wie Spöttern gleichermaßen bis heute " genannt wird. Schön wär’s um diese Welt bestellt, wenn alle Herzen dieser Welt sich an die Kunst verlören." Oder: " Ich will Bayern zu einem Tempel der Künste machen. Es sollen die Musik und die Architektur sein, die das Herz " meines Volkes höher schlagen lassen!" Und auch: Ich will den Frieden. Nicht den Krieg." "
Von Michael Fuchs-Gamböck
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Österreich-Ungarn den Satz: „Stets hat mich mein Vater von oben herab behandelt, höchstens im Vorbeigehen einiger gnädiger Worte gewürdigt." Der Erzeuger, seit 1848 König von Bayern, verstarb dann vollkommen unerwartet nach kurzer Krankheit am 10. März 1864. Ludwig II. war der Thronfolger, als ältester Sohn. Am 11. März leistete der Teenager um zehn Uhr vormittags seinen Eid auf die bayerische Verfassung. Bei den Trauerfeiern für den Vater drei Tage später sah man den neuen Regenten, ein Hüne von für die damalige Zeit stattlichen 193 Zentimetern Körpergröße, erstmalig in der Öffentlichkeit. Ludwig fühlte sich von der gewichtigen neuen Rolle maßlos überfordert. Dennoch bescheinigen ihm Dokumente von verschiedenen Zeugen jener Zeit, dass er seine Aufgaben gewissenhaft erfüllte. Immerhin gab es verschiedene Kriegsschauplätze, Pakte wurden geschlossen und schon mal für vermeintlich bessere Optionen wieder aufgelöst. Diplomatie war für Regenten das Gebot der Stunde. Und mittendrin Ludwig II.: ein Feingeist, ein mehr und mehr zum Pazifismus Neigender, ein Ästhet durch und durch, ein Utopist. Wie
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enn jemand das Attribut „lebende Legende" verdient, dann ist es garantiert dieser dem Haus Wittelsbach entstammende Monarch, der bereits 18-jährig die schwere Bürde auf sich nahm, Herrscher von Bayern zu sein. Ludwig II. wird dann eine für die süddeutsche Region einzigartige Regentschaft innehaben. Und später auf der ganzen Welt der Inbegriff für Romantik und Ästhetik einerseits, für Zerrissenheit und Weltferne andererseits sein. Ludwig II. Otto Friedrich Wilhelm von Wittelsbach wurde auf Schloss Nymphenburg geboren. Ein prachtvoller Palast aus dem 17. Jahrhundert, der bis heute in München zu bestaunen und besuchen ist. Ludwig war der erste Sohn von Kronprinz Maximilian und Kronprinzessin Marie, er öffnete die Augen nachts um halb eins am 25. August 1845, könnte also diesen Sommer seinen 175. Geburtstag begehen. Er war laut der Überlieferung ein aufgewecktes Kind, die Beziehung zur Mutter war eng, trotz der permanenten Anwesenheit von Gouvernanten, später Erziehern und Hauslehrern. Mit dem Vater hingegen kam es nie zu einer emotionalen Annäherung. Noch als 30-Jähriger schrieb Ludwig an den Kronprinzen Rudolf von
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schwärmt der Regisseur des aktuell aufgeführten Musicals „Ludwig2", Benjamin Sahler: „Der Mann war ein wundervoller, zutiefst romantischer Monarch. Aber er regierte absolut in der falschen Zeit, in der für royale Romantik kein Platz war." Mit Beginn der Regentschaft begann für den Wittelsbacher ein Leben zwischen „himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt". Drama allerorten, bei einem Menschen, der mit seinem Dasein ganz offensichtlich nie im Reinen war. Und die Distanz zu einer Welt, die er immer weniger verstand und immer mehr mied, sowie die Distanz zum eigenen Selbst nahmen immer mehr zu. Tatsächlich ist sein legendenumranktes Leben voller Rätsel und Widersprüche, gleichzeitig voller Poesie und Fantasie. Ein Hauch von Morbidität darf gleichfalls nicht fehlen, um das Bild seines Ausnahmecharakters abzurunden. Schon das Ende seines Lebens, Ludwig II. war gerade mal 40 Jahre jung, mutet bizarr an. Am 8. Juni 1886 wurde er durch die Regierung unter Johann von Lutz, einem glühenden Verfechter der Trennung von Kirche und Staat, durch ärztliche Gutachten für „seelengestört" und „unheilbar" erklärt. Die Entmündigung folgte. Ludwig II. ließ die Strippenzieher daraufhin verhaften. Mit der Folge, dass die Entmündigungs-Kommission, ohne Wissen des Regenten, nach einigen Stunden der Gefangenschaft wieder in Freiheit entlassen wurde, um unverrichteter Dinge nach München zurückzukehren. Von da an wird es unübersichtlich im Leben des bayerischen „Kini". Seine letzten Stunden auf dieser Welt dienen bis heute der Legendenbildung. Ludwigs Onkel Luitpold übernahm am 10. Juni in seiner Funktion als Prinzregent die bayerischen Regierungsgeschäfte. Der eigentliche Regent muss über dieses Vorgehen zutiefst enttäuscht gewesen sein. Oder wie sonst ist die Proklamation zu erklären, die nur einen Tag spä-
Doktorarbeit wie folgt: „König Ludwig, der sehr wahrscheinlich das Schloss bereits in suizidaler Absicht verlassen hatte, überrascht Gudden völlig, als er zum 15 Meter entfernten Seeufer eilt. Es kommt zur entscheidenden körperlichen Auseinandersetzung mit Gudden, in deren Verlauf der König Gudden erheblich an Stirn und Gesicht verletzt, ihm einen kräftigen Faustschlag gegen den Kopf und auf den Zylinderhut versetzt, um Guddens Versuche, ihn vom Suizid abzuhalten, zu unterbinden. Hierbei wurde Gudden vermutlich gewürgt und untergetaucht, wobei er bewusstlos wurde und ertrank. Den Toten noch eine kleine Strecke mitschleifend, strebte der König dem offenen Wasser zu und vollzog Suizid durch Ertrinken." So weit die Interpretation eines Hinterbliebenen. „Kini"-Anhänger bezweifeln diese Auslegung bis heute. Denn der Leichnam wurde bereits am 14. Juni ausgesegnet, am Tag darauf pathologisch im kleinen Kreis untersucht, die Ergebnisse der Autopsie aber wurden nur teilweise der Öffentlichkeit bekannt gemacht. Im Anschluss hat man sofort die Einbalsamierung vorgenommen. Ein Schelm, wer dabei nicht an Verschwörungstheorien denkt. Doch was bleibt sonst noch von der Vita des „Kini", außer diesem bis dato undurchdringlichen Ableben? Eine Menge, denn Ludwig II. war zuallererst ein Visionär, ein Schöngeist, ein talentierter Bauherr, ein politischer Querdenker, ein genialer Fantast. Und ein Herrscher, der mit Geld nicht umzugehen wusste. Wer sonst hätte monumentale Bauwerke, für viel zu hohe Kosten, wie die Schlösser Neuschwanstein, Herrenchiemsee oder Linderhof bauen lassen, vom Volk finanziert? Wer die Opern des gigantomanischen Komponisten Richard Wagner mit grimmiger Vehemenz gegen den Widerstand seiner Vasallen unterstützt? Wer die erste Pariser Weltausstellung 1867, bei der Erfinder aus 32 Ländern zugegen waren, durch seinen Besuch aufgewertet?
ter in der „Bamberger Zeitung" zu lesen war (und von der Historiker inzwischen meinen, dass es sich dabei um eine Fälschung, modern: „Fake News", handelt)? „Prinz Luitpold beabsichtigt, sich ohne meinen Willen zum Regenten meines Landes zu erheben, und mein bisheriges Ministerium hat durch unwahre Angaben über meinen Gesundheitszustand mein geliebtes Volk getäuscht und bereitet hochverräterische Handlungen vor. Ich fordere jeden treuen Bayern auf, sich um meine treuen Anhänger zu scharen und an der Vereitelung des geplanten Verrates an König und Vaterland mitzuhelfen." Das war es schon an öffentlichen Reaktionen des Königs. Ludwig II. schien in Schockstarre verfallen zu sein. Dafür reagierte die Gegenseite: Am 11. Juni 1886 gegen Mitternacht kam eine neue Kommission nach Neuschwanstein, wo der Regent sich mittlerweile aufhielt. Sie nahm den König in Gewahrsam, brachte ihn nach Schloss Berg am Ufer des damals noch Würmsee genannten heutigen Starnberger Sees. Dort eskalierte die Situation endgültig: Ludwig machte sich am 13. Juni mit dem dubiosen Psychiater Bernhard von Gudden, der ihm Geisteskrankheit unterstellt hatte, auf den Weg zu einem Abendspaziergang an den See. Was dort passiert sein könnte, schildert der Ururenkel des LudwigPsychiaters, Wolfgang Gudden, selbst anerkannter Neurologe, in seiner
Dass dieses Mysterium die Menschen bis heute weltweit in den Bann zieht, beweist der große Erfolg des Musicals „Ludwig2", das – sofern Corona es zulässt – ab dem 22. April und noch bis Ende 2020 im herrlichen Ludwigs-Festspielhaus zu Füssen aufgeführt wird. Das Bauwerk spiegelt sich im glasklaren Wasser des Forggensees. Sofern die Wetterverhältnisse stimmen, kann man von dort aus Schloss Neuschwanstein bestaunen, die weiße Gralsburg thront majestätisch über einer archaischen Landschaft. Das Musical, der Aufführungsort? Dem „Kini" hätte das alles garantiert gefallen, ihn vermutlich gar berauscht. Inszeniert wird auf einer der modernsten Bühnen samt modernster Bühnentechnik in ganz Europa. Satte 28 Meter Durchmesser besitzt sie, ist drehbar, im vorderen Teil befindet sich ein „Pool", der stellvertretend zu sehen ist für den Ort des Abgangs, also für den See, in dem sein Leben endete. Traum und Wirklichkeit verschmelzen. „Mir gefällt diese Flucht in die Fantasie bei diesem Musical", meint Regisseur Benjamin Sahler verzückt. „Wir inszenieren hier Traumwelten, mal ekstatisch, mal schmerzvoll. Das komplette Szenario ist eine Art Kreuzweg, der leichtfertig beginnt und dramatisch endet." In diesen Zusammenhang passen die Worte des Monarchen: „Jede Berührung mit der Welt verletzt mich." Und gleichfalls: „Was die Welt einzig und allein erträglich macht, ist, sie in einem Traum zu sehen."
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Von Markus Nöth
Ein Schnellrestaurant erobert die Welt
Die Erfindung des Schnellrestaurants vor über 80 Jahren veränderte die Welt. Das Unternehmen des „schnellen Hamburgers“, dessen Erfinder es vom Tellerwäscher zum Millionär schafften, steht heute auf Platz 241 der weltgrößten Unternehmer. Und dabei fing alles ganz klein und beschaulich mit einer BBQ-Bar in San Bernardino und einem 15 Cent Burger an. McDonald's – wir lieben ihn!
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te auch die Einführung der ersten McDonald'sFiliale in Deutschland. Reinfahren ins Restau rant ohne auszusteigen? Kein Problem. Ab 1975 kamen die sehr beliebten McDrive Restaurants hinzu, 1983 auch in
ls die Brüder Richard und Maurice McDonald 1940 ihre erste McDonald's Bar-B-Q in Kalifornien eröffneten, ahnten sie wohl noch nicht, welche Bedeutung ihr „Schnell-Restaurant" einmal haben würde. Die beiden entwickelten mit ihrem „SpeedeeSystem" eine für damalige Verhältnisse sehr innovative und ratioDeutschland. Ende der 1990er Jahre war nelle Art der Hamburger-Zubereitung. Und auch die Bedienung McDonald's dann bereits in über 120 Ländern der Kunden wurde abgeschafft – Selbstbedienung war angesagt. mit seinen Filialen vertreten. Doch das erlebte Ray Kroc nicht mehr. Er galt bis zu seinem Tod 1984 als herausragender Geschäftsmann und Als Markenzeichen dienten die „Golden Arches", zu Deutsch „die goldenen Bögen". Das Konzept sprach sich schnell herum, und es wurden wurde vom „Time Magazine" in die Liste der „100 einflussreichsten ab den 1950er Jahren erste Franchisenehmer für die Restaurant-Idee Personen des 20. Jahrhunderts" aufgenommen. In knapp 30 Jahren eröffnete er über 7.500 McDonald's-Filialen und häufte gesucht und gefunden. Einer davon war dabei ein Milliarden-Vermögen an. Nur zwei Jahre nach der Milchshake-Mixerseinem Tod erstellte ein Wirtschaftsmagazin den „Big-MacVerkäufer Ray Kroc Index", der bis heute (1902–1984). Er sollals ein Instrument te sich als Glücksgriff des internationalen erweisen. Denn Kroc war Preisvergleichs gilt. dermaßen von der Idee Ray Kroc hätte sich beeindruckt, dass er geehrt gefühlt. Richard ... und Maurice McDonald fortan auch seinen komMcDonald's und seine landepletten Freundes- und Bekanntenkreis für weitere Schnellrestaurants erfolgreich rekrutierte. Auch fädelte er geschickt Kooperationen mit stypischen Speisekarten: Als den damals noch jungen Unternehmen Disneyland und Coca-Cola 1968 der Franchisenehmer ein. Die Expansion begann, und es dauerte nicht lange, bis Kroc 1961 Jim Delligatti den Big Mac die beiden McDonald-Brüder Richard und Maurice für 2,7 Millionen in seiner Filiale erfand, war US-Dollar die Rechte an der Marke abkaufte. Fortan war er der eindies erst der Anfang von zige Chef und konnte schalten und walten, wie er wollte. Und das innovativen und später auch tat er auch. landestypischen Kreationen auf der Speisekarte. In Israel 1967 folgten die ersten Filialen in Kanada und Puerto Rico, 1971 beispielsweise werden die Ein stolzer Ray Kroc vor einem machte dann Amsterdam den Anfang in Europa. Im selben Jahr folgstrengen Koscher-Regeln seiner über 7.500 McDonalds-Filialen Seite
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beachtet, die Filialen bleiben daher am Sabbat geschlossen. Für katholisch geprägte Länder wurde 1963 eigens der Fish Mac eingeführt. Im hinduistisch geprägten Indien wurde das Rindfleisch aus den Burgern gestrichen, dafür extra der „McMaharadscha" mit Lammfleisch eingeführt. Und in Marokko gibt es im Fastenmonat Ramadan ein landestypisches Menü mit Datteln und Harira. Ab den 1990er Jahren kamen dann nahezu weltweit stark erweiterte Speisekarten mit McCafé (1993), Frühstücksvarianten (1994) und „Balanced Lifestyle mit Salads plus" (2004) hinzu. McDonald's und sein Maskottchen „Ronald": Der in den 1960er Jahren erfundene Clown mit dem großen rot aufgemalten Lächeln ist das zweiterfolgreichste Werbesymbol des 20. Jahrhunderts (gleich nach dem „Marlboro Man") und hat mittlerweile weltweit den gleichen Bekanntheitsgrad wie der Weihnachtsmann. Er dient jedoch nicht nur der allgemeinen Belustigung der Kinder, sondern ist auch der Namenspatron für karitative Einrichtungen für Eltern schwerkranker Kinder („Ronald McDonald Häuser") in über 48 Länder. Und auch seine Werbekampagnen gestaltet McDonald's gerne in Anlehnung an bestimmte Länder und deren regionsspezifischen Redewendungen. Das Ganze dann in einer „doppeldeutigen" und somit einprägsamen Sprache. „Für echte Mampfiosi" (Italien), „Oans, zwoa sparen" (Bayern) oder „Deutschland braucht Eier" sind nur einige wenige Beispiele für provokante Sprüche, die polarisieren. Aber auch sonst wird kein Klischee ausgelassen. Die Slogans „Küssen macht schwanger", „Weil wir nicht fragen, wo Du herkommst, sondern was Du essen willst" oder „Damit Mama und Papa nicht kochen müssen" erregen nicht nur die Aufmerksamkeit der Zielgruppe, sondern rufen auch regelmäßig die Sittenwächter auf den Plan. Auf jeden Fall eine Möglichkeit, stets in aller Munde zu sein. 2003 läutete dann der Claim „Ich liebe es" eine neue und erfolgreiche Marketing-Ära ein. Um sein Ansehen und Image war und ist McDonald's stets bemüht. Und doch gelingt es nicht immer. Denn während es bis heute in Europa als billiges und ungesundes Essen angesehen wird, wird die Marke in der Volksrepublik China hingegen als Statussymbol verehrt.
te eine Fülle von Gewinnspielen. Das bekannteste davon dürfte das Monopoly-Spiel sein. Seit 1987 heißt es, einfach den Sticker auf jeder Verpackung abziehen und auf spannende Gewinne hoffen. Vom Burger für einen Euro bis zu Sach- und Geldpreisen im Wert von bis zu einer Million ist alles dabei. Ein gewisser Jerry Jacobson heimste damit in den 1980er Jahren sogar gleich 24 Millionen Dollar ein. Jedoch ohne auf Fortuna zu setzen. Der ehemalige Polizist nahm einfach einen Job in einem für die Gutscheine spezialisierten Druckunternehmen an und bediente sich selbst an den Ausdrucken. Erst 2000 begann die Masche aufzufliegen, nachdem das FBI einen anonymen Hinweis bekommen hatte. Nach einer Auswertung von über 20.000 Telefonaten kam schließlich ein Komplott von über 50 beteiligten Personen heraus, die im Zusammenhang mit der Monopoly-Intrige von Jacobson standen. Ein weiteres unvergessenes Gewinnspiel gab es 1996. Der Hauptpreis war ein VW Polo. Aber nicht irgendeiner, sondern ein 4-farbiges Sondermodell „Harlekin". Man erhielt beim Bezahlen ein paar Losabschnitte aufs Tablett gelegt, von denen es insgesamt sechs Stück gab. Hatte man sich die sechs richtigen Losabschnitte „zusammengegessen", entschied eine Art Lotterieauswahl über die 500 glücklichen Gewinner des auffälligen Polos. Viele der Gewinner verkauften ihn jedoch danach gleich wieder weiter, zu bunt war das Auto, von dem zudem jeder wusste, wo man es gewonnen hatte. Und hatte man nichts gewonnen, gab es ja auch immer noch die Burger-Gutscheine, mit denen sich stets jeder als „Gewinner" fühlen durfte. Heute verfolgen uns die Gutscheine sowohl online als Werbebanner oder App aber auch in der Tagespresse zum Ausdrucken. Und 50 % Ersparnis oder zwei Happy Meals zum Preis von einem sind schließlich eine Ansage. Zu einer gewissen Berühmtheit kam auch das Skandalbuch „Ganz unten" von Günter Wallraff 1985. Der Enthüllungsschriftsteller hatte sich als türkischer Mitarbeiter Ali Levent in McDonald’s-Restaurants in Nordrhein-Westfalen eingeschlichen und schlechte Arbeitsbedingungen, Unterbezahlungen und vor allem Verstöße gegen die Hygienevorschriften aufgedeckt. Die Empörungswellen danach waren hoch, führten aber auch zu zahlreichen Verbesserungen im McDonald's-System. Heute ist McDonald's mit einem Umsatz von über 22 Milliarden US-Dollar und einem Gewinn von 5,4 Milliarden (Stand 2018) nach wie vor die umsatzstärkste Fast-Food-Marke der Welt. In rund 37.000 Filialen arbeiten 1,8 Millionen Menschen, verteilt auf über 120 Länder. 50% der Einwohner in den USA wohnen heute keine drei Autominuten vom nächsten McDonald's entfernt. In Deutschland sind es durchschnittlich 16 km bis zum nächsten Restaurant.
Um die wohl wichtigste Zielgruppe, die Kinder, zu ködern, begann man sehr früh damit, kreativ zu werden. Neben den Spielplätzen vor den Filialen gab es zu jeder „Happy Meal"Bestellung ein Spielzeug in der Tüte („Junior-Tüte"). Den Beginn machten 1979 die Spielfiguren des Arcade-Klassikers „Space Invaders". Es folgGoodTimes
Und was bringt die Zukunft? 2017 startete McDonald's Deutschland auf Kundenwunsch hin einen eigenen Lieferdienst in 20 Städten. McDonald's, 80 Jahre alt und bis heute Kult geblieben bei Jung und Alt. 2/2020
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