FerienstraĂ&#x;en
Baden-Württemberg Einladung zu einer Schlösserreise Liebe Leserinnen und Leser, was wäre das Urlaubsland Baden-Württemberg ohne seine Schlösser, Klöster, Burgen und Gärten? Unzweifelhaft machen sie einen wesentlichen Teil seiner besonderen Erlebnisqualität aus. Kaum ein Bundesland besitzt so viele schöne historische Anlagen, die immer wieder zu neuen Entdeckungen einladen, die Zeitzeugen einer bewegten Geschichte und zugleich auch Vermittler von spannenden regionalen Identitäten sind. Der deutsche Südwesten war im Alten Reich immer ein kaisernaher Raum. Die stabilisierende Kraft der Reichsverfassung erhielt vor 1803 eine Vielzahl auch kleinster weltlicher und geistiger Herrschaftsgebiete, die über die Jahrhunderte den individuellen Charakter der einzelnen Regionen entwickelten und bewahrten. Deren Herrschaftssitze und Klöster sind Landmarken dieser Vergangenheit und zugleich Ausgangspunkte für heutige touristische Entdeckungsreisen. Die Straße der Residenzschlösser weist den Weg zu den schönsten historischen Besuchermonumenten entlang landschaftlich bezaubernder Routen. Sie verzichtet dabei oft auf die schnellste Verbindung zwischen Ausgangspunkt und Ziel, zugunsten eindrucksvoller Entdeckungen abseits der großen Routen. Immer wieder bietet sie Abstecher zu versteckten Schönheiten. Nicht nur die Schlösser selbst, auch der Weg dorthin wird so Teil des Erlebnisses. Möglich wurde die Straße der Residenzschlösser durch zwei besondere Umstände. Zum einen durch den Zusammenschluss der privaten, kommunalen und staatlichen Besitzer und Betreiber bedeutender
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Kulturmonumente zum Verein Schlösser, Burgen, Gärten Baden-Württemberg e. V. und zum anderen durch einen engagierten Verlag, der die Lust, Menschen für das kulturelle Erbe zu begeistern, mit uns teilt. Schlösser, Klöster, historische Gärten und Burgen zu erhalten, ist eine mitunter ernste, meist aber eine freudige Verantwortung. Immer mehr Menschen besuchen die Anlagen: aus kulturellem Interesse, aus Freude am Schönen und der besonderen Atmosphäre, als Gast bei den vielfältigen Veranstaltungsangeboten, als besonderen Ort für private Feste im kleinen und großen Rahmen. Das Bemühen um den Erhalt des reichen kulturellen Erbes und das wachsende kulturtouristische Interesse gehen zum Glück meist Hand in Hand, sie fördern und unterstützen einander. Die vielen für Gäste geöffneten Baudenkmäler im Südwesten Deutschlands bieten spannende, unverwechselbare Zugänge, sowohl für ein erstes Kennenlernen als auch für ein tiefes Eintauchen in die „Erlebniswelten“ zwischen Rhein, Main und Bodensee. Oft reichen die Bezüge dabei deutlich über das heutige Baden-Württemberg hinaus: Da sind die Residenzen des königsfähigen Geschlechts der rheinischen Wittelsbacher, das über Jahrhunderte die heutige Kurpfalz prägte und 1777 von Mannheim und Schwetzingen nach
Schloss Sigmaringen thront über der Donau
Appartement von Herzog Carl Eugen im Residenzschloss Ludwigsburg
München zog, um den ererbten bayerischen Thron mit zu übernehmen. Wir erleben die das Land prägenden württembergischen und badischen Dynastien, die ihren Herrschaftsanspruch in den großen Barockschlössern dokumentierten. Und wir finden es bei den stolzen Grafen- und Herrengeschlechter, wie den Hohenzollern, den Hohenlohe, Fürstenberg, Oettingen, Waldburg, Wertheim, Monfort, Gemmingen, Berlichingen – um nur einige zu nennen. In der Reichsgeschichte hinterließen sie weit über die Landesgrenzen hinaus deutliche Spuren. Nicht vergessen wollen wir die zahlreichen geistlichen Herrschaften mit den Burgen und Schlössern der Bischöfe, des Deutschen Ordens, den Klosteranlagen der Chorherren und Mönchsorden, deren zivilisatorische Leistungen bis zum heutigen Tag in Baden und Württemberg lebendig sind. Zudem sind unsere Schlösser, Gärten, Klöster und Burgen immer auch Orte mit besonderer Atmosphäre, Ziel und Höhepunkt einer Wanderung, Fahrradtour oder Autoreise mit unvergleichlichen Rundblicken und Landschaftseindrücken. Das Mittagessen in der Burgschenke, das gemütliche Abendessen innerhalb der Klostermauern oder das elegante Dîner im Schlossrestaurant prägen die Erinnerung an einen besonderen Urlaubstag. Erinnerungen, die immer wieder zurückführen auf die Gebäude und ihre Bewohner. Wer die großen Weine Badens und Württembergs genießt, denkt unweigerlich auch an die mittelalterlichen Klosteranlagen und deren Mönche, die die heutige Weinkultur begründeten und die vielen Spitzenlagen kultivierten. Wer einmal an einem Langenburger Wibele knabberte, wird sich immer auch gern des Schlosses und seiner Bewohner erinnern. Dass die schwä-
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bische Maultasche von den Zisterziensermönchen des Kloster Maulbronn erfunden wurde, mag eine gute Geschichte sein, zugleich verstärkt sie auch das Interesse für weitere regionale Spezialitäten sowie am UNESCOWeltkulturerbe Maulbronn und am Urlaubsland BadenWürttemberg insgesamt. Liebe Leserinnen und Leser, wir wünschen Ihnen im Namen der vielen Mitarbeitenden in den Schlössern, Gärten, Klöstern und Burgen entlang der verschiedenen Routen und Abstecher viel Freude auf Ihrer Reise. Genießen Sie die Straße der Residenzschlösser, freuen Sie sich auf spannende Besuchserlebnisse und neue anregende Entdeckungen. Unser Dank gilt all den vielen Partnern, die das Erscheinen dieses Reiseführers erst möglich gemacht haben.
Michael Hörrmann
Philipp Fürst zu Hohenlohe-Langenburg
Im Schlossgarten Weikersheim
Westroute Kurpfalz, Baden und Bodensee Auf mehr als 1.500 Kilometern führt die Straße der Residenzschlösser in nahezu jede Region Baden-Württembergs. Die folgende Westroute startet in Mannheim und verläuft auf 650 Kilometern, eine Abzweigung ins Breisgau unternehmend, bis zum Bodensee. Die Strecke von der Kurstadt Baden-Baden durch den Schwarzwald über die Hornisgrinde nach Freudenstadt und weiter über Schiltach bis nach Donaueschingen ist für Autoreisende landschaftlich und fahrerisch besonders attraktiv.
Die Fahrt über die Westroute der Residenzschlösser ist eine Reise in die Vergangenheit, in der kultur- und geschichtsinteressierte Touristen tief in die Historie vor allem der Kurpfalz und Badens hineingezogen werden. In Heidelberg lernen sie deutsche Romantik kennen. In Mannheim oder Karlsruhe bringen sie in Erfahrung, was es mit den Planstädten des Barock auf sich hat. Bruchsal lockt mit einem Schlosstreppenhaus des berühmten Baumeisters Balthasar Neumann. Und Schwetzingen nennt einen weitläufigen Schlossgarten sein Eigen, der die verschiedenen Stilrichtungen der Gartenbaukunst miteinander vereint. Wer noch weiter Richtung Süden fährt, kann in Rastatt ein nahezu vollständig erhaltenes Barockschloss erkunden – oder mit Schloss Favorite ein entzückendes und kaum bekanntes Lustschloss. In unweiter Entfernung befindet sich mit der Schlossruine von Baden-Baden ein beeindruckendes Beispiel für die Baukunst des Mittelalters. Nach der Durchquerung des Schwarzwalds beeindruckt in Donaueschingen die immer noch aktuelle Residenz einer namhaften Adelsfamilie. Mit Blick auf die Alpen folgt nun die Abfahrt in Richtung Bodensee, an dessen Südufer sich mit der Insel Mainau
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die vielleicht verlockendste botanische Attraktion Deutschlands befindet. Und als wäre das noch nicht genug, liegt auf den Steilhängen des Nordufers auch noch die mittelalterliche Stadt Meersburg mitsamt dem Neuen Schloss. Die meisten dieser kulturhistorischen Denkmäler werden heute professionell und mit großem Aufwand von den Staatlichen Schlössern und Gärten Baden-Württemberg unterhalten. Doch das sind noch nicht alle Attraktionen. Man denke etwa an die lebensfreudige Küche des Südwestens, hervorragende Weingüter, schöne Übernachtungsmöglichkeiten und das milde Klima. Nicht zuletzt deshalb eignet sich die Strecke vom Rheintal über den Schwarzwald bis an den Rand der Alpen auch für eine Reiseform, die gemeinhin eher mit Nordamerika in Verbindung gebracht wird: einen Roadtrip mit täglich wechselnden Domizilen und fast stündlich wechselnden Eindrücken. Vom Ende der Westroute ist es dann übrigens nur noch ein Katzensprung bis zum Beginn der Ostroute.
Mannheim
Karlsruhe Baden-Baden
Freiburg Donaueschingen
Meersburg
Mannheim Zur Vorlesung ins Schloss Das Barockschloss ist sowohl aus historischer Sicht als auch aus städtebaulicher Perspektive das prägende Gebäude Mannheims. Errichtet ab 1720 unter Kurfürst Carl III. Philipp von der Pfalz (1661–1742), fällt die Residenz zunächst durch ihre enormen Ausmaße auf: Die stadtseitige Schaufront besitzt eine Ausdehnung von nicht weniger als 440 Metern. In Kombination mit der umbauten Fläche von sechs Hektar und mehr als 500 Räumen darf sich Mannheim somit rühmen, eines der größten Barockschlösser Europas zu beherbergen. Bei dem zwischen Rheinufer und Innenstadt gelegenen Monumentalbau freilich handelt es sich um eine Rekonstruktion: Die ursprüngliche Residenz wurde während des Zweiten Weltkriegs bei Luftangriffen fast vollständig zerstört. Nur wenige Räume blieben weitgehend unbeschadet, darunter die Hofbibliothek. Bereits 1947 allerdings wurde mit dem Wiederaufbau
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begonnen. In der Folge hielten hier mit Finanzamt, Wirtschaftshochschule und Landgericht wichtige Institutionen Einzug. Heute wird der Bau überwiegend von der Universität genutzt, was dem ganzen Areal eine wohltuend vitale Aura verleiht. Seit 2007 indes lässt ein museumsartiger Trakt im Mittelbau der ehemaligen Residenz auch den Glanz der kurfürstlichen Ära wieder aufleben. Dabei wirkt die Dramaturgie des ursprünglichen Schlosses trotz der Mischnutzung auch heute noch: Zunächst umarmt der gepflasterte Ehrenhof mit seiner Fläche von 16.000 Quadratmetern den Besucher inmitten der Seitenflügel. Jenseits des Kassenhäuschens führt eine eher nüchtern gehaltene Flucht zum markanten Treppenhaus, an dessen Decke sich drei großflächige Fresken entfalten, die ihrerseits von opulenten Stuckarbeiten flankiert werden. Die filigranen Stuckbilder wurden 1728 von Paul Egell geschaffen. Gezeigt werden neben den vier Elementen – Feuer, Wasser, Erde, Luft – auch Allegorien von Morgen und Abend. Über der zum Balkon führenden Türe ist eine Allegorie der Fama, des Ruhms, zu sehen. Die Figur hält eine Kartusche mit den Initialen des Kurfürsten Carl Philipp in den Händen. Hinter den ab-
Imposante Schaufront: Schloss Mannheim gehört mit einer Ausdehnung von 440 Metern zu den größten Schlössern Deutschlands.
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Ein kunstvolles Deckenfresko ziert den Prunksaal der Residenz.
gebildeten Kriegstrophäen wie Trommel, Krummsäbel oder Turban verbirgt sich ein Verweis auf die erfolgreiche militärische Laufbahn des Kurfürsten. Einmal in der Beletage angekommen, trennt den Besucher nur noch eine Doppelflügel-Tür vom Rittersaal. Dieser war im Barockzeitalter Ausdruck des Machtanspruchs des Fürsten – ein architektonisches Statement, das sich auch Carl Philipp nicht nehmen ließ: Das Fresko, das sich standesgemäß über die gesamte Decke des Saals ausbreitet, zeigt eine Tafel, die für niemand Geringeres als die olympischen Götter eingedeckt ist. Von den fast zehn Meter hohen Decken hängen wuchtige Kandelaber. Die Wände des Rittersaals werden derweil von Bildnissen geschmückt, auf denen die Vorfahren von Kurfürst Carl Philipp zu sehen sind. Zu seinen ruhmvollen Ahnen zählte Ruprecht III. von der Pfalz, der seines Zeichens von 1400 bis 1410 als römisch-deutscher König regierte. Getreu dem Idealbild barocker Architektur markiert der Ritter- oder Prunksaal den Mittelpunkt eines jeden Schlosses. Dieser findet gemeinhin auch außerhalb der Gemäuer
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eine gebührende Fortsetzung: Just an dieser Stelle breitet sich üblicherweise der symmetrisch angelegte Schlosspark aus, der den Ausgangspunkt für eine meist noch wesentlich längere Prachtstraße bildet – einschließlich einer Sichtachse bis zu einem weiteren herrschaftlichen Gebäude oder einem anders gearteten Referenzpunkt. Zwar ist der Schlosspark in Mannheim nicht mehr erhalten, eine tiefergehende Auseinandersetzung mit der Stadtplanung aber ist gerade hier besonders interessant: Die etwa 300.000 Einwohner zählende Stadt am Zusammenfluss von Rhein und Neckar nämlich bemüht gegenwärtig den Slogan „Mannheim – Leben im Quadrat“. Und diesen verwendet sie nicht ohne Grund, denn Bewohner der City können in ihrem Briefkopf tatsächlich die Adresse „0 4“ oder „G 3“ führen. Grund für die ungewöhnliche Benennung ist die in Deutschland einmalige Aufteilung der Innenstadt in viereckige Straßenblöcke, die wiederum von einer Ringstraße eingefasst sind. Hierdurch ist auf der Landzunge zwischen Rhein und Neckar ab Für Genießer 1689 ein schachbrettartiges Rheinterrassen Muster entstanden, das von einer Rheinpromenade 15 hufeisenförmigen Begrenzung 68163 Mannheim eingerahmt wird. Tel. +49(0)621 83 35 017 Im Schloss selbst ziehen nun die www.rheinterrassen.info de Deckengemälde die Aufmerksamkeit auf sich. Die Originalfresken in Treppenhaus und Rittersaal stamÜber Nacht men von Cosmas Damian Asam. Sie wurden jedoch im Zweiten ★★★ Gasthaus zum Ochsen Weltkrieg zerstört. In Ermangelung Hauptstraße 70 exakter Vorlagen hat Carolus Vocke 68259 Mannheim 1956 mit Hilfe historischer Fotos Tel. +49(0)621 79 95 50 mit der Rekonstruktion begonnen. www.ochsen-mannheim.de Diese erhebt nicht den Anspruch, Mannheims ältestes Gasthaus. eine detailgenaue Kopie zu sein. Die kurfürstlichen Privatgemächer
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Nicht nur Kurfürst: Karl Theodor von der Pfalz gründete auch die Mannheimer Akademie der Wissenschaften.
werden heute als „Kaiserliches Quartier“ bezeichnet, weil der Wittelsbacher Karl Albrecht von Bayern 1742 hier genächtigt hatte, während er sich auf dem Weg nach Frankfurt befand, wo er zum Kaiser gekrönt wurde. Im selben Jahr starb der Mannheimer Kurfürst Carl Philipp, er wurde von seinem einzigen männlichen Verwandten beerbt: Carl Theodor von der Pfalz (1724–1799) war somit neuer Schlossherr. Das Kaiserliche Quartier besteht aus vier Prunksälen, zu deren größten Schätzen die Wandteppiche aus verschiedenen Epochen zählen. Sie wurden im frühen 19. Jahrhundert angekauft, als die Kurpfalz im Zuge der napoleonischen Neuordnung bereits aufgelöst und die rechtsrheinischen Gebiete an Baden gefallen waren. Carl Friedrich von Baden (1786–1818) sollte Schloss Mannheim fortan als Nebenresidenz nutzen – und den Prunkbau mit zahlreichen Wandteppichen ausstatten. Die Tapisserien im „Coursaal“ etwa stammen aus der Königlichen Gobelinmanufaktur in Paris. Sehenswert ist auch der Westflügel. Nach dem frühen Tod Carl Friedrichs lebte hier dessen Witwe Stéphanie de Beauharnais (1789–1860). Die Adoptivtochter Napoleons richtete ihre Gemächer nach dem Geschmack der Zeit ein: Ein gelber und ein blauer Salon werden von einem Musikzimmer ergänzt. Die größte Preziose von Schloss Mannheim indes befindet sich nicht in der Beletage, sondern im Erdgeschoss. Das opulent mit Stuckaturen, Schnitzereien und Malereien ausgestattete Bibliotheks- und Gartenkabinett gilt als herausragende Manifestation des Rokoko. Aus konservatorischen Gründen ist
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der Raum für Besucher allerdings nicht zugänglich. Ansonsten ist das Erdgeschoss der Dauerausstellung „Kunst und Kultur am Mannheimer Hof“ vorbehalten. Die Exponate stammen aus allen Phasen der wechselhaften Schlossgeschichte. Im Mittelpunkt stehen die Errungenschaften Carl Theodors, der sich noch im absolutistischen Zeitalter als aufgeklärter Geist für Kunst, Wissenschaft und Gewerbe eingesetzt hat. Zu seinen Gründungen zählt unter anderem die Porzellanmanufaktur Frankenthal. Einige Stücke aus dem „weißen Gold“ sind Bestandteil der Sammlung. Lobenswert ist die Tatsache, dass sich die Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg als heutige Hausherren über eines im Klaren sind: Sowohl die Vielzahl der Charaktere als auch die wechselnden Territorialansprüche der kurfürstlichen Epoche können für Laien verwirrend sein. Aus diesem Grunde befindet sich im Untergeschoss des Schlosses eine gut gemachte Zeitachse, die zudem einen Blick auf die Entstehungsgeschichte der Stadt Mannheim wirft. Bismarckstraße, 68161 Mannheim Tel. +49(0)62 21 65 88 80, Di–So 10–17 Uhr www.schloss-mannheim.de
Die Wandteppiche gehören zu den wertvollsten Besitztümern des Mannheimer Schlosses.
Schwetzingen Mythos, Minarette, Maulbeerbäume
Ein gewaltiges Kreisparterre ist der Mittelpunkt des Schwetzinger Schlossgartens.
Unweit von Mannheim und Heidelberg befindet sich mit Schwetzingen eine eher bescheidene Residenzstadt mit heute nur knapp über 20.000 Einwohnern. Bereits seit dem 14. Jahrhundert hat hier eine Wasserburg gestanden, die 1427 in den Besitz der pfälzischen Kurfürsten übergegangen ist. Unter Carl Philipp (1661–1742) und Carl Theodor (1724–1799) von der Pfalz wurde die mittelalterliche Liegenschaft im barocken Stil zur Sommerresidenz ausgebaut.
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Heute gibt sich Schloss Schwetzingen als großzügige Dreiflügelanlage, die einen stattlichen Ehrenhof, den „Cour d’honneur“, umfasst. Der viergeschossige Mittelbau wird seitlich von Türmen flankiert, an die sich mit einigem Abstand zwei Zirkelhäuser anschließen. Die Besonderheit des Schlosses liegt darin, dass es seit dem Barockzeitalter nicht mehr zerstört wurde – bis hin zu den Fußböden befindet sich also vieles im Originalzustand. Noch imposanter als die Residenz ist der Schlossgarten, der sich auf einer Fläche von etwa 72 Hektar in Richtung Westen ausbreitet. Der teils nach französischem und teils nach englischem Vorbild ausgebaute Park dient nicht nur der Schönheit der Natur als Bühne. Vielmehr buhlen auch künstliche Seen, Springbrunnen, stilisierte Ruinen, Tempel und eine Moschee um Aufmerksamkeit – der ideale Ort für eine kleine „Weltreise“ im Grünen. War der opulente Garten einst dem Kurfürsten und seinen Gästen vorbehalten, so geht es in unseren Zeiten demokratischer zu. Zwar ist der Schlossgarten eingezäunt, doch ein Jahrespass ist schon für 22 Euro zu haben. Grund genug für Spaziergänger und Jogger aus der Umgebung, regelmäßig wiederzukommen und einen nicht unbeträchtlichen Anteil der jährlich rund 700.000 Besucher zu stellen. Alle Aufmerksamkeit zieht zunächst das gewaltige Kreisparterre auf sich. Der Entwurf des Hofgärtners Johann Ludwig Petri aus dem Jahre 1753 öffnet sich auf der Schlossseite mit den beiden Zirkelbauten, die auf der gegenüberliegenden Seite spiegelbildlich von Laubengängen ergänzt werden. Das Innenleben des Kreisparterres besteht aus Alleen, die von gestutzten Linden eingegrenzt sind. Hinzu kommen Rasenflächen sowie Blumenbeete, die von Gärtnern drei Mal jährlich an die Saison angepasst werden. In der Mitte des Kreises befindet sich der Arionbrunnen, der dank zweier nahe gelegener
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Wasserwerke schon im 18. Jahrhundert eine 15 Meter hohe Fontäne ausstoßen konnte. Die Figur zeigt den griechischen Sänger und Dichter Arion, der in der Mythologie von einem Delphin Apollos vor dem Ertrinken bewahrt wurde. Bei der vom Schloss zum Brunnen führenden Allee übrigens handelt es sich lediglich um den verschwindend kleinen Teil eines groß angelegten Plans: Schloss Schwetzingen nämlich liegt ziemlich exakt auf einer gedachten Linie zwischen den beiden höchsten Punkten der Region. Und so haben die Architekten die Anlage mit einer Sichtachse durchzogen, die im Westen mit dem Kalmit zum höchsten Punkt des Pfälzer Waldes führt. Die Erhebung befindet sich in rund 40 Kilometern Entfernung und ist 672 Meter hoch. Im Osten baut sich derweil in deutlich geringerer Entfernung der Königstuhl auf. Der Gipfel gehört bereits zum Stadtgebiet von Heidelberg und ist mit 568 Metern die höchste Erhebung des Odenwalds. Die optisch auch noch heute weitgehend sichtbare Allee in Richtung Heidelberg war ursprünglich mit Maulbeerbäumen bepflanzt, die der Seidenraupenzucht dienten. Entgegen seiner beeindruckenden Ausmaße erscheint das Kreisparterre schon bald nur noch als bescheidener Blickfang. Zu opulent ist der restliche Park, der im Kern stets dem barocken Bedürfnis nach Symmetrie gerecht zu werden versucht. Trotz der weitflächigen Erfüllung dieses Anspruchs zeugt der Schlosspark durchaus auch von auseinanderlaufenden geistigen Strömungen, in denen sich der Zeitgeist widerspiegelt. Für Genießer So sah sich Kurfürst Carl Theodor in Kaffeehaus am Schlossplatz der Pflicht, die absolutistische AttiSchloßplatz 3 tüde seiner Vorfahren fortzuführen. 68723 Schwetzingen Gleichzeitig aber fühlte sich der im Tel. +49(0)6202 121 70 niederländischen Leiden ausgebilwww.kaffeehaus.de dete Herrscher der Wissenschaft und somit auch der immer weiter
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Anklang findenden Aufklärung verbunden. Im nördlichen Teil des Gartens etwa befindet sich ein Arborium Theodoricum, das seine Gestalter als eine Art botanisches Lexikon zu Fortbildungszwecken für Gärtner und Förster verstanden haben. Die angehende Verwissenschaftlichung freilich geht nicht zu Lasten des immer noch übergeordneten Romantikfaktors: Wer sich im Park verlieren möchte, stößt bei der Erkundung an jeder Ecke unweigerlich auf Überraschungen: auf Vogeltränken von beträchtlichen Ausmaßen, auf ein Naturtheater, dessen Entree mit vergoldeten Sonnen bestückt ist, und immer wieder auf Statuen, die ihren Ursprung überwiegend in der griechischen Mythologie haben. Als Apotheose romantischer Gartenbaukultur sind in Schwetzingen gar stilisierte Burg- und Tempelruinen zu sehen. Nicht entgehen lassen sollte man sich außerdem den Orangerie-Garten, an dessen Eckpunkten Bildnisse der vier Jahreszeiten positioniert sind. Die rechteckige Grünfläche wird derweil von Hanfpalmen und Zierbananen geschmückt. Im ockerfarbenen Orangerie-Bau, dessen hinterer Flügel für Ausstellungen genutzt wird,
Das prunkvolle Interieur des Schlosses erscheint bald aufwendig saniert in neuem Glanz.
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Eine Moschee mit zwei Minaretten gehört zu den auffälligen Bauten im Schlossgarten.
befindet sich das Lapidarium. Die Originalstatuen aus dem Schlosspark wurden zu Konservierungszwecken durch Duplikate ersetzt – nun führenen sie hinter einer Glastür ein Dasein abseits des Publikumsverkehrs. Als unumstrittenes bauliches Juwel des Schlossgartens darf das sogenannte Badhaus Carl Theodors gelten. Erbaut zwischen 1768 und 1775, verbirgt sich hinter diesem Titel ein kleines, eingeschossiges Lustschlösschen, das seinen Namen einem Marmorbecken von beachtlichen Ausmaßen verdankt – und das dem Schlossherren in fortgeschrittenem Alter oftmals als Refugium diente. Auch sein Arbeitszimmer befand sich hier. Ein nicht minder sehenswertes Kuriosum erhebt sich am südlichen Rand des Gartens: Die 1795 fertiggestellte Moschee umfasst neben einem Zentralbau auch zwei Minarette, die sich melodramatisch in einem vorgelagerten Gewässer spiegeln, und eine Art Kreuzgang. Hier treffen orientalische Formen und Motive auf ein traditionelles christliches Sakralbauelement, was im ausgehenden 18. Jahrhundert nicht nur als Ausruf der Begeisterung für entlegene Kulturen, sondern auch als Fanal für den Glauben an eine friedliche
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Koexistenz der Religionen gewertet werden durfte. Trotz des vorbildlichen Erscheinungsbilds und seines weithin verbrieften Originalzustands wurden übrigens 2009 und 2011 zwei Anträge zur Aufnahme des Schlossgartens ins Weltkulturerbe der UNESCO abgelehnt. Eine Begründung lag in der großen Anzahl vergleichbarer Barockanlagen im heutigen Deutschland, die einen besonderen Schutz von Schloss Schwetzingen nicht zum dringlichen Erfordernis machen würden. In weitgehend unverändertem Zustand präsentiert sich auch das eigentliche Schloss. Dieses jedoch wird zurzeit umfangreich saniert und ist frühestens im Frühjahr 2016 wieder für die Öffentlichkeit zugänglich. Dann wird auch das Appartement von Reichsgräfin Luise Karoline von Hochberg (1768–1820) in neuem Glanz erstrahlen. Die Gemahlin von Karl Friedrich von Baden hat die Residenz nach dessen Tod (1728–1811) bewohnt und im modernen Empire-Stil eingerichtet. Zuvor freilich war die Kurpfalz an Baden gefallen. Auch kulinarisch kann sich Schwetzingen übrigens eines Superlativs rühmen: In den Schlossgärten wird seit 1658 Spargel angebaut – angeblich die längste Serie weltweit. 68723 Schwetzingen, Tel. +49(0)6221 65 88 80 Sommer 9–20 Uhr, sonst 9–17 Uhr www.schloss-schwetzingen.de
Hinter Schloss Schwetzingen erhebt sich der Königstuhl.
Heidelberg Wo nicht nur Poeten schwärmen Obwohl nicht viel mehr als einen Steinwurf entfernt, finden die Besucher von Schloss Heidelberg eine völlig andere Welt als in Schwetzingen vor. Architektur und Ambiente der Teilruine sind voller melancholischer Reminiszenzen – vor allem bei Besuchern aus Übersee gilt die Stadt als Inbegriff der deutschen Romantik. Besonders im Abendlicht leuchtet am Nordhang des Königstuhls der rötliche Sandstein aus dem Neckartal auf unvergleichliche Weise. Hoch über dem Flusslauf des Neckars und der Altstadt gelegen, darf die Ruine
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als eine der populärsten Sehenswürdigkeiten der Nation gelten. Die Liste der Ehrbekundungen ist beeindruckend: Martin Luther hat das Schloss besucht. Goethe hat es bewundert. Victor Hugo hat darüber geschrieben. Und William Turner hat es zum Gegenstand melodramatischer Gemälde gemacht. Die Vorläufer des späteren Schlosses wurden bereits im frühen 13. Jahrhundert errichtet. Um 1400 diente das Schloss König Ruprecht I. von Deutschland als Domizil, für eine Weile war 1415 mit Johannes XXIII. gar ein Papst hier gefangen. Bis zu seiner Zerstörung im Pfälzischen Erbfolgekrieg (1688–1697) durch französische Soldaten sollte das Schloss den Kurfürsten der Pfalz als Residenz dienen, wobei es kontinuierlich weiter ausgebaut wurde. Nach der Zerstörung liebäugelten die Regenten vorübergehend mit einem vollständigen Wiederaufbau. Inbegriff der deutschen Romantik: Das Heidelberger Schloss thront über Stadt und Neckar.
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Um 1900 flammte die Debatte abermals auf, doch es setzten sich jene durch, die in der Ruine ein Denkmal mit größerem Wert sahen, als eine neuzeitliche Rekonstruktion dies je sein könnte. So wurde lediglich der sogenannte Friedrichsbau wieder hergerichtet. Heute ist schon die Anreise zur Anhöhe ein Erlebnis für sich: Im Eintrittspreis für die Schlossruine nämlich ist die Fahrt in der Bergbahn bis zur betreffenden Station inbegriffen. Nach einem Zwischenstopp am Bahnhof Schloss führt die Strecke weiter hinauf zum Gipfel des Königstuhls. Wer den wahren Zauber der Ruine erleben möchte, sollte jedoch in Erwägung ziehen, den Weg hinauf schon in den frühen Morgenstunden zu Fuß zu absolvieren – sobald die Bergbahn sich um 9 Uhr in Bewegung setzt, ist das Areal von Touristen überflutet. Unabhängig davon sind die Relikte des Ottheinrichsbaus ein Blickfang monumentaler Prägung. Der Trakt ist nach einem bedeutenden Schlossherren benannt: Kurfürst Ottheinrich (1502–1559) ließ den RenaissanceBau gegen Ende seines Lebens mit einer Höhe von vier Geschossen errichten. Heute ist leider nur noch die Schaufassade mit ihren fensterlosen oberen Stockwerken erhalten. Sie trotzt etwas verloren im Schlosshof dem Verfall, wobei sie insbesondere im Gegenlicht des Für Genießer Vormittags einen respekteinflößenden Charakter besitzt. Mit ihren Scharffs Schlossweinstube Skulpturen ist sie ein Zeugnis des Schlosshof 1 architektonischen Gestaltungs69117 Heidelberg willens jener Epoche: Der Kurfürst Tel.: +49(0)6221 87 27 003 hatte die Fassade mit Figuren von www.heidelberger-schlossantiken Göttern und römischen Kaigastronomie.de sern besetzen lassen. Um sich und Vom Guide Michelin mit einem seinen Machtanspruch auf AugenStern bedachtes Restaurant. höhe mit diesen zu stellen, durfte Gäste können ab 18 Uhr kostenfrei dabei freilich auch ein Abbild seiner auf dem Schlossareal parken. eigenen Wenigkeit nicht fehlen. Auch der Friedrichsbau wird von
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Von Barock bis Rokoko: Das Interieur des Schlosses weist eine große stilistische Vielfalt auf.
einer beeindruckenden Schaufassade geziert. Hier hat der Namensgeber Friedrich IV. (1574–1610) eine Ahnengalerie in Form von Steinfiguren verewigen lassen, die ihn als letzten einer langen Reihe von Herrschern aus dem Wittelsbacher Adelsgeschlecht zeigt. Die Innenräume können stündlich im Rahmen geführter Touren besichtigt werden. Das heutige Dekor und Interieur allerdings ist nicht repräsentativ für eine bestimmte Epoche, vielmehr weisen beide eine große stilistische Vielfalt auf. Zu den Highlights gehört die Schlosskapelle aus dem 16. Jahrhundert. Unbedingt empfehlenswert ist die Teilnahme an einer weitergehenden Führung auch aus einem ganz bestimmten Grund: Nur auf diesem Wege haben Besucher Gelegenheit, auf die stadtseitigen Grünflächen zu gelangen und so in den Genuss des formidablen Ausblicks über Altstadt, Neckar und die dahinterliegenden Hügellandschaften zu kommen. Wer sich weniger für Adelsgeschlechter und Absolutismus interessiert, kann der Ruine vielleicht bei einer
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Untersuchung nichtadliger Bewohner beachtenswerte Aspekte abgewinnen: Naturführungen richten das Augenmerk auf im Schloss heimisch gewordene Spezies wie den Feuersalamander oder diverse Fledermausarten, die sich im verlassenen Wehrgang wohlfühlen. Ebenfalls einen prächtigen Blick auf die Stadt ermöglichte der Englische Bau seinen Bewohnern. Kurfürst Friedrich V. hatte den Trakt ab 1612 als Domizil für sich und seine Ehefrau bauen lassen: Prinzessin Elizabeth Stuart, Tochter des Königs Jakob I. von England. Schon damals waren die Flächen um den Schlosshof vollständig belegt, so dass der Bau auf dem Nordwall der Anlage errichtet wurde. Markantester Bestandteil war der sogenannte „Dicke Turm“, dessen Mauern sieben Meter stark waren. Bis heute sind die Überbleibsel ein prägendes Merkmal der Ruine. Im Turm pflegte der kurfürstliche Hof seine Gäste mit Speisen zu verwöhnen. Theateraufführungen und Konzerte dienten der Unterhaltung. Zur Aussicht vom Turm auf die Stadt gehörte natürlich auch der Blick auf die nahen Weinberge. Renommierter und produktiver als die eigenen Winzer waren schon vor Jahrhunderten die Weinbauern aus der nahen Pfalz, wo sich heute die Deutsche Weinstraße erstreckt. Große Mengen der edlen Tropfen wurden dem Heidelberger Hof zugeliefert – weshalb sich in Schloss Heidelberg die Notwendigkeit ergab, einen geeigneten Lagerraum zu schaffen. Die Antwort war der sogenannte Fassbau, der seinen Namen dem riesigen Behältnis verdankt, das in seinem Keller stand und steht. In den drei Fässern, die hier nacheinander die Versorgung sicherten, konnten zwischen 130.000 und 220.000 Litern gelagert werden. Auch heute noch ist das Kuriosum eines der meistfotografierten Details. Das heutige Exemplar konkurriert mit seinem Gegenstück in Bad Dürkheim um den Titel des größten Fasses des Landes. Bewacht wird es von einer Figur, die mit Perkeo den einstigen Hofnarr Carl Theodors zeigt.
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Der kleinwüchsige Mann war berüchtigt für seine Trinkfestigkeit, um die sich so manche Anekdote rankt. Unmittelbar neben dem Fassbau befindet sich mit dem sogenannten Frauenzimmerbau (um 1515) der große Festsaal des Schlosses, in dessen oberen Stockwerken einst die Hofdamen wohnten. Die Nähe zur Quelle wurde dabei klug genutzt: Bei Festen konnte der Wein über eine Leitung direkt aus dem Großen Fass in den Königssaal gepumpt werden. Wie es sich für eine romantische Ruine gehört, ist auch das botanische Prunkstück verloren: Im Süden des Schlosses breitete sich im 17. Jahrhundert der Pfälzer Garten oder „Hortus Palatinus“ aus. Dieser verfügte unter anderem über einen Irrgarten, einen Zitrusfrüchtehain und einen Monatsblumengarten. Er war bekannt für seine Zierbeete und eine einfallsreiche Sinfonie von Wasserspielen. All dies lässt sich heute nur noch erahnen – zu sehen ist nichts mehr. Ein Umstand, für den der Prachtgarten im nahen Schloss Schwetzingen voll und ganz entschädigt. Schlosshof 1, 69117 Heidelberg, Tel. +49 (0)6221 53 84 72 tgl. 8–18 Uhr, www.schloss-heidelberg.de Führung im historischen Kostüm: „Leben bei Hofe“
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Ausflugstipps
Architektonische Besonderheit: Die Eremitage in Waghäusel weist einen sechszehneckigen Zentralbau auf.
Eremitage Waghäusel Die Eremitage in Waghäusel verdankt ihre Existenz dem Fürstbischof von Speyer, Damian Hugo Philipp von Schönborn (1676–1743). In geringer Entfernung zur Domstadt auf der anderen Seite des Rheins gelegen, entstand ab 1724 ein sechzehneckiger Hauptbau mit acht sogenannten Eremitenpavillons. Stilprägend hierfür war das Sommerschloss Marly-le-Roi, das König Ludwig XIV. in Frankreich geschaffen hatte. Die Eremitage war Teil eines vom Hochstift Speyer beauftragten Alleensystems, das die neue Residenz in Bruchsal mit anderen herrschaftlichen Anlagen wie Schloss Kislau in Bad Schönborn und eben der Eremitage verband. Die Speyerer Fürstbischöfe suchten hier sowohl Ruhe für religiöse Exerzitien wie auch Entspannung durch die Jagd – und das in unmittelbarer Nähe zu Wallfahrtskirche und Kloster. Nach einer wechselvollen Geschichte befindet sich das Schloss heute im Besitz der Stadt Waghäusel. Friedrich-Hecker-Allee 3, 68753 Waghäusel Tel. +49(0)7254 207 22 05, geöffnet nach Vereinbarung www.waghaeusel.de
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Burgfeste Dilsberg Die Burgruine Dilsberg stammt aus dem Hochmittelalter. Heute auf dem Stadtgebiet von Neckargemünd vor den Toren Heidelbergs gelegen, erhebt sich die Burg fast 300 Meter über dem Fluss. Als Teil der Befestigungsanlagen der Kurpfalz war sie oftmals heftig umkämpft. Mit dem Ende der Kurpfalz im Jahr 1803 fiel Burg Dilsberg gemeinsam mit dem vorgelagerten Ort an das neue starke Land Baden, dem sie zunächst noch als Staatsgefängnis diente. Im 19. Jahrhundert war die Burg zunächst dem weiteren Verfall ausgesetzt. Gegen Ende des Jahrhunderts jedoch wuchs im Zuge des zunehmenden Bewusstseins für die Romantik das Interesse an dem Bauwerk abermals an. Heute präsentiert es sich in teilrestauriertem Zustand und ist für Besichtigungen geöffnet. Eine Besonderheit ist der Burgstollen, um den sich die Legende rankt, dass er auf die andere Seite des Neckars führt. Kein Geringerer als Mark Twain hat den Gedanken in seinem ,Bummel durch Europa‘ aufgegriffen. Die Burg ist berühmt für ihren famosen Ausblick über Odenwald und Neckar. Burghofweg 3a, 69151 Neckargemünd April bis Ende Okt. Di–So 10–17.30 Uhr www.burgfeste-dilsberg.de
Romantische Insel in der Stadt: die Ruine der Burg Dilsberg
Bruchsal Dem 50-Markschein auf der Spur
Ein Musterbeispiel für die barocke Dreiflügelanlage ist Schloss Bruchsal.
Vor den Toren Karlsruhes befindet sich mit Schloss Bruchsal eine Residenz, deren Entstehungsgeschichte sich ganz vordergründig durch den Stand ihrer Bauherren von den anderen bisher besuchten abhebt: Die Fürstbischöfe von Speyer nämlich waren nicht nur geistliche Oberhäupter ihres Territoriums, sondern in Personalunion zugleich die Landesherren. Vier Generationen von Machthabern haben Schloss Bruchsal im 18. Jahrhundert errichten lassen und zugleich hier residiert. Für die Dauer von 80 Jahren war die Residenz das Zentrum ihrer Herrschaft, was für die gesamte Stadt einen wirtschaftlichen Aufschwung ungekannten Ausmaßes zur Folge hatte. Ebenso wie bei der Eremitage Waghäusel war es Damian Hugo Philipp von Schönborn, der den Bau des dreiflügeligen Schlosses in Auftrag gegeben hat.
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Als Auslöser für die Entscheidung gelten Meinungsverschiedenheiten mit dem Rat der protestantischen Reichsstadt Speyer. Weil der Fürstbischof zudem das Privileg genoss, in einer Zeit wirtschaftlicher Prosperität zu leben, konnte er sich ein Domizil leisten, das dem Prunk einer weltlichen Residenz in nichts nachstand. Das Schloss und der dazugehörige Garten prägen bis heute das Bild der etwas mehr als 40.000 Einwohner zählenden Kleinstadt. Allerdings handelt es sich auch in Bruchsal weitgehend um eine Rekonstruktion des ursprünglichen Gebäudes, da die alte Residenz gegen Ende des Zweiten Weltkriegs bei Luftangriffen schwer beschädigt wurde. Zur Freude und Erleichterung eines jeden Kunsthistorikers blieb das Treppenhaus größtenteils unbeschadet, handelt es sich doch in vielerlei Hinsicht um das herausragende architektonische Merkmal des Schlosses: Nach zwischenzeitlichen Kalamitäten bei Planung und Bauausführung nämlich übernahm 1728 mit Balthasar Neumann (1687–1753) einer der berühmtesten Baumeister der Epoche das Zepter in Bruchsal. Sein Eingreifen wurde erforderlich, nachdem FürstKardinal Damian Hugo Philipp von Schönborn hat den Bau in Auftrag gegeben.
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Das Treppenhaus von Schloss Bruchsal wurde von Balthasar Neumann entworfen.
bischof von Schönberg angeordnet hatte, das Bauwerk um ein Zwischengeschoss zu ergänzen, in dem der umfangreiche Personalstab ausreichend Platz finden sollte. Dies führte zu einer vertrackten baulichen Situation, an der sich alle Beteiligten zunächst vergeblich die Zähne ausbissen. Erst als Neumann in Baden arrivierte, war Rettung in Sicht. Doch nicht nur das – der unter anderem aus Würzburg und Brühl bekannte Großmeister, dessen Konterfei bis zur europäischen Währungsunion den 50-Markschein zierte, hat es sogar verstanden, aus der Not eine Tugend zu machen. Den ursprünglichen Entwurf für das Treppenhaus entwickelte Balthasar Neumann nach seiner Ankunft zu einer der großen Raumschöpfungen des deutschen Barock: Durch die Veränderung des zuvor leicht ovalen Grundrisses konnte er die beiden Treppenläufe modifizieren und somit die erreichbare Raumhöhe vergrößern. Die Vollendung des Entwurfs gelang ihm durch die Ergänzung einer Kuppel, die über dem Treppenhaus thront. Vor allem durch diesen Kunstgriff gehört Neumanns Entwurf zu den bedeutendsten Treppenhäusern der Epoche. Der BarockBaumeister war es letztlich, der Schloss Bruchsal berühmt gemacht hat. Die Innenausstattung der Beletage begann erst eine Generation später. Von 1751 bis 1754 ließ Schönborns Nachfolger, Fürstbischof Franz Christoph von Hutten
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(1706–1770), ein Gesamtkunstwerk im Stil des Rokoko errichten, wobei die Deckenmalereien der Säle der Glorifizierung von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des Hochstifts Speyer dienten. Neumanns Kuppelsaal bildet zugleich den Auftakt zu einem Zyklus großflächiger Deckengemälde. Hier sind zahlreiche Szenen aus der reichhaltigen Geschichte der Fürstbischöfe von Speyer zu entdecken, die bis ins 4. Jahrhundert zurückreicht. Dem Ritus barocker Selbstinszenierung folgend, sind sowohl Franz Christoph von Hutten als auch sein Vorgänger Damian Hugo von Schönborn in den Hauptszenen abgebildet, wo sie als Förderer von Kunst und Architektur dargestellt werden. Durch den Kuppelsaal betritt der Besucher den angrenzenden Fürstensaal. Als einer von zwei Festräumen prägen auch diesen trotz klerikaler Auftraggeber weltliche Vorbilder: Ähnlich wie die Kurfürsten von der Pfalz sind in einer Gemäldegalerie Hutten selbst und seine Vorgänger zu bewundern. Es handelt sich um eine Reminiszenz an die Tradition der fürstbischöflichen Herrschaft, die freilich bereits ein halbes Jahrhundert später durch die Säkularisation ein jähes Ende finden sollte.
Neben pompösen Deckenmalereien gehören auch lange Fluchten zu den typischen Merkmalen des Barockschlosses.
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Aufwändig gestaltete Säulen und filigrane Stuckarbeiten sind die auffälligsten Merkmale des Marmorsaals.
Weiter übertroffen wird die Opulenz im sogenannten Marmorsaal, in dem aufwändig gestaltete Säulen und filigraner Stuck mit dem großzügigen Einsatz von Marmor und Gold einhergehen. Die Decke des Saals dient hier als Projektionsfläche für Götter und andere Figuren. Als Leitmotiv kann der fromme, aber letztlich vergebliche Wunsch herausgelesen werden, die Zeit anzuhalten – auf dass das Fürstbistum ewig fortbestehen könne. Wie bei so vielen anderen Schlössern aus der Epoche ist die eigentliche Residenz lediglich der Kernbestandteil eines viel größeren Anwesens. Anders als in Heidelberg oder Mannheim aber ist der angeschlossene Park in Bruchsal zu guten Teilen erhalten. So ist es damals wie heute einer von Kastanien gesäumten Wegeachse vorbehalten, den Garten in zwei symmetrische Hälften zu teilen. Gleichwohl ist der Schlossgarten im 19. Jahrhundert partiell dem Fortschritt zum Opfer gefallen, seitdem wird er von der nahen Bahnlinie begrenzt. Auch die einst bis zum Nachbarort Graben reichende Mittelachse ist nicht mehr vollständig erhalten. Im Garten setzen die seitlich platzierten Orangerien bis heute wichtige gestalterische Akzente. Zur Zeit des
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Barock wurden hier im Winter jene Kübelpflanzen eingelagert, die in den Sommermonaten mit der Illusion einer mediterranen Flora für Freude sorgten: Orangen, Pomeranzen und Zitronen. Am linken Bau etwa sind Figuren verewigt, welche die neun Tugenden zeigen. Das Pendant auf der rechten Seite ist derweil den Künsten und Wissenschaften vorbehalten. Eine Reihe kleiner Wasserbassins markiert nun den Übergang zum niedriger gelegenen Bereich des Gartens, wo Figuren der Hellebardiere – mit Spießen bewaffnete Fußknechte – aufwarten. Weitere Statuen verkörpern die vier Jahreszeiten und die vier Elemente, populäre Requisiten eines jeden Gartenarchitekten im 18. Jahrhundert. Im Eintrittspreis ist in Bruchsal neben dem Schloss auch der Besuch zweier Museen inbegriffen. Das Deutsche Musikautomatenmuseum bietet anhand von 500 Exponaten einen Überblick über die unterschiedlichsten Bauarten und Epochen – seien es eher schlicht anmutende Standuhren, versierte Instrumente oder spielzeugartige Kreationen. Authentische Inszenierungen wie zum Beispiel ein Stummfilmkino, eine historische Gastwirtschaft oder ein Tanzsaal simulieren das Umfeld von anno dazumal. Das nahe gelegene Stadtmuseum gewährt Einblicke in die Historie Bruchsals. Schlossraum 4, 76646 Bruchsal, Tel. +49(0)7251 74 26 61 Di–So 10–17 Uhr, www.schloss-bruchsal.de Der barocke Schlossgarten ist in Bruchsal weitgehend erhalten.
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Auch wegen der Vielzahl architektonischer Stilrichtungen gehört Kloster Maulbronn zum UNESCOWeltkulturerbe.
Ausflugstipps Kloster Maulbronn Auf dem Weg von Bruchsal nach Karlsruhe lohnt ein Abstecher in Richtung Osten, wo sich in rund einer halben Fahrstunde Entfernung ein historisches Monument erster Rangordnung befindet. Umgeben von Wäldern und Obstanlagen, gilt das im Kraichgauer Salzachtal gelegene Kloster Maulbronn als größte erhaltene Anlage des Zisterzienserordens nördlich der Alpen. Das Kloster genießt den Status des UNESCOWeltkulturerbes. Die Fundamente des Gebäudes wurden bereits im 12. Jahrhundert gelegt. In der Folge hat sich zwischen Pforzheim und Heilbronn über einen Zeitraum von mehreren Hundert Jahren eine Klosterstadt von beachtlichen Ausmaßen entwickelt. Entsprechend spiegelt sich in dem Ensemble eine große Vielzahl architektonischer Stilrichtungen wider: Wurde die Klosterkirche noch nach den Idealen der Romanik errichtet, so zeugen Kapitelsaal und Kreuzgang von einer spätgotischen Bauweise. Im Zuge der Reformation wurden die katholischen Mönche aus dem protestantischen Württemberg vertrieben. Die geistliche Ausrichtung indes sollte in Form einer evangeli-
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schen Klosterschule mit Internat bis in die Gegenwart fortleben. Der wohl bekannteste ehemalige Schüler von Kloster Maulbronn ist der spätere Literaturnobelpreisträger Hermann Hesse, der dem harten Alltag der Schule entflohen ist – seine Eindrücke hat er unter anderem in „Narziss und Goldmund“ und dem „Glasperlenspiel“ verarbeitet. Der historische Stellenwert Maulbronns fand im Jahre 2013 eine neue Dimension der Anerkennung, als die beiden bekanntesten Ansichten des Klosters gemeinsam das Motiv für eine 30 Millionen Mal geprägte Zweieuromünze bildeten. Auf dem rechten Teil der Rückseite ist die Klosterkirche mit ihrer Vorhalle, dem sogenannten Paradies, aus dem Jahr 1220 zu sehen. Die Halle wird zu den schönsten Räumen der Frühgotik überhaupt und zugleich zu den bedeutendsten architektonischen Zeugnissen in Maulbronn gezählt. Heute befinden sich im KlosterKomplex öffentliche Einrichtungen und gastronomische Betriebe. Als besonderes Erlebnis gelten die Konzerte mit Klosterskulisse. Klosterhof 5, 75433 Maulbronn, Tel. +49(0)7043 92 66 10 März bis Okt. tgl. 9–17.30 Uhr, Nov. bis Feb. Di–So 9–17 Uhr www.kloster-maulbronn.de
Der dreischalige Brunnen ist auf der Zweieuromünze verewigt.
Karlsruhe Planvolle Pracht
Ein Blickfang: Der Turm des Karlsruher Schlosses ist mit einer Höhe von 48 Metern weithin sichtbar.
Das wiederaufgebaute Schloss Karlsruhe beherbergt heute das Badische Landesmuseum. Vor drei Jahrhunderten jedoch wurde es mit dem Ziel gebaut, fortan die Residenz jenes Markgrafen zu werden, dem die Stadt ihren Namen verdankt: Karl Wilhelm von Baden-Durlach (1679–1738). Der Beginn der Bauarbeiten für das barocke Schloss darf zugleich als Datum der Stadtgründung gelten. Zur angemessenen Feier des 300-jährigen Jubiläums wurde das Schloss zurzeit umfangreich saniert. Unabhängig davon ist die
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Rekonstruktion der Residenz auch aus heutiger Sicht der unumstrittene Mittelpunkt der Stadt: Weil die Hauptverkehrsachse mittlerweile unterirdisch unter dem Schlossplatz hindurchführt, bildet das Entree gleichzeitig einen sanften Übergang von der hektischen City Karlsruhes zu einem Ensemble von Grünflächen, das in dieser Kombination seinesgleichen sucht. Die exponierte Lage freilich ist kein Zufall, denn der markante Grundriss der Innenstadt geht unmittelbar auf die Barockästhetik zurück: Karlsruhe schmückt sich mit dem Beinamen „Fächerstadt“, ein Begriff, der sich auf die 32 Straßen bezieht, die sich strahlenförmig vom Schloss fortbewegen, um die Stadt auf diese Weise in ein fächerförmiges Raster einzuteilen. Diese charakteristische Besonderheit wird auch im Landesmuseum gebührend gewürdigt. So befindet sich im Erdgeschoss des Turms neben einem Stadtmodell auch jener Zirkel, der den mathematischen Ausgangspunkt für das Raster bildet. Wirkungsvoller als der Blick auf das Modell freilich ist der Aufstieg auf den 48 Meter hohen Schlossturm. Dieser ist je nach Kondition zwar nicht ganz unbeschwerlich, doch als Entschädigung wartet ein hervorragender Ausblick: auf den Schlosspark und die City, auf die vielen anderen Grünflächen Karlsruhes, bei klarem Wetter auf Vogesen und Schwarzwald – und natürlich auf die 32 Achsen, die – im Gegensatz zu den Gebäuden – die Jahrhunderte schadlos überstanden haben. Im Parterre des Turms zeigt sich gleichfalls, dass es der Markgraf durchaus gut mit seinen Untertanen meinte. An den Wänden sind Auszüge der sogenannten Karlsruher Privilegien zu sehen, die bereits 1715 verabschiedet wurden. Dazu gehört die Bereitschaft des Herrschers, jedem Einwohner unentgeltlich ein Grundstück zur Verfügung zu stellen. Der Eindruck paradiesischer Verhältnisse aber wird auch davon
Namensgeber der Stadt Karlsruhe: Karl Wilhelm von Baden-Durlach
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Das Schloss beherbergt heute das Badische Landesmuseum mit seiner modern inszenierten Sammlung.
gestützt, dass ein „freundlicher Umgang“ mit den Bürgern zum Kodex der barocken Lebensgemeinschaft gehörte. Die fortschrittlichen Rahmenbedingungen haben aus Sicht so manches Karlsruhers auch dazu beigetragen, dass sich hier weltoffene Menschen mit Erfindergeist wohlgefühlt haben. So darf sich die Stadt denn auch damit rühmen, dass hier unter anderem die Tastenschreibmaschine und der Verbrennungsmotor erfunden wurden. Die Sammlung des Badischen Landesmuseums – von der Teile in Außenstellen wie zum Beispiel Schloss Bruchsal zu sehen sind – freilich reicht wesentlich weiter zurück, wobei die Exponate gleichermaßen zur Veranschaulichung von Kunst wie auch historischer Lebenswelten dienen. Die Zeitachse beginnt mit der Ur- und Frühgeschichte, um sich anschließend in chronologischer Folge von antiken Kulturen über das Mittelalter bis zum Barock fortzusetzen. Abschließend reicht sie bis in die Gegenwart hinein. Anhand von Porträts, Büsten oder Medaillen können die Besucher die Dynastie der badischen Herrscher nachverfolgen. Möbel, Porzellan und Gläser fungieren als stille Zeitzeugen adligen Lebensstils, wobei zeitgemäße Multimediaeinspielungen der Darstellung eine zusätzliche Dimension verleihen. Zu den Highlights der Ausstellung zählt auch
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die großherzoglich badische Krone Über Nacht samt dazugehörigem Zepter und Schwert. Kurios: Die ungeheure ★★★★ Schlosshotel Vielzahl von 2.451 Edelsteinen, mit Bahnhofsplatz 2 der die Krone besetzt ist, steht in 76137 Karlsruhe diametral entgegengesetztem Wert +49(0)721 383 20 zu deren Innenleben – dieses nämwww.schlosshotelkarlsruhe.de lich besteht aus Pappmaché. Anders Im Herzen der Fächerstadt. verhält es sich bei einem weiteren Prunkstück der Sammlung: Das in einer Vitrine ausgestellte Toilettenservice der Stéphanie de Beauharnais ist aus Gold gefertigt. Ein Kleinod ganz anderer Natur tut sich vor den Türen des Schlosses auf. Vor der Kulisse imposanter Schauhäuser gedeihen auf den Wiesen des Botanischen Gartens exotisch anmutende Gewächse wie der Mammutbaum, die Araukarie oder eine gewaltige Hängebuche. Zwischendrin erfreuen in runden Bassins Seerosen, Karpfen und Goldfische. Obwohl die Markgrafen von Baden-Durlach die Reputation genossen, Der angrenzeneher sparsame Herrscher zu sein, ließen sie sich ihre de Botanische Gartenanlagen einiges kosten. Unter Karl Wilhelm Garten ist eine prägte zunächst die vom Absolutismus inspirierte Oase der Ruhe Leidenschaft für das Exotische die Gartenkunst. Unter inmitten der Stadt. seinem Enkel Carl Friedrich wuchs schließlich auch
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Unter einem verglasten Dach können Besucher heute Kaffee und Kuchen genießen.
das Interesse an der Botanik als Wissenschaft, wodurch der Botanische Garten einen enzyklopädischen Charakter mit aufklärerischem Auftrag erhielt. Heute fällt die Sammlung unter anderem wegen der rund 300 Kübelpflanzen und der ausgepflanzten Hochstämmchen auf. Darunter befinden sich zahlreiche mediterrane Pflanzen. Einigen Ruhm genießen auch die Schauhäuser, in denen die sensibleren Gewächse aus fernen Ländern um Aufmerksamkeit buhlen. Im schwülwarmen Tropenhaus etwa fühlen sich Bromelien und Orchideen wohl. Im höchsten Gebäude genießen die Palmen die Gesellschaft eines Riesenbambus, während im Kakteen- und Sukkulentenhaus Stachelgewächse aller Art gedeihen – darunter auch der berüchtigte „Schwiegermuttersessel“. In abgewandelter Form wurde nach dem Zweiten Weltkrieg der Wintergarten wiedererrichtet. Unter einem heute unverglasten Gerüst aus Gusseisen können die Gäste des Cafés an warmen Tagen ihren Latte Macchiato trinken. Im Spätsommer blicken sie dabei auf die reifen Früchte von Kiwi-Pflanzen, im Herbst dagegen sind es die Blätter der Jungfernrebe, deren rotes Erscheinungsbild für entzückte Blicke sorgt. Durch den aus rötlichem Sandstein gefertigten Torbogen führt der Weg in die nächste Grünanlage: den Schlossgarten, der den Großteil des sogenannten inneren Zirkels um das Schloss
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für sich beansprucht. Das Areal ist weitläufig und es befindet sich in gehöriger Distanz zu allen Anflügen urbaner Hektik. Noch ein wenig weiter außerhalb, aber ebenfalls in fußläufigem Abstand, steht im Hardtwald mit der Großherzoglichen Grabkapelle das einzige fürstliche Bauwerk, das den Zweiten Weltkrieg ohne Schaden überstanden hat. Das Mausoleum gehört nach allgemeiner Einschätzung zu den Die Großherzogbedeutendsten Monumenten der badischen Geschichliche Grabte: Nicht weniger als 17 Mitglieder des Hauses Baden kapelle gehört sind hier bestattet, darunter alle seit 1830 verstorbenen zu den beGroßherzöge. Der leicht abgeschiedene Standort im deutendsten Wald sollte es den Herrschern ermöglichen, in Ruhe zu Monumenten trauern. Anlass für den ab 1889 im neugotischen Stil der badischen vorangetriebenen Bau war der frühe Tod von GroßherGeschichte. zog Friedrich I. und seiner Frau Luise. Badisches Landesmuseum, Schlossbezirk 10 76131 Karlsruhe, Tel. +49(0)721 92 66 514, Di–Do 10–17 Uhr Fr–So 10–18 Uhr, www.landesmuseum.de Botanischer Garten, Hans-Thoma-Straße 6, 76131 Karlsruhe Tel. +49(0)721 926 30 08 Für Genießer Di–Fr 10–16.45 Uhr Staatsweingut Karlsruhe-Durlach www.botanischer-garten-karlsruhe.de Posseltstrasse 19 Großherzogliche Grabkapelle 76227 Karlsruhe-Durlach Klosterweg 11, 76131 Karlsruhe Tel. +49(0)721 94 05 70 Tel. +49(0)7251 74 26 61 www.turmbergwein.de Do 11–14, Fr 14–17, Sa, So 13–17 Uhr www.grabkapelle-karlsruhe.de
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Schloss Neuenbürg blieb der Status einer Residenz stets verwehrt – heute befindet sich ein beliebtes Lokal in den Gemäuern.
Ausflugstipps
Schloss Neuenbürg Das zwölf Kilometer südwestlich von Pforzheim gelegene Schloss Neuenbürg beherbergt seit 2001 eine Außenstelle des Badischen Landesmuseums. Die Dependance beschäftigt sich vornehmlich mit Wilhelm Hauffs Märchen „Das kalte Herz“, gestattet jedoch auch Einblicke in die regionale Historie. Das Schloss selbst blickt auf eine fast tausendjährige Geschichte zurück. Eine Burg wurde im 12. Jahrhundert von den Grafen von Vaihingen gegründet und sukzessive ausgebaut. Im frühen 17. Jahrhundert wurde hier gar ein Lustgarten angelegt. Im Laufe seiner wechselhaften Geschichte blieb dem Schloss allerdings der Status einer herzoglichen Residenz stets verwehrt, so waren es vornehmlich Beamte, die hier wirkten. Heute hat in Schloss Für Genießer Neuenbürg auch ein Restaurant sein Domizil. Im historischen AmbiSchloss-Restaurant Neuenbürg ente werden Spezialitäten aus der Am Schloss 1 portugiesischen Küche serviert. 75305 Neuenbürg Hintere Schlosssteige, 75305 NeuenTel. +49(0)7082 79 36 14 bürg, Tel. +49(0)7082 792 8 60, Di–Sa www.restaurant-schloss.de 13-18, So und feiertags 10–18 Uhr www.schloss-neuenbuerg.de
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Schloss Ettlingen Das Barockschloss in Ettlingen vor den Toren von Karlsruhe war der Alterssitz von Markgräfin Sibylla Augusta (1675–1733). Nach dem Tod ihres Gatten, Markgraf Ludwig Wilhelm, ließ sie ab 1727 mit erheblichem Aufwand einen Gebäudekomplex errichten, der heute als barockes Gesamtkunstwerk gilt und der zugleich das kulturelle Zentrum für die fast 40.000 Einwohner der Stadt Ettlingen bildet. Das Bauwerk wurde erst im Todesjahr Sibylla Augustas fertig. Das repräsentative Barockschloss steht auf zum Teil noch sichtbaren Ruinen einer dreiflügeligen Renaissance-Anlage, die im Pfälzischen Erbfolgekrieg ebenso wie Schloss Heidelberg von französischen Soldaten zerstört wurde. Besonders sehenswert sind die Deckengemälde der Schlosskapelle, die – wie auch das Treppenhaus und der Rittersaal in Schloss Mannheim – vom Großmeister des Spätbarock, Cosmas Damian Asam, angefertigt wurden. In 30 Fresken veranschaulichen sie die Leidensgeschichte des Heiligen Nepomuk. Es handelt sich um die einzigen am Oberrhein noch erhaltenen Fresken von Cosmas Damian Asam. Die einstige Kapelle ist heute der Hauptsaal von Schloss Ettlingen, der vorzugsweise für Konzerte genutzt wird. Auch ist in den Räumen ein Museum für Schloss- und Stadtgeschichte sowie für Wechselausstellungen untergebracht. Schloßplatz 3, 76275 Ettlingen, Tel. +49(0)7243 10 12 73 Mi–So 11–18 Uhr, www.ettlingen.de Blick durch das Osttor in den Schlossinnenhof mit Delphinbrunnen
Rastatt Französische Lebensart
Prachtbau mit beeindruckendem Ehrenhof: Schloss Rastatt
Residenzschloss Rastatt Die Barockresidenz wurde ab 1698 in leicht erhöhter Lage auf einem Hügel errichtet. Bauherr war der auch als „Türkenlouis“ bekannte Markgraf Ludwig Wilhelm von Baden-Baden (1655–1707), der sich nach Ende des Pfälzischen Erbfolgekriegs in der Rheinebene zunächst nur ein Jagdschloss hatte bauen lassen wollen. Bald jedoch ordnete der vor allem in den Türkeikriegen erfolgreiche Feldherr den Ausbau zu einem prunkvollen neuen Zuhause an. Dabei nahm sich der in Frankreich geborene Herrscher ein Vorbild an seinem Patenonkel Ludwig XIV.: Wie bei so vielen anderen Schlössern auch, diente Versailles als Inspirationsquelle für die mit einem imposanten Ehrenhof ausgestattete Dreiflügelanlage.
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Rein optisch hebt sich Schloss Rastatt merklich von vergleichbaren Objekten ab: Die Residenz trägt einen rosarötlichen Anstrich, der insbesondere in der Abendsonne dramatisch glühen kann. Hoch oben auf dem Dach leuchtet die goldene Figur des Jupiters, im Volksmund der „Goldene Mann“ genannt. Sie steht für die vermeintliche Allmacht des Erbauers. Manch Ortskundiger glaubt indes zu wissen, dass die eigentliche Bedeutung der Figur darin besteht, zum nahen Frankreich hin ausgerichtet zu sein, um etwaig einschlagende Blitze dorthin abzuleiten. Schloss Rastatt wurde binnen der Rekordbauzeit von nur sieben Jahren fertiggestellt. Trotz seines frühen Todes sollte der Herrscher noch etwas von seinem neuen Domizil haben: Ludwig Wilhelm und seine Familie lebten während des Baus in einem bereits fertigen Flügel. Nach seinem Tod übernahm Gemahlin Sibylla Augusta nicht nur die Regentschaft, sondern auch die Gestaltung des prachtvollen Interieurs. Dieses hebt sich insofern von den anderen Residenzen Badens ab, als Schloss Rastatt im Zweiten Weltkrieg keinerlei Beschädigungen erlitten hat. Die Grundgedanken der Barockästhetik lassen sich hier denn auch besonders authentisch nachempfinden. Heute noch bildet das Schloss rein äußerlich eine Einheit mit dem Schlosspark, der sich bis weit hinter die Residenz erstreckt; mit Springbrunnen im Zentrum und Biergärten in der Peripherie. In den fast französisch anmutenden Gassen vor der Residenz locken derweil Lokale mit Wein, Über Nacht Maultaschen und anderen Insigni★★★ Hotel am Kulturplatz en badischer Lebensfreude. Am Schlossplatz 7 Im Innern bewahrheitet sich schnell 76437 Rastatt die Maxime, nach der ein Schloss Tel. +49(0)7222 15 88 70 mit allen zur Verfügung stehenden www.hotel-am-kulturplatz.de Ausdrucksmitteln von Architektur Historisch am Schlossplatz. und Kunst eine theatralische Inszenierung des Lebens zu sein hat,
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Ahnensaal und kaum weniger prächtige Stallungen
und nicht etwa ein Manifest der Bescheidenheit. Ein kleines Beispiel: In Form von Stuckmedaillons, in deren Mitte die Porträts namhafter Feldherren prangen, reiht sich der Bauherr bereits im Treppenhaus in eine Reihe mit Caesar und Wallenstein ein. Die wahre Sensation offenbart sich dann beim Blick nach oben: Zur wirkungsvollen Betonung der Deckengemälde hat Architekt Domenico Egidio Rossi (1659–1715) in der Beletage eine großzügig mit Stuck umrahmte Öffnung eingelassen, die den Blick auf das ein Geschoss weiter oben angebrachte Fresko freigibt. Wie so oft im Barock, zeigt es eine Szene aus der griechischen Mythologie, der eine bestimmte symbolische Bedeutung
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zukommt. In diesem Fall ist es der Sturz Phaetons, der den Sonnenwagen Apollos nicht zu lenken vermag. Dahinter verbirgt sich eine konkrete Anspielung auf Ludwig XIV. und die regionale Geschichte: Der Patenonkel galt mittlerweile wegen der Niederbrennung der Gebiete am Oberrhein im Pfälzischen Erbfolgekrieg als unverantwortlicher Herrscher, wovon sich Ludwig Wilhelm distanzieren wollte. Repräsentatives Herzstück der Residenz ist der angrenzende Ahnensaal, wo Pilaster aus Stuckmarmor, eine Ahnengalerie und ausladende Kandelaber die Aufmerksamkeit des Besuchers auf sich ziehen. Das Deckengemälde zeigt den antiken Helden Herkules, der von Jupiter in den Götterhimmel aufgenommen wird. Im Barockzeitalter wusste ein jeder Gast auch dies richtig einzuordnen: Ähnlich wie Herkules die Welt von Unrecht befreit hatte, hatte sich Ludwig Wilhelm im Großen Türkeikrieg um das Christentum verdient gemacht. Aufgrund ihres weitgehend unberührten Zustandes eignen sich die symmetrisch angelegten Appartements in Rastatt besonders gut, vom Vorzimmer bis zum Schlafgemach die idealtypischen Lebensverhältnisse von Herrscher und Gemahlin in Augenschein zu nehmen. Herrenstraße 18–20, 76437 Rastatt Tel. +49(0)7222 97 83 85, April bis Okt. Di–So 10–17 Uhr, Nov. bis März 10–16 Uhr, www.schloss-rastatt.de Schloss Favorite Wenn für das Residenzschloss bereits zutrifft, dass es im Allgemeinen nicht die öffentliche Aufmerksamkeit erhält, die ihm zustehen sollte, so handelt es sich bei Schloss Favorite um einen regelrechten Geheimtipp: Markgräfin Sibylla Augusta ließ das Bauwerk von 1710 bis 1730 am Rande Rastatts vornehmlich als Sommerresidenz errichten. Wie das ebenfalls weitgehend unveränderte Bauwerk heute noch zeigt, sollte es ihr auch bei Erholung und Naturgenuss an nichts fehlen: Schloss Favorite gilt als ältestes und gleichzeitig am besten er-
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Sommerresidenz mit Lustgarten: Schloss Favorite ist ein echter Geheimtipp.
haltenes Porzellanschloss Deutschlands. Doch es wird, auch wegen des im Winter problematischen Raumklimas, von lediglich 35.000 Menschen pro Jahr besucht. Eingebettet ist das Schloss in einen Park von ausgesuchter Schönheit. In dem öffentlich zugänglichen Areal verlustieren sich Spaziergänger. Jogger ziehen ihre Runden. Und verliebte Paare lassen sich in barockem Ambiente fotografieren. Als Blickfang dient eine von Wasserbassins und Orangerien gesäumte Grünachse, die auf das dreigeschossige Schloss mit seiner auffälligen Kieselsteinfassade zuführt. Trotz der aufwändig gestalteten, und heute noch von fünf hauptberuflichen Gärtnern unterhaltenen, Außenflächen verbirgt sich im Innern eine noch ungleich sehenswertere Pracht. Schon der achteckige Gartensaal („Sala Terrena“) sucht seinesgleichen: Die Wände nämlich sind weitflächig mit blauweißen Fliesen verkleidet. Dabei handelt es sich um eine Reminiszenz an das sogenannte Delfter Blau, jenes edle Porzellan
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also, das mit Hilfe meist simpler Motive auch der Erzählung von Geschichten diente. Jagd- und Reiseszenen wechseln sich an den Wänden des Gartensaals mit Darstellungen aus dem Tierreich ab. Eine Erzählform, die Kunsthistoriker heute gerne als „Boulevardzeitung des Barock“ bezeichnen. Zur Reputation als Schmuckkästchen des Barock trägt weiterhin das Spiegelkabinett von Favorite bei. Es ist das älteste seiner Art in Deutschland. Sibylla Augusta hat es mit 313 höchst unterschiedlichen Spiegeln ausstatten lassen, die einen Besuch zu einem effektvollen Erlebnis machen. Beachtenswert sind neben der genauen Berechnung toter Winkel vor allem die kleinen Kostümbilder, die Sibylla Augusta und ihren Gemahl in verschiedenen Verkleidungen zeigen – ein Verweis auf die barocke Tradition des Maskenballs. Doch auch die Opulenz dieses Saals wird noch übertroffen: Das in Europa einzigartige Florentiner Kabinett vereint an seinen Wänden 758 kostbare Steintableaus, die in den Werkstätten der Medici in Florenz gefertigt wurden. Es handelt sich um die Zusammensetzung von hauchdünnen Platten aus Marmor, Granit und Halbedelsteinen, die unter anderem Stillleben und Landschaften zeigen. Der aus Stuckmarmor gefertigte Fußboden steht dem Detailreichtum in nichts nach. Am Schloss Favorite 5, 76437 Rastatt-Förch Tel. +49(0)7222 412 07, Mitte März bis Ende Sept. Di–So 10–18 Uhr, Okt. bis Mitte Nov. bis 17 Uhr, im Winter geschlossen, www.schloss-favorite-rastatt.de
Das Interieur wird von Kacheln im Delfter Stil dominiert.